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686 2010 ¥ 7/8 DETAILplus: Fotos,Videos: www.detail.de/0290 1 bis 31. 10. 2010 www.en.expo2010.cn Expo 2010 Schanghai – Alles nur Fassade? Expo 2010 Shanghai – Just a Big Front? Frank Kaltenbach Der Brite Sir Henry Cole hatte zu Beginn der Industrialisierung eine glänzende Idee: sämtliche technische Neuerungen aus aller Welt in der Hauptstadt der damals führen- den Wirtschaftsmacht England in einer Aus- stellung zusammenzutragen. Fast unbeab- sichtigt wird der Kristallpalast des Gärtners Joseph Paxton bei dieser ersten Weltaus- stellung 1851 zum Auftakt der modernen Ar- chitektur. 1889 folgt der Eiffelturm als Weg- bereiter für Stahlbauten und Wolkenkratzer, 1929 der Barcelona-Pavillon als erster flie- ßender Raum mit nichttragenden Wand- scheiben und 1958 der Philips-Pavillon von Le Corbusier und Iannis Xenakis als das erste computergesteuerte Multimedia-Ge- samtkunstwerk, bei dem Gebäudehülle und Szenografie eine untrennbare organische Einheit bilden. Der Montreal-Pavillon von Frei Otto und Rolf Gutbrod war 1967 sogar das unmittelbare Vorbild für das Olympia- zeltdach in München. Weltausstellungen sind seit jeher weit mehr als ein Labor für Architekturvisionen. Sie sind Seismograph einer immer enger zusammenwachsenden globalen Gesellschaft, Abbild des Zeitgeists und im besten Fall eine Projektion in die Zu- kunft. Doch wo stehen wir heute? Hat sich die Architekturdisziplin Expo-Pavillon durch die jederzeit verfügbaren Informationen im Internet überholt? Oder strömen die Massen mehr als zuvor herbei, um mit allen Sinnen selbst ein Teil des Weltereignisses zu sein? Wachstum ohne Grenzen? Heute gibt China den Ton an im internatio- nalen Geschäft. Mit einer Bevölkerung von 1,3 Mrd., das sind 20 % der Weltbevölke- rung, ist das Land nicht nur ein vielverspre- chender Absatzmarkt, sondern inzwischen der weltweit größte Produzent von Compu- terbauteilen und Kleidung. China präsentiert sich nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking zum zweiten Mal als Gastgeber einer der wichtigsten internationalen Veranstaltun- gen, dieses Mal in der kosmopolitischen 19 Millionen-Einwohner-Metropole Schanghai. Im 97. Stockwerk des World Financial Cen- ter – im Volksmund »Flaschenöffner« ge- nannt und mit 492 Metern Gesamthöhe zur- zeit das höchste Gebäude Chinas und dritt- höchster Wolkenkratzer der Welt – kann man nicht nur eine Ausstellung über die Ex- po-Historie betrachten. Es gibt wohl keinen besseren Ort als die weltweit höchste Besu- cherplattform, um das rasante Wachstum heutiger Mega-Metropolen zu beobachten mit all ihrer Faszination und Problematik. Al- lein in China gibt es mehr als 150 Städte mit über einer Million Einwohner; nie zuvor wur- de soviel gebaut wie heute; nie war der Be- darf, dieses Wachstum zu kontrollieren und in sozialverträgliche und nachhaltige Bah- nen zu lenken, so groß – allein schon, um den sozialen Frieden im Land zu wahren. Nicht »höher, schneller, weiter« ist deshalb das Motto der Expo 2010, sondern »Better City, Better Life« Expo der Rekorde Wie bei den Olympischen Spielen in Peking wurde das gesamte Stadtbild pünktlich zur Expo-Eröffnung aufpoliert, ganze Fassaden- züge neu gestrichen, die früher typischen Garküchen und Straßenverkäufer in die Sei- tenstraßen abgedrängt. In bester Lage am Westufer, wörtlich »Puxi«, und am Ostufer »Pudong« des hier 500 m breiten Huangpu handelt es sich mit über 5 km 2 nicht nur um das bisher größte Gelände für eine Weltaus- stellung, sondern um Filetgrundstücke mitten in einer der dynamischsten Wachstumsregio- nen, die bedingt vergleichbar ist mit den Londoner Docklands oder der Hamburger HafenCity (Abb. 2). So dient die Expo als will- kommener Anlass, das bestens gelegene, aber bisher schlecht erschlossene ehemalige Hafenareal komplett abzuräumen und zu re- strukturieren. Die vorhandenen Industriebe- triebe wurden an die Peripherie der Stadt verlagert, rund 18 000 Haushalte in die nähe- re Umgebung umgesiedelt. Eine zweite Stra- ßentunnelröhre unter dem Huangpu und mehrere neue Metrolinien binden nun das Gelände in das Netz des öffentlichen Nah- und Straßenverkehrs ein und machen den Wechsel von einer Flussseite zur anderen zum Katzensprung. 70 Mio. Besucher, davon 3,5 Mio. aus dem Ausland, erwarten die Veranstalter – zur Ex- po 2000 nach Hannover kamen 18 Mio. Für die größten Pavillons bedeutet das eine Fre- quentierung von bis zu 8 Mio. Besuchern in sechs Monaten; die Anforderungen an die Haltbarkeit der Oberflächen sind daher nicht geringer als bei vielen Gebäuden mit einer langjährigen Standzeit. China als Zentrum der Welt Für mehr als 240 Pavillons haben sich die Teilnehmer angemeldet und alle sind ge- kommen. Denn wer hier mit dem Gastland als einem der wichtigsten Handelspartner ins Geschäft kommen möchte, muss persön- lich präsent sein. Ausgerechnet der Pavillon der USA, einer der größten, wäre beinahe komplett der Finanzkrise zum Opfer gefallen; in letzter Minute sind Sponsoren eingesprun- gen. Das Notprogramm mit Ansprachen auf großformatigen Kinoleinwänden von Hillary Clinton und Präsident Barack Obama spricht für deren persönliches Engagement – auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsmacht USA wirft es kein gutes Licht. Umso dominierender erscheint die Präsenz des Gastgeberlands. Als »Krone des Os- tens« überragt der China-Pavillon mit 63 m Höhe bei weitem die übrigen Länderpavil- lons auf der Pudongseite, für die eine Trauf- kante von 20 m vorgeschrieben wurde. Mit den riesigen Messehallen »Themenpa- villon« und »Expo-Center« sowie dem »Per- formance-Center«, mit 130 000 m 2 die der- zeit größte Veranstaltungshalle Chinas mit bis zu 18 000 Sitzplätzen, liegt der China- Pavillon in unmittelbarer Nähe zur Expo- Achse der Stuttgarter Planer SBA, dem Rückgrat dieser temporären Stadt. Nur die- se fünf Mega-Strukturen bleiben nach der Expo erhalten. Die Expo-Achse verbindet nicht nur vertikal zwei unterirdische und zwei überirdische Ebenen, Metrostationen, Straßenebene und die aufgeständerten Ste- ge, mit denen das Gebiet durchzogen ist, sondern bildet auch mit fast einem Kilome- ter Länge die horizontale Klammer von der bisherigen Stadt über das gesamte Expo- Gelände hinweg zum »Celebration Square« an der Uferpromenade. Im Innern erhält das Brückenbauwerk durch sechs kreisrunde

