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1 Causa-Vigoni2 Horst Ehmann Der Zweck der Leistungen und Leistungsversprechen Causa-Lehre Gliederung I. Causa: Motiv, Voraussetzung, Rechtsgrund, Zweck, Bedingung ………… 2 1. Windscheids Vorraussetzungslehre ………………………………………... 2 2. Von der bloß erkennbaren Voraussetzung zur Zweckvereinbarung ………… 3 3. Der Zweck zwischen Motiv und Bedingung ………………………………... 4 4. Kipps feine Korrektur der Vorraussetzungslehre …………………………… 5 5. Die Vorzüge des Zweckbegriffs …………………………………………… 6 II. Prinzipien der Zwecklehre ………………………………………………… 8 1. Die geschlossene Zahl von drei Classen der Zwecke……………………. 8 2. Angestaffelte Zwecke …………………………………………………… 11 3. Gemischte Zwecke ……………………………………………………… 13 4. Der Austauschzweck …………………………………………………… 14 a) Von der realen Schenkung zum Tauschvertrag ……………………. 14 b) Vom Realkauf zum Versprechenskauf ……………………………… .. 14 c) Im römischen Recht: emptio venditio ………………………………… 15 d) Nach dem Untergang des römischen Reiches ………………………… 15 5. Der Liberalitäts- oder Unentgeltlichkeitszweck ………………………… 17 6. Die Abwicklungszwecke ………………………………………………. 18 a) Der Erfüllungszweck …………………………………………………. 18 b) Der Erfüllungszweck als iusta causa traditionis ……………………. 19 c) Der Sicherungszweck ………………………………………………… 19 d) Der Vergleichszweck ………………………………………………… 21 e) Zum Änderungszweck………………………………………………… 21 7. Zur iusta causa traditionis ……………………………………………… 23 III. Erfüllungslehre ……………………………………………………… 25 1. Grundsätze der Erfüllungslehre ………………………………………… 25 2. Erfüllungsleistungen eines Dritten, an einen Dritten …………………... 26 und an Erfüllungs Statt (§§ 267, 362 II, 364) IV. Ungerechtfertigte Bereicherung ……………………........................... 28 1. Zur Unterscheidung von Leistungs- und Eingriffskondiktion ………..... 28 2. Leistungskondiktion im Zweipersonenverhältnis ……………………… 29 a) Dissens und Nichterreichung des Erfüllungszweck ………………….. 29 b) Mangel des Sicherungszwecks ……………………………………… 30 c) Mangel des Austauschs- und Schenkungszwecks …………………… 30 d) Verfehlung angestaffelter Zwecke ………………………………….. 31 3. Leistungs- und Eingriffskondiktion in Dreiecksbeziehungen ………… 31 4. Arten von Dreiecksbeziehung ………………………………………… 32 5. Fälle der Leistungen eines Dritten gem. § 267 ………………………… 34 6. Fälle der Leistung an einen Dritten, §§ 362 II, 185, 407 ………............ 35 7. Anweisungsfälle, § 787 ……………………………………………….. 36 8. Abtretung, § 398 ……………………………………………………… 39 9. Vertrag zu Gunsten Dritter, § 328 ……………………………............. 41 V. Genetisches und funktionelles Synallagma ………………………… 41

Der Zweck der Leistungen und Leistungsversprechen · Bernhard Windscheid (Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussezung, Düsseldorf 1850, § 1, S. 10) t sah sich wegen der

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Causa-Vigoni2 Horst Ehmann

Der Zweck der Leistungen und Leistungsversprechen

– Causa-Lehre –

Gliederung I. Causa: Motiv, Voraussetzung, Rechtsgrund, Zweck, Bedingung ………… 2 1. Windscheids Vorraussetzungslehre ………………………………………... 2 2. Von der bloß erkennbaren Voraussetzung zur Zweckvereinbarung ………… 3 3. Der Zweck zwischen Motiv und Bedingung ………………………………... 4 4. Kipps feine Korrektur der Vorraussetzungslehre …………………………… 5 5. Die Vorzüge des Zweckbegriffs …………………………………………… 6 II. Prinzipien der Zwecklehre ………………………………………………… 8

1. Die geschlossene Zahl von drei Classen der Zwecke……………………. 8 2. Angestaffelte Zwecke …………………………………………………… 11 3. Gemischte Zwecke ……………………………………………………… 13 4. Der Austauschzweck …………………………………………………… 14

a) Von der realen Schenkung zum Tauschvertrag ……………………. 14 b) Vom Realkauf zum Versprechenskauf ……………………………… .. 14 c) Im römischen Recht: emptio venditio ………………………………… 15 d) Nach dem Untergang des römischen Reiches ………………………… 15

5. Der Liberalitäts- oder Unentgeltlichkeitszweck ………………………… 17 6. Die Abwicklungszwecke ………………………………………………. 18

a) Der Erfüllungszweck …………………………………………………. 18 b) Der Erfüllungszweck als iusta causa traditionis ……………………. 19 c) Der Sicherungszweck ………………………………………………… 19 d) Der Vergleichszweck ………………………………………………… 21 e) Zum Änderungszweck………………………………………………… 21

7. Zur iusta causa traditionis ……………………………………………… 23 III. Erfüllungslehre ……………………………………………………… 25

1. Grundsätze der Erfüllungslehre ………………………………………… 25 2. Erfüllungsleistungen eines Dritten, an einen Dritten …………………... 26 und an Erfüllungs Statt (§§ 267, 362 II, 364)

IV. Ungerechtfertigte Bereicherung ……………………........................... 28

1. Zur Unterscheidung von Leistungs- und Eingriffskondiktion ………..... 28 2. Leistungskondiktion im Zweipersonenverhältnis ……………………… 29 a) Dissens und Nichterreichung des Erfüllungszweck ………………….. 29 b) Mangel des Sicherungszwecks ……………………………………… 30 c) Mangel des Austauschs- und Schenkungszwecks …………………… 30 d) Verfehlung angestaffelter Zwecke ………………………………….. 31

3. Leistungs- und Eingriffskondiktion in Dreiecksbeziehungen ………… 31 4. Arten von Dreiecksbeziehung ………………………………………… 32 5. Fälle der Leistungen eines Dritten gem. § 267 ………………………… 34 6. Fälle der Leistung an einen Dritten, §§ 362 II, 185, 407 ………............ 35 7. Anweisungsfälle, § 787 ……………………………………………….. 36 8. Abtretung, § 398 ……………………………………………………… 39 9. Vertrag zu Gunsten Dritter, § 328 ……………………………............. 41 V. Genetisches und funktionelles Synallagma ………………………… 41

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Horst Ehmann

Der Zweck der Leistungen und Leistungsversprechen - Causa-Lehre -

I. Causa: Motiv, Voraussetzung, Rechtsgrund, Bedingung, Zweck? 1. In Windscheids Vorraussetzungslehre: Der in den europäischen Rechtssprachen häufig verwendete causa-Begriff entstammt den römischen Quellen, ist aber etwa so vieldeutig wie der deutsche Begriff des Grundes, den Schopenhauer auf vier verschiedene Wurzeln zurück-führte1. Das gemeinsame Wort – causa, Ursache, Grund – für ganz verschiedene Begriffe hat jahrhundertelang sehr viel Verwirrung gestiftet, die bis heute nicht völlig überwunden sind. Für Schopenhauer ist der Intellekt das Medium der Motive, die Motivation also die „durch das Erkennen hindurchgehende Kausalität2“. In der Sprache deutscher Juristen wird causa als Rechtsgrund verstanden, dessen Mangel kausale Rechtsgeschäfte (z.B. einen Kaufvertrag) unwirksam und abstrakte Rechtsgeschäfte (z.B. eine Übereignung oder ein abstraktes Schuld-versprechen) kondizierbar macht. Wegen der Vieldeutigkeit des römischen causa-Begriffs3, der auch ein Beweggrund (Motiv) sein konnte und der ähnlichen Vieldeutigkeit des deutschen Begriffs „Grund“ wollte Windscheid4 seinen Rechtsgrundbegriff daher „Voraussetzung“ nen-nen. In dem von Windscheid erarbeiteten 1. Entwurf des Bereicherungsrechts des BGB (§§ 741-747 E I) sollte im Falle des Mangels einer „Voraussetzung“ die Kondiktion gegeben sein. Windscheid wollte unter „Voraussetzung“ eine Absicht des Leistenden oder Versprechenden verstehen, wonach der Leistungs- oder Versprechensempfänger „bei einem gewissen – ver-gangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen, positiven oder negativen – Zustand der Verhält-nisse die Bereicherung restituiren müsse, oder seinen Anspruch nicht solle geltend machen können“ (Einrede). Der Mangel einer solchen „Voraussetzung“ sollte gegeben sein, „auch

1 Arthur Schopenhauer, Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, hrsg. von Arthur Hüb-scher, 3. Aufl., Brockhaus, Wiesbaden 1972: 1.Wurzel: Der zureichende Grund des Werdens (Ursache im na-turwissenschaftlichen Sinne); 2. Wurzel: Der zureichende Grund des Erkennens (Erkenntnisgrund); 3. Wurzel: der zureichende Grund des Seins in Raum und Zeit; 4. der zureichende Grund des Wollens und Handelns (Mo-tiv). Der Rechtsgrund einer Leistung und eines Leistungsversprechens gehört im System Schopenhauers zur 4. Wurzel, ist aber nicht bloß Motiv, sondern setzt eine rechtswirksame Willenserklärung des Leistenden oder Ver-sprechenden voraus, die den Zweck seiner Leistung oder seines Leistungsversprechens bestimmt und grundsätz-lich auch vom Leistungs- oder Versprechensempfänger akzeptiert sein muss, um einen tragfähigen Rechtsgrund (Behaltensgrund) zu bilden. 2 Schopenhauer (Fn 1), § 20, S. 63; § 43, S. 161 f. 3 Bernhard Windscheid (Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung, Düsseldorf 1850, § 1, S. 10) sah sich wegen der Vieldeutigkeit des Causa-Begriffs (z.B. als Beweggrund (Motiv), als Rechtsgrund (iSd § 812) I 1) ohne eindeutige Definition des Begriffs in seinen verschiedenen Bedeutungen sowie der häufig syno-nymen Verwendung der Begriffe conditio, modus und res gezwungen, in den §§ 2-4 das „Material für seinen Bau“ sorgfältig zu untersuchen in der Frage, mit welchem Begriff oder welcher Umschreibung die römischen Quellen das erfassten, was er „Voraussetzung" nennen wollte auch genannt und eindeutig definiert hat, sich gegen die später dagegen erhobene Kritik aber nicht durchsetzen konnte, dazu Fn. 4. Auch aus der Schrift von Josef Georg Wolf (CAUSA STIPULATIONIS, Köln Wien 1970) geht der Unterschied des römisch-rechtlichen causa-Begriffs zu dem, was im heutigen deutschen und europäischen Recht darunter verstanden wird, sehr deut-lich hervor; grundlegend Friedrich Liebe, Die Stipulation und das einfache Versprechen, Braunschweig 1840, S. 73 ff.; 83 ff. 4 Bernhard Windscheid, Zur Lehre des Code Napoleon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte, Düsseldorf 1847, S. 270 ff.; ders., Voraussetzungslehre (Fn. 3), insbes. § 1 S. 1 f; § 4 S. 41 f, 47 ff; § 7, S. 80-85; ders., Die Voraussetzung, in: AcP 78 (1892), 161 ff. gegen die 40 Jahre nach der Voraussetzungslehre veröffentlichte Kri-tik Otto Lenels in AcP 74 (1889), 213 ff; ; gegen die Replik Windscheid nochmals Otto Lenel in: AcP 79 (1892), 49 ff; darauf konnte Windscheid, der 1892 verstorben ist, nicht mehr antworten, hat den Streitstand aber in der 7. Aufl. seines Lehrbuchs der Pandekten in Bd. 1 § 97 noch zusammengefasst.

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ohne dass dies ausdrücklich ausbehalten worden ist5“. Die Wirkungen des Mangels einer „Voraussetzung“ (Kondiktion oder Einrede) sollten eintreten, „ohne dass sie als gewollt spe-ziell erklärt worden sind6“. Zur Begründung der „Voraussetzung“ sollte es genügen, dass die darin liegende „Beschränkung des Willens“ des Leistenden oder Versprechenden dem ande-ren „als eine erkennbare entgegengetreten ist“ (VL 83)7. Ob sie dem Empfänger in „geeigne-ter Weise erkennbar hervorgetreten ist“, sei natürlich eine „rein faktische Frage“ auf welche die Theorie keine Antwort geben könne, sie könne allenfalls Fälle nennen, in denen dem auf-gestellten Erfordernis genügt sei und Fingerzeige für andere Fälle geben8. Diese Vorausset-zungslehre Windscheids hat der Kritik9 jedoch nicht standhalten können und nach deren Ab-lehnung durch das Reichsgericht10 auch zum Rücktritt Windscheids aus der 1. Kommission (zur Schaffung des BGB) und zu einer Neufassung der Vorschriften des Bereicherungsrechts (§§ 737-748 E I11) geführt. Diese Kritik war insofern gerechtfertigt, als Windscheid die bloße Erkennbarkeit des Vorbehalts (der „Voraussetzung“) als hinreichende Voraussetzung einer Kondiktion einer erbrachten Leistung oder einer Einrede gegen ein gegebenes Versprechen betrachten wollte, statt – wie später sein Schüler Theodor Kipp12 – darin eine notfalls im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB13) zu begründende Vereinbarung des Rechtsgrundes (Zweckvereinbarung) zu erkennen14. Die „Fingerzeige“, die Windscheid gegeben hat zur Be-gründung der „rein faktischen Frage“ der „Erkennbarkeit“ der „Voraussetzung“ sind praktisch betrachtet allerdings nichts wesentlich anderes als eine Auslegung des nicht ausdrücklich ge-äußerten Parteiwillens auf der Grundlage der gegebenen Tatsachen (§§ 133, 157 BGB). 2. Von der bloß erkennbaren Voraussetzung zur Zweckvereinbarung: Auf der Grundlage die-ser Entwicklung ist es in der deutschen Rechtssprache – jedenfalls für das Bereicherungsrecht – üblich geworden, die „Voraussetzung“ einer rechtlich bestandsfesten Zuwendung „rechtli-cher Grund“ oder „Rechtsgrund“ zu nennen. Das BGB verwendet in den §§ 812 I 2, 813, 814, 817 und 820 allerdings auch den Zweckbegriff, gewährt also eine Kondiktion, wenn der „Zweck der Leistung“ nicht erreicht wurde. Die Kondiktion ist demnach gegeben, wenn der von der Leistung verfolgte Zweck nicht erreicht wird, z.B. die Forderung, die mit der Leis-tung erfüllt werden sollte, gar nicht besteht (condictio indebiti) oder wenn der Leistungsemp-fänger die zum Zwecke der Rückzahlung eines Darlehens erbrachte Leistung als Geschenk annehmen will (Dissens in der Zweckvereinbarung). Übergibt z.B. der Schuldner zum Zwe-cke der Erfüllung eines vor längerer Zeit abgeschlossenen Kaufvertrags dem Käufer die ver-kaufte Sache, nimmt der Käufer aber die Sache, weil er sich an den Kaufvertrag gar nicht 5 Vorraussetzungslehre (Fn. 3) § 7, S. 80. 6 Voraussetzungslehre (Fn. 3), S. 81. 7 Im Anschluss an die Kritik Otto Lenels dagegen auch entschieden Andreas v. Tuhr, Allgemeiner Teil des Deut-schen bürgerlichen Rechts, Bd. II 1, Berlin 1914, § 52 Fn 43; Bd II 2, Berlin 1918, § 72, S 66 ff. 8 Voraussetzungslehre (Fn. 3), S. 84. 9 Diese Kritik setzte merkwürdigerweise jedoch erst im Jahre 1889 mit dem Aufsatz von Otto Lenel in AcP 74, 213 ff. also ca. 40 Jahre nach dem Erscheinen der Schrift des Privatdozenten Dr. B. Windscheid ein, die dieser zur Lehre des Code Napoleon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte verfasst, im Jahre 1847 veröffentlicht und darin im VIII. Kapitel die Regelungen der Art. 1131-1133 CN hart kritisiert hatte. Dieses VIII. Kapitel hat Windscheid dann 1850 zu einer Monographie über die Voraussetzungslehre ausgebaut und Carl Friedrich von Savigny gewidmet. Im Zeitpunkt des Erscheinens der Kritik Lenels war Windscheids Lehrbuch der Pandekten bereits in 6. Auflage (1887) erschienen und Windscheid damit zum bedeutendsten und sicherlich einflussreichs-ten Rechtsgelehrten in Deutschland geworden. 10 RG 13.5.1889 – VI. 60/89 – RGZ 24, 169. 11 B. Mugdan (Hrsg.), Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Bd. Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899, mit einer Gegenüberstellung des Entwurfs erster Lesung, des Ent-wurfs zweiter Lesung, der Bundesrathsvorlage, der Reichstagsvorlage sowie den Motiven der 1. Kommission und der Protokolle der Verhandlungen der 2. Kommission. 12 Dazu unten I 4. 13 Paragraphen des BGB werden im Folgenden ohne Gesetzesbezeichnung zitiert. 14 Windscheid, Voraussetzungslehre (Fn. 3), S. 82-84.

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mehr erinnert, als Geschenk an, so ist die berühmte Streitfrage zwischen Julian (D. 41.1.36 und Ulpian (D.12.1.18.pr.) aufgeworfen und die Frage gestellt, ob das Abstraktionsprinzip grundsätzlich nur von der Zweckerreichung, d.h. dem Bestehen der Forderungen auf Übereig-nung der Kaufsache oder auch von der Zweckvereinbarung abhängig ist, also rechtsgrundlos ist, wenn der Verkäufer sie zu Zwecke der Erfüllung (causa solvendi) übergeben, der Emp-fänger sie aber dankend als Schenkung (causa donandi) angenommen hat15. Auch ein Kauf- oder Mietvertrag kommt nicht zu Stande, wenn der der Verkäufer die Sache zum Kauf oder zur Miete anbietet, der andere die Sache aber geschenkt oder geliehen haben will (Mangel des genetischen Synallagma, §§ 275 I, 326 I BGB) und auch dann nicht, wenn die Kauf- oder Mietsache nach Vertragsabschluss ohne sein Verschulden zerstört wird und also dem Verkäu-fer oder Vermieter die Leistung unmöglich wird (funktionelles Synallagma16). Wenn G dem S 133,57 € geliehen hat und ihm einige Tage später genau diese Summe abgezählt ohne wei-tere Worte zurückgibt, kann auch nicht zweifelhaft sein, dass dies zum Zwecke der Erfüllung (causa solvendi) geschieht, wenn keinerlei Grund dafür besteht dass S dem G die Summe schenken oder zu irgendeinem anderen Zweck zukommen lassen wollte; wenn G dennoch die Summe dankend als Geschenk annimmt tritt keine Erfüllung ein, obwohl S die Summe ihm geschuldet hat, weil auch die Erfüllung einer Vereinbarung des Erfüllungszwecks bedarf, auch wenn dies in vielen Fällen stillschweigend geschieht, weil irgend ein anderer Zweck über-haupt nicht in Betracht kommt17. 3. Der Zweck zwischen Motiv und Bedingung: Der Zweck im hier verwendeten Sinne als Aus-tauschzweck (Synallagma), Liberalitätszweck (causa donandi) und den Abwicklungszwecken (causa solvendi, causa fiduciae u.a.) steht zwischen Motiv und Bedingung. Bei abstrakten Ge-schäften löst die mangelnde Einigung über den Zweck oder die Zweckverfehlung allerdings nur die Kondiktion aus und ist insofern „unentwickelte Bedingung“ (Windscheid). Im Falle nicht rechtsgeschäftlicher Leistungen (z.B. Dienst- und Arbeitsleistungen), die rein tatsächlich erbracht werden, z.B. wenn der bestellte Gärtner die Hausnummer verwechselt und den Vor-garten des Nachbarn schön herrichtet, der das Werk dankend annimmt, aber nicht bezahlen will, lösen die mangelnde Zweckbestimmung oder die Nichtannahme der Zweckbestimmung, also die mangelnde Zweckvereinbarung bezüglich der erbrachten Leistung sowie die Nichter-reichung des vereinbarten Zwecks gleichfalls eine Kondiktion aus. In kausalen Rechtsgeschäften wirkt die mangelhafte Zweckvereinbarung jedoch wie eine Be-dingung, weil kausales Wollen von der causa des Wollens abhängig ist und bleibt. Nur weil die alten Römer noch keinen Begriff dafür hatten, was wir heute „Austauschzweck“ nennen, haben sie einen griechischen Begriff benutzt, „quod graeci σψναλλαγµα vocant18“. Daraus ist im deutschen Recht das genetische und funktionelles Synallagma geworden, das im deut-schen Recht gesetzlich in den §§ 275 ff., 311a, 320-326 BGB geregelt wurde. Die mittelalter-lichen Juristen, die sich bemühten, den causa-Begriff der Digesten in die aristotelische Kau-salitätslehre einzuordnen, sahen sich gezwungen, die causa efficiens (auch causa impulsiva genannt) von der causa finalis abzugrenzen, weil causa im Sinne von Ursache (Schopenhau-ers 1. Wurzel, vgl. Fn. 1) natürlich keiner Vereinbarung bedarf; nur für die causa finalis gilt der auch juristisch brauchbare und notwendige Satz: cesssante causa, cessat effectus. Für die-ses Abgrenzungsproblem galt lange Zeit die Vermutung, dass eine causa tacita im Zweifel als causa impulsiva, d.h. als unbeachtliches Motiv zu betrachten sei. Zwar hat schon Baldus

15 Dazu Horst Ehmann, Gesamtschuld, Berlin 1972, § 6, S 156 ff; ders, Zur Causa-Lehre, JZ 2003, 702, 707 f. 16 Zum Begriff Synallagma unten I 3 vor Fn. 18 sowie unten V. 17 Horst Ehmann, Die Funktion der Zweckvereinbarung bei der Erfüllung, JZ 1968, 549 ff. gegen die Lehre Boehmers und Larenz; dazu unten III 1 u. 2. 18 Ulpian D. 2.14.7.2; Julian D.50.16.19.

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(1327-1400) erkannt19, dass auch eine causa tacita als „ausdrücklich“ erklärt verstanden werden könne, wenn sie dem Wesen des entsprechenden Rechtsgeschäfts entspricht. Das Fehlverständnis, dass eine rechtswirksame causa „ausdrücklicher“ Vereinbarung bedürfe, hat aber auch noch die Kritik Lenels u.a. beherrscht und wirkt bis heute als Vorbehalt gegen die causa-Lehre nach20. In den Nachwirkungen dieser durch die von Windscheid aufgedeckte Mehrdeutigkeit des causa-Begriffs der römischen Quellen und der Ablehnung des von Wind-scheid geprägten Voraussetzungsbegriffs entstandenen Rechtsverwirrung ist letztlich das heu-te noch in deutschem Schuldrecht bestehende Vorurteil gegen jede Art einer causa-Lehre be-gründet. Diese Verwirrung ist durch die Ideologie der NS-Zeit und deren dubioses „Vertrags- und Unrechts“-Verständnis noch verschärft worden und in der Nachkriegszeit durch das zur herrschenden Meinung gewordene Schuldrechts-Lehrbuch von Karl Larenz21 nicht korrigiert, sondern nur „umformuliert“ worden. Das NS- und auch noch das deutsche Nachkriegs-Schuldrecht ist geprägt vom Versuch der Entwicklung „objektiver Kriterien“, die den Partei-willen weitgehend zurückdrängen und ersetzen sollten (Theorie der realen Leistungsbewir-kung zur Erfüllung; „objektive“ Rechtsgrundbestimmung im Bereicherungsrecht; objektive Geschäftsgrundlage statt Auslegung des Willens der Parteien; Treu und Glauben mit § 242 BGB statt Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB; nicht zuletzt: Grundfolgentheorie, Interessenjurisprudenz (deren sich über das Schuldrecht-Lehrbuch von Heck auch Larenz und Canaris mit Vorliebe bedienten und damit weniger den Willen der Parteien als deren auf-grund der herrschenden Ideologie objektiv anerkennenswerten Interessen zur Grundlage des Schuldrechts machen wollten (konkretes Ordnungsdenken). 4. Kipps feine Korrektur der Voraussetzungslehre: Das erlösende Wort zur Rettung der causa- oder Zwecklehre gegen die Kritik Otto Lenels u.a. hat Bernhard Windscheids Schüler Theodor Kipp in der von ihm bearbeiteten 8. Auflage des Pandekten-Lehrbuchs Windscheids22 im An-schluss an die Protokolle zum Bereicherungsrecht des 1. Entwurfs23 gefunden: „Das BGB gestattet die Rückforderung einer durch Leistung erfolgten Bereicherung dann, wenn es ihr an einem rechtlichen Grunde fehlt. Es entspricht der Absicht der II. Commission (Prot. S. 4945 ff.) und geht auch aus einer Reihe von einzelnen Wendungen des Gesetzes hervor, dass dasselbe hierbei sich der Ansicht anschließen wollte, dass die Leistung von ihrer causa im Sinne der Zwecksatzung abhängig ist (§§ 812 I 2, 813, 814, 815, 817, 820). Mit der Lehre Windscheids von der Voraussetzung sollte nicht operiert werden. Die Rückforderung ist zunächst begründet, wenn die Leistung keine gültige Zwecksatzung hat. Sofern es mög-lich ist, eine Leistung ohne Zustimmung des Empfängers zu bewirken, z.B. durch Zahlung einer Schuld hinter dem Rücken des Schuldners, kann doch die Zwecksatzung der Leistung nur vertragsmäßig gegeben werden, wie deutlich daran zu sehen ist, dass sogar das Rechtsverhältnis der Schenkung nur unter Zustimmung des Beschenk-ten begründet werden kann (§ 516 BGB). In der Annahme einer Leistung liegt normalerweise die Unterwerfung unter die vom Leistenden ausgehende Zwecksatzung. Möglich aber ist auf verschiedene Weise, dass die Leistung zu Stande kommt, ohne dass doch Gleiches von der Zwecksatzung gilt. Dies ist der Fall, wenn eine Leistung ohne Zustimmung des Empfängers bewirkt wird, und derselbe die Zwecksatzung ablehnt (vgl. § 516 II BGB). Auch dann aber, wenn die Leistung durch Einigung zwischen dem Leistenden und dem Empfänger erfolgt, ist es möglich, dass die Leistung abstract geschieht und geschehen kann, wie die Tradition, Auflassung, Ausstellung eines abstrakten Schuldscheins, indem die Parteien sich über die Zwecksatzung zuvor geeinigt zu haben glauben, oder sich später darüber zu einigen hoffen. Die Leistung als solche ist dann gültig, aber wenn die Einigung über die Zwecksatzung nicht zu Stande gekommen ist oder kommt, so ist die Rückforderung begründet.

