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Infobrief Recht DFN-Infobrief Recht Jahresband 2012 Deutsches Forschungsnetz DFN-Infobrief Recht Jahresband | 2012 www.dfn.de

DFN-Infobrief Recht Jahresband 2012 · DFN-Infobrief Recht 2012 | 7 auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Danach muss u.U. auch derjenige, der willentlich

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Infobrief Recht

DFN-Infobrief RechtJahresband 2012

Deutsches Forschungsnetz DFN-Infobrief Recht Jahresband | 2012

www.dfn.de

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Impressum

Herausgeber: Verein zur Förderung eines

Deutschen Forschungsnetzes e. V.

DFN-Verein

Alexanderplatz 1, 10178 Berlin

Tel: 030 - 88 42 99 -0

Fax: 030 - 88 42 99 - 70

E-Mail: [email protected]

Web: www.dfn.de

Texte: Forschungsstelle Recht im DFN

Ein Projekt des DFN-Vereins an der Westfälischen

Wilhelms-Universität, Institut für Informations-,

Telekommunikations- und Medienrecht (ITM),

Zivilrechtliche Abteilung, unter Leitung von

Prof. Dr. Thomas Hoeren.

Leonardo-Campus 9,

D-48149 Münster

Mail: [email protected]

Web: www.dfn.de/rechtimdfn/

ISSN 2194-3036

Redaktion: Christine Legner-Koch, Annette Rülke

Layout und redaktionelle Bearbeitung: Kai Hoelzner

Umschlagfoto: Torsten Kersting

Druck: Laserline, Berlin

© DFN-Verein Januar 2013

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Liebe Leserinnen und Leser,

die Nutzung neuer Formen der Kommunikation und der Informationsverarbeitung führt

zwangsläufig zu bislang wenig oder gar nicht bearbeiteten rechtlichen Fragestellungen.

Dem DFN-Verein ist bewusst, dass Antworten auf solche Rechtsfragen von großer Be-

deutung sind, um die neuen Formen der Kommunikation und der Informationsverarbei-

tung in die täglichen Prozesse von Forschung und Lehre erfolgreich und nutzbringend

einbinden zu können.

Vor diesem Hintergrund erarbeitet die Forschungsstelle Recht im DFN eine Vielzahl von

Stellungnahmen und Handlungsempfehlungen, die in periodischen digitalisierten Pub-

likationen wie z. B. dem „DFN-Infobrief Recht“ an Abonnenten verschickt, auf den Web-

seiten des DFN-Vereins veröffentlicht und durch regelmäßige Seminare und Gastvorträ-

ge aktiv an die Nutzer des Wissenschaftsnetzes vermittelt werden. Die Publikationen

sind in digitalisierter Form auf den Webseiten des DFN-Vereins archiviert und abrufbar

unter der Adresse: http://www.dfn.de/rechtimdfn/

Mit dem vorliegenden „DFN-Infobrief Recht - Sammelband 2012“ werden diese digitali-

sierten Publikationen durch eine gedruckte Zusammenfassung ergänzt.

Wir würden uns freuen, wenn auf diesem Wege die Stellungnahmen und Handlungs-

empfehlungen der Forschungsstelle Recht im DFN eine weitere Sichtbarkeit erreichen

und damit insbesondere auch den Mitgliedern des DFN-Vereins die eine oder andere bis-

lang ungelöste rechtliche Fragestellung einer Beantwortung näher gebracht wird.

Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre.

Ihr DFN-Verein

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Inhalt

Ansprechpartner mit beschränkter HaftungBundesgerichtshof konkretisiert Voraussetzungen für die Haftung des Admin-C von Daniel Wörheide

Rechtliche Aspekte sozialer Netzwerke III: Das Arbeitsrecht von Verena Steigert

Die Vorschrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?von Eva-Maria Herring

Neue Verhaltensregeln für den GastgeberBGH konkretisiert die Störerhaftung des Host-Provi-ders in Internetforen von Julian Fischer

Impressumspflicht gilt auch auf Facebook von Julian Fischer

Web-Filter gegen Urheberrechtsverstöße? Der EuGH sagt „Nein“! Zum Urteil des EuGH im Fall Netlog/SABAMvon Verena Steigert

Rechte und Pflichten beim Speicherung von Log-Dateienvon Verena Steigert und Christian Mommers

Es bleibt alles anders!OLG Stuttgart zur Reichweite des § 52a Urheber-rechtsgesetz von Julian Fischer

RSS-Feeds – Fluch oder Segen?BGH konkretisiert die Haftung für die Veröffentli-chung ungeprüfter RSS-Feedsvon Kevin Kuta

Bundesverfassungsgericht kippt Zuordnung von dynamischen IP-Adressen von Susanne Thinius

Umgang mit Social Media im Hochschulalltag Praxistipps zum Umgang mit Social Media und zum Entwurf von Guidelines an Hochschulenvon Johannes Franck

Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet erleichtertBGH klärt Voraussetzungen des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Access-Provider von Florian Klein

Rapidshare vs. Rechteinhaber – Ende einer unendlichen Geschichte?Bundesgerichtshof zur Haftung von File-Hosting-Diensteanbietern bei Urheberrechtsverletzungenvon Kevin Kuta

Die Online-Erschöpfung ist da!Europäischer Gerichtshof bestätigt Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes für den Onlinehandel mit gebrauchter Softwarevon Matthias Försterling

Digitale Leseplätze auf dem Weg nach EuropaRechtsfragen zu digitalen Leseplätzen in Bibliothe-ken bleiben vorerst ungeklärtvon Daniel Wörheide

Homepagepflege bei ArbeitnehmerfotosLandesarbeitsgericht Frankfurt: Löschungsanspruch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnissesvon Julian Fischer

Neue Richtlinie soll europaweite Digitalisierung verlorener Werkevon Susanne Thinius

Neue Perspektiven in der elektronischen

Kommunikation

Folgen des De-Mail-Gesetzes für die öffentliche

Verwaltung

von Matthias Försterling

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6 | DFN-Infobrief Recht 2012

Ansprechpartner mit beschränkter Haftung

Bundesgerichtshof konkretisiert Voraussetzungen für die Haftung des Admin-C

Von Daniel Wörheide LL.B.

Unter welchen Voraussetzungen haftet der bei der DENIC e.G. für eine Domain registrierte ad-

ministrative Kontakt (Admin-C) für Kennzeichenrechtsverletzungen, die durch diese Domain

verursacht werden? Bislang gab es auf diese Frage keine eindeutige Antwort, da die einzelnen

Land- und Oberlandesgerichte diesbezüglich sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt

haben (siehe hierzu Kai Welp: „Die Haftung des administrativen Kontakts“, DFN-Infobrief Recht

vom April 2008). In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat sich nun erstmals auch der Bun-

desgerichtshof mit der Thematik befasst und dabei eine< Haftung des Admin-C für den Regelfall

ausgeschlossen. Für die Praxis ändern sich damit abermals die Leitlinien, anhand derer Haftungs-

fragen in diesem Bereich zu beurteilen sind. Nach über einem Jahrzehnt endet damit aber auch

die Rechtsunsicherheit, die durch divergierende Gerichtsentscheidungen zu Haftungsfragen in

diesem Bereich entstanden war.

I. Ausgangslage: Funktion und Rechts-stellung des Admin-C

Die Funktion des Admin-C ergibt sich aus Ziffer VIII. der von der

DENIC e.G. aufgestellten Domainrichtlinien. Danach kann eine

Domain mit der Top-Level-Domain „.de“ nur angemeldet wer-

den, wenn der Domaininhaber eine natürliche Person als Ad-

min-C benennt. Dieser ist als Bevollmächtigter gegenüber der

DENIC e.G. berechtigt und verpflichtet, sämtliche die Domain

betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden.

Zu diesem Zweck sind Name, Anschrift, Telefonnummer und

E-Mailadresse der Person bei der DENIC e.G. zu hinterlegen. So-

fern der Domaininhaber seinen Sitz im Ausland hat, übernimmt

der Admin-C zudem zwingend die Aufgabe eines Zustellungs-

bevollmächtigten für Verwaltungs- und Gerichtsverfahren:

Verfahrens- und Prozesshandlungen können daher gegenüber

dem Admin-C vorgenommen werden, der in diesen Fällen in

Deutschland ansässig sein muss. Insgesamt kommt dem Ad-

min-C somit eine Doppelrolle zu: Einerseits ist er im Verhältnis

zur DENIC e.G. berechtigt, sämtliche die Domain betreffenden

Entscheidungen eigenständig zu treffen. Er fungiert somit

vorrangig als Ansprechpartner und Vertretungsperson im Rah-

men des Vertragsverhältnisses zwischen Domaininhaber und

DENIC e.G. Gleichzeitig tritt der Admin-C aber auch nach

außen als eine Person in Erscheinung, die in Bezug auf

die Domain eigenverantwortliche Entscheidungen tref-

fen kann. Dies geht letztlich sogar so weit, dass der

Admin-C die Rechtsmacht besitzt, um – ohne Rücksprache mit

dem Domaininhaber – die Löschung der Domain herbeizufüh-

ren. Die Außenwirkung wird dabei noch durch den Umstand

verstärkt, dass die Angaben zur Person des Admin-C im Rah-

men einer Whois-Abfrage jederzeit von beliebigen Dritten ein-

gesehen werden können.

II. Die Auseinandersetzung um die haftungsrechtliche Bewertung des Admin-C

In Anbetracht dieser Doppelstellung verwundert es nicht, dass

die Gerichte bisher unterschiedliche Auffassungen zu der Frage

vertreten haben, ob neben dem Domaininhaber auch der Admin-

C für Kennzeichenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden

kann, die durch die Domain verursacht werden. Zwar besteht

Einigkeit darüber, dass Schadensersatzansprüche gegen den

Admin-C grundsätzlich nicht in Betracht kommen, da diesem

in aller Regel kein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Handeln

vorgeworfen werden kann. Es stellt sich aber die Frage, ob der

Admin-C zumindest nach den Grundsätzen der Störerhaftung

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auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen

werden kann. Danach muss u.U. auch derjenige, der willentlich

und adäquat kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhal-

tung einer Rechtsverletzung mitgewirkt hat, Maßnahmen tref-

fen, die eine fortbestehende Rechtsverletzung beseitigen und

die zukünftige Rechtsverletzungen ausschließen. Dies gilt je-

doch nur, wenn die Person zugleich zumutbare Prüfungspflich-

ten verletzt hat. Mit Blick auf Stellung und Aufgabenbereich

des Admin-C stellt sich daher die Frage, ob sich entsprechende

Prüfungspflichten allein aus dem Umstand ergeben, dass die-

ser als Admin-C bei der DENIC e.G. registriert ist.

Insbesondere in älteren Gerichtsentscheidungen ist die Ver-

antwortlichkeit des Admin-C nach den Grundsätzen der Stö-

rerhaftung wiederholt bejaht werden. Einige Gerichte gingen

dabei sogar so weit, dass der Admin-C nicht nur für die Domain

selbst, sondern auch für den Inhalt der dahinterliegenden

Webseite verantwortlich gemacht wurde. Um begründen zu

können, dass Prüfungspflichten für den Admin-C zumutbar

sind, wurde insbesondere auf dessen autonome Stellung ver-

wiesen, die dieser gegenüber der DENIC e.G. einnimmt und die

ihn in die Lage versetzt, Rechtsverletzungen durch Kündigung

der Domain zu beseitigen. Allerdings finden sich in neueren

Gerichtsentscheidungen auch vermehrt Argumentationen, die

zum gegenteiligen Ergebnis führen. So könne allein aus der

Möglichkeit, den Domainvertrag mit der DENIC e.G. zu kündi-

gen, nicht geschlossen werden, dass der Admin-C im Verhältnis

zum Domaininhaber auch zu einem solchen Verhalten berech-

tigt ist. Vielmehr folge aus dem Dienst- oder Arbeitsvertrag mit

dem Domaininhaber in der Regel die Pflicht, den Domainver-

trag nicht ohne Zustimmung des Domaininhabers zu kündi-

gen. Zudem lasse sich aus der Stellung des Admin-C nicht die

Pflicht ableiten, zu prüfen, ob durch die Domain Kennzeichen-

rechte Dritter verletzt werden. Diese Aufgabe obliege vielmehr

in der Regel allein dem Domaininhaber selbst.

III. Bundesgerichtshof: Störerhaftung des Admin-C nur in Ausnahmefällen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seiner Entscheidung

vom 9. November 2011 (Az.: I ZR 150/09) nun grundsätzlich ge-

gen eine generelle Haftung des Admin-C ausgesprochen. Die

Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten lasse sich nämlich

nicht allein mit der Stellung als Admin-C begründen. Vielmehr

ergebe sich aus den Domainrichtlinien der DENIC e.G., dass

sich der Aufgabenbereich des Admin-C im Ausgangspunkt

auf die Erleichterung der administrativen Durchführung be-

schränke. Damit widerspricht der BGH der Argumentation eini-

ger Gerichtsentscheidungen, die eine Haftung als Störer allein

mit der Fähigkeit des Admin-C zur Kündigung des Domainver-

trages begründen wollten.

Allerdings sieht der BGH Anlass, von diesem Grundsatz eine

wesentliche Ausnahme zuzulassen: Sofern beim künftigen

Domaininhaber vor der Antragstellung nicht gesondert ge-

prüft werde, ob durch die Domain Kennzeichenrechte Dritter

verletzt werden, könne dies besondere Prüfungspflichten des

Admin-C begründen. Insbesondere wenn der Domaininhaber

ein automatisiertes Antragsverfahren durchführe und sich

eine Person in Kenntnis dessen bereit erkläre, für alle auf die-

sem Wege registrierten Domains als Admin-C zur Verfügung zu

stehen, erhöhe sich dadurch die Gefahr, dass durch die Regis-

trierung Kennzeichenrechtsverletzungen verursacht werden.

Dieses Risiko lasse sich nur dadurch minimieren, dass auf

der Ebene des Admin-C geprüft werde, ob durch die Domain

die Rechte Dritter verletzt werden. In Ausnahmefällen sieht

der BGH somit auch weiterhin Spielraum dafür, dem Admin-C

eigenständige Prüfungspflichten aufzuerlegen, deren Verlet-

zung eine Haftung als Störer nach sich ziehen kann. Die Haf-

tung des Admin-C ist somit durch die Entscheidung des BGH

nicht generell ausgeschlossen, allerdings an gesteigerte Vor-

aussetzungen geknüpft.

IV. Fazit und Folgen für Hochschulpraxis

Die Entscheidung des BGH ist insbesondere mit Blick auf die

bislang bestehende Rechtunsicherheit begrüßenswert: Klar-

gestellt ist damit, dass die Stellung des Admin-C allein nicht

genügt, um diesen nach den Grundsätzen der Störerhaftung

in Anspruch zu nehmen. Auch ist es zumindest im Ausgangs-

punkt überzeugend, dass der BGH dem Admin-C dann beson-

dere Pflichten auferlegt, wenn der Registrierungsvorgang auf

Seiten des zukünftigen Domaininhabers automatisiert erfolgt.

Auf diesem Wege wird eine Arbeitsteilung zwischen Domain-

inhaber und Admin-C erzwungen, die mit Blick auf die Doppel-

stellung des Admin-C durchaus funktionsgerecht erscheint.

Abzuwarten bleibt allerdings, ob in künftigen Gerichtsent-

scheidungen die Prüfungspflichten des Admin-C auch in ver-

gleichbaren Sonderkonstellationen bejaht werden. Es besteht

also auch weiterhin die Möglichkeit, dass Gerichte in Zukunft

unterschiedliche Auffassungen zu der Frage haben werden, ob

in einem Fall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer

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den Admin-C eigenständige Prüfungspflichten treffen.

Für die Hochschulpraxis lassen sich mit Blick auf die darge-

stellte Entscheidung des BGH verschiedene Schlussfolgerun-

gen ziehen: Zunächst verringert sich das Haftungsrisiko für

alle Hochschulangehörigen, die als Admin-C für Hochschuldo-

mains fungieren. Zwar dürfte bei Hochschuldomains, die sich

allein aus Buchstabenkürzeln und Ortsnamen zusammenset-

zen, ohnehin selten die Gefahr bestehen, dass diese Kennzei-

chenrechte Dritter verletzen. Sobald Domains mit anderem

Aussagegehalt verwendet werden (z.B. für Projektseiten oder

themen- bzw. fachspezifische Portale), kann jedoch nicht gene-

rell ausgeschlossen werden, dass dadurch Kennzeichenrechte

Dritter beeinträchtigt werden. Zugleich müssen Hochschulen

die neuen höchstrichterlichen Leitlinien berücksichtigen,

wenn sie selbst gegen Kennzeichenrechtsverletzungen vor-

gehen wollen, die durch anderweitig registrierte Domains

verursacht werden. Dies ist vor allem denkbar, wenn durch die

Domain eines Dritten Namensrechte der Hochschule verletzt

werden. In diesem Fall sollten Hochschulen dazu übergehen,

vorrangig gegen den Domaininhaber vorzugehen: Zwar ist

mit Kenntnis von der Rechtsverletzung auch der Admin-C ver-

pflichtet, die Löschung der Domain herbeizuführen. Die für

die Abmahnung unter Umständen entstandenen Anwaltskos-

ten können dem Admin-C jedoch nur auferlegt werden, wenn

dieser selbst als Störer in Anspruch genommen werden konn-

te. Dies ist nach der Entscheidung des BGH nur ausnahmswei-

se der Fall, sodass die Inanspruchnahme des Domaininhabers

vorzugswürdig ist.

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Rechtliche Aspekte sozialer Netzwerke III: Das Arbeitsrecht

Verena Steigert

In den ersten beiden Teilen der DFN-Infobrief-Recht-Reihe zu rechtlichen Aspekten sozialer Netz-

werke standen urheber- und persönlichkeitsrechtliche sowie datenschutzrechtliche Fragestel-

lungen im Vordergrund. Im dritten und letzten Teil soll es nun um arbeitsrechtliche Probleme

bei der Nutzung derartiger Plattformen gehen. Das am meisten diskutierte Problem ist dabei die

häufig von Arbeitgeberseite vorgenommene Online-Recherche über Bewerber. Aber auch andere

Themen wie etwa die Fragen, ob bestimmte Aktivitäten der Beschäftigten in sozialen Netzwer-

ken einen Kündigungsgrund darstellen können oder ob der Arbeitgeber qua Direktionsrecht die

Nutzung sozialer Netzwerke anordnen kann, werden zunehmend aktuell.

I. Bewerberauswahl über soziale Netzwerke

Nach der jüngsten repräsentativen Umfrage des Marktfor-

schungsinstituts Aris aus Hamburg1 verwenden gut die Hälfte

aller Unternehmen (52 %) das Internet, um sich vorab über ihre

Bewerber zu informieren. 49% nutzen dabei Suchmaschinen,

zum einen traditionelle wie Google, Yahoo oder Bing, zum an-

deren aber auch spezielle Personensuchmaschinen wie etwa

123people oder yasni. 21% der Befragten gaben zudem an, bei

der Bewerberrecherche auf berufsorientierte soziale Netz-

werke (z. B. XING oder LinkedIn) zurückzugreifen, 19% suchen

auch in freizeitorientierten Netzwerken (Facebook, VZ-Grup-

pe, wer-kennt-wen etc.). Im Vergleich zum Vorjahr stieg die

Nutzung des Internets zur Information über Bewerber damit

um durchschnittlich 3% an.2

1. Derzeitige Rechtslage

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezoge-

ner Daten bedarf nach § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

einer rechtlichen Grundlage im BDSG selbst oder in einer

anderen Rechtsvorschrift. Alternativ kann auch die Einwilli-

gung des Betroffenen eine Verarbeitung seiner personenbe-

zogenen Daten rechtfertigen. Eine den Voraussetzungen des

§ 4a Abs. 1 BDSG (Informiertheit, Freiwilligkeit, Bestimmtheit,

Schriftform) genügende Einwilligung eines Stellenaspiran-

ten wird allenfalls dann gegeben sein, wenn dieser in seiner

Bewerbung ausdrücklich auf die zu seiner Person im Internet

befindlichen Daten hinweist. Dies dürfte allerdings einen Aus-

nahmefall darstellen.

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Nutzung

von Daten aus sozialen Netzwerken durch den Arbeit-

geber besteht nach derzeitiger Rechtslage nicht. Allein

§ 32 BDSG stellt eine spezielle Normierung der Daten-

erhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des

Beschäftigungsverhältnisses dar. Danach dürfen perso-

nenbezogene Daten eines Beschäftigten unter anderem

erhoben werden, wenn dies für die Entscheidung über

die Begründung eines Beschäftigtenverhältnisses erfor-

derlich ist. Neben § 32 BDSG ist – nach überwiegender, aller-

dings nicht unumstrittener Ansicht – auch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

BDSG im Beschäftigungsverhältnis weiterhin anwendbar. Die-

ser gestattet die Erhebung von Daten aus allgemein zugäng-

lichen Quellen, wenn nicht das schutzwürdige Interesse des

Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung überwiegt.

Stammen die betroffenen Daten also aus allgemein zugänglich

Quellen – dies lässt sich im Zusammenhang mit sozialen Netz-

werken insbesondere dann anneh-men, wenn die in dem Netz-

werk enthaltenen Daten über Suchmaschinen (Google, Yahoo,

Bing etc.) zugänglich sind – so lässt sich die Erhebung über § 28

Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG rechtfertigen. Das Recht auf informatio-

nelle Selbstbestimmung des Bewerbers muss insoweit zurück-

treten, da der Bewerber die Daten in der Regel selbst in das

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Netzwerk eingestellt und den Zugriff durch Suchmaschinen

freigegeben oder zumindest nicht unterbunden hat.

Sind die Daten in dem Profil eines sozialen Netzwerkes da-

gegen nur für Mitglieder des Netzwerkes oder so-gar nur für

durch den Betroffenen selbst hinzugefügte „Freunde“ sicht-

bar, so kann nicht von einer allgemein zugänglichen Quelle

gesprochen werden. Gleichwohl kann eine Datenerhebung

von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG gedeckt sein, wenn die Internetrecher-

che dazu dient, die in der Bewerbung gemachten Angaben des

Stellenaspiranten auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

2. Zukünftige Rechtslage nach dem Entwurf

für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz

Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäf-

tigtendatenschutzes erhält die Bewerberrecherche in sozialen

Netzwerken in § 32 Abs. 6 BDSG-Entwurf (BDSG-E) nunmehr

eine explizite Rechtsgrundlage. Danach darf der Arbeitgeber

allgemein zugängliche Beschäftigtendaten ohne Mitwirkung

des Beschäftigten erheben, wenn er den Beschäftigten – etwa

in der Stellenausschreibung – zuvor auf die Erhebung hinge-

wiesen hat und nicht die schutzwürdigen Interessen des Be-

schäftigten am Ausschluss der Erhebung überwiegen. Im Fol-

genden unterscheidet der Gesetzentwurf zwischen sozialen

Netzwerken, die allein der elektronischen Kommunikation

dienen (freizeitorientierte Netzwerke), und solchen, die vor-

nehmlich zur beruflichen Darstellung genutzt werden (berufs-

orientierte Netzwerke), ohne jedoch Kriterien zur Abgrenzung

dieser beiden Arten sozialer Netzwerke aufzustellen. Bei ers-

teren soll das Interesse der Beschäftigten am Ausschluss der

Datenerhebung überwiegen, in letzteren ist eine Internetre-

cherche dagegen immer zulässig. Überwiegende Interessen

der Beschäftigten, die einer Datenerhebung im Internet entge-

genstehen können, liegen nach der Gesetzesbegründung zu § 32

Abs. 6 BDSG-E ferner dann vor, wenn die im Netz zu findenden

Daten offensichtlich veraltet sind oder der Bewerber nach den

erkennbaren Umständen über ihre Veröffentlichung keine

Herrschaft hatte. Eine spezielle Regelung enthält zudem § 32

Abs. 2 BDSG-E für besonders sensible Daten eines Bewerbers

(rassische und ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschau-

ung, Behinderung, sexuelle Identität, Gesundheit, Vermögens-

verhältnisse, Vorstrafen oder laufende Ermittlungsverfahren).

Zwar werden solche Daten nur in den seltensten Fällen von

dem Betroffenen auf den Seiten eines sozialen Netzwerkes

öffentlich gemacht werden. Wenn doch, dann ist eine Daten-

erhebung aber jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des

§ 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

zulässig. Danach müsste das erhobene Datum für die auszu-

übenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine

wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar-

stellen. Die Information müsste mit anderen Worten unver-

zichtbar für die Einstellung des Bewerbers sein.

Problematisch an dem Gesetzentwurf für ein Beschäftigtenda-

tenschutzgesetz ist unter anderem, dass dieser keine Definiti-

on eines sozialen Netzwerkes enthält. Offen bleibt somit, ob

etwa auch Internetforen oder Blogs hierunter fallen können.

II. Direktionsrecht und Soziale Netzwerke

In der arbeitsrechtlichen Diskussion steht ferner die Frage,

inwieweit ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter unter Berufung

auf sein Direktionsrecht (§ 106 Gewerbeordnung) zu einem be-

stimmten Verhalten in sozialen Netzwerken anweisen kann.

Eine Verpflichtung der Beschäftigten sich in einem freizeit-

orentierten sozialen Netzwerk anzumelden, scheidet auf-

grund des privaten Charakters dieser Netzwerke von vornhe-

rein aus. Anders kann sich die Lage jedoch hinsichtlich eines

berufsorientieren Netzwerkes darstellen, insbesondere wenn

dem entsprechenden Mitarbeiter eine hervorgehobene Funk-

tion im Rahmen der Unternehmensrepräsentation und Öffent-

lichkeitsarbeit zukommt. In diesem Fall könnte die Pflicht zur

Anmeldung in einem Netzwerk wie XING oder LinkedIn eine

konkretisierte Neben- oder sogar Hauptleistungspflicht aus

dem Arbeitsvertrag darstellen. Allerdings muss auch hier in

jedem Einzelfall das Recht auf informationelle Selbstbestim-

mung des Arbeitnehmers mit dem Interesse des Arbeitgebers

an der Repräsentation seines Unternehmens in dem Netzwerk

abgewogen werden.

Geht es um das Verhalten der Arbeitnehmer in einem sozialen

Netzwerk, so kann der Arbeitgeber in jedem Fall qua Direkti-

onsrecht Handlungen unterbinden, die dem Unternehmen

schädlich sein können (falsche Darstellung des Unternehmens

in dem sozialen Netzwerk, Verrat von Betriebs- und Geschäfts-

geheimnissen, beleidigende Äußerungen etc.).

III. Aktivitäten in sozialen Netzwerken als Kündigungsgrund

Aktivitäten der Beschäftigten in sozialen Netzwerken können

unter Umständen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch

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den Arbeitgeber rechtfertigen. Hat der Arbeitgeber die private

Nutzung des Internets verboten oder nutzt ein Arbeitnehmer

soziale Medien in exzessivem Umfang während der Arbeitszei-

ten, so kommt eine Kündigung aufgrund arbeitsvertraglicher

Pflichtverletzungen (§§ 611, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch

(BGB)) in Betracht. Hier ist allerdings aufgrund des „Ultima-

ratio-Charakters“ der Kündigung im Einzelfall abzuwägen, ob

nicht eine Abmahnung die verhältnismäßigere Lösung bildet.

Neben der Nutzung sozialer Netzwerke an sich, kann auch das

konkrete Verhalten eines Beschäftigten in einem solchen Netz-

werk Anlass zu einer (verhaltensbedingten) Kündigung geben.

So liegt es etwa bei strafbarem Verhalten oder beim Verrat von

Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Äußert sich ein Arbeit-

nehmer in einem sozialen Netzwerk kritisch über seinen Arbeit-

geber, kann auch ein solches rufschädigendes Verhalten unter

dem Aspekt der Verletzung der arbeitsrechtlichen Rücksicht-

namepflicht eine Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss

hier nach der Art und Deutlichkeit der Kritik und der Größe des

mit der Kritik erreichten Personenkreises differenziert werden.

Auch kritische Äußerungen eines Arbeitnehmers über seinen

Arbeitgeber können unter Umständen vom Grundrecht der

Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt sein.

Geht es um die private Darstellung eines Beschäftigten in ei-

nem sozialen Netzwerk, so kommt eine Abmahnung oder bei

Wiederholung eine Kündigung allenfalls dann in Betracht,

wenn sich ein Arbeitnehmer, der in besonderem Maße für die

Außendarstellung des Unternehmens Verantwortung trägt

(herausgehobene Position, viele Geschäfts- und Kundenkon-

takte), in dem sozialen Netzwerk in einer Weise präsentiert,

die negative Folgen für den Ruf des gesamten Unternehmens

mit sich bringen kann.

Kommt es im weiteren Verlauf zu einem Kündigungsschutz-

prozess, so können Daten aus sozialen Netzwerken vor Gericht

jedenfalls dann verwendetet werden, wenn sie unter Einhal-

tung des Datenschutzrechts gewonnen wurden.

IV. Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe von Benutzerkonten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Pflegt und verwaltet ein Mitarbeiter Geschäftskontakte über

ein soziales Netzwerk, so kann der Arbeitgeber bei Beendigung

des Arbeitsverhältnisses ein Interesse an der Herausgabe des

Benutzerkontos, d. h. an der Übermittlung der Zugangsdaten

zu diesem Konto, haben. Daten, die der Arbeitgeber zur Weiter-

führung der Geschäfte des Mitarbeiters benötigt, sind diesem

auszuhändigen. Das Benutzerkonto selbst ist jedenfalls dann

herauszugeben, wenn es den Namen des Arbeitgebers trägt

oder von diesem selbst zur Verfügung gestellt und finanziert

wurde. Insoweit kommt eine entsprechende Anwendung des

§ 667 BGB in Betracht, nach dem der Arbeitnehmer dazu ver-

pflichtet ist, alles herauszugeben, was er im Rahmen des Ar-

beitsverhältnisses erlangt hat. Im Hinblick auf Accounts bei

rein privat genutzten Netzwerken besteht demgegenüber kein

Herausgaberecht des Arbeitgebers.

V. Social Media Richtlinien

Um den Umgang ihrer Mitarbeiter mit sozialen Netzwerken

verbindlich zu regeln, bietet sich auch für Hochschulen der Er-

lass sogenannter Social Media Richtlinien an. In diesen kann

zum einen festgelegt werden, ob und in welchem Umfang die

(private) Nutzung sozialer Netzwerke während der Arbeitszeit

überhaupt gestattet ist. Zum anderen können derartige Richt-

linien auch Hinweise auf arbeitsvertragliche oder gesetzliche

Pflichten wie die Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Ge-

schäfts- und Betriebsgeheimnisse, die Loyalitäts- und Rück-

sichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder auch die

Einhaltung des Urheber- und Persönlichkeitsrechts enthalten.

In jedem Fall führt der Erlass entsprechender Social Media

Richtlinien zu mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmer im Um-

gang mit sozialen Netzwerken.

VI. Fazit

Soziale Netzwerke sind aus dem heutigen (Berufs-)Alltag nicht

mehr wegzudenken. Sie werden genutzt, um nach Bewerbern

zu recherchieren, das Unternehmen (oder auch die Hochschu-

le) im World Wide Web zu repräsentieren und in zunehmen-

dem Maße auch um dienstliche Kontakte zu pflegen. Eine Aus-

einandersetzung mit den arbeitsrechtlichen Fragestellungen,

die die Nutzung sozialer Netzwerke in der Arbeitswelt mit sich

bringt, ist daher unerlässlich.

