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Deutschland – geographische Erzählungen 1. Einstieg: Deutschland-Images – Deutschland als „geographical imagination“ 2. Nation und Identität 2.1. Deutschland, Europa und die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft 2.2. Nord-Süd und Ost-West-Stereotype - Konstruktion regionaler Identitäten in Deutschland 2.3. Das Eigene und das Fremde: Inländer und Ausländer 3. Landschaft und Leitbilder 3.1. Leitbilder für Landschaften und das Prinzip der Nachhaltigkeit 3.2. Von der „europäischen“ zur „amerikanischen“ Kulturlandschaft? 4. Gesellschaft und Stadt 4.1. Tänze ums goldene Kalb – Geschichten von der Konsum- und Erlebnisgesellschaft 4.2. Fragmentierte Städte – das Ende der sozialen Stadt 5. Fazit 1. Einstieg: Deutschland-Images – Deutschland als „geographical imagination“ Video-Sequenz 1: Selbstdarstellung Deutschlands auf der Expo in Hannover Bei den gezeigten Kollagen handelt es sich um Videosequenzen, die auf zahllosen Monitoren im deutschen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover gezeigt wurden, um unser Land vorzustellen. Erwartungsgemäß hat die Show die Zuschauer polarisiert; nicht wenige Besucher empfanden dieses Sammelsurium verschiedenster Deutschlandimages und Stereotype unserem Land wenig angemessen. Kollege Karrasch sprach in seinem Expo- Beitrag zum jüngsten HGG-Journal ja von „mangelnder inhaltlicher Konzeption“ und einer Gebäudearchitektur wie ein „verbeultes Autohaus“. Auf der anderen Seite ist die Aufgabe für die „Macher“ der jeweiligen Pavillons, ihr Land auf einer Weltausstellung zu präsentieren, auch nicht einfach zu lösen. Was macht denn dieses Deutschland aus, was ist das Spezifische, das den Besuchern aus aller Herren Länder Zeigenswerte? Was kann für wichtig gelten, was eher weggelassen werden? Die Aufgabe ist deshalb so schwierig zu lösen, weil es auf einer Weltausstellung ja nicht nur darum geht, Land und Leute im Sinne beispielsweise einer geographischen Landeskunde vorzustellen, sondern es geht darum, sowohl Selbstbilder, Eigenimages der Deutschen, als auch Fremdimages, Deutschlandbilder unserer Nachbarn und der Expobesucher zu berücksichtigen und in einer angemessenen „Inszenierung“ so zusammenzubinden, daß damit für unser Land draußen in der Welt geworben wird. Folie 1: Deutschland – geographische Erzählungen

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Deutschland – geographische Erzählungen

1. Einstieg: Deutschland-Images – Deutschland als „geographical imagination“ 2. Nation und Identität 2.1. Deutschland, Europa und die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft 2.2. Nord-Süd und Ost-West-Stereotype - Konstruktion regionaler Identitäten in Deutschland 2.3. Das Eigene und das Fremde: Inländer und Ausländer 3. Landschaft und Leitbilder 3.1. Leitbilder für Landschaften und das Prinzip der Nachhaltigkeit 3.2. Von der „europäischen“ zur „amerikanischen“ Kulturlandschaft? 4. Gesellschaft und Stadt 4.1. Tänze ums goldene Kalb – Geschichten von der Konsum- und Erlebnisgesellschaft 4.2. Fragmentierte Städte – das Ende der sozialen Stadt 5. Fazit 1. Einstieg: Deutschland-Images – Deutschland als „geographical

imagination“ Video-Sequenz 1: Selbstdarstellung Deutschlands auf der Expo in Hannover Bei den gezeigten Kollagen handelt es sich um Videosequenzen, die auf zahllosen Monitoren im deutschen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover gezeigt wurden, um unser Land vorzustellen. Erwartungsgemäß hat die Show die Zuschauer polarisiert; nicht wenige Besucher empfanden dieses Sammelsurium verschiedenster Deutschlandimages und Stereotype unserem Land wenig angemessen. Kollege Karrasch sprach in seinem Expo-Beitrag zum jüngsten HGG-Journal ja von „mangelnder inhaltlicher Konzeption“ und einer Gebäudearchitektur wie ein „verbeultes Autohaus“. Auf der anderen Seite ist die Aufgabe für die „Macher“ der jeweiligen Pavillons, ihr Land auf einer Weltausstellung zu präsentieren, auch nicht einfach zu lösen. Was macht denn dieses Deutschland aus, was ist das Spezifische, das den Besuchern aus aller Herren Länder Zeigenswerte? Was kann für wichtig gelten, was eher weggelassen werden? Die Aufgabe ist deshalb so schwierig zu lösen, weil es auf einer Weltausstellung ja nicht nur darum geht, Land und Leute im Sinne beispielsweise einer geographischen Landeskunde vorzustellen, sondern es geht darum, sowohl Selbstbilder, Eigenimages der Deutschen, als auch Fremdimages, Deutschlandbilder unserer Nachbarn und der Expobesucher zu berücksichtigen und in einer angemessenen „Inszenierung“ so zusammenzubinden, daß damit für unser Land draußen in der Welt geworben wird. Folie 1: Deutschland – geographische Erzählungen

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Bei Licht betrachtet kann man gar nicht Deutschland „an sich“ oder „als solches“ darstellen, auch nicht in einem geographischen Vortrag. Meine Aufgabe heute ist von jener der Expomacher gar nicht so verschieden. Welches Bild von Deutschland möchte ich ihnen zeichnen, welche Inhalte wähle ich aus oder lasse ich weg, was ist für die zukünftige Entwicklung Deutschlands –darüber nachzudenken ist ja die Aufgabe dieser Europa-Vortragsreihe- charakteristisch und wesentlich? Diese Auswahl wird in jedem Fall subjektiv und persönlichkeitsgebunden sein. Auch Wissenschaft, auch Geographie, ist in diesem Sinne niemals exakt. Was ich ihnen vortrage, sind letztlich „Geschichten“ über Deutschland, ist meine „Erzählung“ über Deutschland. Daher auch der Titel des Vortrags, der sie vielleicht etwas irritiert haben mag: Deutschland – geographische Erzählungen. Die für die Expo gewählte Inszenierung enthält zahlreiche „Dekonstruktionen“, also „Interpretationen“ von typischen Eigen- und Fremdbildern über Deutschland: Deutschland als Land der Dichter und Denker, der Erfindung der Buchdruckerkunst, der Märchen („Spieglein, Spieglein, an der Wand...“), d.h. als Kulturnation. Andere Bilder thematisierten den High-Tech-Standort, die Weiterentwicklung einer hochrangigen Wissenschaftsgesellschaft in einer globalisierten Welt, wieder andere Bilder zeigten deutsche Natur und Landschaften, vor allem den „deutschen Wald“, auch ein typisches unverzichtbares Stereotyp, das noch in dem nur in Deutschland so breit diskutierten „Waldsterben“ bis heute seinen Nachhall findet. Der Einstieg mit der Expo macht deutlich, daß es auch in einem geographischen Verständnis das „Deutschland“, das sich in einem landeskundlichen Vortrag einfach vorstellen ließe, nicht gibt. Ähnlich wie „Deutschland auf der Expo“ ist auch Deutschland im geographischen Sinne ein Konstrukt, eine „Kopfgeburt“, eine Summe von „geographical imaginations“ und „Images“; ein Konstrukt allerdings –und das macht es für Geographen eben wieder interessant- welches in hohem Maße unser Denken und auch unser politisches Handeln bestimmt. Wie wirkungsmächtig dieses Konstrukt ist, zeigen die jüngsten innenpolitischen Debatten über den „Stolz“, ein Deutscher zu sein. Kaum ein Spitzenpolitiker konnte sich in den letzten Wochen der „Gretchenfrage“ entziehen, wie hält´s du es mit Deutschland., bist du stolz auf Dein Land. Wobei es vor allem auf das vollmundige Bekenntnis ankam, während die entscheidende Frage unbeantwortet blieb: was ist das, auf daß man da stolz sein soll. Folie 2: Zitat Trittin Folie 3: Rau und das Glück, ein Deutscher zu sein Während Umweltminister Trittin, ganz Kind seiner Alterskohorte und Sozialisation, sich nicht nur dem Stolz, Deutscher zu sein, verweigerte, sondern auch gleich noch dem CDU Generalsekretär Meyer Reden und Habitus eines Skinheads bescheinigte, pöbelten umgekehrt CDU- und CSU-Strategen den Bundespräsidenten Rau an, weil er zu einer differenzierteren Bewertung aufgerufen hatte: Stolz kann man nur auf etwas sein, für das man auch persönlich verantwortlich ist. Außenminister Fischer wiederum outete sich, er sei ein stolzer Schwabe, aber kein stolzer Deutscher und so weiter. Welche Konstruktion von Deutschland und Stolz hier immer durch die Köpfe geistern mag, „patriotische Glanzleistungen wie d(ie) Fußball-WM von 1954, de(r ) Mauerfall, de(r ) Widerstand des 20. Juli, d(ie) soziale Marktwirtschaft, de(r) erste Mai und der kategorische Imperativ“ (Spiegel, 13/2001,S. 22), offenkundig ist, für wie wichtig und wirkungsmächtig solche Diskurse immer noch oder schon wieder gehalten werden. In der Tat verdreht ja ein

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ganz bestimmtes Deutschlandbild, eine spezifische „Konstruktion“ von Deutschland, die Köpfe junger Rechtsradikaler und motiviert ihre Straftaten gegenüber Ausländern, während umgekehrt ein anderes Deutschlandbild die „political correctness“ der ausländerfreundlichen Linksliberalen bestimmt. „Geographical imaginations“ von unserem Land prägen aber weit darüberhinaus in sehr vielfältiger Form unsere politischen und sozialen Einstellungen und damit auch unser Handeln, wie späteren Kapiteln des Vortrags zu zeigen sein wird. Folie 4: Die Deutschen Staaten nach dem Wiener Kongress (Nationatlas, Bd. 1, S. 29) Konstrukte, Deutschlandbilder in den Köpfen, waren schon für die Entstehung der deutschen Nation und unsere jüngere Geschichte ganz zentral. Sie haben im 19. Jahrhundert, besonders seit der politischen Restauration der 35 deutschen Kleinstaaten nach dem Wiener Kongreß, die Diskurse der politischen und kulturellen Eliten im späteren Deutschland unterfüttert.„Kein Preußen und kein Österreich, das ganze Deutschland soll es sein“, die zentrale Parole für eine „großdeutsche“ Lösung steht für solch ein Deutschlandbild, während umgekehrt die Gründung des Deutschen Reiches 1870/71 von einem, anderen Deutschlandbild, der „kleindeutschen Lösung“, bestimmt war. Zu einem beherrschenden Symbol, geradezu zu einem geographischen Synomym des künftigen, noch nicht existierenden Deutschland wurde der deutsche Rhein, der deutsche Schicksalsstrom, und damit verbunden die Gegnerschaft zu Frankreich. „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“. „Fest steht die Wacht und treu am Rhein“ und wie alle jene vaterländischen Gedichte und Lieder der damaligen Zeit hießen, Konstrukte, geographical imaginations allesamt, worauf schon Heinrich Heine im Vorwort seines „Deutschland, ein Wintermärchen“ ironisch hingewiesen hat: „Ich höre schon ihre Bierstimmen: du lästerst sogar unsere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzosen, denen du den freien Rhein abtreten willst! Beruhigt Euch. Ich liebe das Vaterland eben so sehr wie Ihr.... , ich werde den Rhein nimmermehr den Franzosen abtreten, schon aus dem ganz einfachen Grunde: weil mir der Rhein gehört. Ja, mir gehört er durch unveräußerliches Geburtsrecht, an seinem Ufer stand meine Wiege, und ich sehe gar nicht ein, warum der Rhein irgend einem Andern gehören soll als den Landeskindern.“ Deutschlandkonstruktionen, geographical imagations von dem, was Deutschland sei oder sein solle, haben auch die erste demokratische Revolution in Deutschland 1848/49 beflügelt, sie haben nach Gründung des Deutschen Reiches „von oben“, jener „verspäteten Nation“ die Großmannssucht des letzten Kaisers Wilhelm II und damit das Hineinschlittern in den Ersten Weltkrieg bestimmt („Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt“) und sie haben, ein besonders unseliges Erbe unseres Faches- in den geographischen Konstrukten der Geopolitik eines Karl Haushofer letztlich den in seinem Pamphlet „Mein Kampf“ zusammengefaßten Lebensraumtheorien Adolf Hitlers und des Dritten Reiches das nötige Unterfutter geliefert: Großdeutschland Folie 5: Das nationalsozialistische Deutschland 1933-45 (Nationalatlas, S. 35) Folie 6: Der Teufelsgürtel in Osteuropa Jeweils spezifische Vorstellung von Deutschland bestimmen auch heute unsere Diskurse über das „Andere“, das „Fremde“, sei es in der Asyl- und Ausländerpolitik oder aber in der aktuellen Diskussion um Rechtsradikalismus: Deutschland den Deutschen. Linke wie Rechte konstruieren sich Deutschland in einer ganz spezifischen Weise zurecht.

