Upload
others
View
0
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Infobrief Recht
DFN-Infobrief RechtJahresband 2012
Deutsches Forschungsnetz DFN-Infobrief Recht Jahresband | 2012
www.dfn.de
Impressum
Herausgeber: Verein zur Förderung eines
Deutschen Forschungsnetzes e. V.
DFN-Verein
Alexanderplatz 1, 10178 Berlin
Tel: 030 - 88 42 99 -0
Fax: 030 - 88 42 99 - 70
E-Mail: [email protected]
Web: www.dfn.de
Texte: Forschungsstelle Recht im DFN
Ein Projekt des DFN-Vereins an der Westfälischen
Wilhelms-Universität, Institut für Informations-,
Telekommunikations- und Medienrecht (ITM),
Zivilrechtliche Abteilung, unter Leitung von
Prof. Dr. Thomas Hoeren.
Leonardo-Campus 9,
D-48149 Münster
Mail: [email protected]
Web: www.dfn.de/rechtimdfn/
ISSN 2194-3036
Redaktion: Christine Legner-Koch, Annette Rülke
Layout und redaktionelle Bearbeitung: Kai Hoelzner
Umschlagfoto: Torsten Kersting
Druck: Laserline, Berlin
© DFN-Verein Januar 2013
Liebe Leserinnen und Leser,
die Nutzung neuer Formen der Kommunikation und der Informationsverarbeitung führt
zwangsläufig zu bislang wenig oder gar nicht bearbeiteten rechtlichen Fragestellungen.
Dem DFN-Verein ist bewusst, dass Antworten auf solche Rechtsfragen von großer Be-
deutung sind, um die neuen Formen der Kommunikation und der Informationsverarbei-
tung in die täglichen Prozesse von Forschung und Lehre erfolgreich und nutzbringend
einbinden zu können.
Vor diesem Hintergrund erarbeitet die Forschungsstelle Recht im DFN eine Vielzahl von
Stellungnahmen und Handlungsempfehlungen, die in periodischen digitalisierten Pub-
likationen wie z. B. dem „DFN-Infobrief Recht“ an Abonnenten verschickt, auf den Web-
seiten des DFN-Vereins veröffentlicht und durch regelmäßige Seminare und Gastvorträ-
ge aktiv an die Nutzer des Wissenschaftsnetzes vermittelt werden. Die Publikationen
sind in digitalisierter Form auf den Webseiten des DFN-Vereins archiviert und abrufbar
unter der Adresse: http://www.dfn.de/rechtimdfn/
Mit dem vorliegenden „DFN-Infobrief Recht - Sammelband 2012“ werden diese digitali-
sierten Publikationen durch eine gedruckte Zusammenfassung ergänzt.
Wir würden uns freuen, wenn auf diesem Wege die Stellungnahmen und Handlungs-
empfehlungen der Forschungsstelle Recht im DFN eine weitere Sichtbarkeit erreichen
und damit insbesondere auch den Mitgliedern des DFN-Vereins die eine oder andere bis-
lang ungelöste rechtliche Fragestellung einer Beantwortung näher gebracht wird.
Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre.
Ihr DFN-Verein
Inhalt
Ansprechpartner mit beschränkter HaftungBundesgerichtshof konkretisiert Voraussetzungen für die Haftung des Admin-C von Daniel Wörheide
Rechtliche Aspekte sozialer Netzwerke III: Das Arbeitsrecht von Verena Steigert
Die Vorschrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?von Eva-Maria Herring
Neue Verhaltensregeln für den GastgeberBGH konkretisiert die Störerhaftung des Host-Provi-ders in Internetforen von Julian Fischer
Impressumspflicht gilt auch auf Facebook von Julian Fischer
Web-Filter gegen Urheberrechtsverstöße? Der EuGH sagt „Nein“! Zum Urteil des EuGH im Fall Netlog/SABAMvon Verena Steigert
Rechte und Pflichten beim Speicherung von Log-Dateienvon Verena Steigert und Christian Mommers
Es bleibt alles anders!OLG Stuttgart zur Reichweite des § 52a Urheber-rechtsgesetz von Julian Fischer
RSS-Feeds – Fluch oder Segen?BGH konkretisiert die Haftung für die Veröffentli-chung ungeprüfter RSS-Feedsvon Kevin Kuta
Bundesverfassungsgericht kippt Zuordnung von dynamischen IP-Adressen von Susanne Thinius
Umgang mit Social Media im Hochschulalltag Praxistipps zum Umgang mit Social Media und zum Entwurf von Guidelines an Hochschulenvon Johannes Franck
Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet erleichtertBGH klärt Voraussetzungen des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Access-Provider von Florian Klein
Rapidshare vs. Rechteinhaber – Ende einer unendlichen Geschichte?Bundesgerichtshof zur Haftung von File-Hosting-Diensteanbietern bei Urheberrechtsverletzungenvon Kevin Kuta
Die Online-Erschöpfung ist da!Europäischer Gerichtshof bestätigt Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes für den Onlinehandel mit gebrauchter Softwarevon Matthias Försterling
Digitale Leseplätze auf dem Weg nach EuropaRechtsfragen zu digitalen Leseplätzen in Bibliothe-ken bleiben vorerst ungeklärtvon Daniel Wörheide
Homepagepflege bei ArbeitnehmerfotosLandesarbeitsgericht Frankfurt: Löschungsanspruch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnissesvon Julian Fischer
Neue Richtlinie soll europaweite Digitalisierung verlorener Werkevon Susanne Thinius
Neue Perspektiven in der elektronischen
Kommunikation
Folgen des De-Mail-Gesetzes für die öffentliche
Verwaltung
von Matthias Försterling
6
9
12
14
17
20
23
26
29
32
35
38
42
45
48
51
56
59
6 | DFN-Infobrief Recht 2012
Ansprechpartner mit beschränkter Haftung
Bundesgerichtshof konkretisiert Voraussetzungen für die Haftung des Admin-C
Von Daniel Wörheide LL.B.
Unter welchen Voraussetzungen haftet der bei der DENIC e.G. für eine Domain registrierte ad-
ministrative Kontakt (Admin-C) für Kennzeichenrechtsverletzungen, die durch diese Domain
verursacht werden? Bislang gab es auf diese Frage keine eindeutige Antwort, da die einzelnen
Land- und Oberlandesgerichte diesbezüglich sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt
haben (siehe hierzu Kai Welp: „Die Haftung des administrativen Kontakts“, DFN-Infobrief Recht
vom April 2008). In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat sich nun erstmals auch der Bun-
desgerichtshof mit der Thematik befasst und dabei eine< Haftung des Admin-C für den Regelfall
ausgeschlossen. Für die Praxis ändern sich damit abermals die Leitlinien, anhand derer Haftungs-
fragen in diesem Bereich zu beurteilen sind. Nach über einem Jahrzehnt endet damit aber auch
die Rechtsunsicherheit, die durch divergierende Gerichtsentscheidungen zu Haftungsfragen in
diesem Bereich entstanden war.
I. Ausgangslage: Funktion und Rechts-stellung des Admin-C
Die Funktion des Admin-C ergibt sich aus Ziffer VIII. der von der
DENIC e.G. aufgestellten Domainrichtlinien. Danach kann eine
Domain mit der Top-Level-Domain „.de“ nur angemeldet wer-
den, wenn der Domaininhaber eine natürliche Person als Ad-
min-C benennt. Dieser ist als Bevollmächtigter gegenüber der
DENIC e.G. berechtigt und verpflichtet, sämtliche die Domain
betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden.
Zu diesem Zweck sind Name, Anschrift, Telefonnummer und
E-Mailadresse der Person bei der DENIC e.G. zu hinterlegen. So-
fern der Domaininhaber seinen Sitz im Ausland hat, übernimmt
der Admin-C zudem zwingend die Aufgabe eines Zustellungs-
bevollmächtigten für Verwaltungs- und Gerichtsverfahren:
Verfahrens- und Prozesshandlungen können daher gegenüber
dem Admin-C vorgenommen werden, der in diesen Fällen in
Deutschland ansässig sein muss. Insgesamt kommt dem Ad-
min-C somit eine Doppelrolle zu: Einerseits ist er im Verhältnis
zur DENIC e.G. berechtigt, sämtliche die Domain betreffenden
Entscheidungen eigenständig zu treffen. Er fungiert somit
vorrangig als Ansprechpartner und Vertretungsperson im Rah-
men des Vertragsverhältnisses zwischen Domaininhaber und
DENIC e.G. Gleichzeitig tritt der Admin-C aber auch nach
außen als eine Person in Erscheinung, die in Bezug auf
die Domain eigenverantwortliche Entscheidungen tref-
fen kann. Dies geht letztlich sogar so weit, dass der
Admin-C die Rechtsmacht besitzt, um – ohne Rücksprache mit
dem Domaininhaber – die Löschung der Domain herbeizufüh-
ren. Die Außenwirkung wird dabei noch durch den Umstand
verstärkt, dass die Angaben zur Person des Admin-C im Rah-
men einer Whois-Abfrage jederzeit von beliebigen Dritten ein-
gesehen werden können.
II. Die Auseinandersetzung um die haftungsrechtliche Bewertung des Admin-C
In Anbetracht dieser Doppelstellung verwundert es nicht, dass
die Gerichte bisher unterschiedliche Auffassungen zu der Frage
vertreten haben, ob neben dem Domaininhaber auch der Admin-
C für Kennzeichenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden
kann, die durch die Domain verursacht werden. Zwar besteht
Einigkeit darüber, dass Schadensersatzansprüche gegen den
Admin-C grundsätzlich nicht in Betracht kommen, da diesem
in aller Regel kein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Handeln
vorgeworfen werden kann. Es stellt sich aber die Frage, ob der
Admin-C zumindest nach den Grundsätzen der Störerhaftung
DFN-Infobrief Recht 2012 | 7
auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen
werden kann. Danach muss u.U. auch derjenige, der willentlich
und adäquat kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhal-
tung einer Rechtsverletzung mitgewirkt hat, Maßnahmen tref-
fen, die eine fortbestehende Rechtsverletzung beseitigen und
die zukünftige Rechtsverletzungen ausschließen. Dies gilt je-
doch nur, wenn die Person zugleich zumutbare Prüfungspflich-
ten verletzt hat. Mit Blick auf Stellung und Aufgabenbereich
des Admin-C stellt sich daher die Frage, ob sich entsprechende
Prüfungspflichten allein aus dem Umstand ergeben, dass die-
ser als Admin-C bei der DENIC e.G. registriert ist.
Insbesondere in älteren Gerichtsentscheidungen ist die Ver-
antwortlichkeit des Admin-C nach den Grundsätzen der Stö-
rerhaftung wiederholt bejaht werden. Einige Gerichte gingen
dabei sogar so weit, dass der Admin-C nicht nur für die Domain
selbst, sondern auch für den Inhalt der dahinterliegenden
Webseite verantwortlich gemacht wurde. Um begründen zu
können, dass Prüfungspflichten für den Admin-C zumutbar
sind, wurde insbesondere auf dessen autonome Stellung ver-
wiesen, die dieser gegenüber der DENIC e.G. einnimmt und die
ihn in die Lage versetzt, Rechtsverletzungen durch Kündigung
der Domain zu beseitigen. Allerdings finden sich in neueren
Gerichtsentscheidungen auch vermehrt Argumentationen, die
zum gegenteiligen Ergebnis führen. So könne allein aus der
Möglichkeit, den Domainvertrag mit der DENIC e.G. zu kündi-
gen, nicht geschlossen werden, dass der Admin-C im Verhältnis
zum Domaininhaber auch zu einem solchen Verhalten berech-
tigt ist. Vielmehr folge aus dem Dienst- oder Arbeitsvertrag mit
dem Domaininhaber in der Regel die Pflicht, den Domainver-
trag nicht ohne Zustimmung des Domaininhabers zu kündi-
gen. Zudem lasse sich aus der Stellung des Admin-C nicht die
Pflicht ableiten, zu prüfen, ob durch die Domain Kennzeichen-
rechte Dritter verletzt werden. Diese Aufgabe obliege vielmehr
in der Regel allein dem Domaininhaber selbst.
III. Bundesgerichtshof: Störerhaftung des Admin-C nur in Ausnahmefällen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seiner Entscheidung
vom 9. November 2011 (Az.: I ZR 150/09) nun grundsätzlich ge-
gen eine generelle Haftung des Admin-C ausgesprochen. Die
Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten lasse sich nämlich
nicht allein mit der Stellung als Admin-C begründen. Vielmehr
ergebe sich aus den Domainrichtlinien der DENIC e.G., dass
sich der Aufgabenbereich des Admin-C im Ausgangspunkt
auf die Erleichterung der administrativen Durchführung be-
schränke. Damit widerspricht der BGH der Argumentation eini-
ger Gerichtsentscheidungen, die eine Haftung als Störer allein
mit der Fähigkeit des Admin-C zur Kündigung des Domainver-
trages begründen wollten.
Allerdings sieht der BGH Anlass, von diesem Grundsatz eine
wesentliche Ausnahme zuzulassen: Sofern beim künftigen
Domaininhaber vor der Antragstellung nicht gesondert ge-
prüft werde, ob durch die Domain Kennzeichenrechte Dritter
verletzt werden, könne dies besondere Prüfungspflichten des
Admin-C begründen. Insbesondere wenn der Domaininhaber
ein automatisiertes Antragsverfahren durchführe und sich
eine Person in Kenntnis dessen bereit erkläre, für alle auf die-
sem Wege registrierten Domains als Admin-C zur Verfügung zu
stehen, erhöhe sich dadurch die Gefahr, dass durch die Regis-
trierung Kennzeichenrechtsverletzungen verursacht werden.
Dieses Risiko lasse sich nur dadurch minimieren, dass auf
der Ebene des Admin-C geprüft werde, ob durch die Domain
die Rechte Dritter verletzt werden. In Ausnahmefällen sieht
der BGH somit auch weiterhin Spielraum dafür, dem Admin-C
eigenständige Prüfungspflichten aufzuerlegen, deren Verlet-
zung eine Haftung als Störer nach sich ziehen kann. Die Haf-
tung des Admin-C ist somit durch die Entscheidung des BGH
nicht generell ausgeschlossen, allerdings an gesteigerte Vor-
aussetzungen geknüpft.
IV. Fazit und Folgen für Hochschulpraxis
Die Entscheidung des BGH ist insbesondere mit Blick auf die
bislang bestehende Rechtunsicherheit begrüßenswert: Klar-
gestellt ist damit, dass die Stellung des Admin-C allein nicht
genügt, um diesen nach den Grundsätzen der Störerhaftung
in Anspruch zu nehmen. Auch ist es zumindest im Ausgangs-
punkt überzeugend, dass der BGH dem Admin-C dann beson-
dere Pflichten auferlegt, wenn der Registrierungsvorgang auf
Seiten des zukünftigen Domaininhabers automatisiert erfolgt.
Auf diesem Wege wird eine Arbeitsteilung zwischen Domain-
inhaber und Admin-C erzwungen, die mit Blick auf die Doppel-
stellung des Admin-C durchaus funktionsgerecht erscheint.
Abzuwarten bleibt allerdings, ob in künftigen Gerichtsent-
scheidungen die Prüfungspflichten des Admin-C auch in ver-
gleichbaren Sonderkonstellationen bejaht werden. Es besteht
also auch weiterhin die Möglichkeit, dass Gerichte in Zukunft
unterschiedliche Auffassungen zu der Frage haben werden, ob
in einem Fall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer
8 | DFN-Infobrief Recht 2012
den Admin-C eigenständige Prüfungspflichten treffen.
Für die Hochschulpraxis lassen sich mit Blick auf die darge-
stellte Entscheidung des BGH verschiedene Schlussfolgerun-
gen ziehen: Zunächst verringert sich das Haftungsrisiko für
alle Hochschulangehörigen, die als Admin-C für Hochschuldo-
mains fungieren. Zwar dürfte bei Hochschuldomains, die sich
allein aus Buchstabenkürzeln und Ortsnamen zusammenset-
zen, ohnehin selten die Gefahr bestehen, dass diese Kennzei-
chenrechte Dritter verletzen. Sobald Domains mit anderem
Aussagegehalt verwendet werden (z.B. für Projektseiten oder
themen- bzw. fachspezifische Portale), kann jedoch nicht gene-
rell ausgeschlossen werden, dass dadurch Kennzeichenrechte
Dritter beeinträchtigt werden. Zugleich müssen Hochschulen
die neuen höchstrichterlichen Leitlinien berücksichtigen,
wenn sie selbst gegen Kennzeichenrechtsverletzungen vor-
gehen wollen, die durch anderweitig registrierte Domains
verursacht werden. Dies ist vor allem denkbar, wenn durch die
Domain eines Dritten Namensrechte der Hochschule verletzt
werden. In diesem Fall sollten Hochschulen dazu übergehen,
vorrangig gegen den Domaininhaber vorzugehen: Zwar ist
mit Kenntnis von der Rechtsverletzung auch der Admin-C ver-
pflichtet, die Löschung der Domain herbeizuführen. Die für
die Abmahnung unter Umständen entstandenen Anwaltskos-
ten können dem Admin-C jedoch nur auferlegt werden, wenn
dieser selbst als Störer in Anspruch genommen werden konn-
te. Dies ist nach der Entscheidung des BGH nur ausnahmswei-
se der Fall, sodass die Inanspruchnahme des Domaininhabers
vorzugswürdig ist.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 9
Rechtliche Aspekte sozialer Netzwerke III: Das Arbeitsrecht
Verena Steigert
In den ersten beiden Teilen der DFN-Infobrief-Recht-Reihe zu rechtlichen Aspekten sozialer Netz-
werke standen urheber- und persönlichkeitsrechtliche sowie datenschutzrechtliche Fragestel-
lungen im Vordergrund. Im dritten und letzten Teil soll es nun um arbeitsrechtliche Probleme
bei der Nutzung derartiger Plattformen gehen. Das am meisten diskutierte Problem ist dabei die
häufig von Arbeitgeberseite vorgenommene Online-Recherche über Bewerber. Aber auch andere
Themen wie etwa die Fragen, ob bestimmte Aktivitäten der Beschäftigten in sozialen Netzwer-
ken einen Kündigungsgrund darstellen können oder ob der Arbeitgeber qua Direktionsrecht die
Nutzung sozialer Netzwerke anordnen kann, werden zunehmend aktuell.