Anmerkungen:

1 h t t p : / / w w w . h e i s e . d e / n e w s t i c k e r / m e l d u n g / J e d e r - z w e i

te-Personaler-informiert-sich-ueber-Bewerber-im-Internet-1362908.html

2 Vgl. Umfrage des Branchenverbands BITKOM aus dem Jahr 2010, abruf-

bar unter: http://www.bitkom.org/66721_65790.aspx

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12 | DFN-Infobrief Recht 2012

Die Vorschrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?

Dipl.-Jur. Eva-Maria Herring

Mit einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.09.2011 (Az.: 17 O 671/10) zu § 52a UrhG) wurde

die Fernuniversität Hagen verurteilt, es künftig zu unterlassen, ihren Studierenden im Rahmen

einer geschlossenen Benutzergruppe Auszüge aus einem im Kröner-Verlag erschienen Psychologie-

Lehrbuch als PDF zur Verfügung zu stellen. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die ge-

samte Hochschulpraxis, da es längt zum Studienalltag gehört, den Studierenden wissenschaftliche

Texte auf digitalem Weg zur Verfügung zu stellen.

I. Hintergrund

Am 27.09.2011 hatte das Landgericht Stuttgart über den An-

trag des Kröner-Verlages zu entscheiden, der Fernuniversität

Hagen zu untersagen, längere Abschnitte eines seiner Lehrbü-

cher im universitätseigenen Intranet bereitzuhalten. Konkret

hatte die Fernuniversität 91 Seiten eines insgesamt 476 Sei-

ten umfassenden Lehrbuches etwa 4.000 Studierenden eines

Studiengangs via Intranet zur Verfügung gestellt. Zunächst

war den Studierenden sogar die Speicherung als PDF-Datei

gestattet; hinterher wurde dann nur noch die Ansicht des Do-

kuments ermöglicht. Der Verlag sah sich hierdurch in seinem

Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ver-

letzt. Die Fernuniversität hingegen rechtfertigte das Bereithal-

ten des veröffentlichten Auszugs mit § 52a UrhG, der es unter

anderem auch Hochschulen erlaubt veröffentlichte Werkteile,

Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitun-

gen oder Zeitschriften für einen bestimmt abgegrenzten Kreis

von Unterrichtsteilnehmern zum Online-Abruf bereitzustellen,

soweit dies zu dem angestrebten Zweck geboten und zur Ver-

folgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.

Die Frage, welche Reichweite die Vorschrift einnimmt, hat

schon mehrfach zu Streitigkeiten zwischen der Verlagslobby

und den Bildungseinrichtungen geführt. Zu einer abschließen-

den gerichtlichen Klärung kam es bislang nicht, so dass das

Urteil des LG Stuttgart erstmals konkrete, verallgemeinerungs-

fähige Aussagen zu Inhalt und Umfang der Regelung gemacht

hat.

II. Die wichtigsten Aussagen des LG Stuttgart

1. Download-Angebot im Umfang von mehr als

drei Seiten unzulässig

Nach Auffassung des LG Stuttgart ist es nicht mehr von der

Schrankenregelung des § 52a UrhG gedeckt, mehr als drei

Seiten eines Werkes (hier des Lehrbuches) bereitzuhalten.

Dies gilt zumindest, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine

dauerhafte Speicherung ermöglicht wird. Um einen Urhe-

berrechtsverstoß zu vermeiden, hätte die Fernuniversität

Hagen daher ein Format wählen müssen, welches das dau-

erhafte Speichern auf den Computern der Studierenden un-

möglich macht. Wie schon das Urteil des OLG Frankfurt zu

den elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken (Urteil vom

24.11.2009 – Az. 11 U 40/09) stützte auch das LG Stuttgart sei-

ne Begründung im Wesentlichen darauf, dass zwischen den

Nutzern der E-Learning Plattform, den Studierenden und

der Universität als Anbieter der Plattform unterschieden

werde müsse. Während die Studierenden im Rahmen ihrer

Privatkopierfreiheit nach § 53 UrhG legal Kopien anfertigen

dürften, bestimmten sich die Rechte der Universität als An-

bieter der Plattform allein nach § 52a UrhG. Diese Regelung

erlaube es Universitäten aber gerade nicht, eine Anschluss-

nutzung in Form einer dauerhaften Speicherung zu ermög-

lichen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten durch

§ 52a UrhG nur solche Nutzungen gestattet werden, wie sie

auch im analogen Bereich möglich seien. Die Speicherung auf

den Rechnern der Studierenden stelle jedoch eine einfachere

und qualitativ höherwertige Vervielfältigung als die analoge

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Nutzung dar, da die Texte beispielsweise direkt in die eigene

Textverarbeitung übernommen werden könnten. Insbesonde-

re sei die Erstellung einer PDF-Datei nicht erforderlich, um den

Studierenden das Werk zugänglich machen zu können.

2. Zehn Prozent können noch „kleiner Teil“

eines Werkes sein

Der Anspruch des Verlages auf Unterlassung bestehe darüber

hinaus auch, wenn mehr als 10% des Werkes, im vorliegenden

Fall also mehr als 48 Seiten, den Studierenden im universi-

tätseigenen Intranet zugänglich gemacht werden. § 52a UrhG

erlaube nämlich nur die Zugänglichmachung von „kleinen Tei-

len“ eines Werkes zu Unterrichtszwecken. Diese Grenze zieht

das LG bei 10 % des didaktisch relevanten Umfanges. Für die

Berechnung der 10% komme es auf die Textseiten an, die den

Studierenden nützen; Inhalte wie Inhaltsverzeichnis, Vorwort

oder Einleitung seien dagegen nicht zu berücksichtigen.

3. Veröffentlichung muss der

„Veranschaulichung im Unterricht“ dienen

Das LG hielt es für ausreichend, dass die Veröffentlichung der

Auszüge aus dem Lehrbuch zumindest hilfreich gewesen ist,

um den Unterrichtsstoff besser darzustellen. Die Veröffentli-

chung diene in diesem Fall bereits der Veranschaulichung im

Unterricht. Die Formulierung „im“ Unterricht bedeute nicht,

dass die Zugänglichmachung auch während des Unterrichts

– sprich während der Vorlesung – erfolgen müsste. Darüber

hinaus müsse der konkrete Inhalt des Werkes auch nicht um-

fassend im Unterricht behandelt werden, wie es beim Zitat-

recht nach § 51 UrhG erforderlich sei. Anforderung sei einzig

und allein, dass die veröffentlichten Auszüge zum besseren

Verständnis der im Unterricht behandelten Lehren beitragen.

4. Begrenzt abgegrenzter Kreis von

Unterrichtsteilnehmern auch bei größerer

Teilnehmerzahl

Dass der Kreis der Teilnehmer mit 4.000 Zugangsberechtig-

ten wesentlich größer ausfalle als bei einer Universität mit

Präsenzunterricht, spiele ebenfalls keine Rolle. Entschei-

dend sei ausschließlich, ob der Auszug aus dem Lehrbuch nur

einem abgegrenzten Kreis von Personen verfügbar gemacht

werde. Im konkreten Fall sei dies durch den mit Benutzerna-

men und Passwort kontrollierten Zugriff gewährleistet wor-

den, sodass unabhängig von der großen Anzahl der Personen

noch ein abgegrenzter Kreis von Unterrichtsteilnehmern

vorläge.

5. Gebotenheit der Bereitstellung

Schließlich setzt § 52a UrhG voraus, dass die Bereitstellung des

Werkes durch den Unterrichtszweck geboten ist. Hierfür sei

nach Auffassung des LG nicht erforderlich, dass die elektroni-

sche Zugänglichmachung absolut notwendig ist, um das Un-

terrichtsziel zu erreichen. Auch könne die Gebotenheit nicht

bereits dadurch ausgeschlossen werden, dass die Informati-

onen in analoger Form ohne erheblichen Aufwand beschafft

werden könnten. Gerade für Studierende einer Fernuniversi-

tät nehme die elektronische Veröffentlichung von Lehrmate-

rialien, die den Unterricht veranschaulichen, einen besonders

hohen Stellenwert ein, da sie zumeist nicht in einer Universi-

tätsstadt leben und deshalb nicht ohne weiteres in einer Prä-

senzbibliothek auf das gewünschte Werk zugreifen können.

III. Ausblick

Das LG Stuttgart nimmt als erstes Gericht zu dem schon bei

Einführung äußerst umstrittenen § 52a UrhG Stellung. Das

Urteil als Sieg der Vertragslobby zu verbuchen, wäre wohl

verfehlt. So hat das LG in seinen Urteilsgründen die Notwen-

digkeit der elektronischen Zugänglichmachung von Studien-

literatur ausdrücklich anerkannt. Eine ersatzlose Streichung

des 2012 auslaufenden § 52a UrhG – wie es der Börsenverein

des deutschen Buchhandels stets fordert – wird daher auch in

Zukunft nicht zu erwarten sein. Allerdings ist es nach diesem

Urteil für Universitäten ratsam, die aufgezeigten quantitati-

ven und qualitativen Grenzen der Nutzung von § 52a UrhG ein-

zuhalten. Universitäten müssen also sicherstellen, dass nicht

mehr als drei Seiten abspeicherbar sind. Zudem dürfen maxi-

mal 10 % eines Werkes zum Lesen und Ausdrucken zugänglich

gemacht werden.

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Neue Verhaltensregeln für den Gastgeber

BGH konkretisiert die Störerhaftung des Host-Providers in Internetforen

von Dipl.-Jur. Julian Fischer

Welche Handlungen und Vorgaben müssen Host-Provider beachten, wenn es in Diskussionsforen

zu Beleidigungen oder sonstigen Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte kommt? Bereits vor ei-

nem Jahr haben wir über das Haftungsrisiko von Hochschulen berichtet, wenn diese als Host-Pro-

vider auftreten, indem sie Speicherplatz für fremde Inhalte, beispielsweise in Newsgroups oder

Blogs, zur Verfügung stellen.1 Bisher war jedoch unklar geblieben, welche konkreten Pflichten

den Host-Provider bei Rechtsverletzungen auf einer von ihm gehosteten Seite treffen und wie er

diese praktisch umsetzen kann. An diese Fragen knüpfen die Maßstäbe eines neuen Haftungsmo-

dells für Hostprovider an, welches der Bundesgerichtshof in seiner jüngsten Entscheidung (BGH,

Urteil vom 25. Oktober 2011, Az.: VI ZR 93/10) entwickelt hat, und welches es in Zukunft zu beach-

ten gilt.

I. Bisherige Rechtslage

1. Haftung auf Schadensersatz

Der Host-Provider stellt die technische Infrastruktur zur Ver-

fügung, um Nutzern die Möglichkeit zu eröffnen, Inhalte zu

hinterlegen, auf welche sie dann selbst oder Dritte zugreifen

können. Diese lediglich vorgelagerte Stellung wird rechtlich

dadurch gewürdigt, dass der Host-Provider prinzipiell nicht

für fremde Inhalte verantwortlich gemacht werden kann, die

er für seine Nutzer speichert. Dieser Grundsatz der Nichtver-

antwortlichkeit des Host-Providers findet seine Grundlage in

§ 10 Telemediengesetz (TMG). Danach trägt vielmehr derjenige

die Verantwortung, der den konkreten Inhalt auf dem ihm zur

Verfügung gestellten Speicherplatz anbietet. Werden mithin

Beiträge in Foren oder Blogs veröffentlicht, deren Inhalte auf

dem Server des Host-Providers gespeichert sind, ist hierfür pri-

mär die den Eintrag verfassende Person verantwortlich.

Der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen gegen den Host-

Provider besteht jedoch nur wenn er keine positive Kenntnis

von der Rechtswidrigkeit der Information hat, welche er für den

Nutzer bereithält. Ausreichend ist dabei bereits die Kenntnis von

Tatsachen oder Umständen, aus denen sich unschwer die Rechts-

widrigkeit der Information bzw. des gehosteten Beitrags ergibt.

Obwohl den Host-Provider keine allgemeine Überwachungs-

pflicht trifft, macht er sich dennoch schadenersatzpflichtig, wenn

er sich grob fahrlässig den Tatsachen verschließt, aus denen sich

die Rechtsverletzung ergibt. Insbesondere bei konkreten Hinwei-

sen muss daher organisatorisch gewährleistet werden, dass diese

an die zuständige Stelle weitergeleitet werden, die in der Lage ist,

die entsprechenden Inhalte umgehend zu sperren. Wird hingegen

derartigen Hinweisen nicht nachgegangen, setzt sich der Host-

Provider der Gefahr aus, dass er den Eindruck erweckt, er billige

die getätigten Aussagen des Nutzers. In diesem Fall haftet er für

fremde Inhalte in gleicher Weise wie für eigene, wenngleich auf

die inhaltliche Gestaltung kein Einfluss genommen werden konn-

te. Dieses Haftungsrisiko gilt es durch klare Zuständigkeiten und

zügige Bearbeitung weitestgehend gering zu halten.

2. Haftung auf Unterlassung und Beseitigung

Für Unterlassens- und Beseitigungsansprüche gilt die Privi-

legierung des § 10 TMG hingegen nicht. Es handelt sich hier-

bei um verschuldensunabhängige Ansprüche, die – anders

als Schadensersatzansprüche – in die Zukunft gerichtet

sind und nicht etwa bereits erlittene Rechtsverletzungen

ausgleichen sollen. So bleiben, trotz grundsätzlicher Nicht-

verantwortlichkeit des Host-Providers, Verpflichtungen zur

Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen

nach den allgemeinen Gesetzen unberührt (§ 7 Abs. 2 Satz 2

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Provider nur als „Vermittler“ auftritt und

die rechtwidrige Beeinträchtigung gerade

nicht selbst wissentlich vorgenommen hat.

Ihn trifft in Bezug auf den rechtsverletzen-

den Eintrag nur eine eingeschränkte Ver-

antwortlichkeit, weil er ihn weder verfasst

noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht

hat. Diese Überlegung gilt es auch bei der

Frage der Reichweite der Prüfungspflich-

ten zu berücksichtigen. Der genaue Um-

fang bestimmt sich danach, ob und inwie-

weit ihm, nach den jeweiligen Umständen

des Einzelfalls und unter Berücksichtigung

seiner Funktion und Aufgabenstellung

sowie mit Blick auf die Eigenverantwort-

lichkeit desjenigen, der die rechtswidrige

Beeinträchtigung selbst vorgenommen

hat, eine Prüfung zuzumuten ist. Diese all-

gemein gehaltene Formulierung lässt viel

argumentativen Spielraum zu, sodass es

bis dato an expliziten Verhaltenspflichten

und Vorgaben mangelte. Genau an dieser

Stelle hat der BGH nunmehr angeknüpft

und die Voraussetzungen konkretisiert, un-

ter denen ein Host-Provider als Störer auf

Unterlassung in Anspruch genommen wer-

den kann. Allerdings ist das neue Haftungs-

modell speziell für Internetforen und Blogs

entwickelt worden und betrifft daher nur

den konkreten Umgang des Host-Providers

mit Äußerungen Dritter, die weder von ihm

selbst verfasst noch gebilligt worden sind.

II. Neues Haftungsmodell für Foren und Blogs

Zunächst stellte der BGH in seinem Urteil nochmals klar, dass

der Hostprovider nicht verpflichtet ist, die von Nutzern in das

Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventu-

elle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Erst wenn der Host-

provider auf die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts durch

den betroffenen Nutzer eines Blogs hingewiesen wird, kommt

eine Inanspruchnahme als Störer in Betracht, wonach er ver-

pflichtet wird, den Beitrag zu löschen und zukünftig derartige

Verletzungen zu verhindern.2

TMG). Als ein solches „allgemeines Gesetz“ kommt § 823 Abs. 1

i. V. m. § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht, wel-

ches besser unter dem Begriff der „Störerhaftung“ bekannt ist.

Nach dieser vom BGH entwickelten Rechtsfigur kann jeder, der

in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Ver-

letzung des geschützten Rechts beiträgt, zur Beseitigung und

Unterlassung herangezogen werden. Bereits durch das Zur-

verfügungstellen von Speicherplatz für rechtswidrige Inhalte

leistet der Host-Provider einen solchen ursächlichen Beitrag

für die von dritter Seite vorgenommene Rechtsverletzung.

Damit der Host-Provider jedoch keinem unüberschaubaren

Haftungsrisiko ausgesetzt wird, fordert die Rechtsprechung,

dass ihm zusätzlich eine Verletzung von Prüfungspflichten vor-

zuwerfen ist. Dieses Korrektiv ist gerechtfertigt, da der Host-

Die  Beanstandung  des  Betroffenen  ist  an  den  für  den  Blog  Verantwortlichen  zur  Stellungnahme  in  angemessener  Frist  weiterzuleiten.    

Stellungnahme   des   Verantwortlichen  bleibt  aus.    

   

Der   Verantwortliche   stellt   die  Berech=gung   der   Beanstandung   in  Abrede.      

Dies   ist   dem  Betroffenen  mitzuteilen  und   es   sind   weitere   Nachweise   zu  verlangen.  

Aus   der   Stellungnahme  des   Betroffenen   und   der  Äußerung   des   B log-­‐  Verantwortlichen   ergibt  sich   eine   rechtswidrige  V e r l e t z u n g   d e s  

Persönlichkeitsrechts.  

Der   Betroffene  legt  Nachweise  nicht  vor.  

   

   

   

Der  beanstandete  Eintrag  ist  zu  löschen.  

   

Eine  weitere  Prüfung  ist  nicht  veranlasst.  

 Lei%aden  des  Host-­‐Providers  

für  einen  das  Persönlichkeitsrecht  verletzenden  Blog-­‐Eintrag:  

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Des Weiteren ist nach den Vorgaben des BGH Voraussetzung

für ein Tätigwerden des Host-Providers, dass der Hinweis des

Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf

der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer –

das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Über-

prüfung – bejaht werden kann. Der zu leistende Prüfungsauf-

wand hängt dabei insbesondere vom Gewicht der angezeigten

Rechtsverletzung und den Erkenntnismöglichkeiten des Provi-

ders ab. Erst dann ist es angezeigt, die Beanstandung des Be-

troffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellung-

nahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb

einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von

der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der ent-

sprechende Eintrag ist zu löschen.

Stellt der für den Blog Verantwortliche hingegen die Berechti-

gung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben

sich somit berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich

gehalten, dem Betroffenen dieses mitzuteilen und gegebenen-

falls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete

Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betrof-

fenen aus oder legt er erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine

weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellung-

nahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen – auch

unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den

Blog Verantwortlichen – eine rechtswidrige Verletzung des Per-

sönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Zur

besseren Übersichtlichkeit dieser neu geregelten Löschungs-

und Überprüfungspflicht soll die Grafik (Seite 3) dienen, welche

dem Host-Provider Leitlinien an die Hand gibt, für den Fall, dass

er einen Hinweis über Persönlichkeitsrechtsverletzungen in ei-

nem von ihm gehosteten Forum oder Blog erhält.

III. Fazit

Bereits vor dem Urteil des BGH war unstreitig, dass Hostprovi-

der eine Haftung treffen kann, wenn auf den von ihnen zur Ver-

fügung gestellten Seiten andere beleidigt oder diffamiert wer-

den. Neu ist hingegen der genau vorgezeigte Verfahrensablauf,

den der Hostprovider nunmehr zu beachten hat, wenn sie über

eine behauptete Rechtsverletzung auf einer von ihr gehoste-

ten Seite in Kenntnis gesetzt wird. Während dieses Prüf- und

Haftungsmodell auf den ersten Blick klare Regeln enthält, wer-

den Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung der einzel-

nen Handlungsstufen nicht ausbleiben: Wie konkret muss der

Betroffene seine Ehrverletzung vortragen? Was passiert wenn

der Blog-Verantwortliche die Verletzung zwar bestreitet, aber

keine ausreichende Gegenauffassung vorträgt? Wie genau

muss die Prüfung des Hostproviders ausfallen, wenn die Sach-

lage unsicher bleibt? Bei derartigen Unsicherheiten sollte das

Justiziariat der Hochschule eingeschaltet werden und der in

Rede stehende Inhalt vorsichthalber gesperrt werden, bis es

zu einer endgültigen Klärung kommt. Primär kommt es für die

Hochschule jedoch darauf an, die internen Prozesse so anzu-

passen, dass eine Vermittlung zwischen Beleidigtem und Blog-

Verantwortlichem nach den aufgestellten Regeln stattfinden

kann. Ihr kommt durch das Urteil eine verstärkte Funktion als

Bindeglied der Parteien zu, die sie zu erfüllen hat, um sich ei-

ner denkbaren eigenen Haftung zu entziehen. Dies rechtfertigt

sich dadurch, dass es für den Betroffenen besondere Schwierig-

keiten bereitet, den Verantwortlichen selbst ausfindig zu ma-

chen und gegen den Beitrag vorzugehen. Er kann fortan bereits

dann einen Löschungsanspruch gegen die Hochschule geltend

machen, wenn der Blog-Verantwortliche in einer gewissen Zeit-

spanne keinerlei Reaktion zeigt. Dieser Anspruch auf Löschung

steht ihm unabhängig von einer durchzuführenden Prüfung,

ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, zu.

Insgesamt ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Es gibt der haf-

tungsrechtlichen Frage einer Inanspruchnahme als Störer

deutlich mehr Konturen und mithin eine größere Transparenz.

Zudem ist jetzt klar gestellt worden, dass keine Pflicht des

Hostproviders besteht, vorab Inhalte auf ihre Rechtmäßigkeit

zu überprüfen, was logistisch schwer zu bewältigen gewesen

wäre. Auch der vielfach diskutierten Verpflichtung, Einträge

quasi „auf Zuruf“ des sich in seinen Rechten verletzt Fühlen-

den entfernen zu müssen, ist mit dem Urteil eine Absage erteilt

worden. Der BGH hat die Hürde für ein Tätigwerden des Host-

Providers bewusst sehr hoch gesetzt. So trifft zunächst den

Betroffenen die Pflicht, eine behauptete Rechtsverletzung –

unter Beifügung von Nachweisen – derart deutlich zu machen,

dass sich bereits hieraus unschwer erkennen lässt, ob selbige

vorliegt oder nicht.

Anmerkungen:

1 DFN-Infobrief Recht 2/ 2011.

2 Zu denkbaren Vorsorgemaßnahmen: DFN-Infobrief Recht

2/2011.

Weitere Informationen finden sich unter: Rechtsguide IV – Be-

reitstellung von Speicherplatz für fremde Inhalte

http://www.dfn.de/rechtimdfn/rgwb/rechtsguide/rg-kapitel4/

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Impressumspflicht gilt auch auf Facebook

von Verena Steigert

Viele Unternehmen, aber in zunehmendem Maße auch Behörden und Hochschulen, haben

mittlerweile sogenannte Fanpages auf den Seiten des sozialen Netzwerks „Facebook“ eingerich-

tet um sich auf diese Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren und mit Kunden bzw. Bürgern in

Kontakt zu treten (zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen bei der Nutzung derartiger Fan-

seiten siehe DFN-Infobrief Recht 6/2011, S. 8-11). Die allgemeine Impressumspflicht aus § 5 Abs. 1

Telemediengesetz (TMG) und die eingeschränkte Impressumspflicht gemäß § 55 Abs. 1 Rundfunk-

staatsvertrag (RStV) gelten dabei auch für den Facebook-Auftritt eines Unternehmens oder einer

öffentlichen Stelle. Dies bestätigte zuletzt auch das Landgericht Aschaffenburg (LG Aschaffen-

burg) in seinem Urteil vom 19.8.2011 – Az. HK O 54/11. Zweifel für die Fanpage-Betreiber bleiben

jedoch hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit der rechtlichen Vorgaben.

I. Pflichtangaben nach § 5 Abs. 1 TMG

Bei einer Fanpage handelt es sich um ein Telemedium

im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG. Die Impressumspflicht aus

§ 5 Abs. 1 TMG trifft den Anbieter der Fanpage dann direkt,

wenn dieser als Diensteanbieter nach dem TMG anzusehen

ist. Nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG ist Diensteanbieter jede natürliche

oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur

Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

Die Einordnung eines Fanpage-Betreibers als Diensteanbie-

ter in diesem Sinne ist zwar umstritten. So hat der Fanpage-

Betreiber aufgrund der festen Einbindung der Fanpage in die

Webpräsenz des sozialen Netzwerkes selbst nur geringe Mög-

lichkeiten, auf die äußere Gestaltung der Seite Einfluss zu neh-

men, was für eine ausschließliche Diensteanbieterschaft von

Facebook sprechen würde. Allerdings kann das Unternehmen

bzw. die Behörde über den konkreten Inhalt der Fanpage be-

stimmen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz

Schleswig-Holstein (ULD) argumentiert zudem, dass Facebook

nicht die Nutzungsdaten einer Fanpage erhalten würde, wenn

diese nicht zuvor von einem Betreiber eingerichtet worden

wäre. Durch die Präsentation der Fanpage auf Facebook ver-

mittelt der Fanpage-Betreiber den Zugang zu dem sozialen

Netzwerk. Es sprechen daher die besseren Argumente für die

Einordnung des Fanpage-Betreibers als Diensteanbieter im

Sinne des TMG. Dieser Ansicht scheint nun auch die Rechtspre-

chung zu folgen, wie das Urteil des LG Aschaffenburg zeigt.

Die allgemeine Informationspflicht des § 5 Abs. 1 TMG gilt al-

lerdings nur für Diensteanbieter, die „geschäftsmäßig“ Tele-

medien anbieten. Hierfür genügt, dass die Nutzung des Medi-

ums „Facebook“ von einem Unternehmen, einer Behörde oder

einer Hochschule aufgrund einer nachhaltigen Tätigkeit etwa

zu Marketingzwecken erfolgt und nicht nur eine rein private

Nutzung vorliegt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für das

Merkmal der Geschäftsmäßigkeit dagegen nicht erforderlich.

Für öffentliche Stellen, wie etwa auch Hochschulen, bedeutet

dies, dass sie insbesondere dann den Informationspflichten

des § 5 Abs. 1 TMG unterliegen, wenn sie Dienste anbieten, die

ansonsten - von Unternehmen oder Privaten - gegen Entgelt

angeboten werden. Dies gilt auch dann, wenn die Hochschule

selbst die Dienste entgeltfrei anbietet. Das Schalten von Wer-

bung auf der Fanseite ist ferner als eindeutiges Zeichen für die

Verfolgung geschäftlicher Zwecke anzusehen. Gleiches gilt

für das Angebot entgeltlicher Leistungen über die Facebook-

Präsenz.

Welche Angaben bereitzuhalten sind, um der allgemeinen Im-

pressumspflicht für Diensteanbieter zu genügen, ergibt sich

unmittelbar aus § 5 Abs. 1 TMG. Hierzu zählen:

1. der Name und die Anschrift des Diensteanbieter, bei juristi-

schen Personen ferner die Rechtsform sowie die Vertretungs-

berechtigten,

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18 | DFN-Infobrief Recht 2012

2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme

und unmittelbare Kommunikation mit dem Diensteanbieter

ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen

Post,

3. soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder

erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Anga-

ben zur zuständigen Aufsichtsbehörde,

4. das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister

oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und

die entsprechende Registernummer,

5. soweit der Dienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von

Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom

21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Aner-

kennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijäh-

rige Berufsausbildung abschließen, oder im Sinne von Artikel 1

Buchstabe f der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni

1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung

beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie

89/48/EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/38/EG der

Kommission vom 20. Juni 1997, angeboten oder erbracht wird,

Angaben über

• die Kammer, welcher die Diensteanbieter

angehören,

• die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem

die Berufsbezeichnung verliehen worden ist,

• die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und

dazu, wie diese zugänglich sind,

6. in Fällen, in denen die Diensteanbieter eine Umsatzsteueri-

dentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes

oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der

Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer,

7. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Ak-

tien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in

Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber.

Für den Fall der Fanpage einer Hochschule dürften allerdings

lediglich die unter den Nummern 1 und 2 genannten Angaben

relevant und im Impressum aufzuführen sein.

Besondere Anforderungen stellt das Gesetz auch an die Plat-

zierung des Impressums. Die Angaben müssen leicht erkenn-

bar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. In

Bezug auf die leichte Erkennbarkeit der Angaben hat das LG

Aschaffenburg entschieden, dass zwar ein Link auf das Impres-

sum der eigenen Website ausreichend sein kann, um der Im-

pressumspflicht des § 5 Abs. 1 TMG im Rahmen eines Facebook-

Auftritts zu genügen. Allerdings müssten die Pflichtangaben

„einfach und effektiv optisch wahrnehmbar“ und „ohne lan-

ges Suchen auffindbar“ sein. Darüber hinaus müsse auch klar

sein, auf welches Telemedium sich die Angaben im Impressum

beziehen. Diese Anforderungen könnten nach Auffassung der

Richter nicht als erfüllt angesehen werden, wenn Nutzer bei

einer Facebook-Fanpage nur über den Menüpunkt „Info“ zum

Impressum gelangten. Offen ließ das Gericht allerdings, wie

diese rechtliche Vorgabe für den Fanpage-Betreiber praktisch

zu realisieren ist. Empfehlenswert erscheint, einen eigenen

Reiter unter dem Schlagwort „Impressum“ für den Facebook-

Account anlegen zu lassen. Ein solcher Menüpunkt ist jedoch

für die Gestaltung der Fanseiten ungewöhnlich. Hier ist frag-

lich, ob Facebook seinen Nutzern in Zukunft entsprechende

Gestaltungsmöglichkeiten einräumen wird.

II. Pflichtangaben nach § 55 Abs. 1 RStV

Unabhängig von der Einstufung einer Fanpage als „geschäfts-

mäßig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 TMG, müssen Anbieter von Tele-

medien, die nicht ausschließlich persönlichen oder familiären

Zwecken dienen, nach § 55 Abs. 1 RStV jedenfalls den Namen

und die (ladungsfähige) Anschrift des Diensteanbieters so-

wie bei juristischen Personen Name und Anschrift des Vertre-

tungsberechtigten leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar

und ständig verfügbar halten. Die Impressumspflicht nach

§ 55 Abs. 1 RStV fällt in ihrem Umfang deutlich geringer aus als

die allgemeine Informationspflicht nach § 5 Abs. 1 TMG und

wird aufgrund dessen auch als eingeschränkte Impressums-

pflicht bezeichnet.

Für Hochschulen als Fanpage-Betreiber dürfte der Un-

terschied zwischen den nach § 5 Abs. 1 TMG und nach

§ 55 Abs. 1 RStV erforderlichen Angaben jedoch nur ge-

ring ausfallen. Denn aus dem Pflichtangaben-Katalog des

§ 5 Abs. 1 TMG treffen sie – wie oben bereits angemerkt – in der

Regel lediglich die Nummern 1 und 2 (Name, Anschrift, Rechts-

form, Vertretungsberechtigte, Kontaktmöglichkeit). Name und

Anschrift des Diensteanbieters bzw. des Vertretungsberech-

tigten müssen aber auch gem. § 55 Abs. 1 RStV im Impressum

aufgeführt werden.

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 19

Auch hinsichtlich der Platzierung der nach § 55 Abs. 1 RStV

erforderlichen Angaben ergeben sich im Vergleich zum Im-

pressum i. S. d. § 5 Abs. 1 TMG keinerlei Unterschiede: auch

das Impressum nach § 55 Abs. 1 RStV muss „leicht erkennbar,

unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“ bereitgehalten

werden. Die obigen Ausführungen zu Erreichbarkeit und Ge-

staltung des Impressums auf den Facebook-Seiten gelten hier

folglich entsprechend.

