28
(Aus der Deutschen Forsehungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser Wilhelm-Institut] und der Psyohiatrischen Abteilung des Stgxitischen Krankenhauses Miinchen- Sohwabing [Chefarzt: Prof. Kurt Schneider].) Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psyehosen. Yon Werner Scheid. (Eingegangen am 13. Mai 1934.) Das Erleben der Verschuldung, das seinen spraehliehen Niederschlag im ,,Vorwurf" findet, sollhier auf eine der Versehuldung stets zukommende Eigensehaft hin untersucht werden, n~mlieh ihr Gerichtetsein, auf die Tatsaehe hin, dal~ stets ?'e~nd der Tr~ger der Schuld ist. Der Schuld- richtung naeh kann man unterscheiden: reine Ichschuld, reine Fremdschuld, selcunddre Fremdschuld, sekung, dre Ichschuld. Der reinen Ichschuld, die als frei steigender Versehuldungsgedanke oder reaktiver ~berbau auftritt, begegnen wit weitaus am h/iufigsten, wenn aueh nieht ausschlieBlich bei der zyklothymen Depression. Der Kranke biirdet fiir alle mSgliehen Geschehnisse der Vergangenheit, die in der Psychose Bedeutung gewinnen, und die schreekliehsten Dinge der Zukunft aussehliefllich sich selbst die Schuld auf. So hielt die Patientin Maria Bung, 49 Jahre alt, sieh fiir schuldig an dem Tod ihrer Schws well durch ihre Unf~higkeit und Trs diese sich habe zu Tode arbeiten miissen. Ferner stiirzen Fehler der Buehfiihrung die ganze reehtsehaffene Familie in furehtbares Unglfiek. Die Riehtung der Schuld zeigt hier aus- sehlieBlieh auf den Kranken selbst. Ja, auch dann noeh werden wir yon einer reinen Iehsehuld spreehen diirfen, wenn Geschehnisse der Umwelt gewissermaBen zur Illustration, zum Beweis der eigenen Verschuldung herangezogen werden. So, wenn die Patientin Bung weiterhin meint, die Mitpatienten beklagten sieh fiber sie, sie wollten sie los sein. Sie sei ja aueh schwer zu ertragen; das wisse sie selbst. Die reine Fremdschuld, zu finden zumal bei schizophrenen Prozessen, ist ihrem Aufbau nach ebenso klar wie die reine Ichsehuld. Die Richtung der Sehuld zeigt auf die Aul3enwelt: Verwandte, Bekannte oder wer es auch sei, tragen die Sehuld am Unglfiek des Patienten, an dem MiBgeschiek seiner Familie. In diesen F/~llen zeigt das Schulderlebnis h/~ufig Wahn- struktur. Die sekunddre Fremdschuld geht hervor aus der Ichschuld. Anfangs weist der Zeiger der Sehuld auf den Kranken selbst: er hut alles Unglfiek heraufbeschworen, er hat seine Umgebung, seine Mitmenschen geseh~digt. Deren Verhalten ihm gegenfiber erscheint ihm zu milde, zu giitig, in keiner Weise angepaBt an die GrSBe seiner Schuld. Bald nun merkt er,

Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

(Aus der Deutschen Forsehungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser Wilhelm-Institut] und der Psyohiatrischen Abteilung des Stgxitischen Krankenhauses Miinchen-

Sohwabing [Chefarzt: Prof. Kurt Schneider].)

Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psyehosen.

Yon Werner Scheid.

(Eingegangen am 13. Mai 1934.)

Das Erleben der Verschuldung, das seinen spraehliehen Niederschlag im ,,Vorwurf" findet, sollhier auf eine der Versehuldung stets zukommende Eigensehaft hin untersucht werden, n~mlieh ihr Gerichtetsein, auf die Tatsaehe hin, dal~ stets ?'e~nd der Tr~ger der Schuld ist. Der Schuld- richtung naeh kann man unterscheiden: reine Ichschuld, reine Fremdschuld, selcunddre Fremdschuld, sekung, dre Ichschuld.

Der reinen Ichschuld, die als frei steigender Versehuldungsgedanke oder reaktiver ~berbau auftritt, begegnen wit weitaus am h/iufigsten, wenn aueh nieht ausschlieBlich bei der zyklothymen Depression. Der Kranke biirdet fiir alle mSgliehen Geschehnisse der Vergangenheit, die in der Psychose Bedeutung gewinnen, und die schreekliehsten Dinge der Zukunft aussehliefllich sich selbst die Schuld auf. So hielt die Patientin Maria Bung, 49 Jahre alt, sieh fiir schuldig an dem Tod ihrer Schws well durch ihre Unf~higkeit und Trs diese sich habe zu Tode arbeiten miissen. Ferner stiirzen Fehler der Buehfiihrung die ganze reehtsehaffene Familie in furehtbares Unglfiek. Die Riehtung der Schuld zeigt hier aus- sehlieBlieh auf den Kranken selbst. Ja, auch dann noeh werden wir yon einer reinen Iehsehuld spreehen diirfen, wenn Geschehnisse der Umwelt gewissermaBen zur Illustration, zum Beweis der eigenen Verschuldung herangezogen werden. So, wenn die Patientin Bung weiterhin meint, die Mitpatienten beklagten sieh fiber sie, sie wollten sie los sein. Sie sei ja aueh schwer zu ertragen; das wisse sie selbst.

Die reine Fremdschuld, zu finden zumal bei schizophrenen Prozessen, ist ihrem Aufbau nach ebenso klar wie die reine Ichsehuld. Die Richtung der Sehuld zeigt auf die Aul3enwelt: Verwandte, Bekannte oder wer es auch sei, tragen die Sehuld am Unglfiek des Patienten, an dem MiBgeschiek seiner Familie. In diesen F/~llen zeigt das Schulderlebnis h/~ufig Wahn- struktur.

Die sekunddre Fremdschuld geht hervor aus der Ichschuld. Anfangs weist der Zeiger der Sehuld auf den Kranken selbst: er hut alles Unglfiek heraufbeschworen, er hat seine Umgebung, seine Mitmenschen geseh~digt. Deren Verhalten ihm gegenfiber erscheint ihm zu milde, zu giitig, in keiner Weise angepaBt an die GrSBe seiner Schuld. Bald nun merkt er,

Page 2: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung fiir die Prognose usw. 529

daB seine Umgebung seine Verfehlungen riehtig einzuschi~tzen weiB, ihr Verhalten/~ndert, die anf~nglich gezeigte Gfite und Milde dutch Zuriick- haltung und K/ilte ersetzt und damit ihm die gereehte Behandlung zukommen laBt. Abet so bleibt es nicht. Dem Kranken fallt auf, dab seine Mitmenschen ihm fibelwollen, seine Lage absichtlieh verschlimmern, um ihn zu strafen, ihn fiber Gebiihr zu peinigen. SchlieBlieh sind sie es, die seinen Zustand herbeigeffihrt haben, ihn verspotten, verleumden, sie sind die ,,Tr/~ger der Schuld".

Somit ist aus der ursprfinglich vorhandenen (prim/~ren) Ichschuld eine Schuldstruktur hervorgegangen, die als sekund/~re Fremdsehuld zu bezeichnen ist.

Der sekunddiren Ichschuld, dem genauen Spiegelbild der sekundi~ren Fremdschuld, geht die primate Fremdschuld voraus. Die Riehtung der Sehuld, die anfi~nglich auf die Umwelt zeigt, wendet sieh dem Kranken zu: er ist sehlieBlich der Schuldige, die Mitwelt verliert in dem Sehuld- komplex ihre Rolle als Urheberin. Es ist hervorzuheben, daB eine der- artige Struktur der Sehuldriehtung/~uBerst selten ist, ja in der geschil- derten reinen Form kaum jemals vorkommt. Sie finder sich aber als Teilstfick einer noch komplizierter aufgebauten Sehuldform, die, aus- gehend yon einer prim/~ren Eigensehuld, fiber eine sekundi~re Fremdsehuld zurfickfiihrt zur Eigenschuld. Diese Entwicklung ist nun keineswegs selten. Sie kann auch wieder rfickl/~ufig werden, es kaml schlie$1ieh dazu kommen, da$ das Subjekt in dem psychotisehen Sehuldkomplex dauernd wechselt, das ,,Ich bin schuld" und das ,,Ihr seid sehuld" sich stetig ablSsen, ja selbst nebeneinander bestehen. Oder aber der Kranke kann nicht klar angeben, wet der Trigger der Sehuld ist; er vermutet, daB jemand sehuld ist, abet er kann diese nieht urs/~ehlich einordnen: ,,bin ieh es ?" oder ,,sind es die anderen ?"

Mit der Beschreibung der labilen Schuldrichtung, wie wir die letzten Formen aueh bezeiehnen k5nnen, haben wir die vier Grundtypen, yon denen wir ausgingen, verlassen. Gerade diese weniger einfach gebauten Strukturen der Sehuldriehtung sind, zumal bei atypischen Psyehosen, h/iufig vertreten.

Im folgenden soll untersueht werden, ob die Sehuldrichtung im Verein mit den phi~nomenologischen und klinisehen Kriterien Rficksehliisse auf den Verlauf involutiver Psychosen und damit auf deren Prognose erlaubt.

Gerade diese Psyehosen wurden gew/~hlt, weil sie im Einzelfall einer typenm/~Bigen Zuordnung die grSBten Sehwierigkeiten bereiten. Wenn Kurt Schneider im Hinbliek auf die Typen der Psyehosen sagt, dab ,,die ~berg/~nge zwischen den einzelnen Typen tells dureh viele und gleieh- m/tBig verteilte, teils dureh seltene F/~lle gekennzeichnet sind", so gilt letzteres mehr fiir die endogenen Psychosen der jiingeren Lebensalter, ersteres mehr f fir die endogenen Psychosen des Rfickbildungsalters. Die Idealtypen - - zyklothym - - niehtzyklothym - - finden wir unter den

Page 3: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

530 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

Involutionspsychosen verh~ltnism~Big selten, eine groBe Zahl der F~lle gruppiert sieh zwischen beiden Polen.

Aus dieser Verteilung erkl~ren sieh die zahllosen Versuehe, durch das dicht besetzte Feld, das sich zwisehen den Idealtypen ausdehnt, Grenzen zu ziehen, um psyehiatrisehe Krankheitseinheiten auch hier zu schaffen. DaB die Zahl der zu beschreibenden und besonders hervor- hebbaren Formen theoretisch unbeschr~nkt ist, ergibt sieh schon aus der MSgliehkeit, die versehiedensten Kriterien fiir eine solche Grenzsetzung heranzuziehen: Besonderheiten des psychisehen Bildes, Eigentfimlieh- keiten des Verlaufs, Alter, Konstitution u. a.m. So ist es erkl~rlich, dab die meisten der entstandenen Gruppen sich iibersehneiden, d. h. gemeinsame Ztige tragen, und dab andererseits in derselben Gruppe, die vielleicht aus dem Zustandsbild gepr~gt war, weitgehende verlaufs- m~Bige Verschiedenheiten bestehen. Wie die Abgrenzung zwisehen diesen Formen selbst auf natiirliche Sehwierigkeiten st5Bt, so auch eine Ab- grenzung gegen die Krankheitsgruppen des manisch-depressiven Irreseins und der Dementia praecox.

Naeh dem Versueh yon Drey/us, die Involutionsmelaneholie in das manisch-depressive Irresein einzuordnen, entbrannte der Streit um die Sonderstellung dieser noch am besten umrissenen involutiven Psychose. Bleuler, Bumke, Seelert, Albrecht u. a. bekannten sieh gegen die Drey/us. sche Ansieht, der sieh Specht, Thalbitzer, Hiibner, Kehrer, Rehm u.a., allerdings zum Teil mit Einsehr~nkungen angesehlossen hatten. Bumke, der zwar ffir einige F~lle eine Zuordnung zum maniseh-depressiven Irresein zugibt, hebt hervor, dab ein Tell der Falle eine Sonder- stellung verlange wegen des h~ufigen Anschlusses der Erkrankung an seelische Ursaehen, wegen der l~ngeren Verlaufsdauer, wegen der oft nieht vollst~ndigen Heilung, wegen des h~ufigen Vorkommens yon Sinnes- t~uschungen, des h~ufigen ~berwiegens paranoider und hypoehondrischer Ideen. Der ~bergang zu den organiseh-cerebralen Psychosen wird viel- fach als flieBend angesehen (Bumke, Seelert u.a.). In neuester Zeit spricht sieh Ewa/d, besonders wegen der beiderseits giinstigen Prognose, ffir die Belassung der Involutionsmelancholie beim maniseh-depressiven Irresein aus, E. Jacobi erkl~rt sieh fiir eine Sonderstellung, gibt aber (~berg~nge zu.

Ebenso umstritten ist die Grenze mancher der herausgearbeiteten involutiven Psyehosen gegen den schizophrenen Formenkreis. So rechnet Bleuler den ,,pr~senilen Beeintr~chtigungswahn" (Kraepelin) der Sehizo- phrenie zu. Lange betont, dab die Involutionsparanoia Kleists keine schaffen Grenzen bietet gegen Serkos Involutionsparaphrenie, Albrechts prs Paraphrenie u. a. Psyehosen. Naeh Mayer.Grofl sind die hier gegen die Schizophrenie geschaffenen Grenzen nicht mehr haltbar. Aueh rein depressiv beginnende Psyehosen des Klimakteriums und der Involution kSnnen einen Verlauf nehmen, der von dem der Involutions-

Page 4: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 581

melancholie abweicht und zu einem Endzustand ftihrt, ,,der in gewisser Hinsicht schizophrenen Endzusti~nden sich niihert, aber doch wohl yon ihnen abgegrenzt werden mul3" (Runge). Diese ihres Verlaufs und be- sonderer klinischer Merkmale wegen yon der Involutionsmelancholie zu unterscheidenden Formen, di e agitierte Melancholie, die Angstmelancholie, der depressive Wahnsinn (Rehm), der depressive und manische Wahn- sinn (Thalbitzer), die erstarrende Rfickbildungsmelancholie (Medow), werden yon anderen Autoren eher dam schizophrenen Formkreis zugez~hlt (Lange u.a.) .

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Grenzen aufzuzeigen, die yon den zahlreichen Autoren zwischen den Involutionspsychosen gezogen wurden, alle die Kriterien aufzuz~hlen, die in dem Bemfihen nach Sonde- rung einzelner Gruppen jeweils angegeben wurden. Vielmehr kam es uns hier darauf an, hervorzuheben, wie wenig scharf die meisten Psychosen des Um- und Rfickbildungsalters voneinander abzugrenzen sind, wenn man nach ldarumrissenen Krankheitseinheiten sucht, die sowohl durch gleiches psychisehes Zustandsbild wie dureh gleiehen Verlauf (Kraepelin) char~kterisiert sind. Gerade der Verlauf verwischt stets aufs neue die aus dem Zustandsbild mfihsam geschaffenen Grenzen. Psychosen, die man dem Zustand nach als Involutionsparanoia ffihrte, heilen bisweilen aus (Lange), Involutionsparaphrenien sieht man auch einmal phasisch verlaufen und ohne Defekt abheilen (Mosbacher). Umgekehrt gehen nicht so selten als Involutionsmelancholie gebuchte Fi~lle in einen Defektzustand fiber (Bumke, Jacobi u. a.), der nicht in allen F~llen eine organische Demenz genannt werden kann. Unter diesen Umst~nden sind Bezeichmmgen wie Involutionsparaphrenie, Involutionsmelan- cholie usw. zur groben Schilderung eines Zustandes im Einzelfall geeignet, nicht aber kSnnen sie als Krankheitseinheiten Verwendung finden, denen neben dem Zustand ein bestimmter Verlauf gemeinsam ist. Die klinische Zuordnung kann nur eine typologische sein. Die Frage lautet: Steht die involutive Psychose dem Typus der zylclothymen Depression oder steht sie dem Typus der nicht.zy]clothymen, d. h. im weitesten Sinne schizophrenen Psychosen ndher ?