I. Bewerberauswahl über soziale Netzwerke
Nach der jüngsten repräsentativen Umfrage des Marktfor-
schungsinstituts Aris aus Hamburg1 verwenden gut die Hälfte
aller Unternehmen (52 %) das Internet, um sich vorab über ihre
Bewerber zu informieren. 49% nutzen dabei Suchmaschinen,
zum einen traditionelle wie Google, Yahoo oder Bing, zum an-
deren aber auch spezielle Personensuchmaschinen wie etwa
123people oder yasni. 21% der Befragten gaben zudem an, bei
der Bewerberrecherche auf berufsorientierte soziale Netz-
werke (z. B. XING oder LinkedIn) zurückzugreifen, 19% suchen
auch in freizeitorientierten Netzwerken (Facebook, VZ-Grup-
pe, wer-kennt-wen etc.). Im Vergleich zum Vorjahr stieg die
Nutzung des Internets zur Information über Bewerber damit
um durchschnittlich 3% an.2
1. Derzeitige Rechtslage
Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezoge-
ner Daten bedarf nach § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
einer rechtlichen Grundlage im BDSG selbst oder in einer
anderen Rechtsvorschrift. Alternativ kann auch die Einwilli-
gung des Betroffenen eine Verarbeitung seiner personenbe-
zogenen Daten rechtfertigen. Eine den Voraussetzungen des
§ 4a Abs. 1 BDSG (Informiertheit, Freiwilligkeit, Bestimmtheit,
Schriftform) genügende Einwilligung eines Stellenaspiran-
ten wird allenfalls dann gegeben sein, wenn dieser in seiner
Bewerbung ausdrücklich auf die zu seiner Person im Internet
befindlichen Daten hinweist. Dies dürfte allerdings einen Aus-
nahmefall darstellen.
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Nutzung
von Daten aus sozialen Netzwerken durch den Arbeit-
geber besteht nach derzeitiger Rechtslage nicht. Allein
§ 32 BDSG stellt eine spezielle Normierung der Daten-
erhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des
Beschäftigungsverhältnisses dar. Danach dürfen perso-
nenbezogene Daten eines Beschäftigten unter anderem
erhoben werden, wenn dies für die Entscheidung über
die Begründung eines Beschäftigtenverhältnisses erfor-
derlich ist. Neben § 32 BDSG ist – nach überwiegender, aller-
dings nicht unumstrittener Ansicht – auch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
BDSG im Beschäftigungsverhältnis weiterhin anwendbar. Die-
ser gestattet die Erhebung von Daten aus allgemein zugäng-
lichen Quellen, wenn nicht das schutzwürdige Interesse des
Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung überwiegt.
Stammen die betroffenen Daten also aus allgemein zugänglich
Quellen – dies lässt sich im Zusammenhang mit sozialen Netz-
werken insbesondere dann anneh-men, wenn die in dem Netz-
werk enthaltenen Daten über Suchmaschinen (Google, Yahoo,
Bing etc.) zugänglich sind – so lässt sich die Erhebung über § 28
Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG rechtfertigen. Das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung des Bewerbers muss insoweit zurück-
treten, da der Bewerber die Daten in der Regel selbst in das
10 | DFN-Infobrief Recht 2012
Netzwerk eingestellt und den Zugriff durch Suchmaschinen
freigegeben oder zumindest nicht unterbunden hat.
Sind die Daten in dem Profil eines sozialen Netzwerkes da-
gegen nur für Mitglieder des Netzwerkes oder so-gar nur für
durch den Betroffenen selbst hinzugefügte „Freunde“ sicht-
bar, so kann nicht von einer allgemein zugänglichen Quelle
gesprochen werden. Gleichwohl kann eine Datenerhebung
von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG gedeckt sein, wenn die Internetrecher-
che dazu dient, die in der Bewerbung gemachten Angaben des
Stellenaspiranten auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
2. Zukünftige Rechtslage nach dem Entwurf
für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz
Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäf-
tigtendatenschutzes erhält die Bewerberrecherche in sozialen
Netzwerken in § 32 Abs. 6 BDSG-Entwurf (BDSG-E) nunmehr
eine explizite Rechtsgrundlage. Danach darf der Arbeitgeber
allgemein zugängliche Beschäftigtendaten ohne Mitwirkung
des Beschäftigten erheben, wenn er den Beschäftigten – etwa
in der Stellenausschreibung – zuvor auf die Erhebung hinge-
wiesen hat und nicht die schutzwürdigen Interessen des Be-
schäftigten am Ausschluss der Erhebung überwiegen. Im Fol-
genden unterscheidet der Gesetzentwurf zwischen sozialen
Netzwerken, die allein der elektronischen Kommunikation
dienen (freizeitorientierte Netzwerke), und solchen, die vor-
nehmlich zur beruflichen Darstellung genutzt werden (berufs-
orientierte Netzwerke), ohne jedoch Kriterien zur Abgrenzung
dieser beiden Arten sozialer Netzwerke aufzustellen. Bei ers-
teren soll das Interesse der Beschäftigten am Ausschluss der
Datenerhebung überwiegen, in letzteren ist eine Internetre-
cherche dagegen immer zulässig. Überwiegende Interessen
der Beschäftigten, die einer Datenerhebung im Internet entge-
genstehen können, liegen nach der Gesetzesbegründung zu § 32
Abs. 6 BDSG-E ferner dann vor, wenn die im Netz zu findenden
Daten offensichtlich veraltet sind oder der Bewerber nach den
erkennbaren Umständen über ihre Veröffentlichung keine
Herrschaft hatte. Eine spezielle Regelung enthält zudem § 32
Abs. 2 BDSG-E für besonders sensible Daten eines Bewerbers
(rassische und ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschau-
ung, Behinderung, sexuelle Identität, Gesundheit, Vermögens-
verhältnisse, Vorstrafen oder laufende Ermittlungsverfahren).
Zwar werden solche Daten nur in den seltensten Fällen von
dem Betroffenen auf den Seiten eines sozialen Netzwerkes
öffentlich gemacht werden. Wenn doch, dann ist eine Daten-
erhebung aber jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des
§ 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
zulässig. Danach müsste das erhobene Datum für die auszu-
übenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine
wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar-
stellen. Die Information müsste mit anderen Worten unver-
zichtbar für die Einstellung des Bewerbers sein.
Problematisch an dem Gesetzentwurf für ein Beschäftigtenda-
tenschutzgesetz ist unter anderem, dass dieser keine Definiti-
on eines sozialen Netzwerkes enthält. Offen bleibt somit, ob
etwa auch Internetforen oder Blogs hierunter fallen können.
II. Direktionsrecht und Soziale Netzwerke
In der arbeitsrechtlichen Diskussion steht ferner die Frage,
inwieweit ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter unter Berufung
auf sein Direktionsrecht (§ 106 Gewerbeordnung) zu einem be-
stimmten Verhalten in sozialen Netzwerken anweisen kann.
Eine Verpflichtung der Beschäftigten sich in einem freizeit-
orentierten sozialen Netzwerk anzumelden, scheidet auf-
grund des privaten Charakters dieser Netzwerke von vornhe-
rein aus. Anders kann sich die Lage jedoch hinsichtlich eines
berufsorientieren Netzwerkes darstellen, insbesondere wenn
dem entsprechenden Mitarbeiter eine hervorgehobene Funk-
tion im Rahmen der Unternehmensrepräsentation und Öffent-
lichkeitsarbeit zukommt. In diesem Fall könnte die Pflicht zur
Anmeldung in einem Netzwerk wie XING oder LinkedIn eine
konkretisierte Neben- oder sogar Hauptleistungspflicht aus
dem Arbeitsvertrag darstellen. Allerdings muss auch hier in
jedem Einzelfall das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung des Arbeitnehmers mit dem Interesse des Arbeitgebers
an der Repräsentation seines Unternehmens in dem Netzwerk
abgewogen werden.
Geht es um das Verhalten der Arbeitnehmer in einem sozialen
Netzwerk, so kann der Arbeitgeber in jedem Fall qua Direkti-
onsrecht Handlungen unterbinden, die dem Unternehmen
schädlich sein können (falsche Darstellung des Unternehmens
in dem sozialen Netzwerk, Verrat von Betriebs- und Geschäfts-
geheimnissen, beleidigende Äußerungen etc.).
III. Aktivitäten in sozialen Netzwerken als Kündigungsgrund
Aktivitäten der Beschäftigten in sozialen Netzwerken können
unter Umständen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
DFN-Infobrief Recht 2012 | 11
den Arbeitgeber rechtfertigen. Hat der Arbeitgeber die private
Nutzung des Internets verboten oder nutzt ein Arbeitnehmer
soziale Medien in exzessivem Umfang während der Arbeitszei-
ten, so kommt eine Kündigung aufgrund arbeitsvertraglicher
Pflichtverletzungen (§§ 611, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB)) in Betracht. Hier ist allerdings aufgrund des „Ultima-
ratio-Charakters“ der Kündigung im Einzelfall abzuwägen, ob
nicht eine Abmahnung die verhältnismäßigere Lösung bildet.
Neben der Nutzung sozialer Netzwerke an sich, kann auch das
konkrete Verhalten eines Beschäftigten in einem solchen Netz-
werk Anlass zu einer (verhaltensbedingten) Kündigung geben.
So liegt es etwa bei strafbarem Verhalten oder beim Verrat von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Äußert sich ein Arbeit-
nehmer in einem sozialen Netzwerk kritisch über seinen Arbeit-
geber, kann auch ein solches rufschädigendes Verhalten unter
dem Aspekt der Verletzung der arbeitsrechtlichen Rücksicht-
namepflicht eine Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss
hier nach der Art und Deutlichkeit der Kritik und der Größe des
mit der Kritik erreichten Personenkreises differenziert werden.
Auch kritische Äußerungen eines Arbeitnehmers über seinen
Arbeitgeber können unter Umständen vom Grundrecht der
Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt sein.
Geht es um die private Darstellung eines Beschäftigten in ei-
nem sozialen Netzwerk, so kommt eine Abmahnung oder bei
Wiederholung eine Kündigung allenfalls dann in Betracht,
wenn sich ein Arbeitnehmer, der in besonderem Maße für die
Außendarstellung des Unternehmens Verantwortung trägt
(herausgehobene Position, viele Geschäfts- und Kundenkon-
takte), in dem sozialen Netzwerk in einer Weise präsentiert,
die negative Folgen für den Ruf des gesamten Unternehmens
mit sich bringen kann.
Kommt es im weiteren Verlauf zu einem Kündigungsschutz-
prozess, so können Daten aus sozialen Netzwerken vor Gericht
jedenfalls dann verwendetet werden, wenn sie unter Einhal-
tung des Datenschutzrechts gewonnen wurden.
IV. Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe von Benutzerkonten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Pflegt und verwaltet ein Mitarbeiter Geschäftskontakte über
ein soziales Netzwerk, so kann der Arbeitgeber bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses ein Interesse an der Herausgabe des
Benutzerkontos, d. h. an der Übermittlung der Zugangsdaten
zu diesem Konto, haben. Daten, die der Arbeitgeber zur Weiter-
führung der Geschäfte des Mitarbeiters benötigt, sind diesem
auszuhändigen. Das Benutzerkonto selbst ist jedenfalls dann
herauszugeben, wenn es den Namen des Arbeitgebers trägt
oder von diesem selbst zur Verfügung gestellt und finanziert
wurde. Insoweit kommt eine entsprechende Anwendung des
§ 667 BGB in Betracht, nach dem der Arbeitnehmer dazu ver-
pflichtet ist, alles herauszugeben, was er im Rahmen des Ar-
beitsverhältnisses erlangt hat. Im Hinblick auf Accounts bei
rein privat genutzten Netzwerken besteht demgegenüber kein
Herausgaberecht des Arbeitgebers.
V. Social Media Richtlinien
Um den Umgang ihrer Mitarbeiter mit sozialen Netzwerken
verbindlich zu regeln, bietet sich auch für Hochschulen der Er-
lass sogenannter Social Media Richtlinien an. In diesen kann
zum einen festgelegt werden, ob und in welchem Umfang die
(private) Nutzung sozialer Netzwerke während der Arbeitszeit
überhaupt gestattet ist. Zum anderen können derartige Richt-
linien auch Hinweise auf arbeitsvertragliche oder gesetzliche
Pflichten wie die Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Ge-
schäfts- und Betriebsgeheimnisse, die Loyalitäts- und Rück-
sichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder auch die
Einhaltung des Urheber- und Persönlichkeitsrechts enthalten.
In jedem Fall führt der Erlass entsprechender Social Media
Richtlinien zu mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmer im Um-
gang mit sozialen Netzwerken.
VI. Fazit
Soziale Netzwerke sind aus dem heutigen (Berufs-)Alltag nicht
mehr wegzudenken. Sie werden genutzt, um nach Bewerbern
zu recherchieren, das Unternehmen (oder auch die Hochschu-
le) im World Wide Web zu repräsentieren und in zunehmen-
dem Maße auch um dienstliche Kontakte zu pflegen. Eine Aus-
einandersetzung mit den arbeitsrechtlichen Fragestellungen,
die die Nutzung sozialer Netzwerke in der Arbeitswelt mit sich
bringt, ist daher unerlässlich.
Anmerkungen:
1 h t t p : / / w w w . h e i s e . d e / n e w s t i c k e r / m e l d u n g / J e d e r - z w e i
te-Personaler-informiert-sich-ueber-Bewerber-im-Internet-1362908.html
2 Vgl. Umfrage des Branchenverbands BITKOM aus dem Jahr 2010, abruf-
bar unter: http://www.bitkom.org/66721_65790.aspx
12 | DFN-Infobrief Recht 2012
Die Vorschrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?
Dipl.-Jur. Eva-Maria Herring
Mit einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27.09.2011 (Az.: 17 O 671/10) zu § 52a UrhG) wurde
die Fernuniversität Hagen verurteilt, es künftig zu unterlassen, ihren Studierenden im Rahmen
einer geschlossenen Benutzergruppe Auszüge aus einem im Kröner-Verlag erschienen Psychologie-
Lehrbuch als PDF zur Verfügung zu stellen. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die ge-
samte Hochschulpraxis, da es längt zum Studienalltag gehört, den Studierenden wissenschaftliche
Texte auf digitalem Weg zur Verfügung zu stellen.
I. Hintergrund
Am 27.09.2011 hatte das Landgericht Stuttgart über den An-
trag des Kröner-Verlages zu entscheiden, der Fernuniversität
Hagen zu untersagen, längere Abschnitte eines seiner Lehrbü-
cher im universitätseigenen Intranet bereitzuhalten. Konkret
hatte die Fernuniversität 91 Seiten eines insgesamt 476 Sei-
ten umfassenden Lehrbuches etwa 4.000 Studierenden eines
Studiengangs via Intranet zur Verfügung gestellt. Zunächst
war den Studierenden sogar die Speicherung als PDF-Datei
gestattet; hinterher wurde dann nur noch die Ansicht des Do-
kuments ermöglicht. Der Verlag sah sich hierdurch in seinem
Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ver-
letzt. Die Fernuniversität hingegen rechtfertigte das Bereithal-
ten des veröffentlichten Auszugs mit § 52a UrhG, der es unter
anderem auch Hochschulen erlaubt veröffentlichte Werkteile,
Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitun-
gen oder Zeitschriften für einen bestimmt abgegrenzten Kreis
von Unterrichtsteilnehmern zum Online-Abruf bereitzustellen,
soweit dies zu dem angestrebten Zweck geboten und zur Ver-
folgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.
Die Frage, welche Reichweite die Vorschrift einnimmt, hat
schon mehrfach zu Streitigkeiten zwischen der Verlagslobby
und den Bildungseinrichtungen geführt. Zu einer abschließen-
den gerichtlichen Klärung kam es bislang nicht, so dass das
Urteil des LG Stuttgart erstmals konkrete, verallgemeinerungs-
fähige Aussagen zu Inhalt und Umfang der Regelung gemacht
hat.
II. Die wichtigsten Aussagen des LG Stuttgart
1. Download-Angebot im Umfang von mehr als
drei Seiten unzulässig
Nach Auffassung des LG Stuttgart ist es nicht mehr von der
Schrankenregelung des § 52a UrhG gedeckt, mehr als drei
Seiten eines Werkes (hier des Lehrbuches) bereitzuhalten.
Dies gilt zumindest, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine
dauerhafte Speicherung ermöglicht wird. Um einen Urhe-
berrechtsverstoß zu vermeiden, hätte die Fernuniversität
Hagen daher ein Format wählen müssen, welches das dau-
erhafte Speichern auf den Computern der Studierenden un-
möglich macht. Wie schon das Urteil des OLG Frankfurt zu
den elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken (Urteil vom
24.11.2009 – Az. 11 U 40/09) stützte auch das LG Stuttgart sei-
ne Begründung im Wesentlichen darauf, dass zwischen den
Nutzern der E-Learning Plattform, den Studierenden und
der Universität als Anbieter der Plattform unterschieden
werde müsse. Während die Studierenden im Rahmen ihrer
Privatkopierfreiheit nach § 53 UrhG legal Kopien anfertigen
dürften, bestimmten sich die Rechte der Universität als An-
bieter der Plattform allein nach § 52a UrhG. Diese Regelung
erlaube es Universitäten aber gerade nicht, eine Anschluss-
nutzung in Form einer dauerhaften Speicherung zu ermög-
lichen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten durch
§ 52a UrhG nur solche Nutzungen gestattet werden, wie sie
auch im analogen Bereich möglich seien. Die Speicherung auf
den Rechnern der Studierenden stelle jedoch eine einfachere
und qualitativ höherwertige Vervielfältigung als die analoge
DFN-Infobrief Recht 2012 | 13
Nutzung dar, da die Texte beispielsweise direkt in die eigene
Textverarbeitung übernommen werden könnten. Insbesonde-
re sei die Erstellung einer PDF-Datei nicht erforderlich, um den
Studierenden das Werk zugänglich machen zu können.
2. Zehn Prozent können noch „kleiner Teil“
eines Werkes sein
Der Anspruch des Verlages auf Unterlassung bestehe darüber
hinaus auch, wenn mehr als 10% des Werkes, im vorliegenden
Fall also mehr als 48 Seiten, den Studierenden im universi-
tätseigenen Intranet zugänglich gemacht werden. § 52a UrhG
erlaube nämlich nur die Zugänglichmachung von „kleinen Tei-
len“ eines Werkes zu Unterrichtszwecken. Diese Grenze zieht
das LG bei 10 % des didaktisch relevanten Umfanges. Für die
Berechnung der 10% komme es auf die Textseiten an, die den
Studierenden nützen; Inhalte wie Inhaltsverzeichnis, Vorwort
oder Einleitung seien dagegen nicht zu berücksichtigen.