Hochschulen als Betreiber von Fanpages werden regelmäßig

zumindest die Vorgaben des § 55 Abs. 1 RStV erfüllen müssen.

Auch wenn derartige Fanseiten auf Facebook nicht in jedem

Fall zur Verfolgung kommerzieller Interessen eingesetzt und

damit das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 TMG

erfüllen werden, so werden sie doch auch nicht zu rein persön-

lichen oder familiären Zwecken eingerichtet. Die Ausnahme

von der eingeschränkten Impressumspflicht greift nämlich

lediglich dann, wenn der Zugang entweder nur Personen er-

öffnet wird, zu denen der Anbieter des Telemediums in per-

sönlichem Kontakt steht oder wenn in inhaltlicher Hinsicht

lediglich Informationen aus dem persönlichen oder familiären

Umfeld des Anbieters dargeboten werden. Dies ist bei Fanpa-

ges von Hochschulen nicht anzunehmen.

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Web-Filter gegen Urheberrechtsverstöße? Der EuGH sagt „Nein“!

Zum Urteil des EuGH im Fall Netlog/SABAM

von Verena Steigert

I. Einordnung der Problematik

Host-Provider halten auf ihren Webservern fremde Inhalte für

Dritte zum Abruf bereit. Auch Hochschulen stellen ihren Mit-

arbeitern und Studierenden häufig Speicherplatz auf den Ser-

vern des hochschuleigenen Rechenzentrums zur Verfügung,

etwa zum Zweck des Betreibens eigener Webseiten oder zur

Einrichtung von Newsgroups und Foren. Ihnen kommt somit

regelmäßig die Rolle eines Host-Providers zu. Rechtliche Pro-

bleme entstehen dabei immer dann, wenn ein unter Umstän-

den sogar anonymer und damit für den in seinen Rechten Ver-

letzten nicht ohne weiteres greifbarer Nutzer rechtswidrige

Inhalte auf den Servern eines Hochschulrechenzentrums der

Öffentlichkeit zugänglich macht. Da das Rechenzentrum als

Host-Provider in diesen Fällen nur als „Gastgeber“ für die Be-

reitstellung der fremden Beiträge fungiert, wird es in seiner

Haftung gesetzlich privilegiert. § 10 Telemediengesetz (TMG)

bestimmt, dass Diensteanbieter für fremde Informationen,

welche sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich

sind, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Hand-

lung oder der Information haben und ihnen im Falle von Scha-

densersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände

bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die

Information offensichtlich wird oder sofern sie unverzüglich

tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den

Die Diskussion um die Einführung von Filtersystemen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverlet-

zungen im Internet ebbt nicht ab. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rechtstreit der

belgischen Musikverwertungsgesellschaft SABAM gegen das soziale Netzwerk Netlog NV (Urteil v.

16.02.2012 – C-360/10) entschieden und sich dabei (erneut) auf die Seite der Provider geschlagen.

Die unternehmerische Freiheit der Host-Provider sowie die Rechte der Internetnutzer auf Daten-

schutz und freien Informationszugang stünden der Einrichtung präventiver Web-Filter entgegen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich auch die deutsche Rechtsprechung zukünftig an den Vorga-

ben der europäischen Richter orientieren wird.

Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt ha-

ben. Es kommt mithin auf die Kenntnis des Host-Providers von

den rechtswidrigen Inhalten bzw. auf deren offensichtliche

Rechtswidrigkeit an. Dabei wurde die Privilegierung des TMG

bislang allerdings nur im Falle von Schadensersatzansprüchen

gegen einen Host-Provider angewendet. Bei Unterlassungsan-

sprüchen sollen dagegen die allgemeinen Grundsätze der Stö-

rerhaftung gelten. Nach diesen haftet als Störer, wer adäquat

kausal, das heißt nach dem allgemeinen Verlauf der Dinge mit

sehr hoher Wahrscheinlichkeit, an der Herbeiführung oder

Aufrechterhaltung einer Urheberrechtsverletzung mitgewirkt

hat, obwohl es ihm rechtlich wie auch tatsächlich möglich

und auch zumutbar war, die Rechtsverletzung zu verhindern.

Hinzutreten muss darüber hinaus noch die Verletzung zumut-

barer Prüfungspflichten. Der Umfang der zumutbaren Prü-

fungspflichten ist dabei seit jeher Gegenstand gerichtlicher

Verfahren. Zuletzt hat der BGH in einem aktuellen Urteil die

Voraussetzungen der Störerhaftung eines Host-Providers für

in Internetforen begangene Persönlichkeitsrechtsverletzun-

gen weiter konkretisiert und ein mehrstufiges Haftungsmo-

dell entwickelt (siehe hierzu Fischer, Infobrief 2/2012).

Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion rund um die Verant-

wortlichkeit von Host-Providern steht nun jedoch weniger das

Problem einer Haftung des Providers für begangene Rechts-

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verletzungen als vielmehr die Frage, inwiefern Diensteanbie-

ter auch präventiv tätig werden müssen, um Urheberrechts-

verletzungen durch die auf ihren Servern bereitgestellten

Inhalte zu verhindern. Insbesondere von Seiten der Rechte-

verwerter wird dabei von den Providern verlangt, Web-Filter

einzurichten, die rechtswidrige Inhalte erkennen und damit

die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials ein-

dämmen können. Technisch können derartige Filtersysteme

unterschiedlich ausgestaltet sein und bei der Filterung zum

Beispiel an Dateinamen bzw. bestimmte darin enthaltene

Begriffe oder auch an IP-Adressen anknüpfen. Teilweise wird

aufgrund der vermuteten geringeren „Fehlerquote“ auch eine

gezielte menschliche Überprüfung der hochgeladenen Inhalte

gefordert. Sollte eine entsprechende Rechtspflicht zur Ein-

richtung derartiger Filtersysteme statuiert werden, könnten

auch auf die Hochschulen in ihrer Rolle als Host-Provider hohe

Kosten zukommen. Jedenfalls aus Sicht des EuGH wäre eine

Verpflichtung von Host-Providern zur Einrichtung präventiver

Filtermaßnahmen jedoch unzulässig.

II. Entscheidung des EuGH im Fall Netlog/SABAM

Das Urteil des EuGH im Fall SABAM gegen Netlog NV könnte den

Begehrlichkeiten der Rechteverwerter im Hinblick auf die Ver-

pflichtung von Host-Providern zur präventiven Filterung der

auf ihren Servern hochgeladenen Inhalte einen Riegel vorschie-

ben. In seiner Entscheidung stellt das höchste europäische Ge-

richt klar, dass die Einrichtung von präventiven Web-Filtern

nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Entgegen stün-

den die Vorgaben verschiedener EU-Richtlinien, konkret der

E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte

rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,

insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Bin-

nenmarkt), der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG

zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) sowie

der InfoSoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisie-

rung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwand-

ten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft).

1. Parallelen zu den Fällen Scarlet/SABAM und

Loréal/eBay

Bei der Begründung ihrer Entscheidung griffen die Richter in

weitem Umfang auf die Entscheidungsgründe im Urteil Scarlet/

SABAM (Urteil v. 24.11.2011 – C-70/10) zurück und übernahmen

diese nahezu vollständig. Dies kann insoweit als erstaunlich

bezeichnet werden, als es in jenem Fall nicht um die Haftung

eines Host-Providers, sondern um die eines Access-Providers

– dem belgischen Diensteanbieter Scarlet Extended SA –

ging. Trotz der unterschiedlichen Geschäftsmodelle, sah der

EuGH offensichtlich beide Providertypen im Hinblick auf ihre

unternehmerische Freiheit durch eine Verpflichtung zur Ein-

richtung von Web-Filtern als gleichermaßen gefährdet an.

Keinen Bezug stellten die Richter dagegen zur Entscheidung im

Fall Loréal/eBay (Urteil v. 12.7.2011 – C-324/09) her, die ebenfalls

die Verantwortlichkeit von Hosting-Anbietern betraf. Gegen-

stand des Verfahrens war hier allerdings auch kein urheber-

rechtlicher, sondern ein rein markenrechtlicher Sachverhalt.

In Bezug auf die Haftung des Internet-Auktionshauses eBay für

markenrechtsverletzende Angebote urteilte der EuGH, dass

grundsätzlich auch die Auktionsplattform von den Haftungs-

beschränkungen für Host-Provider profitieren könne. Anders

sei dies jedoch zu beurteilen, wenn der Diensteanbieter eine

„aktive Rolle“ innehat, die ihm eine Kenntnis der gehosteten

Daten oder eine Kontrolle über diese verschaffen kann. Eine

solche „aktive Rolle“ setze nach Auffassung der EuGH-Richter

jedenfalls eine gewisse Hilfestellung durch den Diensteanbie-

ter eBay voraus, so etwa die Optimierung der Präsentation

oder die Bewerbung der eingestellten Angebote.

In der Entscheidung Netlog/SABAM ist der EuGH von dieser

Verschärfung der Providerhaftung augenscheinlich abgerückt.

Dabei lässt sich darüber streiten, ob die unterschiedlich stren-

gen an die Providerhaftung angelegten Maßstäbe allein der

Tatsache geschuldet sind, dass es in dem einen Fall (Loréal/

eBay) um Markenrechtsverletzungen und damit in der Regel

um gewerbliches Handeln, in dem anderen Fall (Scarlet/SA-

BAM) dagegen um Urheberrechtsverletzungen ging. Möglich

wäre auch, dass der EuGH tatsächlich seine Rechtsprechung in

Bezug auf die Haftung von Host-Providern allgemein lockern

wollte.

2. Vorzunehmende Güterabwägung

Die Unzulässigkeit genereller Filtersysteme begründete der

EuGH in seinem Urteil letztlich mit dem Ergebnis einer umfas-

senden Güterabwägung. Den Interessen der Rechteinhaber

am Schutz ihres „geistigen Eigentums“ stünde zum einen die

unternehmerische Freiheit der Internetprovider entgegen.

Eine zeitlich unbegrenzte Überwachung sämtlicher bei dem

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Hosting-Anbieter gespeicherter Inhalte sicherzustellen würde

sich für die verpflichteten Provider als kompliziert und kost-

spielig darstellen, so dass hierin eine qualifizierte Beeinträch-

tigung ihrer unternehmerischen Freiheit liege. Doch nicht nur

die Interessen der Diensteanbieter, auch die der Internetnut-

zer bezieht der EuGH in Netlog/SABAM erstmals in seine Abwä-

gung mit ein. So müsse dem Recht der Nutzer auf den Schutz

ihrer personenbezogenen Daten Rechnung getragen werden.

Gerade im Falle der Verpflichtung des Betreibers eines sozia-

len Netzwerkes wie Netlog würde die Einrichtung eines Web-

Filters jedoch die systematische Überprüfung der von den

Nutzern angelegten Profile erfordern. Die hier aufzufindenden

Daten erlauben in der Regel eine Identifizierung des Nutzers

und stellen somit durch das Datenschutzrecht geschützte

personenbezogene Daten dar. Darüber hinaus sieht der EuGH

auch die Informationsfreiheit durch den Einsatz entsprechen-

der Filtermaßnahmen gefährdet. Die derzeit gebräuchlichen

Filtersysteme – insbesondere die Filterung anhand bestimm-

ter Begriffe – weist erhebliche Ungenauigkeiten auf. Eine

eindeutige Differenzierung zwischen unzulässigen und zuläs-

sigen Inhalten ist einem derartigen System nicht möglich, so

dass es in Folge der Anwendung des Filters häufig auch zur Blo-

ckierung rechtmäßiger Inhalte kommt. Dies ist im Hinblick auf

das Recht auf freien Informationszugang nicht hinnehmbar.

III. Bewertung und Ausblick

Das Urteil Netlog/SABAM fügt sich in eine Reihe von aktuel-

len Urteilen des EuGH zur Haftung von Internetprovidern ein.

Überraschend ist auf den ersten Blick, dass sich die Richter

bei ihrer Entscheidungsfindung weniger an dem ebenfalls auf

Host-Provider bezogenen Urteil im Fall Loréal/eBay orientier-

ten, als vielmehr auf die im Fall Scarlet/SABAM aufgestellten

Grundsätze zur Haftung von Access-Providern zurückgriffen.

Festzuhalten bleibt allerdings in Bezug auf alle drei Entschei-

dungen, dass die EuGH-Richter umfassenden Filtersystemen

zur Verhinderung von Rechtsverletzungen im Internet skep-

tisch gegenüber stehen und damit den Begehrlichkeiten der

Rechteverwerter klare Grenzen aufzeigen. Dies ist ein wichti-

ger Gesichtspunkt, der auch in den aktuellen Debatten um das

Anti-Produktpiraterie-Abkommen ACTA und die Einrichtung

von Netzsperren zu berücksichtigen sein wird.

Es steht zu erwarten, dass sich auch die deutsche Rechtspre-

chung zukünftig an den europäischen Vorgaben orientieren

wird. Gelegenheit hierzu wird der Bundesgerichtshof (BGH)

schon bald bekommen. So wurde vor kurzem Revision im Fall

um den Sharehoster RapidShare eingelegt. Der Internetdienst

Rapid-Share ist seit Jahren Gegenstand diverser Verfahren

vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wie auch dem

OLG Hamburg zu der Frage, in welcher Weise ein Filehoster

seinen Prüfungspflichten im Rahmen der Störerhaftung nach-

kommen sollte. Zuletzt entschied das OLG Hamburg (Urteil v.

16.03.2012 - 5 U 87/09), dass auch derjenige auf Unterlassung in

Anspruch genommen werden kann, der Online-Speicherplatz

zur Verfügung stellt, wenn sein Geschäftsmodell strukturell

die Gefahr massenhafter Begehung von Urheberrechtsverlet-

zungen in einem Umfang in sich birgt, der die Erfüllung von

Prüf- und Handlungspflichten zumutbar macht. Im Hinblick

auf proaktive Filterungen führten die Hamburger Richter aus,

dass eine entsprechende vorbeugende Filterpflicht nur be-

stünde, soweit bereits bekannte Dateien mit rechtswidrigem

Inhalt erneut hochgeladen würden.

Das Urteil des BGH in dieser Sache darf mit Spannung erwartet

werden. Interessant wird insbesondere sein, ob sich der Senat

der strengen Auffassung des OLG Hamburg anschließt oder ob

die Bundesrichter – auch im Hinblick auf die Rechtsprechung

des EuGH – der weitaus liberaleren Ansicht des OLG Düsseldorf

(vgl. Urteil v. 21.12.2010 - I-20 U 59/10) folgen. Der Düsseldorfer

Senat hält insbesondere den Einsatz von Wortfiltern für un-

tauglich und wendet sich gegen eine Pflicht des Filehosters

zur Überprüfung jedes einzelnen auf seiner Webseite befindli-

chen Downloadlinks. Eine Verpflichtung der Host-Provider zur

Einrichtung entsprechend umfassender präventiver Filtersys-

teme ist diesen auch nach den vom EuGH aufgestellten Grund-

sätzen im Rahmen ihrer Prüfungspflichten nicht zumutbar.

Diese Entscheidung erscheint aus Sicht der Hochschulen in

ihrer Funktion als Hosting-Anbieter begrüßenswert.

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 23

I. Einführung

Nach § 100 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) darf der

Diensteanbieter zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von

Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen die

Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer

erheben und verwenden. Als Anbieter von Telekommunikations-

dienstleistungen können dabei auch die meisten Hochschulen

und Universitäten eingeordnet werden. Für die Mitgliedseinrich-

tungen entscheidend ist die Frage, wie lange bei der Erbringung

der Telekommunikationsdienstleistung anfallende Daten von

ihnen gespeichert werden dürfen oder sogar müssen. Es geht

in diesem Zusammenhang in der Regel insbesondere um die

folgenden Log-Dateien: Telefon-Verbindungsdaten VoIP, Log-Da-

teien Mail-Verkehrsdaten SMTP-/POP- und IMAP-Server, Log-Da-

teien User-Authentisierung bei diversen Servern, Protokolldaten

zu User-Sessions, Log-Dateien für Einwahlverbindungen VPN/

WLAN/eduroam etc., NetFlow-Dateien, Proxy-Logs, Web-Servi-

ces, Firewall-Logs, Router-Logs, Datenbank-Logs, Security-Logs z.

B. durch Virenscanner/Webproxys/IDS, DHCP-Logs und RADIUS-

Logs. Daten, die nur zu Abrechnungszwecken gespeichert wer-

den, sind dagegen nicht Teil der folgenden Ausführungen.

II. Anwendbares Recht

Geht es um die Frage nach der Speicherung von Log-Dateien,

so ist in einem ersten Schritt das anwendbare Recht zu be-

stimmen. Hier kommen als gesetzliche Grundlagen prinzipiell

sowohl das TKG als auch das Telemediengesetz (TMG) in Be-

tracht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist zum einen, welche

Arten von Daten in den Log-Dateien gespeichert werden. Zum

anderen ist zu berücksichtigen, welcher Zweck mit der Spei-

cherung verfolgt wird. Bezieht sich die Speicherung auf die

Infrastruktur, das Leitungsnetz oder andere technische Belan-

ge, gilt das TKG. Stehen hingegen die übertragenen Inhalte im

Vordergrund und nicht der reine Übertragungsvorgang, ist das

TMG anwendbar. Dies bedeutet, dass bei jeder einzelnen Spei-

cherung genau geprüft werden muss, ob die Transportleistung

im Vordergrund steht oder der transportierte Inhalt.

Betrachtet man zunächst den Zweck der Speicherung, ist fest-

zustellen, dass die in den Log-Dateien enthaltenen Daten in

der Regel gespeichert werden, um Fehler und Störungen an

den zur Erbringung des Dienstes genutzten Telekommunika-

tionsanlagen aufzuspüren und zu analysieren. Im Ausgangs-

punkt spricht dies dafür, dass alle diese Dateien in den Anwen-

dungsbereich des TKG fallen. Problematisch mit Blick auf die

Zuordnung zum TKG bzw. TMG sind allerdings jene Fälle, in

denen neben der IP-Adresse auch aufgerufene Webseiten oder

einzelne Inhalte eines Servers gespeichert werden. Problema-

tisch ist in derartigen Fällen, dass sich aus den gespeicherten

Daten unter Umständen auch Rückschlüsse auf den Inhalt

des Kommunikationsvorgangs ziehen lassen. Sollen beispiels-

weise alle Daten gespeichert werden, die Auskunft über den

sicheren Betrieb des Servers und seine Anbindung an das Netz

geben, so könnte es notwendig sein, einzelne Seitenaufrufe

Rechte und Pflichten bei der Speicherung von Log-Dateienvon Verena Steigert und Christian Mommers

Kommt es zu Missbräuchen von oder Störungen an Telekommunikationsanlagen oder steht gar

die Begehung einer Straftat im Raum, werden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistun-

gen, zu denen auch zahlreiche Mitgliedseinrichtungen des DFN gezählt werden können, von den

Ermittlungsbehörden häufig zur Herausgabe von Log-Dateien aufgefordert. Hierbei hat sich in

der Vergangenheit eine zum Teil sehr unterschiedliche Speicherpraxis der verschiedenen Ein-

richtungen gezeigt. Dieser Infobrief-Artikel soll Aufschluss darüber geben, wie lange Log-Dateien

von Telekommunikationsdiensteanbietern gespeichert werden dürfen und ob unter Umständen

sogar eine gesetzliche Pflicht zur Speicherung entsprechender Daten besteht.

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24 | DFN-Infobrief Recht 2012

zu protokollieren. Wenn aber dieselben Daten zur Erstellung

eines Reichweitenprofils der Website genutzt werden, würde

dies dem TMG unterfallen.

Da die Daten von den Hochschulen jedenfalls in den meisten

Fällen aber ausschließlich zum Zweck der Fehlererkennung

und Störungsbeseitigung gespeichert werden, ist auf die Spei-

cherung der Log-Dateien das TKG anwendbar. Diese Einschrän-

kung im Speicherungszweck ist jedoch auch unbedingt einzu-

halten, da mit einer Änderung des Speicherzwecks auch eine

Änderung der Rechtsgrundlage einhergehen würde.

III. Einordnung der Log-Dateien

Bei den gespeicherten Log-Dateien handelt es sich um perso-

nenbezogene Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG. Ver-

kehrsdaten sind danach Daten, die bei der Erbringung eines

Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder ge-

nutzt werden. Hier werden vor allem IP-Adressen gespeichert,

die einem einzelnen Nutzer zugeordnet werden können. Eine

darüber hinaus gehende Speicherung von Inhaltsdaten wird

dagegen von den Hochschulen zumeist nicht vorgenommen.

Personenbezogene Verkehrsdaten gehören im Datenschutz-

recht zu den sensibelsten Daten. Sie stehen im Zusammen-

hang mit der Inanspruchnahme von Telekommunikations-

diensten und lassen so erkennen, von welchem Anschluss

wann mit wem wie lange kommuniziert wurde. Aus diesem

Grund unterfallen Verkehrsdaten dem Anwendungsbereich

des Fernmeldegeheimnisses des Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz

und sind somit verfassungsrechtlich geschützt. Auf einfach-

gesetzlicher Ebene wird dieser Schutz durch § 88 Abs. 2 TKG

konkretisiert, indem nicht nur staatliche Stellen, sondern auch

private Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheim-

nisses verpflichtet werden. Der Schutz durch das Fernmel-

degeheimnis und die Grundsätze des Datenschutzes führen

dazu, dass die Speicherung und die Nutzung der Daten nur in

einem engen, vom Gesetz definierten Rahmen erfolgen dürfen.

IV. Keine Speicherverpflichtung für Diensteanbieter

Zunächst ist festzuhalten, dass das TKG in seiner derzeitigen

Fassung keine Pflicht für Diensteanbieter vorsieht, Verkehrs-

daten über einen gewissen Zeitraum für Nachfragen von Er-

mittlungsbehörden vorrätig zu halten. Insbesondere die in

diesem Zusammenhang relevant werdenden Regelungen zur

sogenannten Vorratsdatenspeicherung sind derzeit nicht an-

wendbar. Eine gesetzlich festgelegte Speicherpflicht in Bezug

auf Log-Dateien besteht für die Hochschulen also nicht.

V. Befugnisse für Diensteanbieter zur rechtmäßigen Speicherung

Auch wenn keine Pflicht zur Speicherung von Daten aus Log-

Dateien besteht, werden diese von den Hochschulen oftmals

freiwillig für einen gewissen Zeitraum gespeichert. Es stellt

sich daher die Frage, nach einer zeitlichen Grenze der zulässi-

gen Speicherdauer.

Zunächst besteht der Grundsatz, dass Verkehrsdaten vom

Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung unverzüg-

lich zu löschen sind, wenn nicht bestimmte in § 96 TKG ge-

nannte Voraussetzungen vorliegen. Für den bei der Speiche-

rung von Log-Dateien im oben genannten Sinne in der Regel

verfolgten Speicherzweck kommt § 100 TKG als Rechtsgrund-

lage in Betracht. Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter

danach Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer

erheben und verwenden, um Störungen oder Fehlern an Tele-

kommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen oder zu

beseitigen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass

eine Speicherung nur dann rechtlich zulässig ist, wenn die

Speicherung der Daten erforderlich ist, um den Speicherzweck

zu erreichen. Dieses Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit

ist dabei eng zu verstehen. Wenn andere Möglichkeiten beste-

hen, den Zweck zu erreichen, ohne dabei auf Verkehrsdaten

zuzugreifen, oder wenn zum Beispiel eine Anonymisierung der

Daten möglich ist, ohne die Zweckerreichung zu gefährden, so

muss auf die Verwendung der Verkehrsdaten verzichtet wer-

den. Unter diesem Gesichtspunkt ist besonderes Augenmerk

auf die Dokumentation des Speichervorgangs zu legen, damit

in einem eventuellen Gerichtsverfahren entsprechende Nach-

weise vorliegen.

1. Zulässige Speicherdauer nach

Datenerhebung

Setzt man voraus, dass die Speicherung zur Erreichung des

angestrebten Zweckes notwendig ist, so stellt sich im Wei-

teren die Frage, wie lange Verkehrsdaten gespeichert wer-

den dürfen. Stellt der Dienstanbieter das Vorliegen eines

Fehlers oder einer Störung fest, so darf er die Verkehrsdaten

speichern und verwenden, bis der Fehler oder die Störung

behoben ist. Zur Speicherdauer bei der sogenannten anlass-

losen Speicherung, also der Speicherung um Fehler oder Stö-

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 25

rungen erst zu erkennen, hat sich zu Beginn des Jahres 2011

der Bundesgerichtshof (BGH) geäußert (Urteil v. 13.01.2011,

Az. III ZR 146/10). In dem zugrunde liegenden Verfahren ging

es um die Speicherdauer in Bezug auf die Speicherung von IP-

Adressen. Die Erwägungen des BGH in diesem Fall lassen sich

aber durchaus auf die Speicherung von Log-Dateien übertra-

gen. Es ist allerding zu berücksichtigen, dass in diesem Verfah-

ren kein Urteil über die Speicherfrist gefällt wurde. Das Verfah-

ren wurde vielmehr an das Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

zurückverwiesen. Erst in diesem Verfahren ist ein abschließen-

des Urteil zur Speicherdauer zu erwarten, welches jedoch bis-

lang noch aussteht. Nach Meinung des BGH scheint allerdings

eine Speicherdauer von bis zu sieben Tagen angemessen zu sein.

Eine längere Speicherdauer ist darüber hinaus möglich, muss

aber im Einzelfall begründet werden. An diese Begründung im

Einzelfall sind aufgrund des Eingriffs in das Fernmeldegeheim-

nis hohe Anforderungen zu stellen. Eine Frist von bis zu sieben

Tagen erscheint im Ergebnis für die Speicherung von Log-Da-

teien mit Blick auf die darin enthaltenen Verkehrsdaten aber

durchaus geeignet, solange der Speichervorgang einem von

§ 100 TKG legitimierten Zweck dient. Diese Beurteilung der

Rechtslage ist jedoch zurzeit – wie oben bereits ausgeführt

worden ist – noch nicht durch ober- bzw. höchstrichterliche

Rechtsprechung belegt.

2. Mögliche Handlungsalternative für

Diensteanbieter

Alternativ ist es für Telekommunikationsdienstleister möglich,

den Personenbezug der gespeicherten Log-Daten dadurch ent-

fallen zu lassen, dass lediglich die zentrale Zuordnungsdatei

(Verbindung von IP-Adresse, Zeitstempel und Nutzer) nach sie-

ben Tagen gelöscht wird. Die eigentlichen Log-Dateien dürften

dann bis zur Erreichung des Speicherzwecks aufbewahrt wer-

den. Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen neben der

IP-Adresse keine zusätzlichen Identifizierungsmerkmale (Nut-

zerkennungen oder ähnliches) in den Log-Dateien enthalten

sind.

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Es bleibt alles anders!

OLG Stuttgart zur Reichweite des § 52a Urheberrechtsgesetz

von Julian Fischer

I. Die bisherige Rechtslage zu § 52a UrhG

Die Regelung des § 52a UrhG erlaubt es den Hochschulen zur

Veranschaulichung des Unterrichts kleine Teile eines Werkes

(beispielsweise eines Lehrbuches), Werke geringen Umfangs

sowie Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften einem be-

stimmten abgegrenzten Kreis von Personen öffentlich zugäng-

lich zu machen. Die Norm des § 52a UrhG ermöglicht somit

Hochschulen ohne Zustimmung des Urhebers dessen Werk im

Intranet hochzuladen und den Studierenden zur Verfügung zu

stellen, soweit dies zu dem angestrebten Zweck geboten und

zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.

Mangels Rechtsprechung war die Reichweite der Erlaubnis-

vorschrift zwischen den Verlagsgesellschaften und den wis-

senschaftlichen Einrichtungen lange Zeit umstritten, bis im

September letzten Jahres das Landgericht Stuttgart erstmalig

Stellung zu der Frage bezog (siehe hierzu Herring, „Die Vor-

schrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?“,

DFN-Infobrief Recht 1/2012).

II. Die neuen Vorgaben des OLG Stuttgart

Die damals vom Landgericht Stuttgart getroffenen Aussagen

sind nunmehr als überholt anzusehen. Die Hochschulpraxis

muss sich stattdessen an den höhergerichtlichen Vorgaben

des OLG Stuttgart orientieren, die Auskunft darüber geben,

inwieweit die Vorschrift des § 52a UrhG es erlaubt, den Un-

terrichtsteilnehmern wissenschaftliche Beiträge zum Online-

Abruf bereitzustellen.

1. „Kleine Teile eines Werkes“ bedürfen der

Einzelfallbetrachtung

Eine der wesentlichsten Fragen der Berufung bestand darin,

zu beantworten, in welchen Grenzen der Gesetzgeber noch

von „kleinen Teilen“ eines Werkes ausgeht. Während das LG

Stuttgart die zulässige Entnahmegrenze im Verhältnis zum

Gesamtwerk bei 10% des didaktisch relevanten Umfangs an-

setzte und dabei ausschließlich Textseiten als berücksichti-

gungsfähig einstufte, hält das OLG Stuttgart weder eine feste

Prozentgröße noch ein Begrenzung auf inhaltlich relevante

Passagen für möglich. Vielmehr seien auch Inhaltsverzeichnis,

Stichwortregister und Literaturverzeichnis für den Studenten

sinnvoll, weil damit Vertiefungen und weitere Recherchen er-

möglicht werden. Anderenfalls würde man den denkbaren Ein-

zelfallkonstellationen nicht gerecht werden und es bestünde

die Möglichkeit, dass im Ergebnis wesentliche Kernteile eines

Werkes öffentlich zugänglich gemacht werden. Daher sei im-

mer eine am Einzelfall orientierte Sichtweise erforderlich, weil

„kleine Teile“ eben nicht zahlenmäßig bestimmbar seien, son-

Die gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart eingelegte Berufung in einem Rechtsstreit zwi-

schen der Fernuniversität Hagen und der Alfred Kröger Verlag GmbH & Co. KG wurde mit großer

Spannung erwartet – nun ist die Entscheidung da (Urteil vom 04.04.2012 – Az.: 4 U 171/11). Hierin

bestätigt das Oberlandesgericht Stuttgart, dass die Fernuniversität Hagen sich in Bezug auf die

ihren Studierenden im Intranet zur Verfügung gestellten Ausschnitte eines Psychologie-Lehr-

buches nicht auf die Regelung des § 52a UrhG berufen kann. Allerdings stellt das Gericht in der

Urteilsbegründung die durch die Vorinstanz aufgestellten Grundsätze größtenteils auf den Kopf.

Diese neuen Vorgaben zur Frage, inwieweit Hochschulen ihren Studierenden wissenschaftliche

Texte in digitaler Form zur Verfügung stellen dürfen, gilt es fortan zu beachten. Zumindest bis der

Bundesgerichtshof das letzte Wort gesprochen hat.

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 27

dern die Beantwortung der Frage immer einer am Einzelfall

orientierten Aussage bedürfe. Abwägungskriterium sei jeweils

die Frage, ob das Nutzerinteresse nach öffentlichem Zugang

die Beeinträchtigung der Rechteinhaber am Primärmarkt

überwiege, das heißt, ob die Bereitstellung im Intranet dazu

führt, dass die Nutzer von einem anderweitigen Erwerb des

Werkes abgehalten werden.