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Und wer sich schon selbst nicht als Deutscher fühlt oder mit Deutschland identifiziert, der wird spätestens im Ausland zu einem gemacht: zu einem „guten“ Deutschen wie Franz Beckenbauer oder Boris Becker, oder zu einem „bösen“. Jeder Auslandsreisende, jeder reisende Geographie weiß, wie unser Land dort als eine Art „Meddley“ aus Nazivergangenheit, Luxusautomobilen (Daimler, BMW) und Sportgrößen (Beckenbauer, Becker) wahrgenommen wird. Und welches „Meddley“ dort in den Köpfen der Entscheidungsträger ankommt, bestimmt in nicht zu unterschätzendem Maße über den „Wirtschaftsstandort“ Deutschland, eben darüber, ob ausländische Direktinvestitionen, der Motor einer zunehmend globalisierten Wirtschaft, in Deutschland ankommen oder sonst irgendwohin in die Welt gehen. Deutschland in konstruktivistischer Sicht, geographical imagations von Deutschland im In- und Ausland, sind also auch ein wesentliches Thema, wenn es um harte Fakten, um den globalen Wettbewerb, um Innovation, um Investitionen und Arbeitsplätze geht. Folie 7: Roter Faden des Vortrags Leitmotiv meines Vortrags ist also die theorie- bzw. empiriegeleitete Dekonstruktion öffentlicher Diskurse in und über Deutschland in der Sicht der geographischen Wissenschaft. Ausgangspunkt sind somit nicht Daten und Fakten, sondern das Reden über Daten, Fakten und Probleme. Das Ergebnis ist kein wissenschaftlicher Befund, sondern eine „geographische Erzählung“. Dekonstruktion meint dabei eine kritische Sicht durch die geographische Brille. Ziel des ganzen ist nicht Prozesse zu bewerten, sondern sie zu verstehen. Folie 8: Deutschland – geographical imaginations Welches sind nun aber die derzeit wirkungsmächtigen Diskurse, die das Land im Inneren wie nach außen bestimmen, und die in einer geographischen Analyse dekonstruiert werden können? In der Expodarstellung wurden u.a. folgende Themen angesprochen: • Technischer Fortschritt, High Tech, weltweite Vernetzung • Abwechslungsreiche Landschaften, Wald und Handwerk • Kunst und Kultur, Land der Dichter und Denker • Konsum und Wohlstand, „Modernität“ Wenn wir dieser Tage in die Zeitung blicken, ergänzt sich diese Liste. Der aktuelle Rentendiskurs hängt ganz entscheidend mit dem generativen Verhalten in unserem Lande wie auch mit Fragen der Zuwanderung zusammen, bevölkerungsgeographischen Fragen mithin. BSE und MKS haben den Diskurs über unsere Landwirtschaft, jene „geographical imagination“ einer bäuerlichen Familienwirtschaft in Abgrenzung zur (früher) kollektivierten Landwirtschaft in der DDR, wieder auf die Agenda gesetzt und wir erkennen voller Entsetzen, daß unser (altes) Bild vom Bauern mit der realen gesundheitsgefährdenden Agroindustrie nicht mehr allzuviel gemein hat. Die frisch ins Amt gehievte Verbraucherministerin Künast versucht hier eine wirklich schwierige Wende. Letztlich können wir das ganze vertraute länderkundliche Schema der Geographie durchgehen und wir werden bei fast allen Geofaktoren, von der Bevölkerungsgeographie über die Teilgebiete der Wirtschaftsgeographie und der Siedlungsgeographie bis hin zur Verkehrsgeographie und zur regionalen Geographie aktuelle Diskurse mit geographischem Bezug entdecken. Selbst die physische Geographie läßt sich, über den Umwelt- und

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Nachhaltigkeitsdiskurs (z.B. Waldsterben), in eine solche Sicht integrieren, in der es nicht um die „vermeintliche Realität“ geht, sondern um das „Reden über die Realität“ . Folie 9-13: Diskursebenen

Abb. 9: Diskursebenen Bevölkerungsgeographie Überalterte Gesellschaft, Rentendiskurs, Einwanderer-

/Ausländerdiskurs Sozialgeographie „Neue Armut“, Diskurs über das „Ende der sozialen

Stadt“ Agrargeographie Kleinbäuerliche Landwirtschaft vs. Kollektivierte

Landwirtschaft, Rinderwahn und ökologische Landwirtschaft

Wirtschafts-/Industriegeographie White-collar-society und der High-Tech-Diskurs Einzelhandelsgeographie „Tänze ums goldene Kalb“, neue und alte

Konsumenten Geographie des quartären Sektors Wissensdiskurs; Information und Bildung im globalen

Wettbewerb Geographie des Freizeitverhaltens Lebensstildiskurs, Erlebnisgesellschaft Verkehrsgeographie Verkehrsdiskurs („Freie Fahrt für freie Bürger“,

Ökosteuer) Geographie ländlicher Siedlungen Kulturlandschaftspflege, polyzentrisches

Siedlungssystem, Leitbilder für Landschaften Stadtgeographie Fragmentierte Städte; Diskurse über die

„Amerikanisierung“ unserer Städte Geoökologie, Umwelt Waldsterben, Atommüll und Klimakatastrophe,

Umweltdiskurse Deutschland als ganzes Nationalismusdiskurs, Rechtsradikalismus Landschaften/Regionen in Deutschland. Heimat, Ortsbindung, regionale Identität Deutschland in der Welt Globalisierungsdiskurs

Man kann letztlich eine ganze deutsche Landeskunde nicht auf der Ebene der Geofaktoren, sondern auf der Ebene der geographischen Dekonstruktion medial bestimmter Diskurse verfassen. Im Rahmen eines Projektes der Deutschen Akademie für Landeskunde arbeiteten wir derzeit zusammen mit einem Team von rund 20 Wissenschaftlern an 8 verschiedenen Universitäten Deutschland an solch einen Projekt einer dekonstruktivistischen Landeskunde. Leider werden die entsprechenden Texte und Kapitel erst im Laufe des Sommers verfaßt, so daß ich ihnen noch nicht mit aktuellen Abschnitten und Abbildungen daraus dienen kann. Im folgende Abschnitt „Diskurse mit landeskundlichem Bezug“ geht es darum, das Reden über Deutschland und seine geographischen Probleme mit den Mitteln der geographischen Wissenschaft zu dekonstruieren. Das gelingt im Falle von Deutschland, Europa und den Grenzen der EU vor allem mit den Perspektiven der aktuellen politischen Geographie und Critical Geopolitics, während im Abschnitt Konstruktion regionaler Identitäten in Deutschland die Diskurse einigen empirischen Befunden gegenübergestellt werden. Auch in den folgenden Abschnitten über Ausländer und Fremdenfeindlichkeit sowie über Konsum- und Erlebnisgesellschaft wird von aktuellen medialen Diskursen ausgegangen und diese

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werden mit fachspezifischen Theorieansätzen und empirischen Befunden kritisch hinterfragt. Eingedenk der Zielsetzung der Vorlesungsreihe, Zukunftsperspektiven aufzuzeigen, wird dort, wo es sich anbietet, auch auf denkbare zukünftige Entwicklungen eingegangen. Folie 14: Gliederung des Vortrags Folie 15: Gekürzte Gliederung des Vortrags Folie 16: Nationen und Identität 2. Nation und Identität 2.1. Deutschland, Europa und die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft Der Diskurs um Europa, die Europäische Gemeinschaft und die Rolle Deutschlands hierin hat mit dem Ende des Kalten Krieges 1990 einen neuen Schub erfahren. Wenn nicht länger die alten Machtblöcke den Rahmen europäischer wirtschaftlicher und politischer Organisation absteckten, stellte sich die Frage nach dem, was politisch als Europa bezeichnet werden konnte und welche Rolle Deutschland in diesem Gebilde zukommt, in neuer Form. Vor allem Gorbatschows Vision vom „gemeinsamen europäischen Haus“ hat diesen neuen Diskurs über Europa angestoßen; das neue „Bild“ wurde Anfang der neunziger Jahre in den meisten europäischen Staaten durchaus zustimmend, vor allem aber mit Erleichterung über das Ende der Gefahr aus dem Osten aufgenommen. Diese Erleichterung und entsprechend Begeisterung für einen neuen Diskurs über die Europäische Union war in Deutschland sicher besonders ausgeprägt und kein Regierungsmitglied, von Helmut Kohl über Norbert Blüm bis weit in die Opposition der SPD hinein hat es um 1990 versäumt, Reden über Europa, die europäische Integration „vom Kanal bis zum Ural“ weit in den Vordergrund zu rücken. Dieses Raumbild eines Europa bis zu seinen geographischen Grenzen hatte zum damaligen Zeitpunkt auch die strategische Funktion, den Transformationsprozess der früheren Sowjetunion zu begleiten und eine zukünftige Einbindung Rußlands in die EU sozusagen „geographisch“ zu begründen Diese „europäische Karte“ wurde besonders deshalb vor allem von deutschen Politikern gespielt, weil sie wesentlich dazu diente, die deutsche Wiedervereinigung zu ermöglichen und bei den europäischen Nachbarn Besorgnisse über den wiederentstehenden 80 Millionen-Koloß im Herzen Europas abzumildern bzw. diese Ängste erst gar nicht aufkommen zu lassen. Ein Deutschland, das in absehbarer Zeit wirtschaftlich und politisch in einer Föderation mit Nachbarstaaten aufzugehen versprach, war in Großbritannien oder Frankreich eher zu vermitteln als ein sich dezidiert national definierendes wiedervereinigtes Deutschland. Nur ein Deutschland, das die Sowjetunion bzw. dessen Nachfolgestaaten als zukünftige Partner in der Europäischen Gemeinschaft sah und diesen Prozeß zu promoten versprach, konnte auf Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung von dieser Seite hoffen. Konkreter Preis, der in diesem Prozeß entrichtet wurde, war wohl die sehr rasch beschlossene Einführung des Euro, die innerhalb Europas in Deutschland, dem „Zahlmeister“ der Union, unter anderen Umständen sicher erhebliche Widerstände mobilisiert hätte. Folie 17: Bruttosozialprodukt pro Kopf in Europa Inzwischen ist von einer Mitgliedschaft der Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion in der EU ist nicht mehr die Rede, statt dessen erregte der deutsche Außenminister mit seiner Rede von der „Finalität“ Europas im Jahre 2000 nicht nur Aufsehen, sondern stieß unter den Mitgliedsstaaten auch auf Zustimmung, weil sein neuer Diskurs geeignet ist, die EU als

