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G. Rieniicker u. W. Dietz. Der Zerfall des Ameisensauredampfes usw. 65 Der Zerfall des Ameisensiiuredampfes an Kupfer-Silber-Legierungen [Katalytische Untersuchungen an Legierungen. Il.l)] Von G. RIENACKER und W. DIETZ~) Mit 6 Piguren im Text Mit drm Ziel, Aufschlusse uber die Zusammenhangc zwischen den Eigenschaften von Stoffgemischen und ihrer katalytischen Wirksamkeit zu gewinnen, wurden katalytische Messungen an Legierungen ausgefuhrt. Legierungen erscheinen als recht einfache Mehrstoffsysteme besonders geeignet, weil auf Grund metallo- graphischer und anderer Untersuohungen iiber ihren Zustand und ihre Eigenschaften meist mehr auszusagen ist, als bei den hiiufig untersuchten pulverformigen Oxydgemischen. Unter Verzicht auf groBe Oberfliichenentwicklung, also bei Verwendung kompakter Metalle, konnen auBerdem meI3bare Oberfliichen leicht verglichen werden. Vor kurzem wurde uber Xessungen des Ameisensliuredampf- zerfalls an Silber-Gold- und Kupfer-Gold-Mischkristallen berichtetl). Diese Legierungen waren Modelle fur einphasige Mischkatalysatoren. Zur Charakterisierung der katalytischen Leistung wurde auBer dem Umsatz vor allem die Aktivierungsenergie der Reaktion benutzt, die aus dem Temperaturkoeffizienten des Umsatzes errechnet wurde. Es konnte gezeigt werden, daB in einigen FSillen bei diesen homogenen Xisehkontakten Yersttirkungen auftreten, obwohl hier keine Phasen- grenzlinien vorliegen, auf die man ja bei mehrphasigen Kontakten besondere katalytische Eigenschaften ~uruckfuhrt~). Es konnte dar- BUS der SchluB gezogen werden, da5 auch homogene Misohungen von reinen Stoffen spezifisoh abweiohende katalytische Eigensohaften besitzen konnen. Insbesondere machten sich hderungen im Fein- bau (Cu,Au im Zustande der regellosen und geordneten Atom- l) G. RJEXACKER, Z. anorg. u. allg. Chem. 227 (1936), 363; vgl. auch Vor- tragsreferat Z. angew. Chemie 49 (1936), 320. 2, Von W. DIETZ als Inauguraldissertation der naturwissensohaftlioh-mathe- matischen Fakultiit an deer Universitat Freiburg i. Br. vorgelegt. 8) Vgl. 5. 75. Z. anorg. u. all& Chcm. Bd. 228. 5

Der Zerfall des Ameisensäuredampfes an Kupfer–Silber-Legierungen. [Katalytische Untersuchungen an Legierungen. II.]

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G. Rieniicker u. W. Dietz. Der Zerfall des Ameisensauredampfes usw. 65

Der Zerfall des Ameisensiiuredampfes an Kupfer-Silber-Legierungen

[Katalytische Untersuchungen an Legierungen. Il.l)]

Von G. RIENACKER und W. DIETZ~) Mit 6 Piguren im Text

Mit drm Ziel, Aufschlusse uber die Zusammenhangc zwischen den Eigenschaften von Stoffgemischen und ihrer katalytischen Wirksamkeit zu gewinnen, wurden katalytische Messungen an Legierungen ausgefuhrt. Legierungen erscheinen als recht einfache Mehrstoffsysteme besonders geeignet, weil auf Grund metallo- graphischer und anderer Untersuohungen iiber ihren Zustand und ihre Eigenschaften meist mehr auszusagen ist, als bei den hiiufig untersuchten pulverformigen Oxydgemischen. Unter Verzicht auf groBe Oberfliichenentwicklung, also bei Verwendung kompakter Metalle, konnen auBerdem meI3bare Oberfliichen leicht verglichen werden.