Die Tatsache, dass die Festlegung einer bestimmten relevan-

ten Prozentgröße mehr Rechtsicherheit begründen und die

Handhabung der Vorschrift in der Praxis erheblich vereinfa-

chen würde, kann an dieser Interpretation laut OLG Stuttgart

nichts ändern. Allenfalls sei die Bestimmung einer absoluten

Obergrenze denkbar, wobei die zwischen der Verwertungsge-

sellschaft Wort und den Bundesländern vereinbarte Höchst-

grenze von maximal 100 Seiten aufgegriffen und als sinnvoll

erachtet wird.

2. „Zur Veranschaulichung im Unterricht“

erfordert thematische Unterrichtsergänzung

Dem Berufungserfolg der Fernuniversität Hagen stand nach

der Urteilsbegründung insbesondere entgegen, dass die kon-

krete Bereitstellung von Lehrbuchausschnitten nicht der

Veranschaulichung des Unterrichts diente. So sah das OLG

Stuttgart dieses Kriterium bei neun der insgesamt vierzehn

ins Intranet gestellten Personen der Psychologiegeschichte

als nicht erfüllt an. Sie würden nicht den erforderlichen ver-

tiefenden Erkenntnisgewinn liefern, sondern seien lediglich

bloße Ergänzungen. Es fehle insoweit an der notwendigen

Bezugnahme auf den behandelten Unterrichtsstoff. Dabei

betont das Gericht, dass die Bereitstellung nicht dazu führen

dürfe, dass der eigentliche Unterricht sich auf diese Weise

eigene Darstellungen erspare. Das Wort „veranschaulichen“

bedeute, dass man etwas erkläre, indem man Beispiele gebe,

etwas sichtbar mache, verdeutliche, illustriere oder visuali-

siere. Diese Anforderungen seien zu erfüllen, wenn man dem

§ 52a UrhG gerecht werden wolle.

In diesem Zusammenhang stellten die Richter jedoch klar, dass

das Merkmal „zur Veranschaulichung im Unterricht“ nicht be-

deute, dass eine Verwendung im Unterricht erfolgen müsse.

Eine Beschränkung auf die eigentliche Unterrichtszeit oder

Unterrichtsveranstaltung sei der Regelung des § 52a UrhG

nicht zu entnehmen. Stattdessen liege der Vorschrift gerade

das Verständnis zugrunde, dass auch die Vor- und Nachbear-

beitung von Hausarbeiten am heimischen Computer miter-

fasst sein solle.

3. „Bestimmt abgegrenzter Kreis von

Unterrichtsteilnehmern“ gilt auch für eine

Fernuniversität

Des Weiteren dürften die Materialien nur denjenigen Studen-

ten online zugänglich gemacht werden, die das betreffende

Fach belegen oder die betreffende Veranstaltung besuchen,

wobei auf den der jeweiligen Unterrichtseinheit angehören-

den Personenkreis abzustellen sei. Dass der Kreis der Teilneh-

mer im Fall der Fernuniversität Hagen mit ca. 4000 Zugangsbe-

rechtigten wesentlich größer ausfalle als bei einer Universität

mit Präsenzunterricht, sei laut OLG Stuttgart unerheblich.

Weder die höhere Anzahl noch die fehlende geografische Be-

schränkung führe dazu, dass der Teilnehmerkreis unbestimmt

oder unbegrenzt ausgeweitet würde, worauf es bei der er-

forderlichen Eingrenzung ankomme. Entscheidend sei hier-

bei letztlich die Sicherstellung der abgegrenzten Benutzung

durch die Einrichtung von Zugangskontrollsystemen, damit

das Werk nur für die jeweiligen Unterrichtsteilnehmer verfüg-

bar sei. Im Übrigen führe auch die Zulassung von „Wiederho-

lern“ nicht zu einer anderen Bewertung. Der dem Unterrichts-

modul angehörende Personenkreis sei weiterhin ausreichend

eingeschränkt; eine unbegrenzte oder gar unkontrollierbare

Öffnung finde hierdurch nicht statt. Auch einer Fernuniversi-

tät müsse es letztlich möglich sein, sich auf die Vorschrift des

§ 52a UrhG zu berufen.

4. „Gebotenheit der Bereitstellung“ verlangt

eine Gesamtabwägung

Die Beantwortung der Frage, ob das Kriterium der „Geboten-

heit der Bereitstellung“ als erfüllt angesehen werden kann, be-

darf laut OLG Stuttgart einer Gesamtabwägung im Einzelfall.

Diese sei zwischen dem Bedürfnis der Zugänglichmachung

und dem Grad der Beeinträchtigung des Rechteinhabers vor-

zunehmen. Dafür sei es besonders relevant, ob die Zugänglich-

machung die normale Verwertung des Werkes auf dem Primär-

markt beeinträchtige.

Im zu beurteilenden Rechtsstreit entschied die Berufung, dass

die konkret vorgenommene Einstellung ganzer Lehrbuchkapi-

tel seitens der Fernuniversität Hagen dazu geführt habe, dass

ein Erwerb des Buches für die Studenten nicht mehr erforder-

lich gewesen sei. Hierdurch seien die Verwertungsrechte des

Verlages unverhältnismäßig eingeschränkt worden, da es hier-

zu bereits genüge, wenn die „normale“ Verwertung des Werks

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28 | DFN-Infobrief Recht 2012

bereits mittelbar beeinträchtigt werde. Dabei orientierte sich

das OLG Stuttgart vor allem an dem Kriterium, ob die Teilneh-

mer des betroffenen Kurses das Buch letztlich nicht mehr er-

werben mussten, um den Pflichtfachstoff bearbeiten und die

Klausur bestehen zu können.

Die Gebotenheit sei – wie das Gericht hinzufügte – jedoch nicht

bereits dann zu verneinen, wenn das betreffende Werk ohne

erheblichen Aufwand in digitalisierter oder analoger Form be-

schafft werden könne. Der Gesetzgeber wolle vielmehr gerade

die Möglichkeit einer digitalisierten Informationsvermittlung

für kleine Werkteile ermöglichen. Einer entsprechend vorher

vorzunehmenden Marktanalyse bedarf es somit zumindest

nicht.

5. „Zugänglichmachung“ erlaubt lediglich die

Ansicht am Bildschirm

Besondere Beachtung verdient die Interpretation des OLG

Stuttgart zur generellen Reichweite des § 52a UrhG. Die Vor-

instanz hatte es diesbezüglich im Rahmen der Vorschrift noch

für zulässig erachtet, dass zumindest drei Seiten eines Wer-

kes in einem Format angeboten werden, welches auch den

Download bzw. das dauerhafte Speichern auf den Computern

der Studierenden ermögliche. Die Berufung hingegen erteilt

sowohl der Möglichkeit der Anfertigung von digitalen Kopien

als auch der eines Ausdrucks der ins Netz gestellten Materi-

alien eine Absage. Durch § 52a UrhG sei nur das Bereithalten

zum Lesen am Bildschirm legitimiert. Dies folge daraus, dass

die Vorschrift lediglich die öffentliche Zugänglichmachung,

nicht aber anderweitige Verwertungsmöglichkeiten, wie etwa

die Anfertigung digitaler Kopien, erlaube. Würde neben dem

bloßen Bereithalten zur Ansicht eine Download- oder Druckop-

tion angeboten, wäre damit die Einräumung einer Vervielfäl-

tigungsmöglichkeit verbunden, die vom gewährten Recht der

„Zugänglichmachung“ nicht mehr gedeckt sei.

III. Fazit

Das Urteil des OLG Stuttgart ist für die Hochschulpraxis wenig

hilfreich. Es bringt mehr Verwirrung als Klarheit in die Frage,

welche und vor allem wie viele Materialien ein Hochschulleh-

rer seinen Studierenden auf einer Online-Lernplattform zur

Verfügung stellen darf. So muss sowohl die Beantwortung der

Frage, was noch als „kleiner Teil“ eines Lehrbuches angesehen

werden kann, als auch die der Frage, ob die Bereitstellung die

Verwertungsrechte des Verlages bzw. Rechteinhabers „unzu-

mutbar“ einschränkt, vom Dozenten individuell vorgenom-

men werden. Die Rechtsprechung bietet hier weder einen

Richtwert noch anderweitig verlässliche Kriterien an. In jedem

Fall ist bei der Zusammenstellung von Literatur fortan beson-

ders darauf zu achten, dass diese eine vor- oder nachbereiten-

de Ergänzung zum behandelten Unterrichtsstoff darstellt und

nicht einfach selbigen ersetzt oder jeglichen Unterrichtsbezug

vermissen lässt. Daneben muss nunmehr ein technisches For-

mat gewählt werden, welches lediglich die Ansicht am Bild-

schirm, nicht jedoch den Ausdruck oder die Möglichkeit des

Downloads erlaubt.

Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die zugelas-

sene Revision zum Bundesgerichtshof die Entscheidung des

OLG Stuttgart zugunsten der Rechtssicherheit, Wissenschaft

und vor allem der Lehre verändert. Andernfalls werden die

Hochschulen gezwungen sein, tendenziell deutlich weniger

Materialien zur Verfügung zu stellen. Die Leittragenden sind

die Studierenden, die sich die wesentliche Literatur der Unter-

richtseinheit zukünftig deutlich aufwendiger und kostspieli-

ger besorgen müssen. Die Verlagslobby hingegen wird das Ur-

teil vor diesem Hintergrund erfreut zur Kenntnis genommen

haben.

Abzuwarten bleibt neben der zugelassenen Revision zum Bun-

desgerichtshof auch eine politische Entscheidung. So handelt

es sich bei der Erlaubnisvorschrift des § 52a UrhG um eine bis

Ende des Jahres befristete Rechtsnorm. Diese Befristung soll

der Feststellung dienen, ob die Rechte der wissenschaftlichen

Verleger durch die Regelung unzumutbar beeinträchtigt wer-

den. Hiervon kann nach den aktuell geltenden Vorgaben des

OLG Stuttgarts nur noch bedingt ausgegangen werden. Aller-

dings stellt sich die Frage, inwieweit die Regelung – bei Zu-

grundelegung der nunmehr zu beachtenden Vorgaben – über-

haupt noch praxistauglich und sinnvoll ist.

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RSS-Feeds – Fluch oder Segen?

BGH konkretisiert die Haftung für die Veröffentlichung ungeprüfter RSS-Feeds

von Kevin Kuta

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom 27.03.2012 (Az. VI ZR 144/11) zum Um-

fang der Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen eines Informationsportalbetreibers Stel-

lung bezogen. Einen solchen Portalbetreiber, der erkennbar fremde Nachrichten aus RSS-Chan-

nels ins Internet stellt, treffe nicht die Pflicht, Beiträge vorab auf mögliche Rechtsverletzungen

zu überprüfen. Sobald er jedoch Kenntnis von einer solchen Rechtsverletzung erlangt, sei er als

Verantwortlicher anzusehen. Sollte ein Hinweis seitens eines Betroffenen an den Portalbetreiber

herangetragen werden, könne ihn als Störer die Pflicht treffen, zukünftig derartige Verletzungen

zu verhindern.

I. Einleitung

Internetseitenbetreiber versuchen fortlaufend mehr und

mehr Nutzer für sich zu gewinnen. Ein wichtiger Faktor für die

Attraktivität und somit für das Nutzerverhalten einer Inter-

netseite ist ihre Aktualität. Die neuesten Nachrichten sollen

dem Internetbesucher unmittelbar nach ihrem Bekanntwer-

den zur Verfügung stehen. Die praktische Umsetzung dieses

Gedankens erfolgt häufig durch sog. RSS-Feeds. Den RSS-Feeds

liegt ein einfaches und praktikables Prinzip zugrunde: das

RSS-Format ist eine XML-Datei, in der Inhalte von Webseiten

strukturiert und ohne zusätzlichen Ballast wie Design und

Layout-Elemente veröffentlicht werden. Sobald der Benutzer

einen RSS-Channel abonniert, wird mithilfe eines Aggregators

oder eines Feedreaders (hierbei handelt es sich um Compu-

terprogramme zum Anzeigen und Einlesen von News Feeds)

in einstellbaren Intervallen automatisch geprüft, ob Artikel

geändert wurden. Dabei wird dem Nutzer nicht der gesamte

Nachrichteninhalt angezeigt. Vielmehr erhält er nur eine Lis-

te der aktuellen Schlagzeilen mit einer kurzen Beschreibung.

Über einen Link gelangt er bei Interesse zum Volltext der ent-

sprechenden Meldung. Einerseits erhält man alle Änderungen

einer Internetseite unmittelbar und kann sich auf diese Wei-

se stets einen gegenwärtigen Überblick über den Stand der

ausgewählten Quellen verschaffen. Andererseits spart man

enorm viel Zeit. Denn mittels der Kurzbeschreibungen kann

man individuell entscheiden, ob man die komplette Nachricht

lesen möchte oder nicht. Auf diese Weise wird das Informati-

onsinteresse des Nutzers auf nahezu ideale Weise befriedigt.

Gleichzeitig steigt die Aktualität und damit einhergehend

die Attraktivität der betroffenen Internetseite. Nicht zuletzt

wegen dieser Merkmale sind RSS-Feeds gerade für Internet-

seitenbetreiber von höchstem Interesse: sollten diese selbst

keinen eigenen RSS-Feed betreiben, können sie nämlich auf

ihrer Internetseite den RSS-Feed eines Dritten einbinden, um

auf diese Weise das eigene Angebot interessanter und aktuel-

ler zu gestalten. Die Reaktion ist eindeutig: ob Nachrichtensei-

ten, Börsenticker oder Blogs – nahezu jede Internetseite mit

aktuellen und täglich wechselnden Inhalten bietet inzwischen

einen RSS-Dienst an, um die Leser schnellstmöglich zu infor-

mieren. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit der Betreiber

eines Informationsportals, der einen RSS-Feed eines Dritten

in seine Internetseite einbindet, vor der Veröffentlichung von

Beiträgen zur Überprüfung auf eventuelle Rechtsverletzungen

verpflichtet ist.

II. Verantwortlichkeit des Informationsportalbetreibers

In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall ging es

um ein deutschsprachiges Informationsportal, das einen Arti-

kel samt eines Bildes einer Ex-RAF-Terroristin aus einem RSS-

Feed einer überregionalen deutschen Tageszeitung auf seiner

eigenen Internetseite verbreitete. Die Klägerin fühlte sich in

ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Im Kern der Entscheidung

geht es um die Frage, ob der Betreiber einer Internetseite für

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Rechtsverletzungen in einem eingebundenen RSS-Feed eines

Dritten haftet. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Beein-

trächtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin, verneinte

jedoch im konkreten Fall eine Haftung als Störer.

1. Zueigenmachen der fremden Inhalte

Zunächst stellte der Bundesgerichtshof klar, dass eine Haf-

tung des Internetportalbetreibers nicht deshalb erfolgt, weil

dieser aufgrund der Berichterstattung selbst unzulässig in das

Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen hätte. Der Por-

talbetreiber habe die Meldung nämlich weder selbst verfasst,

noch habe er sich diese zu eigen gemacht.

Sehr intensiv setzte sich das Gericht dabei mit der Frage des

Zueigenmachens der nicht selbst geschaffenen Inhalte aus-

einander. Maßgeblich dafür sei eine objektive Sicht unter Be-

rücksichtigung aller relevanten Umstände. Bedeutsam seien

dabei insbesondere die Kriterien der redaktionellen Kontrolle

der fremden Inhalte und die Art ihrer Darstellung. Ein Zueigen-

machen läge regelmäßig vor, wenn die fremde Aussage so in

den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte

Aussage als eigene erscheint. Auf diese Weise besteht die Mög-

lichkeit, dass auch lediglich undistanziert wiedergegebene Äu-

ßerungen von Dritten einem Portalbetreiber zugerechnet wer-

den können, falls er sich diese zu eigen gemacht hat. Dabei ist

jedoch eine im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz

der Presse gebotene Zurückhaltung zu wahren. Bereits aus der

äußeren Form der Veröffentlichung könne sich ergeben, dass

es sich bei der Äußerung nur um eine fremde Aussage ohne ei-

gene Wertung oder Stellungnahme handelt. Dies sei beispiels-

weise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall und mit dem

zugrundeliegenden Fall vergleichbar.

In vielen – wenn nicht sogar in den meisten – Fällen wird eine

redaktionelle Überprüfung nicht durchgeführt. Eine derartige

Kontrolle würde auch den Nutzen von RSS-Feeds, nämlich die

Weiterleitung der Information in Echtzeit, vereiteln. Vielmehr

werden die RSS-Feeds automatisiert im Rahmen von Abonne-

mentverträgen ungeprüft übernommen. Um einer Haftung

zu entgehen sei es erforderlich, dass die auf der Internetsei-

te dargestellten Inhalte auch als fremd gekennzeichnet wer-

den. Dies könne in der Weise erfolgen, dass direkt unter der

Überschrift ein Verweis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite ein-

gefügt wird. Dadurch würde dem Leser hinreichend deutlich

gemacht, dass es sich bei den Inhalten nicht um eigene Aus-

führungen des Portalbetreibers, sondern um fremde Inhalte

handelt.

Problematisch könne jedoch sein, wenn sich aus dem Gesamt-

eindruck ergibt, dass der Portalbetreiber eine inhaltliche Ver-

antwortung für die veröffentlichten Nachrichten übernehmen

möchte. Dies sei bei Internetseiten in Form von Informations-

portalen nicht der Fall, sofern sie keine eigenen Inhalte ent-

halten, sondern vielmehr mit Hilfe von RSS-Feeds Schlagzeilen

aus Medien und Blogs wiedergeben und dabei jeweils einen

Link zu dem entsprechenden Ursprungs- bzw. Zielartikel an-

führen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung reiche es für ein

Zueigenmachen nicht aus, dass der Portalbetreiber die Medien

aus dem RSS-Feed vor-ausgewählt hatte.

2. Bereitstellung und Verbreitung fremder

Inhalte

Eine Haftung des Internetportalbetreibers scheide nach An-

sicht des Bundesgerichtshofs auch im Hinblick darauf aus, dass

der Portalbetreiber die beanstandeten Inhalte auf seinem In-

formationsportal zum Abruf bereitgestellt und auf diese Weise

verbreitet hat. Dabei ist aber der Grundsatz der allgemeinen

Störerhaftung zu berücksichtigen. Danach ist verpflichtet,

wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur

Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt, ohne Täter oder

Teilnehmer zu sein. Der Betreiber eines Informationsportals

stelle dort RSS-Feeds für Nutzer bereit und ermögliche deren

Abruf über das Internet. Dadurch trägt er willentlich und ad-

äquat kausal zur Verbreitung des jeweiligen Inhalts bei. Nach

Auffassung des Gerichts dürfe die Störerhaftung in der Form

der Verbreiterhaftung nicht überzogen auf Dritte erstreckt

werden. Denn diese haben die rechtswidrige Beeinträchtigung

gerade nicht selbst vorgenommen. Dabei ist das Grundrecht

der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundge-

setz zu berücksichtigen. Der davon geschützte Kommunikati-

onsprozess könne auch die Mitteilung einer fremden Meinung

oder Tatsachenbehauptung umfassen, sofern sich der Mittei-

lende diese weder zu eigen macht noch sie in eigene Erklärung

einbindet, sondern die fremde Aussage lediglich verbreitet.

Dies führe dazu, dass der Verbreiter fremder Inhalte nur dann

als Störer haftet, falls dieser zumutbare Verhaltenspflichten,

insbesondere Prüfungspflichten, verletzt hat. Der Umfang die-

ser Prüfungspflichten bestimme sich anhand mehrerer Krite-

rien: zunächst seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls

entscheidend, wobei die Funktion und Aufgabenstellung des

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 31

Portalbetreibers zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig müsse

in dieser Abwägung auch die Eigenverantwortung desjenigen,

der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst und unmittel-

bar vorgenommen hat, bedacht werden.

Ein Informationsportalbetreiber, der erkennbar fremde Inhal-

te anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, sei grundsätz-

lich nicht verpflichtet, diese Inhalte vor der Veröffentlichung

auf seiner Internetseite auf mutmaßliche Rechtsverletzungen

zu überprüfen. Dies würde nämlich dem Sinn eines solchen In-

formationsportals zuwiderlaufen. Die Nutzer möchten schnell

und aktuell mit Informationen versorgt werden. Der Betrieb

eines darauf ausgerichteten Informationsportals würde bei

umfangreichen Überprüfungen im Vorhinein unzuträglich ge-

hemmt. Daher treffe den Portalbetreiber erst in dem Zeitpunkt

eine Prüfungspflicht, sobald er Kenntnis von der Rechtsverlet-

zung erlangt. Darüber hinaus könne im Falle eines Hinweises

seitens eines Betroffenen den Portalbetreiber als Störer die

Pflicht treffen, zukünftig derartige Verletzungen zu verhin-

dern.

III. Fazit

Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird dem

Prinzip von RSS-Feeds, nämlich die Weiterleitung von Infor-

mationen an die Nutzer in Echtzeit, Rechnung getragen. Im

Falle der Einbindung von RSS-Feeds eines fremden RSS-Feed-

Anbieters sollte organisatorisch sichergestellt sein, dass auf

eingehende Hinweise hinsichtlich einer Rechtsverletzung der

betroffene Inhalt umgehend aus dem Angebot genommen

wird, um einer möglichen Haftung zu entgehen. Weiterhin soll-

ten derartige RSS-Feeds unmissverständlich und eindeutig als

fremde Inhalte gekennzeichnet werden und als solche auch

erkennbar sein. Ratsam wäre es auch, beim Abschluss eines

Abonnementvertrages mit einem RSS-Feed-Anbieter eine Ver-

einbarung zu treffen, dass dieser Anbieter den Portalbetreiber

informieren muss, sobald ein bezogener RSS-Feed wegen einer

geltend gemachten Rechtsverletzung aus dem Internetange-

bot genommen wurde.

Einem Informationsportalbetreiber dürfte es kaum möglich

sein, sämtliche fremde Inhalte in RSS-Feeds vor Veröffentli-

chung auf der eigenen Seite auf rechtsverletzende Inhalte zu

überprüfen. Jedoch trifft den Portalbetreiber eine Handlungs-

pflicht, sobald er einen Hinweis über eine Rechtsverletzung

erhält. Dieser ist verantwortlich, sobald er Kenntnis von der

Rechtsverletzung erlangt. Dieses Ergebnis ist mit der Funkti-

on und dem Nutzen von RSS-Feeds abzuwägen: der Sinn und

Zweck von RSS-Feeds besteht darin, Nutzer schnell und effek-

tiv über Änderungen von Internetseiten, vor allem Nachrich-

tenseiten, auf denen sich die Informationen am Tag häufig

aktualisieren, zu informieren. Grundsätzlich nicht beabsich-

tigt ist aber, dass Portalbetreiber die RSS-Feeds Dritter dazu

benutzen, das eigene Informationsangebot aufzuwerten und

dadurch die eigene Internetseite attraktiver zu gestalten. Des

Weiteren kann es nicht der Sinn von RSS-Feeds sein, fremden

Internetseiten kostenlose Inhalte zu liefern. Jedoch zeichnet

sich ein Trend ab, dass gerade der Bezug von Inhalten aus frem-

den RSS-Channels für Portalbetreiber immer attraktiver wird.

Der Bundesgerichtshof betont in seiner Entscheidung, dass im

Falles eines Hinweises seitens eines in seinen Rechten Verletz-

ten der Portalbetreiber verpflichtet sein kann, zukünftig der-

artige Verletzungen zu verhindern. Das Haftungsrisiko dieser

in die Zukunft gerichteten Prüfungspflicht ist bisher nicht ab-

zuschätzen. Falls sich Hochschulen dazu entschließen sollten,

auf der hochschuleigenen Internetseite RSS-Feeds von Dritten

einzubinden, sollten sie zum einen für eine funktionierende

interne Organisation sorgen, damit eingehende Hinweise auf

Rechtsverletzungen zügig abgearbeitet werden. Zum ande-

ren müssen Maßnahmen getroffen werden, um im Falle einer

Rechtsbeeinträchtigung zukünftige gleichartige Verletzungen

zu verhindern.

Anmerkungen:

Siehe hierzu auch Herring, Rechtswidrige Inhalte in RSS-Feeds

= Haftungsfalle?, in: DFN-Infobrief Recht 6/2011.

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32 | DFN-Infobrief Recht 2012

Rechtsgrundlage für Auskünfte von Hochschulrechenzentren an staatliche Behörden bildete bis-

lang u. a. die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG). Diese Vorschrift wird

insbesondere herangezogen, um im öffentlichen Interesse den hinter einer IP-Adresse stehenden

Nutzer zu ermitteln. In Bezug auf dynamische IP-Adressen hat das Bundesverfassungsgericht

(BVerfG) dieser Praxis in einer Grundsatzentscheidung (Beschl. v. 24.01.2012, Az.: 1 BvR 1299/05) nun

Grenzen gesetzt. Es hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis spätestens zum 30.6.2013 eine eigen-

ständige gesetzliche Regelung für dieses Vorgehen zu schaffen. Bis eine Neuregelung erfolgt ist,

kann § 113 Abs. 1 S. 1 TKG aber weiterhin als Grundlage für die Deanonymisierung dynamischer

IP-Adressen herangezogen werden. Somit kann die bisherige Praxis zunächst fortgeführt werden.

Bundesverfassungsgericht kippt Zuord-nung von dynamischen IP-Adressen

von Susanne Thinius

I. Hintergrund

Das BVerfG musste im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde

urteilen, die von Nutzern diverser Telekommunikationsmittel,

insbesondere im Voraus bezahlter Mobilfunkkarten (sog. „Pre-

paid“) und verschiedener Internetzugangsleistungen, einge-

legt worden war. Durch die (mögliche) Erhebung, Speicherung

und Übermittlung ihrer Telekommunikationsdaten sahen die-

se das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz (GG))

und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2

Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als verletzt an.

II. Das manuelle Auskunftsverfahren nach § 113 Abs. 1 S. 1 TKG

Telekommunikationsanbieter, die geschäftsmäßig Telekom-

munikationsdienste erbringen, müssen den Strafverfol-

gungsbehörden nach § 113 TKG in Einzelfällen unverzüglich

(d.h. ohne schuldhaftes Zögern) Auskünfte über bestimmte

Daten erteilen. Grundsätzlich herauszugeben sind Bestands-

daten wie Adresse und Name des Nutzers des Dienstes, also

Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung,

Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über

Telekommunikationsdienste erhoben werden. Aber auch soge-

nannte telekommunikationsspezifische Daten im Allgemeinen

dürfen unter Anwendung des § 113 TKG weitergegeben wer-

den. Darunter zählen weder Bankverbindungen, Beruf oder die

Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern

zum Beispiel die hier interessierenden IP-Adressen und E-Mail-

Verbindungsdaten etc.

Von dieser Pflicht zur Auskunftserteilung sind auch Hochschu-

len in ihrer Eigenschaft als Anbieter von Telekommunikations-

diensten erfasst. Hochschulen erbringen, wie andere Dienst-

leister auch, Telekommunikationsdienste für Dritte, sofern sie

die private Nutzung der Telekommunikationseinrichtungen

durch ihre Mitarbeiter gestatten. Für die geschäftsmäßige Er-

bringung kommt es auf die Dauerhaftigkeit des Dienstes an.

Eine Gewinnerzielungsabsicht ist im Gegensatz zu einer ge-

werbsmäßigen Dienstanbietung hier nicht erforderlich.

Auskünfte müssen insbesondere dann erteilt werden, wenn

die Verfolgung von Straftaten im Raum steht. Wichtig ist, dass

die Anfrage zur Auskunftserteilung eine sog. Ermächtigungs-

norm benennt. Das ist diejenige Norm, die für Maßnahmen wie

die Überprüfung von Onlinekommunikation rechtlich erfor-

derlich ist.

Um der Anforderung der Unverzüglichkeit der Auskunftsertei-

lung Genüge zu tun, darf eine Anfrage nicht mehrere Wochen

unbeantwortet bleiben. Eine gewisse Zeitverzögerung wird

den Hochschulen allerdings gestattet. Jederzeitige Auskünfte,

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 33

also auch nachts sowie an Wochenenden bzw. Feiertagen, wer-

den von den Dienstanbietern nicht verlangt werden können.

III. Bisherige Praxis

Bisher entsprach es der behördlichen Praxis, dass staatliche

Einrichtungen im Rahmen des manuellen Auskunftsverfahrens

vom Anbieter bzw. den Hochschulen telekommunikationsspe-

zifische Daten herausverlangten. Dies geschah insbesondere

zur Herstellung einer Verknüpfung zwischen Personen und IP-

Adressen über einen gewissen Zeitraum.

IP-Adressen können dynamisch oder statisch sein. Bei dynami-

schen IP-Adressen wird dem Nutzer vom Anbieter für jede neue

Sitzung eine gerade freie Adresse aus dem zur Verfügung ste-

henden Pool zugewiesen. Statische IP-Adressen hingegen wer-

den dem Nutzer fest zugewiesen. Es besteht hierbei - anders

als bei den dynamischen IP-Adressen - kein Zusammenhang zu

einem konkreten Kommunikationsvorgang, weshalb die Ver-

gabe eher mit der Zuordnung einer bestimmten Telefonnum-

mer vergleichbar ist.

Für die Verifizierung der IP-Adresse konnte der Anbieter also

anhand interner Verkehrsaufzeichnungen eine Zuordnung

zur Kundenkennung vornehmen und anhand dieser Kennung

Name und Anschrift des Kunden (Bestandsdaten) recherchie-

ren. Mit dieser Zuordnung konnte theoretisch festgestellt

werden, wann und in welcher Reihenfolge eine Person Web-

Adressen abgerufen hat. Dies führte zwangsläufig zu einer

Personalisierung vielfältiger Internetkontakte.

Aufgrund dieses Vorgehens stellt sich zu Recht die Frage nach

der richtigen rechtlichen Grundlage, zumindest in Bezug auf

die Zuordnung dynamischer IP-Adressen. Die Auskunft, die nur

anhand der Auswertung von Verkehrsdaten möglich ist (Da-

ten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes

erhoben, verarbeitet oder genutzt werden), stellt einen unge-

rechtfertigten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbst-

bestimmung und das Fernmeldegeheimnis dar und verstößt

somit gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht

musste folglich dieser Vorgehensweise der anfordernden wie

auch Auskunft gebenden Stellen Grenzen setzen. Dies hat es

mit dem hier kurz zu beleuchtenden Beschluss getan.

IV. Auswirkungen des Urteils

Die Karlsruher Richter befanden nun, dass § 113 Abs. 1 S.1 TKG

– das manuelle Auskunftsverfahren- zwar prinzipiell mit dem

Grundgesetz vereinbar ist. Etwas anderes soll sich allerdings

gravierend ändern: Die Regelung darf künftig nur bei Vorliegen

einer zusätzlichen „qualifizierten Rechtsgrundlage“ angewen-

det und nicht mehr zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen

verwendet werden.

1. Sog. „Qualifizierte Rechtsgrundlage“

zwingend erforderlich

Qualifizierte Rechtsgrundlagen sind im juristischen Fachjar-

gon eigenständige fach- bzw. landesrechtliche Spezialvor-

schriften. In diesen Vorschriften muss insbesondere klar und

deutlich geregelt sein, wem gegenüber der Dienstanbieter

(also auch die Hochschule) auskunftsverpflichtet ist und unter

welchen Voraussetzungen eine Identifizierung erfolgen darf.

Es muss also ganz konkret eine Auskunftspflicht gegenüber

der jeweiligen staatlichen Einrichtung geregelt sein.