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„closed shop“ eben ohne die europäischen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion konzeptionell zu unterfüttern. Diese gehören zwar ganz eindeutig zum Kontinent Europa, aber eben nicht zum „Club Europa“. Europa ist in diesem Verständnis eher ein Interessensclub mit Mitgliedern und Nichtmitgliedern, und seine Spielregeln funktionieren wie die eines Rotary-Clubs und nicht nach geographischen Gesichtspunkten. Und Osteuropa ist zumindest in derzeitiger Sicht draußen. Wieder ein anderes Raumbild von Europa muß bemüht werden, wenn es um die Mitgliedschaft der Türkei in der EU geht, die ganz offenkundig weder in Europa liegt noch von christlich-abendländischer Kultur geprägt ist. Über die Türkei zu diskutieren heißt wieder eine andere „geographical imagination“ zu thematisieren. Hier werden die engen wirtschaftsräumlichen Beziehungen sowie die Migrationsverflechtungen zur EU in den Vordergrund gerückt, die Türkei letztlich als Teil des europäischen Arbeitsmarktes. Aus geographischer Sicht sind die Europa-Diskurse seit rund einem Jahrzehnt vor allem deshalb interessant, weil hier mit unterschiedlichen Raumbildern von Europa und Deutschland politisch agiert wurde und wird. Sie bilden sozusagen einen exemplarischen Anwendungsfall der derzeitigen geographischen Forschungsfront einer politischen Geographie und Critical Geopolitics. Die Vision vom gemeinsamen europäischen Haus mit dem Raumbild des geographischen Kontinent Europa hatte ab dem Zeitpunkt ausgedient, als das Bedrohungspotential der ehemaligen Sowjetunion in der zweiten Hälfte der 90er Jahre verblasst war. Nunmehr begann sich der Diskurs um die Europäische Gemeinschaft zunehmend vom geographischen Kontinent zu lösen, wie sich in der Diskussion um die Türkei wie auch um die „Finalität“ Europas exemplarisch zeigt.. Ich wollte mit dieser hier nur ansatzweise skizzierten Dekonstruktion von unterschiedlichen Europa-Raumbildern zeigen, wie eine konstruktivistische critical geopolitics arbeitet. Europa ist ähnlich wie Deutschland letztlich ein geopolitisches Konstrukt. Im Rahmen geopolitischen Denkens und Handelns produzierte Raumbilder sind nicht primär in der Realität begründet, sondern vor allem strategisch motiviert. Ein soeben bewilligtes neues Forschungsprojekt meiner beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Paul Reuber und Günter Wolkersdorfer wird dieser Dekonstruktion der Diskurse über Europa und Deutschlands Rolle hierin in den nächsten beiden Jahren genauer nachgehen. 2.2. Nord-Süd und Ost-West-Stereotype – Konstruktion regionaler Identitäten in Deutschland Folie 18: Nord-Süd- und Ost-West-Stereotype Folie 19-22: Symbolische Ortsbilder in Deutschland Wir alle erkennen bestimmte Ortssymbole, Landmarks für den Süden, Westen oder Osten unseres Landes ohne große Mühe, nicht nur das Heidelberger Schloß als Symbol der Burgen und Schlösser im Süden , oder –als Nachahmung durch Ludwig II, Schloß Neuschwanstein-, sondern auch den Kölner Dom im Westen oder die noch zu DDR-Zeiten wieder aufgebaute Semper-Oper in Dresden als Ortssymbol des Ostens. Mit solchen Bildern verbinden sich Empfindungen über regionale Zugehörigkeit, regionale Identität. Im Rahmen der Sozial- und Verhaltensgeographie entstanden, erstmals nach längerer Abstinenz, seit den achtziger Jahren wieder Studien, die sich mit Fragen der Orts- und Raumbindung, des Regionalbewußtseins, populär gesprochen: mit Heimat, oder auf

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neudeutsch: mit „identity to place“ in Deutschland befaßten. Wir selbst führten damals in Köln ein Projekt zu „Heimat in der Großstadt“ durch. Studien zum Regionalbewußtsein in den achtziger Jahren erfolgten meist auf der Realebene. In manchen Arbeiten wurde z.B. versucht, so etwas wie „Regionalbewußtseinsräume“ abzugrenzen, also Gebietseinheiten, die durch eine wie auch immer geartete ähnliche „Identität“ bestimmt seien. Dieses Unterfangen wurde zu Recht von einer Reihe von Kollegen kritisiert, aus Gründen, die ich hier nicht näher ausbreiten muß. Zunehmend wurde deutlich, daß Regionalbewußtsein weniger ein im Raum als ein im Kopf verankertes Phänomen dargestellt; eben wieder ein Konstrukt, das aber beispielsweise für das Regionalmarketing von Fremdenverkehrsregionen oder aber auch das Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der regionaler Bevölkerung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. „Mir san mir“ in Bayern, „wir in Nordrhein-Westfalen“ und ähnliche identitätsstiftende Losungen vor Landtagswahlen suchen solche Konstrukte regionaler Identität in politische Münze umzusetzen. Protagonisten des „cultural turn“ in der Geographie interpretieren Fragen räumlicher Identität heute konstruktivistisch, als Phänomene der Konstruktion des Selbst und des Anderen. „Grenzziehung bildet (dabei)... ein zentrales Moment der alltagsweltlichen Konstruktion von Identitäten. Die Wahrnehmung des Anderen erfolgt also in diesem Sinne über die Wahrnehmung und Konstruktion von Differenz, die sehr oft kulturell begründet wird.“ (Krüger/Mayer, 2001, S. 3). Räumliche Identität entsteht also aus der Konstruktion eines Eigen- und Fremdbildes, die Konstruktion vor allem kultureller Differenz dient der Stärkung des Selbstbewußtseins. Auf der gesamtstaatlichen Ebene in Deutschland wurden dabei die achtziger Jahre vor allem vom Diskurs zwischen Nord und Süd bestimmt, „Nordlichter gegen Südschiene“ und der vermeintlich höhere wirtschaftliche Dynamik der High-Tech-Regionen im Süden, während die neunziger Jahre nach der Wiedervereinigung vom Diskurs um Ost und West, Ossi vs. Wessi, beherrscht wurden und werden. Historisch-geographisch interessant an den jüngeren Nord-Süd- und Ost-West-Images ist vor allem, wie wirtschaftliche und technologische Veränderungen das frühere Bild von Nord, Süd und Ost in Deutschland geradezu ins Gegenteil verkehrt haben. Sachsen, lange Zeit das kulturelle Zentrum Deutschlands und Kernland der frühindustriellen Wirtschaftsentwicklung, wird heute vorwiegend als altindustrialisierte Problemregion wahrgenommen, während umgekehrt der historisch überkommene bajuwarisch-katholische Schlendrian -"trinkfest und arbeitsscheu, aber der Kirche treu" inzwischen erfolgreich durch "High Tech" und "Lebensqualität" verdrängt wurde. Folie 23: Zuschreibungen und Konstrukte über Nord und Süd: Bayern und Preiß Der Nord-Süd-Diskurs ist heute im öffentlichen Bewußtsein deutlich in den Hintergrund getreten, beherrschte aber in den achtziger Jahren die Medien: hier der wirtschaftlich prosperierende Süden mit seiner High-Tech-Industrie in München, dem „Bavarian Silicon Valley“ sowie die Automobilindustrie in Stuttgart, dort der von Altindustrie und Arbeitslosigkeit beherrschte Westen mit dem Ruhrgebiet und Norden mit seiner maroden Werftindustrie. Indikator und zugleich Ergebnis dieser „geographical imagination“ waren während der letzten 30 Jahre stabile Wohn- und Arbeitsstättenpräferenzen und dabei ein deutliches Nord-Süd-

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Gefälle in der Wahrnehmung und Bewertung von deutschen Städten, das schon die bekannte Untersuchung von Monheim aus den späten sechziger Jahren aufgezeigt hatte. Folie 24: Sympathie- und Aversionsnennungen Während bei den Sympathienennungen, also Städten, in denen die Befragten besonders gern wohnen und arbeiten würden, neben Hamburg, Berlin und Düsseldorf vor allem süddeutsche Metropolen (München) sowie z.T. kleinere Städte (besonders deutlich Freiburg) dominierten, konzentrieren sich die (häufigeren) Aversionsnennungen außer auf Mannheim und Frankfurt auf norddeutsche Zentren (Hannover, Bremen) sowie auf das rheinisch-westfälische Industriegebiet. Dieses durchgängig positive Raumbild des Südens bei den seinerzeit von Monheim befragten Unternehmern und leitenden Angestellten hat sich bis heute wenig verändert, wie laufende Umfragen der Wickert-Institute und des Allensbacher Instituts für Demoskopie aus den achtziger und neunziger Jahren belegen. Unter 15 Städten in der Bundesrepublik setzen nach wie vor knapp 40 % der deutschen Bevölkerung München auf den ersten Rang. Ohne solche Images und Vorurteile in den Köpfen der Leute überbewerten zu wollen, scheinen mir die Auswirkungen der ja auch in den Medien immer wieder reproduzierten Raumstereotype nicht gering zu sein, d.h. solche "Bilder", die bestimmten Regionen Prosperität und Fortschrittlichkeit, anderen Deprivation und Rückständigkeit zuweisen, sind für die räumlichen Entscheidungskalküle von privaten Haushalten wie auch vor allem von Unternehmen von eher zunehmendem Einfluß. Als weiche Standortfaktoren begünstigen sie beispielsweise Unternehmensansiedlungen in der Region München oder im Bodenseeraum. Gerade das Ruhrgebiet hat aber durch die Imagekampagnen der beiden letzten Jahrzehnte und die weltweite Aufmerksamkeit, welche die Internationale Bauausstellung Emscher in den neunziger Jahren auf sich gezogen hat, hier auch einen gewissen Imagewandel geschafft, weg von einer deprivierten Schwerindustrieregion hin zu einer postmodernen Erlebnis- und Inszenierungslandschaft: „Der Pott kocht“. Folie 25-35: Bilderserie Ruhrgebiet früher und heute Die aktuelle Diskussion ist vor allem vom Gegensatz Ost-West beherrscht, von der immer noch oder schon wieder bestehenden „Mauer in den Köpfen“. In der Tat waren die Realerfahrungen sowohl der Ostdeutschen mit dem real existierenden „Konsumismus“ im Westen wohl ebenso befremdend wie unsere Erfahrungen mit dem sterbenden Sozialismus. Folie 36: Zuschreibungen und Konstrukte über Ost und West: Karl Marx Die Abbildung symbolisiert m.E. ganz gut diese Irritationen. Meine eigene erste Reise in die noch existierende DDR nach der Wende im Januar 1990 war sympthomatisch für die Bilder, die damals das Image der untergehenden DDR bestimmten und bis heute nachwirken. Folien 37-44 Folie 45: Stadtregion Leipzig aus Heineberg Interessant ist dabei vor allem, daß der aktuelle Ossi-Wessi-Diskurs erst seit dem Zeitpunkt einsetzte, als das Anfang der neunziger Jahre in der Tat noch massive Infrastruktur- und Wohlstandsgefälle sich in vielen Bereichen, z.B. bei der Versorgung, bei den Einkommen etc. bereits weitgehend eingeebnet hatte.