Woher es kommt, dad die Verteilung der F~,lle zwischen den Ideal- typen eine so gleichm~i3ige ist, dab die reinen Typen relativ viel seltener als in anderen Altersstufen vertreten sind, dariiber ls sich einiges ver- muten. Sicherlich ist es nicht gleichgfiltig, wieweit eine PersSnlichkeit zu der Zeit abgerundet und gestaltet ist, in der sie yon der Psychose befallen wird. Der fehlende ,,Zerfall der PersSnlichkeit" bei den schizo- phrenen Prozessen der Involutionszeit erkl~rt sich sicherlich weitgehend aus diesem fertigen Ausbau der PersSnlichkeit (Mayer-Grofl). Warum gerade die der zyklothymen Depression n~her stehenden Psychosen des Urn- und Rfickbildungsalters so h~ufig ,,schizophrene Mechanismen" in Gang setzen, oder wie man es nennen mag, ist noch so gut wie ungekl~rt.

Page 5: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

532 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

Die Folge ist jedenfalls, dab selbst der Naehweis yon sonst ffir den schizophrenen ProzeB bezeichnenden Symptomen, ganz unabh/ingig davon, mit welchem Namen man im einzelnen die Psychose belegt, keineswegs in allen F/illen als prognostisch ungfinstig zu bezeichnen ist.

Wir betrachten die yon den idealtypischen Polen sich entfernenden Psyehosen des Urn- und Riickbildungsalters - - die yon Bleuler, Kehrer u.a . geforderte Trennung beider ist praktisch exakt nicht mSglich - - und untersuchen, wieweit bei diesen die Richtung der Schuld prognosti. sche Rficksehlfisse erlaubt. Ph/inomenologische Kriterien dfirfen selbst- redend dabei nicht auBer acht bleiben, wenn auch die ph/inomenologisehe Analyse sich auf unserem Feld als besonders schwierig, ja sehr oft als unmSglich erweist.

Fiir Auswahl und Bearbeitung des Materials waren folgende Gesichts- punkte maBgebend : Es wurden aus dem Material der Abteilung der Jahre 1924 1931 die weiblichen Kranken herangezogen, bei denen sicher erstmalig im Urn- und Rfickbildungsalter psychotische Erscheinungen auftraten. Eine Ausnahme yon diesem Gesichtspunkt bildet nur der vorletzte Fall (Wurm), bei dem es nicht ganz sicher ist, ob nicht schon in der Jugend eine psychotische Phase aufgetreten war. Es wurden auch F/ille mit typisehem Zustandsbild katamnestiziert, aber, abgesehen yon den F~llen Thor und Felde, nur dann mitgeteilt, wenn der Verlauf ein atypisches Verhalten zeigte. Aus dem ursprfinglich viel grS$eren Aus- gangsmaterial schieden zahlreiche F/ille aus /iuBeren Griinden aus. (Zu kurze klinische Beobachtung, zu frfiher Tod an einer interkurrenten Erkrankung, UnmSgliehkeit einer brauchbaren Katamnese.)

Wir werden nieht erwarten kSnnen, mit unserem bescheidenen Kriterium, n/imlich der Schuldrichtung, eine absolut verbindliche Prognose zu stellen. W/ire das mSglich, dann kSnnten wir die Involutions- psychosen nach diesem dem Zustandsbild entlehnten Kriterium unter- teilen und h~tten damit gleichzeitig Gruppen gesehaffen, denen ein einheitlicher Verlauf eigen w/ire: d .h . wir h/itten klinische Einheiten gesehaffen, die der Forderung naeh gleichem Zustandsbild und gleiehem Verlauf gerecht wfirden. DaB eine derartige Erwartung, zumal bei An- wendung eines psyehologisehen Kriteriums, wie es das unsrige ist, nicht erffillt werden kann, braucht nicht betont zu werden.

Es seheint gerechtfertigt, noch ein Wort fiber unsere Auffassung yore Wesen der Prognose einer psychischen Erkrankung zu sagen. Eine psychia- trische Prognose kann niemals gleiehbedeutend sein mit einer sozialen Prognose. Es handelt sieh nieht darum, ob das betreffende Individuum sozial ausf~llt oder ob es in den Pflichtenkreis, aus dem es kommt, sieh wieder einfindet. Vielmehr hat eine psychiatrische Prognostik eine psyehologisehe zu sein, die dann im Einzelfall meist praktisch soziale Folgerungen naeh sich ziehen wird. Keinesfalls ist es aber erlaubt, die Katamnese, aus der die Erfahrung fiber die Prognose stammt, nach

Page 6: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ffir die Prognose involutiver Psychosen. 533

le is tungspsychologischen Ges ich t spunkten zu orient ieren. Vie lmehr i s t zu fordern, dab die pr/~psychotische PersSnl ichkei t den MaBstab abgib t . Hei lung ist g le ichbedeutend mi t Wiederhers te l lung des Menschen vor der Psychose .

Auch die durch Suicid ausscheidenden F/il le s ind n ich t ffir prognos t i - sche Schlul3folgerungen verwer tbar . Man kann n ich t sagen, dab die Prognose der Involu t ionsmelanchol ie u . a . deshalb schlecht sei, weil l au t K a t a m n e s e viele de r k l in isch beobach te t en Psychosen nach der E n t - lassung durch Se lbs tmord enden. DaB das Wissen um die erhShte Selbst- gefi~hrlichkeit p rak t i sch-k l in i sch und sozial die grSBten Konsequenzen haben und das ~rzt l iche Verha l ten wesent l ieh be s t immen mul~, /~ndert n ichts an der Tatsache , dab die F rage nach der MSglichkeit e iner psychi- schen Hei lung durch den Suicid n icht berf ihr t wird. F fir eine a l lgemeine Aussage fiber die Prognose haben aul~er den du tch Suicid geende ten P a t i e n t e n auch die auszuscheiden, die in der Zwisehenzei t an in ter - ku r r en t en E r k r a n k u n g e n vers torben sind.

Die F/~lle, die dem Modus der endogenen Depress ion nahes tehen , mul3ten auch, wenigstens kurz , wiedergegeben werden, da fiber die Prognose dera r t iger e rs tmal ig in der Invo lu t ion au f t r e t ender E rk ran - kungen keine E in igke i t herrscht . Mit ihnen soll begonnen werden. ])as angegebene Al te r is t jeweils das zur Zei t der e rs ten Aufnahme.

Fall 1. Therese Thor, 44 Jahre alt, verheiratet. Diagnose :Melancholie (Klimak- terium). Aufgenommen am 3. April 1930. Familienanamnese o. B. Patientin gibt an, sie sei seit 10 Jahren gliicklich verheiratet, 1922 habe sie eine Geburt gehabt, das Kind sei gestorben. Sie selbst sei niemals krank gewesen. Letzte Menstruation vor 3 Wochen. Jetzt fiihle sie sich schwermfitig, der Kopf rue ihr so weh, sie kSnne sich nicht mehr recht zum Leben aufraffen. ])as gehe schon so seit 3 Wochen. ])avor sei es ganz anders gewesen. Friiher habe sie einen solchen Zustand noch hie gehabt. Vor 2 Jahren habe sie Streit mit einer anderen Partei im Haus gehabt. Man habe sie damals eines Holzdiebstahls bezichtigt. :Die falschen Behauptungen seien aber alle zurfickgenommen worden. Aul3erdem habe ein Herr Klein vor 2 Jahren etwas Schlechtes fiber ihren Mann gesagt. :Nach einer Auseinander- setzung habe sie sich aber auch mit ihm geeinigt, l~un komme ihr das alles wieder in den Sinn, sie mache sich Gewissensbisse, sie glaube, daft sie schuld sei, auch daran, daft sie nicht mehr an Untermieter vermieten diirfe. Eines Tages sei es da drin im Kopf wie ein Spulschiffchen gewesen, und da h/ttten die Gedanken sich alleweil gedreht: sie h~tte den Herrn Klein beleidigt. ])ann sei es fiber den Gaumen gegangen und plStzlich habe sie nicht mehr arbeiten kSnnen, sich zu nichts mehr entschlieBen kSnnen. ])er Kopf sei ganz steif gewesen. Die schwermiitigen Gedanken h~tten zwischen Haut und Knochen gesessen, da h~tten sie sich einmal fiber die Nasen- wurzel herfibergedreht, als habe sie quasi jemanden beleidigt. -- Die kSrperliche Untersuchung der pyknischen Frau ergibt nichts :Besonderes. -- In den folgenden Tagen freier, Schlaf und Appetit besser. Gelegentlich werden die k6rperlichen Sensationen wie bei der Auinahmeuntersuchung angegeben. 17.5.30 auf eigenen Wunsch entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Sie kommt auf schriftliche Aufforderung hin ins Krankenhaus. Es sei ihr nach der Entlassung stets gut gegangen, kSrperlich fiihle sie sich gesund. Die Stimmung sei gleichm/~i3ig heiter, mit den anderen Menschen komme sie gut aus. Sie arbeite alles allein, Schlaf und Appetit seien.gut. W~hrend

Page 7: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

534 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

der Menses, die jetzt unregelmiiBig seien, miisse ihr Mann sie mit seinen Hanseleien, zu denen er neige, verschonen. ~Tber ihre Erlebnisse wiihrend der Krankheit spricht sie bereitwilligst. Sie habe gemeint, die Leute bei der Holzgeschichte zu barsch behandelt zu haben, ihrem Binder gegeniiber bei einer Erbschaftsteilung zu schroff aufgetreten zu sein. Jetzt nehme sie das ganz nattirlieh. -- Affektiv ist Patientin warm, den psychotisehen Erlebnissen steht sie vftlig kritisch gegeniiber.

Bei der 44j/~hrigen Frau ~, bei der auch naeh der objekt iven Anamnese des Ehemarmes keine heredit/ire Belastung festzustellen ist, handel t es sieh um eine Psychose, die alle Ztige einer vitalen Depression (Kurt Schneider) tr/~gt. Die eigene Insuffizienz wird kSrperlich erlebt, die Traurigkeit ist in allen mSglichen Teilen des Kopfes lokalisiert. AuBer dieser StSrung der Vitalgeffihle, der vitalen Traurigkeit, ist als weiterer Kern, um den sich das psychotisehe Erleben gruppiert , ein Schulderlebnis nachweisbar. Ganz eindeutig ist die Riehtung der Schuld, die wir als reine Ichschuld bezeichnet haben. Die Umwel t bleibt vSllig Objekt, sie ist nieht einmal zur , ,Erl/iuterung", zum Beweis der GrSBe eigener Sehuld herangezogen. Gerade bei den FKllen, in denen das Darnieder- liegen der Vitalgefiihle besonders ausgesproehen ist, diese StSrung im Vordergrund steht, ist das Sehulterleben h/~ufig besonders unkompli- ziert. Der dargestellte Fall zeigt niehts ftir die Involut ion Spezifisehes, er zeigt den Verlauf, wie wir ihn bei der typisehen endogenen Depression zu sehen gewohnt sind.

Fall 2. Anna l%lde, 47 Jahre alt, verheiratet, Diagnose : Involutionsmelaneholie. Aufgenommen 28.6.27. Der Mann gibt an, aus der Familie seiner Frau sei ihm bekannt, dab nur der GroBvater mfitterlieherseits auffallend gewesen sei; er sei zwar ein gutmiitiger, aber j/~hzorniger Mann gewesen. Im Alter sei er in eine Irren- anstalt gekommen. Er habe immer geklagt, er habe einen Druck im Baueh. :Die Patientin sei stets gesund gewesen; sie habe eine Tochter gehabt, die mit 23 Jahren gestorben sei. ~[ber diesen Verlust babe die Patientin eine durchaus natiirliche Trauer gezeigt. Einen iihnlichen Zustand wie den jetzigen habe sie niemals gehabt. Sie sei aullerordentlich tfiehtig, fleillig und gesellig, sei trotz unermiidlicher Tatig- keit im Geseh~ft eine gute Hausfrau gewesen~ habe keine Stimmungsschwankungen gehabt. Seit 4 Woehen sei sie zunehmr trfibsinnig geworden, habe sieh an- geklagt, sie richte das Geseh/fft ihres Mannes zugrunde, alle ihre Siinden seien ihr eingefallen, selbst alles Schlechte ihrer Jugend. Nachts sei sie sehr angstlieh und sehr erregt gewesen, habe Selbstmordabsichten ge/iuBert. Patientin selbst ist zun~hst sehr erregt, verlangt hinaus: sie mtisse arbeiten, es sei nur Faulheit yon ihr, sie sei nicht krank, sie mfisse sich vor den Leuten sch/tmen. Am folgenden Tag macht sie geordnete Angaben: Seit 3 Monaten habe ihre Arbeitskraft naehgelassen, sie habe nicht mehr gesehlafen. ,,])a drin in der Brust war es leblos, wie versteinert." Im Kopf habe sie einen Druck, als ob ein Draehen drin s/~lle, in der Brust und im Hals habe sie das Geffihl, als ob sie zugeschniirt wiirde. Sie mache sich Vorwiirfe, dab sie nicht regelm/~Big in die Kirche gegangen sei, dutch schreckliehe Dinge habe sie ihren Zustand versehuldet. Periode sei seit einigen Monaten unregelm/iBig. KSrperlieh kein krankhafter Befund. In den n/tchsten Wochen gleichbleibend depressiv. 12.7.27 gebessert gegen Revers entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Eine Nachuntersuehung der Patientin ist nicht mtiglich, da sie auf langere Zeit verreist ist. Der Mann, der einen recht gebildeten und zuverlassigen Eindruck macht, erzi~hlt, dab seine Frau sich wieder durchaus im selben Zustand wie vor ihrer Erkrankung befinde. Sie sei geistig rege, interessiere

Page 8: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 535

sich ffir alles, arbeite im Gesehgft wie frfiher mit, reise selbst~tndig wie immer in Geseh~ftsangelegenheiten. Die Stimmung sei absolut gleichmgBig, stets der Lage angepaBt. Abnorme Schwankungen zum tteiteren oder Traurigen seien niemals bemerkbar.

Aueh hier ist wie im Fal l Thor das Nebeneinander yon Vita ls tSrung und Schulderleben sehr charakteristisch. Auch bier ist die Schuldr ichtung eindeut ig im Sinne einer reinen Ichschuld. Beide FMle s ind sich in jeder Weise auBerordentl ich ghnl ich .

Die n u n folgenden FMle, die eine ausfiihrlichere Wiedergabe ver- langen, en t fernen sieh mehr oder weniger von dem Idea l typus der endo- genen Depression.

Fall 3. Barbara Schromm, 40 Jahre alt, verheiratet. Diagnose: Depressions- zustand mit schizophrenen Ziigen. Melancholie (?). Aufgenommen 30.5. 27. Der Ehemann der Patientin gibt an, seine Frau habe vor 5 Monaten eine Grippe durchgemacht, vonde r sie sich nieht recht erholt habe. Sie habe schlecht ge- schlafen, wenig gegessen, fiber Besehwerden in der Herzgegend geldagt. AuBerdem habe sie ge~uBert, sie komme sich fiberflfissig vor, sie k6nne nieht mehr leben. Vor allem aber babe sie sieh Vorwtirfe gemacht, dab sie sich w~hrend der Grippe yon ihrem Neffen habe pflegen lassen und dieser Neffe sie beim W~eheweehseln entkleidet gesehen habe. Seit einigen Monaten wechsle der Zustand, tageweise sei sie sehr deprimiert, dann wieder lustiger. Besonders schlimm sei es wiihrend der Menstruation. Seit einigen Monaten nehme sie an Gewicht ab. Eigene Angaben: In der Familie nichts von Belang. Sie selbst babe verschiedene Kinderkrankheiten durchgemacht. Menarehe mit 16 Jahren, o. B. Partus mit 22 Jahren, einige Jahre sp~ter Gebgrmutteroperation, mit 27 Jahren Eileiterschwangersehaft. Patientin schildert sieh als geselligen, aber nicht besonders heiteren Menschen, der mehr zum Grfibeln neige. Sie babe sieh mit 21 Jahren verheiratet, sei mit ihrem Mann glfick- lich, weil er gut zu ihr sei. Sie babe ihm gegeniiber nie die rechte Liebe gezeigt. Sie komme ins Krankenhaus, weil sie so viele Schmerzen habe. Ihre Ffil3e wiirden kalt, dann ,,knickst es, wie wenn eine Uhr geht; es lguft fiberall im K6rper herum, hauptsgchlich in den Ohren und in der •ase. Dazu pumpert das I-Ierz so". Das habe mit der Grippe begonnen. W~hrend dieser Krankheit sei sie von ihrem Neffen, einem Gymnasiasten, gepflegt worden, der an ihr besonders hgnge. Einmal, als er sie nach einem starken SehweiBausbruch abtrocknete, sei ihr der Gedanke gekommen, er k6nne sie wegen der Sinnlichkeit pflegen. Seitdem glaube sie, es k6nne eine Versuehung fiir ihn sein, aueh ffirchte sie, sie k6nne ihn lieben. Eines Nachts sei ihr ein Wahnbild aufgestiegen: Gottvater in den Wolken, der ihr zu- gerufen habe: ,,Du bist verdammt". Die Stimme Gottes habe sie nicht deutlich geh6rt, es sei ihr wohl mehr der Gedanke durch den Kopf geschossen, dab sie ver- dammt sei. Bei der Exploration ist Patientin aufmerksam, zun~tchst in den Ge- dankenggngen etwas verlangsamt, bald jedoch wird sie angeregt, erzghlt lebhaft ihre Erlebnisse. Die anfangs wenig bewegte Mimik wird sp~ter ausdrucksvoll, leicht theatralisch. K6rperlicher Befund o. B. 10. 6.27. Weinerlich, sehr unruhig, drgngt hinaus. 16.6.27. Auf Verlangen des Mannes entlassen.