3. Veröffentlichung muss der
„Veranschaulichung im Unterricht“ dienen
Das LG hielt es für ausreichend, dass die Veröffentlichung der
Auszüge aus dem Lehrbuch zumindest hilfreich gewesen ist,
um den Unterrichtsstoff besser darzustellen. Die Veröffentli-
chung diene in diesem Fall bereits der Veranschaulichung im
Unterricht. Die Formulierung „im“ Unterricht bedeute nicht,
dass die Zugänglichmachung auch während des Unterrichts
– sprich während der Vorlesung – erfolgen müsste. Darüber
hinaus müsse der konkrete Inhalt des Werkes auch nicht um-
fassend im Unterricht behandelt werden, wie es beim Zitat-
recht nach § 51 UrhG erforderlich sei. Anforderung sei einzig
und allein, dass die veröffentlichten Auszüge zum besseren
Verständnis der im Unterricht behandelten Lehren beitragen.
4. Begrenzt abgegrenzter Kreis von
Unterrichtsteilnehmern auch bei größerer
Teilnehmerzahl
Dass der Kreis der Teilnehmer mit 4.000 Zugangsberechtig-
ten wesentlich größer ausfalle als bei einer Universität mit
Präsenzunterricht, spiele ebenfalls keine Rolle. Entschei-
dend sei ausschließlich, ob der Auszug aus dem Lehrbuch nur
einem abgegrenzten Kreis von Personen verfügbar gemacht
werde. Im konkreten Fall sei dies durch den mit Benutzerna-
men und Passwort kontrollierten Zugriff gewährleistet wor-
den, sodass unabhängig von der großen Anzahl der Personen
noch ein abgegrenzter Kreis von Unterrichtsteilnehmern
vorläge.
5. Gebotenheit der Bereitstellung
Schließlich setzt § 52a UrhG voraus, dass die Bereitstellung des
Werkes durch den Unterrichtszweck geboten ist. Hierfür sei
nach Auffassung des LG nicht erforderlich, dass die elektroni-
sche Zugänglichmachung absolut notwendig ist, um das Un-
terrichtsziel zu erreichen. Auch könne die Gebotenheit nicht
bereits dadurch ausgeschlossen werden, dass die Informati-
onen in analoger Form ohne erheblichen Aufwand beschafft
werden könnten. Gerade für Studierende einer Fernuniversi-
tät nehme die elektronische Veröffentlichung von Lehrmate-
rialien, die den Unterricht veranschaulichen, einen besonders
hohen Stellenwert ein, da sie zumeist nicht in einer Universi-
tätsstadt leben und deshalb nicht ohne weiteres in einer Prä-
senzbibliothek auf das gewünschte Werk zugreifen können.
III. Ausblick
Das LG Stuttgart nimmt als erstes Gericht zu dem schon bei
Einführung äußerst umstrittenen § 52a UrhG Stellung. Das
Urteil als Sieg der Vertragslobby zu verbuchen, wäre wohl
verfehlt. So hat das LG in seinen Urteilsgründen die Notwen-
digkeit der elektronischen Zugänglichmachung von Studien-
literatur ausdrücklich anerkannt. Eine ersatzlose Streichung
des 2012 auslaufenden § 52a UrhG – wie es der Börsenverein
des deutschen Buchhandels stets fordert – wird daher auch in
Zukunft nicht zu erwarten sein. Allerdings ist es nach diesem
Urteil für Universitäten ratsam, die aufgezeigten quantitati-
ven und qualitativen Grenzen der Nutzung von § 52a UrhG ein-
zuhalten. Universitäten müssen also sicherstellen, dass nicht
mehr als drei Seiten abspeicherbar sind. Zudem dürfen maxi-
mal 10 % eines Werkes zum Lesen und Ausdrucken zugänglich
gemacht werden.
14 | DFN-Infobrief Recht 2012
Neue Verhaltensregeln für den Gastgeber
BGH konkretisiert die Störerhaftung des Host-Providers in Internetforen
von Dipl.-Jur. Julian Fischer
Welche Handlungen und Vorgaben müssen Host-Provider beachten, wenn es in Diskussionsforen
zu Beleidigungen oder sonstigen Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte kommt? Bereits vor ei-
nem Jahr haben wir über das Haftungsrisiko von Hochschulen berichtet, wenn diese als Host-Pro-
vider auftreten, indem sie Speicherplatz für fremde Inhalte, beispielsweise in Newsgroups oder
Blogs, zur Verfügung stellen.1 Bisher war jedoch unklar geblieben, welche konkreten Pflichten
den Host-Provider bei Rechtsverletzungen auf einer von ihm gehosteten Seite treffen und wie er
diese praktisch umsetzen kann. An diese Fragen knüpfen die Maßstäbe eines neuen Haftungsmo-
dells für Hostprovider an, welches der Bundesgerichtshof in seiner jüngsten Entscheidung (BGH,
Urteil vom 25. Oktober 2011, Az.: VI ZR 93/10) entwickelt hat, und welches es in Zukunft zu beach-
ten gilt.
I. Bisherige Rechtslage
1. Haftung auf Schadensersatz
Der Host-Provider stellt die technische Infrastruktur zur Ver-
fügung, um Nutzern die Möglichkeit zu eröffnen, Inhalte zu
hinterlegen, auf welche sie dann selbst oder Dritte zugreifen
können. Diese lediglich vorgelagerte Stellung wird rechtlich
dadurch gewürdigt, dass der Host-Provider prinzipiell nicht
für fremde Inhalte verantwortlich gemacht werden kann, die
er für seine Nutzer speichert. Dieser Grundsatz der Nichtver-
antwortlichkeit des Host-Providers findet seine Grundlage in
§ 10 Telemediengesetz (TMG). Danach trägt vielmehr derjenige
die Verantwortung, der den konkreten Inhalt auf dem ihm zur
Verfügung gestellten Speicherplatz anbietet. Werden mithin
Beiträge in Foren oder Blogs veröffentlicht, deren Inhalte auf
dem Server des Host-Providers gespeichert sind, ist hierfür pri-
mär die den Eintrag verfassende Person verantwortlich.
Der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen gegen den Host-
Provider besteht jedoch nur wenn er keine positive Kenntnis
von der Rechtswidrigkeit der Information hat, welche er für den
Nutzer bereithält. Ausreichend ist dabei bereits die Kenntnis von
Tatsachen oder Umständen, aus denen sich unschwer die Rechts-
widrigkeit der Information bzw. des gehosteten Beitrags ergibt.
Obwohl den Host-Provider keine allgemeine Überwachungs-
pflicht trifft, macht er sich dennoch schadenersatzpflichtig, wenn
er sich grob fahrlässig den Tatsachen verschließt, aus denen sich
die Rechtsverletzung ergibt. Insbesondere bei konkreten Hinwei-
sen muss daher organisatorisch gewährleistet werden, dass diese
an die zuständige Stelle weitergeleitet werden, die in der Lage ist,
die entsprechenden Inhalte umgehend zu sperren. Wird hingegen
derartigen Hinweisen nicht nachgegangen, setzt sich der Host-
Provider der Gefahr aus, dass er den Eindruck erweckt, er billige
die getätigten Aussagen des Nutzers. In diesem Fall haftet er für
fremde Inhalte in gleicher Weise wie für eigene, wenngleich auf
die inhaltliche Gestaltung kein Einfluss genommen werden konn-
te. Dieses Haftungsrisiko gilt es durch klare Zuständigkeiten und
zügige Bearbeitung weitestgehend gering zu halten.
2. Haftung auf Unterlassung und Beseitigung
Für Unterlassens- und Beseitigungsansprüche gilt die Privi-
legierung des § 10 TMG hingegen nicht. Es handelt sich hier-
bei um verschuldensunabhängige Ansprüche, die – anders
als Schadensersatzansprüche – in die Zukunft gerichtet
sind und nicht etwa bereits erlittene Rechtsverletzungen
ausgleichen sollen. So bleiben, trotz grundsätzlicher Nicht-
verantwortlichkeit des Host-Providers, Verpflichtungen zur
Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen
nach den allgemeinen Gesetzen unberührt (§ 7 Abs. 2 Satz 2
DFN-Infobrief Recht 2012 | 15
Provider nur als „Vermittler“ auftritt und
die rechtwidrige Beeinträchtigung gerade
nicht selbst wissentlich vorgenommen hat.
Ihn trifft in Bezug auf den rechtsverletzen-
den Eintrag nur eine eingeschränkte Ver-
antwortlichkeit, weil er ihn weder verfasst
noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht
hat. Diese Überlegung gilt es auch bei der
Frage der Reichweite der Prüfungspflich-
ten zu berücksichtigen. Der genaue Um-
fang bestimmt sich danach, ob und inwie-
weit ihm, nach den jeweiligen Umständen
des Einzelfalls und unter Berücksichtigung
seiner Funktion und Aufgabenstellung
sowie mit Blick auf die Eigenverantwort-
lichkeit desjenigen, der die rechtswidrige
Beeinträchtigung selbst vorgenommen
hat, eine Prüfung zuzumuten ist. Diese all-
gemein gehaltene Formulierung lässt viel
argumentativen Spielraum zu, sodass es
bis dato an expliziten Verhaltenspflichten
und Vorgaben mangelte. Genau an dieser
Stelle hat der BGH nunmehr angeknüpft
und die Voraussetzungen konkretisiert, un-
ter denen ein Host-Provider als Störer auf
Unterlassung in Anspruch genommen wer-
den kann. Allerdings ist das neue Haftungs-
modell speziell für Internetforen und Blogs
entwickelt worden und betrifft daher nur
den konkreten Umgang des Host-Providers
mit Äußerungen Dritter, die weder von ihm
selbst verfasst noch gebilligt worden sind.
II. Neues Haftungsmodell für Foren und Blogs
Zunächst stellte der BGH in seinem Urteil nochmals klar, dass
der Hostprovider nicht verpflichtet ist, die von Nutzern in das
Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventu-
elle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Erst wenn der Host-
provider auf die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts durch
den betroffenen Nutzer eines Blogs hingewiesen wird, kommt
eine Inanspruchnahme als Störer in Betracht, wonach er ver-
pflichtet wird, den Beitrag zu löschen und zukünftig derartige
Verletzungen zu verhindern.2
TMG). Als ein solches „allgemeines Gesetz“ kommt § 823 Abs. 1
i. V. m. § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht, wel-
ches besser unter dem Begriff der „Störerhaftung“ bekannt ist.
Nach dieser vom BGH entwickelten Rechtsfigur kann jeder, der
in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Ver-
letzung des geschützten Rechts beiträgt, zur Beseitigung und
Unterlassung herangezogen werden. Bereits durch das Zur-
verfügungstellen von Speicherplatz für rechtswidrige Inhalte
leistet der Host-Provider einen solchen ursächlichen Beitrag
für die von dritter Seite vorgenommene Rechtsverletzung.
Damit der Host-Provider jedoch keinem unüberschaubaren
Haftungsrisiko ausgesetzt wird, fordert die Rechtsprechung,
dass ihm zusätzlich eine Verletzung von Prüfungspflichten vor-
zuwerfen ist. Dieses Korrektiv ist gerechtfertigt, da der Host-
Die Beanstandung des Betroffenen ist an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme in angemessener Frist weiterzuleiten.
Stellungnahme des Verantwortlichen bleibt aus.
Der Verantwortliche stellt die Berech=gung der Beanstandung in Abrede.
Dies ist dem Betroffenen mitzuteilen und es sind weitere Nachweise zu verlangen.
Aus der Stellungnahme des Betroffenen und der Äußerung des B log-‐ Verantwortlichen ergibt sich eine rechtswidrige V e r l e t z u n g d e s
Persönlichkeitsrechts.
Der Betroffene legt Nachweise nicht vor.
Der beanstandete Eintrag ist zu löschen.
Eine weitere Prüfung ist nicht veranlasst.
Lei%aden des Host-‐Providers
für einen das Persönlichkeitsrecht verletzenden Blog-‐Eintrag:
DFN-Infobrief Recht 2012 | 16
Des Weiteren ist nach den Vorgaben des BGH Voraussetzung
für ein Tätigwerden des Host-Providers, dass der Hinweis des
Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf
der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer –
das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Über-
prüfung – bejaht werden kann. Der zu leistende Prüfungsauf-
wand hängt dabei insbesondere vom Gewicht der angezeigten
Rechtsverletzung und den Erkenntnismöglichkeiten des Provi-
ders ab. Erst dann ist es angezeigt, die Beanstandung des Be-
troffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellung-
nahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb
einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von
der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der ent-
sprechende Eintrag ist zu löschen.
Stellt der für den Blog Verantwortliche hingegen die Berechti-
gung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben
sich somit berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich
gehalten, dem Betroffenen dieses mitzuteilen und gegebenen-
falls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete
Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betrof-
fenen aus oder legt er erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine
weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellung-
nahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen – auch
unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den
Blog Verantwortlichen – eine rechtswidrige Verletzung des Per-
sönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Zur
besseren Übersichtlichkeit dieser neu geregelten Löschungs-
und Überprüfungspflicht soll die Grafik (Seite 3) dienen, welche
dem Host-Provider Leitlinien an die Hand gibt, für den Fall, dass
er einen Hinweis über Persönlichkeitsrechtsverletzungen in ei-
nem von ihm gehosteten Forum oder Blog erhält.
III. Fazit
Bereits vor dem Urteil des BGH war unstreitig, dass Hostprovi-
der eine Haftung treffen kann, wenn auf den von ihnen zur Ver-
fügung gestellten Seiten andere beleidigt oder diffamiert wer-
den. Neu ist hingegen der genau vorgezeigte Verfahrensablauf,
den der Hostprovider nunmehr zu beachten hat, wenn sie über
eine behauptete Rechtsverletzung auf einer von ihr gehoste-
ten Seite in Kenntnis gesetzt wird. Während dieses Prüf- und
Haftungsmodell auf den ersten Blick klare Regeln enthält, wer-
den Unsicherheiten bei der praktischen Umsetzung der einzel-
nen Handlungsstufen nicht ausbleiben: Wie konkret muss der
Betroffene seine Ehrverletzung vortragen? Was passiert wenn
der Blog-Verantwortliche die Verletzung zwar bestreitet, aber
keine ausreichende Gegenauffassung vorträgt? Wie genau
muss die Prüfung des Hostproviders ausfallen, wenn die Sach-
lage unsicher bleibt? Bei derartigen Unsicherheiten sollte das
Justiziariat der Hochschule eingeschaltet werden und der in
Rede stehende Inhalt vorsichthalber gesperrt werden, bis es
zu einer endgültigen Klärung kommt. Primär kommt es für die
Hochschule jedoch darauf an, die internen Prozesse so anzu-
passen, dass eine Vermittlung zwischen Beleidigtem und Blog-
Verantwortlichem nach den aufgestellten Regeln stattfinden
kann. Ihr kommt durch das Urteil eine verstärkte Funktion als
Bindeglied der Parteien zu, die sie zu erfüllen hat, um sich ei-
ner denkbaren eigenen Haftung zu entziehen. Dies rechtfertigt
sich dadurch, dass es für den Betroffenen besondere Schwierig-
keiten bereitet, den Verantwortlichen selbst ausfindig zu ma-
chen und gegen den Beitrag vorzugehen. Er kann fortan bereits
dann einen Löschungsanspruch gegen die Hochschule geltend
machen, wenn der Blog-Verantwortliche in einer gewissen Zeit-
spanne keinerlei Reaktion zeigt. Dieser Anspruch auf Löschung
steht ihm unabhängig von einer durchzuführenden Prüfung,
ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt, zu.
Insgesamt ist das Urteil des BGH zu begrüßen. Es gibt der haf-
tungsrechtlichen Frage einer Inanspruchnahme als Störer
deutlich mehr Konturen und mithin eine größere Transparenz.
Zudem ist jetzt klar gestellt worden, dass keine Pflicht des
Hostproviders besteht, vorab Inhalte auf ihre Rechtmäßigkeit
zu überprüfen, was logistisch schwer zu bewältigen gewesen
wäre. Auch der vielfach diskutierten Verpflichtung, Einträge
quasi „auf Zuruf“ des sich in seinen Rechten verletzt Fühlen-
den entfernen zu müssen, ist mit dem Urteil eine Absage erteilt
worden. Der BGH hat die Hürde für ein Tätigwerden des Host-
Providers bewusst sehr hoch gesetzt. So trifft zunächst den
Betroffenen die Pflicht, eine behauptete Rechtsverletzung –
unter Beifügung von Nachweisen – derart deutlich zu machen,
dass sich bereits hieraus unschwer erkennen lässt, ob selbige
vorliegt oder nicht.
Anmerkungen:
1 DFN-Infobrief Recht 2/ 2011.
2 Zu denkbaren Vorsorgemaßnahmen: DFN-Infobrief Recht
2/2011.
Weitere Informationen finden sich unter: Rechtsguide IV – Be-
reitstellung von Speicherplatz für fremde Inhalte
http://www.dfn.de/rechtimdfn/rgwb/rechtsguide/rg-kapitel4/
DFN-Infobrief Recht 2012 | 17
Impressumspflicht gilt auch auf Facebook
von Verena Steigert
Viele Unternehmen, aber in zunehmendem Maße auch Behörden und Hochschulen, haben
mittlerweile sogenannte Fanpages auf den Seiten des sozialen Netzwerks „Facebook“ eingerich-
tet um sich auf diese Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren und mit Kunden bzw. Bürgern in
Kontakt zu treten (zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen bei der Nutzung derartiger Fan-
seiten siehe DFN-Infobrief Recht 6/2011, S. 8-11). Die allgemeine Impressumspflicht aus § 5 Abs. 1
Telemediengesetz (TMG) und die eingeschränkte Impressumspflicht gemäß § 55 Abs. 1 Rundfunk-
staatsvertrag (RStV) gelten dabei auch für den Facebook-Auftritt eines Unternehmens oder einer
öffentlichen Stelle. Dies bestätigte zuletzt auch das Landgericht Aschaffenburg (LG Aschaffen-
burg) in seinem Urteil vom 19.8.2011 – Az. HK O 54/11. Zweifel für die Fanpage-Betreiber bleiben
jedoch hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit der rechtlichen Vorgaben.
I. Pflichtangaben nach § 5 Abs. 1 TMG
Bei einer Fanpage handelt es sich um ein Telemedium
im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG. Die Impressumspflicht aus
§ 5 Abs. 1 TMG trifft den Anbieter der Fanpage dann direkt,
wenn dieser als Diensteanbieter nach dem TMG anzusehen
ist. Nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG ist Diensteanbieter jede natürliche
oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur
Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.