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Folie 46: Wahlverhalten in Ost und West Folie 47-49: Arbeitslose in Ost und West Folie 50: Kindergartenplätze Ossi und Wessi sind eben auch wieder typische raumbezogene Konstrukte, die aber wirkungsmächtige Folgen wie strategische Funktionen im politischen Geschehen der Bundesrepublik haben. Es geht dabei um Geld und räumliche Macht bei den politischen Akteuren, z.B. um die Begründung weiterer Nettotransfers in die neuen Bundesländer ebenso wie umgekehrt um den Versuch, diese zu diskreditieren und damit zu verhindern. Als Konstrukte eigenen sie sich daher letztlich auch weniger für empirische wissenschaftliche Untersuchungen, von denen gleichwohl in den letzten Jahren zahlreiche durchgeführt wurden. Die Befunde sind zwangsläufig ernüchternd: sie reichen von Autoren, für die „bereits zu einem Gutteil zusammengewachsen (ist),was zusammengehört, während für andere Ost und West noch Welten trennen“ (Brunner/Walz, 1998, S: 229). Martin und Sylvia Greiffenhagen haben jüngst (2000) versucht, die wichtigsten in Umlauf befindlichen Zuschreibungen und Konstrukte über Ost und West zu sammeln; ich will sie ihnen im folgenden wenigsten en passant vorstellen. Folie 51: Zuschreibungen und Konstrukte über Ost und West • Demokratieakzeptanz vs. Demokratieabstinenz Zur angeblich geringeren Demokratieakzeptanz in Ostdeutschland wurden seit 1990 zahlreiche empirische Studien veröffentlicht. Meist fällt, wie in der folgenden Abbildung, der Anteil antidemokratischer Haltungen in Ostdeutschland deutlich höher aus und ist überdies in den neunziger Jahren weitgehend stabil. Folie 52: Typologie demokratischer Orientierungen – Ost und Westdeutschland, 1994 und 1998 Die Befunde sind aber letztlich von äußerst geringem Aussagewert. Abgesehen davon, daß die Begrifflichkeit -loyale Demokraten, kritische Demokraten, Nichtdemokraten und Antidemokraten- kaum operationalisierbar ist, werden in solchen Befragungen weniger Einstellungen als vielmehr das „Reden über Einstellungen“ abgefragt wird. Nicht ob im Osten Demokraten leben, sondern welche Konnotationen mit diesen Begriffen verbunden werden, wurde letztlich erhoben. • Modernistischer vs. postmoderner Lebensstil Elisabeth Noelle-Neumann stellte 1993 fest, daß in der DDR jener „Wertewandel“ nicht stattgefunden habe, welcher die alte Bundesrepublik um 1968 erschüttert und die alten Tugenden und Werte außer Kraft gesetzt habe. Abgesehen davon, daß jener „Wertewandel“ immer schon und heute wieder verstärkt kontrovers diskutiert wirde, kommen andere Autoren wie Klages und Gensicke gerade zum entgegengesetzten Befunde: gerade weil der „Wertewandel“ auch in der DDR stattgefunden habe, sei letztlich der Aufstand 1989 erst möglich gewesen. • „Kaltes vs. warmes Herz“

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Vor einigen Jahren erregten vor allem die Bewertungen des sogen. Gießen-Tests die Öffentlichkeit mit ihrem Befund, die Wessis seien selbstzufrieden, um nicht zu sagen zynisch, hart, arrogant und prahlerisch, während die Ossis mit den freundlicheren Eigenschaften empathischer, geselliger und liebesfähiger belegt wurden. Aufermann hat dies 1995 in die Formel vom „kalten und warmen Herz – Deutsche Befindlichkeiten im Ost-West-Vergleich“ gefaßt; ich versage mir hier eine weitere Erörterung dieser Konstruktion. • Ausländerfeindlich vs. ausländerfreundlich Sicher am heftigsten diskutiert wurde in den letzten Jahren die Frage der Ausländerfeindlichkeit in Ost und West. Besonders die Gemüter bewegt hat hier im Frühjahr 1999 das Erklärungsmuster des (westlichen) Kriminologen Christian Pfeiffer. Aggressive Ausländerfeindlichkeit sei, so Pfeiffer, vor allem ein Problem der Ostdeutschen und nicht zuletzt auf die spezifische Gruppen- und Krippenerziehung in der ehemaligen DDR, auf den Zwang zur unbedingten Ein- und Unterordnung, zurückzuführen. Auch diesen Befund möchte ich hier nicht näher kommentieren. Das Thema Inländer-Ausländer ist aus der Sicht einer konstruktivistischen Geographie allerdings ein ganz wichtiges und spannendes, nicht nur im Ost-West-Verhältnis. Ich möchte im folgenden etwas ausführlicher darauf zu sprechen kommen. 2.3. Das Eigene und das Fremde: Inländer und Ausländer Folie 53: Das Eigene und das Fremde Video-Sequenz 2: Schlager-Grandprix und der deutsche Beitrag Anfang März wurde der deutsche Beitrag für den diesjährigen Grandprix d´Eurovision, das europäische Schlagerfestival, ausgewählt, sicher kein bedeutendes Ereignis, aber doch ein solches, das für das Thema nationale Identität nicht ohne Interesse ist. Verblüffend an der Präsentation war vor allem, daß Deutschland überwiegend mit ausländischen Interpreten und englischen Texten in die europäische Arena gehen sollte. Zunächst die drei „German Tenors“, von denen kein einziger Deutscher war und die sich ja auch selbst ein englisches Etikett angeklebt hatten und einem italienisch-internationalen Vorbild (Pavarotti, Pacido Domingo...) nacheiferten, danach ein Münchner Schneider, also „eine Art Deutscher“, Rudolf Mooshammer, der dafür aber nicht singen konnte. Der Kroate Zlatko aus dem Big Brother Container konnte auch nicht singen, tat dies aber immerhin auf deutsch mit dem Titel „Einer für alle und alle für mich“. Im Beitrag „Power of trust“ trat die Mannheimerin Joy Fleming gemeinsam mit Lesley und Brigitte aus der französischen Schweiz an, „Mannem meets globalization“. Die „3 Sultans“ (2 Engländer und 1 Holländer) hatten einen deutschen Liedtexter, der ihnen aber gleichwohl einen englischen Text verfaßt hatte, ein „Techno-Rocker“ unklarer Herkunft und undeutlichem Hip-Hop-Jargon gab das Ekel des Abends und so weiter. Folie 54: Das Eigene und das Fremde: Onkel Dagobert Ich möchte mich der naheliegenden Polemik, welchen Beitrag die verschiedenen Interpreten zur deutschen „Leitkultur“ geliefert hätten, hier verschließen, wir betreiben ja auch Kulturgeographie und nicht Leitkulturgeographie. Aber die Diagnose der Auswahl des deutschen Grandprix-Beitrages zeigt doch, wie schwierig es heute geworden ist, über Eigenes

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und Fremdes in Deutschland zu reden (siehe auch Folie 59). Zumindest auf der Ebene des Schlagers scheint unser Land ein Faible dafür zu haben, die Außendarstellung Ausländern zu übertragen. Das mag auch an der erwartbaren Zukunft liegen, könnte man ironisch formulieren. Denn die Bevölkerung Deutschlands wird in Zukunft immer weniger eine deutsche Bevölkerung sein. Seit fast 30 Jahren erfüllen sich viele Paare den Wunsch nach einem Kind nicht mehr. Ein Drittel bleibt kinderlos. Das Geburtendefizit seit 1970 ist, wenn man so will, das größte negative Zukunftsinvestitionsprogramm aller Zeiten. Wesentliche Komponenten dieses massiven demographischen Wandels sind bekanntlich das Hinausschieben der Familienbildung sowie die Pluralisierung der Lebensbiographien. Die klassische Kernfamilie als weitgehend konkurrenzloses Modell der Lebensführung für Erwachsene mittleren Alters und zum Aufziehen von Kindern wird durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebenswegen abgelöst, die fast alle die Entscheidung gegen langfristige Bindung, insbesondere gegen eigenen Nachwuchs, beinhalten (Gans/Lentz/Ott, 2001). „Hintergrund ist die Tatsache, daß Kinder und die damit einhergehenden bleibenden Solidarverpflichtungen heute als Risiko für die soziale Mobilität vor allem der Frauen angesehen werden, die bei der Geburt von Kindern eine Zeit lang aus dem Erwerbsleben aussteigen müssen und daher aus Karrieregründen oder wegen Einschränkungen in der Lebensgestaltung eher kinderlos bleiben" (Dorbitz/Schwarz, 1996). Folge ist die vielbeschworene Überalterung der (deutschen) Bevölkerung. Die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit werden inzwischen alt. Die ältesten Babyboomer sind heute ungefähr 40 Jahre alt, die jüngsten 30 Jahre. Welcher Lebensentwurf auch immer ihr generatives Verhalten steuern mag, sie werden nicht mehr viel Zeit haben, noch Kinder in die Welt zu setzen. Mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist heute bereits älter als 50 Jahre. Schon im Jahre 2020 wird der Anteil dieser Altersgruppe auf beinahe 50 % gestiegen sein, während gleichzeitig der Anteil der unter 30jährigen von derzeit mehr als einem Drittel auf rund ein Viertel zurückgegangen sein wird (vgl. Redwitz, 1999, S. 264f). Gleichwohl wachsen die Rentenansprüche beschleunigt weiter; inzwischen betritt die erste, nicht auf Sparsamkeit, sondern Hedonismus getrimmte Rentnergeneration die Bühne. So ist es nur folgerichtig, daß der Rentendiskurs die ersten Wochen des neuen Jahres bestimmt hatte, bis hin zu jenem polemischen Plakat der CDU, das den deutschen Kanzler als Rentenbetrüger zeigt. Auf der anderen Seite ist die Bundesrepublik seit gut 30 Jahren ein Einwanderungsland, nimmt aber diesen Zustand in einer Art Realitätsverweigerung nicht zur Kenntnis. Zum Thema wird die Ausländerbevölkerung, vor allem die städtische Ausländerbevölkerung, regelmäßig bei kommunalen Wahlkämpfen, sie dient als programmatisches Unterscheidungs-merkmal politischer Parteien. Parolen wie „Stopp der Zuwanderung!“, „Stopp der Über-fremdung“ oder „Arbeitsplätze nur für Inländer“ werden von einer relativ klar definierten Teilmenge des politischen Spektrums in die Welt gesetzt. Folie 55: Ausländische Bevölkerung 1972-1997

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Eine empirische Unterfüttung des Ausländerdiskurses in Deutschland kann ohne Mühe erbracht werden. Von 1990 bis 1997 erhöhte sich der Ausländeranteil in den Städten Deutschlands mit mehr als 300 000 Einwohnern von rund 12 % auf knapp 16 % (Fassmann, 2001, S: 1). Diese Entwicklung ist sowohl Folge einer verstärkten Zuwanderung aus dem Ausland als eines Rückganges der inländischen Bevölkerung, dank deren niedrigen Geburtenzahlen. Folie 56: Einwohner 1997 und Entwicklung des Ausländeranteils in den Städten Deutschlands mit mehr als 300 000 Einwohnern Die Ausländerzuwanderung stabilisiert die Bevölkerungszahl, gleicht die Abwanderung der Inländer aus den Kernstädten aus und sorgt für eine gewisse „Verjüngung“ der Bevölkerung. Sie kompensiert bis zu einem gewissen Grad die hohe und altersstrukturbedingte Sterblichkeit der inländischen Wohnbevölkerung und sie sorgt für zahlreichere Geburten. Einerseits weil die Migranten ein anderes generatives Verhalten mitbringen und andererseits weil diese jünger sind (Fassmann, 2001, S. 2). Der aktuelle Ausländerdiskurs in Deutschland wird genährt durch eine Reihe von gesellschaftlichen Problemlagen. Zu nennen ist der hohe Grad an Segregation der Ausländerbevölkerung, der dadurch entsteht, daß diese sich auf bestimmte Segmente des Wohnungsmarktes und damit meist auf spezifische Stadtviertel verwiesen sehen. Dies führt zur Konzentration von Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache in Grund- und Pflichtschulen, zur Konzentration von jugendlichen Ausländern auf bestimmten Straßen, Plätzen und Parkanlagen. Solche Phänomene bilden dann den Auslöser öffentlicher Diskussion und möglicherweise den Motor von Fremdenfeindlichkeit. Hinzu kommt die wachsende kulturelle, religiöse und ethnische Differenzierung in deutschen Städten. Menschen erleben den Wandel ihres früher kulturell homogenen Wohnviertels zu einem multikulturellen und multiethnischen Stadtteil und verstehen und akzeptieren diese Entwicklung nicht. Der Diskurs um Ausländerfeindlichkeit in Deutschland verschränkt sich derzeit deutlich, wie oben angedeutet, mit dem Diskurs über Ost und West. Vorkommnisse wie der ungeklärte Tod des kleinen Abdullah in Selbitz(?) in der Sächsischen Schweiz heizen dies an. In der Tat existieren deutliche Ost-West-Disparitäten in der Wahrnehmung und Bewertung von Ausländern, folgt man den Auswertungen der seit 1980 im zweijährigen Turnus durchgeführten ALLBUS-Umfragen (Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissen-schaften). (Anm.:Befragt wird in diesen Umfragen jeweils eine Zufallstichprobe aller in der BRD (seit 1991 einschließlich der neuen Bundesländer) in Privathaushalten lebenden Personen ab 18 Jahren. Die Stichprobe umfaßt jeweils rd. 3000 Personen.) Folie 57: Skala Fremdenfeindlichkeit 1996 (Ahlheim, S. 26) Folie 58: Ausländische Bevölkerung 1971-1997 (Nationalatlas, S. 95) Folie 59: Verbreitung fremdenfeindlicher Einstellungen und Ausländeranteile Folie 60: Skala Fremdenfeindlichkeit Bezüglich einer Reihe typischer Statementfragen ergeben sich z.T. in der Tat deutliche Wahrnehmungs- und Bewertungsunterschiede zwischen Ost und West. Vor allem die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wird von den in höherem Maße von Arbeitslosigkeit bedrohten Ostdeutschen deutlich prekärer eingeschätzt.