DETAILplus: Fotos,Videos: 1heinsdorff.de/sites/default/files/daten/presse/3-expo_expo_shanghai... · Robert Venturi als »Ente« einordnen kann. Einige dieser bildhaften Motive, die

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bis 31. 10. 2010www.en.expo2010.cn

Expo 2010 Schanghai – Alles nur Fassade?

Expo 2010 Shanghai – Just a Big Front?

Frank Kaltenbach

Der Brite Sir Henry Cole hatte zu Beginn der Industrialisierung eine glänzende Idee: sämtliche technische Neuerungen aus aller Welt in der Hauptstadt der damals führen-den Wirtschaftsmacht England in einer Aus-stellung zusammenzutragen. Fast unbeab-sichtigt wird der Kristallpalast des Gärtners Joseph Paxton bei dieser ersten Weltaus-stellung 1851 zum Auftakt der modernen Ar-chitektur. 1889 folgt der Eiffelturm als Weg-bereiter für Stahlbauten und Wolkenkratzer, 1929 der Barcelona-Pavillon als erster flie-ßender Raum mit nichttragenden Wand-scheiben und 1958 der Philips-Pavillon von Le Corbusier und Iannis Xenakis als das erste computergesteuerte Multimedia-Ge-samtkunstwerk, bei dem Gebäudehülle und Szenografie eine untrennbare organische Einheit bilden. Der Montreal-Pavillon von Frei Otto und Rolf Gutbrod war 1967 sogar das unmittelbare Vorbild für das Olympia-zeltdach in München. Weltausstellungen sind seit jeher weit mehr als ein Labor für Architekturvisionen. Sie sind Seismograph einer immer enger zusammenwachsenden globalen Gesellschaft, Abbild des Zeitgeists und im besten Fall eine Projektion in die Zu-kunft. Doch wo stehen wir heute? Hat sich die Architekturdisziplin Expo-Pavillon durch die jederzeit verfügbaren Informationen im Internet überholt? Oder strömen die Massen mehr als zuvor herbei, um mit allen Sinnen selbst ein Teil des Weltereignisses zu sein?

Wachstum ohne Grenzen?Heute gibt China den Ton an im internatio-nalen Geschäft. Mit einer Bevölkerung von 1,3 Mrd., das sind 20 % der Weltbevölke-rung, ist das Land nicht nur ein vielverspre-chender Absatzmarkt, sondern inzwischen der weltweit größte Produzent von Compu-terbauteilen und Kleidung. China präsentiert sich nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking zum zweiten Mal als Gastgeber einer der wichtigsten internationalen Veranstaltun-gen, dieses Mal in der kosmopolitischen 19 Millionen-Einwohner-Metropole Schanghai. Im 97. Stockwerk des World Financial Cen-ter – im Volksmund »Flaschenöffner« ge-nannt und mit 492 Metern Gesamthöhe zur-

zeit das höchste Gebäude Chinas und dritt-höchster Wolkenkratzer der Welt – kann man nicht nur eine Ausstellung über die Ex-po-Historie betrachten. Es gibt wohl keinen besseren Ort als die weltweit höchste Besu-cherplattform, um das rasante Wachstum heutiger Mega-Metropolen zu beobachten mit all ihrer Faszination und Problematik. Al-lein in China gibt es mehr als 150 Städte mit über einer Million Einwohner; nie zuvor wur-de soviel gebaut wie heute; nie war der Be-darf, dieses Wachstum zu kontrollieren und in sozialverträgliche und nachhaltige Bah-nen zu lenken, so groß – allein schon, um den sozialen Frieden im Land zu wahren. Nicht »höher, schneller, weiter« ist deshalb das Motto der Expo 2010, sondern »Better City, Better Life«

Expo der RekordeWie bei den Olympischen Spielen in Peking wurde das gesamte Stadtbild pünktlich zur Expo-Eröffnung aufpoliert, ganze Fassaden-züge neu gestrichen, die früher typischen Garküchen und Straßenverkäufer in die Sei-tenstraßen abgedrängt. In bester Lage am Westufer, wörtlich »Puxi«, und am Ostufer »Pudong« des hier 500 m breiten Huangpu handelt es sich mit über 5 km2 nicht nur um das bisher größte Gelände für eine Weltaus-stellung, sondern um Filetgrundstücke mitten in einer der dynamischsten Wachstumsregio-nen, die bedingt vergleichbar ist mit den Londoner Docklands oder der Hamburger HafenCity (Abb. 2). So dient die Expo als will-kommener Anlass, das bestens gelegene, aber bisher schlecht erschlossene ehemalige Hafenareal komplett abzuräumen und zu re-strukturieren. Die vorhandenen Industriebe-triebe wurden an die Peripherie der Stadt verlagert, rund 18 000 Haushalte in die nähe-re Umgebung umgesiedelt. Eine zweite Stra-ßentunnelröhre unter dem Huangpu und mehrere neue Metrolinien binden nun das Gelände in das Netz des öffentlichen Nah- und Straßenverkehrs ein und machen den Wechsel von einer Flussseite zur anderen zum Katzensprung. 70 Mio. Besucher, davon 3,5 Mio. aus dem Ausland, erwarten die Veranstalter – zur Ex-

po 2000 nach Hannover kamen 18 Mio. Für die größten Pavillons bedeutet das eine Fre-quentierung von bis zu 8 Mio. Besuchern in sechs Monaten; die Anforderungen an die Haltbarkeit der Oberflächen sind daher nicht geringer als bei vielen Gebäuden mit einer langjährigen Standzeit.