2. Aufnahme : 8. 10.27. Der Mann gibt an, die Patientin sei naeh dem Kranken- hausaufenthalt zungehst unauffMlig gewesen bis zum 28.6. 27. Da babe sie pl6tz- lich erldgrt, sie babe sich versfendigt, ihr Neffe habe sie wieder umarmt. Die Patientin selbst erzghlt, eines Abends, als ihr Neffe allein mit ihr zu Hause gewesen sei, habe sie diesen an ihr Bert gerufen, da sie nieht habe einschlafen k6nnen. Er habe sie umarmt und sie habe ,,dasselbe Gefiihl wie beim Geschleehtsverkehr gehabt". Am ngchsten Tage habe sie ihm und sieh die schwersten Vorwiirfe gemacht, habe geheult und geschrien, ihrem Mann alles erzghlt und sich das Leben nehmen wollen.

Page 9: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

536 Werner Seheid: Der Zeiger der Sehuld

Der Neffe habe ihr widersprochen, und naeh einem Brief von ihm sei sie auf den Gedanken gekommen, es sei doch ,,alles Einbildung gewesen". Erst seit einigen Tagen maehe sie sich wieder schwerste Vorwiirfe. -- Patientin ist w/ihrend der Exploration sehr lebhaft, erz/ihlt ausdrucksvoll. Vorfibergehend ist sie in bessere Stimmung zu versetzen, dann werden aber wieder bald die Selbstvorwiirfe ge~ullert, die sich an die Beziehung zu dem Neffen kniipfen. Auflerdem klagt sie sich an, sie mache ihrem Mann solche Schwierigkeiten. KSrperlich unver/indert. -- 25.10. 27. Wechselnd in der Stimmung, spricht immer wieder fiber die Beziehung zu ihrem Neffen, begleitet ihr Reden mit manirierten Handbewegungen. Verlangt die Ver- sieherung, dab sie sich alles nur eingebildet habe. 11.11.27. Weint viel, keine Tagesschwankungen. 23. 11.27. Bringt stereotyp immer wieder ihre Selbstvorwfirfe vor, l~llt sie sieh nur vorfibergehend ausreden. Seherzt bisweilen. 18.12.27. Wieder ~ngstlieher und verstimmter. 20. 12.27. Gegen/~rztlichen Rat yore Ehemann nach Hause geholt.

Katamnese. Oktober 1932. Die frfihere Patientin wird allein zu Hause an- getroffen. Als sie erf~hrt, wer die Besucher sind, ist sie sehr freundlich und auf- geschlossen, gibt bereitwillig auf die an sie gerichteten Fragen Auskunft. Sie habe nach der Entlassung noch 1 Jahr eine Krankenschweater halten mfissen, dann sei es ihr wesentlieh besser gegangen, sie habe an Gewicht erheblich zugenommen, im ganzen 35 Pfund. Inzwischen Menopause. Seit 3 Jahren kSnne sie den :[taushalt allein versehen. Auf die Erlebnisse in ihrer Krankheit kommt sie selbst zu spreehen, bezeichnet ihre traurigen Gedanken, ihre Selbstvorwiirfe yon damals als krankhaft. Jetzt sei sie ruhig, gehe gem unter Menschen, sei gleiehm~Biger Stimmung. -- All das bringt sie ganz natfirlieh vor, ohne die w~thrend der Krankheit so aus- gesproehene Theatralik. Irgendwelche psyehotischen Zfige sind nicht mehr nach- weisbar.

Der geschi lder te Fa l l Schromm unte rsche ide t sich e twas von den zuvor beschr iebenen beiden F/~llen, zu denen aus unserem Mater ia l wei te re Beispiele hinzuzuffigen w/~ren. Bei dem le tz ten Fa l l fehl t d ie e igent l iehe H e m m u n g , die t raur ige Ve r s t immung i s t angedeute t , wechsel t abe r sehr. Die Deu tung der kSrper l iehen Sensa t ionen i s t n i eh t so e infaeh wie in den vorhergehenden F/~llen. Ob es sieh ta ts / ichl ieh u m eine LokaI i sa t ion der Traur igke i t als Ausdruck der Vi ta l s t5 rung hande l t , oder ob dem K l i m a k t e r i u m zukommende abnorme Le ibempf indungen bes tanden , die besonders beach te t wurden, 1/iBt sich k a u m entseheiden. Vieles sp r ieh t fiir die le tz te re Auffassung. Der Fa l l Schromm s teh t also dem Idea l - t y p u s der endogenen Depress ion ferner als der vorige. I n dem Schuld- komplex f inden wir abe t , wie in den ers ten Fs eine Schuldr ich tung , die der reinen Ichschuld zuzurechnen ist . Es erfolgte eine s iehere Hei lung.

Fall g. Isabella Fuehs, 42 Jahre alt, ledige Prokuristin. Diagnose: Melancholie. Aufgenommen am 3. 3. 28. Die Schwester der Patientin gibt an, vor einigen Tagen habe die Patientin ihre Stellung in einer Kunsthandlung gektindigt, die sie 25 Jahre lang innegehabt habe. Erkundigungen bei der Firma h~tten ergeben, daft seit einiger Zeit die Gewissenhaftigkeit der Patientin nachgelassen habe, sie habe Dinge einfaeh liegenlassen. Die jetzt bestehende Differenz, die zu dem Bruch geffihrt hal)e, sei jedenfalls nicht schwerwiegender Art. Ihre Schwester sei ein sehr ernster, stiller, auBerordentlieh fleil3iger und gewissenhafter Mensch. -- Aus der Familien- anamnese ist nichts bemerkenswert. Menstruationsanamnese o .B. Seit einer Myombestrahlung im Jahre 1919 Menopause. Jetzt noeh gelegentlich Wallungen und tterzklopfen. Patientin sehildert sich als strebsam, sehr kunstliebend, den Menschen gegeniiber zuriiekhaltend. Eine mehrere Jahre dauernde Beziehung

Page 10: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ffir die Prognose involutiver Psychosen. 587

zu einem Mann sei durch ihre eigene Schuld auseinandergegangen. Meist sei sie heiter gewesen, in anderen Zeiten ernster, aber ihre Verstimmungen seien wohl nut Launen gewesen. Seit 25 Jahren sei sic als Prokuristin in einer Kunsthandlung t~tig. Sie erkli~rt, es sei ihr so elend zumute, sie habe so v@l getan, was nicht recht sei und dafiir miisse s~e # t z t b@en. Sie sei zu spat ins Geschi~ft gekommen, ihre Prinzipalin sei gegen solche VerstSl3e immer zu gut zu ihr gewesen. Vor einigen Tagen habe sie einen entscheidenden Kracla in ihrer Firma gehabt. Man babe lange herumgestritten, die Geschi~ftsinhaberin babe itxr vorgeworfen, sie babe in letzter Zeit nachl~sig gearbeitet. Sie habe dann erkli~rt, reine Hi, ride babe sie sich bewahrt usw. Patientin erzi~hlt abet im ni~chsten Augenblick dann, sie habe schon 5fters Drucke yon ein paar Mark Weft sieh angeeignet. Jetzt komme sie fiber ihre Verfehlungen nicht hinweg, sie werde sicherlich angezeigt und ins Gefi~ngnis gebracht. Sie babe auch ihrer Prinzipalin zuliebe eingegangene Betr/ige ungebucht in die Kasse getan. Das sei abet ein Unrecht gegenfiber dem Finanzamt gewesen und daffir mfisse sie bfil~en. Leichter verstimmt sei sie seit einigen Monaten. Sie habe viel gegrfibelt, nicht arbeiten kSnnen. Schlaf und Verdauung seien schlecht gewesen. Die Um- gebung sei ihr ver~ndert vorgekommen und sie sich selbst auch. Das Mienenspiel der Patientin ist auBerordentlich i~rmlich. Sitzt wi~hrend der Exploration mit geschlossenen Augen da, spricht langsam, gequiilt. Ihre Erzi~hlungen sind yon Selbstanldagen und Versiindigungsideen durchsetzt. Kfrperlieher Bedrid: Starker Dermographismus, sonst o. B. -- 9. 3. 28. Spricht wenig, iflt kauni, iiullert immer die gleichen Selbstanldagen. Wird in ein Sanatorium verlegt. -- Dort 7.4.28. Unver~ndert, unzugi~nglich, sitzt mit traurigem Gesicht da, i~ul3ert den Eltern gegenfiber, sie und die Eltern wfirden yon einem furchtbaren Unglfick getroffen, wfirden verhaftet, kitmen lebensliinglich ins Zuchthaus. -- 16.4. 28. Seit einigen Tagen freier. Patientin beschi~ftigt sich, kritisiert alles. Bei li~ngerer Unterhaltung bezichtigt sie slch wleder der Unredllchkeit. Sie habe fiber Kolleginnen gespottet, das werde ihr jetzt heimgezahlt und mit Recht. Bald darauf betont sie, sie babe ffir das Geschi~ft das Beste getan und habe nut Undank und Mil3trauen geerntet. -- 28.4. 28. Auf einen ldeinen iiufleren Anlal3 bin Erregungszustand, in dem sie mit Gegensti~nden um sich wirft, ein theatrahsches Geschrei anstimmt. -- 10. 5.28. Im allgemeinen ruhig, tageweise aber wieder gehemmt. Ein l~oman, ,,Der Perlendieb", werde ihr gegeben, well man sie /iir eine Diebin halte. - - 20. 5. 28. Wieder sehr gedrfickt. 31.5. 28. Sie babe im Gesch/~ft ein Bildchen entwendet, sie werde verhaftet, nachts yon einem schwarzen Auto abgeholt, ins Unglfick gestiirzt. -- 15.7.28. l~edet mit 1)athos in unbestimmten Ausdrtieken: ,,lY[ensch, denke an deine Ehre". ,,Vater, was tat ich mit Deinem ehrliehen Namen ?" -- 25. 7.28. Reiht sinnlos Worte an- einander: , ,Karbunkel, Unke, Onkel, Obst, Abst usw." Nickt dabei, betont jedes Wort. -- 5.8.28. ,,~eine armen Eltern, meine arme Schwester! Ich bin an allem schuld!" W~hrend der n/~chsten Monate sehr produktiv in ihren Selbstanklagen, theatralisch und belehrend. -- 10. 12.28. Sehr viel natfirlicher, spricht gern von ihrer Krankheit. -- 20. 12.28. Geheilt entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Bei dem Hausbesueh ist Patientin liebenswfirdig und mitteilsam. In den letzten Jahren sei sie kSrperlich viel krank gewesen. Vor einem halben Jahre habe sie eine schwere Blinddarmeiterung, im Anschlul3 daran dauernd Katarrhe der oberen Luftwege gehabt. Ihre Stimmung h~nge sehr yore Schlaf ab. Nach einer sehlechten Nacht ffihle sie sich morgens schwach, argere sieh fiber alles, kSnne schlecht mit anderen Menschen zusammen sein und nur schwer ihre Hausarbeit verrichten. Ihre Stellung in dem Kunstgeschaft babe sie nicht mehr annehmen wollen. Ihren Hal3 gegen die Leute habe sie noch nicht ganz fiberwunden. Ffir die Erlebnisse w~hrend ihrer Krankheit besitzt sie vSllige Krankheitseinsicht. Sie erz/~hlt, wie sie aus der Zentralheizung alle mSglichen Stimmen gehSrt babe, die ihr Befehle erteilten. Sie babe gemeint, alle ~rzte und Pflegerinnen spr/iehen Schlechtcs fiber sie, aber stets habe sie dabei das Geffihl

Page 11: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

538 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

gehabt, dab flarsorecht geschehe, da sie an aUem schuld sei. Auch flare Angeh6rigen, die Anstalt und die Welt, so habe sie gemeint, seien durch sie in gr6fltes Ungliick gestiirzt worden. Sie habe wohl gewuflt, dab sie eigentlich nichts so Schreckliches getan babe, es sei vielmehr ,,irgendeine" sehwere Schuld gewesen, die sie auf sich geladen habe und dureh die sie die ganze Welt sich zum Feinde gemacht habe. -- Jetzt macht die frfihere Patientin den Eindruck einer vom Leben entt~uschten, yore Schicksal benachteiligten Frau, der al]e Erwartungen, die sie ins Leben gesetzt hatte, unerfiillt blieben. Nachdem die Beziehungen zu jenem l~_anne auseinander- gegangen waren, scheint sie ihre Pers6nlichkeit ganz fiir ihren Beruf eingesetzt zu haben, der ihr dann such verloren ging. Jetzt scheint sie flare kleinen k6iper- lichen Unp~Blichkeiten zum Hauptinhalt flares Lebens gemacht zu haben. Alle flare Klagen sind durehaus verst~tndlich abzuleiten, psychotische Ph~nomene sind weder formal noch inhaltlieh nachweisbar.

Bei der Anfangsuntersuchung der 42j/~hrigen Patientin sind zahl- reiche Ziige einer vitalen Depression deutlich. Im weiteren Verlauf ent- fernt sie sieh jedoeh mehr und mehr yon dem, was man als den Ideal- typus der endogenen Depression bezeiehnet. Nur noeh fiir kurze Zeiten ist sie gehemmt, psyehisch verlangsamt. Dazwisehen fallen die Hem- mungen fort, sie wird geradezu aggressiv, theatraliseh, ironisch.

In dem psyehotisehen Sehulderleben ist die Sehuldriehtung eindeutig. Sie ist die Urheberin alles Schrecklichen, hat schwerste Strafen zu erwarten. All das, was die Umgebung unternehmen wird, um sie der Bestrafung zuzufiihren, erseheint ihr, wie sie auch bei der Katamnese noch besonders hervorhebt, gereehtfertigt. 1~ur an einem Punkt sind die Grenzen dessen, was wir der reinen Ichsehuld zurechnen k6nnen, deutlich iiberschritten. Z.B. am 16.4.28 beschuldigt sie sich aller m6glichen Unredliehkeiten, zeiht sich des Spottes, der ihr jetzt mit Recht heimgezahlt werde. Unmittelbar darauf beteuert sie, fiir das Gesch~ft das Beste getan zu haben, aber dafiir nur Undank und Mill trauen geerntet zu haben. Hier ist das ver]assen, was als reine Illustration der eigenen Sehuld aufgefaBt werden kann. Wir stehen hier einer Schuld- richtung gegeniiber, die 8chon al8 ,ekund~re Fremd,ehuld zu bezeichnen ist. AuBer diesen wenigen Angaben scheint aber in der Psyehose der Typ der reinen Ichsehuld im allgemeinen gewahrt zu sein. Die Patientin ist heute yon der Psyehose geheilt, die kleinen Unp~Blichkeiten sind zuriiekzufiihren auf tats~chliehe k6rperliehe Leiden, die yon der alternden, yon Haus aus sieher psyehopathischen Jungfer betr~ehtlieh iiberwertet werden.