Die Einordnung eines Fanpage-Betreibers als Diensteanbie-
ter in diesem Sinne ist zwar umstritten. So hat der Fanpage-
Betreiber aufgrund der festen Einbindung der Fanpage in die
Webpräsenz des sozialen Netzwerkes selbst nur geringe Mög-
lichkeiten, auf die äußere Gestaltung der Seite Einfluss zu neh-
men, was für eine ausschließliche Diensteanbieterschaft von
Facebook sprechen würde. Allerdings kann das Unternehmen
bzw. die Behörde über den konkreten Inhalt der Fanpage be-
stimmen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein (ULD) argumentiert zudem, dass Facebook
nicht die Nutzungsdaten einer Fanpage erhalten würde, wenn
diese nicht zuvor von einem Betreiber eingerichtet worden
wäre. Durch die Präsentation der Fanpage auf Facebook ver-
mittelt der Fanpage-Betreiber den Zugang zu dem sozialen
Netzwerk. Es sprechen daher die besseren Argumente für die
Einordnung des Fanpage-Betreibers als Diensteanbieter im
Sinne des TMG. Dieser Ansicht scheint nun auch die Rechtspre-
chung zu folgen, wie das Urteil des LG Aschaffenburg zeigt.
Die allgemeine Informationspflicht des § 5 Abs. 1 TMG gilt al-
lerdings nur für Diensteanbieter, die „geschäftsmäßig“ Tele-
medien anbieten. Hierfür genügt, dass die Nutzung des Medi-
ums „Facebook“ von einem Unternehmen, einer Behörde oder
einer Hochschule aufgrund einer nachhaltigen Tätigkeit etwa
zu Marketingzwecken erfolgt und nicht nur eine rein private
Nutzung vorliegt. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für das
Merkmal der Geschäftsmäßigkeit dagegen nicht erforderlich.
Für öffentliche Stellen, wie etwa auch Hochschulen, bedeutet
dies, dass sie insbesondere dann den Informationspflichten
des § 5 Abs. 1 TMG unterliegen, wenn sie Dienste anbieten, die
ansonsten - von Unternehmen oder Privaten - gegen Entgelt
angeboten werden. Dies gilt auch dann, wenn die Hochschule
selbst die Dienste entgeltfrei anbietet. Das Schalten von Wer-
bung auf der Fanseite ist ferner als eindeutiges Zeichen für die
Verfolgung geschäftlicher Zwecke anzusehen. Gleiches gilt
für das Angebot entgeltlicher Leistungen über die Facebook-
Präsenz.
Welche Angaben bereitzuhalten sind, um der allgemeinen Im-
pressumspflicht für Diensteanbieter zu genügen, ergibt sich
unmittelbar aus § 5 Abs. 1 TMG. Hierzu zählen:
1. der Name und die Anschrift des Diensteanbieter, bei juristi-
schen Personen ferner die Rechtsform sowie die Vertretungs-
berechtigten,
18 | DFN-Infobrief Recht 2012
2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme
und unmittelbare Kommunikation mit dem Diensteanbieter
ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen
Post,
3. soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder
erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Anga-
ben zur zuständigen Aufsichtsbehörde,
4. das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister
oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und
die entsprechende Registernummer,
5. soweit der Dienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von
Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom
21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Aner-
kennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijäh-
rige Berufsausbildung abschließen, oder im Sinne von Artikel 1
Buchstabe f der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni
1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung
beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie
89/48/EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/38/EG der
Kommission vom 20. Juni 1997, angeboten oder erbracht wird,
Angaben über
• die Kammer, welcher die Diensteanbieter
angehören,
• die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem
die Berufsbezeichnung verliehen worden ist,
• die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und
dazu, wie diese zugänglich sind,
6. in Fällen, in denen die Diensteanbieter eine Umsatzsteueri-
dentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes
oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der
Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer,
7. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Ak-
tien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in
Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber.
Für den Fall der Fanpage einer Hochschule dürften allerdings
lediglich die unter den Nummern 1 und 2 genannten Angaben
relevant und im Impressum aufzuführen sein.
Besondere Anforderungen stellt das Gesetz auch an die Plat-
zierung des Impressums. Die Angaben müssen leicht erkenn-
bar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. In
Bezug auf die leichte Erkennbarkeit der Angaben hat das LG
Aschaffenburg entschieden, dass zwar ein Link auf das Impres-
sum der eigenen Website ausreichend sein kann, um der Im-
pressumspflicht des § 5 Abs. 1 TMG im Rahmen eines Facebook-
Auftritts zu genügen. Allerdings müssten die Pflichtangaben
„einfach und effektiv optisch wahrnehmbar“ und „ohne lan-
ges Suchen auffindbar“ sein. Darüber hinaus müsse auch klar
sein, auf welches Telemedium sich die Angaben im Impressum
beziehen. Diese Anforderungen könnten nach Auffassung der
Richter nicht als erfüllt angesehen werden, wenn Nutzer bei
einer Facebook-Fanpage nur über den Menüpunkt „Info“ zum
Impressum gelangten. Offen ließ das Gericht allerdings, wie
diese rechtliche Vorgabe für den Fanpage-Betreiber praktisch
zu realisieren ist. Empfehlenswert erscheint, einen eigenen
Reiter unter dem Schlagwort „Impressum“ für den Facebook-
Account anlegen zu lassen. Ein solcher Menüpunkt ist jedoch
für die Gestaltung der Fanseiten ungewöhnlich. Hier ist frag-
lich, ob Facebook seinen Nutzern in Zukunft entsprechende
Gestaltungsmöglichkeiten einräumen wird.
II. Pflichtangaben nach § 55 Abs. 1 RStV
Unabhängig von der Einstufung einer Fanpage als „geschäfts-
mäßig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 TMG, müssen Anbieter von Tele-
medien, die nicht ausschließlich persönlichen oder familiären
Zwecken dienen, nach § 55 Abs. 1 RStV jedenfalls den Namen
und die (ladungsfähige) Anschrift des Diensteanbieters so-
wie bei juristischen Personen Name und Anschrift des Vertre-
tungsberechtigten leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar
und ständig verfügbar halten. Die Impressumspflicht nach
§ 55 Abs. 1 RStV fällt in ihrem Umfang deutlich geringer aus als
die allgemeine Informationspflicht nach § 5 Abs. 1 TMG und
wird aufgrund dessen auch als eingeschränkte Impressums-
pflicht bezeichnet.
Für Hochschulen als Fanpage-Betreiber dürfte der Un-
terschied zwischen den nach § 5 Abs. 1 TMG und nach
§ 55 Abs. 1 RStV erforderlichen Angaben jedoch nur ge-
ring ausfallen. Denn aus dem Pflichtangaben-Katalog des
§ 5 Abs. 1 TMG treffen sie – wie oben bereits angemerkt – in der
Regel lediglich die Nummern 1 und 2 (Name, Anschrift, Rechts-
form, Vertretungsberechtigte, Kontaktmöglichkeit). Name und
Anschrift des Diensteanbieters bzw. des Vertretungsberech-
tigten müssen aber auch gem. § 55 Abs. 1 RStV im Impressum
aufgeführt werden.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 19
Auch hinsichtlich der Platzierung der nach § 55 Abs. 1 RStV
erforderlichen Angaben ergeben sich im Vergleich zum Im-
pressum i. S. d. § 5 Abs. 1 TMG keinerlei Unterschiede: auch
das Impressum nach § 55 Abs. 1 RStV muss „leicht erkennbar,
unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“ bereitgehalten
werden. Die obigen Ausführungen zu Erreichbarkeit und Ge-
staltung des Impressums auf den Facebook-Seiten gelten hier
folglich entsprechend.
Hochschulen als Betreiber von Fanpages werden regelmäßig
zumindest die Vorgaben des § 55 Abs. 1 RStV erfüllen müssen.
Auch wenn derartige Fanseiten auf Facebook nicht in jedem
Fall zur Verfolgung kommerzieller Interessen eingesetzt und
damit das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 TMG
erfüllen werden, so werden sie doch auch nicht zu rein persön-
lichen oder familiären Zwecken eingerichtet. Die Ausnahme
von der eingeschränkten Impressumspflicht greift nämlich
lediglich dann, wenn der Zugang entweder nur Personen er-
öffnet wird, zu denen der Anbieter des Telemediums in per-
sönlichem Kontakt steht oder wenn in inhaltlicher Hinsicht
lediglich Informationen aus dem persönlichen oder familiären
Umfeld des Anbieters dargeboten werden. Dies ist bei Fanpa-
ges von Hochschulen nicht anzunehmen.
20 | DFN-Infobrief Recht 2012
Web-Filter gegen Urheberrechtsverstöße? Der EuGH sagt „Nein“!
Zum Urteil des EuGH im Fall Netlog/SABAM
von Verena Steigert
I. Einordnung der Problematik
Host-Provider halten auf ihren Webservern fremde Inhalte für
Dritte zum Abruf bereit. Auch Hochschulen stellen ihren Mit-
arbeitern und Studierenden häufig Speicherplatz auf den Ser-
vern des hochschuleigenen Rechenzentrums zur Verfügung,
etwa zum Zweck des Betreibens eigener Webseiten oder zur
Einrichtung von Newsgroups und Foren. Ihnen kommt somit
regelmäßig die Rolle eines Host-Providers zu. Rechtliche Pro-
bleme entstehen dabei immer dann, wenn ein unter Umstän-
den sogar anonymer und damit für den in seinen Rechten Ver-
letzten nicht ohne weiteres greifbarer Nutzer rechtswidrige
Inhalte auf den Servern eines Hochschulrechenzentrums der
Öffentlichkeit zugänglich macht. Da das Rechenzentrum als
Host-Provider in diesen Fällen nur als „Gastgeber“ für die Be-
reitstellung der fremden Beiträge fungiert, wird es in seiner
Haftung gesetzlich privilegiert. § 10 Telemediengesetz (TMG)
bestimmt, dass Diensteanbieter für fremde Informationen,
welche sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich
sind, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Hand-
lung oder der Information haben und ihnen im Falle von Scha-
densersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände
bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die
Information offensichtlich wird oder sofern sie unverzüglich
tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den
Die Diskussion um die Einführung von Filtersystemen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverlet-
zungen im Internet ebbt nicht ab. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rechtstreit der
belgischen Musikverwertungsgesellschaft SABAM gegen das soziale Netzwerk Netlog NV (Urteil v.
16.02.2012 – C-360/10) entschieden und sich dabei (erneut) auf die Seite der Provider geschlagen.
Die unternehmerische Freiheit der Host-Provider sowie die Rechte der Internetnutzer auf Daten-
schutz und freien Informationszugang stünden der Einrichtung präventiver Web-Filter entgegen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich auch die deutsche Rechtsprechung zukünftig an den Vorga-
ben der europäischen Richter orientieren wird.
Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt ha-
ben. Es kommt mithin auf die Kenntnis des Host-Providers von
den rechtswidrigen Inhalten bzw. auf deren offensichtliche
Rechtswidrigkeit an. Dabei wurde die Privilegierung des TMG
bislang allerdings nur im Falle von Schadensersatzansprüchen
gegen einen Host-Provider angewendet. Bei Unterlassungsan-
sprüchen sollen dagegen die allgemeinen Grundsätze der Stö-
rerhaftung gelten. Nach diesen haftet als Störer, wer adäquat
kausal, das heißt nach dem allgemeinen Verlauf der Dinge mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit, an der Herbeiführung oder
Aufrechterhaltung einer Urheberrechtsverletzung mitgewirkt
hat, obwohl es ihm rechtlich wie auch tatsächlich möglich
und auch zumutbar war, die Rechtsverletzung zu verhindern.
Hinzutreten muss darüber hinaus noch die Verletzung zumut-
barer Prüfungspflichten. Der Umfang der zumutbaren Prü-
fungspflichten ist dabei seit jeher Gegenstand gerichtlicher
Verfahren. Zuletzt hat der BGH in einem aktuellen Urteil die
Voraussetzungen der Störerhaftung eines Host-Providers für
in Internetforen begangene Persönlichkeitsrechtsverletzun-
gen weiter konkretisiert und ein mehrstufiges Haftungsmo-
dell entwickelt (siehe hierzu Fischer, Infobrief 2/2012).
Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion rund um die Verant-
wortlichkeit von Host-Providern steht nun jedoch weniger das
Problem einer Haftung des Providers für begangene Rechts-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 21
verletzungen als vielmehr die Frage, inwiefern Diensteanbie-
ter auch präventiv tätig werden müssen, um Urheberrechts-
verletzungen durch die auf ihren Servern bereitgestellten
Inhalte zu verhindern. Insbesondere von Seiten der Rechte-
verwerter wird dabei von den Providern verlangt, Web-Filter
einzurichten, die rechtswidrige Inhalte erkennen und damit
die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials ein-
dämmen können. Technisch können derartige Filtersysteme
unterschiedlich ausgestaltet sein und bei der Filterung zum
Beispiel an Dateinamen bzw. bestimmte darin enthaltene
Begriffe oder auch an IP-Adressen anknüpfen. Teilweise wird
aufgrund der vermuteten geringeren „Fehlerquote“ auch eine
gezielte menschliche Überprüfung der hochgeladenen Inhalte
gefordert. Sollte eine entsprechende Rechtspflicht zur Ein-
richtung derartiger Filtersysteme statuiert werden, könnten
auch auf die Hochschulen in ihrer Rolle als Host-Provider hohe
Kosten zukommen. Jedenfalls aus Sicht des EuGH wäre eine
Verpflichtung von Host-Providern zur Einrichtung präventiver
Filtermaßnahmen jedoch unzulässig.
II. Entscheidung des EuGH im Fall Netlog/SABAM
Das Urteil des EuGH im Fall SABAM gegen Netlog NV könnte den
Begehrlichkeiten der Rechteverwerter im Hinblick auf die Ver-
pflichtung von Host-Providern zur präventiven Filterung der
auf ihren Servern hochgeladenen Inhalte einen Riegel vorschie-
ben. In seiner Entscheidung stellt das höchste europäische Ge-
richt klar, dass die Einrichtung von präventiven Web-Filtern
nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Entgegen stün-
den die Vorgaben verschiedener EU-Richtlinien, konkret der
E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,
insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Bin-
nenmarkt), der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG
zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) sowie
der InfoSoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisie-
rung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwand-
ten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft).
1. Parallelen zu den Fällen Scarlet/SABAM und
Loréal/eBay
Bei der Begründung ihrer Entscheidung griffen die Richter in
weitem Umfang auf die Entscheidungsgründe im Urteil Scarlet/
SABAM (Urteil v. 24.11.2011 – C-70/10) zurück und übernahmen
diese nahezu vollständig. Dies kann insoweit als erstaunlich
bezeichnet werden, als es in jenem Fall nicht um die Haftung
eines Host-Providers, sondern um die eines Access-Providers
– dem belgischen Diensteanbieter Scarlet Extended SA –
ging. Trotz der unterschiedlichen Geschäftsmodelle, sah der
EuGH offensichtlich beide Providertypen im Hinblick auf ihre
unternehmerische Freiheit durch eine Verpflichtung zur Ein-
richtung von Web-Filtern als gleichermaßen gefährdet an.
Keinen Bezug stellten die Richter dagegen zur Entscheidung im
Fall Loréal/eBay (Urteil v. 12.7.2011 – C-324/09) her, die ebenfalls
die Verantwortlichkeit von Hosting-Anbietern betraf. Gegen-
stand des Verfahrens war hier allerdings auch kein urheber-
rechtlicher, sondern ein rein markenrechtlicher Sachverhalt.
In Bezug auf die Haftung des Internet-Auktionshauses eBay für
markenrechtsverletzende Angebote urteilte der EuGH, dass
grundsätzlich auch die Auktionsplattform von den Haftungs-
beschränkungen für Host-Provider profitieren könne. Anders
sei dies jedoch zu beurteilen, wenn der Diensteanbieter eine
„aktive Rolle“ innehat, die ihm eine Kenntnis der gehosteten
Daten oder eine Kontrolle über diese verschaffen kann. Eine
solche „aktive Rolle“ setze nach Auffassung der EuGH-Richter
jedenfalls eine gewisse Hilfestellung durch den Diensteanbie-
ter eBay voraus, so etwa die Optimierung der Präsentation
oder die Bewerbung der eingestellten Angebote.
In der Entscheidung Netlog/SABAM ist der EuGH von dieser
Verschärfung der Providerhaftung augenscheinlich abgerückt.
Dabei lässt sich darüber streiten, ob die unterschiedlich stren-
gen an die Providerhaftung angelegten Maßstäbe allein der
Tatsache geschuldet sind, dass es in dem einen Fall (Loréal/
eBay) um Markenrechtsverletzungen und damit in der Regel
um gewerbliches Handeln, in dem anderen Fall (Scarlet/SA-
BAM) dagegen um Urheberrechtsverletzungen ging. Möglich
wäre auch, dass der EuGH tatsächlich seine Rechtsprechung in
Bezug auf die Haftung von Host-Providern allgemein lockern
wollte.
2. Vorzunehmende Güterabwägung
Die Unzulässigkeit genereller Filtersysteme begründete der
EuGH in seinem Urteil letztlich mit dem Ergebnis einer umfas-
senden Güterabwägung. Den Interessen der Rechteinhaber
am Schutz ihres „geistigen Eigentums“ stünde zum einen die
unternehmerische Freiheit der Internetprovider entgegen.
Eine zeitlich unbegrenzte Überwachung sämtlicher bei dem
22 | DFN-Infobrief Recht 2012
Hosting-Anbieter gespeicherter Inhalte sicherzustellen würde
sich für die verpflichteten Provider als kompliziert und kost-
spielig darstellen, so dass hierin eine qualifizierte Beeinträch-
tigung ihrer unternehmerischen Freiheit liege. Doch nicht nur
die Interessen der Diensteanbieter, auch die der Internetnut-
zer bezieht der EuGH in Netlog/SABAM erstmals in seine Abwä-
gung mit ein. So müsse dem Recht der Nutzer auf den Schutz
ihrer personenbezogenen Daten Rechnung getragen werden.