China als Zentrum der WeltFür mehr als 240 Pavillons haben sich die Teilnehmer angemeldet und alle sind ge-kommen. Denn wer hier mit dem Gastland als einem der wichtigsten Handelspartner ins Geschäft kommen möchte, muss persön-lich präsent sein. Ausgerechnet der Pavillon der USA, einer der größten, wäre beinahe komplett der Finanzkrise zum Opfer gefallen; in letzter Minute sind Sponsoren eingesprun-gen. Das Notprogramm mit Ansprachen auf großformatigen Kinoleinwänden von Hillary Clinton und Präsident Barack Obama spricht für deren persönliches Engagement – auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsmacht USA wirft es kein gutes Licht. Umso dominierender erscheint die Präsenz des Gastgeberlands. Als »Krone des Os-tens« überragt der China-Pavillon mit 63 m Höhe bei weitem die übrigen Länderpavil-lons auf der Pudongseite, für die eine Trauf-kante von 20 m vorgeschrieben wurde. Mit den riesigen Messehallen »Themenpa-villon« und »Expo-Center« sowie dem »Per-formance-Center«, mit 130 000 m2 die der-zeit größte Veranstaltungshalle Chinas mit bis zu 18 000 Sitzplätzen, liegt der China-Pavillon in unmittelbarer Nähe zur Expo-Achse der Stuttgarter Planer SBA, dem Rückgrat dieser temporären Stadt. Nur die-se fünf Mega-Strukturen bleiben nach der Expo erhalten. Die Expo-Achse verbindet nicht nur vertikal zwei unterirdische und zwei überirdische Ebenen, Metrostationen, Straßenebene und die aufgeständerten Ste-ge, mit denen das Gebiet durchzogen ist, sondern bildet auch mit fast einem Kilome-ter Länge die horizontale Klammer von der bisherigen Stadt über das gesamte Expo-Gelände hinweg zum »Celebration Square« an der Uferpromenade. Im Innern erhält das Brückenbauwerk durch sechs kreisrunde

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1 Niederländischer Pavillon »Happy Street«, Künstler: John Körmeling

2 Ausschnitt Lageplan Maßstab 1:40 000 a Expo-Achse, b Chinesischer Pavillon, c Performance Center

3 Chinesischer Pavillon »Krone des Ostens«, Architekt: He Jingtang Expo-Achse, Architekten: SBA, Dachkonstruktion: Knippers Helbig

1 Dutch Pavillon “Happy Street”, artist: John Körmeling

2 Excerpt of Expo site plan scale 1:40 000

a Expo Axis, b Chinese Pavilion c Performance Center 3 Chinese Pavilion “Crown of the East”,

architect: He Jingtang Expo Axis, architects: sba with Knippers Helbig

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Lichthöfe Tageslicht, aus denen trichterför-mige filigrane Stahlnetzschalen emporra-gen, deren Durchmesser sich in 45 m Höhe auf 80 m am oberen Rand aufweitet. Zwi-schen die Stahlschirme sind transluzente Sonnensegel gespannt, die trotz der Dimen-sionen – es handelt sich mit 65 000 m2 um die eine der größten Membrankonstruktio-nen weltweit – eine heitere weitläufige und festliche Atmosphäre schaffen. Daneben wirkt der China-Pavillon, die Stadt-krone der Expo Schanghai, geradezu behä-big und schwerfällig monumental (Abb. 3 ). Als Orientierungspunkt und plakatives Su-perzeichen der Expo funktioniert die rot be-kleidete Stahlkonstruktion, die die Struktur

traditioneller chinesischer Holzbauweise zi-tiert, überraschend gut. Wie ein überdimensi-onaler Tisch steht das Bauwerk auf vier qua-dratischen Säulen, in deren Mitte zwei lang-gezogene sich kreuzende frei tragende Roll-treppen die Besucher wie Ameisen in den Boden eines Raumschiffs nach oben zu sau-gen scheint. Im Innern durchläuft der Besu-cher eine Zeitreise durch die Geschichte Chinas und eine Selbstdarstellung zum Auf-stieg der letzten Jahre. Beim Hauptfilm im großen Rundumkinosaal kommt der westli-che Besucher dann doch ins Grübeln: Der Film beginnt mit einem Bild freundlicher Stu-denten im Jahre 1989, propagiert die chine-sische Ein-Kind-Familie als Leitbild und en-

det mit einem Zitat des Konfuzius »Folge deinem Herzen, ohne die Linie zu über-schreiten« – übersetzt: Wirtschaftlicher Auf-schwung privates Glück ist für jeden mög-lich, so lange er sich an die politischen Spiel-regeln hält – eine Anspielung auf die blutige Niederschlagung der Studentendemonstrati-onen auf dem Tian’anmen-Platz 1989? Das Hauptgebäude umfasst 45 000 m2 und kann als Sinnbild für das China von heute gelesen werden. Im mächtigen Sockel be-finden sich die Vertretungen der Provinzen, die vom schützenden Schirm des aufge-ständerten Nationalpavillons wie von einem Kontrollturm überragt werden. Die Pavillons von Hongkong, Macao und Taiwan liegen

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Sperrholzplatten lasergeschnittene traditio-nelle Textilmuster (Abb. 13), Südafrika das Graffiti eines Großporträts von Nelson Man-dela und Brasilien einen Videoscreen mit den schönsten Toren seiner Fußballstars. Im Gegensatz zu diesen »dekorierten Schup-pen« stehen Pavillons, die man frei nach Robert Venturi als »Ente« einordnen kann. Einige dieser bildhaften Motive, die in den vorab veröffentlichten Renderings noch klar zu erfassen waren, sind in gebautem Zu-stand bei aller Phantasie nicht wiederzuer-kennen. Der überdimensionale haushohe »Apfel«, der das Nationalobst der Rumänen verkörpern soll, zeigt sich in Realität als sterile grüne Glaskugel. Umso leidenschaft-licher spielt die Musikkapelle Rumäniens innerhalb dieses Pavillons auf und sorgt Abend für Abend für gefüllte Ränge und ein begeistertes Publikum.Der »Weidenkorb« von Benedetta Tagliabue verwandelt sich mit seiner rhythmisch ge-wellten Gebäudehülle aus 8000 von Hand geflochtener Korbmatten bei warmer Abend-sonne in einen spektakulären Blickfang und eines der beliebtesten Fotomotive (Abb. 6). Auf ein organisch geschwungenes Stahl-rohrtragwerk gebunden, wird das Flecht-werk chinesischer Handwerker zu Sonnen-schutz und Ausdruck handwerklicher Tradi-tion in Spanien und China.Hermann & Valentiny interpretieren das The-ma von »Garten und Haus« mit einem mo-nolithischen Cortenstahlbau, bei dem die mit Bäumen und Sträuchern begrünte Mauer den expressionistischen Bergfried umringt (Abb. 4). Eine der gelungensten gebauten Metaphern präsentieren die Vereinten Arabischen Emi-rate. Waren die als »Sanddünen« titulierten Renderings sehr vage, gehört die Umset-zung von Foster + Partners zu den am per-fektesten detaillierten Gebäuden des ge-samten Geländes (Abb. 5). Eine durchge-hende Edelstahlhaut in goldfarbenen Sand-tönen mit sandrauer Waffelstruktur legt sich über die sanften Rundungen der zwei »Dü-nen«, die das Dach des innenliegenden Vortragssaals und der Ausstellungshalle bil-den. Im Innern wird das Projekt Masdar City

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wie Satelliten in unmittelbarer Umgebung. Überhaupt kann die Verteilung der Länder auf dem Gelände als Weltkarte interpretiert werden: mit China im Zentrum und den USA am äußersten Rand.