Fall 5. Anna Brfihl, 44 Jahre alt, verheiratet, :Druckereiarbeiterin. :Diagnose: Involutionsmelancholie (paranoid). Aufgenommen am 21. April 1930. Die Auf- nahme der Patientin erfolgt nach einem Suicidversuch. Patientin gibt an, ale sei uneheliches Kind. I)er Vater sei friih an einem Lungenleiden gestorben. Die Mutter babe sich verheiratet, sei abet auch bald gestorben. Stiefgeschwister an- geblich gesund. In der Familie sei nichts yon Geistes- oder l~ervenkrankheiten bekannt. Sie selbst sei als Kind immer etwas kr~nklich gewesen, babe die Volks- schule ohne Schwierigkei~n durchgemacht. Menarche mit 17 Jahren, nach kurzem Interva]l regelm~flig. Nach der Schulzeit habe sie Blumenbinderei gelernt, sparer in einer Tabakfabrilr, in einer I)ruckerei, in einem Friseurgesch~ft gearbeitet.

Page 12: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psyehosen. 539

1918 habe sie ihren Mann, einen Witwer mit 3 Kindern geheiratet, der Sehuhmacher sei, abet zur Zeit keine Arbeit habe. Die Ehe sei eigentlich gliicklich, der Mann sei gut zu ihr, still, etwas temperamentlos. Sie arbeite jetzt in einer Druckerei. Seit 3 Jahren babe sie mit ihrem Chef, einem Vorarbeiter, ein Vsrh~ltnis, das sis schon mshrfaeh babe 15sen wollen. Aber jener Mann habe solch einen merkwiirdigen EinfluB auf sie. Jetzt mache sie ich he]tige Vorwiir]e dariiber, glaube, es sei alles hsrausgekommen, ihr Mann lasse sich scheiden, aueh der Geliebte miisse sich scheiden lassen, an allem sei nur sie schuld. Aush die Perversionsn, zu densn der Geliebte sie gezwungen babe, h~be sie sich vorzu~erfen. Seit Mitre Februar ffihle sie sieh ver~ndsrt. Die Leute seien nicht mshr so wie friiher zu ihr gewesen und sis babe nicht reeht gewul3t, was man ihr iibelgenommen haben kSnnte und was sie sich vorzuwerfen babe. Sie babe geglaubt, ihr Verh~ttnis mit dem Chef habe sich herumgesprochen und sie wsrde deshalb sehlscht behandelt. Auch im Hause sei man anders zu ihr, viel]eicht weil sie einen I-Iund habe, den sie sehr liebe, der aber anderen l~Ienschen wegen seines HaarausfaUes vislleicht unangenehm sei. -- Zu Anfang der Exploration beginnt Patientin heftig zu weinen, l~]t sich voriiber- gshend beruhigen, um wieder erneut in Tr~nen auszubrsehen. Meint, dal3 sis sich und andere ins Gefangnis br~chte, bitter, man solle ihren Mann verschonen. K6rper- lich: Schnittwunden an beiden Unterarmen, sonst o. B. -- 5.5. 30. Unver~ndert. Ratlos, unruhig, ~ngstlich. Bitter um ihre Entlassung, sis miisse jetzt arbeiten, sic sei nur schlecht, sie miisse etwas gutmaehen. Ihr Mann werde sie verstol3en, wenn er ihr auch verzeihe. 20. 5. 30. 1miner nosh ratlos, depressiv, dieselben Selbst- vorwiirfe. 16. 6.30. In letzter Zeit zeigt Patientin einen merkwiirdigen Miseh- affekt, ist meist lustig, guter Dings, aber sofort wieder gersizt, wenn man auf ihrsn Aufenthalt hier zu sprschen kommt. Fiirehtet, nieht mehr hinauszukommen. 5. 7.30. Siehflich freier. Ihr Zweifeln an der baldigen Entlassung 1/~Bt naeh. Fiir das Vergangene hat sie halbe Krankheitseinsicht. Ganz iiberzeugt ist sie nieht davon, daft ihr Zustand nicht vielleicht durch Gift oder ~hnliches hervorgsrufen sei. Heute entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Frau Briihl wird in ihrer Wohnung aufgesucht und bei eifriger Arbeit angetroffen. Die sehweren u die sie sich damals w~hrend ihrer Erkrankung gsmaeht habs und deretwegen sie alles auf sich bezogen babe -- Zeitungsnaehriehten, Gespr~che -- seien ganz gesehwunden. Sie fiihle sieh gesund, habe zugenommen, gehe gem unter Menschen, arbeite noch in dem alten Betrieb und versehe nebenher den Haushalt. Menopause. Ausdrucksm~l~ig ist die friihere Patientin durehaus unauff~llig, sie ist affelrbiv warm, sin Anhalt fiir psyehotische Erlebnisse besteht nicht.

Dieses Bild ist sicher a typisch; es wird summarisch als paranoide Involut ionsmelanchol ie bezeichnet. Von dem Bestehen eines echten Wahnes (Jaspers, Gruhle) kSnnen wir n ieh t sprechen, sofern wir das Erleben der Verschuldung nicht selbst dem W a h n e zurechnen. Die pathopsychologisehe Eingl iederung des Versehuldungserlebnisses ist in einem Fal l wie diesem sehwierig. Jedenfal ls ist dabei das, was das Bild paranoid erscheinen l~Bt, zuri ickfi ihrbar auf das Schulderleben selbst. Dieses psychotische Schulderleben ha t seinen geschiehtl iehen Hin te rgrund , der vor der Psychose lange bestand, ohne irgendeine Be- deu tung zu besitzen. Zeitlieh ist es n u n so, daB die Kranke zuerst n ight weiB, was sie sigh vorzuwerfen hat , dab sie auf ihre Schuld dureh das besondere Verhal ten de~ anderen Menschen aufmGrksam gemacht wird, gewissermaBen von einer Verschuldung weir , ohne deren Inha l t zu kennen .

Page 13: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

540 Werner Seheid: ])er Zeiger der Schuld

Die S te l lungnahme der anderen Mensehen erscheint ihr in j eder Weise gereeht fer t ig t , sic i s t die Tr~ger in der Schuld. Auch hier werden wir yon e iner Ichschuld sprechen mfissen, die al lerdings die anderen Mensehen mi t e inbezieht und vie l le ieht ganz am Schlufl einen Ubergang zur sekun- ddren Fremdschuld gefunden hat . Auch diese P a t i e n t i n i s t zur Zei t der K a t a m n e s e gehei l t .

Den im Fa l l Brfihl und Fuchs eben angedeu te ten ~ b e r g a n g yon der re inen I ehschu ld zur sekundi i ren F r e m d s c h u l d f inden wir in den folgenden Fs noch ausgesprochener , so dab schlieBlich die Schu ld r i ch tung e inwandfre i die nach auflen ist . D a m i t is t der Typus der Schu ld r i ch tung ver lassen, den m a n bei der Melancholic meis tens beobachte t , ver lassen i s t aber aueh der kl in ische Typus der endogenen Depression.

Fall 6. Gertrud Funk, 46 Jahre alt, ledige Lehrerin. ])iagnose: ])epressive Psychose des Riickbildungsalters. Aufgenommen am 12. 4.28. ])er Bruder der Patientin gibt an, in der Famihe seien Geistes- oder Nervenkrankheiten nieht bekannt. Der Vater habe viel gctrunken, die Mutter sei eine atille, gute Frau gewesen, ~r den 5 Gesehwistern seien 2 an I-Ierzleiden gestorben, die Patientin selbst sei frilher niemals ernstlieh krank gewesen. Referent selbst sei gesund. Seine Sehwester, die Patientin, habe im Herbst vorigen Jahres eine Abmagerungs- kur durehgemaeht, bei der sie stark an Gewicht verloren habe. Seitdem sei sie nieht mehr so reeht leistungsfahig, schlafe sehleeht. Sie habe sieh Vorwiir/e gemacht wegen eines kurz zuriickllegenden Vor/alles. Die Eltern 6ines ihrer Schiller htttten ihr namlieh zur Last g~legt, dab das Kind auf eine Ohrfeige vofi ihr hin eine Hirn- hautentzilndung bekommen habe. Patientin k0nne sich aber nicht erinnern, dies Kind jemals gesehlagen zu haben. Nun maehe sic sieh Vorwilrfe, ihre Schu]kinder iiberhaupt zu sehleeht behandelt zu haben. Tatsaehlich sei die Patientin wohl in letzter Zeit gereizter geworden. Seine Sehwester sei fleiBig, vertr/tglieh, gutmiitig, eSwas still. -- Patientin selbst l~st~tigt die Angaben fiber ihre Familie. Sie sei eine gute Sehiilerin gewesen, wegen ihrer Vielleserei geradezu verrufen gewesen. Andern Kindern gegenilber sei sic scheu und zuriickhaltend gewesen. ~ach Beginn des Religionsunterrichtes sei bei ihr eine starke Furcht vor der HSlle aufgetreten, vieUeieht besonders geffrdert dureh ein Altarbild in der Kirche ihres tteimat- dorfes. Auch habe ihre Mutter ihr einmal gesagt, Eltern, die selbst gut waren, kfnnten filr die Siinden ihrer Kinder in die Hflle kommen. ])as habe solehen Eindruck auf sic gemacht, dab sic einmal wahrend der Magdalenenandacht beim Betraehten des H011enbfldes umgefallen sei. -- Mit zunehmendem Alter seien ihre Beiehtskrupel gewachsen: Es sei das ein st~ndiger, ruheloser Kampf um Ehrlieh- keit und Aufrichtigkeit. Nach der Volksschule habe sic die Pr/~parandenschule durehgemaeht, sei dann in ein Kloster eingetreten, in dem sic sofort, mit 18 Jahren, eine Klasse der hSheren Madehenschule bekommen hatte. Dieser Aufgabe habe sic sich, selbst noch ein halbes Kind, nicht gewachsen gef/ihlt. Trotzdem babe sic 10 Jahre durchgehalten, dann sei sic an eine andere SteUe versetzt worden, wo im Jahre 1915 ein Konflikt mit der Oberin ausgebroehen ware. Als sie im Unterricht von ,,sinnlicher Wahrnehmung" gesprochen habe, sei das yon der Oberin als ,,ver- fangliche Rede" erklitrt worden. Von da ab habe sic den Aufenthalt im Kioster als Heuehelei empfunden. 1921 habe sic dann die Konsequenz gezogen, sei aus dem Kloster ausgetreten. Alsbald babe sic eine Stellung als Volksschullehrerin be- kommen. -- KSrperlich stets gesund. ~enarehe mit 13 Jahren, o. B. Seit einem halben Jahr Periode unregelmallig. -- Vor 6 Monaten habe sic sieh auf eine vege- tarisehe Kost umgestellt. Sic habe stark abgenommen: Gleichzeitig seien schwere religiOse Cxrilbeleien tiber sic gekommen. Sic habe viel spintisiert. Eine immer mehr

Page 14: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 541

zunehmende Verstimmung habe sie schlielMich arbeitsunfahig gemacht, sie habe schlccht geschlafen, sei dauernd mfide gewesen, habe Schmerzen im Riicken gehabt. Sie sei dann zu ihrem Bruder iibergesiedelt, habe auch dort kaum Ruhe gefunden. SchlieBlich habe der Bruder sie hergebracht. -- Patientin, die durchaus geordnet erscheint, erzahlt mit grol3cr Bereitwilligkeit und Genauigkeit. Ihre Schilderungen sind ausgvzeichnet. Es ist eine starke Xngstlichkeit und Gespannt- heit festzustellen. Sie fiirchtet, sie werde fiir eine eingebildete Kranke gelten. Die Intelligenz der Patientin steht sicher weit fiber dem Durchschnitt. - - K6rper]ich o. B. -- 11.5. 28. Wi~hrend der ersten Tage wechselte die Stimmung der Patientin aul3erordentlich. Danach gleichmiil~ig verstimmt, gehemmt. Sic kSnne nicht die Energie aufbringen, sich yore Bet t zu erheben und mit anderen Lcuten eine Unter- haltung zu ftihren. Das qu~le sie besonders, weft die anderen Leute so freundlich zu ihr seien. Beschuldigt sich der Willensschwdche. Sie habe niemals durchgehalten. Tagesschwankungen. 31.5.28. Dieselben Selbstvorwfirfe. Sie kSnne nie mehr gesund werden, sie habe keine Energic. Am 24.5. p15tzlich Umschwung. Die Hemmung liel~ nach, der Blick wurdc unruhig, die Patientin sprach mehr, brachte schwerste Selbstbeschuldigungen vor: Sie habe das Schulkind umgebracht, man 8olle sie verha/ten; sie fiirchte, jcden Augenblick kSnne die Polizei kommen und sie ins Zuchthaus abffihren. ])as wfinsche sie sogar, denn solche Verbreehen wie sie sie begangen habc, verlangten eine solche Bestrafung. -- 13.6.28. Stark gehemmt, spricht wcnig. Sie habe Schwcres begangen, das Kind umgebracht, dann noch Schwerercs, yon dem sie nicht sprechen wolle. Sie diirfe niemandem die Hand geben. Als sic vor einigen Tagen unwohl wurde, meinte sie, man solle nur nicht glauben, sic habe einen Abgang gehabt. Es k6nnten andere Leute in Verdacht kommen, mit ihr etwas vorgenommen zu haben, z. B. der Herr, der sie kfirzlich mit ihrem Bruder besucht habe. -- H6rt aus den Gespr/ichen anderer Patientinnen Dinge, die sich auf sie beziehen. Sie sei gemeint, wenn die Frau Roll yore jfingsten Gericht, von Gottlosen und Verfluchten spreche. Sie sei auch gemeint, wenn die Patientinnen irgendwelche Bewegungen machten. Die soUten andeuten, dal3 sie so eine sei. Sic s/~hen sie auch merkwfirdig an, sie mieden sie, sie qui~le ja auch die anderen Patientinnen sichtlich. Dabei habe sie kein rechtes Geffihl mehr, sie sei wie tot, kSnne kcine Tr/men mehr vergiel3en. Es sei alles so gekommen, weil sie so viel Schuld auf sich geladen babe. -- 14.7.28. ])asselbe Bild. Sie sei nicht krank, sei zu Unrecht da, verdiene keine Freundlichkeit, sei selbst ja auch nicht freundlich. Sie glaube sich gemeint, wenn andere Patientinnen fiber etwas spr/i, chen. Zuweilen h6re sie yon den iNTachbarsgden oder yore Korridor her ihren Namen: ,,Fink, Fuchs", Namen, die sie im Kloster gefiihrt habe. -- :Einmal sprach sie den Gedanken aus, die anderen Patientinnen seien nicht krank, sie seien nur ihret- wegen, zu ihrer Bcobachtung da. Sie diirfe sich nicht zu ihncn auf die B/tnke setzen. -- 31.7.28. Stark depressiv. Man halte sie zum Narren. Arzte und Schwestern ver/inder'ten die Gestalt, ihr sie besuchender Bruder sei nicht ihr Bruder. 21.8.28. Ablehnend, gereizt. Sie mfisse fort, man halte sie hier zum Narren. Sie werde systematisch verriickt gemacht. Die Gegenst/~nde um sie h/~tten sich ver/tndert. Sie wolle ins Zuchthaus, dort gehSre sie bin. 17.9.28. Dr/s nach Entlassung. Sie werde hier zum Narren gehalten. 8.10. 28. Vor ihrem Bert rede man so, als ob man ihr freundlich gesinnt sei, yore Gang aber h0re sie h/~mische Bemcrkungen, da$ man sie festhalten wolle, da$ sic ins Zuchthaus komme. Manch- real werde sogar der l~egen gemacht oder es trommle so an den l~ensterbrettern, als ob es regnc. 20. 10. 28. Neuerliche Verstimmung. Die Nachricht, dab ihr Bruder sie zu sich nehmen wolle, halt sie ffir die iibliche Narretei. Wird gegen Revers entlassen.