19 Zitiert bei Alfred Söllner, SavZ 77, 183 ff., 208; dazu H. Ehmann, Gesamtschuld, (Fn. 15), S. 141 f. 20 Zu Lenel vgl. Fn. 4; daran konnte auch Essers (Schuldrecht, 2. Aufl, Karlsruhe 1960, S. 47) untauglicher Ver-such einer Unterscheidung zwischen vertragscharakteristischen Geschäftszwecken, durch den Lebenstypus des Geschäfts bestimmter Zwecken und besonders vereinbarter Geschäftszwecken nichts ändern; dazu H. Ehmann, Gesamtschuld (Fn. 15), S. 140 Fn 36. 21 Dazu Fn. 31 und 32. 22 Bernhard Windscheid/Theodor Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 3 Bände, 8. Aufl. nach dem Tode Wind-scheids bearbeitet von Theodor Kipp, Frankfurt 1900, Bd. 2 § 423 a.E. 23 Prot., S. 2945; in Mugdan II (Fn. 11), S. 1173.

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Damit ist klargestellt: 1. dass abstrakte Leistungen kondizierbar sind, sofern der Leistende den Leistungszweck (noch) nicht bestimmt hat oder der von ihm bestimmte Leistungszweck vom Leistungsempfänger nicht akzeptiert wurde; 2. dass auch rein tatsächliche Leistungen, z.B. Dienst oder Arbeitsleistungen aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsvertrags kondizierbar sind, sofern der Leistende den Zweck der Leistung nicht bestimmt oder der Leistungsempfän-ger die Leistungsbestimmung nicht akzeptiert hat; 3. dass der Zweck der Leistung, der ihren Rechtsgrund bilden soll, der Vereinbarung zwischen Leistenden und Leistungsempfänger be-darf; 4. die Zweckvereinbarung muss nicht ausdrücklich erfolgen, erfolgt in der Praxis in der Regel auch stillschweigend, wenn z.B. der Gläubiger dem Schuldner 133, 57 € schuldet und diesen Betrag dem Schuldner auszahlt, bedarf es keiner anderer weiteren Worte um im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB erkennen zu können, dass damit die Schuld erfüllt werden sollte; grundsätzlich darf angenommen werden, dass der Leistungsempfänger, der die vom Leistenden erbrachte Leistung stillschweigend annimmt, auch der Zweckbestimmung des Leistenden zustimmt, die auch nicht ausdrücklich erfolgen muss, wenn sich aus den Umstän-den ergibt, dass die Leistung nur zu einem einzigen Zweck erfolgen kann und ein anderer Zweck überhaupt nicht ersichtlich ist. 5. Die Vorzüge des Zweckbegriffs24 Grundsätzlich ist es völlig gleichgültig, welchen Namen man einem Begriff gibt, wichtig ist nur, dass genau definiert wird, was unter diesem Begriff zu verstehen und welche Folgen er auslösen kann. Deswegen könnte man den Zweck auch causa oder Voraussetzung nennen, freilich nicht Bedingung, weil dieser Begriff mit der Definition in § 158 eine bestimmte Funk-tion erhalten hat. Der Eintritt oder Ausfall einer Bedingung hat demnach in abstrakten Rechtsgeschäften ipso jure dieselben Wirkungen hat wie der Zweckfortfall in kausalen Rechtsgeschäften, der Zweckfortfall in abstrakten Rechtsgeschäften löst jedoch nur eine Kon-diktion aus. Die Begründung einer Bedingung bedarf ebenso wie die Bestimmung eines Zwecks auch keiner ausdrücklichen Vereinbarung, kann vielmehr nach ständiger Rechtspre-chung auch im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 ermittelt werden; unter Umständen kann sogar dem Kläger die Beweislast dafür obliegen, dass das anspruchsbegründende Rechtsgeschäft unbedingt abgeschlossen wurde25. Gegenseitige Versprechensverträge sind im Falle eines Dissenses über die causa ebenso ipso iure rechtsunwirksam, wie wenn sie unter der Bedingung dieser causa abgeschlossen worden wären: Wer einem anderen eine bestimm-te Sache für die Gegenleistung von 100 Euro verspricht, wird nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der andere die Sache dankend als Geschenk annehmen will oder jegliche Zahlung ver-weigert. Die sog. akzessorischen Sicherungsrechte (Bürgschaft, Hypothek und Pfandrecht) bedürfen gleichfalls einer Einigung über den Sicherungszweck und dessen Erreichung und werden unwirksam, wenn kein Konsens über den Sicherungszweck besteht oder dieser nicht erreicht wird oder später wegfällt, z.B. weil die gesicherte Forderung nicht besteht oder später erfüllt wird. Auch diese akzessorischen Sicherungsrechte sind kausal von ihrem Zweck ab-hängig wie wenn sie unter der Bedingung der gesicherten Forderung abgeschlossen worden wären. Man könnte den Sicherungszweck dieser akzessorischen Sicherungsgeschäfte auch als deren causa fiduciae bezeichnen und sie statt „akzessorische“ auch kausale Geschäfte nen-nen26. Windscheid wollte – wie oben I 1 schon gesagt – den causa-Begriff wegen seiner Mehrdeutigkeit in den römischen Quellen durch den Begriff der „Voraussetzung“ ersetzen, ist 24 Ungeachtet dessen, dass Mauthner (Wörterbuch der Philosophie, Zweck) den Zweckbegriff begreift als „Wi-dersinn der finalen Ursache, die menschliche Vorstellung von einem Ende, nach dem der Anfang sich richtet“. Ähnlich Paul Claudel: „Das Ziel finden, heißt den Ursprung wiederfinden.“ Der Hintersinn dieser Definitionen ist rational geklärt in Schopenhauers vierfacher Wurzel (dazu Fn. 1). 25 Walter Erman/Christian Armbrüster, Handkommentar zum BGB, 12. Aufl. 2008, § 158 Rz 12; BGH 10.6.2002 – II ZR 69/00, NJW 2002, 2862. 26 So auch Rudolf Sohm, Der Gegenstand, Leipzig 1905, S. 9 Fn. 5 trotz eingeräumter Zweifel am causa-Begriff.

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damit aber gescheitert, weil er ihn als bloß erkennbares Faktum und nicht als eine (rechtsge-schäftliche) Vereinbarung verstehen wollte, die auch stillschweigend erfolgen und durch Aus-legung (§§ 133, 157) festgestellt werden kann. Der durch die römischen Quellen geprägte causa-Begriff ist aber so mehrdeutig geblieben wie Windscheid ihn erkannt hat, was seine Verwendung daher auch heute noch fragwürdig macht, weil man nie wissen kann, wie der andere ihn versteht. Darum erscheint es vorzugswürdig, in der deutschen Sprache den Begriff Zweck zu verwenden, weil es letztlich auch kein Grund (causa) im Sinne von Ursache ist, auch nicht bloß eine empirische Absicht27, sondern causa finalis in dem Sinne, dass die er-klärte rechtsgeschäftliche Absicht der Annahme durch den Leistungs- oder Versprechensemp-fänger bedarf, was aber auch stillschweigend geschehen und im Wege der Auslegung (§§ 133, 157) bestimmt werden kann. Der Voraussetzungsbegriff ist auf Grund der allgemeine Ableh-nung28, welche die Voraussetzungslehre Windscheids erfahren hat, auch nicht mehr mit etwas anderem Begriffsinhalt zum Kernbegriff einer verbesserten „causa-Lehre“ geeignet. Gegen die Weiterverwendung des causa-Begriffs spricht die Mehrdeutigkeit der römischen Quel-len29, die nicht erkennen lassen, ob die causa stets oder grundsätzlich einer Bestimmung des Leistenden oder einer Vereinbarung von Leistendem oder Versprechendem mit dem Leis-tungs- oder Versprechensempfänger bedarf oder aus objektiven Umständen zu ermitteln ist, so wie Windscheid seinen Vorraussetzungsbegriff verstehen wollte. Nachteilig ist auch, dass die causa im heutigen deutschen Recht überwiegend nur noch als Rechtsgrund iS des Berei-cherungsrechts verstanden wird. Auch die alten Römer haben den Grund der Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung im Versprechensvertrag noch nicht als causa verstanden, sondern den griechischen Begriff σψναλλαγµα verwendet, weil sie glaubten, in ihrer eige-nen Sprache dafür keinen Begriff zu haben30. Im deutschen Recht werden für den Grund der Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Versprechensvertrag bis heu-te gleichfalls die Begriffe genetisches und funktionelles Synallagma benutzt, deren Funktio-nen allerdings im BGB eine bis ins einzelne gehende gesetzliche Regelung erfahren haben31, weshalb das diesen Regelungen zu Grunde liegende Prinzip weitgehend in Vergessenheit ge-raten ist. Auch hinsichtlich der Erfüllung wurde vergessen, dass diese auch dann ein Rechts-geschäft ist, wenn die tatsächliche Erfüllungshandlung nicht wie die Übereignung einer Sache aufgrund einer dahingehenden Verpflichtung kein Rechtsgeschäft ist, sondern wie z.B. die Erfüllung einer Dienst- oder Arbeitsleistung nur eine tatsächliche Handlung und auf dieser Grundlage behauptet, dass es grundsätzlich einer Erfüllungszweckvereinbarung (causa sol-vendi) nicht bedürfe. Erfüllung trete ein, wenn der Gläubiger objektiv das Geschuldete erhal-te32, weil jeder Leistung notwendig ein Leistungsversprechen zu Grunde liegen müsse und die Kondiktion sei gegeben, wenn keine Forderung auf die erbrachte Leistung bestanden habe (condictio indebiti). Nach dieser Irrlehre (Boehmer, Larenz; dazu unten III) soll es eines Er-füllungszwecks (causa solvendi) grundsätzlich nicht bedürfen. Es gilt jedoch zu erkennen, dass alle rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen und Leistungen (gleichgültig, ob sie zur Erfüllung oder zur Sicherung oder für eine Gegenleistung erfolgen)

27 So August Bechmann, Der Kauf nach gemeinem Recht, Bd II 1, Erlangen 1884, S. 11 ff., 59 ff. 28 Vgl. Otto Lenel (Fn 4); dazu Windscheid-Kipp Fn. 22), Pandektenrecht I, § 97. 29 Windscheid (Fn.. 3), Voraussetzungslehre, §§ 2-4. 30 Philipp Lotmar (Über causa im römischen Recht, München 1875, S. 31 f.) meinte daher, dass die Römer kei-nen Zweck ohne Erfüllung denken konnten, weil der erfüllte Zweck kein bloßer Gedanke mehr sei, sondern res; dazu oben Fn 16. 31 §§ 275, 323, 306 a.F; §§ 275, 323, 311a n.F; dazu Horst Ehmann/Holger Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht München 2002, § 2; grundlegend Ulrich Klinke, Causa und genetisches Synallagma, Berlin 1983, S. 104 ff; dazu unten V. 32 Gustav Boehmer, Der Erfüllungswille, 1910; Karl Larenz, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, auch noch in der 14. Auflage München 1987, § 18 I-IV; gegen diese Erfüllungslehre in der Fassung der 9. Aufl. München 1968, § 68 I: .H. Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 549 ff.

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eines Rechtsgrunds, einer causa oder eines Zwecks bedürfen – mit welchem Begriff auch immer man die mit dem Rechtsgeschäft verfolgte „Absicht“ bezeichnen will – der/die aber stets von den Parteien des Rechtsgeschäfts vereinbart und auch tatsächlich erreicht werden muss . Hugo Kreß, der Lehrer meines Lehrers Hermann Weitnauer und Schüler von August Bechmann hat daher aus guten Gründen in seinem Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts33 die Causa- oder Voraussetzungslehre als Lehre vom Zweck dargestellt und es empfiehlt sich, bei dieser Begriffbildung zu bleiben. Zur Klarstellung bleibt lediglich hinzuzufügen, dass der causa-, Rechtsgrund- oder Zweckbegriff, oder wie immer man das damit Bezeichnete nennen will, auf den Zweck von Leistungen und Leistungsversprechen beschränkt bleibt und den „Grund“ oder „Zweck“ einer Ehe34 oder eines Verlöbnisses oder anderer Rechtsinstitute und die Voraussetzungen deren Rechtswirksamkeit oder Unwirksamkeit nicht erfassen kann, ob-wohl diese selbstverständlich auch einen Zweck oder einen Grund oder eine causa haben, die nicht selten auch nicht erreicht werden, aber trotzdem keine Kondiktion rechtfertigen, also andere Rechtsfolgen haben. II. Prinzipien der Zwecklehre 1.Die geschlossene Zahl von drei „Classen“ der Leistungszwecke (causae) Entweder leistet oder verspricht ein Mensch einem anderen einen Gegenstand für eine Gegen-leistung (causa aquirendi) oder unentgeltlich (causa donandi). Etwas Drittes ist von Natur aus nicht möglich. Die Rechtsordnung hat allerdings mit der Erfindung des Versprechensver-trags etwas Drittes geschaffen, wonach eine Leistung zuerst rechtswirksam versprochen und dann zur Erfüllung (causa solvendi) tatsächlich geleistet werden kann. Beim unmittelbaren Tausch von Ware gegen Ware oder Ware gegen Geld bedarf es keines Erfüllungsgeschäfts. Eine Leistung zum Zwecke der Erfüllung ist die notwendige Folge der Möglichkeit eines rechtswirksamen Leistungsversprechens. Kann der Schuldner jedoch nicht sofort leisten, son-dern erst zu einem späteren Zeitpunkt, will er aber trotzdem die Gegenleistung sofort haben35, so wird der andere in der Regel eine Sicherungsleistung vom Schuldner oder von einem Drit-ten fordern (z.B. ein Pfand oder eine Hypothek oder Grundschuld oder eine Sicherungsüber-eignung oder eine Bürgschaft). Solche Sicherungsleistungen sind Zwischenschritte zur Erfül-lung und dienen daher gleichfalls der „Abwicklung“ des bestehenden Schuldverhältnisses, das sie sichern sollen. Die Sicherheitsleistung ist also eine Vor- oder Zwischenstufe der Erfüllung; wird das Leistungsversprechen erfüllt, so erlischt das Sicherungsversprechen (Bürgschaft) und die akzessorischen dinglichen Sicherungsrechte entfallen gleichfalls ipso iure, wie unter einer auflösenden Bedingung. Übertragenes abstraktes Sicherungseigentum an beweglichen Sachen wird rechtsgrundlos, wenn die damit gesicherte Forderung erfüllt wird und muss also zurück übertragen werden. Der Sicherungszweck (causa fiduciae) kann daher mit dem Erfül-lungszweck unter dem Oberbegriff Abwicklungszweck zusammengefasst werden. Ein Schuld-verhältnis kann jedoch nicht nur erfüllt oder durch eine Sicherheitsleistung gesichert, sondern auch abgeändert oder vergleichsweise erledigt werden. Der Zweck der Änderung eines Schuldverhältnisses und der Vergleichszweck sind daher gleichfalls als Abwicklungszwecke zu verstehen. Der Vergleichszweck ist insofern von besonderer Art als dem Austauschzweck des gegenseitigen Nachgebens (zumeist in Form gegenseitiger Erlassverträge) der Abwick- 33 Hugo Kreß, Allgemeines Schuldrecht, München 1929; unveränderter Nachdruck, hrsg. v. Hermann Weitnauer und Horst Ehmann, Aalen 1974, § 5; zur Problematik der Zweck- oder causa-Lehre vgl. ferner Mugdan II, Mate-rialien zum BGB (Fn. 10), Motive S. 463 ff.; Protokolle der 2. Kommission, S. 1169 ff; v. Tuhr (Fn. 7), AT, II 2, §§ 72-77; ders., Allg. Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Tübingen 1924, §§ 26 und 52; Ludwig Enneccerus/Heinrich Lehmann, Schuldrecht, 14. Auflage 1954 §§ 200 I; 220; Larenz, Lehrbuch des Schuld-rechts, Bd. 2 Besonderer Teil, 12. Aufl. München 1981 § 47 I; § 68 I 1b, S. 529. 34 Zum Zweck der Ehe vgl. Kant, MdS-RL, 24-27. 35 Mit der Stundung des Kaufpreises hat die Entwicklung zum gegenseitigen Versprechensvertrag begonnen; vgl. Max Kaser/Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 20. Aufl. München 2014, § 41 Rz 2.

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lungszweck angestaffelt ist. Näheres zur Zweckstaffelung unter II 2 und zum Erfüllungs-, Si-cherungs-, Vergleichs- und den Änderungszwecken unter II 6 a-e. Wir halten hier zunächst36 fest: Eine Leistung oder ein Leistungsversprechen kann also nur zu drei Zwecken erfolgen: 1. Zum Austausch (Kauf-, Miet-, Dienst-, Arbeits-, Werk-, Geschäft-besorgungsvertrag u.a.), 2. unentgeltlich (als Schenkung oder Leihe oder unentgeltliche Ar-beitsleistung u.a.) oder 3. zur Abwicklung eines bestehenden Schuldverhältnisses (zur Erfül-lung, zur Sicherung, zum Vergleich oder einer sonstigen Änderung des Schuldverhältnisses). Nichts anderes, aber kürzer und deswegen etwas ungenau, hat Savigny zum Ausdruck ge-bracht mit den Sätzen37: „Fragen wir nun ferner, worin die causa, oder der Rechtsstoff bestehen kann, der zur Ergänzung der Stipulation (und ebenso unseres nudum pactum) hinzutreten muss, so haben wir denselben in einer der drei Classen zu su-chen, auf welche sich alle Vermögenszuwendungen zurückführen lassen. Diese heißen: donare, solvere, credere, und jede Stipulation muss daher, um völlig gültig und wirksam zu sein, geschlossen werden: donandi causa, solvendi causa oder credendi causa“. Diese Sätze Savignys, von denen auch Puchta, Rudorff und Windscheid ausgehen, sind im Kern zwar völlig richtig, aber die verwendeten Begriffe (causa donandi, solvendi und cre-dendi) sind heute nicht nur missverständlich, sondern auch unzureichend, weil mit causa do-nandi nur der Schenkungszweck erfasst wird nicht aber die oben genannten anderen unentgelt-lichen Leistungen oder Leistungsversprechen (z.B. Leihe, unentgeltliche Dienstleistungen oder unentgeltlicher Auftrag). Ebenso wird mit causa solvendi nur der Erfüllungszweck, aber nicht die anderen Abwicklungszwecke (causa fiduciae, Vergleichszweck und sonstige Ände-rungen des Schuldverhältnisses) erfasst. Auch ist der Ausdruck causa credendi mehr als nur missverständlich, wenn er das erfassen sollte, was wir unter Austauschzweck verstehen. Credo und credere kann zwar auch als Vertrauen auf die Gegenleistung verstanden werden38, ist aber jedenfalls im deutschen Sprachgebrauch zum Kredit also zum Darlehen geworden, wes-halb causa credendi auch als Darlehenszweck verstanden werden kann. Puchta hat es daher 36 An diese drei typischen Zwecke, die in aller Regel mehr oder weniger stillschweigend vereinbart werden, kön-nen jedoch eine offene Zahl atypischer Zwecke angefügt werden, so dass jeder Bürger jeden von ihm erstrebten Zweck, sofern er nicht sittenwidrig oder rechtswidrig ist, durch vertragliche Absprachen verfolgen kann; näheres dazu unten II 2. Trotzdem bleibt es aber richtig, dass auch jeder atypische Zweck entweder unentgeltlich oder für eine Gegenleistung oder zur Abwicklung eines schon bestehenden Schuldverhältnisses verfolgt werden muss. 37 Carl Friedrich v. Savigny, Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, 2. Bd. Berlin 1853, § 78, S. 251. Ebenso jedoch Georg Friedrich Puchta, Pandekten, 8. Aufl. nach dem Tode Puchtas 1846 ab der 4. Aufl. 1847 hrsg. von Adolf Rudorff, wo es in §§ 257 heißt: „Ohne eine solche materielle causa debendi, die ent-weder Schenkung oder Vergeltung oder Erfüllung einer schon bestehenden Verbindlichkeit sein kann, ist der Vertrag unwirksam“. Mit Schenkung, Vergeltung oder Erfüllung werden also von Puchta dieselben drei Classen genannt wie von Savigny. Ob dies so schon auch in den von Puchta selbst besorgten Auflagen geschrieben stand, müsste überprüft werden. Puchta war jedoch Savigny-Schüler. Auch Windscheid schreibt in seiner Vorausset-zungslehre von 1850 (Fn. 3), die er Carl Friedrich von Savigny, dem Erneuerer der Wissenschaft des römischen Rechts gewidmet hat: Erste Absichten seien: 1. die Schenkung, 2. eine Gegenleistung zu erlangen und 3. durch die Leistung eine Verbindlichkeit zu tilgen. Diese „ersten Absichten“, so Windscheid (Fn. 3,VL, S.89), habe man vielfach als die einzig möglichen ersten Absichten der Vermögensaufopferung angesehen und in diesem Sinne gesagt, jeder Vermögensaufopferung liege entweder der animus donandi oder der animus obligandi (credendi) oder der animus solvendi zu Grunde. Diese Ansicht sei jedoch irrig (S. 89): „Hinter der ersten Absicht einer Willenserklärung, derjenigen, auf welche zunächst und unmittelbar der Wille gerichtet ist, können noch andere stehen; es ist das möglich, aber nicht notwendig; aber sie – die erste – kann nicht nicht vorhanden sein“ (S. 87). Die hinter den drei „ersten Absichten“ (den „drei Classen“ im Sinne von Savigny) stehenden Absichten hat Kreß später als „angestaffelte Zwecke“ bezeichnet (dazu unten II 2), die den numerus clausus der drei typischen Zwecke aufbrechen (dazu auch Fn. 41) und damit erst die volle Vertragsfreiheit schaffen, welche jede Leistung und jedes Leistungsversprechen rechtfertigen können, sofern sie nicht gegen Gesetz und gute Sitten (§§ 134, 138) verstoßen. 38 Im Wörterbuch zum CJC werden für credere die deutschen Begriffe glauben, vertrauen, leihen, kreditieren angegeben.

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Vergeltung genannt und Windscheid als Absicht eine Gegenleistung zu erlangen. Merkwürdi-gerweise erklärte v. Tuhr dazu jedoch folgendes: Der Zweck der Zuwendung kann darin bestehen dass der Zuwendende als Äquivalent seines Vermögensopfers ein Recht oder einen sonstigen Vorteil erwerben soll. Der typische Fall ist die von den römischen Juristen erho-bene hervorgehobene causa credendi; Hingabe einer Geldsumme als Darlehen, wodurch eine Geldforderung in gleichem Betrag begründet wird. Aber das Darlehen ist nicht der einzige Fall einer Zuwendung, aus welcher für den Zuwendenden ein Vorteil erwächst daher empfiehlt sich statt des zu engen Begriff causa credendi eine all-gemeinere Bezeichnung, etwa causa aquirendi“39. Ein Darlehen wird jedoch entweder entgeltlich (gegen Zinsen) oder unentgeltlich (zinslos) gegeben. Und die Vorstellung, dass die Kaufsache gleichfalls im Vertrauen auf die Zahlung des Kaufpreises gegeben wird, kann es nicht rechtfertigen für das, wofür die Römer den grie-chischen Begriff σψναλλαγµα und in ihrer Sprache die treffenden Formeln do ut des oder do ut facias verwendeten, nunmehr den mehrdeutigen Begriff causa credendi zu verwenden. Der Begriff causa aquirendi kommt der Sache allerdings schon näher, aber in der deutschen Sprache verdient der Begriff Austauschzweck auch deshalb den Vorzug, weil der causa-Begriff aufgrund seiner verschiedenen und vieldeutigen Bedeutungen in den Quellen des rö-mischen Rechts besser vermieden werden sollte. Es ist leider so, die lehrreiche Tagung in der Villa Vigoni hat es deutlich werden lassen, dass jeder etwas anderes darunter versteht und nur wenige die wechselvolle Geschichte des Begriffs überblicken. Die im Kern völlig richtige Erkenntnis Savignys, dass der Rechtsgrund einer stipulatio und darüber hinaus jede Art einer Leistung oder eines Leistungsversprechen, „in einer der drei die Classen“ zu suchen und zu finden ist, hat wohl auch wegen der von Savigny verwendeten mehrdeutigen causa-Begriffe keine Mehrheit finden und sich daher nicht durchsetzen können. Soweit ersichtlich hat als erster Philipp Lotmar in seiner Dissertation aus dem Jahre 187540 der Meinung des großen Savigny sowie Puchtas und Windscheids zu widersprechen gewagt mit der Begründung: „Die Zwecke, zu welchen der Handelnde ein unselbstständiges Geschäft vornehmen kann, sind nicht aufzählbar, jedes weitere Nachdenken vergrößert die Zahl (vgl. Windscheid, Voraussetzung 89)“. Diese Auffassung, die bis heute in vielen Varianten, zumeist ohne Hinweis auf die genannte Quelle, wiederholt wird41, geht ersichtlich von der Viel- und Mehrdeutigkeit des causa-Begriffs der römischen Quellen und der mittelalterlichen und ge-meinrechtlichen Ergänzungen aus, die Windscheid in seiner Voraussetzungslehre aufgezeigt hat. Der Wildwuchs der Begriffe causa solvendi, donandi, fiduciae, credendi, acquirendi, constituendi, conditionis implendae, ob causam finitum, causa data non secuta u.a., von de-nen man im Einzelnen nicht mal weiß, ob sie einer Willenserklärung des Leistenden oder des Leistungsempfängers oder der Vereinbarung zwischen beiden bedürfen oder „objektiv“ auf-grund der Tatsachen des Rechtsgeschäfts gegeben sind, denen also keinerlei systematischer 39 v. Tuhr (Fn. 7), AT II 2, § 72, S. 69 f. mit Verweis auf Max v. Rümelin AcP 97, 221, der den Begriff causa constituendi empfohlen hatte. 40 Philipp Lotmar (Fn. 30), S, 75. Die Dissertation wurde betreut von Alois Prinz. Lotmar wurde später ordentli-cher Professor in Bern und mit seiner Arbeit, Der Arbeitsvertrag für das Arbeitsvertragsrecht und das ganze Arbeitsrecht, wurde er bekannt und berühmt und auch zum Vater des deutschen Arbeitsrechts. 41 Für v. Tuhr (Fn 7), AT II 2 , S. 67 sind die causa solvendi, credendi und donandi zwar auch noch die wichtigs-ten Zwecke und die Dreiteilung erscheint ihm auch im wesentlichen richtig, er versteht sie aber offensichtlich nicht als numerus clausus. Anders jedoch Kreß (Fn. 33, ASchuR § 5, S. 37), für den die Zahl der Zwecke inso-fern geschlossen ist, als die Parteien bei der Güterbewegung (realen Leistung oder Leistungsverpflichtung) im-mer einen Austausch-, oder Liberalitäts- oder Abwicklungszweck verfolgen, was aus der Wirtschaftsordnung, nicht aus der Rechtsordnung hervorgehe, welche die Verfolgung aller erlaubten Zwecke freigebe. Die Parteien können hinter diesen drei typischen Primärzwecken („erste Absichten“ im Sinne Windscheids) daher weitere atypische Zwecke verfolgen, von dessen Erreichung die Leistung dann auch abhängig ist. Ein gesetzliches Bei-spiel dafür bildet die Ausstattung, die eine Schenkung nur ist, soweit sie das den Vermögensverhältnissen der Eltern entsprechende Maß übersteigt (§ 1624 I), näheres zur Problematik der Zweckstaffelung unten II 2.