Haptische Hülse – virtueller KernFür alle Pavillons gilt: Die äußere Hülle ist nur die eine Hälfte der Show; gleich bedeu-tend sind die Oberflächen im Innern mit der szenografischen Kernaussage. Für beide Teile gibt es meist unterschiedliche Gestalter. Deshalb endet in der Regel das haptische Erlebnis der Architektur an der Eingangstür, in einer Black Box, wo im geheimnisvollen Dunkel eine Scheinwelt aus medialen Fas-saden und Oberflächen beginnt. Die Prä-sentationstechniken zeigen den neuesten Stand der Technik und gleichen sich in vie-len Pavillons: Reale und animierte Figuren werden collagenartig und kaum unter-scheidbar in eine neue erweiterte Bildspra-che verschmolzen, 3D-Filme faszinieren auf Spezial-Bildschirmen oder sind auf räumli-che Oberflächen projiziert. Mit »intelligen-ter« Touch Screen-Technologie oder ande-ren Sensoren kann der Besucher selbst in-teraktiv in die filmischen Sequenzen eingrei-fen. Nur im österreichischen Pavillon von SPAN ist die strikte Trennung zwischen au-ßen und innen abgemildert. Die Außenhaut der weiß-rot glänzenden Porzellanhülle – ein Bezug zur österreichischen und chinesi-schen Porzellankultur – stülpt sich kontinu-ierlich nach innen, wird weiße Raumbegren-zung und Projektionsfläche zugleich und setzt sich bis in die organisch geformten Möbel fort (s. Detail 5/2010 S. 458ff.).

»Ente oder dekorierter Schuppen?«Ganz nach dem Motto »Alles nur Fassade« haben vor allem die Länder mit kleinerem Budget vorgefertigte Standardhallen ange-mietet, die sie mit landestypischen Materiali-en, Strukturen oder Motiven bekleiden. Por-tugal verwendet prismatisch angeordnete Korkplatten, Vietnam außen und innen Bam-bus, Russland die Ornamentik und plasti-sche Diamanttextur seiner Zwiebeltürme (Abb. 12), Polen wie Scherenschnitte in

vorgestellt, die erste CO2-neutrale autofreie Stadt in Abu Dhabi, deren Masterplan eben-falls von Foster + Partners stammt. Wie hin-geweht ist die nach Süden geschlossene »Luvseite« gerundet, um vor der Sonnen-einstrahlung zu schützen; die windabge-wandten Seiten und die Scheitel zeigen scharfe Grate und verdeckte Lüftungs- und Fensteröffnungen nach Norden – wie die Kiemen eines Fisches. Die Edelstahlpaneele sind einfach zu lösen, da der Pavillon in den Vereinigten Arabischen Emiraten wieder aufgebaut werden soll.

Der Pavillon als Achterbahn?Im Gegensatz zur Expo in Hannover, wo ei-ne eigens installierte Seilbahn eine umfas-sende Orientierung über das Gesamtareal ermöglichte, bietet in Schanghai nur ein flüchtiger Blick aus dem fahrenden Bus oder Taxi beim Überqueren des Huangpu über die Lupu-Brücke in hundert Meter Höhe ei-nen kurzen Überblick über die Dächer. Wer das Glück hat, einen Tag ohne den typi-schen Sprühregen zu erleben, sollte deshalb unbedingt eine Fahrt mit dem Sessellift über den Schweizer Pavillon unternehmen. Wie im Auge eines Tornado wird man in wenigen Spiralen aus einem bepflanzten Trichter steil nach oben befördert, um eine kurze aber atemberaubende Runde über das begrünte hügelige Pavillondach zu drehen, das als Mi-ni-Schweiz den Vordergrund zur Skyline der Millionenstadt bildet. Die von den Architek-ten Buchner Bründler gewählte Ästhetik scheint auf den ersten Blick irritierend ruppig und lenkt zunächst vom Thema der offen zu-gänglichen Stadt-Loggia ab. Auf emotionaler und intellektueller Ebene aber ist den Schweizern der komplexeste Pavillon gelun-gen, der Raum für die unterschiedlichsten Interpretationen lässt: ein harmonisches Zu-sammenspiel von Stadt und Landschaft oder eher eine künstlich fragile Natur idylle? Von unten wirkt der graue derbe Spritzputz der dicken 20 m hohen Stützen abweisend und trist wie der Spritzbeton von Tunneln und Naturverbauungen in den Alpen, im Vorder-grund aber leuchten die Schweizer Landes-farben: Ein lichter Stahlnetzvorhang mit auf-

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4 Luxemburger Pavillon »Haus und Garten«, Architekten: Hermann & Valentiny

5 Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate »Sanddünen«, Architekten: Foster + Partners

6 Spanischer Pavillon »Weidenkorb«, Architekten: EMBT

7–9 Britischer Pavillon »Seed Cathedral«, Architekten: Thomas Heatherwick Studio

4 Luxembourg Pavilion “House and Garden” architects: Hermann & Valentiny

5 United Arabic Emirates Pavilion “Sand Dunes” architects: Foster + Partners

6 Spanish Pavilion “Wicker Basket” architects: EMBT7–9 British Pavilion “Seed Cathedral”

architects: Thomas Heatherwick Architects

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blitzenden roten Kunststoffpailletten scheint sich wie ein Regen aus Herbstlaub aus dem weißen Dachrand nach unten zu ergießen (Abb. 15 –17). Solarzellen in den Pailletten speichern das Sonnenlicht, Sensoren reagie-ren interaktiv auf das Blitzlicht der Besucher-kameras, das die integrierten LED in einer Kettenreaktion zum Aufblitzen bringt. Auf ei-nem getrennten Rundgang als parallelem Er-zählstrang fährt man in einem zweiten Trich-ter mit dem Lift nach oben und erlebt, dies-mal als Breitbild-Projektion aus der Perspek-tive eines Hubschraubers, das Auftauchen der Spitze des Matterhorns hinter dem Hori-zont weiß verschneiter Grate. Im dänischen Pavillon kann man die Aus-