Katamnese. Kartengrfil3e der ehemaligen Patientin an die behandelnden Arzte treffen im folgenden Jahr aus Monaco und Mentone ein. Sie sind sehr gewandt, geistreich und herzlich, lassen keinerlei Rfickschliisse auf ein Fortbestehen der

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 150. 36

Page 15: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

542 Werner Seheid: Der Zeiger der Sehuld

Erkrankung zu. -- Oktober 1932: Eine persfnliche lqachuntersuchung ist wegen der zu groBen Entfernung des Aufenthaltsortes der 1)atientin unmfglich. Es wird um einen ausfiihrliehen Bericht gebeten, der umgehend eintrifft. Der ~berblick fiber die 3 letzten Jahre sei weder lang noch interessant, da sie ruhig und gleich- miiBig verlaufen seien. ,,Gliiek[iehe Vflker haben keine Geschichte", mit Einzel- individuen diirfe es ~hnlieh sein. Ostern 1929 habe sie ihre Stelle wieder angetreten und ohne Unterbreehung ausgeffillt. Auf unangenehme Zwischenf~lle kSnne sie heftig reagieren, Schlaf und Appetit k6nnten dann vertrieben werden. Die Men- struation sei seit 1 Jahr mit Kreuzschmerzen verbunden. Von ihrem damaligen Zu- stand schreibt sie v611ig einsichtig. Dankbar gedenke sie der ihr zuteil gewordenen Behandlung, wenn auch der Aufenthalt ihr schwergefallen sei. ,,Aber ich h~tte mir damals infolge der reich beherrschenden Angstgefiihle tiberhaupt keinen Ort denken kSnnen, der mir Sicherheit und Ruhe gegeben h~tte."

Der Fall Funk wiirde einer klinischen Einordnung wiederum erheb- liche Schwierigkeiten bereiten. Von einer typischen Melancholie zu sprechen, w~re kaum m6glich. Wenn auch die Sinnest~uschungen alle den Illusionen und Pseudohalluzinationen zuzurechnen sind, so diirfte ein abnormes BedeutungsbewuBtsein als Grundlage eines echten Wahnes (Gruhle) nicht zu leugnen sein : Die Bewegungen der Patientinnen bedeuten, dab sie schlecht sei. Das Entfremdungserlebnis, der Verlust der Bekanntheitsqualit~t spricht sich aus in dem Anderswerden der Dinge und Menschen: Der Bruder ist vielleicht nicht der Bruder, die Gegenst~nde um sie haben sich ver~ndert. Damit ist diese Psychose in das weite Zwischenfeld zwischen den oben geschilderten Ideal typen einzuordnen, yon beiden Polen erheblich entfernt. Die Schuldrichtung ist zun~chst eine reine Ichschuld, um mit dem Nachlassen der eigent- l ichenHemmung in eine sekund~re Fremdschuld umzuschlagen. Gelegent- lich erfolgt ein leichter Riickschlag in die prim~re Ichschuld, so daB, allerdings nur kurz, beide Schuldrichtungen nebeneinander bestehen. Wesentlich ist der An/ang der Psychose mit einer reinen Ichschuld : Sie hat Schreckliches verbrochen, sie geh6rt ins Zuchthaus. Sie ist im Kranken- haus, weil es ihr an Willenskraft mangelt. Erst erheblich, sparer nehmen die Mitmenschen Stellung, indem sie, die anfangs freundlich gesinnt waren, in ihr I-Iandeln einen feindlichen Affekt legen. Und schlieBlich sind es die )~rzte, die ihr eine Kom6die vorspielen, sie deshalb internieren. Gerade in der Begrtindung des Krankheitsaufenthaltes t r i t t der Wandel der Schuldrichtung deutlich hervor: Erst ihre Willenlosigkeit, dann der Mitmenschen Tiicke. Besonderer Wert ist auf das lange Anfangsstadium der reinen Ichschuld zu legen, aus der dutch eine selcund~re Entwicklung die Fremdschuld hervorgeht. Wir sahen dasselbe angedeutet in den F~llen Fuchs und Brfihl, sehen es hier ganz ausgesprochen. Sehr ~hnlich ist der folgende Fall, der allerdings im schroffen Gegensatz zu dem soeben wiedergegebenen Fall Funk einen primitiven Menschen betrifft, dessen Psychose wesentlich ~,rmlicher ist. Er sei sehr viel kfirzer wiedergegeben.

Fall 7. Therese M~rz, 40 Jahre air, verheiratet. Diagnose: M~nisch-depres- sives Irresein. Aufgenommen am 25. 12. 26. -- Eigene Angaben: Familien-

Page 16: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ftir die Prognose involutiver Psychosen. 543

anamnese o. B. Sie selbst sei gesund gewesen. Menarche mit 16 Jahren, regel- m~Big. Nach der Schule sei sie als Dienstm~dchen t~tig gewesen, gut mit den Menschen ausgekommen. Sie sei nich$ sehr gese]lig gewesen, aber auch nie eigent- lich sehwermiitig. M.it 25 Jahren habe sie geheiratet, die Ehe sei glticklich. 3 gesunde Kinder, 1 Abort. Seit einigen Monaten habe sie Kopfschmerzen, Druck in den Augen, die Arbeit gehe nicht recht, Schlaf und Appetit seien schlecht. Sie babe auch an nichts mehr Freude, mache sich Vorwiir/e, Mann und Kind ungtiicklich gemacht zu haben. Sie habe sich das Leben nehmen wollen. Sie sei so blfd, der Mann werfe sie hinaus, wenn er merke, dab sie so blSd sei. -- Sieht gedriickt aus, bewegungsarm, ist welch und zug~nglich. KSrpexlich ohne Besonderheit. -- 31.12.26. Dr~ngt hinaus. Wenn sie hier bliebe, miisse sie ins Zuchthaus, warum wisse sie nicht, aber sie miisse bin. Nicht gehemmt, sehr gespannt. 26.1.27. Sehr starr, dissimuliert. Gegen l~evers entlassen. Diagnose : Manisch-depressives Irresein.

Wiederaufnahme 3.2.27. Eigene Angaben: Sie k6nne nicht mehr denken, babe Angst vor dem Teufel, sie konlme in die HSlle, weil sie einen Arzt angelogen habe. Sie habe yon Kopfschmerzen gesprochen. In Wahrheit sei ihr Kopf nur eingenommen gewesen. Das sei das grSflte Verbrechen, deshalb sei sie zur schlimmsten Verdammnis verurteilt. Bittet unter Wehklagen, man solle sie nicht verbrennen, sie habe den Ofen gehSrt, der sie verbrennen solle, habe auch den Teufel gehen und schlagen hSren. Kein Mensch sei so verdammt gewesen, sie habe die Familie ungliick- lich gemacht. Angeblich kein StimmenhSren. 18.2. 27. Uninteressiert, mit/lachem A//ekt, hie eig'entlich depressiv. Sie werde yon der Polizei geholt, eingesperrt, ihre Schuld sei es, dab sie sieh krank gestellt habe. 26.2.27. Ihr Leben gehe zu Ende, der Teufel hole sie. 28.4. 27. ~lmgstlich und erregt. Sie miisse sterben, der bSse Feind sei hinter ihr her; sie kb'nne ihre Siinden nicht wieder gutmachen. Schon daraus, dab man sie nicht beichten lasse, gehe hervor, dab sie verdammt sei. 14.5. 27. Uninteressiert, lacht gelegentlich, witzelt. 7.6. 27. Stimmungsumschlag. Bietet den Xrzten das Du an. HMt an den Verstindigungsideen fest. 15.6.27. Aufdring- lich, euphorisch. ,,Den Teufel soll der Teufel holen." Mischung yon Scherz und Ernst. Sehlechter Sehlaf. 27.7.27. Lehnt es ab, sieh zu bet~tigen, ihr Mann babe sie geheiratet und miisse sit nun auch erniihren. Bissig und gereizt. 29. 8.27. Ihr Mann habe kein Verst~ndnis fiir sie. Ihre Wiinsche wfirden yon keinem Menschen erfiillt. 9.9.27. Patientin schreibt einen Beschwerdebrief an die Einwohner ihres Wohnbezirkes, wendet sich darin gegen die Verleumdungen, die gegen sie aus- gesprochen seien. 16.9.27. H~ufiger Stimmungswechsel, gelegentlich Wutaus- briiche. 21.10. 27. Die Xrzte seien daran schuld, dab sie so bOsartig sei. Es wiirden MaBnahmen getroffen, um sie zu prfifen, sie in Xrger zu versetzen. In die Heil- und Pflegeanstalt fiberfiihrt. Diagnose: Manisch-depressives Irresein (?). 28.10. 27. Merkwiirdig leere Mimik, starkes Grimassieren. 24. l l . 27. Geordnet, nicht mehr so angstlich, beschaftigt sich. 15. 12.27. Stimmung gleichm/~Big gut. 30.1.28. Ruhig, geordnet. Besch~tigt sich. Wird naeh Hause entlassen.

Katamnese. April 1933: Patientin wird zu Hause angetroffen. Sie ffihle sieh gesund, mache alle Bfiroarbeiten in dem grol3en Gesch~ft des Mannes. Seit 1928 habe sie etwa 80 Pfund zugenommen, Schlaf und Appetit seien gut. Die Stimmung sei gleiehm~Big, sie gehe gem unter Leute. Den Verlust ihres jiingsten Sohnes vor 2 Jahren habe sie zu tragen gewuBt. -- Psychotische I)h~nomene sind nieht nachweisbar.

Auch bei dieser a typischen Psychose, die m a n n u t mi t Vorbehal t dem manisch-depressiven Irresein zuordnete, erfolgte eine siohere Aus- heilung. Das Verhal ten der Schuldr ichtung is t dasselbe, wio im zuvor geschilderten Fal l Funk . Zu be tonen ist wieder, dab auf ein langes S tad ium der re inen Ichschuld die En twick lung einer Fremdschuld

36*

Page 17: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

544 Werner Sclmid: Der Zeiger der Sehuld

erfolgte, der sehr wohl eine der Umgebung feindselige R ich tung innewohnt , was man bei der , ,Melancholie" n ich t zu sehen gewohnt i s t (Lange). Wesent l i ch aber ist , dal3 die F r e m d s c h u l d aus einer prim/~ren Ichschu ld hervorgeht , daB, wenn auch die Beziehungen zwischen be iden n ich t deu t l ich zutage t re ten , die l%'emdschuld zei t l ich erhebl ich sps auf t r i t t .

Es folgen die Krankengesch ich ten einiger Pa t i en t innen , die im kl in ischen Anfangsb i ld den bis j e t z t geschi lder ten F/ i l len / ihnl ich sind, aber verlaufsm/~13ig mehr oder weniger ausgepr/ igte Abweichungen zeigen. F i i r die Reihenfolge der Wiedergabe i s t wei te rh in das Verha l ten der Schuld- r i ch tung entscheidend. Zuers t h a t t e n wir F~l le m i t re iner I chschu ld darges te l l t , d a n n solche mi t prim/~rer I chschu ld und sekund/~r da raus he rvorgehender F remdschu ld , wobei wir den gr6~ten W e r t auf die zei t l ichen Verh/i l tnisse legten: Auf ein langes S t a d i um der Ichschuld folgte ein solches mi t sekund/~rer F remdschu ld , die n ich t immer ihre Genese verr ie t . I n den j e t z t folgenden F/~llen weis t bere i t s a m Anfang der Psychose in dem Verschuldungser lebnis der , ,Zeiger der Schu ld" nach auBen: Die Psychose beginnt m i t der F remdschu ld , en tweder so, dal~ diese al lein s teh t oder aber, dal~ neben ihr ein Ichschulder lebnis nachzuweisen ist .

Fall 8. Kunigunde Stang, 56 Jahre alt, verheiratet. Diagnose: Riickbildungs- melancholie. Aufgenommen am 25. 4. 31. Herr Miiller gibt an, er babe mit der Patientin seit 17 Jahren ein Verh/iltnis. Der Mann sei ein Kretin und Idiot. Die Patientin sei 16 Jahre in zweiter Ehe verheiratet, sei vordem mit einem Friseur verheiratet gewesen. Schon davor habe sie ein Kind gehabt, das friih gestorben sei. Menopause seit 2 Jahren. Die jetzige Erkrankung habe vor einigen Tagen be- gonnen. Es habe eine Schulfreundin Frau Stang einen Besuch abstatten woUen. Frau Stang habe sie an der Wohnungstiir starr angesehaut und sie still wieder zur Tfire hinausgesehoben. Die Freundin habe ihn geholt, vor dem dann die Patientin ins Schlafzimmer gefliiehtet sei. Sie habe ihn mit hastigen, angstlichen Bewegungen abgewehrt und gesagt, die Polizei sei auf sie aus. Spater babe sie dann immer noeh/tngstlieh geauflert, ihr, ihm und dem Hund drohe ein Ungliick, alles sei ver- hext. Dabei habe sie geschrien und geweint. Als sie Geld, das sie ofienbar selbst versteekt hatte, erst nach einigem Suchen fand, habe sie eine andere Familie ver- d/~chtigt. Daneben habe sie sich einer Reihe yon Vergehen beschuldigt, vor allem ihres Lebenswandels, ferner des Diebstahles. Sie wolle ins Wasser gehen. Die Familie der Patientin sei angeblich gesund. 27.4. 31. Patientin gibt an, man babe sie gejagt, sie habe Verfolgungen erlitten, sei immer ver/olgt worden, zuerst yon Sehutzleuten, dann aueh in der Wohnung. Sie habe sich sehr gefiirchtet. Die bSsen Leute sagten, ihr sollten die Augen herausfaulen. Auch vor dem Arzt fiirchte sie sich. Hebt flehend die Hande : ,,Ach HimmeIvater, aeh Himmelvater, ieh werde verfolgt." -- Patientin ist schwer depressiv, angstlich und unruhig, macht rat- lose Verlegenheitsbewegungen. KSrperlich o .B . 15.5.31. Trotz der schweren angstlieh-traurigen Verstimmung sprieht Patientin manchmal v o n d e r Zukunft, dabei versichert sie, sie ~erde nicht mehr mit Herrn Miiller siindigen. 20. 5. 31. Ihr /ingstlicher Affekt ist etwas geringer. Weinend, ohne dab sie motorisch starker gehemmt ist, erkl/irt sie, sie habe gesiindigt, sei nicht mehr in die Kirche gegangen, habe Ehebrueh getrieben und Ehebruch geduldet, sie habe einmal ein Paar alte Schuhe genommen. -- Auf der Abteilung nimmt sie mehr Anteil, laeht, wenn Spassiges geschieht. 10.6. 31. Wieder depressiver, stark gehemmt, auBert Skrupel

Page 18: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 545

iiber ihre Zugehfrigkeit zum Feuerbestattungsverein. 6. 8.31. Stark depressiv, heult hemmungslos; Sic werde vernichtet. Wird in die Heil- und Pflegeanstalt iiberfiihrt. 12.11.31. Sehr ~ngstlich, dr/~ngt fort, spricht sich wenig aus. 21.12. 31. Fragt, ob jemand an ihrer ,,Internierung fiir dauernd" Interesse habe. -- Ver- suchsweise entlassen.

Katamnese. September 1932. Auf die briefliche Aufforderung bin, sich im Krankenhaus wieder einmal vorzustellen, erseheint nicht l~rau Stang, sondern Herr Mfiller. Die Patientin selbst wolle nieht kommen, sie wolle jede Erinnerung an das Krankenhaus und an die Heil- und Pflegeanstalt tilgen. Nach der Ent- lassung babe sic mit einer anderen l~rau ein Lebensmittelgeschi~ft gegriindet, das sehlecht gehe, auBerdem vertriigen sich die beiden Inhaberinnen nicht miteinander. Frau Stang sei auffallend zuversiehtlich, mehr als er (ein heiter-hyperthymischer Pykniker) verstehen k6nne. Seine frfiheren Beziehungen zu ihr hi~tten rein kamerad- schaftliches Gepr~ge bekommen. Das Verhalten der friiheren Patientin sei etwas auffallend, wenn auch ,,beinahe normal". Sic sei schwer zu bestimmen, errege sich leichter, bekomme dann ,,einen merkwiirdig starren Blick wie ein Feuer- strahl". Neulich habe sie sich der Polizei vorstellen miissen, da habe sie heftig geweint, habe die Befiirchtung ausgesprochen, sie wiirde wieder interniert. Wenn man ihr auch drauBen, etwa im Wirtshaus, nicht ans/~he, dab sic geisteskrank gewesen sei, so miisse er sagen, da$ sic doeh nieht so wie frfiher sei.