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Zusammenhang zu Grunde liegt, kann selbstverständlich niemals „in drei Classen“ zusam-mengefasst werden, wie auch Lotmar schon zutreffend erkannt hatte. Dennoch bleibt es grundsätzlich richtig, wie Savigny zutreffend als erster erkannt hat, dass grundsätzlich alle Vermögenszuwendungen in einer der drei Classen zu suchen sind, die hei-ßen: Austauschzweck, Unentgeltlichkeitszweck, Abwicklungszwecke. Dieser Grundsatz folgt ganz schlicht daraus, dass der Mensch entweder 1. egoistisch einem anderen eine Leistung nur erbringt oder verspricht, wenn dieser eine Gegenleistung erbringt oder verspricht (Austausch-zweck; Synallagma; do und des; do ut facias) oder 2. altruistisch einen anderen unentgeltlich eine Leistung gewährt (causa donandi) oder leihweise die Überlassung einer Sache zur Nut-zung überlässt oder unentgeltliche Dienst- oder Arbeitsleistungen) erbringt oder 3. aufgrund der Erfindung des Versprechensvertrags dem anderen einen Gegenstand oder eine sonstige Leistung zuerst bloß verspricht und zeitlich später (1) zur Erfüllung (causa solvendi) dieses Versprechens auch tatsächlich leistet oder das Schuldverhältnis in sonstiger Weise abwickelt, vorübergehend durch Sicherheitsleistung oder nach Abänderung oder endgültig durch Erlass oder Vergleich. Aufgrund der heute auch verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit bedarf dieser Grundsatz allerdings der Ergänzung, dass jedem dieser drei typischen Zwecke durch vertragliche Vereinbarung noch ein anderer typischer Zweck (dem Austauschzweck der gegenseitigen Erlasse der Abwicklungszweck des Vergleichs) und vor allem auch noch atypi-sche Zwecke angefügt werden können, von deren beiderseitiger Vereinbarung und deren Er-reichung die Gültigkeit einer Leistung oder eines Leistungsversprechens gleichfalls abhängig gemacht werden kann. Diese Möglichkeit hat auch der Gesetzgeber schon gesehen und ge-nutzt, indem ein unentgeltliches Versprechen nicht mehr als Schenkung verstanden werden muss und daher nicht der Form des § 518 bedarf, wenn es anlässlich einer bevorstehenden Heirat zum Zwecke der Ausstattung versprochen wird (§ 1624). Wie im sonstigen Leben und Handeln kann hinter jeder Absicht eines Menschen eine weitere Absicht und hinter dieser noch weitere Absichten stehen und von praktischer Erheblichkeit für sein Verhalten und das seiner Mitmenschen sein. Auch Juristen sollten das mit der Zeit verstehen lernen. Wir haben nicht mehr einen numerus clausus schuldrechtlicher Vertragstypen und sogar die alten Römer hatten zusätzlich zu den anerkannten Vertragstypen schon eine stipulatio, die es ihnen ermög-lichte, jedes nicht rechts- und nichts sittenwidriges Versprechen rechtswirksam zu machen; ; in Einzelfällen gewährten sie auch in untypischen Austauschverträgen (Innominatskontrakten) actiones in factum42. 2. Angestaffelte Zwecke, die hinter den drei typischen Zwecken stehen: Die Möglichkeit, dass hinter einem der drei typischen Zwecke (Austausch, Liberalität und Abwicklung) ein weiterer typischer oder atypischer Zweck angefügt und damit rechtserheblich werden kann, ist schon vorstehend an den Beispielen des dem Unentgeltlichkeitszweck angestaffelten Ausstattungs-zweck (§ 1624) sowie dem gegenseitigen Nachgeben (Austauschzweck) angestaffelten Ab-wicklungszweck des Vergleichs (§ 779) aufgezeigt worden. Hier soll unter bewusstem Ver-zicht auf eine vollständige Darstellung der Problematik43 nur das Prinzip noch etwas verdeut-licht werden. Das Wichtigste ist, dass mit der gegebenen Möglichkeit hinter dem numerus clausus der drei typischen Zwecke noch ein anderer typischer Zweck (z.B. im Vergleich der Abwicklungszweck hinter dem Austauschzweck) oder andere atypische Zwecke – für welche es keinen numerus clausus gibt – durch Vereinbarung rechtserheblich gemacht werden kön-nen, womit volle Vertragsfreiheit zum Abschluss atypischer Verträge geschaffen ist, welche die beschränkte Zahl gesetzlich geregelter Schuldverhältnisse unbegrenzt erweitert. In der Sprache Windscheids können hinter der ersten Absicht einer Willenserklärung (Absicht eine Gegenleistung zu erhalten, Schenkungsabsicht oder Erfüllungsabsicht) noch andere Absichten 42 Vgl. Kaser/Knütel (Fn. 35), Röm. Privatrecht, § 33 Rz 2; § 45 Rz 7. 43 Vgl. dazu vor allem Kreß (Fn. 33), ASchuR, § 5 Nr. 1c u. d; Nr. 2d, S. 44; § 6 Nr. 2 C.

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stehen, von denen die Rechtswirksamkeit der Willenserklärung gleichfalls abhängig gemacht werden kann. Es gibt auch einige gesetzlich geregelte Vertragsformen, in denen eine derartige Zweckstaffelung gesetzlich geregelt ist. Der Vergleich ist dazu schon genannt worden. Im Ge-sellschaftsvertrag des bürgerlichen Rechts (§ 705) ist dem Austauschzweck der Beitragsleis-tungen der Gesellschafter die Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks angestaffelt. Die dem Austausch- oder jedem anderen typischen Zweck angestaffelten Zwecke können auch in Form einer Bedingung vereinbart werden, so kraft Gesetzes bei dem Spiel- und Wett-verträgen in denen im gegenseitigem Verhältnis 1 : 1 oder 1 : x eine Leistung gewährt oder versprochen wird zum Zweck oder unter der Bedingung, dass etwas geschieht bzw. nicht ge-schieht. Auf diese Weise sind einst in Venedig die Versicherungsverträge für das Risiko der Schifffahrt aus einer Wette entstanden, wonach der Schiffseigner einen Bruchteil des Wertes von Schiff und Ladung versprochen hat, für den Fall, dass das Schiff (z.B. aus Indien mit Pfeffer beladen) zurückkommt und der Wettpartner (Versicherer) einen größeren Teil des Werts von Schiff und Ladung zu zahlen hatte, wenn das Schiff nicht zurückkommt. Mit der Ausstattung der Eltern soll dem Sohn oder der Tochter eine unentgeltliche Leistung versprochen oder gegeben werden, die aber nach § 1624 nur insoweit als Schenkung verstan-den werden soll, als sie das den Vermögensverhältnissen der Eltern entsprechende Maß über-steigt. Letztlich bleibt freilich auch ein Versprechen, welches das angemessene Maß über-steigt, ein Ausstattungsversprechen, welches das Gesetz jedoch unter den Formzwang des § 518 stellt, um die Eltern vor solch übermäßigen Versprechen zu schützen. Findet die Heirat aber nicht statt, zu welcher das Versprechen gegeben wurde, so kann nicht nur das angemes-sene Maß, sondern auch die darüber hinausgehende „Schenkung“, wegen Wegfalls des dem unentgeltlichen Versprechen angestaffelten Ausstattungszwecks kondiziert werden; das un-entgeltliche Versprechen hätte auch unter die Bedingung der Heirat gestellt werden können. Für das Mitgiftversprechen der Schwiegereltern oder anderer Dritter soll nach verbreiteter Auffassung § 1624 keine Anwendung finden, was heißen soll, dass ein Ausstattungsverspre-chen der Schwiegereltern der Form des § 518 bedürfe, damit wird die Regelung des § 1624 als Ausnahme disqualifiziert, statt sie als Regelung zu begreifen, wonach ein an die reine Schenkung angestaffelter atypischer Zweck die Schenkung zu einem atypischen nicht mehr der Form des § 518 bedürftigen Versprechen macht44 und in §1624 nur die übermäßige Aus-stattung durch die Eltern unter den Formzwang des § 518 I stellt. Die Grundsätze des angestaffelten Zwecks gelten für andere Leistungen und Leistungsver-sprechen, mit denen der Empfänger nicht zur Heirat, sondern zu einem anderen Tun oder Un-terlassen angehalten werden soll, welches nicht als Gegenleistung verstanden werden kann, z.B. zur Begründung einer Erwerbsstellung, zur Aufnahme oder Fortsetzung einer bestimmten wirtschaftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen Tätigkeit, zur Aufgabe des bisherigen Lebenswandels, zum Verschweigen einer dem Leistenden peinlichen Tatsache und anderem. In RGZ 118, 35845 wurde dazu der Fall entschieden, dass ein Vater unter der Bedingung, dass eine Strafanzeige unterbleibt, sich für den Rückzahlungsanspruch einer Bank gegen seinen Sohn verbürgt hat (Sachverhalt etwas vereinfacht), welcher als Angestellter dieser Bank Un-terschlagungen begangen hatte, deren Bekanntwerden zu jener Zeit die Existenz des Sohnes 44 Vgl. RG v. 14. 12. 1905, VI. 7/05, RGZ 62, 273; dazu oben II 4. 45 Dazu Horst Ehmann, Die Lehre vom Zweck als Entwickelung der Voraussetzungslehre, in: Von der Sache zum Recht, Festschrift für Volker Beuthien, München, 2009, S. 35; zum nachstehenden coronation-case ebenda, S. 30, 32. Im Fall BGH NJW 1973 612 hat eine Frau angebliche Forderungen eines Mannes, mit dem sie in ehe-ähnlicher Gemeinschaft zusammenlebte bezahlt, obwohl diese in Wahrheit nicht bestanden, damit der Mann bei ihr bleibe. In diesem Falle steht § 813 steht der Kondiktion jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Erfüllungs-zweck nur zum Schein (zur Gesichtswahrung) genannt, der wahre Zweck aber auf offener Hand liegt und nicht erreicht wurde; dazu H. Ehmann, Anm zu BGH NJW 1973, 612, in: NJW 1973, 1035.

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lebenslang vernichtet hätten. Die Bank hat jedoch Strafanzeige erstattet und den Vater aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Das Reichsgericht hat die auf die Bürgschaft gestützte Klage der Bank aber abgewiesen mit der Begründung, das Bürgschaftsversprechen könne gemäß § 812 kondiziert werden, weil der mit der Leistung (Bürgschaftserklärung) erstrebte Erfolg (Kreditgewährung und Unterlassen der Strafanzeige) nicht eingetreten sei. Entspre-chendes gilt für den berühmten coronation-case, in welchem ein Balkon gemietet wurde zur Besichtigung des ausgefallenen Krönungszuges, in welchem die Bezahlung des Mietpreises entfällt, wenn der Mietvertrag unter die Bedingung des Stattfindens des Krönungszugs oder jedenfalls hinreichend deutlich zum Zweck der Besichtigung des Krönungszuges abgeschlos-sen wurde; einer Bemühung der viel weitergehend offenen Problematik der sog. Geschäfts-grundlage46 (§ 313 n.F.) bedarf es also dazu nicht47. Der einer Zuwendung angestaffelte Zweck darf allerdings keine Verpflichtung des Zuwendungsempfängers begründen, ansonsten ist sie Gegenleistung, die zum Austauschzweck erfolgt48. Angestaffelt werden kann der Zweckvereinbarung eines Vertrags nicht nur ein weiterer Zweck, sondern auch das Bestehen eines weiteren Schuldverhältnisses, so z.B. wenn – wie üblich – eine Brauerei einem Schank-wirt ein Darlehen gewährt zum Zweck (unter der Voraussetzung), dass er einen Bierliefe-rungsvertrag mit der Brauerei abschließt und ausschließlich deren Bier ausschenkt. In sol-chem Fall ist der Darlehensvertrag vom Bestand des Bierlieferungsvertrags abhängig ge-macht, der Bierlieferungsvertrag also dem Darlehensvertrag angestaffelt und der Darlehens-vertrag kann daher kondiziert werden, wenn der Schankwirt den Bierlieferungsvertrag kün-digt49; selbstverständlich kann der Darlehensvertrag auch unter der Bedingung (§ 158) des Bestehens und der Ausnutzung des Bierlieferungsvertrags in bestimmtem Umfang abge-schlossen werden. Im berühmten Gutsherren-Fall50, in dem ein Gutsherr, der eine Magd ge-schwängert hatte, einem Knecht 10.000 Reichsmark und 300 Reichsmark pro Jahr als Unter-halt für das Kind versprochen hatte, wenn er die Magd heiratet, könnte man gleichfalls den-ken, dass dem unentgeltlichen Versprechen der atypische Zweck der Heirat angestaffelt war, weshalb das Versprechen nicht der Form des § 518 I bedurfte, um rechtswirksam zu sein. Das Reichsgericht hat aber die Rechtshandlung der Heirat als Gegenleistung (Austauschzweck) gegen das Ausstattungs- und Unterhaltsversprechen verstanden; was im Ergebnis keinen Un-terschied ausmacht, weil es im Ergebnis allein von Bedeutung war, ob es ein reines Schen-kungsversprechen war, welches der Form des § 518 II bedurft hätte. 3. Zur Mischung der Zwecke: Eine einheitliche Sache oder Sachgesamtheit und jeder sonstige Gegenstand kann auch zum halben oder einem sonstigen Teil seines Wertes verkauft und teils verschenkt werden; auch ein höherer Preis als der Wert des Gegenstands kann teils als Kaufpreis bezahlt, teils geschenkt werden. In solchen Fällen muss das Schuldverhältnis in Fällen von Leistungsstörungen zur rechtlichen Beurteilung, soweit es möglich ist, entspre-chend seinen verschiedenen Zwecken entsprechend in seine Teile zerlegt werden. Im Falle eines Mangels der veräußerten Sache unterliegt also nur der als Entgelt zu betrachtende Teil der Minderung des Kaufpreises (§ 441 Abs. 3). Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags kann jedoch grundsätzlich hinsichtlich des gesamten Kaufpreises (einschließlich des geschenkten Teils) erfolgen51. 46 Die Geschäftsgrundlage ist letztlich auch nichts anderes als eine nicht ausdrücklich ausgesprochene „Voraus-setzung“ oder Absicht oder Zweck, die/der mit dem Geschäft verfolgt und nicht erreicht wurde. 47 Dazu Ehmann/Sutschet (Fn. 31), Modernisiertes Schuldrecht, S. 177. 48 Wie im obigen (Fn. 40) Fall RGZ 62, 273: Die Heirat der Magd war als Gegenleistung versprochen, die zwar nicht einklagbar war, aber auch nicht sittenwidrig, weshalb das RG der Klage stattgegeben hat. 49 Kreß (Fn. 32), ASchuR, S. 38. 50 RG v. 14. 12. 1905, VI. 7/05, RGZ 62, 273; dazu unten II 5 um Fn 63. 51 Vgl. G. Planck/P.Knoke, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. Berlin 1914, § 516 Anm. 6; v. Tuhr (Fn. 7), AT II 2, § 72, S. 77 f; Kreß (Fn. 33), ASchuR, S 76.

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4. Der Austauschzweck: a) Von der realen Schenkung zum Tauschvertrag: Bis zur sensatio-nellen Untersuchung von Marcel Maus52, über die Form und Funktion des Güteraustausches in archaischen Gesellschaften hat man geglaubt, dass dies – vor der Erfindung des Geldes – in Form des bewussten realen Tausches von Gütern geschehen sei. Seit der Veröffentlichung von Maus wissen wir jedoch, dass der Tausch von Gütern ursprünglich in Form des Aus-tauschs von Geschenken geschehen ist, wobei gegebene Geschenke aber „moralisch“ zu Ge-gengeschenken (der Begriff ist rein rechtlich ein Widerspruch in sich) verpflichteten, deren Unterlassen zu Feindseligkeiten und in Fällen von Geschenken an benachbarte Sippen oder Stämme zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen konnte. Gegen-Geschenke waren also – und sind es teils heute noch im Rahmen der Familie und darüber hinaus – die Voraussetzung für inneren und äußeren Frieden. Wir dürfen jedoch trotzdem annehmen, dass die weitere Entwicklung des Gütertausches zunächst zu realen Tauschverträgen von Ware gegen Ware (z.B. Pelze gegen Salz) und erst in der weiteren Rechtsentwicklung zu gegenseitigen Verspre-chensverträgen geführt hat. Wenn die Parteien sich darüber geeinigt hatten, dass sie einen bestimmten Pelz gegen eine bestimmte Menge von Salz tauschen wollen, hatten sie sich auch über den Austauschzweck ihrer gegenseitigen Leistungen geeinigt, selbst wenn sie diesen Be-griff noch nicht kannten; ebenso einigen sich die Parteien heute noch über Ware oder Preis und damit über einen Kaufvertrag im Sinne der §§ 433, 145, 151 BGB ohne diese Einigung als Vereinbarung des Austauschzwecks der gegebenen Leistungsversprechen zu verstehen. Das ist auch nicht erforderlich, wenn die Abwicklung des Vertrages ordnungsgemäß ge-schieht, nur wenn der eine oder andere nicht oder schlecht oder weniger leistet als verspro-chen oder etwas Atypisches mit seiner Leistung erreichen will, wird es zur Aufgabe des Juris-ten, darüber nachzudenken und nachzuforschen, über was sich die Parteien haben einigen wollen und über was wie sich tatsächlich geeinigt haben etc. Die juristische Dogmatik ist ein Handwerkszeug der Juristen, für den Laien genügt die „Parallelwertung in der Laiensphäre“. Man macht halt einen deal, was auch genügt, wenn man nur morgen noch hält, was man heute verspricht. Ein Kaufmann braucht auch nicht zu wissen, dass er mit dem Zehnersystem rech-net, sein Handy aber mit dem Zweiersystem, es genügt im Allgemeinen, wenn er die Grund-rechenarten beherrscht und sein Handy richtig zu gebrauchen versteht. Die Dogmatik dieser Art soll auch nicht in erster Linie den Richtern und Rechtsanwälten zur Lösung von Fällen dienen, sie kann zwar auch dabei sehr hilfreich sein, bedeutsamer ist aber die Hilfe zum rich-tigen Verständnis der Entwicklung des Rechts und seiner Fortbildung. Ohne hinreichende dogmatische Kenntnisse ist jedoch jeder Versuch der Rechtsfortbildung letztlich zum Schei-tern verurteilt, wie die sog. Schuldrechtsmodernisierung aus dem Jahre 2002 deutlich gemacht hat53. b) Vom Realkauf zum Versprechenskauf: Der Realkauf hat zwar im BGB keine Regelung ge-funden, denn mit den §§ 433 ff. BGB ist nur der Versprechensvertrag geregelt worden. Bei den Beratungen des 1. Entwurfs zum Kaufrecht war jedoch der Antrag gestellt worden54: „Wird ohne vorherigen Kaufvertrag eine Sache gegen Geld ausgetauscht, so finden die Vor-schriften über den Kaufvertrag insoweit Anwendung, als sie sich nicht auf die Verpflichtung der Parteien zur Übergabe der Sache und zur Zahlung des Kaufpreises beziehen“. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber mit der Begründung: Einer besonderen Regelung bedürfe es nicht, denn „es werde einem Zweifel nicht unterliegen, dass die Vorschriften, welche in der vorgängigen obligatorischen Verpflichtung ihren Grund hätten, auf den Handkauf keine An-wendung finden können, dass dagegen die Vorschriften, welche lediglich in der Entgeltlich-keit der causa ihren Grund, wie die Haftung für Entwehrung und Mängel auch für den Real- 52 Marcel Mauss, Die Gabe – Form und Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften, 3. Aufl. 1954, Frankfurt 1968. 53 Dazu Ehmann/Sutschet (Fn. 31), Modernisiertes Schuldrecht, § 1 I. 54 Mugdan II (Fn. 11), Prot. S. 767.

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kauf gelten müßten“. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass der BGB-Gesetzgeber davon ausgegangen ist, das an der Wirksamkeit eines unmittelbaren Austauschs von Ware gegen Geld keine Zweifel bestehen können, weil kein Grund ersichtlich ist, welcher die Pri-vatautonomie dahingehend wirksam beschränken könnte. Wenn heute ein Käufer in einem Supermarkt die einzelnen Kaufgegenstände an der Kasse auf das Laufband vor der Kassiere-rin legt und in die eigene Tasche packt, wenn diese die Preise in die Kasse eingetippt hat, und anschließend den zusammen addierten Kaufpreis bezahlt, so ist weder ein Verkaufsverspre-chen des Verkäufers noch ein Geldversprechen des Käufers abgegeben worden, auch nicht stillschweigend, vielmehr das ausgesuchte Warensortiment gegen den addierten Kaufpreis getauscht worden. Auch Larenz räumt ein, dass beim Hand- oder Barkauf der tatsächliche Wille des Verkäufers in aller Regel nicht darauf gerichtet sei, sich zur Eigentumsübertragung nur erst zu verpflichten, sondern zugleich das Eigentum auf den Käufer zu übertragen. In sol-chen Fällen werde der Wille sich zur Eigentumsverschaffung zu verpflichten dem Verkäufer jedoch durch die Rechtsordnung zugerechnet. Das aber widerspricht dem Willen des BGB Gesetzgebers55 und ist eine falsche Vorstellung von unserer Rechtsordnung, die auch in kei-nem Gesetz geschrieben steht. Und steht auch nirgends geschrieben, die auch in keinem Ge-setz geschrieben steht. Auch nirgends Fraglos gelten jedoch auch für einen solchen Realkauf die Gewährleistungsrechte der §§ 438 ff.56 Im Recht der Schenkung sind dagegen die Hand-schenkung (§ 516 BGB) und der Schenkungsversprechensvertrag (§ 518) getrennt geregelt worden, was seinen Grund darin hat, dass eine Handschenkung formlos gültig ist, ein Schen-kungsversprechensvertrag aber notarieller Beurkundung bedarf. Alle anderen gegenseitigen Versprechensverträge können grundsätzlich auch als Realverträge wirksam abgeschlossen werden. c) Im römischen Recht ist der Kaufvertrag (emptio venditio) ursprünglich ein Realkontrakt; ein wirksames Leistungsversprechen bedarf grundsätzlich einer stipulatio. In späterer Zeit kann der Kaufpreis allerdings auch gestundet werden und daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit der formfreie Versprechenskauf57, dessen gesetzliche Regelung aber nicht daran hindert auch heute noch den unmittelbaren Tausch von Geld und Ware als Handkauf ohne vorherge-hendes Versprechen zu verstehen. Der Grundsatz des deutschen Schuldrechts ist jedenfalls von der Vertragsfreiheit beherrscht und kennt keinen Typenzwang, der es unmöglich machen könnte, andere als die Gesetz gewordenen Regelungen zu verabreden oder stillschweigend zu vereinbaren, solange diese nicht gegen Gesetz und gute Sitten verstoßen. d) Nach dem Untergang des römischen Reiches und der Rezeption des römischen Rechts in den entstandenen europäischen Nationalstaaten kommt es im weltlichen Recht erst aufgrund der Lehren von Hugo Grotius58 wieder zur Anerkennung eines formlosen Versprechensver-trags. Im kirchlichen Recht war man dagegen schon aufgrund des Satzes von Thomas von Aquin, dass Lüge Sünde sei und der Mensch daher an ein ernsthafteres Versprechen gebunden

55 Vgl. die oben nach Fn. 54 zitierten Protokolle der 2. Kommission zu dieser Frage, wonach eine ausdrückliche Regelung des Hand- oder Realkaufs mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es dieser Regelung nicht bedür-fe, weil sie selbstverständlich sei. Gegen Larenz zutr. schon Arne Oeckinghaus, Kaufvertrag und Übereignung beim Kauf beweglicher Sachen im deutschen und französischen Recht, Berlin 1973, S. 65 ff. 56 Zu den sonstigen Besonderheiten und Problemen der Realkontrakte und ihres Unterschiedes zu Versprechens-verträgen vgl. Kreß (Fn. 33), ASchuR, § 7 Nr. 1 und 2, S. 83-91 57 Kaser/Knütel (Fn. 35), Römisches Privatrecht, § 41 I. Aufgrund des Niedergangs des weströmischen Reiches wächst auch das Misstrauen im Privatrechtsverkehr und die Errungenschaft des Versprechensverkaufs geht wie-der verloren und die Rechtspraxis fällt in den Barkauf zurück. 58 Hugo Grotius, De iure Belli ac Pacis, Amsterdam, Libri Tres, 1735, ins Deutsche übersetzt und hrsg. von Walter Schätzel, Tübingen 1950.