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Allerdings konkurrieren In- und Ausländer faktisch nur in verhältnismäßig geringen Schnittmengen um dieselben Arbeitsplätze. Hinzu kommt, daß sich das vielfach kolportierte Phänomen, gerade in Regionen mit geringen Ausländeranteilen ließen sich die höchsten Anteile ausländerfeindlicher Einstellungen ausmachen, in der Tat durch die ALLBUS-Umfragen verifizieren läßt (siehe Abb. 29 und 30). In den neuen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern finden wir nur einen Bruchteil der Ausländeranteile der alten Bundesländer Nordrhein-Westfalen oder gar der Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Gerade reziprok verhält sich das Antwortverhalten auf entsprechende Statements. Ausländerfeindlichkeit und auch sein Pendant, der Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit, so legen diese Befunde wiederum nahe, beides scheint weniger das Ergebnis eigener Alltagserfahrungen zu sein, sondern ist in sehr viel höherem Maße das Ergebnis, das Produkt eines Diskurses in der Öffentlichkeit, der in Ost und West in unterschiedlicher Form geführt wird. 3. Landschaft und Leitbilder Folie 61: Landschaft und Leitbilder 3.1. Leitbilder für Landschaften und das Prinzip der Nachhaltigkeit Über Jahrzehnte besaßen normative Leitbilder eine zentrale Stellung in der räumlichen Planung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Zentrale-Orte Konzept mit seinen dezidiert normativen Leitvorstellungen zur Siedlungsentwicklung, die in den siebziger Jahren ja auch in den Landesentwicklungsplänen der meisten Bundesländer umgesetzt wurden. Mit der Ablösung des technisch-funktionalistischen Planungsverständnisses „von oben“ und einer stärker an endogenen Potentialen orientierten Entwicklung „von unten“ seit den frühen achtziger Jahren gerieten solche normativen Ansätze jedoch zunehmend in die Kritik und räumliche Planung wandte sich einer pragmatisch von Fall zu Fall vorgehenden, „inkrementalistischen“ Planungsphilosphie zu, deren Basis kooperative Aushandlungsprozesse zwischen den verschiedenen Akteuren darstellen. Auf der anderen Seite stellen sich nach wie vor theoretische wie praktische Aufgaben der räumlichen Ordnung und Gestaltung, auf die der herrschende „pragmatische Inkrementalismus“ zunehmend die Antworten schuldig bleibt. Ganz grundsätzlich fehlt es an Leitbildern, oder wie Blotevogel formuliert: „Leitplanken“ zur Moderation und Bewertung der „pragmatischen Eingriffe“. Dies wurde nach der Wiedervereinigung besonders in den neuen Bundesländern deutlich. Die massiven, nach koordinierten Eingriffen geradezu schreienden Umweltschäden und „Altlasten“ in der ehemaligen DDR, aber auch die hochtourig ablaufenden Deindustrialisierungsprozesse und siedlungsstrukturellen Veränderungen, z.B. in der Konkurrenz neuer großflächiger Einzelhandelsmärkte im zwischenstädtischen Bereich zu Lasten einer Restrukturierung der Innenstädte (Prototyp Leipzig) zeigten in aller Schärfe, daß es an normativen Leitvorstellungen, an wenigstens „minima moralia“ fehlte, an denen sich das Handeln der für die Raumentwicklung verantwortlichen Akteure perspektivisch orientieren konnte.

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Besonders offenkundig wird derzeit ein solcher Handlungsbedarf beim Thema Einzelhandel, der durch eine ausgeprägte Konkurrenz von „Innen- vs. Außenentwicklung“ bei insgesamt gesättigten Märkten gekennzeichnet ist und damit ein erhebliches Konfliktpotential enthält, das sich in zahlreichen Flächennutzungskonflikten um die Ansiedlung großflächiger Einrichtungen artikuliert. Der Raumordnung fehlt es hier nicht nur an wirkungsmächtigen Steuerungsinstrumenten, sondern zunehmend auch schon an den Bewertungsmaßstäben. Was bedeutet heute noch ein „innenstadtrelevantes Sortiment“ oder eine „integrierte Lage“, wie stellt man sich gegenüber „Factory Outlet Center“ und mit welcher Begründung lehnt man sie geg.-falls ab, wie geht man mit Ansiedlungsbestrebungen neuer großflächiger Shopping malls oder „Urban entertainment center“ um? Das strategische Steuerungsvermögen des Staats ist heute besonders in der Umweltpolitik und in der Durchsetzung einer nachhaltigen Raumentwicklung von Bedeutung. Gerade die heute allenthalben geforderte Nachhaltigkeit von Entwicklungen läßt sich ohne steuernde Einwirkung auf das Siedlungs- wie auch das Verkehrssystem nicht verwirklichen. Nachhaltigkeit, ein leider zunehmend ausfranzender Begriff, spielt in der aktuellen Diskussion über die zukünftige räumliche Entwicklung unseres Landes, aber auch der Europäischen Union, bekanntlich die zentrale Rolle. Sowohl in den jüngsten Novellierungen des deutschen wie auch des europäischen Raumordnungsrechts ist der Begriff an zentraler Stelle verankert, er bildet sowohl im neuen ROG der Bundesrepublik von 1998 wie im europäischen EUREK die zentrale Leitvorstellung. Gefordert wird, wie in den einleitenden § 1 und 2 ROG formuliert wird, eine nachhaltige Raumentwicklung, welche die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumigen ausgewogenen Ordnung führt . Im Rahmen der Arbeitsgruppe „Zentrale Orte“ bei der Akademie für Raumforschung und Landesplanung mühen wir uns derzeit, zu zeigen, daß das vielgeschmähte Zentrale-Orte-Konzept trotz seiner bekannten konzeptionellen Schwächen einen durchaus geeigneten räumlichen Ordnungsrahmen böte, nachhaltige Raumentwicklung umzusetzen, da es in den Handlungsfeldern Siedlungsstruktur, Verkehr und Versorgung recht eindeutige „Leitplanken“, d.h. Ziele und Festlegungen vorgibt, an denen sich das Handeln der für die Raumentwicklung verantwortlichen Akteure perspektivisch orientieren kann (vgl. Blotevogel, 1999). Folie 62: Das Zentrale-Orte-Konzept als Mittler zur Umsetzung raumordnerischer Ziele Es sind, wie Abb. zeigt, im wesentlichen 3 Teilziele und 4 Handlungsfelder, in denen die Leitplankenfunktion des Zentrale-Orte-Konzepts für eine nachhaltige Raumentwicklung zum Tragen kommt: 1. Sozial: Gerechte Verteilung von Ressourcen

Im ländlichen Raum hat das ZO-Konzept bereits in der Vergangenheit dazu beigetragen, großräumige Verödungsprozesse und damit eine massive selektive Abwanderung zu verhindern. Ländliche Räume in diesem Verständnis gibt es kaum mehr in den alten Bundesländern, wohl aber im dünn besiedelten Nordostdeutschland (Mecklenburg/Vorpommern, Brandenburg). Hier bleibt die Aufgabe, ein Mindestmaß an Versorgungsgerechtigkeit sicherzustellen, also eine Art „Auffangnetz“ gegenüber einer marktgesteuerten Siedlungsplanung zu errichten. Ein solches „Auffangnetz“ ist insbesondere für immobile Gruppen (Landwirte, die nicht einfach wegziehen können;

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Alte, Kinder) unverzichtbar. Die traditionelle Aufgabenstellung einer Stabilisierung des Versorgungsnetzes hat hier einen unverminderten politischen Stellenwert.

2. Ökonomisch: Effizienter Einsatz von Ressourcen

In Verdichtungsräumen hingegen kommt eher die ökonomische sowie ökologische Komponente des Nachhaltigkeitsprinzips zum Tragen. Das ZO-Konzept mit seinen kompakten Siedlungsstrukturen nutzt technisch-materielle wie humane Infrastruktureinrichtungen effektiver und unterstützt damit das Nachhaltigkeitsgebot. Bei der Entwicklung von Siedlungs- und Versorgungssystemen gehen einzelbetriebliche ökonomische Vorteile nicht selten mit erhöhten sozialen Kosten einher. So vermeidet z.B. eine am Zentrale-Orte-System orientierte Standortentwicklung von Einzelhandel und Dienstleistungen in der Tendenz zusätzliche externe Kosten der „grünen Wiese“ und dient einer gesamtwirtschaftlich gesehen ökonomischen Ausnutzung bestehender Infrastruktureinrichtungen und –investitionen, reduziert den Anteil an „sunk costs“ (versunkenen Kosten).

3. Ökologisch: Begrenzung des Verbrauchs von Ressourcen Die ökologische Funktion des ZO-Konzepts wird im Verkehrsbereich besonders deutlich. Das ZO-Konzept stellt das idealtypische Modell einer an Verkehrsvermeidung (bzw. Verkehrsminimierung) orientierten Siedlungsentwicklung dar. Aus der Zentrale-Orte-Theorie läßt sich dabei die Schlußfolgerung ableiten, daß als Leitlinie für eine „nachhaltige“ Siedlungsentwicklung keineswegs eine einfache städtebauliche Verdichtung und Konzentration ausreicht, sondern daß die Struktur ganzer Siedlungssysteme auf das Ziel der Verkehrsvermeidung auszurichten ist (vgl. Blotevogel, 1999).

Folie 63: Handlungsfelder und Beispiele des Zentrale-Orte-Konzepts Zentrale Orte als Instrument nachhaltiger Raumentwicklung sind auch ein interessantes Fallbeispiel für verschiedene Implikationen des Leitbilddiskurses. Daß derzeit von der ARL in Hannover und der MKRO wieder über Zentrale Orte diskutiert wird, hat neben der unbestrittenen Notwendigkeit, über die Zukunft unserer Siedlungslandschaft nachzudenken, auch mit den sekundären Motiven der Raumplanung auf mittlerer Ebene zu tun. Deren Institutionen stehen derzeit bekanntlich unter deutlichem Beschuß, besonders in Nordrhein-Westfalen, wo über die Abschaffung räumlicher Planung auf der regionalen Ebene nachgedacht wird. Das Zentrale-Orte-Modell wird hier auch als eine Art „Rettungsanker“ für eine fachplanungsunabhängige Regionalplanung gesehen, und Planer entdecken nicht zuletzt aus diesen Gründen, d.h. letztlich um ihren Job zu sichern, wieder ihr Interesse an einem wissenschaftlich eigentlich abgehalfterten neoklassischen Raumstrukturmodell. So kann man, ohne daß ich hier meine eigene Arbeit oder die meiner Kollegen in der ARL-Gruppe diskreditieren will, daß ganze natürlich auch als den Versuch interpretieren, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen, d.h. das im aktuellen Diskurs nur noch schlecht vermittelbare Leitbild Zentrale-Orte-System durch Einbau in den Nachhaltigkeitsdiskurs so weit positiv aufzuladen, daß es auch skeptischen Rezipienten wieder vermittelbar und politisch „verkaufbar“ wird. Das Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit einer konstruktivistischen Hinterfragung von Leitbilddiskursen. Dies gilt vielleicht noch mehr bei einem weiteren zentralen Topos der aktuellen Diskussion: dem um die „Amerikanisierung“ der europäischen Kulturlandschaft.