Gerade im Falle der Verpflichtung des Betreibers eines sozia-
len Netzwerkes wie Netlog würde die Einrichtung eines Web-
Filters jedoch die systematische Überprüfung der von den
Nutzern angelegten Profile erfordern. Die hier aufzufindenden
Daten erlauben in der Regel eine Identifizierung des Nutzers
und stellen somit durch das Datenschutzrecht geschützte
personenbezogene Daten dar. Darüber hinaus sieht der EuGH
auch die Informationsfreiheit durch den Einsatz entsprechen-
der Filtermaßnahmen gefährdet. Die derzeit gebräuchlichen
Filtersysteme – insbesondere die Filterung anhand bestimm-
ter Begriffe – weist erhebliche Ungenauigkeiten auf. Eine
eindeutige Differenzierung zwischen unzulässigen und zuläs-
sigen Inhalten ist einem derartigen System nicht möglich, so
dass es in Folge der Anwendung des Filters häufig auch zur Blo-
ckierung rechtmäßiger Inhalte kommt. Dies ist im Hinblick auf
das Recht auf freien Informationszugang nicht hinnehmbar.
III. Bewertung und Ausblick
Das Urteil Netlog/SABAM fügt sich in eine Reihe von aktuel-
len Urteilen des EuGH zur Haftung von Internetprovidern ein.
Überraschend ist auf den ersten Blick, dass sich die Richter
bei ihrer Entscheidungsfindung weniger an dem ebenfalls auf
Host-Provider bezogenen Urteil im Fall Loréal/eBay orientier-
ten, als vielmehr auf die im Fall Scarlet/SABAM aufgestellten
Grundsätze zur Haftung von Access-Providern zurückgriffen.
Festzuhalten bleibt allerdings in Bezug auf alle drei Entschei-
dungen, dass die EuGH-Richter umfassenden Filtersystemen
zur Verhinderung von Rechtsverletzungen im Internet skep-
tisch gegenüber stehen und damit den Begehrlichkeiten der
Rechteverwerter klare Grenzen aufzeigen. Dies ist ein wichti-
ger Gesichtspunkt, der auch in den aktuellen Debatten um das
Anti-Produktpiraterie-Abkommen ACTA und die Einrichtung
von Netzsperren zu berücksichtigen sein wird.
Es steht zu erwarten, dass sich auch die deutsche Rechtspre-
chung zukünftig an den europäischen Vorgaben orientieren
wird. Gelegenheit hierzu wird der Bundesgerichtshof (BGH)
schon bald bekommen. So wurde vor kurzem Revision im Fall
um den Sharehoster RapidShare eingelegt. Der Internetdienst
Rapid-Share ist seit Jahren Gegenstand diverser Verfahren
vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wie auch dem
OLG Hamburg zu der Frage, in welcher Weise ein Filehoster
seinen Prüfungspflichten im Rahmen der Störerhaftung nach-
kommen sollte. Zuletzt entschied das OLG Hamburg (Urteil v.
16.03.2012 - 5 U 87/09), dass auch derjenige auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden kann, der Online-Speicherplatz
zur Verfügung stellt, wenn sein Geschäftsmodell strukturell
die Gefahr massenhafter Begehung von Urheberrechtsverlet-
zungen in einem Umfang in sich birgt, der die Erfüllung von
Prüf- und Handlungspflichten zumutbar macht. Im Hinblick
auf proaktive Filterungen führten die Hamburger Richter aus,
dass eine entsprechende vorbeugende Filterpflicht nur be-
stünde, soweit bereits bekannte Dateien mit rechtswidrigem
Inhalt erneut hochgeladen würden.
Das Urteil des BGH in dieser Sache darf mit Spannung erwartet
werden. Interessant wird insbesondere sein, ob sich der Senat
der strengen Auffassung des OLG Hamburg anschließt oder ob
die Bundesrichter – auch im Hinblick auf die Rechtsprechung
des EuGH – der weitaus liberaleren Ansicht des OLG Düsseldorf
(vgl. Urteil v. 21.12.2010 - I-20 U 59/10) folgen. Der Düsseldorfer
Senat hält insbesondere den Einsatz von Wortfiltern für un-
tauglich und wendet sich gegen eine Pflicht des Filehosters
zur Überprüfung jedes einzelnen auf seiner Webseite befindli-
chen Downloadlinks. Eine Verpflichtung der Host-Provider zur
Einrichtung entsprechend umfassender präventiver Filtersys-
teme ist diesen auch nach den vom EuGH aufgestellten Grund-
sätzen im Rahmen ihrer Prüfungspflichten nicht zumutbar.
Diese Entscheidung erscheint aus Sicht der Hochschulen in
ihrer Funktion als Hosting-Anbieter begrüßenswert.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 23
I. Einführung
Nach § 100 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) darf der
Diensteanbieter zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von
Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen die
Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer
erheben und verwenden. Als Anbieter von Telekommunikations-
dienstleistungen können dabei auch die meisten Hochschulen
und Universitäten eingeordnet werden. Für die Mitgliedseinrich-
tungen entscheidend ist die Frage, wie lange bei der Erbringung
der Telekommunikationsdienstleistung anfallende Daten von
ihnen gespeichert werden dürfen oder sogar müssen. Es geht
in diesem Zusammenhang in der Regel insbesondere um die
folgenden Log-Dateien: Telefon-Verbindungsdaten VoIP, Log-Da-
teien Mail-Verkehrsdaten SMTP-/POP- und IMAP-Server, Log-Da-
teien User-Authentisierung bei diversen Servern, Protokolldaten
zu User-Sessions, Log-Dateien für Einwahlverbindungen VPN/
WLAN/eduroam etc., NetFlow-Dateien, Proxy-Logs, Web-Servi-
ces, Firewall-Logs, Router-Logs, Datenbank-Logs, Security-Logs z.
B. durch Virenscanner/Webproxys/IDS, DHCP-Logs und RADIUS-
Logs. Daten, die nur zu Abrechnungszwecken gespeichert wer-
den, sind dagegen nicht Teil der folgenden Ausführungen.
II. Anwendbares Recht
Geht es um die Frage nach der Speicherung von Log-Dateien,
so ist in einem ersten Schritt das anwendbare Recht zu be-
stimmen. Hier kommen als gesetzliche Grundlagen prinzipiell
sowohl das TKG als auch das Telemediengesetz (TMG) in Be-
tracht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist zum einen, welche
Arten von Daten in den Log-Dateien gespeichert werden. Zum
anderen ist zu berücksichtigen, welcher Zweck mit der Spei-
cherung verfolgt wird. Bezieht sich die Speicherung auf die
Infrastruktur, das Leitungsnetz oder andere technische Belan-
ge, gilt das TKG. Stehen hingegen die übertragenen Inhalte im
Vordergrund und nicht der reine Übertragungsvorgang, ist das
TMG anwendbar. Dies bedeutet, dass bei jeder einzelnen Spei-
cherung genau geprüft werden muss, ob die Transportleistung
im Vordergrund steht oder der transportierte Inhalt.
Betrachtet man zunächst den Zweck der Speicherung, ist fest-
zustellen, dass die in den Log-Dateien enthaltenen Daten in
der Regel gespeichert werden, um Fehler und Störungen an
den zur Erbringung des Dienstes genutzten Telekommunika-
tionsanlagen aufzuspüren und zu analysieren. Im Ausgangs-
punkt spricht dies dafür, dass alle diese Dateien in den Anwen-
dungsbereich des TKG fallen. Problematisch mit Blick auf die
Zuordnung zum TKG bzw. TMG sind allerdings jene Fälle, in
denen neben der IP-Adresse auch aufgerufene Webseiten oder
einzelne Inhalte eines Servers gespeichert werden. Problema-
tisch ist in derartigen Fällen, dass sich aus den gespeicherten
Daten unter Umständen auch Rückschlüsse auf den Inhalt
des Kommunikationsvorgangs ziehen lassen. Sollen beispiels-
weise alle Daten gespeichert werden, die Auskunft über den
sicheren Betrieb des Servers und seine Anbindung an das Netz
geben, so könnte es notwendig sein, einzelne Seitenaufrufe
Rechte und Pflichten bei der Speicherung von Log-Dateienvon Verena Steigert und Christian Mommers
Kommt es zu Missbräuchen von oder Störungen an Telekommunikationsanlagen oder steht gar
die Begehung einer Straftat im Raum, werden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistun-
gen, zu denen auch zahlreiche Mitgliedseinrichtungen des DFN gezählt werden können, von den
Ermittlungsbehörden häufig zur Herausgabe von Log-Dateien aufgefordert. Hierbei hat sich in
der Vergangenheit eine zum Teil sehr unterschiedliche Speicherpraxis der verschiedenen Ein-
richtungen gezeigt. Dieser Infobrief-Artikel soll Aufschluss darüber geben, wie lange Log-Dateien
von Telekommunikationsdiensteanbietern gespeichert werden dürfen und ob unter Umständen
sogar eine gesetzliche Pflicht zur Speicherung entsprechender Daten besteht.
24 | DFN-Infobrief Recht 2012
zu protokollieren. Wenn aber dieselben Daten zur Erstellung
eines Reichweitenprofils der Website genutzt werden, würde
dies dem TMG unterfallen.
Da die Daten von den Hochschulen jedenfalls in den meisten
Fällen aber ausschließlich zum Zweck der Fehlererkennung
und Störungsbeseitigung gespeichert werden, ist auf die Spei-
cherung der Log-Dateien das TKG anwendbar. Diese Einschrän-
kung im Speicherungszweck ist jedoch auch unbedingt einzu-
halten, da mit einer Änderung des Speicherzwecks auch eine
Änderung der Rechtsgrundlage einhergehen würde.
III. Einordnung der Log-Dateien
Bei den gespeicherten Log-Dateien handelt es sich um perso-
nenbezogene Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG. Ver-
kehrsdaten sind danach Daten, die bei der Erbringung eines
Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder ge-
nutzt werden. Hier werden vor allem IP-Adressen gespeichert,
die einem einzelnen Nutzer zugeordnet werden können. Eine
darüber hinaus gehende Speicherung von Inhaltsdaten wird
dagegen von den Hochschulen zumeist nicht vorgenommen.
Personenbezogene Verkehrsdaten gehören im Datenschutz-
recht zu den sensibelsten Daten. Sie stehen im Zusammen-
hang mit der Inanspruchnahme von Telekommunikations-
diensten und lassen so erkennen, von welchem Anschluss
wann mit wem wie lange kommuniziert wurde. Aus diesem
Grund unterfallen Verkehrsdaten dem Anwendungsbereich
des Fernmeldegeheimnisses des Artikel 10 Abs. 1 Grundgesetz
und sind somit verfassungsrechtlich geschützt. Auf einfach-
gesetzlicher Ebene wird dieser Schutz durch § 88 Abs. 2 TKG
konkretisiert, indem nicht nur staatliche Stellen, sondern auch
private Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheim-
nisses verpflichtet werden. Der Schutz durch das Fernmel-
degeheimnis und die Grundsätze des Datenschutzes führen
dazu, dass die Speicherung und die Nutzung der Daten nur in
einem engen, vom Gesetz definierten Rahmen erfolgen dürfen.
IV. Keine Speicherverpflichtung für Diensteanbieter
Zunächst ist festzuhalten, dass das TKG in seiner derzeitigen
Fassung keine Pflicht für Diensteanbieter vorsieht, Verkehrs-
daten über einen gewissen Zeitraum für Nachfragen von Er-
mittlungsbehörden vorrätig zu halten. Insbesondere die in
diesem Zusammenhang relevant werdenden Regelungen zur
sogenannten Vorratsdatenspeicherung sind derzeit nicht an-
wendbar. Eine gesetzlich festgelegte Speicherpflicht in Bezug
auf Log-Dateien besteht für die Hochschulen also nicht.
V. Befugnisse für Diensteanbieter zur rechtmäßigen Speicherung
Auch wenn keine Pflicht zur Speicherung von Daten aus Log-
Dateien besteht, werden diese von den Hochschulen oftmals
freiwillig für einen gewissen Zeitraum gespeichert. Es stellt
sich daher die Frage, nach einer zeitlichen Grenze der zulässi-
gen Speicherdauer.
Zunächst besteht der Grundsatz, dass Verkehrsdaten vom
Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung unverzüg-
lich zu löschen sind, wenn nicht bestimmte in § 96 TKG ge-
nannte Voraussetzungen vorliegen. Für den bei der Speiche-
rung von Log-Dateien im oben genannten Sinne in der Regel
verfolgten Speicherzweck kommt § 100 TKG als Rechtsgrund-
lage in Betracht. Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter
danach Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer
erheben und verwenden, um Störungen oder Fehlern an Tele-
kommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen oder zu
beseitigen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass
eine Speicherung nur dann rechtlich zulässig ist, wenn die
Speicherung der Daten erforderlich ist, um den Speicherzweck
zu erreichen. Dieses Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit
ist dabei eng zu verstehen. Wenn andere Möglichkeiten beste-
hen, den Zweck zu erreichen, ohne dabei auf Verkehrsdaten
zuzugreifen, oder wenn zum Beispiel eine Anonymisierung der
Daten möglich ist, ohne die Zweckerreichung zu gefährden, so
muss auf die Verwendung der Verkehrsdaten verzichtet wer-
den. Unter diesem Gesichtspunkt ist besonderes Augenmerk
auf die Dokumentation des Speichervorgangs zu legen, damit
in einem eventuellen Gerichtsverfahren entsprechende Nach-
weise vorliegen.
1. Zulässige Speicherdauer nach
Datenerhebung
Setzt man voraus, dass die Speicherung zur Erreichung des
angestrebten Zweckes notwendig ist, so stellt sich im Wei-
teren die Frage, wie lange Verkehrsdaten gespeichert wer-
den dürfen. Stellt der Dienstanbieter das Vorliegen eines
Fehlers oder einer Störung fest, so darf er die Verkehrsdaten
speichern und verwenden, bis der Fehler oder die Störung
behoben ist. Zur Speicherdauer bei der sogenannten anlass-
losen Speicherung, also der Speicherung um Fehler oder Stö-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 25
rungen erst zu erkennen, hat sich zu Beginn des Jahres 2011
der Bundesgerichtshof (BGH) geäußert (Urteil v. 13.01.2011,
Az. III ZR 146/10). In dem zugrunde liegenden Verfahren ging
es um die Speicherdauer in Bezug auf die Speicherung von IP-
Adressen. Die Erwägungen des BGH in diesem Fall lassen sich
aber durchaus auf die Speicherung von Log-Dateien übertra-
gen. Es ist allerding zu berücksichtigen, dass in diesem Verfah-
ren kein Urteil über die Speicherfrist gefällt wurde. Das Verfah-
ren wurde vielmehr an das Oberlandesgericht Frankfurt a. M.
zurückverwiesen. Erst in diesem Verfahren ist ein abschließen-
des Urteil zur Speicherdauer zu erwarten, welches jedoch bis-
lang noch aussteht. Nach Meinung des BGH scheint allerdings
eine Speicherdauer von bis zu sieben Tagen angemessen zu sein.
Eine längere Speicherdauer ist darüber hinaus möglich, muss
aber im Einzelfall begründet werden. An diese Begründung im
Einzelfall sind aufgrund des Eingriffs in das Fernmeldegeheim-
nis hohe Anforderungen zu stellen. Eine Frist von bis zu sieben
Tagen erscheint im Ergebnis für die Speicherung von Log-Da-
teien mit Blick auf die darin enthaltenen Verkehrsdaten aber
durchaus geeignet, solange der Speichervorgang einem von
§ 100 TKG legitimierten Zweck dient. Diese Beurteilung der
Rechtslage ist jedoch zurzeit – wie oben bereits ausgeführt
worden ist – noch nicht durch ober- bzw. höchstrichterliche
Rechtsprechung belegt.
2. Mögliche Handlungsalternative für
Diensteanbieter
Alternativ ist es für Telekommunikationsdienstleister möglich,
den Personenbezug der gespeicherten Log-Daten dadurch ent-
fallen zu lassen, dass lediglich die zentrale Zuordnungsdatei
(Verbindung von IP-Adresse, Zeitstempel und Nutzer) nach sie-
ben Tagen gelöscht wird. Die eigentlichen Log-Dateien dürften
dann bis zur Erreichung des Speicherzwecks aufbewahrt wer-
den. Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen neben der
IP-Adresse keine zusätzlichen Identifizierungsmerkmale (Nut-
zerkennungen oder ähnliches) in den Log-Dateien enthalten
sind.
26 | DFN-Infobrief Recht 2012
Es bleibt alles anders!
OLG Stuttgart zur Reichweite des § 52a Urheberrechtsgesetz
von Julian Fischer
I. Die bisherige Rechtslage zu § 52a UrhG
Die Regelung des § 52a UrhG erlaubt es den Hochschulen zur
Veranschaulichung des Unterrichts kleine Teile eines Werkes
(beispielsweise eines Lehrbuches), Werke geringen Umfangs
sowie Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften einem be-
stimmten abgegrenzten Kreis von Personen öffentlich zugäng-
lich zu machen. Die Norm des § 52a UrhG ermöglicht somit
Hochschulen ohne Zustimmung des Urhebers dessen Werk im
Intranet hochzuladen und den Studierenden zur Verfügung zu
stellen, soweit dies zu dem angestrebten Zweck geboten und
zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.
Mangels Rechtsprechung war die Reichweite der Erlaubnis-
vorschrift zwischen den Verlagsgesellschaften und den wis-
senschaftlichen Einrichtungen lange Zeit umstritten, bis im
September letzten Jahres das Landgericht Stuttgart erstmalig
Stellung zu der Frage bezog (siehe hierzu Herring, „Die Vor-
schrift des § 52a Urheberrechtsgesetz – ein Auslaufmodell?“,
DFN-Infobrief Recht 1/2012).
II. Die neuen Vorgaben des OLG Stuttgart
Die damals vom Landgericht Stuttgart getroffenen Aussagen
sind nunmehr als überholt anzusehen. Die Hochschulpraxis
muss sich stattdessen an den höhergerichtlichen Vorgaben
des OLG Stuttgart orientieren, die Auskunft darüber geben,
inwieweit die Vorschrift des § 52a UrhG es erlaubt, den Un-
terrichtsteilnehmern wissenschaftliche Beiträge zum Online-
Abruf bereitzustellen.