Vor kurzem wurde uber Xessungen des Ameisensliuredampf- zerfalls an Silber-Gold- und Kupfer-Gold-Mischkristallen berichtetl). Diese Legierungen waren Modelle fur einphasige Mischkatalysatoren. Zur Charakterisierung der katalytischen Leistung wurde auBer dem Umsatz vor allem die Aktivierungsenergie der Reaktion benutzt, die aus dem Temperaturkoeffizienten des Umsatzes errechnet wurde. Es konnte gezeigt werden, daB in einigen FSillen bei diesen homogenen Xisehkontakten Yersttirkungen auftreten, obwohl hier keine Phasen- grenzlinien vorliegen, auf die man ja bei mehrphasigen Kontakten besondere katalytische Eigenschaften ~uruckfuhr t~) . Es konnte dar- BUS der SchluB gezogen werden, da5 auch homogene Misohungen von reinen Stoffen spezifisoh abweiohende katalytische Eigensohaften besitzen konnen. Insbesondere machten sich hderungen im Fein- bau (Cu,Au im Zustande der regellosen und geordneten Atom-

l) G. RJEXACKER, Z. anorg. u. allg. Chem. 227 (1936), 363; vgl. auch Vor- tragsreferat Z. angew. Chemie 49 (1936), 320.

2, Von W. DIETZ als Inauguraldissertation der naturwissensohaftlioh-mathe- matischen Fakultiit an deer Universitat Freiburg i. Br. vorgelegt.

8 ) Vgl. 5. 75. Z. anorg. u. all& Chcm. Bd. 228. 5

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66 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 228. 1936

verteilung) durch unterschiedliche liatalytische Leistungen bemerkbar, und es wurde auf mogliche Beziehungen ou eiiiigen physikalischen Eigenschaften hingewiesen.

Mit dem gleichen Ziel wurden Messungen des Arneisensauredampf- zerfalls an Kupfer-Silber-Legierungen ausgefuhrt, woriiber in der vorliegenden Mitteilung berichtet wird. Dieses System mit Mischungs- liicke bietet eine Reihe von Legierungen, die Beispiele fur zweiphasige Mischkontakte sind. Die Messungen wurden nach der Stromungs- methode ausgefiihrt.

I. Katalysatoren

Kupfer und Silber bilden nur in einem sehr engen Bereiche Mischkristalle, die Mischungsliicke reicht von 3,5-91 Atom-% Silberl) mit einem Eutektikum bei 60,6 torn-^/, Silber. In diesem Gebiet bestehen die Legierungen also aus einem Gernenge von sehr silber- reichen und sehr kupferreichen Mischkristallen.

Die zu den Messungen verwandten Katalysatoren sind in Tabelle 1 xusammengestellt ; die mengenmiiaige Zusamrnensetzung wurde ana- lytisch bestinirnt.

Zusammensetzung in Atom-o/,

100 cu 3 Ag

37 Ag 59 Ag

84 Ag

92 Ag

97 Ag 100 Ag

Tabelle 1 Beschreibung der Katalysatoren

Beschreibung (mikroskopisches Bild) ~

Blech p. a. Merck Draht, 0,2 mm (grobe Cu-Icristallite

Draht, 0,l mm (feinkijmige Kristallite) Draht, 0,24 mm (Eutektikum, sehr fein-

Draht, 0,2 mrn (Silberkristallite rnit

Draht, 0,2 mm (Oberflache unregel-

Draht, 0,2 mm (Silberkristallite) Blech (Feinsilber des Handels)

mit feinen Silberadern)

kornige Kristallite)

Eutc ktikum)

miiljig ausgebildet)

Oberfliiche in em2

304 444

275 232

534

469

357 500

R o n t geno g r a p h i s c h e U n t e r su c h u n g : DEBYE-SCHERRER- Aufnahmen der Legierungen bestatigten, daB die beiden Legierungen rnit 97 und 92 Atom-o/, Silber aus homogenen Mischkristallen bestehen. Dagegen traten bei der Legierung mit 3 Atom-% Silber, die ebenfalls noch im Gebiet der Mischbarkeit liegen sollte, schon deutliohe Silber- linien auf. Auoh R. W. DRIER^) fand bei rontgenographischer Unter-

l) N. €’USCHIN u. N. SENKOWSKI, vgl. G ~ T L E R , Metallographie 11, 2;

”) ROY W. DRIER, Journ. Ind. Eng. Chem. 23 (1931), 404. 6, S. 330.