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wäre59, zu der Anerkennung formloser gegenseitiger Versprechen gekommen. Im weltlichen Recht verhinderte jedoch das fortwirkende Vestimentum-Erfordernis des römischen Rechts längere Zeit die Anerkennung formloser Versprechensverträge. Schon Baldus hat jedoch auf der Grundlage der aristotelischen Kausalitätslehre die Ansicht entwickelt, dass die Absicht, mit dem Leistungsversprechen eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten (causa finalis) als Vestimentum-Ersatz das Leistungsversprechen rechtsverbindlich machen könne60. Der Durchbruch durch das römische Vestimentum-Erfordernis erfolgte jedoch letztlich erst mit dem Werk von Hugo Grotius61. Grotius begründete die Rechtsverbindlichkeit eines gegensei-tigen Leistungsversprechen zunächst auch mehr theologisch damit, dass die Pflicht der Erfül-lung des Versprechens eine Folge der Gerechtigkeit sei, die sowohl Gott als allen vernünfti-gen Wesen gemeinsam sei, schob diesem jedoch eine rationale Begründung nach, in welcher er drei Grade des Versprechens unterschied: 1. ein zwar ernsthaftes Versprechen, aber ohne die Absicht, auf diesem Willen zu beharren, weil jeder Mensch auch das Recht habe, seinen Willen zu ändern; 2. ein Versprechen mit der festen Absicht, auf diesem Willen zu beharren, was als pollicitatio (Gelübde) zu verstehen sei, woraus aber für den Versprechensempfänger noch kein Recht entstehe (sed ius alteri non dat); die Willensbindung der pollicitatio bestehe also nur vor sich selbst, sei bloß von „moralischer Art“; 3. ein Versprechen, dessen Willens-erklärung ein Zeichen hinzutritt, wonach dem anderen ein Recht übertragen wolle (accedit signum ius proprium alteri conferre); dieses sei die das „vollkommene Versprechen (perfecta promissio), dass die gleiche Wirkung habe, wie die Veräußerung des Eigentums (alienatio dominii), denn es sei entweder der Weg zur Veräußerung des Eigentums oder die Veräuße-rung eines Teils unserer Freiheit (alienatio particulae nostrae libertatis). Zum Begriff des „vollkommenen Versprechens“ und seiner rechtlichen Verbindlichkeit wer-den von Grotius jedoch noch eine ganze Reihe weiterer Voraussetzungen aufgestellt (II, 11 §§ 5-22): 1. der Gebrauch der Vernunft, weshalb Kinder und Blödsinnigen nicht wirksam ver-sprechen können (§ 5); 2. Irrtumsfreiheit des Versprechenden (§ 6 I); 3. dass der versprechen-de nicht durch Furcht genötigt war (§ 7); 4. dass die versprochene Sache dem Versprechenden gehört (§ 8); 5. dass nicht zu unrechtem Zweck versprochen wird z.B. zur Begehung eines Mordes oder als Dirnenlohn (§ 9); 6. dass das Versprechen vom Versprechensempfänger an-genommen wird (acceptatio, § 14); 8. dass die Annahme dem Versprechenden bekannt wird oder er einverstanden damit ist, dass das Versprechen mit der Annahme verbindlich wird (§ 15); 9. zur Möglichkeit bedingter Versprechen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so sind die Verträge für Grotius nach Naturrecht gültig, ohne Rücksicht auf den Form und Typen-zwang des römischen Rechts, denn die unbenannten Verträge (Innominatcontracte) seien nicht weniger natürlich und nicht weniger alt62. In diesen von Grotius aufgestellten Voraus-setzungen wirksamen Versprechens sind unverkennbar die Bausteine enthalten, die über die Naturrechtsgesetzbücher (Allg. Preuß. Landrecht, Code Napoleon und das österr. ABGB) und über die Pandektistik bis heute die allgemeine Rechtsgeschäfts- und Vertragslehre auch des deutschen BGB beherrschen, nämlich Willenstheorie, Erklärungstheorie, Irrtumslehre, kein Verstoß gegen Gesetz und gute Sitten, Angebot und Annahme, Konsenserfordernis etc. und nicht zuletzt auch die causa- oder Zwecklehre. 59 Thomas von Aquin, Summa Theologica, II-II, Tugenden des Gemeinschaftslebens, Bd. 20 der Deutschen Thomas Ausgabe, Graz, Wien und Köln 1963, F 110, 3, 5. 60 Söllner (Fn 19), SavZ 77 (1960), 253; Klaus-Peter Nanz, Die Entstehung des Vertrag des allgemeinen Ver-tragsbegriff im 16. bis 18. Jahrhundert, München 1985, S. 54; Horst Ehmann, Die Entwicklung des Verspre-chensvertrags – gegen die Mystik des Willensvereinigungsmodells, Festschrift für M.P. Stathopoulos, Athen 2010, S. 585, 590; Till Bremkamp, Causa, Berlin 2008 S. 63 ff. 61 Hugo Grotius (Fn. 55), De iure belli, II 11 § 4. 62 Dazu H. Ehmann, FS Stathopoulos (Fn. 57), 590; Nanz (Fn. 57), Vertragsbegriff, S. 141 ff; Bremkamp (Fn. 57), Causa, S. 92 ff.

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Merkwürdig ist und bleibt jedoch, dass Grotius die Wirksamkeit der gegenseitigen Willenser-klärungen mehr aus der Wirksamkeit des geäußerten „inneren Willens“ und weniger in der Tatsache erkennen will, dass das Versprechen des Versprechenden zu dem Zweck abgegeben wurde, dass der Versprechensempfänger ihm die Gegenleistung verspricht, was doch vor al-lem sein eigenes Interesse begründet, dass der andere sein ihm gegebenes Versprechen ein-hält, was aber zur notwendigen Voraussetzung hat, dass er selbst sein eigenes Versprechen dem anderen gegenüber einhält. Der so verstandene Grund (causa finalis, Zweck) der Wirk-samkeit gegenseitiger vertraglicher Versprechen kommt in dem heutigen Begriff Austausch-zweck besser zum Ausdruck. Dass Verträge zu halten sind, ist zwar auch eine Frage der Moral (du sollst nicht lügen), aber letztlich ein durch harte wirtschaftliche Interessen geprägter Grundsatz, der für alle Mitglieder einer Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft nützlich und deshalb auch zu einem in allen staatlichen Gemeinschaften geltenden Rechtsgrundsatz ge-worden ist. 5. Der Liberalitäts- oder Unentgeltlichkeitszweck: Der Begriff des Schenkungszwecks (causa donandi) ist zu eng gefasst, weil es unentgeltliche Leistungen und unentgeltliche Leistungs-versprechen gibt, die wir nicht als Schenkungen verstehen, z.B. die unentgeltliche Nutzung von Sachen (Leihe) vor allem aber unentgeltliche Dienst- und Arbeitsleistungen, die in der Sklavengesellschaft des römischen Reiches von den rechtsfähigen Bürgern aufgrund eines Mandats nur unentgeltlich geleistet werden durften und deswegen entgeltliche Dienstleistun-gen als rechtsunwirksam betrachtet wurden (Paulus D. 17.1.1.4; anders allerdings schon Ul-pian D. 17.1.6.pr.). Accursius schrieb an die Paulusstelle zwar schon die Glosse: Das trifft aber nicht zu. Bisweilen übernimmt auch jemand einen Auftrag, der kein Freund ist63. Aber auch im BGB ist die Geschäftsbesorgung noch als unentgeltlicher Auftrag geregelt und die entgeltliche Geschäftsbesorgung nur durch eine missglückte Verweisung in § 675 und es ist letztlich ein Skandal, dass dies nicht schon längst geändert wurde, obwohl inzwischen die Geschäftsbesorgungsverträge die allergrößte wirtschaftliche Bedeutung haben, wofür eine Verweisregelung auf den unentgeltliche Auftrag keinesfalls mehr genügen kann64. Von einiger praktischer Bedeutung ist, dass im deutschen Recht ein Schenkungsversprechen der notariellen Beurkundung gemäß § 518 bedarf; eine Handschenkung jedoch formlos rechtswirksam ist und der Formmangel des Schenkungsversprechens mit seiner Erfüllung geheilt wird (§ 518 II). Der reine Schenkungszweck hat bei der Handschenkung (§ 516) die Besonderheit, dass er mit seiner Vereinbarung auch sofort erreicht wird65; nicht dagegen beim Schenkungsversprechen, welches der Erfüllung (§ 362) bedarf. Dem Schenkungszweck kann daher grundsätzlich auch kein weiterer Zweck angestaffelt werden, ansonsten ist es keine Schenkung mehr, sondern eine atypische Leistung. Trotzdem erkennt das BGB mit den §§ 525-527 eine Schenkung „unter Auflage“ an, zu deren Vollziehung der Beschenkte aber nur bis zur Höhe des Werts der Schenkung verpflichtet ist (§ 526). Ein Leistungsversprechen ist auch nicht schon deshalb ein Schenkungsversprechen, weil es nicht gegen ein anderes Leis-tungsversprechen ausgetauscht wird, sondern gegen eine sofortige tatsächliche Leistung oder eine rechtsgeschäftliche Handlung, die nicht rechtswirksam versprochen wird oder werden kann. Diese Frage war streitig im schon oben zitierten Gutsherren-Fall66, in dem ein Gutsherr, der eine Magd geschwängert hatte, einem anderen Mann 3000 Mark und 300 Mark Unterhalt pro Jahr für das Kind versprochen hatte, wenn er die Magd heiratet. Der andere Mann hat die Heirat versprochen, die Magd auch geheiratet, der Gutsherr aber die Zahlung verweigert, weil das Zahlungsversprechen als Schenkungsversprechen der Form notarieller Beurkundung be- 63 Dazu Walter Erman/Horst Ehmann, Handkommentar zum BGB 12. Aufl., Köln 2008, vor § 662 Rz 9. 64 Zur missglückten Verweisungsregelung des § 675 vgl. Erman/H. Ehmann (Fn. 63), vor § 662 Rz 1 und 2-99. 65 Kreß (Fn. 33), ASchuR, S. 43; Windscheid (Fn. 3), Voraussetzungslehre, S. 88. 66 RG v. 14. 12. 1905, VI. 7/05, RGZ 62, 273; dazu oben II 2.

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durft hätte und also rechtsunwirksam gewesen sei. Das Landgericht und das Oberlandesge-richt Celle haben mit dieser Begründung die Klage auch abgewiesen, das Reichsgericht aber die Entscheidung zu Recht aufgehoben mit der Begründung das Versprechen sei nicht unent-geltlich gewesen, wenn der Mann die Heirat versprochen und die Magd tatsächlich geheiratet habe: „Die Parteien sind sich nicht über die Unentgeltlichkeit der Mitgift einig gewesen, son-dern ihre Vereinbarung hatte in solchem Fall gerade den entgegengesetzten Inhalt“. Das Reichsgericht hat zutreffend erkannt: Der Gutsherr hatte das Geld versprochen für die Tat- und Rechtshandlung der Heirat und der andere Mann hat diese Gegenleistung erbracht und ist dadurch zum Unterhalt des Kindes verpflichtet worden, das nach der Heirat geboren wurde (§ 1591 BGB a.F, § 1592 Nr. 1), was der Gutsherr sich wohl auch ersparen wollte. 6. Die Abwicklungszwecke: Zum Abwicklungszweck habe ich einführend unter II 1 schon dargelegt, dass er ein Sammelbegriff ist, der außer dem Erfüllungszweck auch den Sicherungs-zweck, den Vergleichszweck und den Änderungszweck umfasst. a) Der Erfüllungszweck: Nach der in Deutschland von Kretschmar und Boehmer begründeten und von Larenz verbreiteten Lehre der sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung soll Erfül-lung eintreten, wenn der Gläubiger eines Erfüllungsanspruchs vom Schuldner objektiv er-kennbar die geschuldete Leistung erhält ohne dass es dazu einer Erfüllungszweckvereinba-rung bedürfe67. Diese Lehre ist unhaltbar. Wenn eine Frau 1000 DM annimmt, die ihr von einem Geschäftsfreund F ihres Mannes eindeutig angeboten werden, damit sie zum Ge-schlechtsverkehr bereit ist, so nimmt sie das Geld nicht zum Zweck der Erfüllung einer Darle-hensforderung in gleicher Höhe ihres Ehemannes gegen den zahlenden Darlehensnehmer an; Erfüllung der Darlehensschuld tritt auch dann nicht ein, wenn sie auf Nachfragen ihres Man-nes, ob F gekommen sei und ihr 1000 DM gebracht habe, dies schnell bejaht und dem Ehe-mann das Geld herausgibt; auch dann nicht, wenn der Ehemann der Frau als Darlehensgeber dem Darlehensnehmer erklärt hatte, er könne das Darlehen durch Zahlung an seine Frau zu-rückgeben (gem. § 362 iVm §185). Erfüllung würde auch dann nicht eintreten, wenn die Frau selbst dem F 1000 DM als Darlehen gegeben und er ihr zwar das Geld, aber nicht zum Zwe-cke der Erfüllung seiner Darlehensschuld, sondern als derartige Gegenleistung gegeben hätte. Erfüllung setzt voraus, dass der geschuldete Gegenstand zum Zwecke der Erfüllung geleistet und zu eben diesem Zwecke vom Empfänger angenommen wird, was freilich auch still-schweigend geschehen kann, wenn gar kein anderer Grund für die Leistung erkennbar ist. Aufgrund des von mir nacherzählten Witzes von Salcia Landmann hat Larenz seine Erfül-lungslehre dahingehend geändert, dass eine geschuldete Leistung ihren „Charakter als Schuld-tilgung verliere“, wenn sie zu einem anderen Zweck (Larenz: mit „negativer Tilgungsbestim-mung“) erbracht werde68. Damit beschränkt sich die Bedeutung dieser sog. Theorie der realen

67 Sog. Theorie der realen Leistungsbewirkung begründet von Paul Gustav Kretschmar, Die Erfüllung, Erster Teil: Historische und dogmatische Grundlagen, 1906; ders, JherJb 85, 204 ff.; 86, 160 ff.; Gustav Boehmer (Fn. 32), Erfüllungswille, S. 74; vertreten vor allem von Karl Larenz, Allgemeines Schuldrecht, ASchuR 9. Aufl. München 1968, § 68 I b, S. 407; etwas verändert 10. - 14. Aufl. München 1987, § 18 I 5, S. 241; dagegen H. Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 549-546 mit dem Witz von Salcia Landmann S. 555 Fn 70; dazu neuerdings auch Gesa Kim Beckhaus, Die Rechtsnatur der Erfüllung, Tübingen 2013; zu allem unten III 1 und 2. 68 Dasselbe steht auch schon bei Boehmer (Fn. 31, Erfüllungswille, S. 74): „Sobald der Schuldner in irgendeinem Punkt, der von dem Inhalte seiner Leistungspflicht abweicht, ist eine Zustimmung des Gläubigers und damit eine Erfüllungsvertrag unentbehrlich“. Im Übrigen war Boehmer auch der Auffassung, dass die Leistung durch einen Dritten gemäß § 267 und die Leistung an einen Dritten gemäß § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 einer Erfüllungsverein-barung bedürfen. Die Auffassung Boehmers, die sich Larenz zu Eigen gemacht hat, wurde auch schon von v. Tuhr (Fn. 7), AT II 2, § 72, S. 67, 82) abgelehnt: „Das Erfordernis der Einigung über die causa ist vom Gesetz ausdrücklich aufgestellt für die Schenkung, § 516. Dasselbe gilt aber auch für jede andere causa. Eine von A an B gezahlte Summe ist z.B. nur dann Darlehensvaluta, wenn sie als solche gegeben und genommen wird. Ebenso ist eine Leistung insbesondere eine Geldzahlung des A an B nur dann Erfüllung einer Schuld des A an B, wenn

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Leistungsbewirkung auf den Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger die geschuldete Leistung erbringt und ganz offensichtlich kein anderer Grund für diese Zuwendung ersichtlich ist als die Erfüllung dieser einzigen bestehenden Schuld. Dann aber ist der Erfüllungszweck (causa solvendi) ebenso stillschweigend erklärt wie die Annahme der Leistung als Erfüllung und die sog. „Theorie der realen Leistungsbewirkung“ ist nur eine geschwollene Formulierung für eine banale Selbstverständlichkeit. Selbst wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Gründen verschiedene Summen Geldes schuldet, wird damit diejenige Schuld getilgt, die der Leistende bestimmt, will der Gläubiger die Zahlung zur Tilgung einer anderen Schuld an-nehmen, so tritt keine Erfüllung ein; nur wenn A keinerlei Bestimmung trifft kommt die dis-positive Regelung des § 366 II BGB zum Zug, wonach zunächst die fällige und unter mehre-ren fälligen Schulden diejenige getilgt wird, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet usw69. b) Der Erfüllungszweck als iusta causa traditionis: Bei einer auf Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen gerichteten Leistung hat die Erfüllungszweckvereinbarung auch die Funktion der iusta causa traditionis zu erfüllen. Denn nach wohl richtiger Ansicht abstrahiert die Eigentumsübertragung von beweglichen Sachen nur von der Zweckerreichung, also vom Bestehen der Schuld, die erfüllt werden sollte, aber nicht von der Zweckvereinbarung. Das Eigentum geht also nicht auf den Leistungsempfänger über, wenn der Leistende einen Gegen-stand zum Zwecke der Erfüllung leistet, der Empfänger ihn aber als Geschenk annimmt70. Selbst wenn man mit einer zwar verbreiteten aber lebensfremden Auffassung bezüglich be-weglicher Sachen annehmen will, dass die Eigentumsübertragung in solchem Falle auch von der Zweckvereinbarung abstrahiert sein soll, so ist jedenfalls die Kondiktion gegeben, weil sogar Boehmer und Larenz annehmen, dass eine „negative Tilgungsbestimmung“ die Erfül-lungswirkung verhindert, also keine iusta causa der Eigentumsübertragung sein kann. Für die Geldschuld gilt letztlich nichts anderes, nur tritt bei kleineren Summen in aller Regel alsbald Vermischung ein oder das Geld wird gutgläubig von einem Dritten erworben. c) Sicherungszweck: Der Sicherungszweck ist gleichfalls ein Abwicklungszweck, der als eine Zwischenstufe zur Erfüllung verstanden werden kann, weil in vielen Fällen der Warenschuld-ner vorleisten soll, der Geldschuldner aber später oder in Raten zahlen kann, weshalb der Wa-renschuldner eine Sicherheitsleistung fordert. Die Sicherheitsleistung kann daher als eine Zwi-schenstufe zur Erfüllung verstanden werden, die aber auch an Erfüllungs statt angenommen wird, wenn der Schuldner nicht mehr bezahlen kann71. Ohne eine derartige Sicherheitsleis-tung wären ansonsten viele Lieferanten nicht bereit, dem Käufer Kredit zu gewähren. Zu un-terscheiden sind die kausalen (akzessorischen) Sicherungsgeschäfte (Bürgschaft, Pfandrecht, Hypothek) von den abstrakten Sicherungsrechten (Grundschuld, Sicherungsübereignung be-weglicher Sachen und Sicherungsabtretung), die sich vor allem dadurch unterscheiden, dass die Parteien über diese Funktion der Zahlung einig sind“. In § 72, S. 82 Fn 128 lehnt v.Tuhr die entgegenstehen-de Auffassung von Boehmer ab. 69 Dazu H. Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 549, 551 mwN. 70 H. Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 551 Fn 11; ders. (Fn.15), Gesamtschuld, § 6 IV, S. 152 ff., 158 mit Verweis auf die berühmte Antinomie zwischen Ulpian (D. 12.1.18.pr.) und Julian (D. 41.1.36) sowie die förderlichen Er-kenntnisse von Jahr SavZ 80,141 ff. Im Grundstücksrecht wurde durch § 925a BGB das Vorhandensein einer causa (Kaufvertrag oder Schenkung), dazu H. Ehmann (Fn.17), JZ 1968, 551 Fn 11 m.w.N. Die nach § 873 er-forderliche Einigung über den Eigentumsübergang an Grundstücken bedarf nach § 925 BGB der notariellen Beurkundung, deren Vorlage beim Grundbuchamt Voraussetzung der Eintragung des Eigentumserwerbs durch den Käufer ist (§ 20 GBO). Ebenso ist die Einigung über den Zweck der Eigentumsübertragung bei beweglichen Sachen erforderlich, nur bedarf sie nicht der notariellen Beurkundung und es ist auch nicht erforderlich das die Parteien sich zuvor über den Zweck der Eigentumsübertragung einig geworden sind. 71 Kreß (Fn. 33), ASchuR, § 5 Nr. 1; ders. Lehrbuch des Besonderen Schuldrechts, München 1934, § 29 Nr. 3, S. 261 ff; v. Tuhr (Fn. 7), II 2 § 76; Peter Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 9. Aufl. Heidelberg 2017, Einfüh-rung Rz 49 ff., 59

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die sog. akzessorischen Sicherungsrechte ipso iure mit der gesicherten Forderung erlöschen (§§ 767, 1252); die Hypothek geht allerdings auf den Eigentümer über und verwandelt sich in geheimnisvoller Weise in eine Eigentümergrundschuld (§§ 1163 I 2, 1177). Wird der Gläubi-ger akzessorische Sicherungsrechte durch den Sicherungsgeber befriedigt, so geht die Forde-rung gegen den Schuldner vom Gläubiger auf ihn über (§§ 774, 1143, 1225). Für die als abs-traktes Sicherungsgeschäft gestaltete Grundschuld gelten die genannten Regelungen jedoch nicht; nach § 1192 Abs. 1a s sollen jedoch Einreden, die dem Eigentümer aufgrund des Siche-rungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt wer-den können. Im Einzelnen sind die Regressregelungen in Fällen einer Sicherungsgrundschuld sowohl de lege lata als auch rechtspolitisch jedoch sehr problematisch, was im Rahmen die-ses Beitrags aber nicht näher dargelegt werden kann72. Die vorgenannten Prinzipien der Sicherungsgeschäfte gelten entsprechend für die von der Kautelarjurisprudenz parakonstitutionell entwickelten Institute der Sicherungsübereignung und der Sicherungsabtretung. Weil man jedoch von der zur herrschenden Lehre gewordenen Irrlehre ausging, jeder Leistung müsste ein Leistungsversprechen vorausgehen und es bedürfe keines Erfüllungszwecks, weil jede Leistung zur Erfüllung des notwendigerweise vorausge-henden Leistungsverpflichtung erfolgen müsse, musste man sich jeder Sicherheitsleistung also jeder Sicherungsübereignung von beweglichen Sachen und jeder Sicherungsabtretung eine dahingehende Verpflichtung vorgeschaltet denken. Als „causa“ eines Sicherungsge-schäfts wurde daher die Verpflichtung verstanden, eine Sicherheitsleistung zur Sicherung be-stimmter Forderungen zu erbringen. Die Übertragung von Sicherungseigentum wurde also gedacht als abstrakte Übereignung gemäß § 930 zum Zwecke der Erfüllung einer zuvor ein-gegangenen schuldrechtlichen Verpflichtung zu solcher Leistung; entsprechendes sollte für die Abtretung von Forderungen zur Sicherung anderer Verpflichtungen gelten73. In Fällen dieser Art abstrakter Sicherungsübereignungen oder Sicherungsabtretungen durch einen ande-ren als den persönlichen Schuldner (den Sicherungsgeber D) erlöschen diese Sicherungsrechte anders als bei akzessorischen Sicherungsgeschäften (§§ 767, 1252) nicht mit der Zahlung der gesicherten Schuld, sondern nur dann, wenn sie unter der Bedingung (§ 158) des Bestehens der persönlichen Schuld abgeschlossen worden sind, was jedoch aus Mangel an hinreichenden Rechtskenntnissen nicht selten unterbleibt. Ist das Bestehen der gesicherten Forderung nicht zur Bedingung der Übertragung des Sicherungseigentums oder der Sicherungsabtretung ge-macht worden, so steht dem Sicherungsgeber D daher nur ein Bereicherungsanspruch auf Rückübereignung oder Rückabtretung gegen den Gläubiger G der gesicherten Forderung zu, wenn die gesicherte Schuld erfüllt worden ist. Zahlt ein solcher Sicherungsgeber D zur Auslö-sung seiner Sicherheitsleistungen an den Gläubiger G, weil der Schuldner S zahlungsunfähig geworden ist, so erwirbt er nicht wie in Fällen akzessorischer Sicherungsgeschäfte die Forde-rung des Gläubigers G gegen den Schuldner S entsprechend §§ 774, 1225 ipso iure, weil es rein positivistisch derartige Zessionsvorschriften für die Sicherungsübereignung und Siche-rungsabtretung nicht gibt und weil sie auch für abstrakte Sicherungsleistungen dogmatisch nicht gerechtfertigt sind, vielmehr akzessorische oder kausale Sicherungsgeschäfte vorausset-zen. Der Sicherungsgeber D darf daher, wenn die Abtretung der gesicherten Forderung für den Fall, dass er vom Sicherungsnehmer G in Anspruch genommen wird, nicht in einem vor sei-ner Sicherungsleistung abgeschlossenen Sicherungsvertrag vereinbart worden ist und er vom Sicherungsnehmer in Anspruch genommen wird, nur Zug um Zug gegen Rückübertragung 72 Vgl. dazu aber H. Ehmann (Fn. 15), Gesamtschuld, S. 342 ff. 73 Dagegen Weitnauer, FS Serick, …, zur sog. causa einer Sicherungsübereignung vgl. auch Bülow (Fn. 71), Kreditsicherheiten , Rz. 1146 ff.

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seiner Sicherheitsleistung und Abtretung der gesicherten Forderungen des Sicherungsgebers gegen den Schuldner leisten. Keinesfalls darf der Sicherungsgeber als Dritter (§ 267) durch Leistung an den Sicherungsnehmer die Forderungen des Schuldners erfüllen74, sondern darf zur Wahrung seiner Rechte den Kaufpreis nur Zug um Zug gegen die Abtretung der gesicher-ten Forderungen und Rückübertragung seiner Sicherheitsleistungen bezahlen. Ist dies alles nicht geschehen, so kann der Sicherungsgeber D versuchen, nach einer Zahlung als Dritter gemäß § 267 oder nach Verwertung seines Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer G, Ansprüche aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereiche-rung (§§ 670, 683, 812 I 1 1. Alt. (Eingriffskondiktion) als Regressansprüche gegen den Schuldner geltend zu machen75. Die dargelegten und sonstige Unklarheiten in der Kautelarju-risprudenz zu diesen Problemen sind bedingt durch die parakonstitutionellen Konstruktionen der Sicherungsübereignung beweglicher Sachen und der Sicherungsabtretung, die wegen der praktischen Unbrauchbarkeit des Faustpfandrechts und der bedingten Tauglichkeit von Bürg-schaften ohne den §§ 767, 1252, 1163,1177 entsprechende Regelungen entstanden sind. d) Zum Vergleichszweck als Abwicklungszweck In Fällen, in denen es zwischen dem Gläubiger und Schuldner aus irgendwelchen Gründen zu einem Streit über das bestehende Schuldverhältnis und dessen Abwicklung kommt, können die gegenseitigen Verpflichtungen (das Schuldverhältnis im weiteren Sinne) zwischen Gläu-biger und Schuldner im Wege gegenseitigen Nachgebens beendigt werden. Das gegenseitige Nachgeben geschieht in der Regel durch gegenseitigen teilweisen Erlass (§ 397) der gegenei-nander bestehenden Forderungen, womit dem Austauschzweck des gegenseitigen Nachgebens der Abwicklungszweck des Vergleichs angestaffelt wird76. In der Sprache Windscheids77 steht damit hinter der 1. Absicht eines jeden der beiden Vergleichspartner, einen Teil der Schuld zu erlassen die 2. Absicht78, das streitige gewordene Rechtsverhältnis mit den gegenseitigen Er-lassverträgen aufzuheben und durch die Vergleichsregelung zu ersetzen. In einem Vergleich wird also dem Austauschzweck der gegenseitigen Erlassverträge der Abwicklungszweck be-züglich des zuvor bestehenden Schuldverhältnisses angefügt79.