Praktisch bedeutet dies, dass Auskünfte keinesfalls mehr „ins

Blaue hinein“ angefordert werden dürfen. Vielmehr muss ein

sogenannter rechtlicher Anfangsverdacht für eine Straftat

vorliegen. Dabei handelt es sich um die erste Stufe innerhalb

der Strafverfolgung. Die Strafverfolgungsbehörden sind im

Rahmen eines Anfangsverdachts zur Aufnahme von Ermittlun-

gen verpflichtet. Der Betroffene muss dann nachträglich über

den Vorgang informiert werden und die Auskünfte müssen von

gewisser Bedeutung sein.

Die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S.1 TKG ist seit diesem Beschluss

nicht mehr als geeignete Rechtsgrundlage anzusehen. Viel-

mehr fehlt eine solche zum jetzigen Zeitpunkt für die Bereiche

der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung generell. Eine echte

Auskunftspflicht besteht in Zukunft für Dienstanbieter daher

nur, wenn für die Übermittlung und Abfrage der Daten eine an-

dere rechtliche Grundlage zur Verfügung steht.

2. Keine Zuordnung dynamischer IP-Adressen

auf Grundlage des § 113 TKG

Die Zuordnung von IP-Adressen betrifft die Vertraulichkeit

der ausgetauschten Information, auch als „nähere Umstände

des Fernmeldeverkehrs“ bezeichnet. Diese sind durch das sog.

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34 | DFN-Infobrief Recht 2012

Fernmeldegeheimnis geschützt, welches die unkörperliche

Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger

schützt.

Da die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen einen Eingriff

in das Fernmeldegeheimnis darstellt und die Norm des § 113

TKG diesbezüglich keine Erlaubnis zur Identifizierung von IP-

Adressen bereithält, bedarf es, wie vorstehend erörtert, einer

separaten Rechtsgrundlage.

V. Folgen für die Hochschulpraxis

Um ein Regelungsvakuum zu vermeiden, soll die bisherige

(Auskunfts-)Praxis noch bis zum 30.6.2013 fortgeführt werden.

Hochschulen sind also weiterhin zur Auskunft auch hinsicht-

lich dynamischer IP-Adressen und der dazugehörigen Person

verpflichtet. Trotzdem sollten sich Hochschulen schon jetzt

mit den eingangs erwähnten, gesteigerten Anforderungen

auseinandersetzen. Nur so kann gewährleistet werden, dass

die Diensteanbieter, konkret die betroffenen Mitarbeiter in

den Rechenzentren, mit der Vorgehensweise vertraut sind. Ge-

rade in Bezug auf die Tatsache, dass jedes entsprechende Aus-

kunftsersuchen im Zusammenhang mit dynamischen IP-Ad-

ressen in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses fällt,

sollten sich die anfragenden Behörden wiederum streng zu-

rückhalten und im Einzelfall nachweisen, dass ein Auskunfts-

ersuchen verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und ge-

boten ist, um den Zweck des Ersuchens zu rechtfertigen.

Die entsprechende Auskunft von Seiten des Hochschulrechen-

zentrums kann sowohl postalisch als auch per Fax erteilt wer-

den. Eine fernmündliche Auskunftserteilung ist nicht möglich.

Auch kann der elektronische Weg gewählt werden, sofern Da-

tensicherheit und Vertraulichkeit ausreichend gewährleistet

sind. Eine Automatisierung der Anfragen im Sinne eines ent-

sprechenden Abrufverfahrens ist ebenfalls möglich.

Auf die sog. Filesharing-Abmahnungen, also Abmahnungen

aus dem Urheberrecht, hat der Beschluss jedoch keine Aus-

wirkung. Die Provider nehmen die Zuordnung von IP-Adressen

zu einem bestimmten Kunden nicht auf Grundlage des TKG,

sondern nach dem Urhebergesetz vor. Dieses war nicht Gegen-

stand des Beschlusses.

Die Entscheidung des BVerfG ist im Hinblick auf den Daten-

schutz des Einzelnen bzw. die mit der Auskunft über Telekom-

munikationsdaten verbundenen Grundrechtseingriffe zu be-

grüßen. Für die Hochschulen bedeutet dies, dass zumindest

nach Ablauf dieser „Schonfrist“ IP-Adressen nicht mehr zuge-

ordnet und herausgegeben werden dürfen. Hier hat zunächst

der Gesetzgeber seine Hausaufgaben zu erledigen: Erst wenn

die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S.1 TKG dahingehend hinreichend

geregelt ist, ob und wie eine Identifizierung solcher Adressen

erlaubt sein soll, können die Hochschulen diesbezüglich in die

(Auskunfts-)Pflicht genommen werden. Zudem muss zur Aus-

kunftserteilung hinsichtlich anderer Daten als IP-Adressen

eine ausreichend qualifizierte Ermächtigungsgrundlage ge-

schaffen werden. Wie genau eine solche aussieht, muss der Ge-

setzgeber in naher Zukunft zeigen. Hochschulen sollten sich

also bereits jetzt darauf einstellen, dass sich das Regelungsge-

füge der Auskunftspflichten aus § 113 TKG in absehbarer Zeit

stark verändern wird.

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 35

Umgang mit Social Media im Hochschulalltag

Praxistipps zum Umgang mit Social Media und zum Entwurf von Guidelines an Hochschulen

von Johannes Franck

Die Nutzung von sozialen Medien ist inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche vorgedrun-

gen und daher auch aus dem Hochschulalltag nicht mehr wegzudenken. Beinahe jede Hoch-

schule stellt sich selbst über Internetplattformen dar und kommuniziert auf diesem Wege mit

der interessierten Öffentlichkeit. Wegen der vielfältigen Rechtsprobleme im Zusammenhang

mit sozialen Medien werden die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Nutzung an immer mehr

Einrichtungen durch Leitfäden geregelt. Hierbei stellt sich die Frage, was derartige Social Media

Guidelines idealerweise enthalten sollten und auf welchem Wege sie sämtlichen Hochschulmit-

gliedern zur Kenntnis gebracht werden können.

I. Ausgangspunkt

Der Begriff „Social Media“ (bis vor kurzem meist „Web 2.0“ ge-

nannt) ist als Sammelbezeichnung für verschiedene Interne-

tangebote zu verstehen, die sich aus nutzergenerierten Inhal-

ten zusammensetzen. Hierunter fallen beispielsweise soziale

Plattformen und Netzwerke, Foren, Blogs und Mikroblogs oder

Wikis.1 Entsprechend vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten

solcher Dienste. Einerseits können Hochschulen selbst aktiv

durch eigene Angebote auf Facebook, Twitter, XING etc. auf-

treten. Andererseits gilt es, die dienstliche und private Nut-

zung dieser Angebote während oder außerhalb der Arbeitszeit

durch Hochschulmitglieder zu bedenken. Ein Leitfaden kann

hierbei eine wertvolle Hilfestellung bieten. Ziel eines solchen

Leitfadens sollte es sein, beim Umgang mit sozialen Medien

deren Potential optimal auszuschöpfen, ohne dass dabei der

Hochschule Schaden zugefügt wird. Dies kommt sowohl dem

einzelnen Mitglied als auch der Hochschule selbst zu Gute.

II. Der richtige Umgang

Zunächst stellt sich die Frage, welche Aspekte eine Guideline

zum Inhalt haben sollte.

Vermeidung von Anonymität

In sozialen Medien sind Transparenz und Authentizität be-

sonders wichtig. Um dies zu gewährleisten, sollte darauf hin-

gewirkt werden, dass bei beruflichen Äußerungen jeder Mit-

arbeiter entweder unter seinem Klarnamen oder unter einer

offiziellen (und einheitlichen) Bezeichnung der Hochschule

fungiert. Es sollten keine Pseudonyme verwendet werden.

Differenzierung zwischen beruflicher und privater

Nutzung

Unerlässlich ist ferner, zwischen beruflicher und privater

Nutzung zu differenzieren. Dabei ist zu definieren, ob und in

welchem Umfang Mitarbeiter soziale Medien während der Ar-

beitszeit nutzen dürfen. Nach derzeitiger höchstrichterlicher

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die private Inter-

netnutzung grundsätzlich untersagt, wenn dies nicht ausdrück-

lich anders geregelt ist. Bei Verstößen können unter bestimmten

Voraussetzungen Abmahnungen und in besonders gravieren-

den Fälle sogar Kündigungen ausgesprochen werden. Eine be-

rufliche Nutzung hingegen ist grundsätzlich erlaubt. Um diese

für die Mitarbeiter einfacher zu gestalten und Unsicherheiten

zu vermeiden, sollte klar definiert werden, welche Nutzung als

beruflich (und damit als erlaubt) gilt. Außerdem sollten in die-

sem Zusammenhang gegebenenfalls auch zeitliche Begrenzun-

gen für die Nutzung von Social Media bestimmt werden.

Auch Hochschulen, die (noch) nicht in sozialen Netzwerken

aktiv sind, sollten sich diesem Thema keinesfalls verschließen

und die damit verbundenen Probleme im Blick haben. Selbst

wenn eine Hochschule die Verwendung von sozialen Medi-

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en während der Arbeitszeit generell untersagt, können ent-

sprechende Leitlinien helfen. Mitarbeiter könnten auch bei

privatem Gebrauch in ihrer Rolle als Hochschulrepräsentant

wahrgenommen werden. Damit verbunden ist die Gefahr, dass

private Äußerungen von Dritten als offizielle Aussagen der

Hochschule missverstanden werden. Dies gilt es zu vermei-

den, indem etwa darauf hingewirkt wird, dass private Postings

oder Einträge so formuliert werden, dass sie unzweifelhaft als

solche aufgefasst werden. Jeder Mitarbeiter sollte außerdem

darauf hingewiesen werden, dass er für im Internet getätigte

Äußerungen selbst Verantwortung trägt und er dementspre-

chend jede Veröffentlichung sorgfältig abwägen sollte.

Wahrung von Betriebs- und

Geschäftsgeheimnissen

Sämtliche wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mit-

arbeiter sollten eingehend darauf hingewiesen werden, dass

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren sind. So dür-

fen etwa Berichte über Forschungsvorhaben und -ergebnisse

niemals ohne Absprache mit den zuständigen Entscheidungs-

trägern über soziale Medien veröffentlicht werden. Verstöße

hiergegen können sogar strafrechtlich relevant sein.

Umgang mit Rechten Dritter

Bei der Verwendung sozialer Netzwerke kommt der Beachtung

von Rechten Dritter besondere Bedeutung zu. Insbesondere

sind Persönlichkeitsrechte zu achten. Rechtlich unzulässig

sind geschäfts- oder rufschädigende Äußerungen, Drohungen

und Beleidigungen. Hinsichtlich kritischer Äußerungen sollte

auf die fließende Grenze zwischen Tatsachenbehauptungen

und (erlaubten oder verbotenen) Meinungsäußerungen hinge-

wiesen werden. Weiterhin gilt es angesichts der ohne Weiteres

möglichen Vervielfältigung und Verbreitung von Inhalten, die

Urheber- und Nutzungsrechte Dritter zu beachten. Wichtig ist

außerdem die Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen.

Für die Einhaltung dieser Bestimmungen sollten alle Mitarbei-

ter sensibilisiert werden.

Benennung von Verantwortlichen

Weiterhin sollte eine Stelle in der Hochschule benannt werden,

die als zentraler Ansprechpartner für alle (internen) Fragen des

Umgangs mit sozialen Medien sowie (externen) Anfragen von

Nutzern fungiert. Diese Aufgabe ließe sich beim Hochschul-

marketing oder der Öffentlichkeitsabteilung bzw. für techni-

sche Angelegenheiten bei den Rechenzentren ansiedeln.

Sonstiges

Die detaillierte Ausgestaltung der Guidelines hängt von der je-

weiligen Einrichtung ab. Sie sollten immer mit deren „Kultur“,

Wertvorstellungen und Image abgestimmt sein. Oftmals ist es

gewünscht, dass sämtliche Äußerungen in sozialen Medien un-

ter einem einheitlichen Erscheinungsbild („Corporate Design“)

erfolgen. Hierauf kann durch die Verbreitung von Vorlagen oder

Mustern hingewirkt werden. Weiterhin sollte auf die Unterschie-

de und Besonderheiten einzelner Social-Media-Plattformen und

die Einhaltung von deren Nutzungsbedingungen aufmerksam ge-

macht werden. Schließlich ist es für die Etablierung eines Social-

Media-Angebots entscheidend, dass dessen Kontinuität gewähr-

leistet ist. Die Eigenpräsentation einer Hochschule wird nur dann

erfolgreich sein, wenn sie permanent fortgesetzt und aktuell ge-

halten wird. Dafür wird es erforderlich sein, die notwendigen (per-

sonellen und sachlichen) Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.

III. Die Umsetzung

Nachdem man sich über die inhaltliche Ausgestaltung der So-

cial Media Guidelines klar geworden ist, stellt sich die Frage,

wie damit weiterhin zu verfahren ist, um ihnen möglichst weit-

gehend Geltung zu verschaffen. Im Idealfall ist eine rechtliche

Bindung der Hochschulmitglieder an die von der Hochschule

aufgestellten Nutzungsmaßstäbe zu erreichen. Daneben geht

es darum, an das Verantwortungsbewusstsein der User zu ap-

pellieren und ihren Blick für kritische Punkte zu schärfen. Die

Herausbildung der nötigen Kompetenzen im Umgang mit sozi-

alen Medien kann jedoch nur bei einer tatsächlichen Auseinan-

dersetzung mit den Guidelines Erfolg haben.

Einzelvertragliche Ergänzung zum

Arbeitsvertrag

Zwecks Rechtsverbindlichkeit könnten Social Media Guideli-

nes gemeinsam mit dem Arbeitsvertrag jedem einzelnen Mit-

arbeiter zur Kenntnisnahme und Unterzeichnung vorgelegt

werden. Da verbeamtete Hochschulmitglieder jedoch keinen

Arbeitsvertrag mit der Hochschule haben, sondern durch die je-

weilige Körperschaft (i. d. R. das jeweilige Bundesland) bestellt

werden, wäre ein derartiges Vorgehen hier nicht praktikabel.

Denn selbst wenn das zuständige Bundesland bei der Verbeam-

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tung auf eine Guideline hinweisen würde, wäre dies nur sinn-

voll, wenn es eine „zentrale“ Guideline für alle Hochschulen

des Bundeslandes gäbe. Dies ist indes nicht zu erwarten. Über-

dies wäre diese Lösung voraussichtlich mit einem immensen

Verwaltungsaufwand verbunden. Dies gilt insbesondere für

bereits bestehende Arbeitsverhältnisse, bei denen eine Unter-

zeichnung nachgeholt werden müsste. Darüber hinaus fallen

Nebenabreden zu Arbeitsverträgen regelmäßig in den Mitbe-

stimmungsbereich des Personalrats (z. B. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

LPVG NW), was zusätzliche Umsetzungshürden mit sich bringt.

Allgemeines Direktionsrecht

Zur rechtlichen Etablierung von Social Media Guidelines im Ver-

hältnis zu ihren Mitarbeitern kann die Hochschule ihr sogenann-

tes Direktionsrecht geltend machen. Darunter ist das Recht des

Arbeitgebers zu verstehen, die vom Arbeitnehmer geschuldete

Arbeitsleistung näher zu konkretisieren, soweit diese nicht im

Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinba-

rung abschließend geregelt ist. Hierdurch kann der Arbeitgeber

gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern verbindliche Regelungen

betreffend eines bestimmten Sachverhalts schaffen. Für Beam-

te ergibt sich die Weisungsgebundenheit aus § 35 Beamtensta-

tusgesetz, für alle anderen Mitarbeiter aus § 106 GewO.

Dienstvereinbarung

Denkbar wären auch Dienstvereinbarungen. Diese gelten un-

mittelbar gegenüber allen Arbeitnehmern einer Einrichtung.

Sie kommen im öffentlichen Dienst durch eine Vereinbarung

zwischen der Hochschule und dem Personalrat zustande.

Rechtsgrundlage für eine Dienstvereinbarung ist das jeweilige

Landespersonalvertretungsgesetz. Es kommt dabei aber nicht

darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer davon weiß oder

nicht. Hinsichtlich des Interesses an einer breiten Wahrneh-

mung des Guides sind Dienstvereinbarungen allein deshalb

denkbar ungeeignet. Die jeweiligen Fachbereiche oder ander-

weitigen Organisationseinheiten wären dann zusätzlich dazu

angehalten, die Arbeitnehmer von den Dienstvereinbarungen

in Kenntnis zu setzen bzw. jene gegebenenfalls sogar im Um-

gang mit den modernen Kommunikationsmitteln zu schulen.

(Grund)-Ordnung/Bestimmungen/Satzung

Letztlich wäre die Schaffung von hochschuleigenen Verord-

nungen oder Satzungen möglich. Im Gegensatz zu privat-

wirtschaftlichen Unternehmen können öffentlich-rechtliche

Körperschaften Grundordnungen und Satzungen erlassen.

Der Erlass einer solchen Verordnung muss auf einer Ermäch-

tigungsgrundlage beruhen, die sich meist aus dem jeweiligen

Landeshochschulgesetz ergibt (z. B. § 10 Abs. 4 S. 1 HG NRW).

Durch die Veröffentlichung in den Amtlichen Bekanntmachun-

gen der Hochschule werden die hier dokumentierten Beschlüs-

se grundsätzlich rechtswirksam. Allerdings ist auch bei dieser

Lösung davon auszugehen, dass nicht alle Hochschulmitglie-

der die Regelungen tatsächlich zur Kenntnis nehmen, sodass

zusätzlich eine anderweitige Verbreitung erforderlich wäre.

Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass auch die Studieren-

den als größte Gruppe der Hochschulmitglieder eingebunden

werden sollten. Die Tatsache, dass zwischen diesen und der

Hochschule regelmäßig kein arbeitsrechtliches Verhältnis be-

steht, spricht ebenfalls dafür, Regelungen (auch) außerhalb

des Arbeits- bzw. Personalrechts zu schaffen und zu verbrei-

ten. Es sollte daher nach Lösungen gesucht werden, die alle

Hochschulangehörigen schult und verpflichtet.

Bekanntmachungen, Aushänge

Um eine möglichst breite tatsächliche Wahrnehmung zu ge-

währleisten, sollten Guidelines durch einfache Bekanntma-

chungen, Aushänge oder E-Mails verbreitet werden. Damit

können sämtliche Maßnahmen zur Herstellung rechtlicher

Verbindlichkeit ergänzt werden.

IV. Fazit

Sowohl die inhaltliche Gestaltung als auch die spätere Verbrei-

tung von Social Media Guidelines ist nicht unproblematisch

und bedarf gründlicher Vorüberlegungen. Diese Anstrengun-

gen werden aber durch den durch (rechtskonformen) Umgang

mit Social Media geschaffenen Mehrwert aufgewogen. Gut ge-

staltete Leitfäden helfen sowohl der Hochschule als auch den

einzelnen Mitgliedern und lohnen sich daher fast immer.

Anmerkungen

1 Ausführliche Erläuterung der verschiedenen rechtlichen As-

pekte von sozialen Netzwerken in: DFN-Infobriefe 5 und 6/2011

sowie 1/2012.

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Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet erleichtert

Bundesgerichtshof klärt Voraussetzungen des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Access-Provider

von Florian Klein

Um Urheberrechtsverletzungen im Internet verfolgen zu können, müssen die verletzten Recht-

einhaber ausfindig machen, wer sich hinter den jeweiligen IP-Adressen verbirgt. Dabei sind sie

zwingend auf die Mithilfe des jeweiligen Access-Providers angewiesen. Dies können auch die

Hochschulrechenzentren sein, welche den Studenten oder Mitarbeitern einen Internetzugang

zur Verfügung stellen. Die Verpflichtung, hier tätig zu werden, ergibt sich aus § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

Urheberrechtsgesetz (UrhG), der dem Rechteinhaber einen entsprechenden Auskunftsanspruch

gewährt. Es war jedoch lange Zeit ungeklärt, welcher Grad von Rechtsverletzung erforderlich ist,

damit dieser geltend gemacht werden konnte. Mit Beschluss vom 19. April 2012 (Az.: I ZB 80/11)

hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein überraschendes Machtwort gesprochen und den Anwen-

dungsbereich dieses Anspruchs deutlich erweitert. So kann ein Auskunftsanspruch gegen einen

Access-Provider auch dann schon bestehen, wenn die Urheberrechtsverletzung nur ein geringes

Ausmaß erreicht. Ein gewerbliches Ausmaß – wie zuvor von den Oberlandesgerichten gefordert –

kann in Zukunft jedenfalls nicht mehr verlangt werden.

I. Die Rolle der Access-Provider

Urheberrechtsverletzungen sind im Internet an der Tagesord-

nung. Unter dem Deckmantel der vermeintlichen Anonymität

des Internets und aufgrund der verbreiteten Mentalität der

Gratiskultur ist die Hemmschwelle für einen Eingriff in Rechte

des geistigen Eigentums gering. Insbesondere Online-Tausch-

börsen bieten dafür eine geeignete Plattform. Obwohl die

Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet durch einige

„Abmahn-Anwälte“ in der öffentlichen Wahrnehmung in Ver-

ruf geraten ist, darf nicht vergessen werden, dass viele Recht-

einhaber durchaus ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse

daran haben, gegen Rechtsverletzer auf dem Rechtsweg vor-

zugehen. § 101 Abs. 1 UrhG gewährt ihnen daher einen Aus-

kunftsanspruch über die Einzelheiten der Verletzung, welcher

gegen die Rechtsverletzer gerichtet ist. Wenn man diesen je-

doch nicht kennt, ist der Auskunftsanspruch faktisch wertlos.

Für eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung bedarf es da-

her immer der Kenntnis der Identität des Rechtsverletzers. Et-

waig vorhandene Nutzernamen geben darüber in aller Regel

keinen Aufschluss. Die IP-Adresse der Nutzer, welche mittels

spezieller Software ermittelt werden kann, ist zumeist das

einzige verlässliche Datum, welches den Rechteinhabern be-

kannt ist. Wem diese IP-Adresse jedoch im Zeitpunkt der Vor-

nahme der verletzenden Handlung zugeordnet war, wissen

nur die Access-Provider, die den Nutzern den Zugang zum In-

ternet gewährt haben, sofern sie die entsprechenden Daten

gespeichert haben. Da ohne deren Mitwirkung eine Rechts-

verfolgung nicht möglich ist, gewährt § 101 Abs. 2 UrhG den

Rechteinhabern einen Auskunftsanspruch auch gegen Dritte,

insbesondere gegen den Access-Provider.

II. Die Entscheidung des BGH zum „gewerblichen Ausmaß“

Dieser Aukunftsanspruch existiert seit dem 1.9.2008 und be-

ruht auf der Umsetzung europäischen Rechts. Nach dem Wort-

laut der Norm richtet er sich gegen eine Person, die in gewerb-

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 39

lichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte

Dienstleistungen erbracht hat. Rechtsprechung und Lehre

waren sich bisher uneins über die Frage, ob es ausreicht, dass

die Erbringung der Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß er-

folgt oder ob zusätzlich erforderlich ist, dass auch die Rechts-

verletzung in gewerblichem Ausmaß stattgefunden hat. Unter

Rechtsverletzung ist dabei jede Handlung zu verstehen, die ge-

gen das Urheberrecht verstößt. Als Beispiel sei der unerlaubte

Upload bzw. Download eines Films oder Musikstücks genannt.

In den knapp vier Jahren des Bestehens der Vorschrift hat sich

die herrschende Meinung in der (obergerichtlichen) Rechtspre-

chung dafür ausgesprochen, auch ein gewerbliches Ausmaß

der Rechtsverletzung zu verlangen. Gleichzeitig wurden einige

Kriterien entwickelt, die für die Bejahung eines gewerblichen

Ausmaßes herangezogen werden konnten. Dazu gehören so-

wohl qualitative als auch quantitative Kriterien wie zum Bei-

spiel die Aktualität und Popularität des Werkes, die Anzahl der

betroffenen Werke und die Art der Rechtsverletzung (Upload

oder Download). Insbesondere wenn nur ein einziger Film

bzw. ein einzelnes Musikstück hochgeladen wurde, war um-

stritten, ob dies schon eine Rechtsverletzung in gewerblichem

Ausmaß darstellte.

Trotz dieser klaren Tendenz vieler Obergerichte, auch ein ge-

werbliches Ausmaß der Rechtsverletzung zu verlangen, hat

der BGH nun festgestellt, dass das gewerbliche Ausmaß nur

bei der Erbringung der Dienstleistung der Access-Provider ge-

geben sein muss. Dies eröffnet Rechteinhabern den Weg, Aus-

kunft auch dann zu beanspruchen, wenn die Nutzer nur eine

„einfache“ Rechtsverletzung begangen haben, die ein gewerb-

liches Ausmaß nicht erreicht. Eine solche liegt bei jedem Ver-

stoß gegen das Urheberrecht vor. Es kommt somit nicht mehr

darauf an, ob schon der unbefugte Upload eines einziges Wer-

kes überhaupt als Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß

eingestuft werden kann bzw. wann eine Verletzung in gewerb-

lichem Ausmaß vorliegt.

Zur Begründung stützt sich der BGH neben Wortlaut und

Systematik vor allem auf den Sinn und Zweck der Norm.

Der Auskunftsanspruch gegen den Access-Provider sei kein

Hilfsanspruch, der hauptsächlich der Vorbereitung des

Auskunftsanspruchs gegen den Verletzer diene. Stattdes-

sen habe er primär den Zweck, überhaupt erst die Identi-

tät des Rechtsverletzers zu ermitteln. Somit diene er der

Vorbereitung von Unterlassungs- und Schadensersatz-

ansprüchen gegen den Verletzer, weshalb seine Voraus-

setzungen auch an dem für diese Ansprüche geltenden

§ 97 UrhG zu messen seien. Da aber für Unterlas-

sungs- und Schadensersatzansprüche im Rahmen von

§ 97 UrhG jede Rechtsverletzung ausreicht, könne auch für

den Auskunftsanspruch kein gewerbliches Ausmaß der Rechts-

verletzung erforderlich sein. Des Weiteren müsse verhindert

werden, dass der Rechteinhaber bei Verletzungen nicht ge-

werblichen Ausmaßes faktisch schutzlos gestellt werde. Ziel

des Gesetzes sei schließlich eine wirksame Bekämpfung von

Urheberrechtsverletzungen im Internet.

Ein solches Verständnis der Vorschrift sei gerechtfertigt, weil

„einfache“ Rechtsverletzungen im Internet in sehr großer An-

zahl erfolgen und dadurch die wirtschaftlichen Interessen des

Rechteinhabers in erheblichem Maße beeinträchtigt werden,

selbst wenn jeder einzelnen Verletzung für sich kein besonde-

res Gewicht zukommt.

Diesem Verständnis stehe auch nicht die Tatsache entgegen,

dass in den anderen Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigen-

tums (z. B. Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Geschmacks-

mustergesetz, Markengesetz) vergleichbare Auskunftsansprü-

che nur begründet sind, wenn auch die Rechtsverletzung ein

gewerbliches Ausmaß erreicht. Denn dies beruhe auf der Be-

sonderheit des Urheberrechts, welches im Gegensatz zu den

anderen Schutzrechten auch Handlungen erfasse, welche im

privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken und damit

außerhalb des geschäftlichen Verkehrs vorgenommen werden.

III. Die übrigen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs

Einschränkungen erfährt der Auskunftsanspruch aber nach

wie vor durch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen. So

muss es sich entweder um einen Fall offensichtlicher Rechts-

verletzung handeln oder der Verletzte muss gegen den Verlet-

zer schon Klage erhoben haben. Letztere Variante dürfte bei

Ansprüchen auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse

kaum praktisch relevant werden, da es ja gerade um die Vor-

bereitung einer Klage gegen den bisher noch unbekannten

Verletzer geht. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung, wenn

sie so eindeutig ist, dass eine ungerechtfertigte Belastung der

Beteiligten, insbesondere des Auskunftsschuldners, ausge-

schlossen erscheint. Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll vor

allem eine willkürliche Ausforschung der Access-Provider aus-

geschlossen werden, welche quasi „ins Blaue hinein“ erfolgt.

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Anspruchsgegner und damit Auskunftsverpflichteter ist der-

jenige Access-Provider, der die Dienstleistungen, die für die

rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzt wurden, in gewerbli-

chem Ausmaß erbracht hat. Dies dürfte jedoch auf nahezu alle

Hochschulen zutreffen, die ihren Studenten und Mitarbeitern

einen Internetzugang zur Verfügung stellen.

Für das Kriterium des gewerblichen Ausmaßes der Dienstleis-

tungserbringung kommt es nicht darauf an, dass der Dienst-

leister kommerzielle Interessen verfolgt. Entscheidend ist

vielmehr, dass die Dienste in einem Umfang erbracht werden,

welcher mit dem eines gewerblichen Diensteanbieters ver-

gleichbar ist (s. hierzu schon Hoeren/Obex: „Urheberrechtsver-

letzungen im Internet“, DFN-Infobrief Recht Juni 2009).

Zu guter Letzt darf die Inanspruchnahme auf Auskunftsertei-

lung nicht unverhältnismäßig sein. Eine Unverhältnismäßig-

keit wird jedoch nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, wenn

der Rechtsinhaber kein oder nur ein sehr geringes Interesse

daran hat zu erfahren, wer der Rechtsverletzer ist. Ein Beweis

in dieser Hinsicht dürfte schwierig zu erbringen sein.

IV. Besonderheit bei Auskünften über Verkehrsdaten

Unbedingt zu beachten ist jedoch sowohl vom Auskunftsver-

pflichteten als auch vom Auskunftsberechtigten, dass hin-

sichtlich der Auskunft über Verkehrsdaten (gem. § 3 Nr. 30 Te-

lekommunikationsgesetz) besondere Anforderungen gelten.

Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass diese dem grundrechtli-

chen Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 Grund-

gesetz) unterliegen. Wenn der Access-Provider zur Erfüllung

des Auskunftsanspruchs Verkehrsdaten verwenden muss, ob-

liegt es dem Auskunftsberechtigten zunächst eine richterliche

Anordnung zu erwirken, welche die Zulässigkeit der Verwen-

dung der Verkehrsdaten feststellt. Die Kosten der richterli-

chen Anordnung hat dabei der Verletzte, also der Rechteinha-

ber, zu tragen.

Regelmäßig werden die IP-Adressen, deren Inhaber ermittelt

werden sollen, dynamische IP-Adressen sein, welche nicht

dauerhaft einem bestimmten Nutzer zugeordnet sind, son-

dern nur für jeweils eine Sitzung. Da eine Zuordnung somit nur

unter Verwendung von Verkehrsdaten (z. B. Datum und Uhrzeit

der Verbindung) möglich ist, ist hierfür stets eine richterliche

Anordnung erforderlich. Ohne diese dürfen keine Daten über

die Person des Verletzers herausgegeben werden. Hierzu hat

der BGH in seiner Entscheidung ergänzend klargestellt, dass

der Antrag auf Erlass einer solchen richterlichen Anordnung

zwar grundsätzlich einer Abwägung der betroffenen Rechte

der verschiedenen Beteiligten bedürfe, dieser aber in aller Re-

gel ohne weiteres begründet sein sollte. Somit stellt die Not-

wendigkeit einer richterlichen Anordnung nur eine sehr niedri-

ge Hürde dar, welche aber keinesfalls missachtet werden darf.

Praktisch relevant ist schließlich noch, dass der Access-Provi-

der, der zur Auskunft verpflichtet ist, von demjenigen, der die

Auskunft begehrt, Ersatz der zur Auskunftserteilung erforder-

lichen Aufwendungen verlangen kann.