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suchung dieser Legierungsreihe ein engeres Mischbarkeitsgebiet auf der Kupferseite, als es auf Grund des Schmelzdiagrammes in der Literatur angegeben wird ; dieser Unterschied ist wohl auf Verschiebung der Mischbarkeitsgreiize mit der Temperatur zuruckzufiihren.

I I . Suhstrat

Als Testrealrtion wurde hier wie auch in der vorangehenden Unter- suchung die Zersetzung des Ameisensauredampfes in Kohlendioxyd und Wasserstoff gewiililt, weil in dieser einfachen, gut bekanntenl) und bei relativ tiefer Temperatur verlaufenden Reaktion nur Stoffe entstehen, die mit den hier verwendeten Katalysatoren nicht chemisch reagieren.

Wasserfreie Ameisensaure wurde folgendermaBen hergestellt: 90°/oige Ameisensiiure wurde mit entwasserter Oxalsaure vor- getrocknet, nntcr Eiskuhlung mit Phosphorpentoxyd versetzt und im Hochvakuum bei Zirnrnertemperatur in das auf - 79O gekuhlte VerdampfungsgefaB der Apparatur (vgl. Fig. 1) destilliert.

111. Apparatur

Die zu den Messungen benutzte Apparatur ist in Fig. 1 wieder- gegeben. Sie arbeitete nach folgendem Prinzip: Ein mit gleich- bleibender Geschwindigkeit stromendes Triigergas (Stickstoff) wurde bei konstanter Temperatur mit Ameisensauredampf beladen, das Gasgemisch iiber den erhitzten Katalysator geleitet und die zersetzte Ameisensauremenge gemessen.

Der Stickstoff (bzw. Wasserstoff zum vorherigen Ausgliihen des Katalysators) wurde gereinigt und getrocknet z, mit Chrom (2)-salz- losung (A1, Az), Natronlauge mit Plumbitzusatz (B) , konzentrierter Schwefelsiiure (D1, 2, 3) und Phosphorpentoxyd (E). Vergiftungs- erscheinungen an den Katalysatoren nach langerem 6berleiten von so gereinigtem Gas machten eine weitere Reinigung der Gase mit Adsorptionskohle (I) notwendig; die Kohle war VOI' Benutzung im GefaBe I, das aus Supremaxglas bestand, im Hochvakuurn aus- gegluht worden und wurde ununterbrochen auf* - 79O gekiihlt. Der Bombenstickstoff enthielt so vie1 Sauerstoff, daS man vor den Chrom (2)-salzflaschen ein elektrisch geheiztes Kupferdrahtnetzrohr einschaltete zur Entfernung der Hauptmengen des Sauerstoffes.

1) Vgl. z. B. P. SABATIER u. A. MAILEIE, Compt. rend. 152 (1911), 1212; C. N. HINSHELWOOD, H. HARWY u. B. TOPLEY, Proc. Roy. SOC. London A 100 (1922), 675; C. N. HIESHELWOOD u. B. TOPLEY, Journ. chem. Soc. 123 (1923), 1014; H. C. T~NGEY u. C. N. H~NSHELWOOD, 1. c. 121 (1922), 1668; G. RIENACKER, 1. c.

2, In der Fig. 1 ist nur eine der beiden Gasreinigungsreihen wiedergegeben. 5*

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Die Strbmungsgesehwindigkeit wurde mit einem Drosselventil aus Messing (L) reguliert und mit einem Paraffindmanometer ( M ) gemessen, das mit einem KurzschluB ( N ) versehen war. Die Stroniungs- geschwindigkeit betrug bei den Messungen rund 1,9 Liter/Stde. Der von der Stahlflasche im UberschuB gelieferte Stickstoff konnte durch einen AuslaB durch eine fkhicht Phosphorpentoxyd (G) und eine in der Hohe regulierbare Saule konzentrierter SchwefelsHure (W) entweichcn.

Das Tragergas durchstromte darauf eine kleine herausnehmbare und wagbare, etwa 30 g schwere Waschflasche (8) mit 3 -4 g Ameisen- saure, die auf konstanter Temperatur (SO) gehalten wurde.