74 Die Zahlung des Sicherungsgebers als Dritter gemäß § 267 ist nur richtig in Fällen eines akzessorischen Siche-rungsrechts, weil bei diesen die gesicherte Schuld aufgrund einer cessio legis auf den zahlenden Sicherungsge-ber übergeht (§§ 767, 1163, 1177, 1252). Dieser Unterschied wird häufig nicht erkannt. 75 Vgl. dazu die von eingestanden Unbehagen getragenen Ausführungen von Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd I: Der einfache Eigentumsvorbehalt, Heidelberg 1963, § 4 II, S. 55 ff.; dazu die Kontroverse Serick – Weitnauer –Stoll –Serick (Rolf Serick, Bd. I, S. 50 ff., 210 ff., 246; ders. AcP 166, 229 ff.; ders. Bd. III: Die einfache Sicherungsübertragung, Heidelberg 1970, S. 392; Hermann Weitnauer, JZ 1965, 141; JZ 1967, 382; Heinrich Stoll, ZHR 65, 241 ff. Leistungen die ein Beauftragter D (z.B. der Sicherungsgeber) zu Erfüllung seines Auftrags (z.B. des Schuldners) zu Gunsten des Auftraggebers S (z.B. des Gläubigers und Siche-rungsnehmers) erbringen muss, hat der Auftraggeber grundsätzlich gemäß §§ 662, 675, 670, 683 zu ersetzen (Erman/H.Ehmann (Fn. 63), § 670 Rz 5). Zur neueren Spezialliteratur vgl. Bülow (Fn. 71), Kreditsicherheiten, Rz 76, 240 ff., 1199. 76 Zum Begriff der Staffelung der Zwecke oben II 2. 77 Vorraussetzungslehre (Fn.3), S. 86 ff. 78 Auch von v. Tuhr (Fn. 7), AT II 2, S. 79 erkennt, dass hinter den ersten Zwecken (die er mit den Begriffen causa solvendi, credendi (oder aquirendi) und donandi erfassen will, weitere Absichten des Zuwendenden stehen können, die er unverständlicherweise jedoch in das Gebiet „der rechtlich irrelevanten Motive“ fallen lassen will, wodurch seine Lehre in einem sehr wichtigen Punkt unbrauchbar geworden ist; zutreffend dagegen Kreß (Fn. 33), ASchuR, S. 35 ff., 37: „Die Zahl der typischen Zwecke ist insofern geschlossen, als die Parteien bei der Güterbewegung (realen Leistung, Eingehung einer Verpflichtung) zunächst immer einen solchen Zweck – Aus-tausch-, Liberalitäts- und Abwicklungszweck – verfolgen“. … Wie oben II 2 dargestellt können hinter diesen typischen Zwecken jedoch atypische Zwecke angefügt und durch Vereinbarung rechtserheblich gemacht werden, von deren Vereinbarung und Erreichung die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sodann gleichfalls abhängig ist und bleibt. 79 Näheres dazu Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, München 2005, S. 101 ff.

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e) Der Änderungszweck: Ein Schuldverhältnis kann nicht nur erfüllt oder vor der Erfüllung durch eine weitere Vereinbarung gesichert oder vergleichsweise abgewickelt, sondern auch aufgehoben oder abgeändert werden. Zu unterscheiden ist zwischen der Änderung oder Auf-hebung des ganzen Schuldverhältnisses und der Änderung oder Aufhebung einzelner Ansprü-che aus dem Schuldverhältnis80. Werden durch solche Änderungen nicht die Leistungsver-pflichtungen eines oder beider Vertragspartner erhöht oder verkürzt, so liegen die Änderun-gen in der Regel im Rahmen der Vertragsfreiheit, sofern der Vertrag nicht, wie z.B. ein Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung bedarf. Wird durch die Vertragsände-rung jedoch das Austauschverhältnis der Vertragspartner betroffen und die Forderungen des einen erhöht oder die des anderen verkürzt, so ist darin eine Leistung oder ein Leistungsver-sprechen enthalten, dass einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Wird durch die Vertragsän-derung die Forderung eines Vertragspartners geändert, so ist – wenn dies nicht durch gegen-seitiges Nachgeben, also vergleichsweise (§ 779), sondern einseitig geschieht – zu unterschei-den zwischen der Verringerung einer Forderung durch teilweisen Erlass und der Erhöhung einer Forderung durch ein zusätzliches Versprechen. Erfolgt die Erhöhung der Forderung eines Vertragspartners einseitig ohne eine Gegenleistung, so erfolgt sie schenkweise (donandi causa), ist also ein Schenkungsversprechen, das der Form des § 518 bedarf, ansonsten erst mit der Erfüllung der Forderung wirksam wird (§ 518 II) und bis zu diesem Zeitpunkt kondizierbar bleibt. Erfolgt die Änderung dagegen durch teilweisen Erlass einer Forderung, so wird, wenn die Forderung schon besteht, die Verringerung der Schuld mit dem abstrakten Erlassvertrag81 gemäß § 397 vollzogen, und damit der Formman-gel gemäß § 518 II geheilt82. Entsteht die Forderung jedoch erst später, so kann der Erlass (als abstraktes Vollzugsgeschäft) zunächst nur versprochen und erst mit der Entstehung der Forde-rung wirksam werden. Wird jedoch der abstrakte Erlassvertrag zusammen mit seinem „Grundgeschäft“ geregelt, was jedenfalls dann gegeben ist, wenn die vertragliche Regelung überhaupt nicht zwischen „Grundgeschäft“ und dem abstrakten Vollzugsgeschäft unterschei-det, so erstreckt sich die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts gemäß § 139 auf den Erlassver-trag und es besteht ein Bereicherungsanspruch aus § 812 I S. 1 1. Alt. (Leistungskondiktion) auf Wiederbegründung der Forderung, soweit sie durch den Erlassvertrag erlassen worden sein soll83. Entsteht jedoch die Forderung, die ohne Gegenleistung gemäß § 397 erlassen wer-den soll, erst später, so kann der zunächst nur versprochene Erlass, auch dann, wenn er nicht schon wegen Verbindung mit dem unwirksamen Grundgeschäft unwirksam ist, erst mit der Entstehung der Forderung wirksam werden, die erlassen werden soll, und bleibt also bis zu diesem Zeitpunkt kondizierbar. Entschieden abzulehnen ist jedenfalls die Vorstellung, dass einseitige Änderungen, die eine Erhöhung oder Verkürzung einer Forderung zum Gegenstand haben und also eine einseitige Leistung darstellen, ohne gegenseitiges Nachgeben durch eine sog. „Feststellungscausa84“ oder einen „Anpassungszweck85“ oder eine sonstige inhaltslose Vokabel gerechtfertigt werden könnten. Eine Feststellung oder Anpassung ist weder eine Leistung noch eine Zuwendung. Daher kann deren causa oder Zweck auch nicht deren Rechtsgrund bilden. Sofern jedoch unter den Worten „Feststellung“ und oder „Anpassung“ ein unentgeltliches Leistungsversprechen verborgen ist, bedarf es auch unter diesem Namen 80 Dazu des Kreß (Fn. 33), ASchuR, § 9 Nr. 3, S. 153 f. 81 Der Erlassvertrag des § 397 wird im deutschen Recht als abstrakter Vertrag verstanden, der zu seiner Wirk-samkeit eines Rechtsgrundes bedarf, dazu Mugdan II (Fn. 11), Motive, S. 63. 82 RG Urteil v. 17.1. 1903- Rep. 1. 286/02 - RGZ 53, 296; Otto Palandt/Christian Grüneberg, BGB Kurzkom-mentar, München 2013, § 397 Rz 2, 8. 83 So richtig Palandt/Grüneberg (Fn 82), § 397 Rz 2. 84 Peter Marburger, Das kausale Schuldanerkenntnis als einseitiger Feststellungsvertrag, Köln 1971, S. 35 ff.; dagegen zutr. Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, (Fn. 79), S. 204 f. 85 Wolfgang Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, Tübingen 2003, S. 9 f.; dagegen zutr. Erik Eh-mann, Schuldanerkenntnis und Vergleich (Fn. 79), S. 204 f.

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der Form des § 518 II, solange es nicht erfüllt ist; und auch wenn es schon erfüllt ist, aber das Erfüllungsgeschäft mit dem Grundgeschäft iS des § 139 verbunden ist, insbesondere also wenn eine Trennung zwischen Grundgeschäft und Erlass überhaupt nicht ersichtlich ist. Wie leicht zu verstehen ist und einige höchst- und obergerichtliche Entscheidungen86 auch deutlich machen, können solche nachträglichen Vertragsänderungen zum Missbrauch führen, wenn der wirtschaftliche Stärkere den Schwächeren, der aber schon viel in das Geschäft in-vestiert hat, zu einer Vertragsänderung zwingt, weil der Schwächere ansonsten noch mehr verlieren würde. Derartige Änderungen können in solchen Fällen nicht durch eine „Feststel-lungscausa“ oder einen „Anpassungszweck“ als gerechtfertigt angesehen werden und müssen, sofern das vorstehend dargelegte dogmatische Instrumentarium nicht ausreicht und auch die Qualität einer Nötigung im Sinne des § 123 noch nicht erreicht ist, jedenfalls über § 242 nach Treu und Glauben sachgerecht ausgeglichen werden. 7. Zur iusta causa traditionis und zum Abstraktionsprinzip muss ich mich aufgrund der gege-benen Umfangsbeschränkung gleichfalls auf einige wenige Bemerkungen zum Kern der Sa-che beschränken. Unter dem Abstraktionsprinzip zu verstehen ist die Rechtswirkung, wonach das abstrakte Rechtsgeschäft (die Leistung oder das Leistungsversprechen), unabhängig von der Erreichung seines Zwecks oder auch unabhängig von der Zweckvereinbarung, rechtswirk-sam ist, aber kondizierbar ist und bleibt, wenn der vereinbarte Zweck nicht erreicht wurde oder eine Zweckvereinbarung gar nicht zustande gekommen ist. Eine derartige Abstrahierung einer Leistung oder eines Leistungsversprechens von der Zweckvereinbarung und/oder der Zweckerreichung dient der Rechtssicherheit des Empfängers der Leistung oder des Leistungs-versprechens und ist daher bei allen Rechtsgeschäften zwingend, die nicht unter einer Bedin-gung abgeschlossen werden können, insbesondere also der Übertragung von Grundstücksei-gentum (§ 925 II) sowie der Bestellung eines Erbbaurechts (§ 1 IV ErbbauG) und vor allem der Zahlungsversprechen durch Wechsel und Scheck (Art. 1 Nr. 2 WG; § 1 Nr. 2 ScheckG). Auch diese notwendig abstrakten Rechtsgeschäfte können jedoch gegenüber dem Vertrags-partner als rechtsgrundlos kondiziert werden, wenn keine wirksame Zweckvereinbarung zwi-schen den Parteien vereinbart oder der vereinbarte Zweck nicht erreicht werden konnte. Jede Leistung und jedes Leistungsversprechens bedarf entweder zur Begründung oder (abstrakte Leistungen oder Leistungsversprechen) zumindest zu ihrem Fortbestand einer wirksamen Zweckvereinbarung und deren Erreichung, ansonsten sind sie, als kausale oder akzessorische Leistungen oder Leistungsversprechen ipso iure unwirksam oder als abstrakte Leistungen und Leistungsversprechen, sofern sie nicht unter deren Bedingung abgeschlossen wurden, man-gels eines rechtlichen Grundes kondizierbar. Zweckvereinbarung und Zweckerreichung bil-den den rechtlichen Grund einer Leistung im Sinne des § 812 I 187. Gibt der Erwerber einen 86 BGH 11. 10. 1994XI ZR 18/94, BGH NJW 1995, 961; OLG München 2. 10. 1996 – 7 U 3605/96 , OLG Mün-chen WM 1998, 143; dazu Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, (Fn. 79), S. 210 f. 87 Vielfach wird in der deutschen Literatur allerdings behauptet, rechtlicher Grund einer Leistung sei die Forde-rung, die mit einer Leistung erfüllt werden soll. Diese Auffassung ist aber nur vertretbar unter der Vorausset-zung, dass jede Leistung zur Erfüllung erfolgen muss und also jeder Leistung ein Verpflichtungsgeschäft oder eine sonstige rechtliche Verpflichtung vorgeschaltet sein müsse; dagegen schon Savigny (Fn. 37), Obligationen-recht II, S. 256 f; anders aber unrichtig Stampe, Grundriss der Wertbewegungslehre, 1. Teil Tübingen 1912; 2. Teil Tübingen 1919; dagegen H. Ehmann, Gesamtschuld (Fn. 15), S. 163 f.). Auf dieser Wertbewegungslehre Stampes beruht auch die Erfüllungslehre seines Schülers Boehmer (Fn. 32), Der Erfüllungswille; Boehmers Erfüllungslehre hat sich später Larenz (Fn. 67) zu Eigen gemacht, ASchuR, 9. Aufl. 1968; dagegen H. Ehmann, JZ 1968, 549 ff; daraufhin etwas verändert Larenz (Fn. 67), ASchuR, 10. -14. Aufl. § 18, S. 235 ff. mit der Folge vieler Widersprüchlichkeiten, dazu unten III 2. Die Behauptungen von Larenz zur Problematik der Erfüllung sind unhaltbar, jede Leistung kann zwar zur Erfüllung eines Leistungsversprechens und der dadurch erzeugten Forderung erbracht werden, aber auch ohne vorhergehendes Versprechen und nicht nur zur Erfüllung einer For-derung, sondern zu anderen Zwecken erfolgen, z.B. ein Bürgschaftsversprechen zur Sicherung einer Forderung ohne vorhergehendes Versprechen einer solchen Bürgschaft oder auch eine Sicherungsübereignung zum Zwecke

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rechtsgrundlosen Wechsel oder Scheck zur Zahlung an einen Dritten weiter oder übereignet er das rechtsgrundlos erworbene Grundstück an einen Dritten, so hat der rechtsgrundlos Leisten-de gegen diesen Dritten jedoch keinen Rechtsanspruch, weil die Rechtsgrundlosigkeit, also der Bereicherungsanspruch nur gegen den unmittelbaren Vertragspartner gerichtet ist. Die Übereignung beweglicher Sachen, die Übertragung von Forderungen und andere Rechts-begründungen und Rechtsübertragungen, die abstrakt vorgenommen werden können (jedoch grundsätzlich nicht müssen), sind jedoch nicht bedingungsfeindlich, und können daher zwar abstrakt erfolgen, müssen es aber nicht, können daher unter eine Bedingung gestellt werden, was für den Eigentumsvorbehalt des Verkäufers bis zur Zahlung des Kaufpreises im Zweifel zu vermuten ist (§ 449). Die Eigentumsübertragung beweglicher Sachen und Forderungsabtre-tungen können daher unter der Bedingung des Bestehens einer dahingehenden Forderung also kausal geleistet werden. Auch die sog. akzessorischen Sicherungsrechte (Bürgschaft, §§ 765, 767; Hypothek, § 1113; Pfandrecht, § 1205) setzen die Vereinbarung des Sicherungszwecks (causa fiduciae) voraus und sind und bleiben von der Erreichung dieses Zwecks abhängig, erlöschen also mit der Erfüllung der gesicherten Forderung. Jede abstrakte Eigentums- oder sonstige Rechtsbegründung oder Rechtsübertragung ist und bleibt jedoch – auch wenn sie bedingungsfeindlich ist – von einer tragfähigen Zweckvereinbarung und deren Erreichung abhängig. Daher bilden Zweckvereinbarung und Zweckerreichung den rechtlichen Grund im Sinne des § 812 I88 einer jeden abstrakten Zuwendung, sowohl einer abstrakten Leistung (Übereignung, Forderungsabtretung) als auch eines abstrakten Leistungsversprechens (§ 780, 781, Scheck und Wechsel)89 und sind daher kondizierbar, wenn kein hinreichender rechtmä-ßiger Zweck vereinbart wurde, insbesondere ein Dissens über den Zweck besteht oder der vereinbarte Zweck nicht erreicht wurde. Im römischen Recht war infolge der Antinomie zwischen Julian (D. 41.1.36) 34 und Ulpian (D. 12.1.18) streitig, ob Eigentum übergeht, wenn Geld gegeben wird in der Absicht, es zu schenken, der Empfänger es aber als Darlehen annimmt. Dieser Streit wirkt bis heute nach, hat aber nur selten noch größere praktische Bedeutung90. Kreß91 meinte noch, dass im Falle der Übereignung einer beweglichen Sache im Zweifel nur von der Zweckerreichung abstra-hiert werde, nicht aber von der Zweckvereinbarung, so dass im Zweifel das Eigentum der zur Erfüllung einer dahingehenden Forderung geleisteten Sache auf den Empfänger zwar auch der Sicherung einer Forderung ohne dahingehendes vorhergehendes Versprechen zu solcher Sicherheitsleistung; auch eine Kaufpreiszahlung in einem Handkauf (Realvertrag; dazu Mugdan II (Fn. 11), Protokolle, S. 767; dazu oben II 4b) ohne vorhergehendes Leistungsversprechen von Käufer und Verkäufer. Es können auch abstrakte Leistungen (z.B. Geschäftsanteile gegen eine abstrakte Schuldverschreibungen, RGZ 119,12) gegeneinander getauscht werden; in solchem Falle muss eine Leistungsstörung nicht über §§ 320 ff., sondern über Bereiche-rungsrecht abgewickelt werden; dazu unten V. Im Fall einer Schenkung ist sogar die Regelung ausdrücklich gesetzlich festgelegt, dass eine Schenkung ohne dahingehendes Versprechen causa donandi, nicht nur causa solvendi zur Erfüllung eines Schenkungsversprechens gemäß § 518 erfolgen kann, sondern auch als Handschen-kung gemäß § 516; das erkennt auch Larenz (Fn 33, BSchuR, S. 200), meint aber bei der Leihe müsste jeder leihweisen Hingabe eines Gegenstands notwendig eine Verpflichtung vorausgehen (S. 294 aaO), wäre das rich-tig, so wären die allermeisten Leihverträge rechtsunwirksam. 88 Kreß (Fn. 33), ASchuR, § 5 Nr. 2c, S. 47; ders (Fn. 71), BSchuR, § 35 Nr. 1b u. c, S. 330 f; dazu H. Ehmann, Über den Begriff des rechtlichen Grundes, NJW 1969, 398 ff; Franz Schnauder, Grundfragen zur Leistungskon-diktion bei Drittbeziehungen, Berlin 1981, S. 35 ff. 89 Es ist wohl überflüssig festzustellen, dass ein kausales Leistungsversprechen von der Vereinbarung und Errei-chung kausal abhängig ist und bleibt, entsprechendes gilt für kausale Zuwendungen z.B. für die sog. akzessori-schen Sicherungsrechte des Faustpfandrechts und der Hypothek. Sind abstrakte Leistungsversprechen (z.B. das Schuldanerkenntnis) oder abstrakte Zuwendungen (Übereignung, Forderungsabtretung unter eine Bedingung gestellt, sind sie damit auch „kausal“ von dieser Bedingung abhängig. 90 Dazu H. Ehmann, Gesamtschuld (Fn. 15), S. 156 ff. mwN; (Fn. 32), § 5, S. 49 Fn 36; sowie Savigny (Fn. 36), Obligationenrecht II, S.255 f. 91 (Fn.33), ASchuR, § 5 Nr. 2c, S. 48 f.

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dann übergeht, wenn die Forderung, die damit erfüllt werden sollte, nicht rechtswirksam be-standen hat, aber dann nicht übergeht, wenn der Empfänger die Sache, weil er die Unwirk-samkeit der Forderung kannte, erklärtermaßen als Geschenk annehmen wollte. Aufgrund der inzwischen im Dritten Reich und der danach eingetretenen Trivialisierung des Schuldrechts (durch Larenz u.a.) ist jedoch die dem „gesunden Volksempfinden“ fremde Meinung vorherr-schend geworden, dass auch die Eigentumsübertragung einer beweglichen Sache stets nicht nur von der Zweckerreichung, sondern auch, sofern sie nicht unter einer Bedingung erfolgen, von der Zweckvereinbarung abstrahiert sei. III. Erfüllungslehre 1. Grundsätze der Erfüllungslehre: Die in Deutschland zum Begriff der Erfüllung herrschen-de Lehre meint auf der Grundlage der Erfüllungslehre Boehmers92, die Larenz93 ohne die um-fangreichen Einschränkungen Boehmers übernommen hat, dass Erfüllung eintrete, wenn der Gläubiger das Geschuldete erhalte, einer Erfüllungszweckvereinbarung und deren Erreichung bedürfe es grundsätzlich nicht, weil jeder Leistung ein Leistungsversprechen vorausgehe und es daher keinen anderen Zweck als den Erfüllungszweck (causa solvendi) geben würde; nach dieser Irrlehre bedarf es „eigentlich“ auch des Erfüllungszwecks nicht mehr, weil jeder Leis-tung eine Verpflichtung vorausgehen soll und damit jede Leistung notwendig zur Erfüllung erfolgt. Diese Auffassung ist freilich unhaltbar. Richtig ist dagegen, dass eine kondiktionfeste Übereignung einer Zweckvereinbarung und deren Erreichung als Rechtsgrund iS des § 812 I 1 1.Alt. bedarf. Richtig ist auch, dass im Falle eines Dissenses in der Zweckvereinbarung – wenn z.B. der Gläubiger die zur Erfüllung angebotene Sache als Geschenk annimmt (und die Eigentumsübertragung nicht nur von der Zweckerreichung, sondern auch von der Zweckver-einbarung abstrahiert ist) – die Forderung nicht erfüllt wird, sondern ein Bereicherungsan-spruch auf Rückübereignung gegeben ist. Nimmt der Empfänger die zur Erfüllung angebotene Sache auch als Erfüllung an, besteht die Forderung, die erfüllt werden sollte aber nicht, so ist im Falle abstrakter Übereignung gleichfalls die Kondiktion auf Rückübereignung gegeben, weil der Zweck der Leistung nicht erreicht wurde. Verkürzt man diese Begründung nach Art der condictio indebiti auf die Tatsache, dass der Gläubiger nicht die geschuldete Leistung er-halten hat, so kann dies nur für Leistungen gelten, die zum Zwecke der Erfüllung erbracht wurden. Deswegen kannte das römische Recht für die Fälle von Leistungen, die nicht zur Er-füllung einer Schuld erbracht worden waren, auch noch andere Kondiktionstatbestände (causa data non secuta, ob turpem causa etc.) und hatte keinen allgemeinen Anspruch für rechts-grundlose Leistungen entsprechend § 812 I 1 1. Alt. (Leistungskondiktion) und daher auch keinen allgemeinen Rechtsgrundbegriff, näheres dazu unten IV. Weil ich die Problematik der Erfüllung schon ausführlich in meinem Aufsatz über die Funktion der Zweckvereinbarung bei der Erfüllung94 dargestellt, einiges auch schon oben dazu bemerkt habe, was durch die Erwi-derung von Larenz und deren Wiederholung in Lehrbüchern und Kommentaren auch nicht widerlegt wurde95, skizziere ich im Folgenden nur die wesentlichen Grundsätze der auf den

92 Erfüllungswille (Fn. 32). 93 ASchuR (Fn. 67), § 18 I-IV. 94 Horst Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 549 ff. 95 Zum Stand der heutigen Meinungen (K. Larenz (Fn. 67), ASchuR § 18 I-IV folgend u.a.: Palandt/Grüneberg (Fn. 82), § 362 Rz 1; Erman/Petra Buck-Heeb (Fn. 63), § 362 Rz 2 mwN; Esser (Fn. 20), Schuldrecht, § 70; Dirk Loschelders, Allgemeines Schuldrecht, 9. Aufl. 2011, § 19; Dieter Medicus/Stephan Lorenz, Schuldrecht I, 18. Aufl. 2008, § 23; Frank Weiler, Allgemeines Schuldrecht, 2013, § 13; dagegen (teils beschränkt auf rechts-geschäftliche Leistungen) v. Tuhr (Fn. 7), AT II 2, S. 91 Fn 174; ders.(FN. 32 Obligationenrecht, § 55, S. 409 um Fn 37; Ludwig Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse, 10. Aufl, Marburg 1927, § 283; Hugo Kreß (Fn. 32), ASchuR, § 20 Nr. 1-5; Rudolf Henle, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II. Schuldrecht, Rostock 1934 § 66; Arwed Blomeyer, Allg. Schuldrecht, 4. Aufl. Berlin/Frankfurt 1969, S. 227 f; Wolfgang Fikentscher/Andreas Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl, Berlin 2006, §§ 38, 39; Gesa Kim Beckhaus (Fn. 67), Erfüllung. Den Auto-