V. Bewertung und Ausblick

Die Anspruchsvoraussetzung des „gewerblichen Ausmaßes“

hat durch diese Entscheidung eine erhebliche Einschränkung

erfahren, da sie nicht mehr doppelt angewendet werden muss

(zum einen auf die Dienstleistung des Access-Providers, zum

anderen auf die Rechtsverletzung), was wiederum zu einer

Ausweitung der Auskunftsverpflichtung der Access-Provider

führt.

Es ist zu erwarten, dass diese Entscheidung spürbare Konse-

quenzen für die Hochschulrechenzentren haben wird. Schon

bisher wurden Access-Provider und entsprechend auch die Ge-

richte mit Auskunftsbegehren der Rechteinhaber, häufig in Ge-

stalt der großen Verwerterunternehmen, überzogen, denen il-

legale Online-Tauschbörsen ein Dorn im Auge sind. Durch seine

Entscheidung hat der BGH die Schleusen noch weiter geöffnet

und die Erfolgschancen solcher Auskunftsbegehren deutlich

gesteigert. Es wird für Rechteinhaber daher interessanter, die

Durchsetzung ihrer Rechte zu forcieren und auch gegen klei-

nere Rechtsverletzungen vorzugehen, um einen möglichst um-

fangreichen Schutz zu realisieren. Rechtsverletzer müssen in

Zukunft stärker als zuvor mit einer Inanspruchnahme auf Un-

terlassung oder gar Schadensersatz rechnen und Hochschul-

rechenzentren und andere Access-Provider werden häufiger

mit Anfragen nach der Identität von IP-Adressen-Inhabern kon-

frontiert werden.

Trotz der Fragwürdigkeit mancher Argumente des BGH ist

zumindest zu begrüßen, dass mit dieser Entscheidung ein ge-

wisses Maß an Rechtssicherheit eingekehrt ist. Rechteinhaber

sind nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, dass die Gerichte den

Anspruch mangels gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverlet-

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zung, welches jeweils nur im Einzelfall festgestellt werden

konnte, abweisen. Denn auch die hierfür – von Seiten der Ober-

landesgerichte – aufgestellten Kriterien variierten stark oder

wurden unterschiedlich gewichtet. Der größte verbleibende

Unsicherheitsfaktor bei der Geltendmachung dieses Aus-

kunftsanspruchs ist für die Rechteinhaber nunmehr nur noch

die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung.

Die Access-Provider sind vor den Unwägbarkeiten der Nor-

manwendung im Einzelfall insofern gefeit, als in den meisten

Fällen dynamische IP-Adressen und damit Verkehrsdaten be-

troffen sein werden, sodass eine richterliche Anordnung er-

forderlich ist. Diese nimmt insofern den Access-Providern bzw.

den Hochschulrechenzentren die Prüfung der Offensichtlich-

keit ab. Daher ist jedem Access-Provider, insbesondere auch

den Hochschulrechenzentren zu raten, dem Auskunftsbegeh-

ren erst bei Vorlage einer solchen richterlichen Anordnung

nachzukommen.

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Rapidshare vs. Rechteinhaber – Ende einer unendlichen Geschichte?

Bundesgerichtshof bezieht Stellung zur Haftung von File-Hosting-Diensteanbietern bei Urheberrechtsverletzungen

von Kevin Kuta

Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in seinem Urteil vom 12.07.2012 (Az. I ZR 18/11) erstmals zur

Haftung von File-Hosting-Diensten wie „Rapidshare.com“ für Urheberrechtsverletzungen Stel-

lung bezogen. Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hat

entschieden, dass Betreiber so genannter File-Hosting-Dienste bei begangenen Urheberrechts-

verletzungen der Nutzer grundsätzlich weder Täter noch Gehilfen seien. Sollten sie jedoch Prü-

fungspflichten verletzt haben, komme eine Haftung als Störer auf Unterlassung in Betracht.

I. Einleitung

Sowohl im Privaten als auch im Berufsleben drängen Faktoren

wie Mobilität und Effektivität stark in den Vordergrund. Um

diesen Ansprüchen gerecht werden zu wollen, müssen Mitar-

beiter und Studenten ihre Arbeitsmaterialien im Idealfall 24

Stunden am Tag direkt abrufbar haben. Sobald man Dateien

ausschließlich auf der Festplatte eines Laptops oder PCs spei-

chert, ist man an das entsprechende Gerät gebunden. Zwar

kann man die entsprechenden Daten auch auf einer externen

Festplatte oder einem Memory-Stick speichern, um eine größe-

re Mobilität zu erreichen. Jedoch kann es beim Anschluss die-

ser Geräte an die IT-Endgeräte eines Unternehmens oder einer

Hochschule Probleme geben. Eine einfachere und handlichere

Möglichkeit zur zentralen Datenspeicherung und -verwaltung

stellen sog. File-Hosting-Dienste dar, die teilweise auch unter

den Bezeichnungen Sharehoster, One-Klick-Hoster, Filehoster

oder Cyberlocker kursieren.

Diese Anbieter stellen ihren Nutzern virtuellen Speicherplatz

zur Verfügung. Die Nutzer können ihre persönlichen Datei-

en auf der Internetseite der Diensteanbieter hochladen und

damit auf deren Servern speichern. Der Abruf dieser Dateien

geschieht denkbar einfach: Nach dem Hochladen wird dem

Nutzer ein Link zur Verfügung gestellt, über den die abgeleg-

te Datei abgerufen werden kann. Durch diese Form der Daten-

speicherung ist eine größtmögliche Mobilität und Effektivität

gewährleistet. Man benötigt lediglich einen Internetzugang.

Dementsprechend besteht gerade bei der Nutzung größerer

Datenmengen ein beträchtliches Interesse und Bedürfnis an

der legalen Nutzungsmöglichkeit dieser Dienste, weswegen

diese auch in großer Zahl vorhanden und üblich sind. Durch

die einfache Handhabung dieser Plattformen wird jedoch auch

dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Im Mittelpunkt stehen

hier vor allem Urheberrechtsverletzungen, insbesondere in

den Bereichen Musik, Film und Software.

Hochschulen stellen ihren Mitarbeitern und Studenten häufig

Speicherplatz zur Verfügung. Darüber hinaus bieten sie viel-

fach Lernplattformen sowie Speicherplatz für Webseiten von

Studenteninitiativen oder Drittmittelprojekten an. Damit tre-

ten sie in ähnlicher Weise als Host-Provider auf.

II. Bisherige Rechtslage

Die Rechtsprechung war bisher sehr uneinig, was die Behand-

lung von File-Hosting-Diensten und deren Haftung für Urhe-

berrechtsverletzungen betrifft. Dabei haben sich zwei Lager

herauskristallisiert.

Zugunsten von Host-Providern spricht sich das OLG Düsseldorf

(Urteil vom 27.04.2010 – Az. I-20 U 166/09 – „Rapidshare“; Urteil

vom 06.07.2010 – Az. I-20 U 8/10 – „Rapidshare II“; Urteil vom

21.12.2010 – Az. I-20 U 59/10 – „Rapidshare III”) aus. Erfolgt nach

der Speicherung auf dem Speicherplatz des Host-Providers ein

öffentliches „Zugänglichmachen” im Sinne des § 19a Urheber-

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 43

rechtsgesetz (UrhG), ist nach Ansicht des Gerichts der Host-Pro-

vider nur dann verantwortlich, wenn er im zumutbaren Umfang

von der Veröffentlichung Kenntnis erlangt hat und eine solche

Veröffentlichung hätte unterbinden können. Nach dieser Auf-

fassung hat daher zunächst eine Sperrung der beanstandeten

Datei zu erfolgen. Des Weiteren muss neben dieser Sperrung

die zumutbare Vorsorge getroffen werden, dass es möglichst

nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.

Gegenteiliger Ansicht ist das OLG Hamburg (Urteil vom 02.07.2008

– Az. 5 U 73/07 – „Rapidshare“; Urteil vom 14.03.2012 – Az. 5 U

87/09). Nach dessen Auffassung leistet ein Geschäftsmodell, das

auf Grund seiner Struktur die Möglichkeit des anonymen Hoch-

ladens in Pakete zerlegter, gepackter und mit Kennwort gegen

den Zugriff geschützter Dateien eröffnet, der massenhaften Be-

gehung von Urheberrechtsverletzungen wissentlich Vorschub.

Ein derartiges Modell könne nicht von der Rechtsordnung ge-

billigt werden. Lässt der Host-Provider in Kenntnis begange-

ner Urheberrechtsverletzungen weiterhin einschränkungslos

eine anonyme Nutzung seines Dienstes zu, schneidet er dem

verletzten Urheber den erforderlichen Nachweis wiederholter

Begehungshandlungen ab, welchen dieser benötigt, um sei-

ne Rechte erfolgreich und wirksam durchsetzen zu können. In

diesem Fall kann sich der Betreiber zur Vermeidung seiner Ver-

antwortlichkeit als Störer unter bestimmten Voraussetzungen

nicht mehr auf eine ansonsten gegebenenfalls bestehende Un-

zumutbarkeit umfangreicher Prüfungspflichten berufen. Damit

spricht sich diese Ansicht bei begangenen Schutzrechtsverlet-

zungen neben einer Sperrung für umfassende Prüfungspflich-

ten der Speicherplattformbetreiber aus.

III. Neuerungen durch das Urteil des BGH

Mit dem Urteil des BGH vom 12.07.2012 liegt nun erstmals die

Entscheidung eines obersten Gerichtes zu dieser Thematik vor.

Nach Ansicht des BGH können File-Hosting-Diensteanbieter

für nutzerseitige Urheberrechtsverletzungen erst dann in An-

spruch genommen werden, wenn sie auf eine eindeutige und

gleichartige Rechtsverletzung hingewiesen worden sind.

1. Keine Prüfungspflicht ohne tatsächliche

Anhaltspunkte

File-Hosting-Diensteanbieter kennen den Inhalt der hochgela-

denen Dateien nicht. Weiterhin unterhalten sie kein Inhalts-

verzeichnis dieser Dateien. Es besteht jedoch die Möglichkeit,

dass Dritte nach bestimmten Dateien auf den Servern der File-

Hosting-Dienstebetreiber suchen können. Dies ist einerseits

durch die Verwendung bestimmter Begriffe mittels der allge-

meinen Suchmaschinen möglich. Darüber hinaus gibt es aber

auch spezielle Suchmaschinen, die als sog. Link-Sammlungen

bezeichnet werden. Diese Suchmaschinen durchsuchen aus-

schließlich die Sammlungen der von den File-Hosting-Diensten

an den Nutzer übermittelten Links und zeigen Dritten alle er-

hältlichen Links zu einem von ihnen gewählten Schlagwort an.

Durch das Hochladen der Dateien werden diese öffentlich zu-

gänglich gemacht und können auch von Dritten heruntergela-

den werden. Die Nutzer dieses Dienstes laden ihre Dateien ohne

vorherige Kenntnis der Betreiber hoch. Damit ist der Betreiber

bei einer durch das Hochladen möglicherweise begangenen

Urheberrechtsverletzung weder Täter noch Gehilfe. Dagegen

kommt aber bei der Verletzung von Prüfungspflichten eine

Haftung auf Unterlassung als Störer in Betracht. File-Hosting-

Dienstebetreiber sind als Diensteanbieter im Sinne des § 10

Telemediengesetz (TMG) anzusehen. Als solche müssen sie die

auf ihren Servern gespeicherten Daten nicht allgemein und pau-

schal auf Rechtsverletzungen überprüfen. Man könnte anderer-

seits annehmen, dass eine solche umfassende Prüfungspflicht

etwa deswegen geboten ist, weil derartige Dienste für Urheber-

rechtsverletzungen besonders anfällig wären. Dieser Ansicht

erteilt der BGH jedoch eine klare Absage. Dies vor allem aus

dem Grund, dass legale Nutzungsmöglichkeiten dieser Dienste

in starker Zahl vorhanden und üblich sind und gleichzeitig ein

großes Interesse für eine derartige Nutzung besteht. Daher ent-

steht nach Auffassung des BGH eine Prüfungspflicht der Dien-

steanbieter erst in dem Zeitpunkt, in dem sie auf eine eindeuti-

ge Rechtsverletzung hinsichtlich des jeweiligen Schutzobjekts

(sei es ein Musiktitel, ein Film, ein Softwareprodukt, ein Compu-

terspiel oder ähnliches) hingewiesen worden sind.

2. Die zumutbaren Prüfungspflichten in Bezug

auf vergleichbare Rechtsverletzungen

Im konkreten Fall hatte die Schutzrechtsinhaberin dem Dien-

steanbieter einen Hinweis gegeben, dass eines ihrer Compu-

terspiele auf den Servern des File-Hosting-Dienstebetreibers

zum Download bereitsteht. Daraufhin hatte der Diensteanbie-

ter die entsprechende Datei umgehend gelöscht. Dabei hat er

es aber unterlassen zu überprüfen, ob auf seinen Servern wei-

tere Dateien anderer Nutzer liegen, die auch das Computer-

spiel der Schutzrechtsinhaberin beinhalten, sodass im Ergeb-

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nis das Spiel weiterhin heruntergeladen werden konnte. Nach

Ansicht des Gerichts war es in diesem konkreten Fall nicht

ausreichend, dass seitens des Diensteanbieters nur die kon-

kret bezeichnete rechtsverletzende Datei gelöscht wurde. Der

Betreiber des File-Hosting-Dienstes hätte darüber hinaus alle

ihm technisch und wirtschaftlich zumutbaren Möglichkeiten

ergreifen und ausschöpfen müssen, um ein wiederholtes An-

gebot desselben Schutzobjekts durch andere Nutzer auf den

Servern des Betreibers zu verhindern. Hinsichtlich der Zumut-

barkeit schränkte der BGH die Prüfungspflichten dahingehend

ein, dass Maßnahmen das Geschäftsmodell der Betreiber nicht

gefährden dürfen. Nach Auffassung des Gerichts kann die Prü-

fungspflicht in diesem Fall möglicherweise deswegen verletzt

worden sein, da der Betreiber keinen Wortfilter für den zusam-

menhängenden Namen des Schutzobjekts zur Überprüfung

der auf ihren Servern befindlichen Dateinamen verwendet hat.

Im konkreten Fall erfolgte jedoch hinsichtlich der Verletzung

der Prüfungspflicht seitens des Diensteanbieters keine ab-

schließende Entscheidung, sondern die Sache wurde vom

BGH zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Be-

rufungsgericht zurückverwiesen. Grund dafür war, dass die

getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Hinblick

auf die Zumutbarkeit von Überprüfungsmaßnahmen nicht

ausreichend seien.

IV. Fazit

Durch die Zurückverweisung an das Berufungsgericht bleibt

eine eindeutige, höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haf-

tung von File-Hosting-Dienstebetreibern für Urheberrechts-

verletzungen weiterhin aus. Jedoch kann man der Entschei-

dung des BGH erste Tendenzen entnehmen. Bestätigt wurde,

dass eine Prüfungspflicht für derartige Diensteanbieter erst in

dem Zeitpunkt entsteht, in dem er auf eine eindeutige Rechts-

verletzung hingewiesen worden ist. Jedoch bleibt abzuwar-

ten, wie das Berufungsgericht hinsichtlich der sich darüber

hinausgehenden Prüfungspflichten entscheiden wird. Der

BGH hat nämlich auch eine proaktive Prüfungspflicht ins Spiel

gebracht, indem er vorgibt, dass die bloße Löschung der bean-

standeten Datei nicht ausreicht. Vielmehr müsse darüber hin-

aus alles technisch und wirtschaftlich Zumutbare veranlasst

werden, um eine erneute Downloadmöglichkeit des Schutzob-

jekts durch das Hochladen der Datei seitens anderer Nutzer

zu unterbinden. Es müsse auch im Falle eines Hinweises auf

eine Rechtsverletzung überprüft werden, ob die entsprechen-

den Dateien neu hochgeladen werden. Dabei wird der Einsatz

technischer Filter erwähnt. Speziell zu nennen wären hier

Musik- oder Videofilter. Auch der Einsatz eines Wortfilters zur

Überprüfung der auf dem Server des Betreibers gespeicherten

Dateien wäre denkbar. Jedoch könnte man dabei an der Effek-

tivität zweifeln. Die bloße Umbenennung der Datei würde ei-

ner erfolgreichen Überprüfung entgegenwirken. Bei Urheber-

rechtsverletzungen auf derartigen Speicherplattformen sind

die Täter nur schwer identifizierbar. Daher nimmt der BGH die

Intermediäre stärker in die Pflicht. Die rein passive Reaktion

auf Hinweise von Dritten genügt nicht mehr. Vielmehr müs-

sen die Betreiber solcher Speicherplattformen aktiv Urheber-

rechtsverletzungen unterbinden.

Für Hochschulen ist dieses Urteil im Hinblick auf die Bereitstel-

lung von Speicherplatz interessant, da sie in diesem Fall als

Host-Provider einzuordnen sind. Charakteristisch für Host-Pro-

vider ist, dass sie die technische Infrastruktur zur Verfügung

stellen, um Nutzern die Möglichkeit zu bieten, Inhalte zu hin-

terlegen, auf welche die Nutzer dann persönlich oder aber auch

(autorisierte) Dritte zugreifen können. Es bleibt aber unsicher,

ob die Grundsätze des BGH auch uneingeschränkt auf Hoch-

schulen übertragen werden können, zumal es sich bei dem

Diensteanbieter im beschriebenen Fall um einen kommerzi-

ellen File-Hosting-Dienst handelte. Generell kann aber festge-

halten werden, dass die Hochschule jedenfalls dann aktiv wer-

den muss, wenn der Hinweis eines Dritten auf eine konkrete

Rechtsverletzung vorliegt. Ob die vom BGH geforderten wei-

tergehenden Prüfungspflichten auch die Hochschulen treffen

werden, ist nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung

offen, jedoch wohl zu verneinen, da es sich bei Hochschulen

eben nicht um kommerzielle Diensteanbieter handelt, wobei

der kommerzielle Charakter ein wesentlicher Aspekt für die

Begründung weitergehender Prüfpflichten darstellt.

Im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung der Prüfungspflich-

ten sowie deren technischen und wirtschaftlichen Zumutbar-

keit bleibt nun die erneute Entscheidung des Berufungsge-

richts abzuwarten.

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 45

Nach dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz ist das Recht des Urhebers darüber zu ent-

scheiden, ob sein Werk verbreitet werden darf, erschöpft, wenn er dieses willentlich in den Wirt-

schaftsverkehr gebracht hat. Die Anwendung dieses allgemeinen urheberrechtlichen Prinzips

war im Bereich des Softwareurheberrechts bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

(EuGH) vom 03.05.2012 (Rs. C – 128/11) für Fälle höchst umstritten, in denen Software nicht auf ei-

nem Datenträger, sondern über einen Download seitens des Urhebers verkauft wurde. In seinem

nun vorliegenden Urteil hat der EuGH auch für diesen Fall eine Anwendbarkeit des Erschöpfungs-

grundsatzes bejaht und darüber hinaus weitere wichtige Aussagen für den Online-Softwarehan-

del getroffen.

I. Sachverhalt der Entscheidung

Der Entscheidung des EuGH lag ein Rechtsstreit zwischen

Oracle und Usedsoft zu Grunde. Oracle erstellt und vertreibt

Computerprogramme. Dabei bietet das Unternehmen als Ver-

triebsweg die Möglichkeit an, die gekaufte Software direkt

von der Internetseite Oracles auf den eigenen Computer via

Download herunterzuladen. Das von Oracle den Erwerbern

verschaffte, dauerhafte Nutzungsrecht an der Software um-

fasst die Möglichkeit, das Computerprogramm auf einem

zentralen Server zu speichern und Dritten über den Arbeits-

speicher des eigenen Rechners Zugriff auf dieses Programm

zu gewähren. Zudem bietet Oracle den Kunden im Rahmen

eines Softwarepflegevertrages an, „Up-Dates“ und „Patches“

zur Software herunterzuladen. Usedsoft hingegen handelt mit

gebrauchter Software. Dazu kauft sie von Ersterwerbern etwa

wegen Arbeitsplatzabbaus freigewordene Softwarelizenzen

auf und veräußert diese zu einem gegenüber dem Hersteller-

preis günstigeren Entgelt an Dritterwerber weiter. Die Drit-

terwerber beziehen nach Erhalt der Lizenz durch Usedsoft die

Software ihrerseits direkt über das Downloadportal des Soft-

wareherstellers. Auf diese Weise verkaufte Usedsoft auch die

bezeichneten Softwareprodukte Oracles. Hiergegen richtete

sich die Unterlassungsklage Oracles.

II. Einordnung der Problematik

Der Hersteller von Computerprogrammen genießt nach Maß-

gabe des europäischen und deutschen Rechts urheberrechtli-

chen Schutz. Dieser Schutz umfasst auch das Recht des Herstel-

lers darüber zu entscheiden, ob sein Werk verbreitet und somit

von Dritten weiterverkauft werden darf. Die Verbreitung und

der Weiterverkauf urheberrechtlich geschützter Computerpro-

gramme sind daher grundsätzlich von einer Zustimmung des

Urhebers abhängig. Das Verbreitungsrecht findet aber seine

Grenze im sogenannten Erschöpfungsgrundsatz. Dieses allge-

meine Prinzip des Urheberrechtes findet Anwendung, wenn der

Urheber sein Werk willentlich in den Verkehr bringt. Nach dem

„Inverkehrbringen“ überwiegt das Interesse der Allgemeinheit

an dem freien Umgang mit dem Werk, sodass der Urheber den

Weitervertrieb des Werkes nicht mehr von seiner Zustimmung

abhängig machen kann. Rechtmäßige Erwerber der Software

erhalten mit dem Kauf daher auch die Berechtigung, diese ei-

genständig an Dritte weiter zu veräußern.

Maßgeblich für den Eintritt der Erschöpfung des Verbreitungs-

rechtes ist das Inverkehrbringen des Werkes. Dieses gesetzli-

che Merkmal ist unzweifelhaft erfüllt, wenn der Urheber die

Software auf einem Datenträger, d. h. in körperlicher Form, an

den Ersterwerber verkauft. Intensiv diskutiert war es bis zur

Entscheidung des EuGH aber, ob ein Inverkehrbringen auch

Die Online-Erschöpfung ist da!

Europäischer Gerichtshof bestätigt Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöp-fungsgrundsatzes für den Onlinehandel mit gebrauchter Software

von Matthias Försterling

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46 | DFN-Infobrief Recht 2012

gegeben ist, wenn es an einer Verkörperung des Computer-

programmes, wie im Falle des Softwaredownloads, fehlt. Die

vor allem wirtschaftliche Bedeutung dieser Frage liegt auf

der Hand, wäre doch bei Verneinung eines Inverkehrbringens

beim Softwaredownload jede Weiterveräußerung der Soft-

ware samt Softwarelizenz durch den Ersterwerber urheber-

rechtlich unzulässig.

Teile der deutschen Rechtsprechung und der rechtswissen-

schaftlichen Literatur hatten sich im Rahmen der Diskussion

auf den Standpunkt gestellt, dass das Inverkehrbringen schon

auf Grund des Gesetzeswortlautes zwingend eine körperli-

che Manifestation des Werkes voraussetze. Andere hingegen

beriefen sich im Zuge der Begründung einer analogen Anwen-

dung auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit von Software als

Download und Software auf einem Datenträger.

III. Wesentliche Aussagen des EuGH-Urteils

1. Gleichstellung von körperlichem und

unkörperlichem Bezug

Der EuGH hat diese zentrale Streitfrage nun zu Gunsten einer

Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auch für den Fall

des Internetdownloads entschieden. Die europäischen Richter

argumentierten dabei, dass die europarechtlichen Vorgaben,

welche auch bei der Anwendung des deutschen Urheberrechts

beachtet werden müssen, nicht ausdrücklich zwischen körper-

lichen und unkörperlichen Werke differenzieren. Zudem sei

die Aushändigung eines Computerprogrammes auf einem Da-

tenträger und die Weitergabe eines identischen Computerpro-

grammes über einen Internetdownload nicht nur funktional,

sondern vor allem auch wirtschaftlich miteinander vergleich-

bar.

2. Vorliegen eines Kaufvertrages

Der EuGH stufte darüber hinaus die in der Praxis häufig als

„Lizenzvertrag“ bezeichneten Vereinbarungen über die Nut-

zung der kaufgegenständlichen Software als Kaufvertrag ein,

wenn durch die Vereinbarung dem Erwerber ein dauerhaftes

Nutzungsrecht eingeräumt wird. Bei dieser Einordnung seien

die faktisch getrennten Vorgänge von Download der Software

und Unterzeichnung der Lizenzvereinbarung als rechtliche

Gesamtheit zu betrachten. Aus dieser Betrachtungsweise er-

gebe sich auch, dass der Softwarehersteller dem Ersterwerber

Eigentum an der Software verschaffe. Als Verkauf sind daher

sämtliche Vertriebsformen erfasst, die gegen Zahlung eines

Entgelts ein unbefristetes Nutzungsrecht an dem Computer-

programm verschaffen.

3. Bezugspunkt der Erschöpfungswirkung

Der EuGH stellte darüber hinaus fest, dass die Erschöpfungs-

wirkung nicht nur die ursprünglich heruntergeladene Pro-

grammkopie betrifft. Vielmehr seien auch alle, dem ursprüng-

lichen Verkauf der Software nachfolgende Aktualisierungen,

Reparaturen und Wartungsarbeiten von der Erschöpfungswir-

kung erfasst, wenn ein entsprechender Pflegevertrag verein-

bart worden ist. Nicht nur die Ursprungsversion kann daher

frei durch die Erwerber weiterveräußert werden, sondern auch

die nachfolgenden Patches und Updates. Bezugspunkt der Er-

schöpfung ist daher die verbesserte und aktualisierte Fassung.

4.) Download durch Folgeerwerber

Auch stehe nach Ansicht des EuGH nichts dem Bezug der Soft-

ware durch die Kunden der Gebrauchtsoftwarehändler über

die Internetseite des Softwareherstellers im Wege. Zwar gehe

mit diesem Download neben der Weiterverbreitung auch eine

urheberrechtlich relevante Vervielfältigung des Computer-

programmes auf dem Rechner des Erwerbers einher. Diese sei

aber notwendig, um das erworbene Programm bestimmungs-

gemäß zu benutzen. Der Folgeerwerber werde daher zur Ver-

vielfältigung der Programmkopie berechtigt. Dies gelte aber

selbstverständlich nur, wenn der Veräußerer die bei ihm vor-

handenen Computerprogramme in dem Umfang lösche oder

unbrauchbar mache, in welchem er sie verkauft habe. Denn

der Erschöpfungsgrundsatz solle nicht zu einer Aufweichung

des von dem Verbreitungsrecht grundsätzlich zu trennenden

Vervielfältigungsrechtes führen.

IV. Folgen für die Praxis

1. Rechtssicherheit für Kunden und Händler

Das Urteil des EuGH hat in vielerlei Hinsicht großen Einfluss

auf den praktischen Umgang mit gebrauchten „Softwarelizen-

zen“. Aus der zentralen Feststellung der Entscheidung ergibt

sich, dass auch beim Erwerb einer Computersoftware über

einen Download eine Weiterveräußerung durch den Erwerber

selbst dann zulässig ist, wenn der Softwarehersteller seine Zu-

stimmung zum Weiterverkauf nicht gegeben hat. Ein Verstoß

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 47

des Ersterwerbers gegen das Verbreitungsrecht des Urhebers

kommt daher auch beim Onlinevertrieb von Computersoft-

ware nicht in Betracht. Gleiches gilt für alle Folgeerwerber

innerhalb der Vertriebskette. War der Handel mit gebrauchter

Software vor der nun ergangenen Entscheidung des EuGH von

einer uneinheitlichen Rechtsprechung und daher von einer

durch Unsicherheit dominierten Rechtssituation bestimmt,

kehrt mit der Entscheidung des EuGH nunmehr für Käufer,

aber vor allem auch für Händler gebrauchter Softwarelizenzen

Rechtssicherheit ein.

2. Unerheblichkeit der Vertragsbezeichnung

Durch das Urteil ist zugleich klargestellt, dass es keine Rolle

spielt, welche Bezeichnung die dem Softwaredownload zu

Grunde liegende vertragliche Abrede trägt. Auch ein Lizenzver-

trag ist daher insgesamt als Kaufvertrag zu behandeln, wenn

sich aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt, dass die

Nutzungsrechte auf Dauer übertragen werden sollen. Dies ist

bereits deshalb geboten, weil sonst die praktische Wirksam-

keit des Erschöpfungsgrundsatzes allein durch die Wahl der

Vertragsbezeichnung verhindert werden könnte. Die Figur des

„Lizenzvertrages“, die von manchen Vertretern in der Literatur

sogar als eigenständiger Vertrag angesehen worden war, ist

mithin hinfällig.

3. Unzulässige Nutzungsbeschränkungen

Schließlich sind in vertraglicher Hinsicht die in der Praxis häu-

fig verwendeten Bestimmungen unwirksam, die dem Erwerber

zwar ein dauerhaftes Nutzungsrecht einräumen, aber eine

Weiterübertragung der Rechte an der Software verbieten. Ge-

rade diese schuldrechtlichen Nutzungsbegrenzungen sind mit

der Entscheidung des EuGH vor allem dann rechtswidrig, wenn

sie in Allgemeinen Geschäftsbestimmungen platziert werden.

In letzterem Falle dürfte eine Unwirksamkeit selbst dann ge-

geben sein, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwi-

schen Unternehmern verwendet werden.

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Digitale Leseplätze auf dem Weg nach Europa

Rechtsfragen zu digitalen Leseplätzen in Bibliotheken bleiben vorerst ungeklärt

von Daniel Wörheide

Die Nutzung von digitalen Leseplätzen gehört heute in Bibliotheken und anderen öffentlichen

Einrichtungen zum Alltag. Daher überrascht es nicht, dass die damit zusammenhängenden urhe-

berrechtlichen Fragen schon seit mehreren Jahren Gerichte verschiedener Instanzen beschäfti-

gen. So haben sich zu den wichtigsten Problemen rechtliche Leitlinien entwickelt, an denen sich

die betroffenen Institutionen orientieren können (dazu: Bröckers, DFN-Infobrief Recht Juni 2009,

S. 7 f.), eine höchstrichterliche Klärung dieser Fragen steht jedoch noch aus. Da der Bundesge-

richtshof nun drei Auslegungsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt

hat, ist aber damit zu rechnen, dass zumindest die wichtigsten dieser Fragen in absehbarer Zeit

geklärt werden.

I. Ausgangslage: Beschränkung des Urheberrechts durch § 52b UrhG

Die digitale Nutzung von Medieninhalten erleichtert wissen-

schaftliches Arbeiten in vielerlei Hinsicht enorm. Ein Beispiel

hierfür stellen digitale Leseplätze in Bibliotheken dar. Möchte

man auf einen Buchtitel in physischer Form zugreifen, handelt

es sich dabei – gerade bei großen Buchbeständen in Bibliothe-

ken – häufig um eine zeitraubende Angelegenheit. Wird ein

Buchtitel beispielsweise in einem Archiv verwahrt, vergehen

unter Umständen mehrere Stunden oder sogar Tage bis das

Werk dem Nutzer tatsächlich zur Verfügung gestellt werden

kann. Digitale Leseplätze stellen in diesem Zusammenhang

eine wesentliche Erleichterung dar, da sie dem Nutzer von

einer zentralen Position Zugriff auf den Bibliotheksbestand

geben können. Zu beachten ist aber, dass das Urheberrechts-

gesetz (UrhG) einer digitalen Nutzung Grenzen setzen kann.