W

Fig. 1. MeDanordnung

AnschlieDend gelangte das Stickstoff-Ameisensauredampfgemisch in das 85 em lange und 1,5 em weite Katalysatorrohr ( T ) aus Supre- maxglas, das in einem temperaturkonstanten, regulierbaren elek- trischen Rohrenofen lag, in dem die Zersetzung erfolgte. Die un- zersetzte Menge Ameisensiiuredampf wurde in W bei - 79O quantitativ ausgefroren. Von D ab waren alle Gummiverbindungen vermieden, die Glasrohren waren miteinander verschrnolzen oder durch Schliffe verbunden.

Die Temperatur des Ofens wurde in der iiblichen Weise mit eineni Quecksilberthermoregulator auf ungefahr 1/20 konstant gehalten.

Das AmeisensaureverdampfungsgefBB muBte unter Zimmer- temperatur gekuhlt werden, um eine Kondensation des Ameisenstiure- danipfes in den dahinterliegenden Apparaturteilen zu verhindern. Eine konstante Kuhlung wurde durch einen mit eisgekiihltem Wasser

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G. Rienacker u. W. Dietz. Der Zerfall des Ameisensiiuredampfes usw. 69

gespeisten Kryostaten erreicht, der in Fig. 2 wiedergegeben ist. Bei A flof3 das Kuhlwasser (3O) in den Behiilter C, aus dem der uberschuf3 bei B, die Hauptmenge durch den Regulierhahn D bei geoffneter Duse E durch F abflol3. Steigen der Temperatur des Bades T bewirkte Ausdehnung des Chloroforms in dem aus 4 handformig miteinander

AusdehnungsgefaB H , dadurch wurde die Duse E geschlossen, und die Hauptmenge des Kuhlwassers flof3 nun durch G in das Kuhl- bad. llittcls dcr Regulierschraube K konnten verschiedene Temperaturen eingcstellt mer- den. Die Temperaturschwankungen lagen unter lilOo.

verschmolzenen Reagenzglasern bestehenden d

IV. Ausfiihrung der Messungen

Vor Beginn der Messungen wurde jeder ICatalysator in einem Ansatzstuck, das auf den Schliff S, (Fig. 1) paBte, im Wasser- stoffstrom bei 750--800° ausgegluht und nach dem Abkiihlen dem stromenden Gas entgegen in das Zersetzungsrohr T geschoben. Die silberreichen Katalysatoren enthielten kleine Mengen Schwefel, der eigentumlicherweise

7

erst bei tagelangem Ausgluhen im Wasser- st offstrom abgegeben wurdel) .

Nach Einstellung der konstantrn Tern-

Fig. 2. Kryostat fur das Ameisensaure-

verdampfungigefalj peratur und konstanter Striimungsgeschwin- digkeit wurde das gewogene AmeisensaureverdampfungsgefiiB ein- geschaltet und der Gasstrom zunachst 5 Minuten bei Dreiweghahn B, abgeleitet, um die Luft aus den Leitnngen zu vcrdrangen. Nach Umschalten von R, stromte das Gasgerriisch uber den Katalysator und gelangte durch R, in das AusfriergefSiB.

Nach einer Versuchsdauer von 60 Minuten lie0 man das Gas- gemisch durch Umschalten von R, nach aul3en entweichen und stellte den Ofen auf eine neue Temperatur ein. Die wahrend der Versuchs- dauer ausgefrorene Menge unzersetzter Ameisensaure wurde nun quantitativ ausgespult und mit Natronlauge und Phenolphthalein titriert. Nach Einstellung der neuen Versuchstemperatur wurde

I ) Vgl. G. RIBNACKER, 1. c.

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70 Zeitrrchrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 228. 1936

wiederum 60Minuten lang ausgefroren und in der gleichen Weise weiter verfahren.

Nach je 2 solcher Messungen schaltete man das Ameisensaure- verdampfungsgefaki ab und berechnete aus dem Gewichtsverlust die in 60 Minuten verdampfte Menge ; die Differenz zwischen verdampfter und ausgefrorener Menge ergab die zerfallene Mcnge.

Bei Versuchen an reinem Silber wurde der Kohlendioxydgehalt der Zerfallsprodukte hinter dem AusfriergefiilS mit einem Kaliapparat bestimmt und dabei in ubereinstimmung mit Versuchen nach der statkchen Methodel) eine fast 100°/oige Zersetzung der Ameisensaure in Kohlendioxyd und Wasserstoff festgestellt.