sichtsplattform über eine Rampe mit dem Fahrrad erklimmen. Das Rad, noch bis vor wenigen Jahren Inbegriff des chinesischen Straßenbilds, wurde vom Autoverkehr als Massenverkehrsmittel komplett ersetzt – als Lösungsvorschlag gegen den drohenden Verkehrsinfarkt soll es auch in China wieder Verbreitung finden. Als Hauptattraktion ha-ben die Dänen das Original des Wahrzei-chens ihrer Hauptstadt Kopenhagen de-montiert und in der Mitte ihres Pavillons auf einen Fels in einen Teich gesetzt. Bjarke In-gels baute um die Meerjungfrau herum sei-ne Rampenlandschaft als dynamisch exzen-trisch auskragende Doppelschleife, zusam-mengeschweißt aus Stahlplatten und weiß

gestrichen wie das Fährschiff einer däni-schen Insel: Die als Pixel unterschiedlich dicht verteilten Lochungen der Bullaugen verwandeln sich bei Nacht unerwartet in den umlaufenden Schriftzug »Denmark« (Abb. 10, 11, 14).Im Gegensatz zu dieser nüchtern abstrakten Architektursprache wirkte die niederländi-sche Version einer Rampenschleife auf den quietschbunten Computeranimationen wie eine geschmacklose Jahrmarktattraktion. In der Realität verblüfft der niederländische Pavillon durch seine intelligente Doppelbö-digkeit, indem er die Klischees des König-reichs persifliert und gleichzeitig als schrille Montage zur Schau stellt. An die seitlichen Wangen der offenen Rampe, die sich wie der rote Teppich auf einer Dorfstraße nach oben windet, hängt der Künstler John Kör-meling Minihäuser in der Architektursprache der weißen niederländischen Moderne, durch deren Fenster Holzpantoffeln, das nachgebaute Atelier Van Goghs, neuestes niederländisches Design und Solarfahrzeu-ge zu entdecken sind. End- und Höhepunkt dieser »Happy Street« ist der Veranstal-tungsraum in Form einer zitronengelben Krone als Anspielung auf die Königin (Abb. 1). Nachts, wenn der Pavillon wie ei-ne Jahrmarktbude leuchtet, wird die Krone zum miniaturisierten Pendant der leuchten-den Krone auf dem Hochhaus des Westin Hotels, die, von allen Seiten sichtbar, das nächtliche Wahrzeichen der historischen Bundpromenade von Schanghai bildet. Was den Pavillon zusätzlich attraktiv macht: Das Auf und Ab der Rampe kann frei betreten werden; als Teil des Konzepts gibt es keine Eingangstür und keine Warteschlangen.

Pusteblume – die Ikone der Expo 2010?Wenn es ein Gebäude schaffen kann, zur Ikone der Expo 2010 zu werden, dann ist es der britische Pavillon. »Unsere Intention war, Inhalt und Hülle des Pavillons als Ein-heit zu gestalten«. Das Konzept von Tho-mas Heatherwick ging auf (Abb. 7– 9). »Ca-thedral« ist eine Anspielung auf den Kristall-palast Joseph Paxtons. Der Name »Seed« bezeichnet die 200 000 Pflanzensamen aus

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aller Welt, die in den inneren Enden der über 60 000 Acrylglasstäbe eingeschmolzen sind, die den Pelz des skurrilen Kunstob-jekts bilden. Sie stammen aus der Samm-lung des ältesten botanischen Instituts welt-weit, Kew Gardens, dessen Name auf chi-nesischen Ursprung zurückzuführen ist. Die 7,5 m langen Stäbe sind durch eine Holz-konstruktion und Aluminiumrohre bis ins dämmrig dunkle Innere durchgesteckt, wohin sie wie die Glasfaserleuchten der 1970er-Jahre das Tageslicht lenken. Die trichterförmigen Aufweitungen der Stäbe wirken als Linse und lassen die meist klei-nen Samen wie unter einer Lupe vergrößert erscheinen. Bei Nacht illuminieren LED die Stäbe, die ihr Licht in umgekehrter Richtung dezent nach außen leiten. Das zweite Ele-ment der Installation ist die gefaltete Liege-fläche rund um den Pavillon, die wirkt wie ei-ne Verpackung, aus der die Seed Cathedral ausgepackt wurde. »Wir wollten für die Seed Cathedral ein neutrales Umfeld in der gleichen Farbigkeit schaffen, damit die Ac-rylglashülle inmitten der Reizüberflutung der Expo stärker zur Geltung kommt.« Diese Liegefläche aus elastischem grauen Gum-migewirk ist längst zum Lieblingsplatz vieler Besucher geworden. Wie als Belohnung für das stundenlange Anstehen auf hartem As-phalt lassen sie sich hier nieder, angesteckt von der entspannenden positiven Energie, beginnen zu spielen, zu turnen und spontan komische Dinge zu tun. Fast wie ein Lebe-wesen wirkt Seed Cathedral, wenn der Wind durch die transparenten Tentakel streicht und die Besucher ausrufen: »Schau, es be-wegt sich!« Nach der Expo sollen die Sa-men in den Acrylstäben wie die Samen ei-ner Pusteblume an Schulen in China und Großbritannien verteilt werden.Im Gegensatz zu dieser einen großen Geste der Engländer ist die Ausstellung im deut-schen Pavillon in unterschiedliche Themen-räume differenziert, sowohl gestalterisch als auch inhaltlich. In nur wenigen Pavillons wird so viel Information so detailliert auf spieleri-sche Weise vermittelt: von Carsharing und Plattenbausanierungen über High-Tech-Ma-terialien bis zum neuesten Design (Abb. 21).

»Wir alle möchten auch in Zukunft in Städten leben, die sich im Gleichgewicht befinden. Die architektonische Umsetzung unseres Beitrags »Balancity« drückt sich in vier gro-ßen Ausstellungskörpern aus – als Sinnbild für das Spiel der Kräfte aus Tragen und Belasten, Anlehnen und Stützen in einem labilen Gleichgewicht«, erläutert Projektar-chitekt Lennard Wiechell von Schmidhuber + Kaindl. Auf der VIP-Terrasse im ersten Ober-geschoss über dem Restaurant kommen die räumlichen Qualitäten der Vor- und Rück-sprünge, der Wechsel von Licht und Schat-ten am besten zur Geltung. »Das silbern be-schichtete transluzente Gewebe gibt den plastischen Baukörpern nicht nur eine luftige Leichtigkeit, es bietet Schutz vor Wind und Regen genau wie die Schirme, die Sie über-all bei den chinesischen Besuchern sehen; bei Dunkelheit reflektiert es das Licht.« Man fühlt sich fast wie in einem Zeppelin beim Blick zwischen den Streben hindurch und hi-nunter auf die Besuchermenge. Die balan-cierenden Körper der silbernen technischen Membran sind ein Sinnbild für die »Stadt«, unter die sich wie ein Sockel das Element der »Landschaft« schiebt, deren Fassaden aus Holz und Silizium-Solarzellen wie der Schnitt durch geologische Schichten ge-staltet sind. Um die Pavillonmembran nach der Expo erneut zu nutzen, wird momentan geprüft, ob die silberne PVC-Hülle für eine Taschenkollektion eingesetzt werden kann. 30 Mio. Euro haben Bau und Ausstellung gekostet und die Größenordnungen sind be-trächtlich: Auf der Parzelle von 6000 m2 be-trägt die Ausstellungsfläche 3600 m2. 45 000 Besucher können den Pavillon pro Tag maxi-mal besuchen.