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3.2. Von der „europäischen“ zur „amerikanischen“ Kulturlandschaft? Folie 64: Amerikanisierung der Kulturlandschaft? Wie sollen sich unsere Kulturlandschaften weiterentwickeln, gibt es demokratische Normen und Leitbilder, die hier bemüht werden können. Droht eine „Amerikanisierung“ unserer Landschaften, mit aus dem Leim gegangenen Städten, kaum mehr steuerbaren Verkehrsproblemen und zunehmend verrottenden „Zwischenräumen“ mit Gewerbe- und Baumarktruinen, ghost towns neuen Typs. Oder könnte „Amerikanisierung“ doch eher Verheißung sein, wenn denn die künstliche „Inszenierung von Räumen“ und die „Schaffung von postmodernen Erlebnislandschaften“ nur ansprechend und flächendeckend genug ausfällt? Folie 65: Leitprinzipien der heutigen Raumordnung Der „Erhalt gewachsener Kulturlandschaften“, ein Thema, das jahrzehntelang im Fundus eher traditionsbezogener historisch-genetischer Kulturlandschaftsforschung schlummerte, ist erstmals zu einem „weit oben“ angesetzten Leitziel im Diskurs über die zukünftige Raumentwicklung in Deutschland geworden (STIENS u.a. 1999). Entsprechende Forderungen wurden sowohl im neuen ROG als Grundsatz der Raumordnungspolitik verankert (§ 2, Ab. 2, Grundsatz 13 des ROG) als auch im Europäischen Raumentwicklungskonzept (EUREK). Dabei geht das EUREK noch weit über das hinausgeht, was zum Thema Kulturlandschaftspflege im novellierten ROG steht. Hier finden der Landschaftsverbrauch und die Fragmentierung bisher offener, unzerschnittener Räume ebenso Erwähnung wie die drohende Zerstörung des ländlichen Landschaftsbildes. Folie 66: Zerschneidende Infrastruktur (Inf. zur Raumentwicklung, 1996, S. 304) Folie 67: Trends der Landnutzung (Inf. zur Raumentwicklung, 1996, S. 304) Was ist aber diese gewachsene europäische Kulturlandschaft? Im raumordnerischen Schrifttum wird meist deren Multifunktionalität betont: die ist ein reales und von Geofaktoren bestimmtes Objekt, aber zweitens auch eine gefühlsmäßig zu erlebende Landschaft, drittens ein komplexer räumlicher Bezirk und schließlich ein Konstrukt, eine subjektiv-künstlerische Vorstellung einer real existierenden Landschaft (Dosch/Beckmann, 1999). Schützenswert sind daher auch mehrere Dimensionen dieses Gebildes: die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und die Nutzbarkeit der Naturgüter als Lebensgrundlage des Menschen (ökonomischer Schutz), die Pflege und Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt (ökologischer Schutz) , der ästhetische Schutz (Pflege und Entwicklung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft) sowie viertens der kulturelle Schutz (Erhaltung historischer Kulturlandschaften von besonders charakteristischer Eigenart). Es handelt sich dabei im übrigen um ein typisches Thema, bei dem sich naturwissenschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Sicht verzahnen und damit ein prädestiniertes geographisches Arbeitsfeld. Begründen lassen sich solche Maßnahmen mit dem ästhetischen Wert von Landschaften, mit ihrer identitätsstiftenden Funktion, d.h. ihrer Bedeutung für die Ausbildung regionaler Identität und Identifikation und mit ihrer ökonomischen Funktion als „weicher Standortfaktor“ insbesondere für die Tourismusindustrie (Stiens, 1999, S. 324 f)). Kulturlandschaften in diesem Sinne ist, wie es Dosch/Beckmann (1999) etwas flapsig ausgedrückt haben, für den Tourismus „gestylte“, für die Landwirtschaft „gemanagte“ und für die Gesellschaft „geschützte“ Räume.

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In besonderem Maße zugespitzt ist im Kontext der Diskussion um Kulturlandschaftsentwicklung derzeit die Frage des „Schutzes der mitteleuropäischen Stadt“, die im Sog der amerikanisch geprägten „Außenentwicklung“ und dem zunehmenden Installationscharakter künstlicher Lebenswelten unterzugehen droht (Stichwort new urbanism). Die europäische Stadtentwicklung ist im Vergleich zur nordamerikanischen bekanntlich durch eine besondere historische Prägung sowie eine daraus resultierende spezifische Stadtgestalt charakterisiert, die sich trotz anhaltender Sub- und Exurbanisierungsprozesse immer noch deutlich vom Typus der nordamerikanischen Stadt unterscheidet (HESSE u. SCHMITZ 1998). Charakteristische Merkmale sind historisch gewachsene Altstädte, die funktionale Dominanz der Innenstädte und eine polyzentrischen Siedlungsstruktur, welche den aktuellen Entwicklungen einer flächenhaften Entwicklung zum „Stadtland USA“ (HOLZNER 1996) diametral entgegenläuft. Innen- bzw. Altstädte bilden beim Leitbild der europäischen Stadt eine zentrale Komponente dieser Stadtkultur, anders als z.B. in der US-amerikanischen Stadtlandschaft.

In den Diskurs geführt wird, im Versuch der Operationalisierung dieser Leitvorstellung europäische Stadt, vor allem das Leitbild der „kompakten und durchmischten“ Stadt. E findet sich in den europäischen und nationalen Programmen zur Stadtpolitik ebenso wie in zahlreichen Stadtentwicklungsplänen und städtebaulichen Konzepten deutscher Großstädte Folie 68: Kompakte und durchmischte Stadt (Geogr. Rundschau 7/8, 2000, S. 48) Vier zentrale Zielelemente der kompakten und durchmischten Stadt lassen sich herausfiltern: • Hohe Baudichte: Gemeint ist eine Trendumkehr von disperser Siedlungsentwicklung und

ungesteuerter Suburbanisierung hin zur verdichteten Stadt. Vorrang für Innenentwicklung und Nachverdichtung, Konzentration der Verdichtung an den Haltepunkten des ÖPNV etc.

• Nutzungsmischung: Trendumkehr von der Funktionsgesellschaft,d.h. von

monofunktionalen Strukturen hin zu möglichst feinkörinig durchmischten Stadtteilen. • Öffentliche Räume: Stützung öffentlichen Lebens durch Belegung von

Ergeschoßzonen,Straßenräumen und Plätzen. Gegen die wachsende Tendenz der Privatisierung des öffentlichen Raumes, wie sie bei Shopping Malls und kommerziellen Erlebniszentren zunehmen zu verzeichnen ist (siehe Kap.4 des Vortrags).

• Ökologisch aufgewertete Räume: Verbesserung der Aufenthaltsqualität in Aqurtierung

mit nahräumlicher Orientierung in Freizeit und Versorgung. Auch in der US-amerikanischen Planung wird der Verlust an räumlicher Orientierung und Bindung im Kontext hochtouriger räumlicher Mobilität und Auflösung überkommener Siedlungsstrukturen inzwischen kritisch reflektiert. Allerdings kann ein Zusammenhang zwischen zunehmender sozialer Segregation, zunehmender Kriminalität und Isolation nicht direkt mit dem Typus des rein von der Handels- und Dienstleistungsentwicklung gesteuerten Siedlungssystems in den USA verknüpft werden. Letztlich gibt es keine objektiven Maßstäbe; sondern es bleibt immer eine Wertentscheidung der jeweiligen Gesellschaft, welches Leitbild der zukünftigen Siedlungs- und Verkehrsentwicklung akzeptiert wird (HOLZNER 2000, PRIEBS 2000).

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Ohne Leitbilder wird es aber nicht abgehen, das machen einige durchaus einschneidende Entwicklungen im Kontext unserer Gesellschafts- und Stadtentwicklung deutlich, auf die ich im dritten Hauptteil meines Vortrags näher eingehen möchte: räumliche Folgen der jüngeren Entwicklung unserer Freizeit- und Konsumgesellschaft und die zunehmende Tendenz zu segregierten und fragmentierten Städten, nunmehr in der Tat im Gefolge amerikanischer Vorbilder. 4. Gesellschaft und Stadt Folie 69: Gesellschaft und Stadt Folie 70: Tänze ums goldene Kalb 4.1. Tänze ums goldene Kalb – Geschichten von der Konsum- und Erlebnisgesellschaft Eine Reise durch die Spaß- und Erlebnislandschaften Deutschlands, seine Konsum- und Erholungstempel, wie wir sie beispielsweise im letzten Sommer im Rahmen eines Praktikums durchgeführt haben, läßt ältere Mitbürger nicht selten mit Verwunderung bis Kopfschütteln reagieren. Love-Parade in Berlin, ein endless summer von Fun- und Vergnügungsevents, immer neue aus dem Boden schießende Freizeitparks, darunter zunehmend „brand parks“ einzelner Firmen, multifunktionale Sport- und Unterhaltungsarenen, Center Parks, Skipisten im Ruhrgebiet und postmoderne Einkaufslandschaften wie das Centro gleich nebenan. Gerade in bevölkerungsreichen Regionen wie dem Ruhrgebiet ist die Dichte entsprechender Einrichtungen inzwischen hoch. Die Verwunderung älterer Leute resultiert aus einem Wechsel der tragenden Leitbilder und Wertvorstellungen. Noch zu meiner Schulzeit gehörte es zum Pflichtprogramm des Deutschunterrichts, einen Aufsatz über die „Gefahren der Werbung“ zu verfassen. Publikationen über die „geheimen Verführer“, „wir amüsieren uns zu Tode“ (Neil Postman) etc. erreichten hohe Auflagen. Die 68er Bewegung, derzeit wieder in aller Munde, war auch eine Bewegung der Konsumkritik, sprach vom „Fetischcharakter der Warenwelt“ und war zumindest darin ihrer von protestantischer Ethik erfüllten Vätergeneration gar nicht so unähnlich. Die erste Straftat, die Bader/Ensslin ins Gefängnis brachte, war die Brandstiftung in einem Frankfurter Warenhaus, um hier ein Fanal zu setzen. Von solchen Formen der Konsumkritik ist heute schon lange nicht mehr die Rede. Spaß, ja Glück ist die einzige, die eigentliche Pflicht unserer Erlebnisgesellschaft, oder wie Heinritz/Schröder (2001, S. 1) etwas essayistisch formulieren:. „Mit dem Aussterben der Nachkriegsgeneration stirbt auch die Tugend der Sparsamkeit und mit dem nachfolgenden Aussterben der 68er ersticken auch die leisen Zurechtweisungen durch das Über-Ich („Manipulation! Oberflächlichkeit! Falsche Werte!), die das reine Konsumvergnügen bisher noch bitter nachschmecken liesen. Aber das ist, wie gesagt vorbei. Niemand fürchtet dann sich mehr vor dem „mysteriösen und gefährlichen Einfluss von Warenhäusern(...), unbrauchbare Dinge begehrenswert erscheinen zu lassen“ (Mulford, 1977, S. 109). ... Der Konsum wird sich vollends eingliedern in den Kanon der akzeptablen Lustbarkeiten.“