Gerade in diesem fiir unsere Fragestellung besonders interessanten Fall war leider eine pers6nliche Nachuntcrsuehung nieht m6glich, da, wie der Referent versicherte, die friihere Patientin mit allen Mitteln eine Begegnung vereiteln wolle. Naeh den Erfahrungen in/ihnlieh gelagerten F/~llen, bci denen dann doeh zuf/~llig sp/~ter eine Exploration m5glich wurde, z .B. bei einer notwendigen Wiederaufnahme ins Krankenhaus, und nach den Aussagen des Referenten, der naeh seiner Wesensart sicher eher zur Abrundung vorhandener Ecken neigt, seheint die Folgerung erlaubt, dab bei der Patientin Stang keine vSllige Ausheilung bis jetzt erfolgt ist. - - Rein klinisch bestehen weitgehende Xhnlichkeiten mit den F/~llen Schromm und Briihl. Wesentlich anders jedoch ist das Verhalten der Sehuldrichtung : Dort zun/i, chst reine Ichschuld, bier gleich im An/ang neben der Ichschuld, beinahe selbst/~ndig und prim/i,r im Verschuldungs- crlebnis die Fremdschuld. Man kann beide kaum zueinander in Beziehung setzen, man hat den Eindruck, als w/~ren zwei verschiedcne Schuld- komplexe mit umgekehrtem Vorzeichen gegeben. Sic hat gestohlen, hat dureh Ehebrueh Sehuld auf sich geladen, aber sie wird verfolgt, ist immer verfolgt worden. Frau Briihl bemerkte am Anfang der Psy- chose, daB die Leute ihr etwas vorzuwerfen h/~tten, anders zu ihr seien, sich in ihren Gespr/~chen auf ihre Schuld bez6gen, aber sie weiB, dab diese Leute Recht haben, sie spiirt ihre Schuld. Das Abkehren der Menschen von ihr ist ffir sic von Anfang an die gerechte Haltung. Hier im Fall Stang sind es die ,,b6sen Menschen", die wollen, dab ihr die Augen heraus- faulen, die sic verfolgcn. Ohne deutliehen Zusammenhang damit stehen die schweren Selbstvorwfirfe.

_~hnliehcr Art ist der Fall Recht, bei dem die Schuldrichtung nicht eindeutig festliegt. Ichschuld und Fremdschuld stehen am An]ang der

Page 19: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

546 Werner Seheid: Der Zeiger der Sehuld

Psychose nebeneinander, 15sen sich s t~ndig gegensei t ig ab. Eine ausffihr- l iche Wiede rgabe ware von ger ingem W e r t , da der Ausgang zweifelhaf t is t . Zwar lebt die F r a u wieder in ihrer Fami l i e , verh~l t sich nach Anga be n der AngehSr igen unauff~ll ig, aber bei der Nachexp lo ra t ion muBten Zweifel da r i ibe r en ts tehen , ob die F r a u als ausgehei l t zu be t r a c h t e n ist . Ih ren psychot i schen Er lebnissen s t eh t sie vSllig kr i t ik los gegenfiber : Ob h in te r de r sehr eigentiiml~ehen Fas sade mani fes te psychot i sche Er lebnisse sich abspielen, i s t n i eh t mi t Sicherhei t auszusagen.

Fall 9. Franziska Reeht, 47 Jahre alt, verbeiratet. Diagnose: Depressions- zustand im Klimakterium. Aufgenommen am 4.4. 30. Familie o.B. Sie selbst habe von Jugend an viel Kopfsehmerzen. Friiber Rippenfellentziindung. Menarche mit 16 Jahren, Periode unregelm~iBig, zuletzt etwa halbj~hrige Pausen. 3 Geburten. Seit einem halben Jahr sei sie sehr aufgeregt, habe so viel Verdrul] und -~rger in der Familie. Die Zimmerberren seien yon der Polizei. Man habe Chlorkalk in die W~che getan, um sie zu verderben. ])as Haus solle auf die Kinder iiberschrieben werden, um es zu retten, denn naeh ihrem Tode g~be es eine Gerichtsverhandlung. Die Verwandten seien im Gesch~ft iiberanstrengt worden. KSrperlich o.B. 12. 4.30. Depressiv, wein$ viel. Sie habe einen Zimmerherrn iibervorteilt. 5.5. 30. Schwere Selbstvorwiirfe: Sie babe alles vel~chuldet, sie babe unwiirdig gebeichtet. 26. 5. 30. Pflegerin und ttausm~lehen seien ihr bekannt, sie seien wohl ihretwegen da. 7.6. 30. Sie habe sehon als junges M~dchen Siinden auf sich geladen, sparer habe sie die lY~ieter betrogen. 15. 7.30. Singt mit heiserer Stimme religiSse Lieder, sprieht maniriert. 20. 7.30. Lacht, spricht viel in geschraubter Redeweise. 26. 7.30. Ungeheilt entlassen. 4. 9.30. Neuaufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt. Sehr heiter, macht Witze. 10. 10. 30. Zeitweise gedriiekt, weinerlich, recht leer. 12. I 1.30 Heiter l~ppiseh, erotiseh sehr gespannt. 2. 6.31. Bedeutend ruhiger, geordnet. 26. 6. 31. Probeweise entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Sie fiihle sich gesund, habe betr~ehtlieh an Gewicht zugenommen. Menopause. ~ber die Krankbeit spricht sie kritiklos: Der Stim- mungsumschlag sei erfolgt, als sie auf einer Wolkensehieht eine strahlende Heilands- figur gesehen habe. Auch andere wunderbare Dinge habe sie ganz deutlieh gesehen. Die Leute woUten ihr das zwar ausreden: ,,Ich mSchte aber diese wunderbaren Erseheinungen in meinem Leben um keinen Preis missen." Auf kleine Alkohol- mengen hin wiirde sie sehr aufgeregt. Frau Recht maeht ~uBerlieh einen durchaus ge- ordneten Eindruck. Das Vorhandensein psychotiseher Inhalte ist auch ]etzt noeh wahrscheinlich.

Auch hier s tehen im Schulder leben Ichschuld und Fremdschuld neben- einander. Dai] Hei lung e inge t re ten ist , i s t auBerordent l ich unwahr- scheinlieh, obwohl die fr i ihere P a t i e n t i n sozial unauff~ll ig ist .

Fall 10. Maria Heide, 44 Jahre alt, verbeiratet. Diagnose: Paranoide Depres- sion. Aufgenommen am 31.10. 24. Patientin gibt an, der Vater sei ein aufbrausender Grobian gewesen, die Mutter still und ruhig. 3 lebende Geschwister. Ein Vetter sei l~ngere Zeit in einer Anstalt gewesen, jetzt angeblich gesund. Dessen Schwester nach langer Geisteskrankbeit gestorben. Sie selbst sei stets gesund gewesen. Menarche mit 17 Jahren. 3 Geburten. Das Lernen sei ihr schwer gefaUen. Schon als Kind sei sie recht j~hzornig und empfindlieh gewesen, habe aber selbst darunter gelitten. Lustig sei sie nie gewesen, babe an Tanzvergniignngen keinerlei Freude gehabt. Nach der Sehulzeit sei sie in Stellung gewesen, habe immer lange aus- gehalten. Naeh ihrer ~bersiedlung nach Miincben babe sie ihren Mann kennen- gelernt, mit dem sie gliieklich ver]miratet sei. Vor 2 Jahmn habe sie eine andere

Page 20: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ftir die Prognose involutiver Psychosen. 547

Wohnung gehabt und dort ein Zimmer an einen Herrn Sauer vermietet. Als sie dieses Zimmer fiir ihren Buben benStigte, habe sie dem Herrn Sauer gekiindigt. Er sei darauf nicht eingegangen, es habe Termine vor dem Mieteinigungsamt gegeben, bei denen Herr Sauer nicht erschienen sei. Bevor die Sache gekl~rt war, habe sie eine andere Wohnung bekommen, die sie aueh jetzt noch babe. Seitdem glaube sie, Herr Sauer k6nne ihr aus Rache etwa8 antun. Eines Tages sei, kurz vor dem Umzug, ein Bettler gekommen, der habe so ,,bresthaft" ausgesehen. Sie habe gemeint, der sei yon Sauer geschickt. Einige Zeit sp~iter sei derselbe Bettler such in die neue Wohnung gekommen. Angstvol~ sei sie zu ihrem Mann gelaufen, um Rat zu holen. Der Bettler habe inzwisehen draul~en geschimpft und sich dann schlieBlich entfernt. Sie sei ibm gefolgt und babe ihn im Naehbarhaus verschwinden sehen. Gleich darauf sei ein junger Mann aus diesem Haus gekommen und habe sie gegriiBt, ohne ihr bekannt zu sein. Sofort sei ihr wegen des GruBes der Verdacht gekommen, der Mann miisse mit dem Bettler und dem Sauer unter einer Decke stecken. Seit letzter Zeit sei sie so miide, habe dauernd Verdrul~ mit den Mitbewohnern, die die gemeinsamen G~nge nicht richtig putzten. Sie selbst kSnne ihre Arbeit nicht mehr recht bew~ltigen. Patientin erscheint denkgehemmt, depressiv. Sie behauptet, keine Angst zu haben, was aber offensichtlich nicht stimmt. Sinnesti~uschungen sind wohl nicht vorhanden, wohl aber reichlieh wahnhafte Ausdeutungen. KSrtmr- lieh o. B. 1.11.24. Patientin riiekt damit heraus, dafl sie in letzter Zeit so ~ngstlich sei, daft sie bei jedem Klingeln gemeint habe, es kdme jemand, der ihr etwas antun wolle. Einmal habe sie ein Fraulein direkt gefragt, yon were aie geschickt sei. ~aeh- her habe sie sich wegen ihres Verhaltens Vorwiirfe gemacht. 6. 11.24. Der Ehemann erkli~rt, i~ngstlich sei die Patientin schon langer, aber reeht deutlich sei es erst in letzter Zeit. Sie habe nicht mehr geschlafen, sei bei Beruhigungsversuchen bSse geworden. 9.11.24. Es sei ihr aufgefa]len, dal3 so viele Leute gekommen seien, die seien doch geschickt worden, um ihr etwas anzutun. Auf Verlangen des Mannes entlassen.

Katamnese. Oktober 1932. Der Mann der friiheren Patientin gibt an, seine Frau sei 5 Jahre nach der Entlassung an den Folgen yon Verbrennungen gestorben, die sie sich bei der Explosion eines Spirituskoehers zugezogen habe. Sie sei niemals reeht gesund geworden, habe jedes Ger~usch, jedes Wort auf sich bezogen. Auf die StraBe zu gehen habe sie sich gefiirchtet, da an jeder Ecke ein Schutzmann fiir sie stehe. Unter Menschen sei sie niemals mehr gegangen. Von StimmenhSren habe sie ihm gegenfiber niehts ge~.ui~ert. Traurig verstimmt sei sic in den Jahren vor ihrem Tod nicht mehr gewesen.

Die Psychose der F r a u Heide begann schle ichend: Sie wurde ~ngst- l ich, deu te te gleiehgii l t ige Dinge ihrer U m g e b u n g wahnhaf t aus. Zur Zei t der Aufnahme ins K r a n k e n h a u s bo t sie ein ~ngst l ich-depress ives Bild, das als , ,paranoide Depress ion" bezeichnet wurde. I n dem Schuld- erlebnis, das die Kr i t e r i en des echten W a h n e s erfi i l l t , i s t van An/ang an eine reine Fremdschuld nachweisbar . Die depress ive S t immungs lage her rsch te offenbar nur anfangs vor, das sp~tere Bi ld di i r f te dem ent- sprochen haben, was bei der Invo lu t i onspa rano ia Kleists in den typ i schen Endzus t~nden zu beobach ten ist . Zur Zei t der Aufnahme war eine Zu- o rdnung zu einer , ,Krankhe i t se inhe i t " unmSglich. E ine A n d e u t u n g yon Ichschuld war nie zu beobachten . Wesent l i cher als das is t uns das Vorhandense in der Fremdschuld ira An/ang der Psychose. Ffinf J a h r e nach der k l in isehen Beobach tung war Hei lung n ieh t e ingetre ten.

Fall 11. Margarete Bach, 54 Jahre alt, verheiratet. Diagnose: Delirante Erregung, maniseh-depressives Irresein. Aufgenommen am 4.12. 27. Patientin

Page 21: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

548 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

wurde nach einem Suieidversuch aufgenommen. Gibt auf Fragen keine Auskunft, bricht gleich in lautes Weinen aus, schreit, sie wolle nicht umgebraeht werden. Der Ehemann erzghlt, am Tage der Aufnahme babe die Patientin sieh die Kehle durch- sehneiden wollen. Die Tochter habe sie blutiiberstr6mt im Bert liegend angetroffen, das Sterbekreuz auf der Brust. Die Frau neige zu impulsiven Handlungen, sei aueh anderen Menschen gegenfiber oft tgtlich, klatsche auBerordentlich viel. Seit 2 Jahren, seitdem sie die Regel verloren habe, sei sie oft mtide, weine oft, rege sich leicht auf. Der Sohn sehildert seine Mutter als humorvoll und lustig, ruhig, geseUig. Erst seit 14 Tagen sei ihr Wesen eigentlieh ver~ndert: Sie habe beim Einkaufen alles vergessen, habe nicht mehr ar[~iten k6nnen, unt~tig herumgesessen, habe auf Fragen nieht geantwortet, sich nur mit Gebetbuch und Rosenkranz beschaftigt. Eigentlich sei er auf einen Selbstmord gefaBt gewesen. Eigene Angaben: Familie o.B. Sie selbst sei nie ernstlich krank gewesen. Seit 2 Jabren Menopause. 7 Kinder, 3 Aborte. Ihre Lebensgeschichte leitet die Patientin mit den Worten ein: ,,I wollt, i wgr scho am ersten MuslSffel derstiekt." Sie sei in armlichen Lebensverhgltnissen aufgewachsen. In der Sehule habe sie schlecht gelernt, l~ach der Schule habe sie dem Vater beim Schneidern geholfen. Mit ihrem Mann, den sie fiir sehr gescheit hMt, habe sie sich mit 25 Jahren verheiratet. Sie komme nicht gut mit ihm aus, er babe sie schlecht behandelt, abet das babe sie wohl auch verdient. Die noeh lebenden 3 Kinder seien jetzt erwachsen und sehr ordentlich. Sie selbst sei in letzter Zeit obstipiert, habe schlecht arbeiten k6nnen, immer wieder ihre Tochter zur Hilfe holen miissen. Jetzt habe sie sich das Leben nehmen wollen, weil sie es nicht mehr weiter ertragen k6nne, uge die Leute gegen sie und ihre Familie vorgingen. Im Haus sei ein so elendes Geklatsch. Da sei die Hausmoisterin, die Frau Marolder, die habe yon ,,Ordnung hineinbringen" geredet und von ,,moralisch Gesunkenen", die im Hause wohnten, dabei sei die Marolderin selbst eine gemeine Drecksau, und deren M~del yon 11 Jahren sei schon so raffiniert, die habe einer Schiilerin ihres Sohnes die Notentasche aus der Hand gerissen und auf den Boden geworfen. Eine andere im Haus sei eine richtige Kartendame, die habe der Patientin Sohn aus Rache ange- steekt. Man kSnne den Arzt frag~m. Patientin fgllt durch ihren Rededrang auf, sie ist ideenfliichtig, zeffahren. Kein Anhalt fiir Sinnestauschungen. K6rperlich: Hori- zontale Schnittwunde am Hals, sonst o.B. 15. 12.27. Patientin beruhigt sieh, ist heiterer Stimmung. Auf Drgngen der Anverwandten gegen Revers entlassen.