V. Meliergebnisse

Zum Vergleich der Katalysatoren wurden sowohl die Ausbeuten bzw. die daraus errechneten ,,Aktivitaten" herangexogen als auch

die aus deren Temperatur- abhangigkeit sich ergebenden Ak- tivierungsenergien.

Ein Vcrgleich der Aktivitaten erschien aussichtsreich , weil die Kata,lysatoren durch dielange Gluh- behandlung eine iihnliche Ober- fliichenentwicklung erhalten haben sollten. Jedoch maren die hktivi- taten wahrend derversuche starken Schwankungen unterworfen, deren Ursachen nicht ermittelt werden konn ten. Die A k tivierungsenergien,

Fig. 3. Ahhiingigkcit des Zerfalls die aus direkt aufeinanderfolgenden Jlersuchen bei verschiedener "em- peratur errechnet wurden, waren

jedoch konstant (vgl. Tabelle 2 und Fig. 4) ; zu Beginn jeder MeBreihe war der Katalysator ,,normalisiert" worden in einer Reihe von Ver- suchen, die zur Berechnung nicht mit herangezogen wurden.

Um Kenntnis zu gewirinen uber die Reaktionsordnung, die zur Berechnung der Geschwindigkeitskonsta,nten notig ist, murde die Abhiingigkeit des Zerfalls vom Ameisensaurepartialdruck gepruft; abgesehen von diesen Versuchen wurde der Partialdruck bei allen spateren MeBreihen konstant gehalten. Das Ergebnis geht aus Fig. 3

vom Ameieenaaurepartialdruclc

__ l) Vgl. Anm. 1 auf S. 67.

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G. Rienacker u. W. Dietz. Dcr Zerfall des Amcisensiiiuredampfes usw. 71

Temperatur ~ &In zeIB. = 7c PTr. I in OC (abs.) I

hervor : Die zersetzte Menge ist ungefahr proportional dem Ameisen- saurepartialdruck. Die Reaktion verlauft also ungefiihr nach erster Ordnung im Gegensata zu den Messungen nach der statischen Me- thodel), wo bei gleichem Katalysator dic nullte Ordnung beobachtet wurde. Eine solche Abhangigkeit der Kinetik von der MeBmethode ist nicht auBergewohnlicli.

Bei Vorliegen erster Ordnung ist die Reaktionsgeschwindigkeit durch den Umsatz definiert; die Konstante k in der folgenden Auf- stellung (Tabelle 2) gibt dementsprechend die prozentual zersetate Menge wieder.

Als Beispiel einer MeBreihe sei cler Zerfall an reinem Silber in Tabelle 2 und Fig. 4 angefuhrt ; die Versuchsnurrimern beaiehen sich auf je zwei direkt aufeinanderfolgende Messungen.

log k Aktivierungs- energie (kml)

Fig. 4. Temperaturabhbgigkeit des Zerfalls an Silber

Tabelle 2 Messungen an Silber

Die MeBergebnisse an der ganzen Katalysatorreihe sind in Tabelle 3 Zur Berechnung der ,,AktivitMen" wurden dia

l) G. RIENACHER, 1. c.

ausammengefal3t.

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Umsltze (k ) umgerechnet auf I em2 Katalysatoroberflache und auf T = 600° (abs.) bezogen. Wegen der Schwankungen von k wurden die Mitteherte samtlicher Messungen genommen. Die Logarithmen der Aktivitaten sind in Fig. 5 wiedergegeben.

Die Aktivicrungsenergien waren auf rund 0,5 kcal reproduzier- bar; sie sind in Fig. 6 in urn- gekehrter Reihenfolge in der i 1 - 7 $2 I \ k Ordinate aufgetragen, so daB eine * . Verstarkung der katalytischen

.-- : Leistung (entsprechend einer & 20 a- 60 80 4 herabgesetzten Aktivierungsener-

gie) sich in einer Erhohung der Kurve ausdruckt und urngekehrt.

a7 i

Afom % Af Fig. 5. Die Logarithmen

der &tivitaten (bei 5000 &bs.)