Dies gilt auch, wenn das Buch in physischer Form im Bestand

der Bibliothek vorhanden ist. Grund dafür ist, dass durch die

Bereitstellung des Buches an einem digitalen Leseplatz Nut-

zungshandlungen vorgenommen werden, die nach dem Ur-

heberrecht dem Urheber bzw. den Inhabern ausschließlicher

Nutzungsrechte (z.B. Verlagen) vorbehalten sind. Handelt es

sich bei dem jeweiligen Medium um ein urheberrechtlich ge-

schütztes Werk, setzt eine digitale Nutzung daher prinzipiell

voraus, dass zuvor die Zustimmung des Urhebers bzw. eines

Rechteinhabers eingeholt worden ist. Zugleich hat aber auch

die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran, dass der

Medienbestand von öffentlichen Einrichtungen möglichst

leicht zugänglich gemacht wird, damit dieser in optimaler

Weise genutzt werden kann. Eine Lösung für diesen Interes-

senskonflikt soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers aus

§ 52b UrhG ergeben. Durch diese Regelung wird bestimmten

öffentlichen Einrichtungen, zu denen auch öffentlich zugäng-

liche Bibliotheken gehören, unter bestimmten Vorausset-

zungen gestattet, digitale Leseplätze zur Forschung oder für

private Zwecke anzubieten, ohne dass dafür eine gesonderte

vertragliche Regelung mit dem Urheber oder einem sonstigen

Rechteinhaber erforderlich ist. Im Gegenzug ist die Einrich-

tung verpflichtet, eine angemessene Vergütung an eine Ver-

wertungsgesellschaft (z.B. GEMA oder VG WORT) zu leisten.

II. Bisherige Leitlinien der Rechtsprechung

Wegen des weiten Anwendungsbereichs (die Regelung ist nicht

auf Druckwerke beschränkt, sondern erfasst gleichermaßen

Film- und Musikwerke) und der umfassenden Einschränkung

(das Werk darf in vollem Umfang an dem digitalen Leseplatz

genutzt werden) schränkt § 52b UrhG das Ausschließlichkeits-

recht des Urhebers erheblich ein. Daher verwundert es nicht,

dass bereits frühzeitig einige Gerichtsverfahren angestrengt

worden sind, um die mit der Regelung zusammenhängenden

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DFN-Infobrief Recht 2012 | 49

Auslegungsfragen gerichtlich klären zu lassen. Im Mittelpunkt

der Auseinandersetzung standen dabei vor allem drei Frage-

stellungen, die von erheblicher Bedeutung für die Reichweite

von § 52b UrhG sind.

Die erste Frage betrifft den Ausschlussgrund in § 52b S. 1 UrhG:

Danach darf die Regelung überhaupt nur angewendet werden,

soweit keine anderweitigen vertraglichen Regelungen getrof-

fen worden sind. Diese Voraussetzung wird von einigen Stim-

men im urheberrechtlichen Schrifttum bereits dann als erfüllt

angesehen, wenn der öffentlichen Einrichtung die digitale

Nutzung zu angemessenen Konditionen angeboten worden

ist. Der Anwendungsbereich von § 52b S. 1 UrhG würde dadurch

erheblich eingeschränkt, da ein Rechteinhaber bereits durch

ein einseitiges Vertragsangebot verhindern könnte, dass sich

die öffentliche Einrichtung auf § 52b UrhG berufen kann. Die

bislang zu § 52b UrhG ergangenen Gerichtsentscheidungen

sind dieser Sichtweise jedoch nicht gefolgt. Stattdessen ist

man davon ausgegangen, dass nur beidseitig bindende Ver-

einbarungen zwischen der öffentlichen Einrichtung und dem

Rechteinhaber dazu führen, dass § 52b UrhG unanwendbar ist.

Solange kein Vertrag geschlossen worden ist, bleibt § 52b UrhG

somit nach bisheriger Rechtsprechung anwendbar.

Eine zweite Auslegungsschwierigkeit ergibt sich daraus,

dass § 52b UrhG nicht eindeutig festlegt, ob der öffentlichen

Einrichtung durch die Regelung auch vorbereitende Nut-

zungshandlungen gestattet werden, durch die eine digita-

le Nutzung überhaupt erst ermöglicht wird. Dies lässt sich

am Beispiel eines Buches verdeutlichen: Ist ein Buchtitel in

Papierform im Bestand einer Bibliothek vorhanden, setzt

die digitale Nutzung voraus, dass dieses eingescannt und

auf einem Speichermedium zum Abruf bereitgehalten wird.

Erst im Anschluss daran, kann Dritten mit einem digitalen

Leseplatz der Zugriff auf das Dokument ermöglicht werden.

Es liegen somit im Ergebnis zwei verschiedene urheberrecht-

lich relevante Verwertungshandlungen vor, deren Zulässigkeit

prinzipiell unabhängig vonein-ander beurteilt werden muss.

In § 52b UrhG wird jedoch nur die Ermöglichung des Zugriffs

thematisiert, sodass sich die Frage stellt, ob der öffentlichen

Einrichtung durch die Norm auch Vorbereitungshandlungen,

wie beispielsweise das Einscannen und Speichern eines Bu-

ches, gestattet werden. Die Rechtsprechung hat dies bislang

bejaht, da die Bestimmung anderenfalls weitgehend leerliefe.

Auch hier haben sich die Gerichte somit für einen weiten An-

wendungsbereich von § 52b UrhG ausgesprochen.

Am kontroversesten wird aktuell die dritte Auslegungsfrage

diskutiert, bei der es um die Problematik sogenannter An-

schlussnutzungen geht. Im Kern geht es dabei darum, ob die

öffentliche Einrichtung durch die technische Gestaltung des

Leseplatzes ausschließen muss, dass Nutzer – über den Ge-

nuss des Werkes hinaus – weitergehende Nutzungshandlun-

gen vornehmen können. Wiederum bezogen auf ein Buch stellt

sich beispielsweise die Frage, ob dem Nutzer nur die visuelle

Wahrnehmung der Datei oder auch eine weitere Vervielfälti-

gung in analoger (Drucken der Datei) oder digitaler (Speiche-

rung auf einem USB-Stick) Weise ermöglicht werden darf. Hier

haben sich die Gerichte mittlerweile mehrheitlich für ein en-

ges Verständnis von § 52b UrhG ausgesprochen: Die öffentli-

che Einrichtung darf demnach den Nutzern den Werkgenuss,

nicht aber weitergehende Nutzungshandlungen ermöglichen.

Begründet wird dies insbesondere damit, dass digitalisierte

Werke aufgrund der technischen Gegebenheiten besonders

einfach und schnell vervielfältigt werden könnten, was im Er-

gebnis dazu führen könnte, dass die Werke – auch außerhalb

der öffentlichen Einrichtung – aufgrund der Digitalisierung

weite Verbreitung finden würden. Eine solch weitgehende Ge-

fährdung des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers sei vom

Gesetzgeber mit § 52b UrhG nicht bezweckt worden.

III. Der Vorlagebeschluss des BGH und Folgen für die Hochschulpraxis

In einer Entscheidung vom 20.09.2012 hat sich nun auch der

Bundesgerichtshof (BGH) als oberstes Bundesgericht mit den

dargestellten Auslegungsfragen befasst (Az. I ZR 69/11). Inhalt-

lich haben sich daraus allerdings noch keine Veränderungen er-

geben. Grund hierfür ist, dass der BGH lediglich das Verfahren

ausgesetzt und die drei hier dargestellten Rechtsfragen dem

Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt

hat. Eine Entscheidung in der Sache ist somit noch nicht ergan-

gen. Grund für diese Vorgehensweise ist, dass § 52b UrhG in

Umsetzung einer europäischen Richtlinie vom deutschen Ge-

setzgeber verfasst worden ist, sodass der EuGH letztverbind-

lich über Auslegungsfragen hierzu entscheiden muss. Für die

Hochschulpraxis ergeben sich daraus zwei Schlussfolgerun-

gen: Zum einen kann die hier zusammengefasste Auslegung

zu § 52b UrhG, die in den bisherigen Gerichtsentscheidungen

entwickelt worden ist, auch nach dem Vorlagebeschluss des

BGH weiterhin als Leitlinie in der Praxis herangezogen wer-

den. Bis zu einer Entscheidung des EuGH gelten nämlich die

bisherigen Maßstäbe unverändert fort. Zum anderen kommt

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50 | DFN-Infobrief Recht 2012

mit dem Vorlagebeschluss aber auch eine neue Dynamik in

die hier diskutierten Rechtsfragen, da völlig offen ist, inwie-

weit sich der EuGH bei seiner Entscheidung an der bisherigen

Auslegungspraxis in Deutschland orientieren wird. Positiv an

dem Vorlagebeschluss ist sicherlich, dass in absehbarer Zeit

eine Entscheidung des EuGH und damit eine abschließende

Klärung der hier diskutierten Rechtsfragen zu erwarten ist. Ob

sich hieraus – im Vergleich zur bislang praktizierten Lösung –

gerade in Bezug auf die Zulässigkeit von Anschlussnutzungen

weitergehende Handlungsspielräume für öffentliche Einrich-

tungen ergeben werden, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht

beurteilt werden. In jedem Fall wird es nach einer Entschei-

dung des EuGH aber erforderlich sein, die praktische Vorge-

hensweise auf ihre Konformität mit dem Auslegungsergebnis

des EuGH zu überprüfen.

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Homepagepflege bei Arbeitnehmerfotos

Landesarbeitsgericht Frankfurt a. M.: Anspruch auf Löschung nach Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses

von Julian Fischer

Das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist häufig ein besonders sensibles Thema.

Dies gilt umso mehr, wenn es um die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter geht. So wundert es

nicht, dass die juristischen Auseinandersetzungen zu der Frage, inwieweit der Arbeitgeber Fotos

seiner Beschäftigten auf der Homepage veröffentlichen darf, zunehmen. Nunmehr hat sich das

Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt mit Urteil vom 24. 01. 2012 (Az.: 19 SaGA 1480/11) mit der

Frage beschäftigt, ob auch Profilfotos im Nachrichtendienst einer Kanzleihomepage nach Been-

digung des Beschäftigtenverhältnisses gelöscht werden müssen. Die Entscheidung zeigt, dass

die Homepagepflege seitens des Arbeitgebers umfassend zu erfolgen hat und vor allem auch

neue Medienformate wie News-Blogs mit einschließt. Darüber hinaus dürfte es für den Arbeitge-

ber fortan schwer sein, überhaupt noch ein berechtigtes Interesse darlegen zu können, warum er

Fotos seiner Arbeitnehmer auch nach dem Ende ihrer Beschäftigungszeit auf seiner Internetseite

präsentieren möchte.

I. Einleitung

Die Veröffentlichung personenbezogener Daten des Arbeit-

nehmers im Internet ist mittlerweile gängige Betriebspraxis,

da die Firmenhomepage oftmals die erste Anlaufstelle bei

der Einholung näherer Informationen ist (hierzu: Franck, Ver-

öffentlichung von Arbeitnehmerdaten im Internet, DFN-Info-

brief Recht November 2010, S. 2 – 5). Die Webseite dient dazu,

dem Kunden einen näheren Eindruck vom jeweiligen Unter-

nehmen zu verschaffen und kann darüber hinaus das Gefühl

vermitteln, gut aufgehoben zu sein. Dabei ist die Bedeutung

des Eindrucks einer guten Organisation nicht alleine auf den

wirtschaftlichen Bereich beschränkt, sondern auch für Hoch-

schulen mittlerweile unerlässlich. Durch eine professionell

geführte Internetseite kann der jeweils gesuchte Ansprech-

partner der Hochschule auf kürzestem Wege auffindbar und

erreichbar sein. Die jeweiligen Kontaktdaten der Anlaufstelle

werden dabei immer häufiger durch Fotos der Hochschulmit-

arbeiter ergänzt. Hierdurch wird ein persön-licher Eindruck

vermittelt und der Internetnutzer hat im wahrsten Sinne des

Wortes ein Bild der anderenfalls anonymen Person vor Augen.

II. Rechtliche Vorgaben

So ansprechend und zeitgemäß eine Präsentation der Mitar-

beiter im Fotoformat auch sein mag, so bedeutsam ist die Be-

achtung der rechtlichen Vorschriften und Grenzen. Nicht nur

beim erstmaligen Hochladen des Bildes auf der Webseite stellt

sich die Frage, ob hierfür die Einwilligung des Arbeitnehmers

notwendig ist. Auch nach Beendigung des konkreten Arbeits-

verhältnisses kann ein berechtigtes Interesse des Mitarbeiters

daran bestehen, dass das Foto zeitnah von der Homepage ge-

löscht wird. Dies wird man beispielsweise annehmen können,

wenn er als Ansprechpartner der Hochschule nicht mehr zur

Verfügung steht oder nunmehr in anderer Funktion tätig ist.

In diesem Fall dürfte ein zügiges Handeln schließlich auch im

Interesse des Arbeitgebers liegen, um gegebenenfalls Unklar-

heiten bei der Zuständigkeit oder Kontaktsuche vorzubeugen.

Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers

In rechtlicher Hinsicht ist bei der Veröffentlichung von Bildern

des Arbeitnehmers zunächst dessen Persönlichkeits- bzw.

Selbstbestimmungsrecht zu beachten.

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Einwilligungserfordernis

So dürfen Bildnisse des Abgebildeten (z. B. Fotos) gemäß

§ 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) nur mit seiner Einwilligung

„verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden“. Die öf-

fentliche Zurschaustellung ist immer dann gegeben, wenn das

Bildnis einer nicht begrenzten Öffentlichkeit gegenüber be-

kannt gemacht wird. Dies ist insbesondere bei einer Wiederga-

be im Internet gegeben. Ein firmeninternes Intranet wird hier-

unter zwar nicht zu fassen sein. Allerdings finden in diesem

Fall die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)

Anwendung. Das hat zur Folge, dass die Verwendung eben-

falls nur mit Einwilligung des Mitarbeiters zulässig sein dürfte

(§ 4 Abs. 1 BDSG).

Ausnahmeregelungen zum Einwilligungserfordernis des Mit-

arbeiters nach § 22 KUG existieren in den Regelungen der

§§ 23, 24 KUG. So dürfen etwa (Gruppen-)Fotos von öffentlichen

Versammlungen (Bsp. Kongressen oder Seminaren) ohne Zu-

stimmung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden

(§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG). Allerdings greift diese Erlaubnisnorm

nur ein, sofern ein „repräsentativer Ausschnitt“ der öffent-

lichen Versammlung gezeigt wird. Das heißt, auf die Ausnah-

meregelung kann bereits dann nicht mehr zurückgegriffen

werden, wenn die einzelnen Personen weiterhin deutlich zu

erkennen sind.

Für die Darstellung der Arbeitnehmerprofile auf der Homepage

ist aber in jedem Fall die Einholung der Einwilligung weiterhin

erforderlich. Das mit diesem Erfordernis verkörperte Recht am

eigenen Bild – als Teil des Persönlichkeitsrechts – erlischt auch

nicht im Falle des Todes des Mitarbeiters. Stattdessen geht

die Möglichkeit der Wahrnehmung auf die Angehörigen über

(§ 22 S. 3 KUG), die dann befugt sind, persönlichkeitsrechtliche

Ansprüche geltend zu machen.

Anforderungen an die Einwilligungserteilung

Da das KUG keine explizite Einwilligungsvorschrift bereit-

hält, ist es ratsam, sich hinsichtlich der Anforderungen an die

Erteilung der Einwilligung an den Grundsätzen des BDSG zu

orientieren. Wichtig ist dabei zunächst, dass die Einwilligung

vor der Veröffentlichung der Fotos eingeholt wird. Dies kann

ausdrücklich oder auch durch schlüssiges Verhalten erfol-

gen. So sah es beispielsweise das LAG Schleswig-Holstein in

einem Urteil vom 23. 06. 2010 (Az.: 3 Sa 72/10) als ausreichend

an, dass der betroffene Mitarbeiter eine CD mit Bildern selbst

mitgebracht und anschließend mit dem für die Firmenhome-

page verantwortlichen Kollegen eine entsprechende Auswahl

getroffen hat. Das Kunsturhebergesetz – welches als Spezial-

gesetz zum BDSG das dort geregelte Schriftformerfordernis

für die Einholung der Einwilligung verdrängt (§ 4a Abs. 1 S. 3

BDSG) – verlangt somit prinzipiell keine schriftliche Ausferti-

gung. Aus Beweiszwecken ist es jedoch anzuraten, dass die

Einwilligung trotzdem in schriftlicher Form eingeholt wird.

Schließlich trägt in einem streitigen Verfahren derjenige die

Beweislast, der die entsprechende Abbildung verbreitet hat.

Eine Beweiserbringung auf Grundlage einer mündlichen Zusa-

ge oder entsprechenden Verhaltensweise des Arbeitnehmers

gestaltet sich anderenfalls äußerst schwierig.

Daneben sollte darauf geachtet werden, dass nicht lediglich

eine allgemeine Einwilligung zur Verwendung der Arbeitneh-

merfotos im Internet abgegeben wird. Sie sollte vielmehr mög-

lichst genau beschreiben, auf welche Verwendung sie sich be-

zieht. So muss der Arbeitnehmer wissen, ob es sich hierbei um

eine kurzfristige oder dauerhafte Zurschaustellung handelt.

Ebenso verlangt der hier geltende Maßstab einer „informier-

ten Einwilligung“ (§ 4a Abs. 1 S. 2 BDSG), dass der Arbeitnehmer

darüber unterrichtet wird, wenn beispielsweise sein (Foto-)

Profil ergänzend im News-Blog der Homepage aufgeführt wird.

Eine Bereitstellung des Fotos bleibt nur dann von der Einwilli-

gung gedeckt, solange diese sich in dem Rahmen bewegt, für

den sie auch erteilt wurde. Darauf, dass das Mitarbeiterprofil

mit hinterlegtem Foto bei der Eingabe verschiedener Such-

maschinen angezeigt wird, muss hingegen nicht ausdrücklich

hingewiesen werden. So entschied das Landgericht Hamburg

mit Urteil vom 16. 06. 2010 (Az.: 325 O 448/09), dass ein Arbeit-

nehmer, der darin einwilligt auf der Unternehmenshomepage

mit Foto zu erscheinen, auch hinnehmen müsse, wenn dieses

Bild bei der Internet-Suche angezeigt werde. Der Arbeitgeber

muss somit nicht seine technischen Möglichkeiten ausschöp-

fen und das Foto von der Anzeige durch (Personen-)Suchma-

schinen ausnehmen. Den Richtern der Hansestadt zufolge

werde das Profil ja gerade im Internet veröffentlicht, um über

eine entsprechende Suchoption den Mitarbeiter ausfindig ma-

chen zu können. Schließlich könne dieser ja auch frei darüber

entscheiden, ob er einem Profilfoto auf der Homepage zustim-

men möchte oder nicht.

In jedem Fall muss es daher für den Arbeitnehmer auch mög-

lich sein, die Zustimmung ohne Konsequenzen verweigern

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sowie jederzeit widerrufen zu dürfen. Er hat dann einen An-

spruch darauf, dass das Foto gelöscht wird (§ 20 Abs. 2 BDSG).

Urheberrecht des Fotografen

Neben der Einholung der Einwilligung ist ergänzend die Urhe-

berschaft des Fotografen zu berücksichtigen. Demjenigen, der

das Bild des Arbeitgebers angefertigt hat, kommen die Rechte

zur Verwertung sowohl in körperlicher als auch unkörperlicher

Form zu [§§ 15 ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG)]. So stellt bereits

das Einscannen eines Fotos oder eben auch der Download auf

die Webseite eine Vervielfältigungshandlung des geschützten

Werks dar (§ 16 UrhG). Ohnehin wird in die Urheberrechte des Fo-

tografen eingegriffen, wenn das Foto auf der Betriebshomepage

jedermann öffentlich zugänglich gemacht wird (§ 19a UrhG).

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, sich zu erkundigen,

ob die zur Verwendung notwendigen Nutzungsrechte am Bild

dem Arbeitnehmer im Rahmen des Fotoerwerbsvertrages mit

eingeräumt wurden. Anderenfalls wäre auch hier die Einho-

lung der Einwilligung des Fotografen notwendig. Schließlich

kann die unbefugte Veröffentlichung des Bildes sowohl Unter-

lassungs- als auch Schadensersatzansprüche des Fotografen

auslösen (§ 97 UrhG).

III. Die Entscheidung des LAG Frankfurt a. M.

In diesem Zusammenhang hat kürzlich das LAG Frankfurt a. M.

einen Arbeitgeber, unter Androhung eines Ordnungsgeldes,

dazu verurteilt, es zu unterlassen, die persönlichen Daten

einschließlich des Fotos einer ehemaligen Mitarbeiterin im

Nachrichtenbereich der Kanzleihomepage weiterhin bereitzu-

halten.

Sachverhalt

Der Entscheidung des LAG Frankfurt a. M. lag der Fall einer

Rechtsanwältin zugrunde, die in einer Anwalts- und Steuer-

kanzlei für insgesamt vier Monate beschäftigt wurde. Auf der

Homepage der Kanzlei wurde zu Beginn des Arbeitsverhältnis-

ses ein Profil mit einem Foto erstellt. Darüber hinaus wurde

über den Nachrichtenbereich der Homepage mitgeteilt, dass

die Rechtsanwältin zukünftig das Team der Sozietät verstär-

ke. Beide Veröffentlichungen wurden mit der Mitarbeiterin

abgesprochen, wobei die Angaben zu ihrem Profil von ihr

selbst ausgearbeitet wurden. Nach der Kündigung im Laufe

der sechsmonatigen Probezeit wechselte die – nach wie vor

als Rechtsanwältin zugelassene – Mitarbeiterin in die Rechts-

abteilung eines Unternehmens. Sie verlangte daraufhin die

Löschung ihres Profils und zwar sowohl auf der Kanzleihome-

page als auch in dem darauf befindlichen News-Blog. Während

ihr Profil als Rechtsanwältin umgehend gelöscht wurde, kam

die Kanzlei der Aufforderung zur Entfernung aus dem News-

Blog nicht nach. Ihr zufolge handelte es sich schließlich um

einen Nachrichtendienst und nicht etwa um eine werben-

de Seite für das Leistungsangebot der in der Kanzlei tätigen

Rechtsanwälte.

Urteil

Das LAG Frankfurt a. M. sah hingegen bezogen auf die Bereithal-

tung des Fotos und der persönlichen Daten im News-Blog der

Kanzleihomepage das Persönlichkeitsrecht der Rechtsanwältin

als verletzt an. Die Sozietät sei verpflichtet, die Daten der Arbeit-

nehmerin samt Foto von allen Seiten ihrer Internetpräsentation

zu löschen. Die zu Beginn ihrer Tätigkeit abgegebene Einwilli-

gung sei offensichtlich nur für die Dauer des Arbeitsverhältnis-

ses erteilt worden. Darüber hinaus sei diese zum Zeitpunkt des

Beschäftigungswechsels für den gesamten Homepagebereich

der Kanzlei ausdrücklich widerrufen worden.

Ein berechtigtes Interesse der Kanzlei an der Veröffentlichung

der Daten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gebe es

nicht. Stattdessen komme dem Internet-Auftritt werbender

Charakter zu, indem die individuelle Persönlichkeit und berufli-

che Qualifikation der Mitarbeiterin durch Foto und Text heraus-

gestellt werde. Die vorgenommene Löschung des Profils in der

Sparte der tätigen Rechtsanwälte ändere nichts daran, dass

der unzutreffende Eindruck entstehe, dass die Klägerin nach

wie vor in der Sozietät arbeite. Dies führe ihr gegenüber zu be-

ruflichen Wettbewerbsnachteilen, da potentielle Mandanten

auf die Homepage der nicht mehr dort tätigen Arbeitnehmerin

verwiesen würden. Auch die Tatsache, dass es sich um ein Profil

im Nachrichtendienst der Kanzleihomepage handele, führe zu

keiner anderen Bewertung. So könne der Homepagebesucher

vielmehr von einer schnellen Aktualisierung des News-Blogs

ausgehen, der bereits von seinem Namen her dafür stehe

Neuigkeiten zu transportieren. Darüber hinaus sei nicht anzu-

nehmen, dass ein Nutzer einen Abgleich mit den noch tätigen

Mitarbeitern der Kanzlei vornehme. Ohnehin sei die Löschung

für den Arbeitgeber mit keinem großen Aufwand verbunden,

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wohingegen der Eingriff ins Persönlichkeitsrecht erheblich sei.

Immerhin sei die Veröffentlichung allen Internetnutzern zu-

gänglich, und zwar zeitlich unbegrenzt.

IV. Einordnung und Bedeutung des Urteils für den Arbeitgeber

Der Veröffentlichung des (Foto-)Profils im News-Blog der

Homepage konnte somit erfolgreich von Seiten der früheren

Mitarbeiterin widersprochen werden. Dieser rechtlichen Ein-

schätzung ist sicherlich zuzustimmen; auch ist sie nicht unbe-

dingt verwunderlich.

Alle Homepagemedien sind von Bedeutung

Neu an der Entscheidung ist jedoch zum einen, dass es sich

nicht lediglich um ein Profil des Arbeitnehmers auf der Home-

page des Arbeitgebers handelte. Mit dem streitgegenständli-

chen Nachrichtendienst waren erstmals auch weiterführende

Informationskanäle, auf denen ein Profilbild des Arbeitneh-

mers veröffentlicht wurde, Gegenstand richterlicher Ausein-

andersetzung. Dies zeigt, dass sich die Homepage-Pflege des

Arbeitgebers keinesfalls auf die Präsentation der Kategorie

„Angestellte“ bzw. „Mitarbeiter“ beschränken darf. So stand

vorliegend die Veröffentlichung von Fotos und Text in einem

Medium zur Debatte, das insbesondere dazu dienen sollte,

aktuelle Informationen zu verbreiten; ein Erscheinungsda-

tum wurde hierbei nicht mit angegeben. Dass das Gericht bei

einem ähnlichen Format mit entsprechender Tagesangabe

und/oder anderen Rubrik (z. B. Entwicklung der Kanzlei) an-

ders entschieden hätte, ist keineswegs auszuschließen. Aller-

dings sollte auch in derartigen Zweifelsfällen immer von ei-

nem Überwiegen des Persönlichkeitsrechts ausgegangen und

spätestens bei einem entsprechenden Löschungsbegehren

diesem auch nachgekommen werden. Schließlich wurde gera-

de beim vorliegenden Fall nochmals deutlich, dass speziell der

Veröffentlichung von Arbeitnehmerfotos im Netz aufgrund des

unbeschränkten Empfängerkreises sowie der jederzeitigen Ab-

rufmöglichkeit eine besonders hohe Intensität zukommt.

Kein berechtigtes Veröffentlichungsinteresse

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Weiterhin von besonderem Interesse am Urteil des LAG Frank-

furt ist, dass die Richter ein berechtigtes Interesse des Arbeit-

nehmers an der sofortigen Löschung seines Profils annahmen.

So hatte noch das LAG Köln in einem Beschluss vom 10. 07. 2009

(Az.: 7 Ta 126/09) einen Arbeitgeber darin bestätigt, dass dieser

auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt

sei, ein Foto ihrer Mitarbeiterin auf seiner Homepage präsen-

tieren zu dürfen. Die Richter aus der Domstadt gingen davon

aus, dass, sofern die Einwilligung zur Nutzung des Fotos erteilt

worden sei, der Arbeitgeber grundsätzlich auch nach Beendi-

gung des Arbeitsverhältnisses von deren Fortbestand ausge-

hen könne.

Allerdings kann dies dann nicht mehr gelten, wenn der ehe-

malige Arbeitnehmer – wie im Fall des LAG Frankfurt – um die

Löschung des Profilfotos bittet und somit seine Einwilligung

explizit widerruft. Zudem muss berücksichtigt werden, dass

dem Fall des LAG Köln die Besonderheit zugrunde lag, dass das

Foto der Angestellten an ihrem Arbeitsplatz lediglich der Illus-

tration des Internetauftritts hinsichtlich der Kontaktmöglich-

keit der Arbeitgeberin diente. Es wies somit keinen individuel-

len Bezug zur Persönlichkeit auf, sondern diente lediglich zu

Dekorationszwecken der Betriebshomepage. Das abgebildete

Foto, welches die telefonierende Arbeitnehmerin an ihrem

Schreibtisch zeigte, wäre von seinem Aussagegehalt her durch

das Foto jeder anderen – auch unternehmensfremden Person

– in gleicher Pose austauschbar gewesen.

Ebenso wenig verallgemeinerungsfähig ist insoweit ein Fall

des LAG Schleswig-Holstein (s. o.) einzuschätzen, bei dem die

Richter die Ansicht vertraten, dass ein Einverständnis des Ar-

beitnehmers nicht ohne weiteres automatisch im Zeitpunkt

der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlösche. So war

auch hier das gegenständliche Werbebild, welches den Arbeit-

nehmer in von Seiten des Unternehmens hergestellten Textili-

en zeigte, zu reinen Illustrationszwecken im Internet verwen-

det worden und vermittelte somit keinen auf die Person des

Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt.

V. Fazit

Es zeigt sich, dass die Verwendung personenbezogener Daten

und vor allem Fotos des Arbeitnehmers im Internet immer

häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist.

Dies deckt sich mit der Entwicklung, dass arbeitsrechtliche

Entscheidungen im Bereich Social & New Media stetig an Be-

deutung gewinnen. Insoweit ist es wichtiger denn je, dass die

Arbeitsvertragsparteien eine schriftliche Regelung auf diesen

Gebieten treffen.

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Für die vorliegende Problematik der Internetpräsenz von Ar-

beitnehmerprofilen ist es ratsam, die erforderlichen Einwilli-

gungen sowohl in schriftlicher als auch möglichst konkreter,

auf die spezielle Verwendungsweise bezogener, Form einzuho-

len. Schließlich macht das dargestellte Urteil des LAG Frankfurt

deutlich, dass auch neue Medienformate wie News-Blogs o. ä.

hiervon nicht ausgenommen werden. Jede Fotodarstellung des

Arbeitnehmers auf der Homepage betrifft, gerade aufgrund

der Dimension des Internets, dessen Persönlichkeitsrecht in

nicht zu unterschätzender Weise. Die Homepage-Pflege darf

sich demzufolge keinesfalls auf die Löschung der Fotos von

Mitarbeiterprofilen beschränken, sondern betrifft beispiels-

weise auch verlinkte oder eingefügte Fotos neu gewonnener

Dozenten, die in Unterkategorien (Antrittsvorlesung etc.) auf

der Hochschulwebseite angekündigt werden.

Unklarheiten bestehen weiterhin in der Frage, ob der Arbeitge-

ber nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers verpflichtet ist,

dessen Fotos bzw. Profil sofort zu löschen. Während dies, be-

zogen auf das konkrete Arbeitnehmerprofil anzunehmen ist,

dürfen Eintrittsmitteilungen, die neue Mitarbeiter lediglich

mit Eintrittstag benennen, wohl bestehen bleiben. Für das LAG

Frankfurt war es an dieser Stelle unter anderem entscheidend,

dass der Zusammenhang der Veröffentlichung von Foto und

Text für den Arbeitgeber aufgrund des werbenden Charakters

als vorteilhaft einzustufen war. Da dieser Beurteilungsmaß-

stab sicherlich in Grenzfällen schwierig einzuschätzen sein

dürfte, ist es anzuraten, das jeweilige Foto spätestens dann

zu entfernen, wenn der Betroffene die Löschung verlangt.