1. „Kleine Teile eines Werkes“ bedürfen der
Einzelfallbetrachtung
Eine der wesentlichsten Fragen der Berufung bestand darin,
zu beantworten, in welchen Grenzen der Gesetzgeber noch
von „kleinen Teilen“ eines Werkes ausgeht. Während das LG
Stuttgart die zulässige Entnahmegrenze im Verhältnis zum
Gesamtwerk bei 10% des didaktisch relevanten Umfangs an-
setzte und dabei ausschließlich Textseiten als berücksichti-
gungsfähig einstufte, hält das OLG Stuttgart weder eine feste
Prozentgröße noch ein Begrenzung auf inhaltlich relevante
Passagen für möglich. Vielmehr seien auch Inhaltsverzeichnis,
Stichwortregister und Literaturverzeichnis für den Studenten
sinnvoll, weil damit Vertiefungen und weitere Recherchen er-
möglicht werden. Anderenfalls würde man den denkbaren Ein-
zelfallkonstellationen nicht gerecht werden und es bestünde
die Möglichkeit, dass im Ergebnis wesentliche Kernteile eines
Werkes öffentlich zugänglich gemacht werden. Daher sei im-
mer eine am Einzelfall orientierte Sichtweise erforderlich, weil
„kleine Teile“ eben nicht zahlenmäßig bestimmbar seien, son-
Die gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart eingelegte Berufung in einem Rechtsstreit zwi-
schen der Fernuniversität Hagen und der Alfred Kröger Verlag GmbH & Co. KG wurde mit großer
Spannung erwartet – nun ist die Entscheidung da (Urteil vom 04.04.2012 – Az.: 4 U 171/11). Hierin
bestätigt das Oberlandesgericht Stuttgart, dass die Fernuniversität Hagen sich in Bezug auf die
ihren Studierenden im Intranet zur Verfügung gestellten Ausschnitte eines Psychologie-Lehr-
buches nicht auf die Regelung des § 52a UrhG berufen kann. Allerdings stellt das Gericht in der
Urteilsbegründung die durch die Vorinstanz aufgestellten Grundsätze größtenteils auf den Kopf.
Diese neuen Vorgaben zur Frage, inwieweit Hochschulen ihren Studierenden wissenschaftliche
Texte in digitaler Form zur Verfügung stellen dürfen, gilt es fortan zu beachten. Zumindest bis der
Bundesgerichtshof das letzte Wort gesprochen hat.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 27
dern die Beantwortung der Frage immer einer am Einzelfall
orientierten Aussage bedürfe. Abwägungskriterium sei jeweils
die Frage, ob das Nutzerinteresse nach öffentlichem Zugang
die Beeinträchtigung der Rechteinhaber am Primärmarkt
überwiege, das heißt, ob die Bereitstellung im Intranet dazu
führt, dass die Nutzer von einem anderweitigen Erwerb des
Werkes abgehalten werden.
Die Tatsache, dass die Festlegung einer bestimmten relevan-
ten Prozentgröße mehr Rechtsicherheit begründen und die
Handhabung der Vorschrift in der Praxis erheblich vereinfa-
chen würde, kann an dieser Interpretation laut OLG Stuttgart
nichts ändern. Allenfalls sei die Bestimmung einer absoluten
Obergrenze denkbar, wobei die zwischen der Verwertungsge-
sellschaft Wort und den Bundesländern vereinbarte Höchst-
grenze von maximal 100 Seiten aufgegriffen und als sinnvoll
erachtet wird.
2. „Zur Veranschaulichung im Unterricht“
erfordert thematische Unterrichtsergänzung
Dem Berufungserfolg der Fernuniversität Hagen stand nach
der Urteilsbegründung insbesondere entgegen, dass die kon-
krete Bereitstellung von Lehrbuchausschnitten nicht der
Veranschaulichung des Unterrichts diente. So sah das OLG
Stuttgart dieses Kriterium bei neun der insgesamt vierzehn
ins Intranet gestellten Personen der Psychologiegeschichte
als nicht erfüllt an. Sie würden nicht den erforderlichen ver-
tiefenden Erkenntnisgewinn liefern, sondern seien lediglich
bloße Ergänzungen. Es fehle insoweit an der notwendigen
Bezugnahme auf den behandelten Unterrichtsstoff. Dabei
betont das Gericht, dass die Bereitstellung nicht dazu führen
dürfe, dass der eigentliche Unterricht sich auf diese Weise
eigene Darstellungen erspare. Das Wort „veranschaulichen“
bedeute, dass man etwas erkläre, indem man Beispiele gebe,
etwas sichtbar mache, verdeutliche, illustriere oder visuali-
siere. Diese Anforderungen seien zu erfüllen, wenn man dem
§ 52a UrhG gerecht werden wolle.
In diesem Zusammenhang stellten die Richter jedoch klar, dass
das Merkmal „zur Veranschaulichung im Unterricht“ nicht be-
deute, dass eine Verwendung im Unterricht erfolgen müsse.
Eine Beschränkung auf die eigentliche Unterrichtszeit oder
Unterrichtsveranstaltung sei der Regelung des § 52a UrhG
nicht zu entnehmen. Stattdessen liege der Vorschrift gerade
das Verständnis zugrunde, dass auch die Vor- und Nachbear-
beitung von Hausarbeiten am heimischen Computer miter-
fasst sein solle.
3. „Bestimmt abgegrenzter Kreis von
Unterrichtsteilnehmern“ gilt auch für eine
Fernuniversität
Des Weiteren dürften die Materialien nur denjenigen Studen-
ten online zugänglich gemacht werden, die das betreffende
Fach belegen oder die betreffende Veranstaltung besuchen,
wobei auf den der jeweiligen Unterrichtseinheit angehören-
den Personenkreis abzustellen sei. Dass der Kreis der Teilneh-
mer im Fall der Fernuniversität Hagen mit ca. 4000 Zugangsbe-
rechtigten wesentlich größer ausfalle als bei einer Universität
mit Präsenzunterricht, sei laut OLG Stuttgart unerheblich.
Weder die höhere Anzahl noch die fehlende geografische Be-
schränkung führe dazu, dass der Teilnehmerkreis unbestimmt
oder unbegrenzt ausgeweitet würde, worauf es bei der er-
forderlichen Eingrenzung ankomme. Entscheidend sei hier-
bei letztlich die Sicherstellung der abgegrenzten Benutzung
durch die Einrichtung von Zugangskontrollsystemen, damit
das Werk nur für die jeweiligen Unterrichtsteilnehmer verfüg-
bar sei. Im Übrigen führe auch die Zulassung von „Wiederho-
lern“ nicht zu einer anderen Bewertung. Der dem Unterrichts-
modul angehörende Personenkreis sei weiterhin ausreichend
eingeschränkt; eine unbegrenzte oder gar unkontrollierbare
Öffnung finde hierdurch nicht statt. Auch einer Fernuniversi-
tät müsse es letztlich möglich sein, sich auf die Vorschrift des
§ 52a UrhG zu berufen.
4. „Gebotenheit der Bereitstellung“ verlangt
eine Gesamtabwägung
Die Beantwortung der Frage, ob das Kriterium der „Geboten-
heit der Bereitstellung“ als erfüllt angesehen werden kann, be-
darf laut OLG Stuttgart einer Gesamtabwägung im Einzelfall.
Diese sei zwischen dem Bedürfnis der Zugänglichmachung
und dem Grad der Beeinträchtigung des Rechteinhabers vor-
zunehmen. Dafür sei es besonders relevant, ob die Zugänglich-
machung die normale Verwertung des Werkes auf dem Primär-
markt beeinträchtige.
Im zu beurteilenden Rechtsstreit entschied die Berufung, dass
die konkret vorgenommene Einstellung ganzer Lehrbuchkapi-
tel seitens der Fernuniversität Hagen dazu geführt habe, dass
ein Erwerb des Buches für die Studenten nicht mehr erforder-
lich gewesen sei. Hierdurch seien die Verwertungsrechte des
Verlages unverhältnismäßig eingeschränkt worden, da es hier-
zu bereits genüge, wenn die „normale“ Verwertung des Werks
28 | DFN-Infobrief Recht 2012
bereits mittelbar beeinträchtigt werde. Dabei orientierte sich
das OLG Stuttgart vor allem an dem Kriterium, ob die Teilneh-
mer des betroffenen Kurses das Buch letztlich nicht mehr er-
werben mussten, um den Pflichtfachstoff bearbeiten und die
Klausur bestehen zu können.
Die Gebotenheit sei – wie das Gericht hinzufügte – jedoch nicht
bereits dann zu verneinen, wenn das betreffende Werk ohne
erheblichen Aufwand in digitalisierter oder analoger Form be-
schafft werden könne. Der Gesetzgeber wolle vielmehr gerade
die Möglichkeit einer digitalisierten Informationsvermittlung
für kleine Werkteile ermöglichen. Einer entsprechend vorher
vorzunehmenden Marktanalyse bedarf es somit zumindest
nicht.
5. „Zugänglichmachung“ erlaubt lediglich die
Ansicht am Bildschirm
Besondere Beachtung verdient die Interpretation des OLG
Stuttgart zur generellen Reichweite des § 52a UrhG. Die Vor-
instanz hatte es diesbezüglich im Rahmen der Vorschrift noch
für zulässig erachtet, dass zumindest drei Seiten eines Wer-
kes in einem Format angeboten werden, welches auch den
Download bzw. das dauerhafte Speichern auf den Computern
der Studierenden ermögliche. Die Berufung hingegen erteilt
sowohl der Möglichkeit der Anfertigung von digitalen Kopien
als auch der eines Ausdrucks der ins Netz gestellten Materi-
alien eine Absage. Durch § 52a UrhG sei nur das Bereithalten
zum Lesen am Bildschirm legitimiert. Dies folge daraus, dass
die Vorschrift lediglich die öffentliche Zugänglichmachung,
nicht aber anderweitige Verwertungsmöglichkeiten, wie etwa
die Anfertigung digitaler Kopien, erlaube. Würde neben dem
bloßen Bereithalten zur Ansicht eine Download- oder Druckop-
tion angeboten, wäre damit die Einräumung einer Vervielfäl-
tigungsmöglichkeit verbunden, die vom gewährten Recht der
„Zugänglichmachung“ nicht mehr gedeckt sei.
III. Fazit
Das Urteil des OLG Stuttgart ist für die Hochschulpraxis wenig
hilfreich. Es bringt mehr Verwirrung als Klarheit in die Frage,
welche und vor allem wie viele Materialien ein Hochschulleh-
rer seinen Studierenden auf einer Online-Lernplattform zur
Verfügung stellen darf. So muss sowohl die Beantwortung der
Frage, was noch als „kleiner Teil“ eines Lehrbuches angesehen
werden kann, als auch die der Frage, ob die Bereitstellung die
Verwertungsrechte des Verlages bzw. Rechteinhabers „unzu-
mutbar“ einschränkt, vom Dozenten individuell vorgenom-
men werden. Die Rechtsprechung bietet hier weder einen
Richtwert noch anderweitig verlässliche Kriterien an. In jedem
Fall ist bei der Zusammenstellung von Literatur fortan beson-
ders darauf zu achten, dass diese eine vor- oder nachbereiten-
de Ergänzung zum behandelten Unterrichtsstoff darstellt und
nicht einfach selbigen ersetzt oder jeglichen Unterrichtsbezug
vermissen lässt. Daneben muss nunmehr ein technisches For-
mat gewählt werden, welches lediglich die Ansicht am Bild-
schirm, nicht jedoch den Ausdruck oder die Möglichkeit des
Downloads erlaubt.
Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die zugelas-
sene Revision zum Bundesgerichtshof die Entscheidung des
OLG Stuttgart zugunsten der Rechtssicherheit, Wissenschaft
und vor allem der Lehre verändert. Andernfalls werden die
Hochschulen gezwungen sein, tendenziell deutlich weniger
Materialien zur Verfügung zu stellen. Die Leittragenden sind
die Studierenden, die sich die wesentliche Literatur der Unter-
richtseinheit zukünftig deutlich aufwendiger und kostspieli-
ger besorgen müssen. Die Verlagslobby hingegen wird das Ur-
teil vor diesem Hintergrund erfreut zur Kenntnis genommen
haben.
Abzuwarten bleibt neben der zugelassenen Revision zum Bun-
desgerichtshof auch eine politische Entscheidung. So handelt
es sich bei der Erlaubnisvorschrift des § 52a UrhG um eine bis
Ende des Jahres befristete Rechtsnorm. Diese Befristung soll
der Feststellung dienen, ob die Rechte der wissenschaftlichen
Verleger durch die Regelung unzumutbar beeinträchtigt wer-
den. Hiervon kann nach den aktuell geltenden Vorgaben des
OLG Stuttgarts nur noch bedingt ausgegangen werden. Aller-
dings stellt sich die Frage, inwieweit die Regelung – bei Zu-
grundelegung der nunmehr zu beachtenden Vorgaben – über-
haupt noch praxistauglich und sinnvoll ist.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 29
RSS-Feeds – Fluch oder Segen?
BGH konkretisiert die Haftung für die Veröffentlichung ungeprüfter RSS-Feeds
von Kevin Kuta
Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom 27.03.2012 (Az. VI ZR 144/11) zum Um-
fang der Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen eines Informationsportalbetreibers Stel-
lung bezogen. Einen solchen Portalbetreiber, der erkennbar fremde Nachrichten aus RSS-Chan-
nels ins Internet stellt, treffe nicht die Pflicht, Beiträge vorab auf mögliche Rechtsverletzungen
zu überprüfen. Sobald er jedoch Kenntnis von einer solchen Rechtsverletzung erlangt, sei er als
Verantwortlicher anzusehen. Sollte ein Hinweis seitens eines Betroffenen an den Portalbetreiber
herangetragen werden, könne ihn als Störer die Pflicht treffen, zukünftig derartige Verletzungen
zu verhindern.
I. Einleitung
Internetseitenbetreiber versuchen fortlaufend mehr und
mehr Nutzer für sich zu gewinnen. Ein wichtiger Faktor für die
Attraktivität und somit für das Nutzerverhalten einer Inter-
netseite ist ihre Aktualität. Die neuesten Nachrichten sollen
dem Internetbesucher unmittelbar nach ihrem Bekanntwer-
den zur Verfügung stehen. Die praktische Umsetzung dieses
Gedankens erfolgt häufig durch sog. RSS-Feeds. Den RSS-Feeds
liegt ein einfaches und praktikables Prinzip zugrunde: das
RSS-Format ist eine XML-Datei, in der Inhalte von Webseiten
strukturiert und ohne zusätzlichen Ballast wie Design und
Layout-Elemente veröffentlicht werden. Sobald der Benutzer
einen RSS-Channel abonniert, wird mithilfe eines Aggregators
oder eines Feedreaders (hierbei handelt es sich um Compu-
terprogramme zum Anzeigen und Einlesen von News Feeds)
in einstellbaren Intervallen automatisch geprüft, ob Artikel
geändert wurden. Dabei wird dem Nutzer nicht der gesamte
Nachrichteninhalt angezeigt. Vielmehr erhält er nur eine Lis-
te der aktuellen Schlagzeilen mit einer kurzen Beschreibung.
Über einen Link gelangt er bei Interesse zum Volltext der ent-
sprechenden Meldung. Einerseits erhält man alle Änderungen
einer Internetseite unmittelbar und kann sich auf diese Wei-
se stets einen gegenwärtigen Überblick über den Stand der
ausgewählten Quellen verschaffen. Andererseits spart man
enorm viel Zeit. Denn mittels der Kurzbeschreibungen kann
man individuell entscheiden, ob man die komplette Nachricht
lesen möchte oder nicht. Auf diese Weise wird das Informati-
onsinteresse des Nutzers auf nahezu ideale Weise befriedigt.
Gleichzeitig steigt die Aktualität und damit einhergehend
die Attraktivität der betroffenen Internetseite. Nicht zuletzt
wegen dieser Merkmale sind RSS-Feeds gerade für Internet-
seitenbetreiber von höchstem Interesse: sollten diese selbst
keinen eigenen RSS-Feed betreiben, können sie nämlich auf
ihrer Internetseite den RSS-Feed eines Dritten einbinden, um
auf diese Weise das eigene Angebot interessanter und aktuel-
ler zu gestalten. Die Reaktion ist eindeutig: ob Nachrichtensei-
ten, Börsenticker oder Blogs – nahezu jede Internetseite mit
aktuellen und täglich wechselnden Inhalten bietet inzwischen
einen RSS-Dienst an, um die Leser schnellstmöglich zu infor-
mieren. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit der Betreiber
eines Informationsportals, der einen RSS-Feed eines Dritten
in seine Internetseite einbindet, vor der Veröffentlichung von
Beiträgen zur Überprüfung auf eventuelle Rechtsverletzungen
verpflichtet ist.
II. Verantwortlichkeit des Informationsportalbetreibers
In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall ging es
um ein deutschsprachiges Informationsportal, das einen Arti-
kel samt eines Bildes einer Ex-RAF-Terroristin aus einem RSS-
Feed einer überregionalen deutschen Tageszeitung auf seiner
eigenen Internetseite verbreitete. Die Klägerin fühlte sich in
ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Im Kern der Entscheidung
geht es um die Frage, ob der Betreiber einer Internetseite für
30 | DFN-Infobrief Recht 2012
Rechtsverletzungen in einem eingebundenen RSS-Feed eines
Dritten haftet. Der Bundesgerichtshof bejahte eine Beein-
trächtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin, verneinte
jedoch im konkreten Fall eine Haftung als Störer.
1. Zueigenmachen der fremden Inhalte
Zunächst stellte der Bundesgerichtshof klar, dass eine Haf-
tung des Internetportalbetreibers nicht deshalb erfolgt, weil
dieser aufgrund der Berichterstattung selbst unzulässig in das
Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen hätte. Der Por-
talbetreiber habe die Meldung nämlich weder selbst verfasst,
noch habe er sich diese zu eigen gemacht.
Sehr intensiv setzte sich das Gericht dabei mit der Frage des
Zueigenmachens der nicht selbst geschaffenen Inhalte aus-
einander. Maßgeblich dafür sei eine objektive Sicht unter Be-
rücksichtigung aller relevanten Umstände. Bedeutsam seien
dabei insbesondere die Kriterien der redaktionellen Kontrolle
der fremden Inhalte und die Art ihrer Darstellung. Ein Zueigen-
machen läge regelmäßig vor, wenn die fremde Aussage so in
den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte
Aussage als eigene erscheint. Auf diese Weise besteht die Mög-
lichkeit, dass auch lediglich undistanziert wiedergegebene Äu-
ßerungen von Dritten einem Portalbetreiber zugerechnet wer-
den können, falls er sich diese zu eigen gemacht hat. Dabei ist
jedoch eine im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz
der Presse gebotene Zurückhaltung zu wahren. Bereits aus der
äußeren Form der Veröffentlichung könne sich ergeben, dass
es sich bei der Äußerung nur um eine fremde Aussage ohne ei-
gene Wertung oder Stellungnahme handelt. Dies sei beispiels-
weise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall und mit dem
zugrundeliegenden Fall vergleichbar.