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vorstehenden Prinzipien zur Zwecklehre entwickelten Erfüllungslehre, die zum Verständnis der nachstehenden Prinzipien des Bereicherungsrechts erforderlich sind. 2. Erfüllungsleistung eines Dritten, an einen Dritten und an Erfüllungs statt Wenn der Schuldner dem Gläubiger ein einzige Leistung schuldet (z.B. 133,57 €) und ihm abgezählt dieses Geld übergibt und auch keinerlei Zweifel bestehen kann, dass diese Leistung zum Zwecke der Erfüllung erfolgt, so bedarf es selbstverständlich auch keiner ausdrücklichen Erfüllungszweckvereinbarung zur Erfüllung dieser Schuld96. Auch nach der Theorie Boeh-mers soll die bloße Zahlung der geschuldeten Leistung die Erfüllung nur bewirken können, wenn sie vom Schuldner unmittelbar an den Gläubiger erbracht wird: „Sobald aber der Schuldner in irgendeinem Punkt vom Inhalt seiner Leistungspflicht abweicht, so ist – nach der Lehre Boehmers97 – ein Erfüllungsvertrag unentbehrlich“. Dem stimmt auch Larenz allge-mein zunächst zu mit dem Satz: „Danach genügt zur Erfüllung in den meisten Fällen, dann nämlich, wenn der Bezug auf die bestimmte Schuldordnung offenkundig ist, die Herbeifüh-rung des Leistungserfolgs durch eine Leistungshandlung des Schuldners, die in jeder Weise der geschuldeten entspricht“ (S. 238). … Will er mit der Zuwendung nicht seine Schuld erfül-len, obgleich sie ihr inhaltlich entspricht, sondern einen anderen rechtlichen Zweck verfolgen, etwa eine Schenkung machen oder Kredit gewähren, … so nimmt er der angebotenen Leis-tung den Charakter einer Schuldtilgung; die Erfüllungswirkung tritt nicht ein“ (S. 241). Das entspricht den Auffassungen Boehmers und Kretschmars, die ihre Erfüllungslehre gleichfalls auf den Fall beschränkt haben, dass nur eine einzige Forderung des Empfängers gegen den Leistenden besteht und keinerlei Grund dafür, dass die Leistung zu einem anderen als dem Erfüllungszweck erbracht sein könnte oder sollte. Anders als Boehmer und Kretschmar nimmt jedoch Larenz nicht einmal seine eigenen Prämissen ernst und erklärt widersprüchlich zu dem vorgenannten Grundsatz, „einer besonderen ‚Erfüllungsannahme bedarf es daneben - neben der tatsächlichen Leistung oder der Übereignung (§ 929) - nicht98 und verneint es in den Fäl-len der Leistung eines Dritten gemäß § 267, der Leistung an einen Dritten gemäß §§ 362 II, 182 sowie im Falle des Bestehens mehrerer Forderungen (§ 366). Zur Begründung behauptet Larenz unglaublicher Weise: „Die Fraglichkeit der ‚Zweckverein-barung’ (im Sinne Ehmanns und Weitnauers) wird schon daraus deutlich, dass diejenigen, die sie fordern, sich doch mit stillschweigenden Erklärungen zufrieden geben. Die Theorie der realen Leistungsbewirkung verzichtet daher auf sie99“. Mit derselben Begründung könnte man für jede vertragliche Leistung und jedes vertragliche Leistungsversprechen die Vertragsnatur (§§ 241, 311, nicht 311 b) und das Erfordernis eines Vertragsschlusses (§§ 145 ff.) bestreiten, weil grundsätzlich jeder Versprechens- und sonstiger Vertrag, auch jede dingliche Einigung (§ 873, nicht § 925, aber § 929) stillschweigend geschlossen werden können und oft auch so ren, die für Unterlassungen und rein tatsächliche Leistungen, insbes. Dienst- und Arbeitsleistungen (für Werk-verträge gilt § 640) keine Erfüllungszweckvereinbarung für erforderlich halten, ist insoweit zuzustimmen, als in diesen Fällen in aller Regel das Schuldverhältnis zwar nicht durch Erfüllung, aber durch „Zweckerreichung“ (iS. Essers (Fn. 20, SchuR) nicht iS des hier verwendeten Begriffs) erlischt; das kann aber keinesfalls für Geldleis-tungen gelten. 96 In solchem Fall wäre eine ausdrückliche Erfüllungszweckvereinbarung in der Tat „unnötiges Gerede“ oder „Unsinnigkeit“ oder eine „absurde Vertragstheorie“ und „begriffslogische Fehlkonstruktion“ und was sonst noch an „Kraftworten“ Boehmer (Erfüllungswille, Fn. 64) gebraucht hat (zusammengestellt von Heinrich Lehmann, in: Ludwig Enneccerus/Heinrich Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 14. Aufl, Tübingen 1954, S. 251), um mangels brauchbarer Argumente, seine Irrlehre zu begründen; dazu H. Ehmann (Fn. 17), JZ 68, 549, 554 f. Larenz zieht aus der Möglichkeit stillschweigender Vereinbarung unglaublicher Weise den Schluss, dass eine Vertragsvereinbarung überhaupt nicht nötig sei; dazu unten um Fn 99. 97 Boehmer, Erfüllungswille (Fn 32), S. 47; ebenso Kretschmar, Erfüllung (Fn. 67), S. 122; dazu H. Ehmann (Fn. 17), JZ 1968, 549 ff., 554 f. Fn 50, 59-64 f. 98 (Fn. 67), ASchuR, 14. Aufl, S. 239. 99 (Fn. 67), ASchuR, 14. Aufl, S. 238.

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geschlossen werden, z.B. der Kaufvertrag (Real- oder Versprechensvertrag) und die Eigen-tumsübertragung (§§ 433, 929) beim Einkauf im Supermarkt. Diese Argumentation verrät die ganze auf „konkretem Ordnungsdenken“ beruhende, jeden Parteiwillen zu Gunsten objektiver Kriterien verdrängende Methode, die das Rechtsdenken von Larenz auch schon zu Zeiten von „Vertrag und Unrecht“ geprägt haben, auch hinsichtlich der auf Privatautonomie beruhenden Verträge und sonstiger Rechtsgeschäfte100. Boehmer hat demgegenüber in weitgehender Übereinstimmung mit Kretschmar ausdrücklich erklärt, dass in jedem Falle einer Abweichung der erbrachten Leistung von der geschuldeten Leistungspflicht eine Erfüllungszweckvereinba-rung (causa solvendi) erforderlich sei. Als solche „Abweichung“ von der Leistungspflicht, welche eine – zumindest stillschweigende – Erfüllungszweckvereinbarung und deren Errei-chung notwendig macht, wurden von Boehmer und Kretschmar ausdrücklich folgende Arten der Erfüllung genannt: Die Leistung eines Dritten gemäß § 267101; die Leistung an einen Dritten, §§ 362 II, 185102; die Leistung an Erfüllungs Statt gemäß § 364 I103 oder erfüllungshalber; schließlich eine Leis-tung in Fällen, in denen der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher For-derungen ausreicht (§ 366 I). Die Regelung des § 366 I bestimmt jedoch nicht ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich des Zwecks der Leistung, setzt vielmehr eine Erfüllungs- 100 Vgl. Karl Larenz, Vertrag und Unrecht, 1. Teil: Vertrag und Vertragsbruch, Hamburg 1936; 2.Teil: Die Haf-tung für Schaden und Bereicherung, Hamburg 1937; ders, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl.1969; dagegen Bernd Rüthers, Rechtstheorie, 2. Aufl. 2005 Rz 69; 148 b ff.; 806-815 und öfters; Hans-Martin Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981 Rz 96, 143 und öfters. 101 Erfüllungswille (Fn 32), S. 22, 74, 86 f.; ähnlich Kretschmar (Fn 67), S. 130; dazu bemerkt Larenz (Fn. 32), ASchuR, 14. Aufl, S. 240: „Einer ausdrücklichen Zweckbestimmung durch den Leistenden – aber nicht eines Erfüllungsvertrages – bedarf es allerdings dann, wenn ein Dritter anstelle des Schuldners leistet, also in den Fällen der §§ 267, 268, sowie immer dann, wenn sonst Zweifel bestehen“. Andererseits muss Larenz aber zuge-stehen, dass eine negative Tilgungsbestimmung des Schuldners wenn er also die geschuldete Geldleistung als Kaufpreis für eine andere Sache anbietet die Erfüllung ausschließe (aaO, S 241); das gebiete die Privatautono-mie. Ebenso gebietet die Privatautonomie aber auch, dass der Gläubiger eine Forderung nur zu dem Zweck rechtmäßiger Weise annehmen kann, zu dem sie ihm angeboten wird, weil ansonsten im Falle einer rechtsge-schäftlichen kausalen Leistung oder eines kausalen Leistungsversprechens der Leistungsgegenstand nicht auf den Leistungsempfänger übergeht oder im Falle einer abstrakten Leistung kein Behaltensgrund besteht und daher die Kondiktion gerechtfertigt ist. Larenz denkt seinen eigenen Gedanken nicht zu Ende und stellt von Fall zu Fall verschiedenartige Behauptungen auf. 102 Boehmer (Fn 32), S. 75; Kretschmar, JherJb 85, 190; nach Larenz (Fn 60), ASchuR (S. 240, 244 f.) soll es im Fall der Leistung an einen Dritten genügen, dass der Dritte „empfangszuständig“ sei, dass also der Gläubiger ihm die Genehmigung zur Annahme als Erfüllung erteilt habe, eine Erfüllungszweckvereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Dritten sei jedoch nicht erforderlich, auf mein dagegen gebildetes Beispiel (JZ 1968, 555 Fn 70; dazu oben II 1d (1)) einer Leistung an den Dritten zu anderen Zwecke als zur Erfüllung der Schuld, für wel-che der Dritte „empfangszuständig“ ist, geht Larenz nicht ein, weil er ansonsten seine Behauptung nicht aufrecht erhalten könnte. Er sagt aber andererseits (aaO. S. 241) wie schon in Fn 101 zitiert, dass eine „negative Til-gungsbestimmung“ zu beachten sei, also die Erfüllung ausschließe, die bloße „Empfangszuständigkeit“ genügt also zu Erfüllung nur, wenn der Schuldner die Leistung offensichtlich zur Erfüllung erbringt, aber nicht, wenn er sie zu einem anderen Zweck erbringt. Also ist letztlich doch eine Erfüllungszweckvereinbarung erforderlich. Larenz widerspricht sich selbst und merkt es nicht. Die Larenz’schen Erfüllungsvoraussetzungen, lassen eine Erfüllung also nur eintreten, wenn der Schuldner offensichtlich zu keinem anderen Zweck als zur Erfüllung zahlt und der Gläubiger sie ebenso offensichtlich auch zu keinem anderen Zweck annehmen will; in solchem Fall tritt in der Tat Erfüllung ein, weil es keiner ausdrücklichen Erklärungen bedarf. 103 Boehmer (Fn 67), S. 74; Kretschmar (Fn 67), 122; für die Leistung an Erfüllungs Statt fordert auch Larenz (Fn 67, ASchuR, S 247 f.) „einen den Leistungsakt begleitenden besonderen Vertrag darüber, dass diese Leis-tung an Erfüllungs Statt gegeben und angenommen werde“; es sei daher Geschäftsfähigkeit auf beiden Seiten erforderlich. Er will diesen Vertrag jedoch nicht Erfüllungszweckvereinbarung nennen, vielmehr sich der „Theo-rie des Erfüllungsvertrags“ von Manfred Harder (Die Leistung an Erfüllung Statt, Berlin 1976) anschließen. Zur Leistung erfüllungshalber kann Larenz (ASchuR, Fn 60, S. 250) es nicht vermeiden, in der Übernahme einer neuen Verbindlichkeit eine „Abrede“ zu erkennen, die er aber nicht näher kennzeichnet; vielleicht versteht er darunter ein „Abstreiten“, wie „in Abrede stellen“. Im Allgemeinen heißt „Abrede“ freilich Vereinbarung; im gegebenen Fall also Erfüllungszweckvereinbarung.

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zweckvereinbarung voraus104 und gewährt dem leistenden Schuldner lediglich das Recht, ein-seitig zu bestimmen, zu welcher der mehreren Forderungen die Leistung erbracht sein soll, weil ansonsten der Gläubiger die Bestimmung des Schuldners ablehnen und den Bereiche-rungsanspruch des Schuldners mit der Forderung „verrechnen“ (aufrechnen) könnte, die er selbst für richtig hält, und damit das Bestimmungsrecht auf den Gläubiger übergehen würde, was eindeutig dem Gesetz widerspricht105. Die an einen anderen Ort als dem Erfüllungsort oder zur anderen Zeit erbrachten Leistungen oder Teilleistungen oder Überweisungen106 auf Konto statt Barzahlung bedürfen gleichfalls einer Zweckvereinbarung. Die abweichenden Auffassungen von Larenz zu diesen verschiedenen Formen der Erfüllung sind in vorstehenden Fußnoten genannt, verdienen wegen ihrer offensichtlichen Widersprüchlichkeit aber keiner weiteren Beachtung. IV. Ungerechtfertigte Bereicherung 1. Zur Unterscheidung von Leistungs- und Eingriffskondiktion: Im Bereicherungsrecht ist zu unterscheiden zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktionen. Nur Leistungen und Leistungs-versprechen sind gemäß § 812 I 1 1.Alt. abhängig von ihrer causa (ihrem „rechtlichen Grund“, d.h. einem wirksam vereinbarten Zweck und seiner Erreichung), eine nicht durch eine Leistung oder ein Leistungsversprechen, sondern „in sonstiger Weise“ (§ 812 I 12. Alt.) nicht „kraft des Willens oder nicht kraft des rechtsgültigen Willens“ (§ 748 E I) des Entrei-cherten entstandene Bereicherung eines anderen kann selbstverständlich nicht durch den vom Entreicherten verfolgten „Zweck“ gerechtfertigt werden, deswegen kann dieser auch nicht den Rechtsgrund im Sinne der Erreichung eines vereinbarten Zwecks bilden; eine Bereicherung ist in solchem Falle vielmehr gegeben, wenn die Vermögensverschiebung „im Widerspruch zur Rechtsordnung steht“ (Wilburg107), einfacher gesagt, wenn sie rechtswidrig ist; z.B. wenn A ein ihm nicht gehörendes, von ihm entliehenes Buch an X für 10 € verkauft, so ist er rechtswidrig auf Kosten des Eigentümers A bereichert und muss diese Bereicherung gemäß § 816 I an A herausgeben. Ebenso kann eine unberechtigte Nutzung einer Sache oder eines Rechts eine Eingriffskondiktion begründen z.B. wenn ein Unternehmer S das Bild eines be-kannten Schauspielers G ohne dessen Einverständnis zu Reklamezwecken benutzt108. In sol-chem Falle hat G nichts an S geleistet, vielmehr S in die Rechte des G eingegriffen und sich dadurch ungerechtfertigt bereichert, weshalb er die übliche Vergütung für eine derartige rechtswidrige Rechtsnutzung als ungerechtfertigte Bereicherung bezahlen muss. Solche Ein-griffskondiktionen sind nicht sine causa (ohne rechtlichen Grund) gegeben, sondern wenn die Bereicherung rechtswidrig („ohne oder gegen den Willen des Entreicherten“ oder „auf dessen

104 RG 18. 3. 1905, Rep. I 574/04, RGZ 60, 284, 290. 105 So auch schon Bernhard Windscheid vor dem Inkrafttreten des BGB, Lehrbuch des Pandektenrechts II, 7. Aufl. 1891, § 343 Fn 2c; dem folgend H. Ehmann, JZ 1968, 549, 550 um Fn 6-8. Larenz (Fn. 67, 14. Aufl. S. 241ff.) meint dagegen, die Regelung des § 366 Abs. 1 wäre überflüssig, wenn es zum Eintritt der Tilgungswir-kung stets einer Tilgungsbestimmung des Schuldners oder gar eines ‚Zuordnungsvertrags’ bedürfte; die Til-gungsbestimmung durch den Schuldner erfolge, wo sie erforderlich ist, durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Gläubiger (insoweit stimme er Wieling, JZ 77, 291 und Münch/Heinrichs § 366 Rz 9 sowie Staudinger/Kaduk § 366 Rz 21 zu). Das alles ist und bleibt wie schon Windscheid zutreffend erkannte offensichtlich unrichtig. 106 Dazu Kretschmar, (Fn 67), Erfüllung, S. 122 und JherJb 85, 204; auf die Probleme der Leistung an anderem Ort oder zu anderer Zeit oder Teilleistungen geht Larenz nicht ein, seine Bemerkungen zur Geldleistung durch Überweisung genügen nicht mehr den heute geltenden Grundsätzen; die genannten Abweichungen von der Leis-tungspflicht sind grundsätzlich als Leistung an Erfüllung Statt zu verstehen; im Falle einer Banküberweisung erklärt sich der Gläubiger in der Regel durch Angabe seines Bankkontos im Voraus mit dieser Art der Erfüllung einverstanden. 107 Walter Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung nach öster. und dt. Recht, Graz 1934. 108 Dazu BGH 28. 5. 1956 – I ZR 62/54, BGHZ 20, 345 = NJW 1956, 1554; BGH 14. 4. 1992 – VI ZR 285/91, BGH NJW 1992, 2084.

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Kosten“) geschehen ist. Nur der rechtliche Grund einer Leistung oder eines Leistungsverspre-chens wird durch den mit der Leistung einverständlich verfolgten Zweck und dessen Errei-chung gebildet, eine Eingriffskondiktion soll dagegen eine rechtswidrige Vermögensverschie-bung ausgleichen, die nicht schuldhaft zu sein braucht, aber nicht durch eine Leistung erfolgt ist. 2. Leistungskondiktion im Zweipersonenverhältnis. a) Dissens und Nichterreichung des Erfül-lungszwecks: Zweck einer Leistung oder eines Leistungsversprechens kann einer der drei ty-pischen Zwecke sein, denen aber auch noch ein atypischer Zweck angefügt worden sein kann, dessen Nichterreichung dann auch den Kondiktionsanspruch begründet. Häufigster und auch wichtigster – aber nicht der einzige! – Zweck einer Leistung ist der Erfüllungszweck. Leistet der Schuldner zur Erfüllung einer bestimmten Forderung und nimmt der Gläubiger die Leis-tung als Geschenk an oder zur Erfüllung einer anderen Forderung (s.o. zu III 1 zu § 366 I), so ist 1. eine Leistungskondiktion gegeben, wenn Leistender und Leistungsempfänger sich über den Zweck der Leistung nicht einig geworden sind; 2. eine Leistungskondiktion gegeben, wenn der Leistungszweck nicht erreicht wurde, weil die Forderung, zu deren Erfüllung geleistet wurde, nicht bestanden hat. Die vielfach vertretenen Auffassung, Rechtsgrund einer Leistungskondiktion sei das Nichtbe-stehen der Forderung, die mit der Leistung erfüllt werden sollte, erfasst nur den Fall der Nichterreichung des vereinbarten Leistungszwecks (2.), aber auch nur, wenn die Leistung zum Zwecke der Erfüllung erbracht wurde, nicht aber die Fälle in denen die Leistung zum Zwecke der Sicherung erfolgte oder zu einem anderen Zweck; ferner erfasst diese Formel auch nicht die Fälle eines Dissenses in der Zweckvereinbarung (1.), ist also keine hinreichen-der Begriff des rechtlichen Grundes für die Fälle von Leistungskondiktionen, erfasst vielmehr nur den Fall der condictio indebiti, aber nicht den Fall eines Dissenses bezüglich des Zwecks der Leistung, und auch nicht den Fall der condictio causa data non secuta, der im deutschen BGB mit § 812 I 2 2.Alt eine eigenständige Regelung erfahren hat, gleichfalls aber eine Leis-tungskondiktion im hier verwendeten Sinne des Begriffs begründet. Im Fall eines Urteils des BGH109 errichtete A auf dem Grundstück des B, mit dem er bereits ein Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen hatte, ein Bauwerk, wissend, dass das Bauwerk damit gemäß § 96 zum Eigentum des B wird, solange dieser Eigentümer des Grundstücks ist. Der Kaufvertrag wurde jedoch aus vielerlei Gründen nicht vollzogen und der BGH gab der Klage des A auf Erstattung des Wertes, um die sich der Wert des Grundstücks durch das Bauwerk erhöht hatte, auf der Grundlage des § 812 I 2 2.Alt. statt, weil der Zweck der Leistung ein Bauwerk auf seinem eigenen Grundstück zu haben, mit dem B sich auch einverstanden erklärt hatte, nicht erreicht worden sei. Die Klage des A wäre jedoch auch auf der Grundlage der Leistungskon-diktion gemäß § 812 I 1 1. Alt. begründet gewesen, wenn man annimmt, dass vereinbart war, dass A auf dem Grundstück auch schon bauen darf, bevor die Umschreibung im Grundbuch erfolgt und er damit Eigentümer des Grundstücks samt Bauwerk (dessen Wert im Kaufpreis nicht enthalten war) wird und dieser Zweck nicht erreicht werden konnte, weil die Eigen-tumsübertragung am Grundstück scheiterte. Der Tatbestand des § 812 I 2 2.Alt. hat also einen

109 Urteil v. 22. 6. 2001 – V ZR 128/00 (Rostock), BGH NJW 2001, 3118. Auf den Tatbestand des §§ 951 für den Fall des Eigentumsübergangs einer beweglichen Sache durch Verbindung mit einem Grundstück oder einer anderen beweglichen Sache oder durch Vermischung oder Verarbeitung sei hingewiesen und hinzugefügt, dass dieser Tatbestand als Eingriffskondiktion keine Anwendung finden kann, wenn der Eigentumsübergang aufgrund einer Leistung oder zur Erfüllung eines Leistungsversprechens erfolgt und also nur gegeben ist, wenn die Leis-tung oder das Leistungsversprechen rechtsgrundlos im Sinne einer Leistungskondiktion waren, also der Zweck der Leistung oder des Leistungsversprechens nicht erreicht werden konnte (Subsidiaritätsgrundsatz).

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Sinn nur, wenn man den Sinn des § 812 I 1 1. Alt auf die condictio indebiti also auf den Fall beschränkt, in dem die zu erfüllende Forderung nicht bestanden hat. b) Mangel des Sicherungszwecks: Ein Anspruch aus § 812 I 1 1. Alt ist jedoch auch begrün-det, wenn eine Leistung nicht zur Erfüllung, sondern zur Sicherung einer Forderung erfolgt, wird z.B. die Übereignung einer Sache zur Sicherung einer Darlehensforderung geleistet und besteht die gesicherte Forderung nicht, weil sie wirksam angefochten wurde oder erlischt sie durch Erfüllung, so entsteht eine Leistungskondiktion auf Rückübereignung des Eigentums an der Sache, weil der Sicherungszweck nicht erreicht wurde oder weil er später durch Erfüllung der gesicherten Forderung entfallen ist. Zur Sicherungsübereignung ist es nicht erforderlich, dass die Sicherungsübereignung vom Eigentümer zuerst versprochen wird und das Eigentum an der Sache sodann zur Erfüllung dieses Sicherungsversprechens übertragen wird, eine sol-che Konstruktion ist zwar möglich, nicht selten oder gar überwiegend aber überflüssig, weil der Gläubiger nicht an einem Sicherungsversprechen, sondern zu seiner Sicherheit am Siche-rungseigentum interessiert ist und diese in aller Regel nicht durch reale Besitzübertragung gemäß § 929 erfolgt, sondern – weil der Sicherungsnehmer auf den Besitz seiner Maschinen und seiner Waren angewiesen ist – gemäß § 930 durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts und daher ebenso schriftlich im Büro des Gläubigers erfolgen kann, wie ein Sicherungsver-sprechen, das nachträglich noch erfüllt werden müsste110. Dass Sicherungsgeschäfte keiner vorhergehende Verpflichtungen zum Abschluss dieser Geschäfte bedürfen, zeigen die sog. akzessorischen Sicherungsrechte (Bürgschaft, Pfandrecht und Hypothek), die nur die Sicher-heitsleistung selbst (das Bürgschaftsversprechen des Bürgen, § 765; die Pfandbestellung ge-mäß § 1205; die Bestellung der Hypothek, §§ 873, 1113) für eine bestimmte Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner voraussetzen (§ 767), nicht aber eine vorhergehend rechtli-che Verpflichtung zu diesen Sicherheitsleistungen; solche der Sicherheitsleistung vorausge-hende Verpflichtungen zur Sicherheitsleistung sind zwar auch möglich, aber zumeist ebenso unnötig. Zahlt der Bürge auf seine Bürgenschuld, so geht die Forderung des Gläubigers ge-gen den Hauptschuldner auf ihn über (§ 774). Entsprechendes gilt gemäß § 1225, wenn der Verpfänder den Pfandgläubiger befriedigt und wenn die Forderung erlischt, für welche die Hypothek bestellt ist (§§ 1163, 1177). Ebenso kann auch die Sicherungsübereignung bewegli-cher Sachen statt nur zum Zwecke der Sicherung unter der Bedingung des Bestehens der gesi-cherten Forderung gemäß §§ 929, 930. 158 erfolgen und erlischt auch dann mit dem Erlö-schen der gesicherten Forderung ipso iure ohne je den tatsächlichen Besitzer gewechselt zu haben. c) Mangel des Austauschs- und des Schenkungszwecks: Eine Leistung kann nicht nur zu Ab-wicklungszwecken, also zur Erfüllung, zur Sicherung oder auf Grund eines Vergleichs erfol-gen, sondern auch zum Austauschzweck und zu einem Liberalitätszweck. Ein Dissens über den Austauschzweck oder dessen Nichterreichung geschieht allerdings zumeist auf der Ebene des Versprechensvertrags und ist daher ein Problem des genetischen und funktionellen Synal-lagmas, das im deutschen Recht ebenso wie in den meisten europäischen Rechtsordnungen eine sehr detaillierte gesetzliche Regelung (§§ 275 ff, 320-326) erfahren hat und daher in der Regel nicht mehr als bereicherungsrechtliches causa-Problem betrachtet wird111. Es gibt aber immer noch Fälle, der Verfehlung des Austauschzwecks, die bereicherungsrechtlicher Rege-lung bedürfen, weil auch heute noch gelegentlich Leistungen ohne vorhergehendes Verspre-chen gegeneinander ausgetauscht werden; es muss nicht jeder Leistung notwendigerweise ein Leistungsversprechen vorausgehe, das ergibt sich für unentgeltliche schenkweise Leistungen aus der Regelung des § 516, gilt aber auch für den Hand- oder Realkauf112 und den sonstigen 110 Vgl. die in Fn 75 zitierte Kontroverse zw. Rolf Serick u.a.; dazu H. Ehmann, Gesamtschuld (Fn. 15), S 349. 111 Vgl. dazu die Hinweise unter V. 112 Dazu oben II 4b.