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Das konzeptionelle Unterfutter dieser Entwicklung liefern, neben anderen, die soziologischen Überlegungen Pierre Bourdieus zu den „feinen Unterschieden“ und zum Konsum als Distinktionsmechanismus. Gegenwärtig findet eine starke Polarisierung bzw. Segmentierung des Konsumentenverhaltens statt. "Eine Polarisierung zeigt sich darin, daß Konsumenten bei Massenartikeln des täglichen Bedarfs eine ausgeprägte Niedrigpreisorientierung aufweisen und zugleich eine hohe Ausgabenbereitschaft bei Individual- und Lebensstilprodukten besitzen" (Kulke, 1992, S. 55). Teure Boutiqueneinkäufe und der Besuch bei Aldi schließen sich eben nicht mehr aus, sondern bilden sozusagen jeweils die Kehrseite der Medaille. Eine Segmentierung wird in einem zunehmend lebensverlaufs- bzw. lebensstilspezifischen Verhalten deutlich. Jugendliche, konsumorientierte "Dinkies", konsumkritische "Ökos", Alleinerziehende oder Singles, "Wüstenrot-Familien" (2 Eltern, 2 Kinder), mobilitätseingeschränkte Rentner haben verschiedene Präferenzen und bewerten gleiche Versorgungsangebote durchaus unterschiedlich. Diese Polarisierung und Segmentierung des Konsumentenverhaltens hat mit der veränderten Rolle von Konsum in unseren Gesellschaften zu tun. Konsum wird, neben dem reinen Versorgungsaspekt, zunehmend zu einem sozialen Unterscheidungsmerkmal, der Wert der Güter wird ein symbolischer (siehe Bourdieu, 1993). Bourdieu postuliert in seinem Struktur-Habitus-Konzept, daß die Klassenunterschiede, das Haben, erst durch entsprechende Symbole, das Sein, als soziale Klassifikationen wahrnehmbar werden, die vor allem auf dem Prestigewert von Gütern und Verhaltensweisen aufbauen. Der Kampf um gesellschaftliche Positionen ist dann der Kampf um symbolische Güter und das dazugehörige Prestige, um den legitimen Geschmack, der sich in typischen Lebensstilen zeigt. Natürlich ist das Konzept Bourdieu´s ist in der soziologischen Forschung inhaltlich und methodisch nach wie vor umstritten. Den konkreten Kern seiner Überlegungen kennt gleichwohl jeder Vater oder jeder Mutter, die ihre Sprößlinge mit den angesagten „lifestyle-Produkten“ ausgestattet in die Schule oder zum Sport schicken müssen, weil andernfalls die Verzweiflung groß ist. Auch das Freizeit- und Lifestyleverhalten der Kids ist weitgehend entkoppelt vom wahren Wert der Nike-Kleidung oder was auch immer, der Wert der Güter bemißt sich an ihrem diskursiven Wert in einer Gesellschaft, am Zeigewert, an der Möglichkeit, soziales Ansehen oder zumindest Akzeptanz durch Konsummuster einzufahren. Eine weitgehend von finanziellen oder moralischen „constraints“ befreite Spaß- und Erlebnisgesellschaft hat erhebliche raumrelevante Auswirkungen, vor allem auf das Bild unsere Städte, aber auch unserer ländlichen Kulturlandschaften. Aus der Fülle von Erscheinungsformen seien hier nur 3 Beispiele herausgegriffen: große Freizeit- und Erlebnisparks, postmoderne Bahnhofswelten und großflächige Einzelhandelseinrichtungen des sekundären Standortmusters. Folie 71: Freizeit- und Erlebnisparks in Deutschland Deutschland, vor allem die alten Bundesländer, ist inwzsichen mit einem sehr dichten Netz an Freizeitparks überzogen, die entweder technische Attraktionen mit Erlebnisfahrten, Film- und Showparks oder Einrichtungen, bei denen die Tier- und Pflanzenwelt im Mittelpunkt steht, umfassen. Marktführer in Deutschland ist der Europa-Park im badischen Rust mit jährlich über 3 Mio. Besuchern, gefolgt von Phantasieland bei Köln und dem Hansapark an der

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Ostseeküste. Natürlich sind 3 Mio. (noch) eine relativ kleine Zahl, verglichen mit den zum Disney-Konzern gehörenden Parks. Deren Flagschiff, das Magic Kingdom in Orlando/Florida erreicht härlich 15,6 Mio. Besucher, auch Eurodisney bei Paris kommt auf rd. 12,5 Mio. jährliche Besucher. Folie 72: Kernwasserwunderland Folie 73: Disney World in Orlando Gleichwohl ist das Freizeitparkgeschäft auch in Deutschland eine Wachstumsbranche. Schon besuchen über 10 % der Bevölkerung Deutschlands mehr oder weniger regelmäßig im Jahr Freizeitparks; zwischen 70 und 80 % des Publikums kommen mit dem eigenen KFZ. Folie: 74: Prognose Einzugsgebiet und Marktausschöpfung Legoland Deutschland Von der jüngsten, derzeit im Bau befindlichen Attraktion dieses Typs, Legoland Deutschland in Günzburg, erwarten sich die Betreiber einen Einzugsbereich, der im Grund ganz Süddeutschland umfaßt und noch weit nach Österreich und in die Schweiz hineinreicht. Eine für die jüngste Entwicklung typische Vermengung früher getrennter Funktionen im Konsum- und Freizeitbereich finden wir bei den neuen postmodernen Bahnhofswelten, von denen nach dem Schrittmacherprojekt Leipziger Hauptbahnhof inzwischen eine ganze Reihe in Planung oder fertiggestellt sind: darunter der Hauptbahnhof von Köln und von Hannover. Weitere Projekte insbesondere im bevölkerungsreichen Ruhrgebiet wie das Ufo in Dortmund oder Casa in Duisburg sind in Planung, Stuttgart 21 taucht immer mal wieder auf oder geht unter. Folie 75: Neue Bahnhofsprojekte bis 2001 Was sich bei diesen Bahnhofsgroßprojekten abzeichnet, ist ein bestimmender Trend der Handelsentwicklung insgesamt. Heinritz und Schröder haben sich jüngst in einem Essay; der im Sonderband der Berichte zur deutschen Landeskunde für den Geographentag Leipzig veröffentlicht werden wird, mit solchen erwartbaren Trends im Freizeit und Konsumverhalten befaßt. Sie zeichnen dabei vier Trends nach, die sie etwas reißerisch mit: gemischte Orte, Ruinen, Netze, Ruhezonen und Unorte überschreiben. Folie 76: Visionen vom Einzelhandel in der Zukunft: gemischte Orte Folie 77-78: Bilder moderner Konsumtempel Gemischte Orte: Der Einzelhandel wird sich weiter wie eine Krake ausbreiten, weniger in unseren Städten, mehr im Umland der Städte. Er wird dort wachsen, wo wir ihn jetzt schon finden, aber er wird auch an neuen Orten Quartier nehmen: in Fußballstadien, Freizeitparks und Universitäten, Spielcasinos, Bahnhöfen, Flughäfen, Hotels. Funktionsgrenzen verschwinden, Dienstleister werden zu Einzelhändlern, Einzelhändler zu Dienstleistern, Freizeit und Einkaufen vermischen sich zunehmend Folie 79: Visionen vom Einzelhandel in der Zukunft: Ruinen Ruinen: An das Bild verlassener Altindustrielandschaften in unseren Städten haben wir uns inzwischen gewöhnt. Neue Betriebe gehen bekanntlich ungern auf diese Brachen, sondern suchen lieber „jungfräuliches“ Gelände am Stadtrand. Doch auch in Einzelhandel werden „Fossilien“ aufgelassener Fachmärkte und Einkaufszentren dank der immer kürzer werdenden

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Abschreibungszeiten zukünftig zum Bild unserer Verdichtungsräume gehören, vor allem in Gewerbe- bzw. Sondergebieten am Rand und abseits der Städte. Zu den oft als schädlich angesehenen „lebendigen“ Einzelhandelsstandorten des sekundären Netzes kommen die „toten“. Folie 80: Das Netz der sekundären Einzelhandelsstandorte Folie 81: Visionen vom Einzelhandel in der Zukunft: Netze Netze: Aus stationärem Einzelhandel und elektronischem Einzelhandel (e-commerce) wird etwas Neues, eine neue Synthese entstehen. Dabei ist im Augenblick noch nicht leicht abzuschätzen, in welche Richtung die Entwicklung geht. In einem jüngst angelaufenen Forschungsprojekt gehen wir der Frage nach, inwieweit e-commerce einerseits traditionelle Altstadtstandorte sowie junge Einzelhandelscluster auf der grünen Wiese tangieren wird. Aufgrund der stärker e-commerce-kompatiblen Branchenstruktur in den Altstädten (Buchläde, Reisebüros, CD-Läden etc.) wird man sicher zunächst hier die stärksten Einflüsse erwarten; aber es gibt auch gegenläufige Trends. Folie 82: Altstadt- grüne Wiese- bunter Bildschirm Folie 83: Visionen vom Einzelhandel in der Zukunft: Ruhezonen Ruhezonen: Der Einzelhandel wird gut daran tun, vom „Jugendkult“ auf ältere Kunden umzustellen. Diese „Alten“ werden anders als die Rentnergeneration der sechziger Jahre weder kaufkraftschwach noch anspruchslos ein, hedonistisches Lebensgefühl paart sich hier mit den von der sparsamen Elterngeneration geerbten Ersparnissen und Grundbesitz. Der Preis verliert seine dominante Rolle, Beratung , Service und Dienstleistungen, mit Rollstuhl erreichbare, breitere Einkaufsmöglichkeiten werden dominieren, typische Sortimente verändern sich. Im Vordergrund werden sozialer Service und soziales Erlebnis stehen. Produktive Verkaufsflächen werden in unproduktive Ruhezonen umgewandelt. Folie 84: Visionen vom Einzelhandel in der Zukunft: Unorte Unorte: der Trend zum Erlebniseinkauf kann die Erosion der gewachsenen zentralörtlichen Versorgungshierarchie weiter verstärken, allerdings keineswegs im vielfach herbeigeredeten Umfang. Vielmehr wird der anschließende „roll back“, weg vom inszenierten zum authentischen Erlebnis, eher wieder die Zentren der Städte mit ihrem vielfältigen „Design“ begünstigen. 4.2. Fragmentierte Städte – das Ende der sozialen Stadt Folie 85: Fragmentierte Städte (mit Einleitungsdia) Die Diskussion um die „feinen Unterschiede“ des Konsumentenverhaltens, das Lieblingsthema der Soziologen und anderer „Mittelschichtler“ der neunziger Jahre, hat oft aus dem Blick verdrängt, daß unsere Gesellschaft weit mehr durch zunehmend „grobe Unterschiede“ geprägt ist. Damit sind vor allem neue Formen sozialer Ungleichheit gemeint, die das übertreffen, was sich bisher an Benachteiligung und Diskriminierung in unserer Gesellschaft abgespielt hat. In unseren Städten gibt es eine wachsende Armutsbevölkerung, wie aus den Zunahmen der Zahl der Sozialhilfeempfänger und aus dem wachsenden Anteil von Dauerarbeitslosen an der sowieso schon hohen Arbeitslosigkeit abgelesen werden kann.