In vielen – wenn nicht sogar in den meisten – Fällen wird eine
redaktionelle Überprüfung nicht durchgeführt. Eine derartige
Kontrolle würde auch den Nutzen von RSS-Feeds, nämlich die
Weiterleitung der Information in Echtzeit, vereiteln. Vielmehr
werden die RSS-Feeds automatisiert im Rahmen von Abonne-
mentverträgen ungeprüft übernommen. Um einer Haftung
zu entgehen sei es erforderlich, dass die auf der Internetsei-
te dargestellten Inhalte auch als fremd gekennzeichnet wer-
den. Dies könne in der Weise erfolgen, dass direkt unter der
Überschrift ein Verweis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite ein-
gefügt wird. Dadurch würde dem Leser hinreichend deutlich
gemacht, dass es sich bei den Inhalten nicht um eigene Aus-
führungen des Portalbetreibers, sondern um fremde Inhalte
handelt.
Problematisch könne jedoch sein, wenn sich aus dem Gesamt-
eindruck ergibt, dass der Portalbetreiber eine inhaltliche Ver-
antwortung für die veröffentlichten Nachrichten übernehmen
möchte. Dies sei bei Internetseiten in Form von Informations-
portalen nicht der Fall, sofern sie keine eigenen Inhalte ent-
halten, sondern vielmehr mit Hilfe von RSS-Feeds Schlagzeilen
aus Medien und Blogs wiedergeben und dabei jeweils einen
Link zu dem entsprechenden Ursprungs- bzw. Zielartikel an-
führen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung reiche es für ein
Zueigenmachen nicht aus, dass der Portalbetreiber die Medien
aus dem RSS-Feed vor-ausgewählt hatte.
2. Bereitstellung und Verbreitung fremder
Inhalte
Eine Haftung des Internetportalbetreibers scheide nach An-
sicht des Bundesgerichtshofs auch im Hinblick darauf aus, dass
der Portalbetreiber die beanstandeten Inhalte auf seinem In-
formationsportal zum Abruf bereitgestellt und auf diese Weise
verbreitet hat. Dabei ist aber der Grundsatz der allgemeinen
Störerhaftung zu berücksichtigen. Danach ist verpflichtet,
wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur
Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt, ohne Täter oder
Teilnehmer zu sein. Der Betreiber eines Informationsportals
stelle dort RSS-Feeds für Nutzer bereit und ermögliche deren
Abruf über das Internet. Dadurch trägt er willentlich und ad-
äquat kausal zur Verbreitung des jeweiligen Inhalts bei. Nach
Auffassung des Gerichts dürfe die Störerhaftung in der Form
der Verbreiterhaftung nicht überzogen auf Dritte erstreckt
werden. Denn diese haben die rechtswidrige Beeinträchtigung
gerade nicht selbst vorgenommen. Dabei ist das Grundrecht
der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundge-
setz zu berücksichtigen. Der davon geschützte Kommunikati-
onsprozess könne auch die Mitteilung einer fremden Meinung
oder Tatsachenbehauptung umfassen, sofern sich der Mittei-
lende diese weder zu eigen macht noch sie in eigene Erklärung
einbindet, sondern die fremde Aussage lediglich verbreitet.
Dies führe dazu, dass der Verbreiter fremder Inhalte nur dann
als Störer haftet, falls dieser zumutbare Verhaltenspflichten,
insbesondere Prüfungspflichten, verletzt hat. Der Umfang die-
ser Prüfungspflichten bestimme sich anhand mehrerer Krite-
rien: zunächst seien die jeweiligen Umstände des Einzelfalls
entscheidend, wobei die Funktion und Aufgabenstellung des
DFN-Infobrief Recht 2012 | 31
Portalbetreibers zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig müsse
in dieser Abwägung auch die Eigenverantwortung desjenigen,
der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst und unmittel-
bar vorgenommen hat, bedacht werden.
Ein Informationsportalbetreiber, der erkennbar fremde Inhal-
te anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, sei grundsätz-
lich nicht verpflichtet, diese Inhalte vor der Veröffentlichung
auf seiner Internetseite auf mutmaßliche Rechtsverletzungen
zu überprüfen. Dies würde nämlich dem Sinn eines solchen In-
formationsportals zuwiderlaufen. Die Nutzer möchten schnell
und aktuell mit Informationen versorgt werden. Der Betrieb
eines darauf ausgerichteten Informationsportals würde bei
umfangreichen Überprüfungen im Vorhinein unzuträglich ge-
hemmt. Daher treffe den Portalbetreiber erst in dem Zeitpunkt
eine Prüfungspflicht, sobald er Kenntnis von der Rechtsverlet-
zung erlangt. Darüber hinaus könne im Falle eines Hinweises
seitens eines Betroffenen den Portalbetreiber als Störer die
Pflicht treffen, zukünftig derartige Verletzungen zu verhin-
dern.
III. Fazit
Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird dem
Prinzip von RSS-Feeds, nämlich die Weiterleitung von Infor-
mationen an die Nutzer in Echtzeit, Rechnung getragen. Im
Falle der Einbindung von RSS-Feeds eines fremden RSS-Feed-
Anbieters sollte organisatorisch sichergestellt sein, dass auf
eingehende Hinweise hinsichtlich einer Rechtsverletzung der
betroffene Inhalt umgehend aus dem Angebot genommen
wird, um einer möglichen Haftung zu entgehen. Weiterhin soll-
ten derartige RSS-Feeds unmissverständlich und eindeutig als
fremde Inhalte gekennzeichnet werden und als solche auch
erkennbar sein. Ratsam wäre es auch, beim Abschluss eines
Abonnementvertrages mit einem RSS-Feed-Anbieter eine Ver-
einbarung zu treffen, dass dieser Anbieter den Portalbetreiber
informieren muss, sobald ein bezogener RSS-Feed wegen einer
geltend gemachten Rechtsverletzung aus dem Internetange-
bot genommen wurde.
Einem Informationsportalbetreiber dürfte es kaum möglich
sein, sämtliche fremde Inhalte in RSS-Feeds vor Veröffentli-
chung auf der eigenen Seite auf rechtsverletzende Inhalte zu
überprüfen. Jedoch trifft den Portalbetreiber eine Handlungs-
pflicht, sobald er einen Hinweis über eine Rechtsverletzung
erhält. Dieser ist verantwortlich, sobald er Kenntnis von der
Rechtsverletzung erlangt. Dieses Ergebnis ist mit der Funkti-
on und dem Nutzen von RSS-Feeds abzuwägen: der Sinn und
Zweck von RSS-Feeds besteht darin, Nutzer schnell und effek-
tiv über Änderungen von Internetseiten, vor allem Nachrich-
tenseiten, auf denen sich die Informationen am Tag häufig
aktualisieren, zu informieren. Grundsätzlich nicht beabsich-
tigt ist aber, dass Portalbetreiber die RSS-Feeds Dritter dazu
benutzen, das eigene Informationsangebot aufzuwerten und
dadurch die eigene Internetseite attraktiver zu gestalten. Des
Weiteren kann es nicht der Sinn von RSS-Feeds sein, fremden
Internetseiten kostenlose Inhalte zu liefern. Jedoch zeichnet
sich ein Trend ab, dass gerade der Bezug von Inhalten aus frem-
den RSS-Channels für Portalbetreiber immer attraktiver wird.
Der Bundesgerichtshof betont in seiner Entscheidung, dass im
Falles eines Hinweises seitens eines in seinen Rechten Verletz-
ten der Portalbetreiber verpflichtet sein kann, zukünftig der-
artige Verletzungen zu verhindern. Das Haftungsrisiko dieser
in die Zukunft gerichteten Prüfungspflicht ist bisher nicht ab-
zuschätzen. Falls sich Hochschulen dazu entschließen sollten,
auf der hochschuleigenen Internetseite RSS-Feeds von Dritten
einzubinden, sollten sie zum einen für eine funktionierende
interne Organisation sorgen, damit eingehende Hinweise auf
Rechtsverletzungen zügig abgearbeitet werden. Zum ande-
ren müssen Maßnahmen getroffen werden, um im Falle einer
Rechtsbeeinträchtigung zukünftige gleichartige Verletzungen
zu verhindern.
Anmerkungen:
Siehe hierzu auch Herring, Rechtswidrige Inhalte in RSS-Feeds
= Haftungsfalle?, in: DFN-Infobrief Recht 6/2011.
32 | DFN-Infobrief Recht 2012
Rechtsgrundlage für Auskünfte von Hochschulrechenzentren an staatliche Behörden bildete bis-
lang u. a. die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG). Diese Vorschrift wird
insbesondere herangezogen, um im öffentlichen Interesse den hinter einer IP-Adresse stehenden
Nutzer zu ermitteln. In Bezug auf dynamische IP-Adressen hat das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) dieser Praxis in einer Grundsatzentscheidung (Beschl. v. 24.01.2012, Az.: 1 BvR 1299/05) nun
Grenzen gesetzt. Es hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis spätestens zum 30.6.2013 eine eigen-
ständige gesetzliche Regelung für dieses Vorgehen zu schaffen. Bis eine Neuregelung erfolgt ist,
kann § 113 Abs. 1 S. 1 TKG aber weiterhin als Grundlage für die Deanonymisierung dynamischer
IP-Adressen herangezogen werden. Somit kann die bisherige Praxis zunächst fortgeführt werden.
Bundesverfassungsgericht kippt Zuord-nung von dynamischen IP-Adressen
von Susanne Thinius
I. Hintergrund
Das BVerfG musste im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde
urteilen, die von Nutzern diverser Telekommunikationsmittel,
insbesondere im Voraus bezahlter Mobilfunkkarten (sog. „Pre-
paid“) und verschiedener Internetzugangsleistungen, einge-
legt worden war. Durch die (mögliche) Erhebung, Speicherung
und Übermittlung ihrer Telekommunikationsdaten sahen die-
se das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz (GG))
und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als verletzt an.
II. Das manuelle Auskunftsverfahren nach § 113 Abs. 1 S. 1 TKG
Telekommunikationsanbieter, die geschäftsmäßig Telekom-
munikationsdienste erbringen, müssen den Strafverfol-
gungsbehörden nach § 113 TKG in Einzelfällen unverzüglich
(d.h. ohne schuldhaftes Zögern) Auskünfte über bestimmte
Daten erteilen. Grundsätzlich herauszugeben sind Bestands-
daten wie Adresse und Name des Nutzers des Dienstes, also
Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung,
Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über
Telekommunikationsdienste erhoben werden. Aber auch soge-
nannte telekommunikationsspezifische Daten im Allgemeinen
dürfen unter Anwendung des § 113 TKG weitergegeben wer-
den. Darunter zählen weder Bankverbindungen, Beruf oder die
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern
zum Beispiel die hier interessierenden IP-Adressen und E-Mail-
Verbindungsdaten etc.
Von dieser Pflicht zur Auskunftserteilung sind auch Hochschu-
len in ihrer Eigenschaft als Anbieter von Telekommunikations-
diensten erfasst. Hochschulen erbringen, wie andere Dienst-
leister auch, Telekommunikationsdienste für Dritte, sofern sie
die private Nutzung der Telekommunikationseinrichtungen
durch ihre Mitarbeiter gestatten. Für die geschäftsmäßige Er-
bringung kommt es auf die Dauerhaftigkeit des Dienstes an.
Eine Gewinnerzielungsabsicht ist im Gegensatz zu einer ge-
werbsmäßigen Dienstanbietung hier nicht erforderlich.
Auskünfte müssen insbesondere dann erteilt werden, wenn
die Verfolgung von Straftaten im Raum steht. Wichtig ist, dass
die Anfrage zur Auskunftserteilung eine sog. Ermächtigungs-
norm benennt. Das ist diejenige Norm, die für Maßnahmen wie
die Überprüfung von Onlinekommunikation rechtlich erfor-
derlich ist.
Um der Anforderung der Unverzüglichkeit der Auskunftsertei-
lung Genüge zu tun, darf eine Anfrage nicht mehrere Wochen
unbeantwortet bleiben. Eine gewisse Zeitverzögerung wird
den Hochschulen allerdings gestattet. Jederzeitige Auskünfte,
DFN-Infobrief Recht 2012 | 33
also auch nachts sowie an Wochenenden bzw. Feiertagen, wer-
den von den Dienstanbietern nicht verlangt werden können.
III. Bisherige Praxis
Bisher entsprach es der behördlichen Praxis, dass staatliche
Einrichtungen im Rahmen des manuellen Auskunftsverfahrens
vom Anbieter bzw. den Hochschulen telekommunikationsspe-
zifische Daten herausverlangten. Dies geschah insbesondere
zur Herstellung einer Verknüpfung zwischen Personen und IP-
Adressen über einen gewissen Zeitraum.
IP-Adressen können dynamisch oder statisch sein. Bei dynami-
schen IP-Adressen wird dem Nutzer vom Anbieter für jede neue
Sitzung eine gerade freie Adresse aus dem zur Verfügung ste-
henden Pool zugewiesen. Statische IP-Adressen hingegen wer-
den dem Nutzer fest zugewiesen. Es besteht hierbei - anders
als bei den dynamischen IP-Adressen - kein Zusammenhang zu
einem konkreten Kommunikationsvorgang, weshalb die Ver-
gabe eher mit der Zuordnung einer bestimmten Telefonnum-
mer vergleichbar ist.
Für die Verifizierung der IP-Adresse konnte der Anbieter also
anhand interner Verkehrsaufzeichnungen eine Zuordnung
zur Kundenkennung vornehmen und anhand dieser Kennung
Name und Anschrift des Kunden (Bestandsdaten) recherchie-
ren. Mit dieser Zuordnung konnte theoretisch festgestellt
werden, wann und in welcher Reihenfolge eine Person Web-
Adressen abgerufen hat. Dies führte zwangsläufig zu einer
Personalisierung vielfältiger Internetkontakte.
Aufgrund dieses Vorgehens stellt sich zu Recht die Frage nach
der richtigen rechtlichen Grundlage, zumindest in Bezug auf
die Zuordnung dynamischer IP-Adressen. Die Auskunft, die nur
anhand der Auswertung von Verkehrsdaten möglich ist (Da-
ten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes
erhoben, verarbeitet oder genutzt werden), stellt einen unge-
rechtfertigten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbst-
bestimmung und das Fernmeldegeheimnis dar und verstößt
somit gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht
musste folglich dieser Vorgehensweise der anfordernden wie
auch Auskunft gebenden Stellen Grenzen setzen. Dies hat es
mit dem hier kurz zu beleuchtenden Beschluss getan.
IV. Auswirkungen des Urteils
Die Karlsruher Richter befanden nun, dass § 113 Abs. 1 S.1 TKG
– das manuelle Auskunftsverfahren- zwar prinzipiell mit dem
Grundgesetz vereinbar ist. Etwas anderes soll sich allerdings
gravierend ändern: Die Regelung darf künftig nur bei Vorliegen
einer zusätzlichen „qualifizierten Rechtsgrundlage“ angewen-
det und nicht mehr zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen
verwendet werden.
1. Sog. „Qualifizierte Rechtsgrundlage“
zwingend erforderlich
Qualifizierte Rechtsgrundlagen sind im juristischen Fachjar-
gon eigenständige fach- bzw. landesrechtliche Spezialvor-
schriften. In diesen Vorschriften muss insbesondere klar und
deutlich geregelt sein, wem gegenüber der Dienstanbieter
(also auch die Hochschule) auskunftsverpflichtet ist und unter
welchen Voraussetzungen eine Identifizierung erfolgen darf.
Es muss also ganz konkret eine Auskunftspflicht gegenüber
der jeweiligen staatlichen Einrichtung geregelt sein.
Praktisch bedeutet dies, dass Auskünfte keinesfalls mehr „ins
Blaue hinein“ angefordert werden dürfen. Vielmehr muss ein
sogenannter rechtlicher Anfangsverdacht für eine Straftat
vorliegen. Dabei handelt es sich um die erste Stufe innerhalb
der Strafverfolgung. Die Strafverfolgungsbehörden sind im
Rahmen eines Anfangsverdachts zur Aufnahme von Ermittlun-
gen verpflichtet. Der Betroffene muss dann nachträglich über
den Vorgang informiert werden und die Auskünfte müssen von
gewisser Bedeutung sein.
Die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S.1 TKG ist seit diesem Beschluss
nicht mehr als geeignete Rechtsgrundlage anzusehen. Viel-
mehr fehlt eine solche zum jetzigen Zeitpunkt für die Bereiche
der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung generell. Eine echte
Auskunftspflicht besteht in Zukunft für Dienstanbieter daher
nur, wenn für die Übermittlung und Abfrage der Daten eine an-
dere rechtliche Grundlage zur Verfügung steht.
2. Keine Zuordnung dynamischer IP-Adressen
auf Grundlage des § 113 TKG
Die Zuordnung von IP-Adressen betrifft die Vertraulichkeit
der ausgetauschten Information, auch als „nähere Umstände
des Fernmeldeverkehrs“ bezeichnet. Diese sind durch das sog.
34 | DFN-Infobrief Recht 2012
Fernmeldegeheimnis geschützt, welches die unkörperliche
Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger
schützt.
Da die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen einen Eingriff
in das Fernmeldegeheimnis darstellt und die Norm des § 113
TKG diesbezüglich keine Erlaubnis zur Identifizierung von IP-
Adressen bereithält, bedarf es, wie vorstehend erörtert, einer
separaten Rechtsgrundlage.
V. Folgen für die Hochschulpraxis
Um ein Regelungsvakuum zu vermeiden, soll die bisherige
(Auskunfts-)Praxis noch bis zum 30.6.2013 fortgeführt werden.
Hochschulen sind also weiterhin zur Auskunft auch hinsicht-
lich dynamischer IP-Adressen und der dazugehörigen Person
verpflichtet. Trotzdem sollten sich Hochschulen schon jetzt
mit den eingangs erwähnten, gesteigerten Anforderungen
auseinandersetzen. Nur so kann gewährleistet werden, dass
die Diensteanbieter, konkret die betroffenen Mitarbeiter in
den Rechenzentren, mit der Vorgehensweise vertraut sind. Ge-
rade in Bezug auf die Tatsache, dass jedes entsprechende Aus-
kunftsersuchen im Zusammenhang mit dynamischen IP-Ad-
ressen in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses fällt,
sollten sich die anfragenden Behörden wiederum streng zu-
rückhalten und im Einzelfall nachweisen, dass ein Auskunfts-
ersuchen verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und ge-
boten ist, um den Zweck des Ersuchens zu rechtfertigen.
Die entsprechende Auskunft von Seiten des Hochschulrechen-
zentrums kann sowohl postalisch als auch per Fax erteilt wer-
den. Eine fernmündliche Auskunftserteilung ist nicht möglich.
Auch kann der elektronische Weg gewählt werden, sofern Da-
tensicherheit und Vertraulichkeit ausreichend gewährleistet
sind. Eine Automatisierung der Anfragen im Sinne eines ent-
sprechenden Abrufverfahrens ist ebenfalls möglich.