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unmittelbaren Austausch von Gütern oder Dienstleistungen. Dass der Austauschzweck auch dann verfehlt werden, wenn die Leistungen, die gegeneinander getauscht werden sollen nicht unmittelbar getauscht sondern in einem Versprechensvertrag gegenseitig versprochen und dann zur Erfüllung des Versprechens geleistet worden sind, sondern Waren und sonstige Rechtsgüter ohne vorhergehendes Versprechen übereignet oder in sonstigen Rechtsformen übertragen oder bewirkt werden oder eine Rechtshandlung vorgenommen wird, die nicht ver-sprochen, sondern nur vollzogen werden kann (z.B. die Heirat) ist im obigen Fall des Guts-herrn unter II 5 bereits geklärt worden. In solchen Fällen wird der Leistungszweck auch ver-fehlt, wenn die Gegenleistung des anderen nicht erfolgt oder von Anfang an oder später un-möglich wird oder wegfällt. Eine Handschenkung kann dagegen nur im Falle eines Dissenses in der Zweckvereinbarung kondiziert werden, weil der Zweck schon mit der Vereinbarung erreicht wird. Ein Schenkungsversprechen bedarf dagegen der Erfüllung und der Mangel der Form wird durch die Erfüllung geheilt, das Schenkungsversprechen kann aber aus vielerlei sonstigen Gründen, z.B. wegen Irrtums oder Geschäftsunfähigkeit oder Sittenwidrigkeit un-wirksam sein, womit eine Kondiktion des zur Erfüllung geleistetem Gegenstands gegeben ist, sofern nicht auch die Eigentumsübertragung oder Forderungsabtretung rechtsunwirksam ist. d) Verfehlung angestaffelter Zwecke: Nicht zuletzt und auch nicht selten ist ein Leistungskon-diktion auch gegeben, wenn einem der genannten drei typischen Zwecke ein weiterer typi-scher Zweck (z.B. dem Austauschzweck des gegenseitigen Nachgebens der Abwicklungs-zweck des Vergleiches) oder ein atypischer Zweck (deren Art und Zahl unbegrenzt ist) aus-drücklich oder zwar stillschweigend, aber trotzdem eindeutig angestaffelt worden ist, jedoch nicht erreicht wurde. Oben113 schon genannt wurden (unter II) die gesetzlich geregelten Fälle des Vergleichs, der Ausstattung, des coronation-case, der Bürgschaft des Vaters zum Zwecke der Vermeidung einer Strafanzeige, Erfüllung einer angeblichen Forderung durch eine Frau, damit der Mann bei ihr bleibt. Die Aufzählung angestaffelter atypischer Zwecke lässt sich nahezu unendlich fortsetzen, weil die Zahl der Zwecke, die mit einer Leistung über den typi-schen Zweck hinaus einen speziellen weiteren Zweck verfolgen, letztlich unendlich ist, z.B. kann K sich eine Flasche Schnaps kaufen und dem Verkäufer erzählen, dass er Besuch erwar-tet und diesen betrunken machen will, um einen besonderen atypischen Zweck zu erreichen (welcher der Phantasie des Lesers überlassen bleiben soll). Solche Phantasien bleiben aber bloße Motive des Käufers, auch wenn er sie dem Verkäufer gegenüber äußert und dieser sie geduldig anhört, solange er nicht eindeutig erklärt oder in sonstiger Weise deutlich zu erken-nen gibt, dass er damit einverstanden ist, dass der Schnapskauf von deren Erreichung rechtlich abhängig sein soll. Letztlich ist die Voraussetzungslehre Windscheids aufgrund der Kritik Lenels an diesem Punkt gescheitert, weil Windscheid seinen Voraussetzungsbegriff von der bloßen Erkennbarkeit durch den Vertragspartner und nicht vom erklärten Willen des Leis-tenden oder Versprechenden und dessen Annahme durch den Leistungs- oder Versprechens-empfänger, was erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, abhängig machen wollte114. Ich Endigungstermine ich nur die ich Ihnen zwar Der Zweck darf freilich nicht rechts- oder sittenwidrig sein, weil ansonsten der Leistende die Leistung entsprechend § 817 S. 2 nicht zurückfordern kann. 3. Leistungs- und Eingriffskondiktion in Dreiecksbeziehungen: Wie oben zur Problematik der Erfüllung dargestellt kann eine bestehende Schuld nicht nur vom Schuldner, sondern auch von einem Dritten (§ 267) und auch durch eine Leistung an einen Dritten (§§ 362, 185) wirksam erfüllt werden. Auch kann eine bloße (zweckfreie) Zuwendung eines dazu angewiesenen Drit-ten (z.B. durch eine Überweisung der Bank B des Schuldners A) vom Gläubiger C als Leis- 113 Unter II 2 zur Staffelung der Zwecke; dazu H. Ehmann, Gesamtschuld (Fn. 15), S. 170 ff., 137 f. sowie S. 58, 123, 151,182, 235; ders. (Fn. 45), FS Beuthien, S 37 ff. 114 Vgl. oben um und in Fn. 94 und 95.

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tung des Schuldners A an Erfüllungs statt (§ 364 I) oder erfüllungshalber angenommen wer-den. Scheitern solche Leistungen eines Dritten oder an einen Dritten, so entsteht stets die Fra-ge, von wem der Leistende die rechtsgrundlose Leistung zurückfordern kann. Grundsätzlich kann auch in Dreiecksbeziehungen eine Leistung mit einer Leistungskondition nur von dem-jenigen zurückgefordert werden, dem die Leistung zu einem bestimmten Zweck erbracht wur-de, aber vom Empfänger entweder nicht zu dem vom Leistenden bestimmten Zweck (Dissens in der Zweckvereinbarung) angenommen oder der vereinbarte Zweck nicht erreicht wurde (Zweckverfehlung). Auch in Dreiecksbeziehungen besteht der rechtliche Grund, der eine Leistung rechtfertigt, stets und ausnahmslos in dem zwischen Leistenden und Leistungsemp-fänger vereinbarten Zweck und dessen Erreichung: Zweckvereinbarung und Zweckerreichung bilden den rechtlichen Grund einer Leistung, auch in Dreiecksbeziehungen. Allerdings kann unter Umständen auch eine Eingriffskondiktion gegeben sein, wenn eine Vermögensverschie-bung nicht durch eine Leistung (= zweckbestimmte Zuwendung) des Entreicherten eintritt, sondern durch einen Eingriff des Bereicherten, der nicht schuldhaft zu sein braucht, auch auf Grund eines Gesetzes eintreten kann (z.B. durch gutgläubigen Erwerb, §§ 929, 932, 816 II; 407, 851, 816 II; durch Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, § 951). In solchen Fällen besteht der „Mangel des rechtlichen Grundes“, der den Bereicherungsanspruch begründen soll, nicht in einer mangelnden Zweckvereinbarung oder deren Nichterreichung, sondern in der rechtswidrigen Bereicherung auf Kosten eines anderen115. Die Problematik der Eingriffs-kondition gehört also nicht mehr zu den Problemen der causa-Lehre und soll daher im Fol-genden weitgehend ausgeblendet werden, musste aber hier zumindest erwähnt werden, weil in Dreiecksbeziehungen nicht selten Fälle auftreten, in denen einer der Beteiligten nicht durch eine Leistung, sondern durch einen „Eingriff in die Rechtsgüter eines anderen“ oder durch eine gesetzliche Regelung bereichert wird, wozu vorstehend schon die Fälle des §§ 816 II, 951 angesprochen wurden, aber auch des Öfteren die unglückliche allgemeine Formulierung des § 812 Abs 1 S. 1 2. Alt. in Betracht gezogen werden muss, in der Lesart: „Wer in sonstiger Wei-se auf Kosten eines anderen etwas ungerechtfertigt (auf Kosten eines anderen) erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet“. 4. Arten von Dreiecksbeziehung Beispiel 1: A schuldet C 1000 € (Forderung 1) und hat eine Forderung in gleicher Höhe gegen B (Forderung 2); auch B schuldet C 1000 € (Forderung 3) und zahlt 1000 € an C. Welche Schuld ist erfüllt? Im nebenstehenden Bild kann sein: A: (1) Gläubiger des B und Schuldner des C (2) Anweisender (3) Versprechensempfänger (4) Zedent B: (1) Schuldner des A und C (2) Angewiesener (3) Versprechender (4) Schuldner C: (1) Gläubiger des A und B (2) Anweisungsempfänger (3) Dritter (4) Zessionar

Fo 1: 1.000 € C A Valutaverhältnis F 2: 1000 € Fo 3: Deckungs- 1000 € verhältnis Zuwendungs- verhältnis B

Antworten zu Beispiel 1: Die erste Antwort auf die im Beispiel 1 gestellte Frage kann nur sein, dass durch die Zuwen-dung von B an C jede der drei Forderungen erfüllt werden kann und widerlegt damit die von

115 Vgl. oben um Fn. 107.

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Boehmer, Larenz u.a. verbreitete Irrlehre, dass Rechtsgrund der Leistung die Forderung sei, die damit erfüllt werde, und dass es zur Erfüllung keiner Erfüllungszweckbestimmung des Leistenden oder gar einer Erfüllungszweckvereinbarung bedürfe. Richtig ist nur, dass allein auf Grund der Erfüllungszweckvereinbarung entschieden werden kann, welche Forderung durch die Zuwendung von B an A erfüllt worden ist. Erfüllung setzt – wie oben gezeigt – voraus, dass der Gläubiger vom Schuldner die geschuldete Leistung erhält und beide darüber einig sind, dass die Leistung zum Zwecke der Erfüllung und nicht schenkungshalber oder dar-lehenshalber oder zu einem sonstigen Zweck erfolgt. Erfüllung ist: Zuwendung des objektiv geschuldeten Gegenstands + Erfüllungszweckvereinbarung + Zweckerreichung. Eine ausdrückliche Erfüllungszweckvereinbarung ist – wie schon gesagt – selbstverständlich entbehrlich, wenn S dem G 133,57 € schuldet und genau diesen Betrag bezahlt oder wenn die Hausfrau im Selbstbedienungsladen ein Päckchen auf den Ladentisch legt und den als Preis aufgedruckten Betrag von 3,62 € dazu legt. Bestehen mehrere Forderungen des Gläubigers und reicht der Betrag nicht zur Tilgung aller Schulden aus, so muss der zahlende Schuldner bestimmen, welche Forderung mit der Zahlung getilgt werden soll, ansonsten gilt die disposi-tive Regelung des § 366 Abs. 2. In Dreiecks- oder Mehrpersonenverhältnissen ist es darüber hinaus nicht selten unklar, zur Erfüllung welcher Forderung, welchen Gläubigers gegen wel-chen Schuldner der Leistende leisten und der Leistungsempfänger die Leistung annehmen wollte, weil der Leistende nicht nur die eigene Schuld, sondern auch als Dritter die Schuld eines anderen (des A gegenüber C) gemäß § 267, aber auch statt an den Schuldner (des A) an einen Dritten (an C) gemäß §§ 362 II, 185 oder 407 leisten kann. Auf dieser Grundlage sind die zu Beispiel 1 gestellten Fragen leicht zu beantworten: (1) Zu Forderung 3: Wollte B mit der Zahlung an C seine eigene Schuld erfüllen und hat C die Zahlung auch zu diesem Zweck angenommen, so ist Forderung 3, wenn sie bestanden hat auch erfüllt worden. Hat B nicht ausdrücklich erklärt, auf welche der drei Forderungen seine Zahlung erfolgt, so darf im Zweifel vermutet werden, dass er seine eigene Schuld bezahlen wollte, insbesondere, wenn die Zahlung der Höhe seiner Schuld entspricht. Bleibt unklar, auf welche Schuld er zahlen wollte, so ist, weil mangels einer Zweckbestimmung kein Rechtgrund ersichtlich ist, keine Forderung erfüllt worden und es besteht ein Bereicherungsanspruch von B gegen C; gegen diese Bereicherungsforderung des B kann C jedoch § 398 aufrechnen. (2) Zu Forderung 1: B kann mit seiner Zahlung an C gemäß § 267 als Dritter auch die Forde-rung 1 des C gegen A erfüllen, wenn er diesen Zweck seiner Leistung ausdrücklich erklärt oder sich der Zweck aus den Umständen ergibt und C die Zahlung des B zu diesem Zweck annimmt, so wird mit der Leistung des B die Forderung des C gegen A erfüllt, sofern sie auch tatsächlich besteht. Will C jedoch die Leistung des B zur Erfüllung seiner Forderung gegen B annehmen, weil ihm A ein sichererer Schuldner ist, so wird keine der beiden Forderungen erfüllt und C kann auch nicht gegen die Leistungskondiktion des B aufrechnen, weil ansons-ten das Leistungsbestimmungsrecht dem Gläubiger zustehen würde116. Entsprechendes gilt, wenn die Forderung, die nach der Zweckvereinbarung zwischen B und C erfüllt werden sollte, nicht bestanden hat (Zweckverfehlung). (3) Zu Forderung 2: B kann mit seiner Zahlung an C auch die Forderung 2 des A gegen sich selbst (B) durch Leistung an den Dritten C gemäß §§ 362, 185 erfüllen, was voraussetzt, dass C die Leistung zu diesem Zweck annimmt und A die Zahlung an den Dritten genehmigt oder ihr im Voraus zugestimmt hat (§§ 182, 185). Bestand die Forderung A gegen B in Wahrheit nicht, so kann B seine an C erbrachte Leistung von diesem (C) kondizieren, weil er den mit C

116 So schon Windscheid, Pandektenrecht II (Fn. 98), § 343 Fn. 2c; dazu oben III 2 mit Fn. 100.

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vereinbarten Zweck seiner an diesen erbrachten Leistung nicht erreicht hat. An A hat B nichts geleistet und A hat ihm (B) auch nichts weggenommen. Wenn A den B allerdings beauftragt hat, die in Wahrheit nicht bestehende Schuld gegenüber C zu tilgen, so ist er gemäß § 670 verpflichtet dem C diese Aufwendungen zu ersetzen; im Falle einer berechtigten Geschäfts-führung ohne Auftrag kann unter Umständen auch § 683 eine Anspruchsgrundlage bilden. 5. Fälle der Leistungen eines Dritten gem. § 267117

Beispiel 2: Irrtümliche Zahlung einer vermeintlichen Schuld eines Dritten. B leistet an C zur Tilgung der vermeintlichen Forderung des C gegen A; C nimmt die Leistung zu diesem Zweck an. Die Forderung des A gegen C be-steht jedoch in Wahrheit nicht, aber C ist in Konkurs gefallen und ins Ausland geflüchtet, weshalb von ihm nicht nichts mehr zu holen ist. Kann B deshalb von A Ersatz verlangen?

C A ? B

B hat an A nichts geleistet, er hat vielmehr an C geleistet, könnte gegen diesen auch kondizie-ren, aber von ihm ist nichts mehr zu holen. B hat an A auch nichts in sonstiger Weise zuge-wendet, das Vermögen des A also nicht vermehrt. Gegen A ist also weder eine Leistungs- noch eine Eingriffskondiktionen gegeben. Zu fragen ist, aus welchem Grund B die vermeintli-che Schuld des A gegenüber zu tilgen versucht hat. Wenn dies auf Bitte (Auftrag, § 662) des A geschah, dann kann B Ersatz seiner Aufwendungen nach § 670 verlangen. Ohne Auftrag des A kann B diesen Anspruch gegen unter den Voraussetzungen der §§ 683, 670 geltend machen, wenn er im Interesse und entsprechend dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des A gehandelt hat; wenn nicht, dann hat B keinen Ersatzanspruch weder aus § 684 BGB noch aus § 812 I S. 1 gegen A, weil A nichts erlangt hat. Wo B seinen guten Glauben gelassen hat (bei C), muss er ihm suchen. Beispiel 3: Irrtümliche Leistung auf fremde Schuld: B hat gemäß § 415 eine Schuld des A gegenüber C übernommen. Die Schuldübernahme ist jedoch (mangels wirksamer Genehmigung des C) unwirksam, was jedoch den Betei-ligten nicht bewusst geworden ist. B hat jedoch an C gezahlt in der Meinung, seine eigene Schuld zu tilgen. Hat B einen Anspruch gegen C oder gegen A?

C A § 415 ? B

B hat eine Leistungskondiktion gegen C, weil der Zweck seiner Leistung (Erfüllung seiner eigenen Schuld) nicht erreicht wurde. Gegen A, der noch Schuldner des C ist, hat B keinen Anspruch, weil dieser von ihm nichts erlangt hat. C kann jedoch die zwischen A und B ver-einbarte Schuldübernahme nachträglich genehmigen, womit B Schuldner des C wird und da-mit seine Zahlung dieser Schuld gleichfalls rechtswirksam wird. Damit ist auch A von seiner Verbindlichkeit gegenüber C befreit worden, hat also eine Vermögenszuwendung durch die Leistung von B an C erlangt. Ob B deswegen ein Anspruch gegen A zusteht, hängt davon ab, aus welchem Grund er sich zu der Schuldübernahme bereit erklärt hat. Hat er damit eine ei-gene Schuld gegenüber dem A getilgt, so hat er keinen Anspruch gegen ihn, hat er dagegen im Auftrag des A gehandelt oder gemäß dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen, so kann er von A Ersatz seiner Aufwendungen in Höhe seiner Leistung an C gemäß §§ 683, 670 verlangen. Wollte B mit der Schuldübernahme dem A einen Kredit verschaffen, so hat einen Anspruch aus § 488 I 2 auf Rückzahlung des damit gewährten Darlehens, was freilich die Vereinbarung eines Darlehensvertrags zwischen B und A mit der Auszahlung an C voraus-setzt. Wollte B seinem Freund A mit der Schuldübernahme unentgeltlich einen Gefallen er-weisen, so ist dies als eine Schenkung zu betrachten, die mit der Leistungen an C erbracht 117 Dazu Schnauder (Fn. 88), S. 170 ff; ders, in Soergel, 13. Aufl, Stuttgart 2012, vor §§ 783 ff. Rn. 16 ff.

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wurde und daher nicht der Form des § 518 bedarf. Eine sog. Rückgriffskondiktion gibt es nicht; es ist nur ein leeres Wort ohne die für einen Begriff erforderlichen Voraussetzungen; weshalb jeder hineingeheimnissen kann, was ihm Nutzen zu bringen scheint. In vielen Fällen kann allerdings ein Dritter über Bereicherungsrecht „in Rückgriff“ genommen werten, aber nur wenn die Voraussetzungen einer Leistungs- oder Eingriffskondiktion oder eine sonstige Rechtsgrundlage (z.B. Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag) gegeben sind. 6. Fälle der Leistung an einen Dritten, §§ 362 II, 185, 407118 Beispiel 4: B bezahlt an C 133, 57 €, weil er glaubt, das C sein Gläubiger sei, C hat die Forderung jedoch an A abgetreten ohne dem B dies mitzuteilen. Kann B seine Leistung von C zurückverlangen?

§ 816 II C A § 398 § 407 LK ? B

B hat an C eine Leistung erbracht zum Zwecke der Erfüllung einer bestimmten Forderung, die aber zwischen B und C nicht mehr bestanden hat. C konnte daher seinen Zweck scheinbar nicht erreichen und es müsste daher eine Leistungskondiktion gegen C gegeben sein. Weil aber C seinem Schuldner B die Abtretung der Forderung an A nicht mitgeteilt hat, hat B gut-gläubig an den Dritten bezahlt, weshalb § 407 in solchem Falle der Leistung an den nicht mehr berechtigten Altgläubiger (C) Erfüllungswirkung zukommen lässt. Da das Gesetz der gutgläubigen Zahlung an den Altgläubiger diese Erfüllungswirkung beilegt, entrechtet es den Neugläubiger A, weil seine Forderung gegen B damit erloschen ist und gibt ihm (A) zum Ausgleich einen Bereicherungsanspruch in Form einer Eingriffskondiktion gemäß § 816 II gegen den Altgläubiger C.

Beispiel 5: B hat eine im Besitze des C befindliche Sache beschädigt von der B und C glaubten, dass sie C gehört. B leistet daher Schadenersatz an C. Die Sache gehört in Wahrheit aber dem A. Muss B seine Zahlung von C zurück-verlangen und dann an A bezahlen oder ist die Schadenersatzforderung des A gegen ihn durch die Zahlung an C erfüllt worden und kann A von C Heraus-gabe der Zahlung des B verlangen?

§ 816 II C A § 823 I §§ 823 I, 851 B

Das Gesetz hat dieses Problem zutreffend gelöst. Auch in diesem Falle erlischt – entspre-chend §§ 407, 816 II in Fällen der Zahlung an den nicht mehr berechtigten Altgläubiger (Bei-spiel 4) – mit der Schadenersatzzahlung an den nicht berechtigten Besitzer C die Schadener-satzforderung des wahren Eigentümers A gemäß § 851 und A kann daher gemäß § 816 II (Eingriffskondiktion) von dem Dritten C die Herausgabe des erlangten Schadenersatzes ver-langen. Beispiel 6: B hat sich auf einen gemeinsamen Ausflug von einem Freund 100 € geliehen, weil er seinen Geldbeutel zu Hause vergessen hatte. Aufgrund eines Irrtums schickt er daher seinem Freund C 100 €, obwohl er das Geld von A erhalten hatte. Als der Irrtum geklärt ist, fordert B daher von C die 100 € zurück, der es aber nicht herausgeben will, weil er auch dem A 100 DM geliehen hat. Hat B einen Rechtsanspruch auf Herausgabe gegen C und ist er (B) dem A noch zur Rückzahlung verpflichtet?

§ 816 II C A § 488 I 2

§ 812 I 1 LK §§ 362 II, 185 B

118 Dazu F. Schnauder (Fn. 88), S. 189 ff; ; ders. (Fn. 117), in Soergel, vor §§ 783 ff. Rn. 25 ff.

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Grundsätzlich hat B eine Leistungskondiktion gegen C, weil er irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, also den vereinbarten Zweck nicht erreicht hat und ist infolgedessen dem A noch zur Zahlung verpflichtet. Wenn jedoch A die Zahlung des B an den Nichtgläubiger C genehmigt, so erlischt die Schuld des B gegenüber A (§§ 362 II, 185) und A hat einen Bereicherungsan-spruch (Eingriffskondiktionen) aus § 816 II gegen C und kann mit diesem gegen die Rückzah-lungsforderung des C aufrechnen. Also hat C die Lage richtig durchschaut, zwischen den Freunden A, B und C besteht kein Anspruch mehr. 7. Anweisungsfälle, § 787119 Beispiel 7: A schuldet dem C 100 € und weist seine Bank B mit einem Über-weisungsformular an, an C auf dessen Konto Nr. 787 788 362 bei der X-Bank 100 € zu überweisen. Einige Tage später erhält C auf seinem Kontoauszug die Mitteilung der Gutschrift von 100 € aufgrund Zahlung des A. Dem A hat seine Bank 100 € auf seinem Konto abgebucht (Anweisung auf Schuld). Wie ist die Erfüllungswirkung der Forderung des C gegen A zu erklären? Kann A von C Rückzahlung verlangen, wenn die Forderung, die mit der Zahlung erfüllt werden sollte, nicht bestanden hat?