Partnerschaft als Programm Im Unterschied zu bisherigen Weltausstel-lungen geht es in Schanghai nicht nur dar-um, das jeweilige Thema zu interpretieren und die Qualitäten des eigenen Landes her-auszuarbeiten, sondern sich als attraktiver Partner für China zu präsentieren. Für viele Länder ist das Rot in der Landesflagge ein willkommener Anknüpfungspunkt, für andere die gemeinsame Liebe zur Natur oder Be-

rührungspunkte in der Geschichte. Ein ganz besonderer beinahe unscheinbarer Pavillon, der zwischen den riesigen Länderpavillons leicht zu übersehen ist, verkörpert dieses Konzept nicht nur im Titel: das »Deutsch-Chinesische Haus« von Markus Heinsdorff ist das Abschlussprojekt einer dreijährigen Veranstaltungsreihe »Deutschland und Chi-na – gemeinsam in Bewegung«. In Schang-hai hat der Künstler erstmals Riesenbambus aus Südchina verwendet; nicht wie bei vielen anderen Pavillons als aufgesetzte Fassaden-bekleidung, sondern als von außen und in-nen sichtbares Tragwerk (Abb. 22). Innovativ sind nicht nur die erstmals eingesetzten filigran geschwungenen Möbel und Brett-schichtbinder aus dem schnell nachwach-senden Rohstoff Bambus. Mit den eigens entwickelten Verbindungsknoten, die ermög-lichen, dass der gesamte Pavillon auseinan-dergeschraubt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden kann, avanciert das Deutsch-Chinesische Haus zum nachhaltigs-ten Pavillon der gesamten Expo. Heinsdorff geht es jedoch nicht um Rekorde. »Die Spannweite der Bambus-Kuppel des indi-schen Pavillons von Simon Velez ist mit 35 m Durchmesser anscheinend Weltrekord. Uns geht es dagegen darum, natürliche Materia-lien aus China mit neuester Technologie aus Deutschland zu verbinden.«Das Highlight nördlich der Expo-Achse bil-det der koreanische Pavillon. Inmitten des ufo-artigen metallisch silbernen »Schatz-schiffs« Saudi-Arabiens und dem pinkfarbe-nen »Seidenraupenkokoon« aus ETFE-Kis-sen der Japaner füllt der rechteckige Bau-körper die 6000 m2 große Parzelle bis an die Grundstücksgrenzen aus. Wie eine Fabrik-halle ist der gesamte Baukörper in 7 m Höhe aufgeständert; so bietet sich in dem Raum darunter einer der größten überdachten Plät-ze der Expo. Der Boden ist als abstrahierter gepixelter Stadtplan der Hauptstadt Seoul im Maßstab 1:300 gestaltet, deren Topografie als Bühne für Vorführungen für die auf den Eintritt wartenden Massen genutzt wird. »Ko-rea ist eine Halbinsel. Unsere Kultur ist seit jeher von der Land-Kultur Chinas und der See-Kultur Japans durchdrungen. Auch der

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10,11,14 Dänischer Pavillon »welfairytales«, Architekten: BIG

12 Russischer Pavillon »Märchenland«, Architekten: P.A.P. ER

13 Polnischer Pavillon »Scherenschnitt«, Architekten: WWA Architects Marcin Mostafa + Natalia Paszkowska

10,11,14 Danish Pavilion “Welfairytales”, architects: BIG

12 Russian Pavilion “Fairy Tale Land”, architects: P.A.P. ER

13 Polish Pavilion “Paper-cutting”, architects: WWA Architects Marcin Mostafa + Natalia Paszkowska

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Pavillon vereinigt zwei unterschiedliche Ele-mente: Zeichen und Raum« erklärt Architekt Minsuk Cho. Buchstaben des koreanischen Hangeul-Alphabets bilden als dreidimensio-nale Körper und Hohlräume über 20 m Höhe die plakative und gleichzeitig komplexe Struktur des Gebäudes (Abb. 18). Die Fas-sadenflächen entlang der Grundstücksgren-ze fassen die Skulptur wie eine weiße Hülle aus Papier zusammen. In vier Größen sind hier Hangeul-Zeichen als »Buchstabenpixel« aus den abgehängten Alu-Verbundplatten ausgeschnitten und stehen senkrecht aus der Fassade hervor (Abb. 19). Die in die Tie-fe gehenden Flächen hat der Künstler Ik-Joong Kang mit bunten »Kunst-Pixeln« im

Format 45 x 45 cm gestaltet (Abb. 20). Sie sollen nach dem Ende der Expo als hand-signierte Kunstwerke verkauft werden.

Laternen und MediafassadenAuf der 1,6 km2 großen Puxi-Seite wurden wenigstens einige der historischen Hafenan-lagen erhalten; hier präsentieren sich einzel-ne Städte, Regionen und Firmen. An der ge-noppten Backsteinfassade und den kubi-schen Auskragungen ist das Hamburghaus zu identifizieren, das als das erste zertifizier-te Passivhaus Chinas ein Stück HafenCity nach Schanghai bringen soll. London wirbt mit den bunten Windkaminaufsätzen des Beddington Zero Energy Development

(BedZED), Großbritanniens größtem nachhal-tigen Stadtquartier, Madrid mit der Fassade eines Madrider Wohnungsbaus von Foreign Office Architects und die chinesische Regi-on Ningbo mit dem Remake der Bibliotheks-fassade von Wang Cho aus Abbruchzie-geln. Abends verwandelt sich das Gelände in eine leuchtende Zauberwelt. Während die Hüllen der Länderpavillons in Pudong wie Laternen von innen heraus zu glühen begin-nen, spielt sich auf den LED-bestückten Git-terschalen der Expo-Achse und den dreidi-mensional texturierten Medienfassaden in Puxi ein Spektakel an Projektionen ab, das durch die Spiegelung im Fluss noch verdop-pelt wird und selbst in China seinesgleichen sucht. Wasserfontänen bewegen sich im Walzertakt und die laut schallende Musik wird nur von den Schiffshörnern der vorbei-ziehenden Lastkähne überlagert.