Tabelle 3 Zusammenfassung der Ergebnisse - __

Kata- lysatoi

Nr.

1 3 3 4 5 6 7 8

~~ __

Zusammensetzung in

100 cu 3 Ag

37 Ag 59 Ag 84 Ag 92 Ag 97 Ag

100 Ag

Aktivitiit (O/,, Zers./cm2 bei T = 500" abs.)

0,091 0,113 0,068 0,151 0,056 0,107 0,087 0,110

Aktivierungs- energie (kcal)

21,6 17,3 19,l 37,7 26,5 22,l 21,4 18,8

VI. Besprechung der Ergebnisse

h k t i v i t i i t e n . Beim Vergleich von Aktivitaten an Katalysator- reihen beobachtet man bei struktureller Verstarkung (Tragerwirkung) oder bei kraftigen Abschwiichungseffokten im allgemeinen Unter- schiede von einer oder rnehreren Zehnerpotenzen. Auch bei Beriick- sichtigung der Ungenauigkeit der in der Fig. 5 wiedergegebenen Werte la& sich ohne weiteres ersehcn, daB hier keine FiiIle von struktureller Verstgrkung vorliegen. Die Aktivitatsunterschiede sind sehr klein, die hochste hier beobachtete Aktivitat betragt weniger als das Dreifache der niedrigsten. Die Sktivitaten der Legierungen sind nicht wesentlich verschieden von denen der reinen Metalle. Nur das Eutektikum (4) michnet sich durch ohe ziemlich hohe Aktivitat aus, was vielleicht der Feinkornigkeit des Katalyaators zuzuschreiben ist. Ein Zu- sammenhang zwischen KorngroBe und Aktivitat besteht jedoch nkht, z. B. weisen die beiden dem Eutoktikum benachbarten Legierungen

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(3, S ) , die die geringste Aktivitiit besitzen, niichst dem Eutektikum die feinste Oberfllichenstruktur auf, wiihrend der Katalysator mit 3% Silber aus auffallend grol3en Kupferkristalliten besteht (zwischen die sich sehr diinne Silberadern einschmiegen) und doch eine hohere Aktivitiit zeigt.

Ein Unterschied zwischen den Aktivitiiten in dcn Gebieten der Mischbarkeit und innerhalb dsr Mischungslucke ist nicht vorhanden ; die Mischbarkeitsgrenzen sind durch punktierte Linien angedeutet.

Ak t iv i e rungsene rg ien . Wahrend also in den Aktivitiiten, in denen sich strukturelle Verstarkungenl) ausdruclren, keine nennens- werten hderungen durch die Mischung der beiden Mctallc hervor- gerufen werden, zeigen die Akti- vierungsenergien starke Unter- schiede in der ganzen Reihe der Katalysatorenz).

Falls die Aktivierungsener- gien sich linear ilndern wurden mit der Zusammensetmng, miiBte die gestricheIte Linie in Fig. 6 ihremverlauf entsprechen; die ausgezogene Linie gibt die gemessenen Werte wieder in der oben beschriebenen Weise.

Beim Verfolgen der Kurve vom Kupfer (1) zum Silber (8) karin festgestellt werden, dal3

Fig. 6. Aktivierungsenergien

ein geringer Zusatz von Silber zum Kupfer cine starke Erniedrigung der Aktivierungsenergie hervorruft (2), also eine betrachtliche synergetische Verstiirkung bewirkt , die weiterhin etwas geringer

l) Vgl. G . M. SCHWAB u. H. SCHULTES, Z . phys. Chem. (B) 9 (1930), 265; G. M. SCHWAB, Katalyse vom Standpunkt der chemischen Kinetik, Berlin 1931, S. 209.

2, Die hier nach der Stromungsmethode crhaltenen Werte mind nicht immer im Einklang mit den nach der statkchen Xethode gemessenen (G. RIENACKER, 1. c.). Nach der statischen Methode wurde gefunden: Cu: 23,4 kcal, 37 Atom-% Ag: 18,4 kcal, Ag: 26 kcal. Wihrend die ersten beiden Werte mi t den hier ge- fundenen einigermaaen iibereinstimmen, bleibt trotz ausgedehnter Versuchs- reihen am gleichen Katalysator der Unterschied der Silberwerte ungekhrt. Auch G. M. SCHWAB u. R. STAEOER [Z. phys. Chem. (B) 25 (1934), 4361 fanden be- trikhtliche Unterschiede bei beiden Arbeitsweisen und vcrsuchten, sie theoretisch zu deuten. Es ist also unerlSiBlich, bei Vergleichen von Katalymatoren gleiche MeBmethodik anzuwenden.