Wiederaufnahme: 13.3.32. ]~atientin gibt an, sie sei sehon einmal bier gewesen. Damals habe die Hausmeisterin sie so geargert, daB sie sich den Hals habe auf- schneiden wollen. Seitdem sei es nieht mehr das Richtige gewesen. Sie babe im Haus fiber Hindenburg Sehleehtes gesagt. Das sei jetzt wohl angezeigt, es komme die Strafe. Auf entspreehende Fragen: ,,Ha, die kommt, die im Haus haben gesagt, diesmal muB sie in eine harte Nul3 beiBen, diesmal wird sie verbrannt." Ihr Fehler sei gewesen, dab sie nicht zur Verhandlung gegangen sei. Als sie in eine Kirehe kam, hgtten die Geistlichen aufgeh6rt zu sprechen. Bei einem Ausflug habe sie gemerkt, dab die Sonne naehgeht. ,,Ich muff sagen, ich bin schuld an den Kindern und dem Mann." Sie maehe sieh zum Vorwurf, dab sie in die Falle gegangen sei. Patientin ist 6rtlich und zeitlich orientiert, erzghlt unklar, doeh nicht eigentlich zerfahren. Wenn sie yon ihren Verfolgern spricht, redet sie sehnell, hastig, monoton, mit ziem- lich ausdruckslosem Gesicht. Sie sehiebt den Ver]olgern alle Schuld zu, springt dann abet ]Sh urn, meint, sie habe auch Schuld. Bricht in lautes Weinen aus. Inteltigenz sieher unterdurchschnittlich. Vou den offenbar vorhandenen akustischen Sinnes- tgusehungen ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es sich um Wahnwahrnehmungen, IUusionen oder echte Halluzinationen handelt. K6rperlich o.B. 22.3.32. MiB- trauisch. ])as sei ihre Henkersmahlzeit, morgen werde l~eferent den Befehl zur Hinricbtung geben. 13.5. 32. Langsam freier. Referent wisse schon, was mit ihr los sei. 4. 6. 32. Spricht wieder yon den alten Geschichten, guBerlich unauffglliger. Auf Drgngen der Angeh6rigen entlassen.

Page 22: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ffir die Prognose involutiver Psychosen. 549

Die Ana lyse der Schuldr ich tung in dem geschi lder ten Fal l , der m i t e inem depress iven S t a d i u m beginnt , ergibt , dab der ,,Zeiger der Schuld" bereits im Beginn der Erkrankung nach auflen zeigt. Es s ind die Haus - bewohner , d ie ihr i ibel wollen, sie zum Se lbs tmord t re iben. Eine Ich- schuld is t h6chstens sekundgir im wei teren Verlauf gelegent l ich gegeben. Der Z u s t a n d 5 J a h r e nach Beginn der E r k r a n k u n g en t sp r i ch t e inem pa raph renen Bild.

Fall 12. Margarete Jung, 58 Jahre alt, verheiratete Garderobefrau. Diagnose: Melancholie (?), unklare Involutionspeychose. Aufgenommen am 8.1.29. Patien- tin will nieht den Krankensaal betreten, fleht, sie habe doch nichts getan. Was habe man mit ihr vor ? Familie o.B. Sie selbst frfiher nicht ernstlich krank. 10 Geburten. Sie sei im Haus verleumdet worden, 8ie habe sich nicht verteidigen kSnnen. Sie h~tte es nut an den Blicken und Gespr~chen der anderen bemerkt. Niemandem h~tte sie sagen kSnnen, dab 8ie gar nicht so bSse sei. Ein Bogen sei ira Haus herumgegangen, auf dem alles verzeichnet w~re, was sie begangen babe. Seit 3 Monaten babe sie Angst, man wolle ihr etwas tun. Damals babe sie auf dem Wege vom Theater auf der anderen StraBenseite einen vermummten Mann be- merkt, yon dem sie angenommen habe, er verfolge sie, er rue ihr etwas an, um sie ffir ein Vergehen zu bestrafen. Sie habe das Geffihl, dab ein Komplott gegen sie in Gang sei, man sie ffir alle mSglichen kleinen Vergehen, Klatschereien yon frfiher her, unzutreffende Aul]erungen bestrafen wolle. KSrperlich aul~er einer vergrSBerten Schilddriise o.B. 4. 2.29. Dieselben Ideen. Der Bogen sei nun auch hier ange- langt. 23.2.29. Zug~nglicher, liest viel. Immer wieder bricht sie in Tr~nen aus, wie schlecht sie sei und wie alles gebucht werde. 8.3.29. Wieder verstimmter. Sie hSre den Mann, der sie verfolgt habe, gelegentlich auf dem Gange. Wird in die Heft- und Pflegeanstalt fibefffihrt. 18.3.29. Weint vie], klagt. 18.6. 29. Dasselbe Bild. /-ISrt ihre Tochter im Keller schreien: ,,Mutter, gib mir was zu essen." 1.6. 30. Spricht fast niehts. 2.8.30. Zustand derselbe. 15. 6. 31. Kropfbeschwer- den. _Auf die chirurgische Abteilung des Krankenhauses Schwabing ver]egt. Dort spricht Patientin kaum, auf ~ragen antwortet sie, sie kSnne nicht denken, sich nicht erinnern. Die Operation der in den letzten Wochen sehr 8chnell gewachsenen Struma fiihrt zur Diagnose: Struma maligna. Es kommt zum Rezidiv, an dem die Patientin am 30.5. 32 verstirbt, ohne da0 das psychische Verhalten sich ge- ~ndert h~tte.

Die anf~nglich als fragliche Invo lu t ionsmelanchol ie bezeichnete Psychose der F r a u Jung enth~l t ein Verschuldungser lebnis , in dem von An]ang an die Richtung der reinen Fremdschuld gegeben ist. Sie i s t n ich t so bSse, wie die anderen sie machen, m a n will sie fiir Baga te l l en strafen. I m m e r h i n is t der Weg zu einer sekuncldren Ichschuldbildung gegeben. Anfangs geht der Bogen, auf dem die k le inen Verfehlungen aufgezeichnet sind, in bSswill iger Abs ich t herum. Sp~ter bekenn t s i t , wie schleeht sie sei, wie doch alles gebuch t w e r d e . - T ro t zdem die Beobach tungsze i t bis zu dem Ze i tpunk t , in dem ein schweres kSrper l iches Leiden in Ersche inung t r i t t , noch n ich t 2 J a h r e umfaBt, di i rfen wir nach dem kl in ischen Bi ld annehmen, daft innerha lb der Psychose ein End- zus tand erre icht war.

Der Verlauf der zule tz t beschr iebenen F~lle Heide, Bach und Jung war naeh dem im Beginn der E r k r a n k u n g beobach te t en Zus t andsb i ld f iberraschend. Man f indet , summar i sch gesprochen, , ,Versfindigungs-

Page 23: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

550 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

und Verfolgungsideen", beobachtet katatone Zfige, eine Mischung von depressiver Stimmungslage, Angst und Gereiztheit, genau so wie in den F~llen Schromm, Fuehs, Brfihl, Funk, ist bei allen nicht recht in der Lage, sie kliniseh einzuordnen. Verlaufsm~13ig unterscheiden sie sich betr~eht- lich. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Schuldrichtung und Verlau/: Das Auftauchen einer Yremdsehuld zeigt keineswegs einen ungfinstigen Verlauf an; die F~lle mit einer prim~ren Ichschuld und sich sparer daran ansehliel3ender Fremdschuld, die sekunds aus der Iehschuld hervorgeht, heilten aus, auch dann, wenn die feindlichsten Tendenzen der Umgebung gegenfiber zu finden waren. Als prognostiseh ungfinstig erwies sich eine Fremdsehuld zu Anfang der Psychose, neben der in unseren F~llen zum Teil eine ]ehsehuld naehzuweisen war, so dal3 wir dann eine primer labile Schuldriehtung vor uns hatten.

Es ware jetzt unsere Aufgabe, die F~lle zu beschreiben, in denen der ,,Zeiger der Sehuld" vom A~fang der Psychose an w~hrend des ganzen Verlaufes nach auBen zeigt. Erst dann h~tten wir den Weg vonde r reinen Iehschuld fiber die komplizierteren Sehuldstrukturen, bei denen die Sehuldrichtungen einander ablSsten oder nebeneinander bestanden, zur reinen Fremdschuld beendet. Auf diese letzte Aufgabe jedoch kSnnen wir verziehten. Die reine Fremdschuld n~mlieh t r i t t so gut wie aus- schlieBlich auf in einem Versehuldungserleben, das ph~nomenologisch sich deutlich als echter Wahn erweist. Hier ist dies ph~nomenologische Kriterium dem yon uns herangezogenen fiberlegen. DaB diese para- phrenen Psychosen eine prinzipiell schlechte Prognose bieten, ist so bekannt, dab wi res dureh weitere Beispiele aus unserem Material nicht zu belegen brauchen. Aus den aUgemeinen Erfahrungen heraus ist damit die Tragfahigkeit des von uns gew~hlten Kriteriums auch ffir die reine Fremdschuld deutlieh.

Es war von Anfang an nicht zu erwarten, dab das Verhalten der Sehuldriehtung in dem dargelegten Sinne absolut sichere prognostische Schlfisse erlaubt. So versagt, um bei der letztgenannten, ziemlich wohl- umrissenen Gruppe der Paraphrenien zu bleiben, unser Kriterium bei den von Mosbacher beschriebenen typiseh paraphrenen Psychosen, die in Heilung fibergingen, obschon sie eine reine Fremdsehuld au/wiesen. Diese wenigen F~lle werden aber, so wichtig sie sind, nichts an der grund- s~tzlich ungfinstigen Prognose der Paraphrenien ~ndern, ebenso wenig wie die Beobachtung, dab nach schizophrenen Schiiben ,,I-Ieilung" ein- trit t , etwas an der Tatsache ~ndert, dab die Schizopbrenie im allgemeinen eine sehleehte Prognose bietet. Wir werden an unser Kriterium nieht hShere Anforderungen stellen kSnnen als an andere ph~nomenologische und klinische.

Aber nieht nur in den angedeuteten F~,llen, die zustandsm~[~ig yon vornherein Sehizophrenien (Paraphrenien) sind und dann doeh atypisch verlaufen, sehen wir den yon uns gew~hlten prognostischen Priifstein

Page 24: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 551

9elegentlich versagen; auch bei Psychosen, die ihrem Zus tandsbi ld nach zun/ichst kl inisch n ich t zuzuordnen sind, die zwischen den beiden ideal- typischen Polen gelegen sind, k a n n die aus der Analyse der Schuld- r ich tung gewonnene Prognose mit dem sp/~ter beobachte ten Verlauf e inmal nicht i ibereins t immen.

I n unserem Material waren es nu r 2 F~lle, die abweichendes Verhalten zeigten u n d deshalb eine ausfiihrlichere Wiedergabe verlangen.

Fall 13. Hedwig Wurm, 51 Jahre alt, ledige Lehrerin. Diagnose: Endogene Depression, Hyperthyreose nach JodmiBbrauch. Aufgenommen am 18.10. 27. Von der Schwester erfahren wir, daft die Patientin schon immer sieh leicht erregt babe, zumal in neuen Situationen. 1917 sei Patientin einige Woehen regelrecht trfibsinnig gewesen und habe den Dienst nicht tun kSnnen. Damals habe sie ge- meint, die Kinder folgten ihr nicht so recht, die Kollegen seien anders zu ihr. Das aber habe sich sehr schnell verloren, und die Patientin habe dann bis Mai 1927 ihren Dienst unauff/illig durehgeffihrt, l~ach einer Fingereiterung habe sie im Mai eine Erholungskur in TSlz durehffihren sollen. Auf eigene Faust habe sie dort ihren ,,dicken Hals" behandelt mit dem Erfolg, daft Herzklopfen, heil3e Aufwallungen zum Kopf sich eingestellt h~tten. Als sie wieder in Miinchen ihren Dienst habe antreten wollen, sei das nicht gegangen. Sie habe sich mfide und sehlapp gefiihlt, ge~uBert, es ]ehle ihr an Energie. Selbstmordideen h~tten Referentin veranlal3t, die Sehwester herzubringen. Nach eigenen Angaben: Familie o.B. Sie selbst sei kSrperlich stets gesund gewesen. Menarehe mit 12 Jahren. Menopause vor 3 Jahren. Als Kind sei sie gesellig und tustig gewesen; in der Sehule und w~hrend der Aus- bildung habe sie mit Ehrgeiz und guter Begabung gelernt. Ihren Beruf habe sie stets sehr sehwer genommen. Jetzt kSnne sie nicht mehr arbeiten, sie glaube auch zu nichts mehr fahig zu sein, sie h~tte nur die Energie aufbringen sollen, sie sei ja gar nieht krank, sie miisse das Krankenhaus sofort wieder vertassen, es sei nicht recht, daft sie i~berhaupt gelcommen sei. Niemals werde sie Oberlehrerin, das sei doch ein Zeichen yon Dummheit. Patientin ist bei ihren Schilderungen sehr zurfiekhaltend, blickt Referenten ~tngstlieh an. Das Gesieht zeigt einen ~ngstlieh depressiven Aus- druck, zwischen ihren Erzithlungen weint sie. Struma, etwas beschleunigter Pu]s, sonst o. B. 2.11.27. ~ngstlieh, klagt fiber ihre Unf~higkeit, aueh nur das Geringste zu leisten. 1.12.27. Wesen'lich besser. Tagesschwankungen. 20. 12.27. Fort- sehreitende Besserung. Gelegentlich gereizt, aber auf Vorhaltungen verst~ndig. 17.1.28. Die Schwester der Patientin starb gestern nach einer Operation. Patientin war sehr ergriffen, konnte jedoch bald wieder fiber ihre L~rmempfindlichkeit scherzen. Gebessert entlassen.

Wiederaufnahme am 20. 1.28. Patientin klagt fiber ihre kSrperlichen Be- schwerden. Bei einer neuerliehen eingehenden Exploration gibt sie an, sie habe den Eindruck, daB ihr Zimmer eine L~rmzelle sei, dab um das Zimmer herum viele Personen sich bewegen, fiber sie spreehen, sie beobachten. Sie kSnne sich zwar nicht denken, dal3 Menschen sich dazu Zeit n~hmen oder daffir bezahlt wtirden. Die Wasserleitung rausche, um sle zu pr~,/en. Oben wfirden Kugeln gerollt, Kiese!steine ausgeleert. Nachts beobachte sie, wie an der Stelle, an der die Lampe hi~nge, sich an der Decke eine Klappe 5ffne, aus der ein Lichtsstrahl auf sie falle, um sie in jeder Lage zu photographieren. Oft habe sie sehon gegen die Wand, aus der die Leute fiber sie spr~tchen, etwas schleudern wollen, aber dann habe sie es unterlassen, weil sie gedaeht babe, es sei wohl besser ffir sie, wenn sie so tue, als bemerke sie es nicht. 11.2.28. Patientin dissimuliert stark, ist w~hrend der Visiten durchaus einsichtig und kritisch. Nach Hause entlassen. Diagnose: Melancholie, Halluzinose.

Katamnese. Oktober 32. Die Schwester der Patientin, die zun~chst gesprochen wird, gibt an, sie h~tte die frfihere Patientin bei sich zu ttause. In den letzten

Page 25: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

552 Werner Seheid: Der Zeiger der Schuld

Jahren sei sie hitufiger in der Klinik gewesen, jetzt sei sie gut zu ttause zu halten. Die Patientin sei sehr miiltrauiseh, gehe gar nicht aus, liege meist zu Bert. Manchmal klage sie dariiber, dab sie Leute sprechen hSre. Die Patientin selbst begriil3t Referen- ten sehr miiltrauisch, 1/tilt sich aber doch in ein Gespr/ich verwickeln. Sie habe da so braune Flecken am Arm, sie wasche sich doch ordentlich und trotzdem seien die Fleeken da. Da miisse doeh jemand etwas ins Wasser hineingetan haben. Sie wisse zwar nicht wer, wolle auch niemand bestimmten beschuldigen, aber es miisse doch jemand dahinter stecken, lVfanchmal hSre sie auch Stimmen: ,,Mir ist, als wenn ein alter Herr etwas brummt, dann hSre ich aueh wieder eine helle, hohe Stimme, die Worte kann ich manchmal verstehen, dann sind es Schimpfworte, wenn ich sie nicht verstehe, hSre ich den abf~lligen Ton."