Nach der Expo ist vor der ExpoFür Schanghai lohnt sich die Expo 2010 auf jeden Fall. Ab dem 31. Oktober wird sich die größte Weltausstellung der Geschichte er-neut in eine der größten Baustellen verwan-deln. Dann werden alle 240 Pavillons abge-tragen, tausende Tonnen Stahl auseinander-geflext und als Recyclingstahl eingeschmol-zen, tausende von Bohrpfählen wie Weiß-heitszähne gezogen, um Platz für das neue Quartier mit Handelszentrum, Kultureinrich-tungen und Luxuswohnungen zu schaffen: Ein »besseres Leben« in einer »besseren Stadt« – zumindest für wenige Privilegierte. Aber wird diese Expo auch die Architektur weiterbringen? Selbst die besten der Pavil-lons haben nicht den Anspruch, eine neue Architektursprache zu begründen wie einst der Barcelona-Pavillon. Sie zeigen aber auf erfrischende Weise, welches Potenzial Archi-tektur als Kommunikationsmedium hat, um uns zum Nachdenken zu bringen oder ein-fach Spaß zu verbreiten. Einigen Pavillons wäre zu wünschen, dass sie erhalten blei-ben. Eine Wiederverwendung bei den Welt-ausstellungen im koreanischen Yeosu 2012 oder in Mailand 2015 würde allerdings der Funktion des Expo-Pavillons als Momentauf-nahme der Jetztzeit komplett widersprechen.

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At the onset of the industrial revolution in Eng-land, Sir Henry Cole had a brilliant idea: to bring together in one exhibition technical inno-vations from around the globe, to be hosted in London, then the capital of the world’s eco-nomical powerhouse. At this first world exposi-tion in 1851, with his Crystal Palace, Joseph Paxton – originally trained as a gardener – al-most unwittingly designed a prelude to mod-ern architecture. The Eiffel Tower (1884) paved the way for skyscrapers. Later, in 1929, Mies van der Rohe’s Barcelona Pavilion be-came synonymous with flowing space. And in 1958, Le Corbusier and Yannis Xenakis creat-ed the first computer-operated, multi-media, Gesamtkunstwerk merging spatial dramaturgy with the building shell. All along, world exposi-tions have been far more than a laboratory for architectural experiments. They are seismome-ters of a global society that is growing ever closer together, a reflection of the Zeitgeist, and, in the best-case scenario, a projection in-to the future. But where do we stand today? Is the Expo pavilion outdated per se in an era in which information is ever-present on the Inter-net? Or are they in demand more than ever by a crowd that wants to experience the global event with all five senses?Today China sets the tone in international business. With a population of 1.3 billion – 20% of the world’s population – it is not only a highly promising market for imported goods, but in the meantime also the largest producer of computer components and apparel. Shang-hai, now the focus of attention, has a popula-tion of 19 million. On the 97th floor of the World Financial Center – nicknamed the bottle opener, it is currently China’s tallest skyscrap-er and the world’s third tallest – one can view an exhibition on the history of the Expo. In ad-dition, there is perhaps no better place than this observation platform – the world’s tallest – to survey the rapid growth of a contemporary mega-metropolis, as well as, of course, the energy and problems accompanying it. In Chi-na alone there are more than 150 cities with a population greater than one million – never be-fore has so much been built, nor has the need been so great to regulate the growth and to see to it that societal and environmental needs

15 –17 Schweizer Pavillon »Landschaft und Natur«, Architekten: Buchner Bründler in Zusammen-arbeit mit den Szenographen Element Design und iart interactive.

16 Interaktive dezentrale Fassadenbeleuchtung; anstelle der PV-Zelle war ursprünglich ein ro-ter Biokunststoff vorgesehen, der nach dem Prinzip der Photosynthese Strom erzeugt.

18 –20 Südkoreanischer Pavillon »Konvergenz«, Architekten: Mass Studies in Zusammenarbeit mit dem Künstler Ik-Joong Kang

are addressed. Fittingly, the motto of the Expo 2010 is not “stronger, taller, faster”, but “Bet-ter City, Better Life”.Like at the Beijing Olympics two years ago, the entire city’s image was spruced up in time for the Expo opening. Rows upon rows of buildings received fresh coats of paint. Food stands, street vendors and acrobats were banished to Shanghai’s side streets. Situated in a top location on the Puxi (literally: west bank) and the Pudong (east bank) of the river Huangpu, these are not only the largest Expo grounds ever, but also a prime piece of real estate in a region sustaining continued dy-namic growth – to a certain degree compara-ble to London’s Dockland district or Ham-burg’s HafenCity. Correspondingly, the Expo presented a welcome opportunity to clear and restructure the site, a former port district whose infrastructure was not up to today’s standards. The businesses located here were moved to the edge of the city and about 18 000 households were relocated to neigh-bourhoods in the general vicinity. Now a sec-

ond tunnel below the Huangpu and several rapid-transit lines connect the site to the ur-ban network.More than 240 applications were submitted for permission to build pavilions – and all of them were erected. Those who want to do business with the host country must come in contact with it face-to-face. The U.S. Pavilion nearly fell victim to the global economic crisis. At the last minute, however, sponsors were found. As part of the pared-down concept, Hillary Clinton and President Barack Obama make appearances on giant video screens – a testimony to their commitment to the project – but cannot allay concerns over the country’s economic resilience. On the other side of the coin, the host country’s dominance is clearly on display. The Chinese Pavilion, the “Crown of the East”, is 63 m high and towers over the other national pavilions, whose roof parapets were not allowed to exceed 20 m. The Chi-nese Pavilion is near the gigantic Theme Pavil-ion and the Expocenter, as well as the Per-formance Center – which at 130 000 m2 is

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15–17 Swiss Pavilion “Landscape and Nature” architects: Buchner Bründler in cooperation with the scenographer Element Design and iart inter-active

16 Interactive decentralized facade lighting; in the original concept, this PV cell was to be imple-mented as a red bio-plastic that would produce electricity in a process based on photosynthe-sis.

