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Visceralchirurgie ist das, was die meisten von Ihnen täg- lich tun und schon immer getan haben. Sie ist das Herz- stück der alten „Allgemeinchirurgie“. Eine eigenständi- ge Definition hat die Visceralchirurgie erst durch die neue Weiterbildungsordnung erhalten. Durch sie wurde die Visceralchirurgie „vom täglich Brot“ des Chirurgen zum eigenständigen Schwerpunkt. Inhaltlich umfaßt dieser Schwerpunkt vorrangig die Chirurgie des Trun- cus coeliacus und seiner Anhangsorgane, ergänzt durch die traditionell allgemeinchirurgischen Bereiche wie Weichteilchirurgie und endokrine Chirurgie. Alles, was sich seitdem entwickelt hat bis hin zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Visceralchirurgie ist konse- quent und folgerichtig. Die jetzt formal existierende Visceralchirurgie braucht eine Interessensvertretung nicht nur in Hinblick auf künftige Krankenhausstruktu- ren bzw. die Ausstattung entsprechender Abteilungen, sondern auch in Hinblick auf die Diskussionen um die Abgrenzung zu anderen Schwerpunkten und Gebieten. Darüber hinaus gilt es, aus speziell visceralchirurgischer Sicht die wichtigen und zukünftig immer wichtiger wer- denden Horizontalkontakte zur Gastroenterologie und zur Onkologie zu pflegen und auszubauen; nicht zuletzt auch um kontroverse Ansprüche, z. B. auf die Endosko- pie oder onkologische Therapien, auszugleichen. Formell sind Zweck und Aufgaben der DGVC in der Satzung wie folgt festgelegt: Zweck der Deutschen Gesellschaft für Visceralchirur- gie ist es, die Förderung des Schwerpunktes Visceral- chirurgie in Wissenschaft und Praxis zu betreiben. Auf- gabe der Gesellschaft ist, unter Wahrung der übergeord- neten Zuständigkeit des Fachgebietes Chirurgie in en- ger Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie sowie im einvernehmlichen Kontakt mit den anderen chirurgischen Schwerpunkten der Nachbardis- ziplinen, die Belange des Schwerpunktes gegenüber ärztlichen Organisationen und Selbstverwaltungskör- perschaften, gegenüber dem Staat und seinen Institu- tionen sowie in der Öffentlichkeit zu vertreten. Die DGVC hat darüber hinaus das Ziel, innerhalb der Visceralchirurgie in eigener Verantwortung speziel- le Kompetenzbereiche zu unterstützen und weiterzu- entwickeln. Dies betrifft organorientierte Bereiche wie die hepatobiläre und pankreatische Chirurgie, die Chir- urgie des oberen Magen-Darm-Traktes und die colorec- tale Chirurgie inklusive der Proktologie. Ebenso gilt es aber, organübergreifenden Spezialbereichen wie der visceralchirurgischen Transplantationschirurgie, der chirurgischen Onkologie, der visceralchirurgischen In- tensivmedizin, der operativen Endoskopie, der intralu- minalen und intracavitären endoskopischen Chirurgie sowie der chirurgischen Endokrinologie eine Heimstatt in der Visceralchirurgie zu sichern und ihre Interessen mit zu vertreten. Es wird in Zukunft entscheidend sein, etwaig entstehende Zentrifugalkräfte zu neutralisieren und die Gemeinsamkeit des Schwerpunktes Visceral- chirurgie vorrangig im Auge zu behalten. Mit der Gründung der DGVC wird in Deutschland eine Entwicklung nachvollzogen, die international längst er- folgreich stattgefunden hat. In den USA gibt es seit Jah- ren die „Society for Surgery of the Alimentary Tract“, die inzwischen zum Mitveranstalter eines der wichtig- sten amerikanischen Kongresse – der Digestive Disease Week – geworden ist. In Japan hat die „Japanese Society of Gastrointestinal Surgeons“ mehr als 15 000 Mitglie- der und veranstaltet einen eigenen, wichtigen Kongreß. Auch in der Schweiz gibt es eine Schweizerische Gesell- schaft für Visceralchirurgie. Es besteht also kein Man- gel an internationalen Gesprächspartnern; konsequen- terweise werden Partnerschaften nicht lange auf sich warten lassen. Auch hier bedarf die deutsche Visceral- chirurgie einer Vertretung nach außen. Die DGVC wird die Deutsche Gesellschaft für Chir- urgie nicht schwächen, sie wird ihr vielmehr helfen, den aktuellen Entwicklungen in der Chirurgie und ihrer Binnenstrukturierung gerecht zu werden und damit ihre zukünftige Rolle zeitgemäß zu definieren. Sie kann endlich die Zwitterrolle zwischen Interessensver- tretung der Mehrheit ihrer Mitglieder – d. h. der Visce- Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie J. R. Siewert Chirurgische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. J.R.Siewert) der Technischen Universität, Klinikum rechts der Isar, München Editorial Ó Springer-Verlag 1998 Chirurg (1998) 69: 1011–1012

Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie

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Page 1: Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie

Visceralchirurgie ist das, was die meisten von Ihnen täg-lich tun und schon immer getan haben. Sie ist das Herz-stück der alten ¹Allgemeinchirurgieª. Eine eigenständi-ge Definition hat die Visceralchirurgie erst durch dieneue Weiterbildungsordnung erhalten. Durch sie wurdedie Visceralchirurgie ¹vom täglich Brotª des Chirurgenzum eigenständigen Schwerpunkt. Inhaltlich umfaûtdieser Schwerpunkt vorrangig die Chirurgie des Trun-cus coeliacus und seiner Anhangsorgane, ergänzt durchdie traditionell allgemeinchirurgischen Bereiche wieWeichteilchirurgie und endokrine Chirurgie. Alles, wassich seitdem entwickelt hat bis hin zur Gründung derDeutschen Gesellschaft für Visceralchirurgie ist konse-quent und folgerichtig. Die jetzt formal existierendeVisceralchirurgie braucht eine Interessensvertretungnicht nur in Hinblick auf künftige Krankenhausstruktu-ren bzw. die Ausstattung entsprechender Abteilungen,sondern auch in Hinblick auf die Diskussionen um dieAbgrenzung zu anderen Schwerpunkten und Gebieten.Darüber hinaus gilt es, aus speziell visceralchirurgischerSicht die wichtigen und zukünftig immer wichtiger wer-denden Horizontalkontakte zur Gastroenterologie undzur Onkologie zu pflegen und auszubauen; nicht zuletztauch um kontroverse Ansprüche, z. B. auf die Endosko-pie oder onkologische Therapien, auszugleichen.

Formell sind Zweck und Aufgaben der DGVC in derSatzung wie folgt festgelegt:

Zweck der Deutschen Gesellschaft für Visceralchirur-gie ist es, die Förderung des Schwerpunktes Visceral-chirurgie in Wissenschaft und Praxis zu betreiben. Auf-gabe der Gesellschaft ist, unter Wahrung der übergeord-neten Zuständigkeit des Fachgebietes Chirurgie in en-ger Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft fürChirurgie sowie im einvernehmlichen Kontakt mit denanderen chirurgischen Schwerpunkten der Nachbardis-ziplinen, die Belange des Schwerpunktes gegenüberärztlichen Organisationen und Selbstverwaltungskör-perschaften, gegenüber dem Staat und seinen Institu-tionen sowie in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Die DGVC hat darüber hinaus das Ziel, innerhalbder Visceralchirurgie in eigener Verantwortung speziel-le Kompetenzbereiche zu unterstützen und weiterzu-entwickeln. Dies betrifft organorientierte Bereiche wiedie hepatobiläre und pankreatische Chirurgie, die Chir-urgie des oberen Magen-Darm-Traktes und die colorec-tale Chirurgie inklusive der Proktologie. Ebenso gilt esaber, organübergreifenden Spezialbereichen wie dervisceralchirurgischen Transplantationschirurgie, derchirurgischen Onkologie, der visceralchirurgischen In-tensivmedizin, der operativen Endoskopie, der intralu-minalen und intracavitären endoskopischen Chirurgiesowie der chirurgischen Endokrinologie eine Heimstattin der Visceralchirurgie zu sichern und ihre Interessenmit zu vertreten. Es wird in Zukunft entscheidend sein,etwaig entstehende Zentrifugalkräfte zu neutralisierenund die Gemeinsamkeit des Schwerpunktes Visceral-chirurgie vorrangig im Auge zu behalten.