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mird (3), aber noch deutlich uber der Additivitat liegt. Im Eutelrti- kum (4) dagegen erreicht die Kurve ihren tiefsten Punkt, es ist eine liraftige Abschwachung eingetreten.

Vom Silber aus verfolgt, zeigt die Kurve, daB die homogene Bci- mischung des Kupfers die katalytische Wirksamkeit des Silbers abschwaeht (7, 6). AuBerhalb des Gebietes der Mischbarkeit (5) nimmt die Abschwiichung weiter zu, im Eutektikum (4) ist sie am ausgepriigtesten. Sprunghafte Anderungen treten beim Ubergang von einphasigen zu zweiphasigen Legierungen nicht auf.

Es lassen sich also zwei Katalysatorgruppen unterschcidcn : 1. Legierungen aus kupferreichen Mischkristallen, eingebettet in Eutek- tikum, bei ihnen liegt synergetische Verstarkung vor; 2. Legierungen aus silberreichen Mischkristallen, die von Eutektikum amgeben sind, und das Eutektikum selber ; hier wird Abschwkchung beobachtet, und zwar handelt es sich um ausgesprochen starke Effekte, liegen doch Maximum (17,3 kcal) und Minimum (27,7 kcal) um mehr als 10 kcal auseinander. Die kupferreichen Legierungen ,,beanspruchen" also die sorbierte Substratmolekel wesentlich stiirker als die silber- reichen, an denen der Zerfall eine ausgesprochen hohe Aktivierungs- energie erfordert.

Welche tieferen Ursachen diese nicht von vornherein zu erwarten- den Erscheinungen haben, ist nicht ohne weiteres ersichtlich.

Zur Deutung der besonderen katalytischen Eigenschaften von Stoffgemischen sind eine Reihe von Vorstellungen entwickelt worden. Es wurde schon darauf hingewiesen, daB in dem hier untersuchton System keine TrBgerwirkung (strukturelle Verstarkung) anzunchmen ist, ebwa in dem Sinne, dalS Kupfer als wirksame Komyonente durch die eingelagert e Tragersubst anz, et wa Silb erkrist allit e , verst iirkt werde, denn dann miiBtm starke Aktivitatsunterscliirde , aber geringe Anderungen der Aktivierungsenergie beobachtet werden. Die starken Unterschiede der Aktivierungsenergien in dieser Kata- lysatorreihe, vor allem die starke Herabsetzung dieser GroBe bei den Legierungen mit 3 und 37% Silber, deutet aber darauf, daB an der Oberflache dieser Katalj-satoren wirksame Bezirke cntstanden sind von besonders starker Einwirkung auf das Substrat. Bei Kata- lysatoren, die a m Oxydgemischen bestehen, ist in vielen Fallen ge- funden worden, daJ3 diese verstarkte Wirksamkeit auf die Entstehung von besonders energiereichen Vorstufen cherrlischer Verbindungen

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G . Rienkcker u. W. Dietz. Der Zerfall des Ameisensauredampfes usw. 75

dieser Oxyde auruckzufuhren istl). In diescm einfachen Legierungs- system ist jedoch diese Moglichkeit auszuschliefien.

Nach haufig ausgesprochenen Vorstellungen sind bei Misch- kontakten den Phasengrenzlinien besondere katalytische Eigen- schaften zuzusprechenz), etwa in dem Sinne, da5 an den Beruhrungs- linien der beiden Komponenten eine gegenseitige Kraftfeldbeeinflussung und Oberlagerung eintritt. Diese Phasengrenzlinien stellen also neue, energetisch ausgezeichnete Bezirke dar. An ihnen kijnnen ganz ver- iinderte Sorptionsverhaltnisse vorliegen, auch an eine gerichtete Sorption der Substratmolekel an den Phasengrenzlinien ist zu denken. Da aber in dem untersuchten System im ganzen Gebiet der Nischungs- liicke ein Gemenge der gleichen Stoffe vorliegt (Kupferkomponente + Silberkomponente), mufiten auch die Phasengrenzlinien uber das ganze Gebiet katalytisoh gleichwertig sein. Insbesondere sind dann die starken Abschwaehungen an den silberreichen Katalysatoren ganz unerklgrlich.