18–20 South Korean Pavilion “Convergence” architects: Mass Studies in cooperation with the

artist Ik-Joong Kang

currently the largest of its kind in all of China and seats an audience of up to 18 000 – which form the backbone of the temporary city. The latter three lie directly on Expo Boul-evard.These are the only five elements that will be left standing once the Expo 2010 closes its doors once and for all. The Expo Axis not only vertically links a number of different public transportation lines, stations, the street level and the raised walkways – all of which are in-terwoven throughout the Expo grounds – but also constitutes a horizontal aperture almost 1000 m in length from the city proper via the Expo grounds and beyond to Celebration Square on the river promenade. The interior of the bridge building contains six circular court-yards which are crowned by a light-catching, funnel-shaped steel shell network. Between these steel screens are large-scale parasols of translucent PTFE-coated, glass-fibre fabric that, despite the vast expanse, bestow the space with a festive atmosphere. Next to it the Chinese Pavilion appears heavy and un-

wieldy (ill. 3). The red steel structure quoting traditional Chinese timber construction serves well as a point of orientation and signpost of the Expo. Like an oversized table, the building stands on four square columns; in its centre two criss-crossing escalators appear to suck up the ant-like visitors. The exhibition inside allows viewers to travel back in time, giving a glimpse of China’s history – including its as-cent in recent years. The Expo’s main building (45 000 m2) is anal-ogous to contemporary China. Representa-tives of the provinces are located in its forceful base; the protective umbrella – the national pavilion atop columns – rises above it. Hong Kong Macao, and Taiwan’s pavilions are situ-ated nearby, like satellites. In general, it is possible to read the site plan as a global “mapping”: China is at the centre and the US is on the outer edge.The outer shell is only half the show – the inte-rior surfaces are just as important as the exte-rior dramaturgy. This is true of all of the pavil-ions. But in Shanghai the two parts are typi-

cally entrusted to different designers. Thus, as a rule, the sensual experience ends at the doorstep, where a dark, mysterious realm of media screens and surfaces begins. Real and animated figures – it is often difficult to differ-entiate between them – coalesce, collage-like, in a new visual language. Touch-screen tech-nology and other sensors allow visitors to in-teract with the films. Only the Austrian Pavilion breaks with the strict separation between ex-terior and interior. The red-and-white tile skin follows the surfaces to the interior, where it transforms into the space’s white spatial defi-nition (see DETAIL 5/2010, pp. 458–463).Duck or decorated shed? Countries with smaller budgets rented standard halls and clad them in special materials or motifs: Por-tugal enlisted prismatically arranged cork-board; Vietnam’s exterior and interior dis-played bamboo structures; and Russia em-ploys the sculptural diamond pattern typical of its onion domes. Despite a number of early renderings promising ducks – the other end of the spectrum as postulated by Robert Venturi – even when applying one’s fantasy, there are now none to be found at the Expo, although the United Arabic Emirates provides one of the most convincing built metaphors: sand dunes. The preliminary renderings were vague, but the realization by Foster and Partners is among the most immaculately detailed of the entire Expo. A continuous gold-toned, stainless-steel skin represents the supple curves of two “dunes” which con-stitute the roof of the lecture hall and the exhibition hall. The stainless-steel panels can be easily dismantled, and the pavilion will be set up in the UAE once the Expo concludes its run.In order to take advantage of the view of the Expo grounds, take a ride above the Swiss Pavilion on a chairlift. The ride spirals up – as if emerging from the eye of a tornado – and offers a breathtaking trip above the pavilion, with a mini-Switzerland in the foreground and Shanghai’s skyline off in the distance. The architects’ intention to showcase the harmonic interplay of an urban setting and a natural one ends up heightening the differ-ence and making the pavilion appear to be

694 Expo 2010 Schanghai – Alles nur Fassade? 2010 ¥ 7/8 ∂

21 Deutscher Pavillon »Balancity«, Architekten: Schmidhuber + Kaindl, Ausstellungsgestaltung: Milla und Partner, Ausführung: Nüssli

22 Deutsch-Chinesisches Haus »Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung«, Architekt: Markus Heinsdorff, Tragwerksplanung: sbp

21 German Pavilion “balancity”, architects: Schmidhuber + Kaindl exhibition design: Milla und Partner realization: Nüssli22 “Germany and China – Moving Ahead Together”

architect: Markus Heinsdorff structural engineer: sbp

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the seeds – most of which are miniscule. At night LED lamps subtly illuminate the pavilion. When the wind blows, the Seed Cathedral seems to come alive, and visitors call out, “Look, it’s moving!” After the Expo, the seeds will be disseminated to schools throughout China. The building massing of the German Pavilion, by the architects Schmidhuber + Kaindl and the exhibition designers Milla & Partner, is divided into four separate wings, which are emblematic of a dynamic play of forces. The protrusions and recessions can best be appreciated from the VIP terrace on the first storey. Looking through the bracing members inside the building, there is a feeling of being in a zeppelin looking down at the crowd be-low. The balancing act performed by the buildings could be interpreted as the city, and the base (whose facade consists of wood and solar cells and resembles a section through sedimentation) below it as landscape.In contrast to other world expositions, in Shanghai the emphasis is not on presenting a country’s qualities, but on demonstrating that the respective country is an attractive trade partner for China. Countries whose flags con-tain the colour red seem to view that as a shared characteristic to be flaunted; for others it is the common love of nature, or points of intersection in history. One very special pavil-ion embodies this approach: the German-Chi-nese Pavilion is the culmination of a three-year series of events entitled “German and China – Moving Ahead Together”. This is the only pa-vilion in which giant bamboo is used structur-ally. Among its features: bamboo glu-lam beams, elegantly curved bamboo furniture, and demountable connections developed expressly for this building. Following the largest Expo ever, the grounds will once again be transformed into a building site. A new district will be erected, this time including a commercial centre, cultural ameni-ties and luxurious apartments. Plans to recy-cle the pavilions are modest. Rumours have it that a few of them will be set up again else-where. Reusing a pavilion at a future Expo would, however, contradict the concept to depict the world as it is right now.

a fragile, artificial Shangri-La (ills. 15–17).In contrast to the sober architectural vocabu-lary of the Danish Pavilion, in the renderings, the Dutch version of a continuous ribbon seems like a variation on a county fair. Yet the Dutch Pavilion astonishes viewers with its in-telligent double entendre, for example by sati-rizing the clichés associated with the King-dom, as it were (Holland still sustains a royal family), while at the same time putting them on display in a shrill three-dimensional mon-tage. The artist John Körmerlings suspended scale models of residential Dutch modern ar-chitecture from the sides of the open ramps; inside the models visitors can catch glimpses of clogs, a miniature version of Van Gogh’s

atelier, state-of-the-art Dutch design and solar-powered automobiles.If one building has what it takes to become the icon of the Expo 2010, it is the British Pa-vilion by Thomas Heatherwick (ills. 7–9). “Ca-thedral” refers to Joseph Paxton’s Crystal Pal-ace, “seed” to the 200 000 ovules collected the world over and presented inside 60 000 acrylic-glass bars, which constitute the fur of the quirky work of art. The seeds are from a Kew Gardens’ collection. The botanical insti-tution, whose name is derived from Chinese, is one of the world’s oldest. The 7.5 m long bars were pushed through a wood-aluminium framework and carry daylight into the pavil-ion’s core. The widened ends slightly magnify