Mit der Gründung der DGVC wird in Deutschland eineEntwicklung nachvollzogen, die international längst er-folgreich stattgefunden hat. In den USA gibt es seit Jah-ren die ¹Society for Surgery of the Alimentary Tractª,die inzwischen zum Mitveranstalter eines der wichtig-sten amerikanischen Kongresse ± der Digestive DiseaseWeek ± geworden ist. In Japan hat die ¹Japanese Societyof Gastrointestinal Surgeonsª mehr als 15000 Mitglie-der und veranstaltet einen eigenen, wichtigen Kongreû.Auch in der Schweiz gibt es eine Schweizerische Gesell-schaft für Visceralchirurgie. Es besteht also kein Man-gel an internationalen Gesprächspartnern; konsequen-terweise werden Partnerschaften nicht lange auf sichwarten lassen. Auch hier bedarf die deutsche Visceral-chirurgie einer Vertretung nach auûen.

Die DGVC wird die Deutsche Gesellschaft für Chir-urgie nicht schwächen, sie wird ihr vielmehr helfen, denaktuellen Entwicklungen in der Chirurgie und ihrerBinnenstrukturierung gerecht zu werden und damitihre zukünftige Rolle zeitgemäû zu definieren. Siekann endlich die Zwitterrolle zwischen Interessensver-tretung der Mehrheit ihrer Mitglieder ± d. h. der Visce-

Deutsche Gesellschaft für VisceralchirurgieJ. R. Siewert

Chirurgische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. J. R. Siewert) der Technischen Universität, Klinikum rechts der Isar, München

EditorialÓ Springer-Verlag 1998

Chirurg (1998) 69: 1011±1012

Page 2: Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie

ral- und Allgemeinchirurgen ± auf der einen Seite undWahrung der Gemeinschaft aller Chirurgen auf der an-deren Seite, aufgeben. Vielmehr kann sie sich jetzt ±nachdem zwischen all ihren Schwerpunkten strukturellGleichgewicht geschaffen ist ± ganz auf die Aufgabeneines Dachverbandes konzentrieren, mehr noch, daraufrechnen, in Zukunft ¹verselbständigte Gebieteª unterdas Dach der Familie zurückzuholen. Damit sind dieVoraussetzungen gegeben, ein neues Haus der Chirur-gie zu bauen und sich auf die Interessensvertretungder Chirurgie nach auûen zu konzentrieren ± nachdemder Kampf unter den Chirurgen überflüssig gewordenist.

Um die sich aufdrängende Frage zu beantworten:Wir brauchen eine Deutsche Gesellschaft für Visceral-chirurgie, die sich der beschriebenen Aufgaben an-nimmt und ihren konstruktiven Beitrag für die Neuge-staltung der deutschen Chirurgie leistet. Dies gilt auchin Hinblick auf den Jahreskongreû der DGC, in densich die DGVC aktiv einbringen wird, ohne ihr eigenesGewicht zu verleugnen. Das Ziel wird es sein, den Jah-reskongreû der DGC zu einer ¹chirurgischen Wocheªaller Schwerpunkte und Gebiete weiter zu entwickeln.

Die Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgiestellt somit einen Beitrag zur sinnvollen Binnenstruktu-rierung der deutschen Chirurgie dar und wird nicht zuihrer Aufsplitterung beitragen.

Prof. Dr. J. R. SiewertPräsident der DGVCChirurgische Klinik und Poliklinik der TUKlinikum rechts der IsarIsmaninger Straûe 22D-81675 München

J. R. Siewert: Editorial1012

Y

Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie

Anlaû neue Weiterbildungsordnung

Ziel Konzentrierung der Interessensvertretung

DGVC

Aufgaben Interessensvertretung nach innen

± Beeinflussung von Krankenhausstrukturen± Abgrenzung gegen andere Schwerpunkte± wissenschaftliche Vertretung in der DGC

(Kongreûprogramm etc.)± Standespolitische Vertretung im BDC± Weiterbildungsordnung (Bundesärztekammer,

Landesärztekammern)± Vermittlung von Weiterbildungsinhalten

(PG-Kurse etc.)

Interessensvertretung nach auûen

± DGVS (Kongreûprogramm; gegenseitigeVertretung in Beiräten, gemeinsame Problem-lösungen)

± DKG (Centers of Excellence)± internationale Beziehungen (z. B. SSAT etc.)± Öffentlichkeitsarbeit

Steuerung der Zukunftsentwicklung

± über Arbeitsgemeinschaften der DGC± eigene Arbeitsgemeinschaften± Horizontalbeziehungen

Abb. 1. Gründung der Deutschen Gesellschaft für Visceralchirur-gie