Auf die Wiedergabe des Falles W u r m konnte unserer Fragestel lung wegen nicht verzichtet werden, obschon die Anamnese yon einem Ver- s t immungszus tand in der Jugend berichtet . Die jetzige Psychose bricht gleichzeitig mi t einer gesteigerten Jodzufuhr aus, was uns ebenfalls nicht verhinderte, den Fall mitzuteilen, so bequem es auch ffir unsere Frage- stellung gewesen w/~re. Bei der relat iv geringen Kenntn is von den sog. exogenen und endogenen Momenten in der Xtiologie der Psyehosen und bei der Art des Verlaufes des Falles Wurm, der zu einem schizophrenen Endzus tand fiihrte, schien die Wiedergabe notwendig.

W~hrend der ersten Krankhei t smonate bot die Pat ient in das Bild einer endogenen Depression. Ziemlieh plStzlich kommen Dinge zutage, die die Auffassung v o n d e r Psychose wesentlieh iindern muBten. Das depressive Moment t r i t t ganz zuriick, dafiir beherrscht W a h n die Psy- chose. Der bei der Katamnese erreiehte Endzus tand ist der typische Endzus tand einer Paraphrenie. Die Rich tung der Schuld in der depressiv beginnenden Psychose ist zunachst eine reine Ichschuld. Ers t sehr viel sps t r i t t eine Fremdsehuld auf, die phiinomenologisch alle Wahn- kriterien erfiillt. Wenn wir oben sagten, dab eine prim~re Ichsehuld, an die sich erst sehr viel sp~ter eine Fremdschuld anschliei3t, eine giinstige Prognose bietet, so widerspricht der Fall W u r m dieser Behauptung. Auch von depressiv beginnenden Schizophrenien anderer Lebensal ter ist ja bekannt , daB zun~chst Versiindigungsideen ohne eine Andeu tung von Fremdsehuld vorliegen kSnnen.

Fall 14. Josephine Miiller, 56 Jahre alt, verheiratet. Diagnose : Paraphrenie, maniseh-depressives Irresein (?). Aufgenommen am 20. 4.29. Der Sohn der Patientin gibt an, seine l~utter habe versueht, sich heute NIorgen mit einem Revolver zu ersehieilen. Vor 8 Tagen sei die Patientin nach Miinchen gekommen, weil ihr Mann, des Referenten Stiefvater, sie nicht mehr in der tteimat habe halten kSnnen. Seit einigen Woehen erscheine die Patientin hSchst merkwiirdig. Die jetzt 56j/thrige Patientin lebe mit einem 35j~hrigcn Mann in zweiter Ehe. Anfangs seien sie gliicklich miteinander gewesen. In letzter Zeit babe es Differenzen gegeben. Die Patientin sei maillos eifersiiehtig geworden, habe behauptet, der Mann treibe es mit dem Zimmerfr~ulein, er rue auch sonst allerhand, um sie nervSs zu machen, nm sie aus dem Weg zu schaffen. Auch in den letzten Tagen hier in Miinehen habe die Patientin im Hause des Referenten eigenartige Befiirchtungen ge/tuilert. So habe sie gefragt, a]s ein Altwarenhandler aus der Kaserne, in der Referent wolme, Knoehen geholt habe, ob er, Referent, die Solda~n denn so gehunzt habe. Nachts habe sie schleeht

Page 26: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung ftir die Prognose involutiver Psychosen. 553

geschlafen. Friiher sei sie ein gleichm~l~ig heiterer, lebenslustiger Mensch gewesen. Die Mutter der Patientin sei im gleichen Alter etwa 1 Jahr krank gewesen, danach aber wieder ganz gesund geworden. Familie o. B. Uber das Vorleben der Patientin ist Besonderes nieht zu berichten. K5rperlich nie ernstlich krank gewesen. Menarche weilt I)atientin nieht anzugeben, Menopause mit 50 Jahren. Eine Geburt. Patientin ist bei der Aufnahme merkwtirdig gelassen, l~chelt sogar dabei, wie sie erzahlt, dab sie sich erschiegen woUte. Etwas spi~ter ist sie erregter, gibt zunaehst keine Antwort, blickt mii~trauiseh um sich, um dann loszufahren, hier gehe die Gaudi auch wieder an, in der Umgebung sprdche man i~ber sie, man schaue sie so merkwiirdig an. Seit Weihnachten sei sie so beunruhigt, ihr Mann wolle sie los sein, ihr Mann sei in einem Verbrecherverein, ein anderer Mann habe ihn einmal angesprochen, da habe er die Farbe gewechselt, der sei ein Komplize gewesen. Sie habe ihren Mann gezwungen, dem Zimmerfr/~ulein zu kiindigen, und seitdem inszeniere er alles MSgliche. Er habe Ger~usche in der Wand gemacht, das habe so gerieselt. Der Mann sei sicher in einem roten Verbrecherverein, da miisse sie in einen schwarzen, um Schutz zu finden. Die Patientin erscheint bald nach der Aufnahme auSerordentlich unruhig und sehr /~ngstlich. Sie kniet vor dem Referenten nieder, erhebt die H~nde und bitter, man solle sie verschonen. KSrperlich: Einschu$Sffnung medial yon der linken Mamille. Blaurot verfi~rbte VorwSlbung der Haut unterhalb des linken Schutterblattes. Sonst o.B. 13.5.29. Anfangs auf der Abteilung zug~nglich und freundlich. In der letzten Zeit wurde sie schwer verstimmt, ~uSert zahlreiche paranoide Ideen. Die einzelnen Patientinnen seien nur dazu da, sie zu fiberwachen, ihr etwas ,,aufzuinszenieren". Eine bestimmte Patientin ist fiberhaupt ein Mann, hustet wie ein Mann, hustet damit die anderen Patienten sie noch eindringlicher beobachten. Wird eine Mitpatientin umgebettet, so sieht sie Blut und das bedeutet, dab sie erschossen wird. 28.5. 29. Sie komme in den Keller, H~nde und Fiil~e werden abgehackt, lieber solle Referent sie doch erscnielten. 6.6.29. Wesentlich ruhiger. Wird heute in die Heil- und Pflegeanstalt verlegt. 6.7.29. Spricht miihsam und langsam, ist sehr depressiv, f~ngt sofort zu weinen an. 28. 7.29. Jammert st/~ndig laut, weint und sehimpft. 20.10.29. Seit einigen Tagen gespr/~chig, heiterer Stimmung, iBt gut. Depressive Ideen werden nicht ge~uBert, angeblich kein Stimmen- hSren mehr. 27.10.29. Gegen Revers entlassen.

Katamnese. Januar 33. Patientin wird in ihrem Heimatdorf aufgesucht. Sie empf~ngt Referenten sehr freundlich, erz/~hlt mit einer gewissen Schamhaftigkeit yon den Dingen, die sie w~hrend der Kranklxr erlebt habe. Volle Krankheits- einsicht. Irgendwelche Stimmen hSre sie nicht mehr, sie sei stets gleichm~Biger guter Stimmung, komme mit ihrem Mann gut aus, ihre :Eifersucht sei geschwunden. Keinerlei Anhalt ffir psychotische Ph/~nomene.

Bei der ersten kl inischen Beur te i lung wurde die Psychose der F r a u Mfiller nu r mi t Vorbehal t als Paraphrenie bezeichnet. Es bes tanden Abweichungen yon dem typischen Bild, die offenbar auch dazu ffihrten, dal~ man aus dem kl inischen Gesamte indruck heraus die Prognose n ich t ungfinst ig stellte, wie aus der Abschrift eines an den einweisenden Arzt ger ichteten Briefes hervorgeht. Die Schuldr ichtung ist e indeut ig als reine Fremdschuld zu bezeichnen; trotzdem heilte die Psychose v611ig aus. U m fiber eine soziale Ka tamnese h inauszukommen, wurde t rotz erheb- licher r/~umlicher En t f e rnung eine ausffihrliche Nachexplora t ion vor- genommen, die keinerlei Reste eines psychotischen Erlebens zutage brachte. In te ressan t ist die Bemerkung aus der Fami l ienanamnese , wonach die Mut ter der Pa t i en t i n einen ~hnlichen Zus tand im gleichen Alter durchgemacht haben soll. A u c h im Fal l Mfiller ha t das yon uns

Page 27: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

554 Werner Scheid: Der Zeiger der Schuld

fiir die Prognosestellung benfitzte Kriterium versagt. Wir kSnnen den Fall in eine Reihe mit den von Mosbacher verSffentlichten F~llen stellen, die ein paraphrenes Bild boten und trotzdem abheilten. Allerdings faBt Mosbacher den Begriff der Heilung weiter; nur ganz wenige seiner Patientinnen sind wie unser Fall Mfiller im pathopsyehologischen Sinne geheilt.

Die Bedeutung dieses letztgesehilderten Falles fiir die Beurteilung des von uns fiir die Prognosestellung herangezogenen Kriteriums ist erheblich grSBer als die des Falles Wurm. Dort sahen wir eine nach dem Typus der endogenen Depression mit reiner Iehschuld beginnende Psychose fibergehen in ein paraphrenes Bild, das den gewShnliehen Defektzustand hinterlieB. Wir konnten auf den Umstand hinweisen, daB Schizophrenien gelegentlieh mit Depressionszust~nden beginnen, in denen sehwerste Versiindigungsideen ohne eine Andeutung yon Fremdschuld vorgebraeht werden. In solehen F~llen ist die Struktur der Traurigkeit, die sich w)n der Traurigkeit der vitalen Depression unterseheiden l~Bt, fiir die Beurteilung des Krankheitsbildes und somit ffir die Prognosestellung yon aussehlaggebender Bedeutung. Das ganz andersartige Kriterium der Schuldrichtung muB in diesen FMlen ver- sagen. Wenn wir aus diesem Gedanken heraus somit nieht erwarten diirfen, dab eine reine Ichsehuld eine absolut gfinstige Prognose bietet, so sehien die Umkehrung ehcr erlaubt, daB n~mlich das Auftreten eines reinen primdren Fremdschulderlebens im An/ang der Psychose als ein schlechtes Zeichen zu gelten hat, dab damit die Heilungsaussiehten reeht gering erscheinen mtissen. Der Fall Miiller widerspricht dieser These, allerdings als einziger Fall unseres Materials. Wir glauben annehmen zu kSnnen, dab zu unserem Fail Miiller nieht viele Parallelfi~lle zu finden sind. Die ganz wenigen wirklich geheilten F~lle Mosbachers wurden in diesem Zusammenhange erw~hnt.

Zusammenfassung. Das psychotische Versehuldungserlebnis wurde auf die Richtung der

Schuld hin untersucht. Es wurden Typen der Schuldriehtung aufgestellt, - - reine Ichschuld, reine Fremdschuld, sekunddre Fremdschuld, sekunddre Ichschuld, - - die zum Teil ineinander fibergehen, sich ablSsen k5nnen, nebeneinander bestehen kSnnen.

In einem klinisehen Teil wurde untersucht, ob die Schuldrichtung prognostische Schliisse au] den Verlau] involutiver Psychosen zuldflt. Unbekfimmert um die klinisehe Einordnung wurden die zwischen den beiden Idealtypen der endogenen Depression (Rfiekbildungsmelancholie) und der typischen Schizophrenie (Involutionsparaphrenie) stehenden involutiven Erkrankungen katamnestiziert und auf die Sehuldrichtung hin untersucht. Dabei zeigte sich, dab es sich verlohnt, die gewShnlich summarisch als ,,Versiindigungs- und Verfolgungsideen" gebuchten

Page 28: Der Zeiger der Schuld in seiner Bedeutung für die Prognose involutiver Psychosen

in seiner Bedeutung fiir die Prognose involutiver Psychosen. 555

p s y c h o t i s c h e n E r l e b n i s s e v o n e i n a n d e r zu t r e n n e n , a u f i h r e S t e l l u n g

z u e i n a n d e r zu u n t e r s u c h e n , wei l - - m i t E i n s c h r ~ n k u n g e n , wie sie f i i r

a l le p s y c h o l o g i s c h e n K r i t e r i e n g e l t e n - - prognostische Schliisse aus der Schuldrichtung erlaubt sind. , , V e r s i i n d i g u n g s - u n d V e r f o l g u n g s i d e e n "

k 5 n n e n A u s d r u c k e i n e r r e i n e n I c h s c h u l d se in , k 5 n n e n a b e r a u c h e ine

F r e m d s c h u l d b i l d u n g i n s i ch sch l i eSen . D ie U n t e r s c h e i d u n g i s t b e d e u -

r u n g s v o l l : Wir sahen, daft eine im Anfang der Psychose au]tretende prim(ire Fremdschuld die Vermutung eines ungiinstigen Verlau/es mit Wahrscheinlichkeit zuldflt. Die sich sekund(ir entwickelnde Fremdschuld, die sich mehr oder weniger deutlich aus einer prim(iren Ichschuld heraus entwickelt, braucht selbst dann keine schlechte Prognose anzuzeigen, wenn alle Beziehungen zur vorangegangenen Ichschuld verschwinden. Die Um- kehrung, daft die Prognose dieser letzteren Gruppe immer eine giinstige sei, ist nicht erlaubt, d a e c h t e s c h i z o p h r e n e P r o z e s s e , w e n n a u c h s e l t e n ,

d u r c h e in S t a d i u m r e i n e r I c h s c h u l d e i n g e l e i t e t w e r d e n .

Literaturverzeiehnis. Albrecht: Z. Neur. 22, 306 (1914). -- Bleuler, E.: Lehrbueh der Psychiatr ie,

4. Aufl. Berlin 1923. -- Bumke, 0.: Lehrbuch der Geisteskrankheiten, 3. Aufl. Miinchen 1929. -- Drey]us, G.: Die Mel~mcholie, ein Zustandsbild des manisch- depressiven Irreseins. J ena 1907. -- Ewald, G.: Fortschr. Neur. 3, 31 (1931). -- Gruhle, H. W.: Z. Neur. 16,465 (1913). - Handbuch der Geisteskrankheiten, Bd. 9, S. 135. 1932. -- Psychologie der Schizophrenie (in Berze u. Gruhle). Berlin 1929. -- Hi~bner, A. H.: Arch. f. Psychiatr . 48, 505 (1908). - - Jacobi, E.: Arch. f. Psychiatr . 90, 595 (1930). -- Arch. f. Psychiatr . 95, 423 (1931). - - Jaspers, K.: Allgemeine Psychopathologie, 3. Aufl. Berlin 1923. -- Kehrer, F.: Die Psyehosen des Urn- und Riickbfldungsalters. Zbl. Neur. ~5, 1 (1921). -- Kleist, K.: Allg. Z. Psychiatr . 69, 705 (1912). -- Allg. Z. Psychiatr . 70, 1 (1913). - - Kraepelin, E.: Psychiatrie, 8. Aufl. Leipzig. - - Lange, J.: Handbuch der Geisteskrankheiten, Bd. 6, S. 6. 1928. -- Psychiatr ie des prakt ischen Arztes. Miinchen 1929 -- Mayer-Gross, W.: H a n d b u c h der Geisteskrankheiten, Bd. 9, S. 293. 1932. -- Handbuch der Geisteskrankheiten, Bd. 9, S. 579. 1932. -- Medow, W.: Arch. f. Psychiatr . 64, 480 (1922). - - Mos- bacher, F. W.: Arch. f. Psychiatr . 93, 46 (1931). - - Rehm, 0.: Zbl. Nervenheilk. 33, 41 (1910). - - Rurge, W.: Handbuch der Geisteskrankheiten, Bd. 8, S. 542. 1930. -- Schneider, K.: Miineh. reed. Wschr. 79, 1549 (1932). -- Z. Neur. 138, 584 (1932). -- Probleme der klinischen Psychiatrie. Leipzig 1933. -- Seelert, H.: Arch. f. Psyehiatr . 55, 1 (1915). -- ,~rko, A.: Mschr. Psychiatr . 45, 245 (1919). -- Specht, G.: Zbl. Nervenheilk. 30, 529 (1907). -- Thalbitzer, S.: Arch. f. Psychiatr . 43, 1071 (1908).