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Zwischen 10 und 20 % der Großstadtbevölkerung sind von Einkommensarmut betroffen (Andreß, 1999). Folie 86: Ausgabenentwicklung der Sozialhilfe in Deutschland Diese Armutsbevölkerung wird in unserer Gesellschaft zunehmend nicht nur sozial, sondern auch räumlich ausgegrenzt, beide Prozesse verstärken sich wechselseitig. Die Hauptursachen für solche räumlichen Ausgrenzungs- bzw. Exklusionsprozesse liegen neben der wachsenden sozialen Ungleichheit der Bevölkerung in der gleichzeitigen Deregulierung der Wohnungsversorgung, d.h. dem Rückzug des Staates wie der Kommunen aus dem sozialen Wohnungsbau. Wohnungsversorgung wird heute weitgehend dem Markt überlassen; Marktprozesse steuern dann sehr rasch eine sozialräumliche Selektion. „Angesichts steigender Wahlmöglichkeiten ... für Haushalte mit einem stabilen Einkommen lösen sich sozial gemischte Quartiere auf und eine stärkere Sortierung der Wohnbevölkerung nach Einkommen, Lebensstil und Nationalität in verschiedenen Quartieren greift Platz. Insbesondere bilden sich Quartiere, in denen sich die ´Überflüssigen´ konzentrieren: die marginalisierten Einheimischen und die diskriminierten Zuwanderer, die in den ´besseren´ Vierteln keine Wohnung mehr finden. Diese werden so zu Orten einer sozialen Exklusion ...“ (Häussermann, 2001, S. 3) Folie 87: Preisentwicklung von Wohnungsbaugrundstücken in den alten Bundesländern Für soziale Exklusivität wird umgekehrt immer teurer bezahlt. Wohnungsbesitzer wie Mieter haben die soziale Zusammensetzung der Bewohnerschaft eines Quartiers sehr genau im Auge und wehren sich geg.-falls massiv gegen Eingriffe oder Entwicklungen, welche ihre Alltagssituation ebenso wie ihre Rendite gefährden könnten. Man muß nur versuchen, ein Aussiedlerwohnheim mit Rußlanddeutschen in der Nähe eines Mittelschichtwohngebietes unterbringen zu wollen, um zu sehen, welch massiver Protest sich hier fast automatisch aufbaut. Auch wer je in Heidelberg eine 4-Zimmer-Wohnung gesucht hat, weiß, wie sorgfältig hier selbst Professoren gesiebt werden. Geographische Folge solcher Segregationsprozesse und eines zunehmenden Bedrohungsgefühls durch Armut und Kriminalität, sind der allenthalben zu beobachtende Rückzug auf geschützte, bewachte Areale und eine Reduzierung offener, allen zugänglicher Räume in unseren großen Städten, ein Prozeß, der sich in Deutschland vorläufig vor allem beim Handel und bei Freizeiteinrichtungen zeigt, während bei Wohnsiedlungen der US-amerikanische Trend zu „gated communities“ in ersten Projekten aufgenommen wird. Natürlich verändern solche Privatisierungsprozesse ehemals öffentlicher Räume die stadtgeographische Struktur unserer Städte. Steht der innerstädtische Marktplatz oder die Haupteinkaufsstraße selbstverständlich für jedermann offen, in der Regel auch für Straßenmusikanten, ambulante Händler und Demonstranten (zumindest nach entsprechender Anmeldung beim Ordnungsamt oder der Polizei),so kann davon in einer Shopping Mall oder in einem modernen Urban Entertainment Center keine Rede sein. Folie 88: Postdam Arkaden

Neben durch private Sheriffs gesicherten Einkaufszentren und integrierten Shopping Malls gelten in den USA und vielen Ländern Südostasiens, aber auch in Südafrika inzwischen „gated communities“, also durch Zaun und Wachpersonal geschützte Wohngebiete, als

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typische Folge dieser Entwicklung. In Deutschland gibt es nach den Recherchen von Georg Glasze erste Projekte dieses Typs. Folie 89: Geschlossene Apartmentanlage vor den Toren Berlins: „Arkadien" Folie 90: Geschlossene Siedlung in Florida Folie 91: Celebration bei Orlando/Florida Eines der ersten deutschen Beispiele dieses Typs von Wohnsiedlung entsteht derzeit im Norden Potsdams. Wenige Schritte neben der Glienicker Brücke nach Berlin wird seit 1998 auf ca. 30.000 qm eine geschlossene Apartmentanlage mit hochwertig ausgestatteten Wohnungen errichtet. Nach den Planungen kalifornischer Architekten wurde die gesamte Anlage umzäunt, der Außenzaun wird durch Bewegungsmelder, Videokameras und einer Alarmschaltung zu den Pförtnern („Doormen") überwacht. Tagsüber sollen sich jeweils drei, nachts zwei der Doormen um die Sicherheit der Bewohner kümmern.

Geschlossene Wohnkomplexe bieten diverse Dienstleistungen wie einen 24-stündigen Sicherheits- und Wartungsservice. Besucher werden von den Pförtnern angemeldet und erst nach dem „o.k." des Gastgebers auf das Gelände gelassen. Darüber hinaus stehen den Bewohnern gemeinsame Einrichtungen wie Grünanlagen, Sporteinrichtungen und Veranstaltungsräume zur Verfügung. Gemeinsam ist all diesen Formen geschlossener Wohnsiedlungen, daß sie versuchen, eine scheinbar heile Gegenwelt zu den kernstädtischen Problemen zu schaffen. Besonders deutlich wird dies in den jüngsten Projekten des sogen. “new urbanisms”, in den von großen Konzernen wie Disney aus dem Boden gestampften Musterprojekten in Florida. Geschlossener Wohnkomplexe zeigen in räumlicher Hinsicht eine Abkehr vom europäischen Leitbild öffentlicher Städte: „Ziel ist nicht, Orte zu schaffen oder zu erhalten, die von möglichst vielen Gruppen der Gesellschaft angeeignet werden können, sondern Orte und Gebiete für strategisch ausgewählte Teile der Gesellschaft zu schaffen. Aufgaben, die in den Wohlfahrtstaaten des 20. Jahrhunderts egalitär und flächendeckend von der öffentlichen Hand bereitgestellt wurden oder zumindest werden sollten, werden für die Nutzer dieser Orte bzw. Gebiete privatwirtschaftlich organisiert. In paradoxer Weise greift dabei die Gestaltung dieser Orte vielfach kollektive Bilder von historischen „öffentlichen Räumen" auf. So erinnert die Architektur des als „öffentliches Forum" (sic!) bezeichneten zentralen Platzes des Sony Center an einen Marktplatz der Bürgerstadt. Letztlich manifestiert sich damit ein konkurrierendes Leitbild von „öffentlichem Raum": ein physischer Raum, der für Konsum, Erholung und Unterhaltung offen zugänglich ist - allerdings nur für die passende Klientel (vgl. Mitchell,1995, S. 115). Dabei sind nicht Inklusion und Gleichheit der normative Bezug, sondern Exklusion und Differenz.“ (Glasze, 2001) Warum gehe ich auf diese sich in Deutschland erst andeutenden Entwicklungen ein? Vor allem, weil ich sie als zunehmende Bedrohung unserer „civil society“ betrachte. Auch zu Zeiten zunehmender Telekommunikation spielen physische Orte, die von möglichst vielen Gruppen der Gesellschaft sich angeeignet werden können und damit als Bühne der Selbstdarstellung, Lernfeld für die Auseinandersetzung mit Fremden und Ort der Meinungsbildung dienen können, eine wichtige Rolle. Bestimmte gesellschaftliche Gruppen sind in einer ausschließlich elektronischen Öffentlichkeit kaum sichtbar, möchten und sollen aber wahrgenommen werden. Mitchell (1995, S. 123) schreibt hierzu: „There is literally no room in Internet's, public space' for a homeless person to live in. Nor can their needs, desires, and political representations ever be seen in the manner that they can be seen in the spaces of the city".In gleicher Weise benötigen Gruppen, die alternative Politikkonzepte in die Gesellschaft tragen wollen, physische Orte, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen.

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Erinnert sei hier an die Bürgerproteste am Ende des 20. Jahrhunderts in Prag, Peking oder Leipzig, welche ihre politische, ihre öffentliche Wirksamkeit nur über physische Orte erreichen konnten. Was wären die Montagsdemonstrationen in Leipzig gewesen ohne den engen Ring um die Leipziger Altstadt, auf dem sich Bürgerprotest nicht nur artikulieren, sondern auch physisch verdichten und verstärken konnte. 5. Fazit Im publizistischen wie wissenschaftlichen Schrifttum ist derzeit viel von Deutschlands Rolle im Prozeß der Globalisierung die Rede. Allein die Bibliographie des Südwestverbunds, der Bibliotheken Bibliotheken Baden-Württembergs, spukt bei einer Internet-Recherche zum Stichwort Globalisierung 500 Buchtitel aus. Aus meiner Sicht stellt aber der Prozeß der Fragmentierung, der räumlichen Segregation unserer Gesellschaften einen mindestens ebenso wichtigen Prozeß dar, nicht nur auf internationaler Ebene, auf der die relativ wenigen „globalisierten“ Orte und Regionen zunehmend in einem Meer der Armut schwimmen, das weite Zonen des Südens umfaßt, sondern auch auf der nationalen Ebene Deutschlands. Räumliche Segregation und Fragmentierung betrifft nicht nur, wie oben angesprochen, das Wohnen,sondern letztlich alle Daseinsgrundfunktionen. So stehen oft hoch umweltbelasteten Arbeitsplätzen in Altindustriegebieten räumlich davon getrennte High-Tech-Arbeitsplätze in postmodernen High-Tech-Parks gegenüber; deren Arbeitnehmer, hier die postmodern gestalten Yuppies mit Handy und Diplomatenkoffer, dort die allmählich aussterbende "Klasse" der Industriearbeiter, sich im Alltagsleben kaum je mehr über den Weg laufen. Der Trend zur Privatisierung und damit Segregierung des Bildungswesens, der traditionell in den angloamerikanischen Staaten mit ihrem Privatschulsystem herrschte, ist längst von den asiatischen Eliten übernommen, ja übertroffen werden. Bei uns gewinnen Modelle privater Universitäten für eine zahlungskräftige Klientel immer mehr an Boden. Soziale und sozialräumliche Trennungen zeigen sich auch für die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung ab, für die Altersversorgung ist sie schon Realität. Auch Erholung und Freizeit sind weitgehend segmentiert, besonders massiv bestimmte Formen der Fernerholung in Drittweltstaaten wie der Cluburlaub vom Typ "Mediterranée" oder "Robinson", der seine reiche, zahlungskräftige Schicht in Luxus-Ghettos kaserniert und Eindrücke von Land und Leuten in einer Form vermittelt, die stark an amerikanische Astronauten bei Ausflügen mit der "Mondfähre" erinnert. Sie können den Test auf Segregation selbst machen. Wer von ihnen weiß genauer über die Lebensverhältnisse der türkischen Bewohner Deutschlands Bescheid, kennt ihre Wohnungen und ihre Alltagssituation von innen, was wissen sie über ihre gleichaltrigen ehemaligen Schulkameraden mit Hauptschulabschluß etc. Warum erwähne ich dies? Ich glaube, die sich abzeichnenden Prozesse der Fragmentierung und Segregation unserer Gesellschaft bilden eine ernste Bedrohung für die „civil society“ und damit die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie. Solche Formen von Abschottung sorgen beispielsweise schon in früher Jugend dafür, daß Kinder unterschiedlicher Herkunft immer weniger Sozialerfahrungen außerhalb der eigenen Schicht, der eigenen Gruppe machen können, sicher eine Hypothek nicht nur für Einsicht und Augenmaß im weiteren Leben, sondern für eine soziale Gesellschaft. Vielleicht teilen nicht alle diese meine Einschätzung, aber das ist halt meine „Erzählung“ über Deutschland. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

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Der Vortrag hat versucht, einige aktuelle Diskurse in und über Deutschland aufzugreifen und durch die geographische Brille zu sichten, sie mit geographischem „Wissen“ bewaffnet kritisch zu hinterfragen und ihnen als Zuhörer/innen für ihre eigenen Dekonstruktionen wieder an die Hand zu geben. Ich hoffe, es war trotz einiger stark theorielastiger Passagen einigermaßen vergnüglich, meinen geographischen Erzählungen über Deutschland zuzuhören. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

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