Die besprochenen und auch andere der bisher bestehenden Vor- stellungen reiohen nicht aus, um die Eigenschaften der hier unter- suchten wie auch der in der vorigen Mitteilung beschriebenen Misch- katalysatoren (Cu,Au im Zustande der geordneten und regellosen Atomverteilung) zu verstehen und zu deuten. Es mufi versucht werden, nach Beschaffung von weiteren Versuohsergebnissen an ein- fachen Modellen eine Erkliirnng dieser Erscheinungen zu gewinnen.

Die betraohtlichm Untersohiede der katalytischen Wirkung der kupferreichen und der silberreichen Legierungen auf den Zerfall des Ameisensauredampfes legen es nahe, die Wirkung dieser Katalysatoreri auf andere Dehydrierungen und auf Hydrierungen zu prufen.

Dem Direktor des Instituts, Horrn Prof. Dr. €3. STAUDINGER, sind wir zu gro5tem Dank verpflichtet fiir die Errnoglichung dieser Arbeit durch Bereitstellungvon Institutsmitteln, ferner HerrnProf. D. J. B ~ H M fiir seine Unterstutzung bei Anfertigung der Rontgenaufnahmen. Die

~ ~ __

l) Z. B. G . F. H~~TTIG, Z. Elektrochem. 41 (1935), 527; G. I?. HUTTIG, H. RADLER u. H. KITTEL, Z. Elektrochem. 38 (1932), 442; W. JANDER u. K.F. WEITENDORF, Z. Elektrochem. 41 (1935), 435; J. A. HEDVALL, Z. Elektrochem. 41 (1935), 44.5; A. MITTASCH u. E. KEUNECKE, Z. Elektrochem. 38, (1932), 666 u. a.

2, H. CASSEL, Naturwiss. 14 (1926), 103; G. M. SOHWAB u. E. PIETSCH, Z. Elektrochem. 35 (1929), 573; G. M. SCRWAB u. H. SCKULTES, Z. phys. Chem. (B) 9 (1930), 265; F. HABER, Z. Elektrochem. 35 (1929), 533; A. A. BALAXDIN, Z. phys. Chem. (B) 2 (1929), 289; vgl. auch R. WILLST~TTER, Naturwiss. 15 (1927), 585.

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Herstellung der Legierungen erfolgte in liebenswiirdiger Bereit- willigkeit durch die Firma G. Rau, Doublbfabrik, Pforzheim, wofur der Firma und Herrn Dr. W. RIENACKER aufs herzlichste gedankt sei.

Zusam menf assu n g

Der Zerfall des Ameisensauredampfes an Kupfer-Silber- Legierungen wird nach der Stromungsmethode gemessen. Dieses Legierungssystem mit Mischungsliicke bietet Modelle fur zweiphasige Mischkatalysatoren.

Die gemessenen Aktivitaten des Zerfalls (be; 500° abs.) sind ubor die ganze Reihe von gleicher GroBenordnung, so daB keine Verstarkung durch Tragerwirkung vorliegt.

Die Aktivierungsenergien zeigen dagegen grol3e Unterschiede. Bei Legierungen, die aus uberschussiger Kupferkomponente, eingebettet in Eutektikum, bestehen, wird starke Erniedrigung der Aktivierungs- energie @is 17,3 kcal), also Verstarkung, beobachtet, hingegen bei Silberiiberschulj und beim Eutektikum selbst starke Abschwachung @is 27,7 kcal).

Zur Deutung der Ergebnisse reichen die vorliegenden An- schauungen uber die Wirkungsweise der Mischkatalysatoren nicht aus.

Treiburg i. Rr., Chemisches Laboratorium der Universitat, anorganische Abteilzcng.

Bei der Redaktion eingegangen am 30. Mai 1936.