Valutaverhältnis C A Deckungs- Verhältnis Zuwendungs- Verhältnis B

a) Die angewiesene Bank B hat in solchem Falle einer mit der Gutschrift auf dem Konto des C bei der X-Bank erfolgten Zahlung keine Leistung an C erbracht, vielmehr erfolgte die Zah-lung der B-Bank an C ihm gegenüber ohne jede Zweckbestimmung; B erfüllte vielmehr mit der Durchführung der Anweisung einen Auftrag ihres Bankkunden, also des Anweisenden A in der Regel „auf Schuld“, d.h. sie bucht vom Guthaben des Anweisenden den Auszahlungs-betrag an C ab. Die Anweisung kann jedoch auch auf Kredit geschehen, wenn dem Anwei-senden ein bestimmter Kreditrahmen von der Bank eingeräumt worden ist; in solchem Falle belastet die Bank das Kreditkonto des Anweisenden. Die Zweckbestimmung der Zahlung an C erfolgt in solchen Fällen grundsätzlich durch den Anweisenden A auf dem Überweisungsträ-ger durch den Eintrag in der Spalte „Verwendungszweck“ in der in diesem Falle „Darlehens-rückzahlung“ einzutragen war. Bezahlt der Anweisende mit der Anweisung eine Rechnung, so werden in der Regel in die Spalte Verwendungszweck die Daten der Rechnung des Zah-lungsempfängers eingetragen, die mit der Zahlung erfüllt werden soll. Diese Zahlung des Anweisenden A an den Anweisungsempfänger C ist zu verstehen als Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 I. Statt Barzahlung erhält der Gläubiger C von seinem Schuldner A eine Gutschrift auf seinem Konto bei der angewiesenen Bank. Mit der Angabe seines Bankkontos gibt jeder Gläubiger grundsätzlich zu erkennen, dass er nicht auf Barzahlung besteht, viel-mehr mit einer Überweisung des geschuldeten Betrags auf seine Bank einverstanden ist120. Hat die Forderung nicht bestanden, die mit der Überweisung erfüllt werden sollte, so kann der Anweisende A vom Anweisungsempfänger C die Zahlung zurückfordern, weil er (A) be-stimmt hat, zu welchem Zweck die Zuwendung der Bank B erfolgt ist, also die Leistung durch ihn (A) erbracht wurde und ihren auf dem Überweisungsträger bestimmten Zweck nicht er-reicht hat. Die Leistung, die der Anweisende A auf diese Weise durch eine Überweisung sei-ner Bank B auf ein Konto des C bewirkt, muss keine Erfüllungsleistung sein, vielmehr kann auf diese Weise dem C auch 100 € oder 100.000 € als Darlehen auszahlen oder irgendeinen anderen Zweck bestimmen, z.B. Schenkung oder einen sonstigen unentgeltlichen Zweck mit angestaffeltem atypischen Zweck. 119 Dazu F. Schnauder (Fn. 88), Leistungskondiktion, S. 130 ff; ders. (Fn. 117), in Soergel, § 783 Rn. 14 ff. 120 In der Praxis wird es heute überwiegend als Erfüllung angesehen wenn der Schuldner eine in Rechnung ge-stellte Forderung durch Banküberweisung auf das in der Rechnung angegebene Konto überweist. Dagegen ist nichts zu erinnern weil die Parteien selbstverständlich vereinbaren können, dass statt der kraft Gesetzes geschul-deten Barzahlung die Forderung durch Banküberweisung beglichen werden soll; dazu Schnauder (Fn. 117), in Soergel, § 783 Rn. 17

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b) Mit der Durchführung einer Anweisung durch den Angewiesenen (in der Regel eine Bank) werden also stets zwei Leistungen erbracht: 1. die Leistung des Anweisenden an den Anwei-sungsempfänger, die eine Erfüllungsleistung sein kann aber auch die Auszahlung eines Darle-hens oder zu irgend einem anderen Zweck erfolgen kann ; 2. bei einer Anweisung auf Schuld eine teilweise Rückzahlung der Bank aus dem Guthaben des Anweisenden, also eine Erfül-lungsleistung oder bei der Anweisung auf Kredit die Auszahlung eines Darlehens an den an-weisenden Bankkunden. In der Regel wird also durch die Zahlung der angewiesenen Bank an den Anweisungsempfänger C sowohl eine Leistung im Valutaverhältnis von A an C als auch im Deckungsverhältnis zwischen A und B erbracht. Sowohl im Valutaverhältnis kann der Zweck der Leistung des Anweisenden gegenüber dem Angewiesenen nicht erreicht werden oder schon ein Dissens in der Zweckvereinbarung bestehen als auch im Deckungsverhältnis zwischen A und B die Leistung gleichfalls rechtsgrundlos und also kondizierbar sein. c) Grundsätzlich hat jedoch die angewiesene Bank B weder im Falle des Nichtbestehens der Forderung im Valutaverhältnis zwischen dem Anweisenden A und dem Anweisungsempfän-ger C noch im Falle des Nichtbestehens eines Guthabens oder eines Kredits des Anweisenden im Deckungsverhältnis einen sog. Durchgriffsanspruch gegen den Anweisungsempfänger C, weil die angewiesene Bank B keine Leistung an C erbracht hat, sondern an den Anweisenden A und daher auch keine Eingriffskondiktion gegen den Anweisungsempfänger C bestehen kann, weil ein Leistender, der bewusst seine Leistung an einen anderen erbringt, grundsätzlich nicht von einem Dritten Ersatz verlangen kann, wenn er den mit dem Leistungsempfänger vereinbarten Zweck nicht erreicht (Subsidiarität der Eingriffskondiktion). Der bargeldlose Zahlungsverkehr wäre in höchstem Maße gefährdet, wenn die Banken im Falle eines Mangels im Deckungsverhältnis über bereicherungsrechtliche Fehlkonstruktionen Ersatz vom Anwei-sungsempfänger erhalten könnten. Ein direkter Anspruch „Durchgriffsanspruch“ des Angewiesenen (B) gegen den Anweisungs-empfänger (C) kann unter besonderen Voraussetzungen jedoch in zwei Fällen gegeben, die aber nicht als Fälle eines „Durchgriffsanspruchs“ verstanden werden dürfen: 1. wenn der Be-stand des Deckungsverhältnisses (zwischen A und B) zum Zweck (= Voraussetzung = Bedin-gung = Geschäftsgrundlage) der Zuwendung (die durch diesen Zweck zur Leistung wird) im (Außen- oder Zuwendungs-) Verhältnis zwischen B und C geworden ist, was einer dahinge-henden Zweckvereinbarung zwischen B und C bedarf; in solchem Falle ist – wie schon gesagt – auch die Zuwendung im Außenverhältnis (zwischen B und C) von einem Zweck beherrscht, die Zuwendung also nicht mehr zweckfrei121, sondern zweckbestimmte Leistung und kann kondiziert werden, wenn der damit vereinbarte, mit der Leistung verfolgte Zweck nicht er-reicht wird, d.h. wenn der Zweck, der das Zuwendungsverhältnis zu einem Leistungsverhältnis gemacht hat, nicht erreicht wurde. Dieser Fall ist aber kein Ausnahmefall vom Grundsatz der Unzulässigkeit des Durchgriffsanspruchs, weil doch das Bestehen des Deckungsverhältnisses durch Vereinbarung zur Voraussetzung, Bedingung oder zum Zweck der Zuwendung erhoben worden ist und daher auch kein Anweisungsgeschäft mehr gegeben ist, in welchem die Leis-tungen im Deckungs- und Valutaverhältnis erbracht werden und die Zuwendung völlig zweckfrei erfolgt. 2. ist eine Kondiktion B gegen C auch dann gegeben, wenn die Zuwendung von B an C nicht von A veranlasst (durch die Anweisung ausgelöst), sondern von C bewusst erschwindelt wurde (z.B. dadurch dass C einen Scheck des A gefälscht hat; dazu Beispiel 9); B hat in solchem Falle keine Leistung an A erbracht und C wusste dies auch, weil er doch den 121 F. Schnauder (Fn 88), Leistungskondiktion, S. 74 bezeichnet die hier zweckfrei genannten Zuwendungen als zweckneutral, was nichts anderes bedeutet. Häufig werden diese Leistungen auch als „abstrakt“ bezeichnet, was nicht korrekt ist, weil auch eine zweckbestimmte Leistung erfolgen kann und dann zunächst auch wirksam ist, aber kondizierbar bleibt.

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Scheck gefälscht hat. Bei genauer Betrachtung handelt es sich hier also um ein Zweipersonen-verhältnis. Es liegt ein Eingriff von C in das Vermögen des B vor, weshalb C die Eingriffs- kondiktion gerichtet auf Rückzahlung der erschwindelten Leistung gegeben ist. Auch dieser 2. Fall ist also keine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit eines Durchgriffsan-spruchs im Falle von Anweisungen. Beispiel 8 (wie RGZ 60, 24122): Postbeamter T schuldete der A 7000 RM und fälschte eine Postanwei-sung zur Zahlung an A, ohne den Zahlungsbetrag bei der Postkasse einzuzahlen. Aufgrund der Postanweisung wurde das Geld vom Postamt des Wohnsitzes der A an diesen ausbezahlt. Die Post verlangte das Geld von A zurück, zu Recht?

7.000 RM A T (Bekl) Fälschung ? Post (Klägerin)

Zutreffend erkannte das OLG Dresden, dass im Sinne von § 812 BGB nicht die Beklagte, sondern allein der Postbeamte T Empfänger der durch die Auszahlung des Geldes bewirkten Leistung gewesen sei, und mit der Auszahlung an A nur eine vermeintlich dem anweisenden Postbeamten T gegenüber bestehende Verpflichtung erfüllt werden sollte, diese Verpflichtung aber tatsächlich nicht bestanden habe, weil die Anweisung durch T gefälscht worden sei. Das Reichsgericht wies die Revision zurück mit der Begründung, die Post habe das Geld lediglich zu überbringen gehabt. Der Zweck der Leistung sei auf dem Anweisungsabschnitt über den Zweck der Geldübersendung als Leistung des T erbracht und vom Empfänger zu diesem Zwe-cke angenommen und dieser Zweck auch erreicht worden. Die Post hatte also nur Ansprüche gegen ihren Beamten, aber nicht gegen den Leistungsempfänger und Gläubiger des Beamten. Das war und ist und bleibt so richtig. Ansonsten wäre diese Art der Geldzahlung, der bargeld-losen Zahlungsverkehr, praktisch nicht mehr brauchbar, ohne den aber das heutige Wirt-schaftssystem nicht funktionieren könnte. Beispiel 9 (wie BGHZ 61, 289123): A hatte bei der Beklagten C Schulden in unklarer Höhe und übergab ihr zur Erfüllung dieser Schulden einen Scheck über 80.000 DM. Am Tag darauf forderte A den Scheck zurück, weil ein Teil der Schuld schon bezahlt oder anderweit gesichert sei. Die Beklagte C gab den Scheck jedoch nicht zurück und A „sperrte“ deswegen den Scheck durch Schreiben an ihre Bank B; B bestätigte den „Widerruf“ des Schecks, zahlte aber infolge eines Versehen des Schalterbeamten die Geldsumme trotzdem auf den vorgelegten Scheck aus. Kann die B-Bank die Zahlung von C zurückfordern?

80.000 DM C A Scheck ? LK? B

Der BGH erkannte zutreffend, dass sich nach allgemeiner Meinung der Bereicherungsaus-gleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb der jeweiligen Leis-tungsverhältnisse, also einmal zwischen dem Anweisenden A und der angewiesenen Bank B im Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden A und der Beklagten C im Valutaverhältnis vollziehe. Das folge aus dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff, wie er nunmehr in gefestigter Rechtsprechung auch vom erkennenden Senat angewendet wer-de (BGHZ 48, 184, 188). Beim Scheck, einem Sonderfall der Anweisung treffe der Aussteller A schon durch die Übergabe des Schecks an C die sein Leistungsverhältnis zum Empfänger betreffende Zweckbestimmung, womit die Leistungsbeziehungen in dem durch die Anweisung begründeten Dreiecksverhältnis festgelegt seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass der Scheck gesperrt worden sei, weil der Aussteller der Schecks damit nur zum Ausdruck ge-bracht habe, dass er eine durch die Bank zu bewirkende Zuwendung an den Dritten nicht

122 RG 12. 1. 1904, Rep. VI. 111/04, RGZ 60, 24. 123 BGH 18. 10. 1973 – VII ZR 8/73, BGHZ 61, 289 = NJW 1973, 39.

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mehr wünsche. Wenn die angewiesene Bank aber trotzdem zahle, würde der Empfänger wei-terhin die Leistung als von dem Anweisenden erbracht gemäß dessen Zweckbestimmung er-halten und auch behalten dürfen, wenn dieser Zweck erreicht werde: „Das erfordert auch das Interesse der Allgemeinheit am ungehinderten Ablauf des bargeldlosen Verkehrs“ (BGH aaO). Ein „Durchgriffsanspruch“ der B gegen C könnte nur als Eingriffskondiktion gegeben sein, wenn C einen Scheck des A gefälscht und sich damit die Zahlung der Bank B erschwin-delt hätte, so wie im Beispiel 8 sich der Postbeamte die Anweisung an die Post durch Fäl-schung erschwindelt hatte. Soweit allerdings A der C gegenüber noch verpflichtet war, ist diese Schuld durch die Auszahlung getilgt worden und insoweit kann die B-Bank das Konto von A belasten, also von A eine Leistung verlangen. Beispiel 10 (wie BGHZ 50, 229124): Die Bank B hat dem Bauherrn A einen Kredit über 4000 DM gewährt und Betrag ohne Anweisung des A an das Wohnungsbauunternehmen C ausbezahlt, womit A nicht einver-standen war. Kann B die 4000 DM von C zurückverlangen?

C A Kredit LK? 4000 DM B

Der BGH hat in dieser Entscheidung die Frage offen gelassen, ob B die Kreditauszahlung an C gemäß § 267 als Dritter zur Erfüllung der Forderungen der B gegen C erbracht hat oder gemäß § 362 II an einen Dritten den Kredit ausbezahlt hat. Der BGH ist jedoch davon ausge-gangen, dass die B nicht aufgrund einer Anweisung des A zweckfrei der C zugewendet, viel-mehr an diese geleistet hat, weil A weder eine Anweisung dazu erteilt noch mit der Auszah-lung C einverstanden war. Sofern diese tatsächlichen Feststellungen richtig waren, konnte die Auszahlung an C als Leistung verstanden werden und der Kondiktionsanspruch war begrün-det, weil der mit der Auszahlung an C verfolgte Zweck nicht erreicht worden ist. 8. Abtretung, § 398 Beispiel 11 (wie Schnauder125): A hat einen vermeintlichen Anspruch ge-gen B i.H.v. 50.000 € erfüllungshalber an C abgetreten, der abgetretene Anspruch hat sich später aber als rechtsunwirksam erwiesen. Nach der Ab-tretung ist A insolvent geworden. Fragen: 1. Kann C aufgrund des abgetre-tenen Anspruchs die Zahlung von B verlangen? 2. Kann B auch Rückzah-lung von C verlangen, wenn er zur Erfüllung des abgetretenen Anspruchs schon bezahlt hat, weil er dessen Unwirksamkeit erst später erkannte, und durch seine Zahlung die Forderung des C gegen A, die mit der erfüllungs-halber erfolgten Abtretung erfüllt werden sollte, erfüllt worden ist.

Fo 1: 100.000 C A §§ 398, 364 II 50.000 50.000 LK? B

Zu Frage 1: Wenn keine Forderung des A gegen B bestanden hat, konnte C durch die Abtre-tung des A auch keine Forderung erlangen. Wenn die abgetretene Forderung einredebehaftet war kann der Schuldner B die Einrede auch gegen den Zessionar C geltend machen (§ 404). Diese Einrede geht dem B auch nicht deswegen verloren, weil A dem C die Forderung erfül-lungshalber abgetreten hat und er (C) deswegen glaubte, ein Recht auf die Forderung und de-ren Erfüllung erworben zu haben. Aufgrund der erfüllungshalber erfolgten Abtretung der

124 BGH Urteil vom 30. Mai 1968 – VII ZR 2/66 – BGHZ 50, 227 = NJW 1968,1822; dazu Horst Ehmann, Über den Begriff des rechtlichen Grundes im Sinne des § 812 BGB, NJW 1969, 398 ff. 125 F. Schnauder (Fn. 88), Leistungskondiktion, S. 204 ff; zum Beispiel, S 207 f; ders, Der Stand der Rechtspre-chung zur Leistungskondiktion, JuS 1994, 537 ff; 542 f.

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nicht bestehenden Forderung von A an C, hat C jedoch nicht etwa gutgläubig eine Forderung gegen B erworben. Zu Frage 2: Wenn B auf die Forderung jedoch schon bezahlt hat, so ist nach allgemeiner Meinung dadurch die Forderung des C gegen A, zu deren Tilgung die vermeintliche Forde-rung des A gegen B an C erfüllungshalber abgetreten wurde, erloschen126. In der Literatur wird daher teilweise angenommen, dass B seine Zahlung auf die erfüllungshalber von A an C abgetretene Forderung gegen ihn (B) nicht zurückfordern kann, weil mit seiner Zahlung die bestehende Forderung des A gegen B erfüllt worden sei und damit der A auch gegenüber B einen Behaltensgrund bezüglich der auf die nicht bestehende Forderung bezahlten Leistung erworben habe127. Der Zweck, zu dem die Forderung des A gegen B abgetreten worden ist, kann aber nur die mit der Abtretung erfolgte Vermögenszuwendung im Verhältnis zwischen A und C rechtfertigen, jedoch kein Behaltensgrund liefern für die dem C von B zum Zwecke der Erfüllung einer in Wahrheit nicht bestehenden Forderung erbrachten Leistung, die den mit dieser Leistung verfolgten Zweck nicht erreichen konnte. Die Leistung von B an C ist dem C auch nicht zweckfrei erbracht worden, sowie eine Bank aufgrund einer Anweisung Geld zu-wendet, so dass C die Zuwendung zur Erfüllung seiner Forderungen gegen A hätte annehmen können. Allenfalls kann eine Entreicherung des C gemäß § 818 III angenommen werden, wenn er (C) aufgrund der erfüllungshalber abgetretenen Forderung nicht rechtzeitig seine Forderung gegen A geltend machte und durchsetzte, solange dieser noch nicht insolvent war, war jedoch A schon im Zeitpunkt der sicherungshalber abgetretenen Forderung insolvent, so kann B die Leistungskondiktion gegen C ungekürzt durchsetzen Beispiel 12 (wie BGHZ 122, 46128): A schließt mit dem Versicherer B einen Kaskoversicherungsvertrag ab für einen Pkw, den er von C ge-least hat. Aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen des Leasing-gebers C tritt A im Voraus in einem Schadensfall entstehende Forde-rungen gegen den Versicherer B an den Leasinggeber C ab, der noch Forderungen gegen A aus dem Leasinggeschäft hat. Aufgrund eines Schadensfalls zahlt daher der Versicherer B 38.000 DM an den Zessi-onar und Leasinggeber C aus. Es stellt sich jedoch heraus, dass A den Versicherungsfall vorgetäuscht hat und der Versicherer B, verlangt daher vom Zessionar und Leasinggeber C – weil von A nichts mehr zu holen ist – seine Zahlung zurück. Zu Recht?

PKW-Leasing: C A

§ 398 Kasko-Ver- sicherung LK? LK? B

A hat seinen vermeintlichen Anspruch gegen den Kaskoversicherer an C abgetreten, wozu er (A) nach den vereinbarten Geschäftsbedingungen verpflichtet war. Kaskoversicherer B hätte daher – wenn er leistungspflichtig gewesen wäre – zu Recht an den Zessionar C 38.000 DM bezahlt. Der Anspruch aus der Kaskoversicherung bestand jedoch nicht, weil der Unfall vor-getäuscht war, weshalb B mit seiner Zahlung an C den verfolgten Erfüllungszweck nicht er-reichen konnte und daher diese Zahlung nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen kon-dizieren konnte. Der BGH hat diese Grundsätze auch nicht verkannt, aber geglaubt berechtigt zu sein, in Fällen dieser Art die Entscheidung nicht mit einer „Ableitung aus dem Leistungs-begriff“ begründen zu dürfen, vielmehr auch „Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Risikoverteilung“ (unter 3 d der Entscheidung) berücksichtigen zu müssen. Die Notwendig-keit „der Kondiktion über das Dreieck“ belasse die versicherungtypischen Risiken dort, wo

126 So wohl die allgemeine Meinung, was aber auch nicht ganz zweifelsfrei ist. Bei Wechsel und Scheck führt jedenfalls die Einlösung zur Erfüllung, Erman/Westermann § 364 Rz 10. 127 So Canaris, FS Larenz, S. 834 ff.; ders. WM 1980, 367; dagegen zutr. Schnauder (Fn. 88), Leistungskondik-tion, S. 204 ff. 128 BGH 10.3. 1993 – XII ZR 253/91, BGHZ 122, 46 = NJW 1993, 1578; Fortführung von BGH 2. 11. 1988 –Ivb ZR 102/87, BGHZ 105, 365 = NJW 1989, 900; dazu Schauder (Fn. 124), JuS 1993, 537, 537 ff, 542 ff.

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sie von Anfang an lagen. Nicht einmal das ist richtig, denn das Risiko der Täuschung durch den Versicherungsnehmer liegt beim Versicherer, weil aber beim Versicherungsnehmer nichts zurückzuholen war, glaubte der BGH berechtigt zu sein, dem Versicherer einen Anspruch gegen den Leasinggeber zuzusprechen. Mit dieser Preisgabe der dogmatischen Grundsätze der Leistungskondiktion wird die Rechtsprechung jedoch zu einem unberechenbaren Glücks-spiel auf der Grundlage undifferenzierter Vorurteile, welche die gebotene Rechtssicherheit nicht mehr gewährleisten können. Die Rechtsprechung hat nach ihrer Wende von der Ein-heitskondiktion des § 812 Abs.1 S. 1 zur Unterscheidung von Leistungs- und Eingriffskondik-tion in BGHZ 40, 242 mit den Entscheidungen BGHZ 105, 365 und BGHZ 122, 46 eine Rückwende eingeleitet, deren Folgen unberechenbar sind. 9. Vertrag zu Gunsten Dritter, § 328129

Beispiel 13: Versicherungsnehmer A zahlte monatlich 500 DM an die Versicherungsgesellschaft B damit B verspricht, im Falle des Todes des A 1 Million DM an C zu zahlen: C ist die Frau des A, der seine Frau und ihre gemeinsamen Kinder im Falle seines Todes damit gut versorgen wollte. Kann B die an C erbrachte Leistung kondizieren, wenn der Versicherungsvertrag nachträglich von B wirksam wegen falscher Angaben des A über seinen Gesundheitszustand wegen arglis-tiger Täuschung angefochten werden konnte?

C § 328 A Lebens- Vers. LK? B

Bei einem Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 wird gleichfalls zwischen dem Deckungs-verhältnis (hier zwischen Versicherungsnehmer A und Versicherer B) und dem Valutaver-hältnis (zw. VersN A und dem Dritten C) unterschieden. Im gegebenen Fall hat die Dritte C (Ehefrau) aus dem Vertrag des A mit der Versicherung B einen Anspruch, der aus dem Ver-trag zu Gunsten Dritter unmittelbar zu Gunsten der A gegen D entstanden ist: Anders als im Fall einer Anweisung geschieht die Zuwendung des Versicherungsanspruchs und später die Blieb Versicherungsleistung durch B an C im Falle eines Vertrags zu Gunsten Dritter jedoch nicht zweckfrei, sondern die Zuwendung der Forderung auf die Versicherungsleistung schon mit Vertragsschluss und die Erfüllung dieses Anspruchs nach Eintritt des Versicherungsfalls durch Leistung zur Erfüllung dieses Anspruchs direkt von B an C . Durch den Vertrag zu Gunsten Dritter hat der Dritte – wie im Falle der Abtretung – unmittelbar das Recht erworben, die Gegenleistung zu fordern, für die Prämienleistungen die A dem B versprochen hat (§ 328). Diese Forderung bleibt aber – ebenso wie die abgetretene Forderung im Beispiel 10 – abhängig von der Wirksamkeit des zwischen A und B abgeschlossenen Vertrags zu Gunsten des C. Wenn also A die B in einer Art und Weise getäuscht hat, welche die B zu Anfechtung des Versicherungsvertrags berechtigt, entfällt mit der Anfechtung des Vertrags die Forderung der C ebenso, wie die Forderung des A entfallen würde, wenn er den Vertrag nicht zu Guns-ten des C abgeschlossen hätte, sondern der Anspruch auf die Gegenleistung in seiner Person entstanden wäre. Das kann man verkürzt so ausdrücken, dass die Forderung des Dritten aus dem Vertrag zu Gunsten Dritter kausal abhängig bleibt von der Wirksamkeit des Vertrags aus dem sie entstanden ist. V. Genetisches und funktionelles Synallagma Unter Synallagma versteht man heute die kausale Abhängigkeit der in einem gegenseitigen Vertrag ausgetauschten Leistungsversprechen130. Das Synallagma ist insofern keine causa, als 129 Dazu Schnauder (Fn. 88), Leistungskondiktion, S. 210 ff. 130 Wenn die Verpflichtung eines Vertragspartners und also die Forderung des anderen nicht rechtswirksam entstehen, so entfällt grundsätzlich auch die Leistungspflicht des anderen, was nur verschiedenartig geregelt ist je nachdem, ob Leistungspflicht des anderen schuldlos oder aufgrund seines Verschuldens unmöglich geworden

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jeder Vertragspartner seinen eigenen Zweck verfolgt, also eine eigene causa für sein rechtsge-schäftliches Handeln hat, das Synallagma des gegenseitigen Vertrags ist jedoch die Zweck-vereinbarung, die durch die Leistungsbestimmung des Leistenden oder Versprechenden und des Leistungs- oder Versprechensempfänger zu Stande gekommen ist. Dasselbe gilt auch für den Austauschzweck (der nur ein deutsches Wort ist für das Synallagma), jeder Vertrags-partner verfolgt zwar seinen eigenen Zweck, aber es gibt auch den gemeinsamen Zweck, wel-cher die gegenseitigen Leistungsversprechen zu einem Vertrag verbindet. Erreicht ein Ver-tragspartner seinen Zweck nicht, so ist es von den Gründen der Nichterreichung, insbesondere dem Verschulden des einen oder anderen Vertragspartner abhängig, inwieweit diese Zweck-verfehlung sich auf den Anspruch und die Verpflichtungen des anderen auswirkt131. Unter genetischem Synallagma werden die Folgen eines Dissenses in der Vereinbarung des Austauschzwecks und die anfängliche Zweckverfehlung verstanden, wenn also die Parteien über das, was sie einander versprochen haben, nicht einig waren oder einer der beiden Ver-tragspartner die versprochene Leistung objektiv nicht erbringen kann, weil sie schon vor Ver-tragsschluss unmöglich zu erbringen war. Schon im römischen Recht gab es dafür die Rege-lung, dass ein Kaufvertrag unwirksam ist, wenn der Kaufgegenstand schon vor Vertrags-schluss unwirksam war (D. 18.1.15.pr.)132. Diese Regelung ist auch im BGB in § 306 a.F. Gesetz geworden, ebenso in Art. 1601 Cc. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch mit Gesetz vom 2. Januar 2002 diese Regelung gestrichen, wonach ein gegenseitiger Vertrag unwirksam sein sollte, wenn die Leistung eines der beiden Vertragspartner objektiv unmöglich ist (impos-sibilium nullum) und durch die Regelungen der §§ 275, 311a ersetzt133, wonach ein derartiger Vertrag nicht mehr unwirksam sein, vielmehr dem Schuldner zum Schadenersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen verpflichtet; es sei denn, dass er das Leistungs-hindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. Das Problem kann zweifellos auf verschiedene Weise geregelt werden. Klinke hat schon lange vor dieser sog. Schuldrechtsmodernisierung zwischen verschiedenen dazu entwickelten Theo-rien unterschieden: Austauschzwecktheorie, Geschäftsgrundlagentheorie, Bedingungstheorie und Causatheorie134. Darauf muss hier verwiesen werden. Unter funktionellem Synallagma versteht man dagegen nach Vertragsschluss eintretende Stö-rungen eines gegenseitigen Schuldverhältnisses, insbes. die Auswirkungen der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung oder der Leistungsverzögerung eines Vertragspartners auf die Rechte des anderen, also die Fragen, ob dem anderen die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zusteht, ob er vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann (§ 320-326 BGB). Die Problematik des funktionellen Synallagmas ist also positivistisch detail-liert geregelt und seit dem Inkrafttreten des BGB durch eine unübersehbar gewordene Recht-sprechung und Literatur bis in letzte Einzelheiten zu klären versucht worden, worauf hier nur noch verwiesen werden kann135.

ist, was in den §§ 275, 280, 320-326 sehr differenziert geregelt worden ist. Es ist jedoch denkbar und auch schon Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen, dass die Parteien abstrakte Leistungen (von Geschäfts-anteile gegen abstrakte Schuldversprechen) gegeneinander ausgetauscht haben, weshalb die eingetretene Leis-tungsstörungen über Bereicherungsrecht abgewickelt werden mussten., RGZ 119, 12 ff; dazu H. Ehmann (Fn. 15), Gesamtschuld, S. 156, 182 131 Dazu insbesondere Ulrich Klinke, Causa und genetische Synallagma, Berlin 1983 S. 104 ff. 132 Zu den dazu vor Inkrafttreten des BGB bestehenden Rechtsvorstellungen vgl. Heinrich Dernburg, Die Schuldverhältnisse nach dem Rechte des Deutschen Reiches und Preußens, 1. u. 2. Aufl. Halle 1899, S. 200 ff. 133 Dazu H. Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht (Fn. 31), S. 29 ff., 122 ff. 134 U. Klinke (Fn. 31), S. 103 ff. 135 Vgl. dazu statt aller Ulrich Huber, Leistungsstörungen, Bd. I, 774 S. und Bd. II, 828 S.

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