Gleiches dürfte für sog. illustrierende Fotos auf der Webseite

gelten, die übliche Alltagssituationen im Betriebsablauf auf-

zeigen sollen (Beispielsweise Vorlesung, Studentenrecherche

o. ä.). Auch hier ist es – trotz zum Teil gegenteiliger Rechtspre-

chung – wenig empfehlenswert, auf einer Beibehaltung des

Fotos auf der Internetseite zu bestehen und darauf zu hoffen,

dass eine Beurteilung zu Lasten des Persönlichkeitsrechts

ausfällt. Sicherlich stellen bei Bedarf individuelle Absprachen

mit den betroffenen Mitarbeitern den sinnvollsten Weg dar.

Schließlich dürfte eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, die

den Arbeitgeber berechtigt, Daten oder Fotos über das Ende

des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkt im Internet

stehen zu lassen, unwirksam sein.

Die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet dürfte, aufgrund

der verschiedenen Einzelfälle sowie Sensibilität der Materie,

mit Spannung zu verfolgen sein. Dies gilt umso mehr, als dass

Regelungen seitens des Gesetzgebers seit der gescheiterten

Umsetzung des Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes in weite

Ferne gerückt sind.

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Neue Richtlinie soll europaweite Digitali-sierung verlorener Werke

von Susanne Thinius

Endlich ist sie da – eine europaweite Regelung für den Umgang mit verwaisten Werken und

deren Digitalisierung. Lange haben europäische Staaten darauf gewartet, mehrere Anläufe hat

es gebraucht, um nun Realität zu werden. Mit Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Par-

laments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke (kurz:

Richtlinie für verwaiste Werke, 2012/28/EU) soll europaweit verloren geglaubtes und längst ein-

gestaubtes Kulturgut allen zugänglich gemacht werden- allerdings unter strengen und zum Teil

komplizierten Voraussetzungen.

I. Hintergrund

Das Urheberrecht als solches stellt eine wichtige Grundlage

für die Kreativwirtschaft dar, da es Innovation, künstlerisches

Schaffen, Investitionen und Produktion anregt und fördert. As-

pekte wie Digitalisierung und Verbreitung von Werken dienen

dem Schutz europäischen Kulturguts. Das Urheberrecht ist ein

Grundbaustein, um den Urhebern die Vergütung für ihre Arbeit

sicherzustellen.

Die ausschließlichen Rechte der Urheber, die ihnen nach dem

deutschen Urhebergesetz (UrhG) zustehen, erfordern für die

Digitalisierung und für die öffentliche Zugänglichmachung

die vorherige Zustimmung des Urhebers: beim Einscannen von

Büchern und dem anschließenden Einspeisen in Online-Daten-

banken sind das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG und

das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG, be-

troffen. Im Falle verwaister Werke ist es jedoch nicht möglich,

diese Zustimmung zu erlangen. Ohne eine Zustimmung läuft

der Begünstigte jedoch Gefahr, gegen bestehende Urheber-

rechte zu verstoßen.

Mit der Richtlinie soll Rechtssicherheit geschaffen werden,

insbesondere bezüglich der Frage, welchen Status verwaiste

Werke haben und wie sie zulässig von welchen Einrichtungen

genutzt werden können. Diese Frage ist mit Umsetzung der

Richtlinie europaweit geregelt worden. Bis dahin war auf euro-

päischer Ebene rechtlich ungeklärt, ob verwaiste Werke über-

haupt in europäische digitale Bibliotheken aufgenommen

werden sollen. Konkret bedeutet die Umsetzung der Richtli-

nie, dass der Zugang zu den Werken auch grenzüberschreitend

gewährleistet werden soll. Denn eines ist klar: unterschiedli-

che Ansätze der Mitgliedstaaten beim Umgang mit verwaisten

Werken können zur Behinderung des Binnenmarkts führen.

Die Bewahrung und Verbreitung des europäischen Kulturerbes

ist ein erklärtes Ziel der neuen Richtlinie, vor allem im Hinblick

auf die Schaffung europäischer digitaler Bibliotheken wie Eu-

ropeana. Europeana ist eine virtuelle Bibliothek, die einer brei-

ten Öffentlichkeit das wissenschaftliche sowie kulturelle Erbe

Europas in Form von Text-, Bild- und Video-Dateien zugänglich

machen soll. Das deutsche Pendant ist die Deutsche Digitale

Bibliothek, durch welche 30.000 deutsche Kultur- und Wissen-

schaftseinrichtungen vernetzt und öffentlich zugänglich ge-

macht werden sollen.

II. Ein weiter Weg zur Richtlinie

Am 13. September 2012 hat das Europäische Parlament den

Vorschlag der Richtlinie über verwaiste Werke, dessen Entwurf

aus dem Jahr 2011 stammt, angenommen und sich mit dem Rat

auf die heute bestehende Version geeinigt. Vom Entwurf bis zur

tatsächlichen Realisierung des Vorhabens lag ein langer Weg:

bereits 2006 legte die Europäische Kommission den Mitglied-

staaten nahe, (nationale) Regelungen über verwaiste Werke zu

schaffen. Dies überprüfte sie 2007 in einer offiziellen Anfrage

an die Staaten. In dem Grünbuch mit dem Titel „Urheberrechte

in der wissensbestimmten Wirtschaft“ beschäftigte sich die

Kommission 2008 abermals mit verwaisten Werken, diesmal

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im Rahmen der Frage, wie Forschungs-, Wissenschafts- und Un-

terrichtsmaterialien an die Öffentlichkeit wiedergegeben wer-

den können und ob Wissen und Innovation im europäischen

Binnenmarkt ungehindert zirkulieren können. Schon damals

war man sich einig: ein ungehinderter Fluss an Informatio-

nen und Wissen auf dem Binnenmarkt muss dringend geför-

dert werden. 2010 kam es zur „Digitalen Agenda für Europa“,

Teil der Wachstumsstrategie Europa 2020 für das kommende

Jahrzehnt, welche als ihre vorrangige Aufgabe die Schaffung

von Rahmenbedingungen für die Erleichterung der grenzüber-

schreitenden Digitalisierung und Verbreitung verwaister Wer-

ke in Europa ansieht. Den letzten Meilenstein dieser Entwick-

lung bildet der Entwurf der Richtlinie vom 24.05.2011.

Die Richtlinie trat am 28.10.2012 in Kraft. Die Mitgliedstaaten

haben nun 2 Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht

umzusetzen. Diese Pflicht folgt aus dem Grundsatz der Umset-

zung europäischer Richtlinien durch den nationalen Gesetz-

geber, da Richtlinien nicht automatisch in nationales Recht

übergehen.

III. Begriff der verwaisten Werke

Doch was versteht man nun unter „verwaisten Werken/Tonträ-

gern“? Der Begriff ist in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie legal defi-

niert: verwaist ist ein Werk/ein Tonträger dann, wenn keiner

der Rechteinhaber dieses Werkes oder Tonträgers ermittelt ist

oder –selbst wenn einer ermittelt ist- dieser trotz sorgfältiger

Suche und Dokumentation der Ergebnisse (Art. 3 der Richtli-

nie) nicht ausfindig gemacht werden kann. In solchen Fällen

nämlich kann eine Genehmigung oder Nutzungserlaubnis des

Rechteinhabers nicht eingeholt werden.

Die Rechte der ermittelten und ausfindig gemachten Recht-

einhaber bleiben von der Regelung unberührt, so besagt es

Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie. Sie können also weiterhin über die

Nutzung ihrer Werke bestimmen.

Für den Fall mehrerer Rechteinhaber trifft die Richtlinie in

Art. 2 Abs. 2 eine Regelung: die ermittelten und ausfindig ge-

machten Rechteinhaber dürfen lediglich in Bezug auf die Rech-

te, die sie selbst innehaben, eine Zustimmung zur Nutzung er-

teilen. Sie können diese nicht im Namen der nicht ermittelten

Rechteinhaber erteilen. Es müssen also im Falle der sogenann-

ten Teilverwaisung Rechte nur mit den Inhabern geklärt wer-

den, die auch tatsächlich auffindbar sind.

IV. Gegenstand und Anwender der Richtlinie

Gegenstand dieser Richtlinie sind Werke in Form von Büchern,

Fachzeitschriften, Zeitungen und Zeitschriften oder in sons-

tiger Schriftform, die in Sammlungen öffentlich zugänglicher

Bibliotheken (auch solche der Hochschulen), Bildungseinrich-

tungen oder Museen sowie in Sammlungen von Archiven oder

Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes enthaltenen

Einrichtungen zu finden sind, Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie.

Auch Film- und audiovisuelle Werke und Tonträger von öffent-

lich zugänglichen Bibliotheken und öffentlich-rechtlichen

Rundfunkanstalten zählen hierzu, Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie.

Ebenso Teile von Werken, die in die Werke eingebettet sind. Öf-

fentlichen Einrichtungen wie Museen und Bibliotheken soll es

mit der Richtlinie leichter gemacht werden, verwaiste Werke

zu suchen und zu veröffentlichen.

Von der Richtlinie erfasst sind lediglich bestimmte Formen

der Nutzung verwaister Werke: die öffentliche Zugänglichma-

chung und die Vervielfältigung zum Zweck der Digitalisierung,

Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Bewah-

rung und Restaurierung, Art. 6 der Richtlinie.

V. Sorgfältige Suche

Einen Schwerpunkt der neuen Richtlinie bildet die sorgfäl-

tige Suche danach, ob das Werk tatsächlich verwaist ist und

damit zustimmungsfrei der Öffentlichkeit zur Verfügung ge-

stellt werden kann. Die Suche muss nach Art. 3 der Richtlinie

vor Nutzung des Werkes oder Tonträgers erfolgen, und zwar

nach „Treu und Glauben“. Diese etwas kryptisch anmutende

Formulierung soll verdeutlichen, dass zumindest alles bei der

sorgfältigen Suche getan werden muss, was man von einem

redlich und anständig handelnden Menschen mit Rücksicht

auf die Verkehrssitte erwarten kann. Das schließt unter ande-

rem die Suche zunächst im Mitgliedstaat der Erstveröffentli-

chung oder Erstausstrahlung des Werkes ein, Art. 3 Abs. 3 der

Richtlinie. Sollte es Hinweise darauf geben, dass relevante In-

formationen zu Rechteinhabern in anderen Ländern zu finden

sind, sollte auch über Ländergrenzen hinaus gesucht werden,

Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie.

Die Quellen, in denen die Suche stattfinden muss, werden von

den Mitgliedstaaten selbst bestimmt, müssen aber mindestens

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die im Anhang der Richtlinie aufgelisteten Quellen beinhalten.

Dazu zählen beispielsweise bei der Suche von Büchern und Zeit-

schriften Bibliothekskataloge und Schlagwortlisten, welche von

Bibliotheken und anderen Einrichtungen geführt werden,

Verleger- und Autorenverbände, bestehende Datenbanken

(z.B. von Verwertungsgesellschaften) sowie Verzeichnisse und

einige andere mehr.

Letztlich wird im Anschluss an die sorgfältige Suche von den

Einrichtungen verlangt, diese ausführlich zu dokumentieren

und die Ergebnisse sowie Art der Nutzung der Werke, Kontakt-

angaben der suchenden Einrichtung und den Status des Werkes

nach Art. 5 der Richtlinie (Ende des Status als verwaistes Werk)

an die nationalen Behörden weiterzuleiten, so Art. 3 Abs. 5

der Richtlinie. Diese Ergebnisse sind in einer einzigen öffent-

lich-zugänglichen Online-Datenbank zusammenzufassen, wel-

che das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt, Alicante

(Spanien), verwaltet. Der jeweilige Mitgliedstaat muss Sorge

dafür tragen, dass die Informationen an dieses Amt weiterge-

leitet werden, so Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie.

VI. Rechte der Inhaber

Art. 5 der Richtlinie besagt, dass der Rechteinhaber den Status

seines Werkes als „verwaist“ jederzeit beenden kann. In die-

sem Fall steht dem Rechteinhaber ein „gerechter Ausgleich“

für die Nutzung seines Werkes zu. Die Umstände und die

Höhe dieser Entschädigung werden nach unionsrechtlichen

Vorgaben von dem jeweiligen Mitgliedstaat geregelt, in dem

die oben genannten, begünstigten Einrichtungen ihren Sitz

haben, Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie. Hierbei sollen insbesondere

der nicht-kommerzielle Charakter und die Ziele zur Kulturför-

derung sowie der mögliche Schaden für den Rechteinhaber

Berücksichtigung finden.

Im Gegenzug ist es den öffentlichen Einrichtungen erlaubt,

Einnahmen aus der Nutzung der verwaisten Werke zu erzielen:

allerdings mit der strengen Maßgabe, dass dies zur Deckung

ihrer Kosten für die Digitalisierung verwaister Werke und ihrer

öffentlichen Zugänglichmachung geschieht, Art. 6 Abs. 2 der

Richtlinie. Eine geschäftsmäßige Nutzung durch die genannten

Einrichtungen ist hingegen verboten.

Bei jeder Nutzung müssen zudem die Namen der ermittelten

Rechteinhaber eines verwaisten Werkes genannt werden, so

verlangt es Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie.

VII. Fazit und Folgen für die Hochschulpraxis

Zu den Aufgaben der EU zählen unter anderem die Bewah-

rung, Restaurierung sowie Bereitstellung des kulturellen und

bildungspolitischen Zwecken dienenden Zugangs zu Werken.

Die Richtlinie macht einen richtigen und vor allem wichtigen

Schritt in diese Richtung, insbesondere durch die Schaffung

eines Rechtsrahmens zur Ermöglichung eines rechtmäßigen

grenzüberschreitenden Online-Zugangs zu verwaisten Wer-

ken.

Besonders positiv ist hervorzuheben, dass eine sorgfältige Su-

che nach verwaisten Werken laut der Richtlinie lediglich in ei-

nem einzigen Mitgliedstaat stattfinden muss, um in den restli-

chen Mitgliedstaaten ebenfalls ohne vorherige Genehmigung

genutzt werden zu dürfen. Denn Art. 4 der Richtlinie besagt,

dass ein Werk, welches in einem Mitgliedstaat als verwaistes

Werk gilt, in allen anderen Mitgliedstaaten ebenfalls als ver-

waistes Werk gilt. Eine erneute Suche ist nicht erforderlich

(Prinzip der gegenseitigen Anerkennung). Auf dieser Grund-

lage wird es möglich, die Werke vor allem zu kulturellen und

bildungspolitischen Zwecken online zur Verfügung zu stellen

und somit auch Lehrenden und Lernenden an Hochschulen

den Zugang dazu zu ermöglichen. Auch die Regelung zur Ein-

tragung der verwaisten Werke in eine öffentliche Datenbank

verhindert eine Doppeldigitalisierung und ist daher zu begrü-

ßen.

Demgegenüber negativ zu bewerten ist die Tatsache, dass die

kommerzielle Verwertung komplett verboten ist, da dies Ko-

operationen von öffentlichen Einrichtungen mit wirtschaftli-

chen Einrichtungen von vornherein verhindern und eine Refi-

nanzierung von Digitalisierungsaufträgen erschweren könnte.

Ferner besteht das Risiko, dass trotz sorgfältiger und intensi-

ver Suche die Rechteinhaber nicht ausfindig gemacht werden,

diese aber im Nachhinein, sollten sie wieder auftauchen, nicht

nur die Nutzung untersagen, sondern auch Vergütungen ein-

fordern können. Dies wird stark von der nationalstaatlichen

Ausprägung der Vergütungsregeln abhängen, die in der derzei-

tigen Fassung der Richtlinie im Übrigen nur sehr vage formu-

liert sind. Beide Aspekte zusammen genommen könnten die

Bereitschaft der Einrichtungen zur Digitalisierung schmälern.

Für Hochschulen ist die neue Richtlinie trotz ihrer zum Teil

strengen (Such-) Anforderungen (Suche auch im Ausland etc.)

nicht nur hinsichtlich ihrer grundsätzlich klammen Haus-

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haltslage ein positiver Aspekt, sondern auch ein Zugewinn auf

Wissenschafts- und Bildungsebene. Ein (kostenloser) Zugang

zu digitalen, europaweit veröffentlichten Werken ist eine ein-

malige Chance, das wissenschaftliche Angebot für die Studen-

ten zu erweitern. Einen positiven Nebeneffekt hat dies nicht

zuletzt in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und

europäischer Hochschulen im weltweiten wissenschaftlichen

Kontext. Dem Schutz des europäischen Kulturguts als erklär-

tes Ziel dient die Richtlinie jedenfalls allemal.

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Neue Perspektiven in der elektronischen Kommunikation

Folgen des De-Mail-Gesetzes für die öffentliche Verwaltung

von Matthias Försterling

I. Ausgangslage: Unsichere E-Mail-Kommunikation

Nicht nur für private Nutzer und Unternehmer, sondern auch

für die öffentliche Verwaltung sind E-Mails zum alltäglichen

Kommunikationsmittel geworden. E-Mail sind einfach und

schnell zu handhaben und noch dazu äußerst kostengünstig.

Gleichwohl hat die E-Mail einen entscheidenden Nachteil: Das

zum Transport verwendete Simple Mail Transport Protokoll

(SMTP) bietet keinerlei Schutz vor dem Mitlesen und vor dem

spurlosen Verändern der Nachricht durch Dritte. Der Absender

hat daher keinerlei Nachweis darüber, dass die von ihm erstellte

Nachricht den Empfänger auch tatsächlich und unverändert er-

reicht hat. Gleichzeitig kann der Empfänger einer E-Mail nicht si-

cher sein, dass der in der E-Mail bezeichnete Absender auch der

geistige Urheber gewesen ist. Die öffentliche Verwaltung kann

daher wichtige Nachrichten nur dann via E-Mail nachweisbar

versenden, wenn der Empfänger freiwillig den Empfang bestä-

tigt. Ansonsten wird einer E-Mail in einem Gerichtsverfahren, in

welchem gerade die Korrespondenz mit dem Bürger umstritten

ist, nicht mehr Beweiskraft zuteil, als einer mit Bleistift und in

Druckbuchstaben beschriebenen Postkarte.

II. Regelungsziel und Konzept des Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diensten

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber das De-Mail-G ver-

abschiedet. Dieses verfolgt das Regelungsziel, eine geschützte

Infrastruktur aufzubauen, die die E-Mail-Kommunikation mit

Datensicherheit verbindet und damit ein Umfeld für einen ver-

traulichen Geschäftsverkehr im Internet bietet. Das Angebot

soll aber nicht durch staatliche Einrichtungen, sondern allein

durch private Anbieter bereitgestellt werden. Der Einfluss des

Staates beschränkt sich auf die gesetzliche Festschreibung ge-

wisser für die Erbringung der De-Mail-Dienste erforderlicher

Voraussetzungen. Diese sollen Vertrauensanker setzen, an die

sich im Vergleich zur E-Mail-Kommunikation weitergehende

Rechtsfolgen knüpfen lassen.

III. Akkreditierung

Ein solcher Vertrauensanker und zugleich zentraler Regelungs-

gegenstand des Gesetzes ist die Etablierung eines Akkreditie-

rungsverfahrens, welches die Provider durchlaufen müssen,

wenn sie einen De-Mail-Dienst anbieten wollen. Innerhalb

dieses von dem Bundesamt für Sicherheit in der Informations-

technik (BSI) durchgeführten Verfahrens, müssen die Provider

durch die Vorlage von entsprechenden Testaten nachweisen,

dass sie nicht nur die für die Erbringung der Dienste erforder-

liche Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen, sondern zudem

auch administrativ, funktional und technisch in der Lage sind,

Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der von ihnen

transportierten Nachrichten im Zusammenwirken mit den

anderen De-Mail-Dienstanbietern sicherzustellen. Erfüllt ein

Provider sämtliche Voraussetzungen, ist er berechtigt einen

De-Mail-Dienst als solchen anzubieten und erhält zum Nach-

Der Gesetzgeber hat mit dem am 3.5.2011 erlassenen Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten

(De-Mail-G) die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von De-Mail-Diensten geschaf-

fen. Anhand dieser Rahmenbedingungen sollen private Provider eine Kommunikationsplattform

im Internet aufbauen, über die sicherer und nachweisbarer Geschäftsverkehr realisiert wird.

Für die öffentliche Verwaltung eröffnet das Gesetz neue Anwendungsperspektiven, wirft aber

zugleich einige schwierige praktische und rechtliche Fragen auf.

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weis seiner Vertrauenswürdigkeit ein Gütesiegel. Als erste

Diensteanbieter haben - die Mentana Claimsoft AG, die Tele-

kom und die T-Systems eine Zertifizierung erhalten und wer-

den Mitte 2012 ihre Dienste anbieten.

IV. Transport der Daten

Maßgeblich für die Sicherheit und Vertraulichkeit der De-Mail-

Kommunikation ist die Realisierung eines sicheren Daten-

transports. Der Gesetzgeber sieht daher für den Transport-

weg vom Nutzer zum Absenderprovider und für den Weg vom

Empfängerprovider zum Empfänger eine Verschlüsselung des

Transportkanals mit den nach dem aktuellen Stand der Tech-

nik vorhandenen Verschlüsselungsverfahren vor. Für den Weg

zwischen den Providern ist neben der Verschlüsselung des

Kanals zudem auch eine Verschlüsselung der Nachricht selber

verpflichtend. Im Gegensatz zu dieser sogenannten „Punkt-zu-

Punkt“ Verschlüsselung wurde von einer durchgehenden Ver-

schlüsselung von Nachricht und Transportkanal (sogenannte

„Ende-zu-Ende“ Verschlüsselung) abgesehen, da diese zusätz-

liche Softwareinstallationen seitens des Nutzer erforderlich

machen würde. Für den Transport der Daten hat dies zur Folge,

dass die Nachricht jedenfalls für einen kurzen Moment im Klar-

text auf den Servern der Provider vorliegt, beim Transport aber

vor dem Zugriff Dritter geschützt ist.

V. Identitätsfeststellung

Ein weiterer Vertrauensanker im De-Mail-Verbund ist die si-

chere und nachweisbare Identitätsfeststellung eines jeden

De-Mail-Nutzers. Der Diensteanbieter ist daher gesetzlich

verpflichtet, zuverlässige Kenntnis von den Identitätsdaten

der einzelnen Nutzer vor Benutzung eines De-Mail-Kontos zu

erhalten. Um dieser Pflicht nachzukommen, kann der Dien-

steanbieter sowohl die Funktionen des neuen elektronischen

Personalausweises (vgl. dazu Franck, Elektronischer Personal-

ausweis im Hochschulalltag, Infobrief Ausgabe 4/2011, S. 5 ff.)

als auch die Funktionen der elektronischen Signatur in den

Vorgang der Kontoeröffnung mit einbeziehen. Da diese Ver-

fahren bislang aber nur geringfügige Verbreitung in der Bevöl-

kerung gefunden haben, werden die meisten Provider auf das

Postident-Verfahren ausweichen. Dabei hat sich der Nutzer

durch Vorlage eines gültigen Passes gegenüber einem Mitar-

beiter der Deutschen Post auszuweisen. Der Provider hat nach

der erfolgten Identifizierung der Nutzer zudem sicher zu stel-

len, dass die Identitätsdaten stets auf aktuellstem Stand sind.

In der Praxis werden die meisten Diensteanbieter wohl eine

vertragliche Verpflichtung in ihre mit den Kunden abgeschlos-

senen Verträge aufnehmen, nach welcher die Nutzer Änderun-

gen ihrer Daten anzuzeigen haben.

VI. Vertraulichkeit des Versanddienstes

Um die Vertraulichkeit der Kommunikation zu gewährleisten,

kann sich nur der Berechtigte an seinem Konto und damit für

den Versanddienst anmelden. Der Provider hat dies durch

die Bereitstellung von zwei voneinander unabhängigen Si-

cherungsmittel, wie beispielsweise „Besitz“ und „Wissen“

(TAN-Block und Passwort), sicherzustellen. Nach der Anmel-

dung an seinem Konto kann der Nutzer über die Webseite

des Anbieters Nachrichten erstellen und versenden. Zudem

hat er die Möglichkeit, den Versand und den Zugang seiner

Nachricht elektronisch bestätigen zu lassen. Dazu erzeugt der

Serviceprovider (insoweit als öffentlich Beliehener) eine mit

einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene Bestä-

tigungsnachricht, die neben den Namen von Absender und

Empfänger und den Zeitpunkten von Absendung und Zugang

auch elektronisch generierte Prüfsummen enthält. Durch den

Vergleich dieser Prüfsummen kann festgestellt werden, ob die

abgesendete Nachricht unverändert beim Empfänger ange-

kommen ist. Öffentliche Stellen können zudem eine „Abhol-

bestätigung“ anfordern. Diese wird generiert, wenn sich der

Empfänger einer Nachricht mit seinen Zugangsdaten sicher an

seinem Konto angemeldet hat und damit jedenfalls die Mög-

lichkeit hatte, von der behördlichen Nachricht Kenntnis zu

nehmen. Private Nutzer können eine solche Bestätigung indes

nicht einfordern.

VII. Folgen für die öffentliche Verwaltung

Der Gesetzgeber geht auf Grund der Identitätsüberprüfung

durch die vertrauenswürdigen, akkreditierten Provider und

der abgesicherten Anmeldung des Berechtigten an seinem

Konto davon aus, dass sich in der Rechtsprechung ein An-

scheinsbeweis dafür entwickeln wird, dass die in der De-Mail

als Absender bezeichnete Person tatsächlich geistiger Urhe-

ber der Nachricht gewesen ist. Für einen solchen Anscheins-

beweis ist erforderlich, dass aus bestimmten bewiesenen

Tatsachen auf einen nach der Lebenserfahrung immer gleich

ablaufenden Lebenssachverhalt geschlossen werden kann.

Der Anscheinsbeweis hat dann zur Folge, dass sich der an sich

Beweispflichtige auf diesen Anschein solange berufen kann,

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wie nicht die Gegenpartei die Möglichkeit eines ebenso wahr-

scheinlichen aber abweichenden Geschehensablaufes darle-

gen und beweisen kann. Neben diesem Anscheinsbeweis, der

sich wohlgemerkt nur auf die Identität des Absender bezieht,

kann der Nutzer einer De-Mail mittels der providerseitig aus-

gestellten Bestätigungsnachrichten zudem Nachweis darüber

führen, dass er eine bestimmte Nachricht zu einem bestimm-

ten Zeitpunkt versendet und dass diese Nachricht den Adres-

saten unverändert erreicht hat.

Für die öffentliche Verwaltung hat dies den großen Vorteil,

dass die mittels des De-Mail-Systems erfolgte elektronische

Kommunikation im Streitfall vor Gericht durch Vorlage der

Bestätigungsnachrichten nachweisen kann. Darüber hinaus

hat der Gesetzgeber mit der parallel zum Erlass des De-Mail-

G erfolgten Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes

die rechtliche Möglichkeit geschaffen, eine förmliche Zustel-

lung über das De-Mail-System vorzunehmen. Nunmehr ist die

Behörde also in der Lage, sämtliche Verwaltungsakte elekt-

ronisch über das De-Mail-System zuzustellen und die Kennt-

nisnahmemöglichkeit des Empfängers durch die Vorlage der

providerseitig generierten Abholbestätigung zu beweisen.

Einer Empfangsbestätigung des Adressaten, wie sie noch bei

dem Zugang einer E-Mail notwendig gewesen ist, bedarf es

nicht mehr. Eine konfrontative Zustellung ist folglich auch auf

elektronischem Wege möglich. Auf der Hand liegen die damit

einhergehenden, mannigfaltigen Einsparungsmöglichkeiten

(Porto, Papier etc.), die durch die einfache Einbindungsmög-

lichkeit des Systems in die bestehenden Infrastrukturen (etwa

in Microsoft Outlook) ergänzt werden.

VIII. Offene Fragen

Diese für die Verwaltung attraktiven Perspektiven der De-Mail-

Nutzung werden von einigen bislang ungeklärten praktischen

und rechtlichen Problemstellungen begleitet. Im Rahmen letz-

terer ist -vor allem die für die verwaltungsrechtliche förmliche

Zustellung erforderliche Feststellung einer Eröffnung des De-

Mail-Postfaches durch den Nutzer fraglich. Eine solche Eröff-

nung, die einen subjektiven Widmungsakt voraussetzt, ist ge-

setzlich vorgeschrieben, um den Bürger vor Zustellwegen zu

schützen, die er selber nicht eröffnet hat. In Bezug auf die nor-

male E-Mail hat die Rechtsprechung eine Zugangseröffnung

zwar bejaht, wenn der Bürger seine E-Mail-Adresse, etwa inner-

halb eines Briefkopfes verwendet. Ob man diese Bewertung

aber auch auf die De-Mail-Nutzung übertragen kann, erscheint

vor dem Hintergrund ihrer wesentlich höheren Verbindlichkeit

fragwürdig. Ein Folgeproblem betrifft in diesem Zusammen-

hang die Frage nach der Dauer und der Reichweite einer (bei-

spielsweise innerhalb eines Verfahrens um einen Hundesteu-

erbescheid) einmal festgestellten Zugangseröffnung. Nimmt

man etwa eine „Globalwidmung“ für sämtliche Verwaltungs-

verfahren an, müsste der Bürger zukünftig auch mit der Zu-

stellung von tief in seine Rechte eingreifenden Verwaltungs-

akten – etwa einer Exmatrikulation oder einer baurechtlichen

Abrissverfügung – rechnen, obwohl er seinen De-Mail-Zugang

im Rahmen eines weitaus weniger einschneidenden Verwal-

tungsverfahrens eröffnet hatte. In beweisrechtlicher Hinsicht

hält die De-Mail-Kommunikation mit den anforderbaren Bestä-

tigungen der Provider zwar einige Vorteile bereit. Solange sich

in der Rechtsprechung der erhoffte Anscheinsbeweis für die

Identität der Nutzer nicht durchgesetzt hat, besteht jedenfalls

in dieser Hinsicht eine gewisse Rechtsunsicherheit.

Aus Sicht der Praxis dürfte die größte Schwierigkeit in der

Schaffung ausreichender Akzeptanz in der Bevölkerung beste-

hen. Ein Problempunkt ist hierbei, dass das De-Mail-System die

in den Verwaltungsverfahren häufig erforderliche Schriftform

nicht (!) ersetzt. Der Bürger ist mithin bei der Einreichung von

Anträgen oder Widersprüchen weiterhin auf die Nutzung der

normalen Post oder falls vorhanden auf die Nutzung der qua-

lifizierten elektronischen Signatur angewiesen. Das De-Mail-

System bringt dem Bürger in dieser Hinsicht keinerlei Vorteile,

ermöglicht aber einen weiteren Zugangsweg, den er kontrol-

lieren und beherrschen muss. Außerdem bleibt abzuwarten,

wie die Bürger die „Umständlichkeit“ der notwendigen Iden-

tifizierung ihrer Person und den jedenfalls bei Nutzung des

gängigen Postident-Verfahrens erzeugten Medienbruchs hin-

nehmen werden.

IX. Fazit

Mit dem De-Mail-G hat der Gesetzgeber ein Infrastrukturge-

setz auf den Weg gebracht, das vor allem für die öffentliche

Verwaltung positive Perspektiven für die sichere elektronische

Kommunikation eröffnet. Mit Spannung bleibt allerdings ab-

zuwarten, wie sich mit dem Start der ersten Dienste im ersten

Halbjahr 2012 die vorhandenen praktischen und rechtlichen

Probleme entwickeln und wie sich diese lösen lassen.

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