Auf die sog. Filesharing-Abmahnungen, also Abmahnungen
aus dem Urheberrecht, hat der Beschluss jedoch keine Aus-
wirkung. Die Provider nehmen die Zuordnung von IP-Adressen
zu einem bestimmten Kunden nicht auf Grundlage des TKG,
sondern nach dem Urhebergesetz vor. Dieses war nicht Gegen-
stand des Beschlusses.
Die Entscheidung des BVerfG ist im Hinblick auf den Daten-
schutz des Einzelnen bzw. die mit der Auskunft über Telekom-
munikationsdaten verbundenen Grundrechtseingriffe zu be-
grüßen. Für die Hochschulen bedeutet dies, dass zumindest
nach Ablauf dieser „Schonfrist“ IP-Adressen nicht mehr zuge-
ordnet und herausgegeben werden dürfen. Hier hat zunächst
der Gesetzgeber seine Hausaufgaben zu erledigen: Erst wenn
die Vorschrift des § 113 Abs. 1 S.1 TKG dahingehend hinreichend
geregelt ist, ob und wie eine Identifizierung solcher Adressen
erlaubt sein soll, können die Hochschulen diesbezüglich in die
(Auskunfts-)Pflicht genommen werden. Zudem muss zur Aus-
kunftserteilung hinsichtlich anderer Daten als IP-Adressen
eine ausreichend qualifizierte Ermächtigungsgrundlage ge-
schaffen werden. Wie genau eine solche aussieht, muss der Ge-
setzgeber in naher Zukunft zeigen. Hochschulen sollten sich
also bereits jetzt darauf einstellen, dass sich das Regelungsge-
füge der Auskunftspflichten aus § 113 TKG in absehbarer Zeit
stark verändern wird.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 35
Umgang mit Social Media im Hochschulalltag
Praxistipps zum Umgang mit Social Media und zum Entwurf von Guidelines an Hochschulen
von Johannes Franck
Die Nutzung von sozialen Medien ist inzwischen in alle gesellschaftlichen Bereiche vorgedrun-
gen und daher auch aus dem Hochschulalltag nicht mehr wegzudenken. Beinahe jede Hoch-
schule stellt sich selbst über Internetplattformen dar und kommuniziert auf diesem Wege mit
der interessierten Öffentlichkeit. Wegen der vielfältigen Rechtsprobleme im Zusammenhang
mit sozialen Medien werden die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Nutzung an immer mehr
Einrichtungen durch Leitfäden geregelt. Hierbei stellt sich die Frage, was derartige Social Media
Guidelines idealerweise enthalten sollten und auf welchem Wege sie sämtlichen Hochschulmit-
gliedern zur Kenntnis gebracht werden können.
I. Ausgangspunkt
Der Begriff „Social Media“ (bis vor kurzem meist „Web 2.0“ ge-
nannt) ist als Sammelbezeichnung für verschiedene Interne-
tangebote zu verstehen, die sich aus nutzergenerierten Inhal-
ten zusammensetzen. Hierunter fallen beispielsweise soziale
Plattformen und Netzwerke, Foren, Blogs und Mikroblogs oder
Wikis.1 Entsprechend vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten
solcher Dienste. Einerseits können Hochschulen selbst aktiv
durch eigene Angebote auf Facebook, Twitter, XING etc. auf-
treten. Andererseits gilt es, die dienstliche und private Nut-
zung dieser Angebote während oder außerhalb der Arbeitszeit
durch Hochschulmitglieder zu bedenken. Ein Leitfaden kann
hierbei eine wertvolle Hilfestellung bieten. Ziel eines solchen
Leitfadens sollte es sein, beim Umgang mit sozialen Medien
deren Potential optimal auszuschöpfen, ohne dass dabei der
Hochschule Schaden zugefügt wird. Dies kommt sowohl dem
einzelnen Mitglied als auch der Hochschule selbst zu Gute.
II. Der richtige Umgang
Zunächst stellt sich die Frage, welche Aspekte eine Guideline
zum Inhalt haben sollte.
Vermeidung von Anonymität
In sozialen Medien sind Transparenz und Authentizität be-
sonders wichtig. Um dies zu gewährleisten, sollte darauf hin-
gewirkt werden, dass bei beruflichen Äußerungen jeder Mit-
arbeiter entweder unter seinem Klarnamen oder unter einer
offiziellen (und einheitlichen) Bezeichnung der Hochschule
fungiert. Es sollten keine Pseudonyme verwendet werden.
Differenzierung zwischen beruflicher und privater
Nutzung
Unerlässlich ist ferner, zwischen beruflicher und privater
Nutzung zu differenzieren. Dabei ist zu definieren, ob und in
welchem Umfang Mitarbeiter soziale Medien während der Ar-
beitszeit nutzen dürfen. Nach derzeitiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die private Inter-
netnutzung grundsätzlich untersagt, wenn dies nicht ausdrück-
lich anders geregelt ist. Bei Verstößen können unter bestimmten
Voraussetzungen Abmahnungen und in besonders gravieren-
den Fälle sogar Kündigungen ausgesprochen werden. Eine be-
rufliche Nutzung hingegen ist grundsätzlich erlaubt. Um diese
für die Mitarbeiter einfacher zu gestalten und Unsicherheiten
zu vermeiden, sollte klar definiert werden, welche Nutzung als
beruflich (und damit als erlaubt) gilt. Außerdem sollten in die-
sem Zusammenhang gegebenenfalls auch zeitliche Begrenzun-
gen für die Nutzung von Social Media bestimmt werden.
Auch Hochschulen, die (noch) nicht in sozialen Netzwerken
aktiv sind, sollten sich diesem Thema keinesfalls verschließen
und die damit verbundenen Probleme im Blick haben. Selbst
wenn eine Hochschule die Verwendung von sozialen Medi-
36 | DFN-Infobrief Recht 2012
en während der Arbeitszeit generell untersagt, können ent-
sprechende Leitlinien helfen. Mitarbeiter könnten auch bei
privatem Gebrauch in ihrer Rolle als Hochschulrepräsentant
wahrgenommen werden. Damit verbunden ist die Gefahr, dass
private Äußerungen von Dritten als offizielle Aussagen der
Hochschule missverstanden werden. Dies gilt es zu vermei-
den, indem etwa darauf hingewirkt wird, dass private Postings
oder Einträge so formuliert werden, dass sie unzweifelhaft als
solche aufgefasst werden. Jeder Mitarbeiter sollte außerdem
darauf hingewiesen werden, dass er für im Internet getätigte
Äußerungen selbst Verantwortung trägt und er dementspre-
chend jede Veröffentlichung sorgfältig abwägen sollte.
Wahrung von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen
Sämtliche wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mit-
arbeiter sollten eingehend darauf hingewiesen werden, dass
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren sind. So dür-
fen etwa Berichte über Forschungsvorhaben und -ergebnisse
niemals ohne Absprache mit den zuständigen Entscheidungs-
trägern über soziale Medien veröffentlicht werden. Verstöße
hiergegen können sogar strafrechtlich relevant sein.
Umgang mit Rechten Dritter
Bei der Verwendung sozialer Netzwerke kommt der Beachtung
von Rechten Dritter besondere Bedeutung zu. Insbesondere
sind Persönlichkeitsrechte zu achten. Rechtlich unzulässig
sind geschäfts- oder rufschädigende Äußerungen, Drohungen
und Beleidigungen. Hinsichtlich kritischer Äußerungen sollte
auf die fließende Grenze zwischen Tatsachenbehauptungen
und (erlaubten oder verbotenen) Meinungsäußerungen hinge-
wiesen werden. Weiterhin gilt es angesichts der ohne Weiteres
möglichen Vervielfältigung und Verbreitung von Inhalten, die
Urheber- und Nutzungsrechte Dritter zu beachten. Wichtig ist
außerdem die Beachtung datenschutzrechtlicher Regelungen.
Für die Einhaltung dieser Bestimmungen sollten alle Mitarbei-
ter sensibilisiert werden.
Benennung von Verantwortlichen
Weiterhin sollte eine Stelle in der Hochschule benannt werden,
die als zentraler Ansprechpartner für alle (internen) Fragen des
Umgangs mit sozialen Medien sowie (externen) Anfragen von
Nutzern fungiert. Diese Aufgabe ließe sich beim Hochschul-
marketing oder der Öffentlichkeitsabteilung bzw. für techni-
sche Angelegenheiten bei den Rechenzentren ansiedeln.
Sonstiges
Die detaillierte Ausgestaltung der Guidelines hängt von der je-
weiligen Einrichtung ab. Sie sollten immer mit deren „Kultur“,
Wertvorstellungen und Image abgestimmt sein. Oftmals ist es
gewünscht, dass sämtliche Äußerungen in sozialen Medien un-
ter einem einheitlichen Erscheinungsbild („Corporate Design“)
erfolgen. Hierauf kann durch die Verbreitung von Vorlagen oder
Mustern hingewirkt werden. Weiterhin sollte auf die Unterschie-
de und Besonderheiten einzelner Social-Media-Plattformen und
die Einhaltung von deren Nutzungsbedingungen aufmerksam ge-
macht werden. Schließlich ist es für die Etablierung eines Social-
Media-Angebots entscheidend, dass dessen Kontinuität gewähr-
leistet ist. Die Eigenpräsentation einer Hochschule wird nur dann
erfolgreich sein, wenn sie permanent fortgesetzt und aktuell ge-
halten wird. Dafür wird es erforderlich sein, die notwendigen (per-
sonellen und sachlichen) Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
III. Die Umsetzung
Nachdem man sich über die inhaltliche Ausgestaltung der So-
cial Media Guidelines klar geworden ist, stellt sich die Frage,
wie damit weiterhin zu verfahren ist, um ihnen möglichst weit-
gehend Geltung zu verschaffen. Im Idealfall ist eine rechtliche
Bindung der Hochschulmitglieder an die von der Hochschule
aufgestellten Nutzungsmaßstäbe zu erreichen. Daneben geht
es darum, an das Verantwortungsbewusstsein der User zu ap-
pellieren und ihren Blick für kritische Punkte zu schärfen. Die
Herausbildung der nötigen Kompetenzen im Umgang mit sozi-
alen Medien kann jedoch nur bei einer tatsächlichen Auseinan-
dersetzung mit den Guidelines Erfolg haben.
Einzelvertragliche Ergänzung zum
Arbeitsvertrag
Zwecks Rechtsverbindlichkeit könnten Social Media Guideli-
nes gemeinsam mit dem Arbeitsvertrag jedem einzelnen Mit-
arbeiter zur Kenntnisnahme und Unterzeichnung vorgelegt
werden. Da verbeamtete Hochschulmitglieder jedoch keinen
Arbeitsvertrag mit der Hochschule haben, sondern durch die je-
weilige Körperschaft (i. d. R. das jeweilige Bundesland) bestellt
werden, wäre ein derartiges Vorgehen hier nicht praktikabel.
Denn selbst wenn das zuständige Bundesland bei der Verbeam-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 37
tung auf eine Guideline hinweisen würde, wäre dies nur sinn-
voll, wenn es eine „zentrale“ Guideline für alle Hochschulen
des Bundeslandes gäbe. Dies ist indes nicht zu erwarten. Über-
dies wäre diese Lösung voraussichtlich mit einem immensen
Verwaltungsaufwand verbunden. Dies gilt insbesondere für
bereits bestehende Arbeitsverhältnisse, bei denen eine Unter-
zeichnung nachgeholt werden müsste. Darüber hinaus fallen
Nebenabreden zu Arbeitsverträgen regelmäßig in den Mitbe-
stimmungsbereich des Personalrats (z. B. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
LPVG NW), was zusätzliche Umsetzungshürden mit sich bringt.
Allgemeines Direktionsrecht
Zur rechtlichen Etablierung von Social Media Guidelines im Ver-
hältnis zu ihren Mitarbeitern kann die Hochschule ihr sogenann-
tes Direktionsrecht geltend machen. Darunter ist das Recht des
Arbeitgebers zu verstehen, die vom Arbeitnehmer geschuldete
Arbeitsleistung näher zu konkretisieren, soweit diese nicht im
Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinba-
rung abschließend geregelt ist. Hierdurch kann der Arbeitgeber
gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern verbindliche Regelungen
betreffend eines bestimmten Sachverhalts schaffen. Für Beam-
te ergibt sich die Weisungsgebundenheit aus § 35 Beamtensta-
tusgesetz, für alle anderen Mitarbeiter aus § 106 GewO.
Dienstvereinbarung
Denkbar wären auch Dienstvereinbarungen. Diese gelten un-
mittelbar gegenüber allen Arbeitnehmern einer Einrichtung.
Sie kommen im öffentlichen Dienst durch eine Vereinbarung
zwischen der Hochschule und dem Personalrat zustande.
Rechtsgrundlage für eine Dienstvereinbarung ist das jeweilige
Landespersonalvertretungsgesetz. Es kommt dabei aber nicht
darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer davon weiß oder
nicht. Hinsichtlich des Interesses an einer breiten Wahrneh-
mung des Guides sind Dienstvereinbarungen allein deshalb
denkbar ungeeignet. Die jeweiligen Fachbereiche oder ander-
weitigen Organisationseinheiten wären dann zusätzlich dazu
angehalten, die Arbeitnehmer von den Dienstvereinbarungen
in Kenntnis zu setzen bzw. jene gegebenenfalls sogar im Um-
gang mit den modernen Kommunikationsmitteln zu schulen.
(Grund)-Ordnung/Bestimmungen/Satzung
Letztlich wäre die Schaffung von hochschuleigenen Verord-
nungen oder Satzungen möglich. Im Gegensatz zu privat-
wirtschaftlichen Unternehmen können öffentlich-rechtliche
Körperschaften Grundordnungen und Satzungen erlassen.
Der Erlass einer solchen Verordnung muss auf einer Ermäch-
tigungsgrundlage beruhen, die sich meist aus dem jeweiligen
Landeshochschulgesetz ergibt (z. B. § 10 Abs. 4 S. 1 HG NRW).
Durch die Veröffentlichung in den Amtlichen Bekanntmachun-
gen der Hochschule werden die hier dokumentierten Beschlüs-
se grundsätzlich rechtswirksam. Allerdings ist auch bei dieser
Lösung davon auszugehen, dass nicht alle Hochschulmitglie-
der die Regelungen tatsächlich zur Kenntnis nehmen, sodass
zusätzlich eine anderweitige Verbreitung erforderlich wäre.
Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass auch die Studieren-
den als größte Gruppe der Hochschulmitglieder eingebunden
werden sollten. Die Tatsache, dass zwischen diesen und der
Hochschule regelmäßig kein arbeitsrechtliches Verhältnis be-
steht, spricht ebenfalls dafür, Regelungen (auch) außerhalb
des Arbeits- bzw. Personalrechts zu schaffen und zu verbrei-
ten. Es sollte daher nach Lösungen gesucht werden, die alle
Hochschulangehörigen schult und verpflichtet.
Bekanntmachungen, Aushänge
Um eine möglichst breite tatsächliche Wahrnehmung zu ge-
währleisten, sollten Guidelines durch einfache Bekanntma-
chungen, Aushänge oder E-Mails verbreitet werden. Damit
können sämtliche Maßnahmen zur Herstellung rechtlicher
Verbindlichkeit ergänzt werden.
IV. Fazit
Sowohl die inhaltliche Gestaltung als auch die spätere Verbrei-
tung von Social Media Guidelines ist nicht unproblematisch
und bedarf gründlicher Vorüberlegungen. Diese Anstrengun-
gen werden aber durch den durch (rechtskonformen) Umgang
mit Social Media geschaffenen Mehrwert aufgewogen. Gut ge-
staltete Leitfäden helfen sowohl der Hochschule als auch den
einzelnen Mitgliedern und lohnen sich daher fast immer.
Anmerkungen
1 Ausführliche Erläuterung der verschiedenen rechtlichen As-
pekte von sozialen Netzwerken in: DFN-Infobriefe 5 und 6/2011
sowie 1/2012.
38 | DFN-Infobrief Recht 2012
Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet erleichtert
Bundesgerichtshof klärt Voraussetzungen des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Access-Provider
von Florian Klein
Um Urheberrechtsverletzungen im Internet verfolgen zu können, müssen die verletzten Recht-
einhaber ausfindig machen, wer sich hinter den jeweiligen IP-Adressen verbirgt. Dabei sind sie
zwingend auf die Mithilfe des jeweiligen Access-Providers angewiesen. Dies können auch die
Hochschulrechenzentren sein, welche den Studenten oder Mitarbeitern einen Internetzugang
zur Verfügung stellen. Die Verpflichtung, hier tätig zu werden, ergibt sich aus § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Urheberrechtsgesetz (UrhG), der dem Rechteinhaber einen entsprechenden Auskunftsanspruch
gewährt. Es war jedoch lange Zeit ungeklärt, welcher Grad von Rechtsverletzung erforderlich ist,
damit dieser geltend gemacht werden konnte. Mit Beschluss vom 19. April 2012 (Az.: I ZB 80/11)
hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein überraschendes Machtwort gesprochen und den Anwen-
dungsbereich dieses Anspruchs deutlich erweitert. So kann ein Auskunftsanspruch gegen einen
Access-Provider auch dann schon bestehen, wenn die Urheberrechtsverletzung nur ein geringes
Ausmaß erreicht. Ein gewerbliches Ausmaß – wie zuvor von den Oberlandesgerichten gefordert –
kann in Zukunft jedenfalls nicht mehr verlangt werden.
I. Die Rolle der Access-Provider
Urheberrechtsverletzungen sind im Internet an der Tagesord-
nung. Unter dem Deckmantel der vermeintlichen Anonymität
des Internets und aufgrund der verbreiteten Mentalität der
Gratiskultur ist die Hemmschwelle für einen Eingriff in Rechte
des geistigen Eigentums gering. Insbesondere Online-Tausch-
börsen bieten dafür eine geeignete Plattform. Obwohl die
Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet durch einige
„Abmahn-Anwälte“ in der öffentlichen Wahrnehmung in Ver-
ruf geraten ist, darf nicht vergessen werden, dass viele Recht-
einhaber durchaus ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse
daran haben, gegen Rechtsverletzer auf dem Rechtsweg vor-
zugehen. § 101 Abs. 1 UrhG gewährt ihnen daher einen Aus-
kunftsanspruch über die Einzelheiten der Verletzung, welcher
gegen die Rechtsverletzer gerichtet ist. Wenn man diesen je-
doch nicht kennt, ist der Auskunftsanspruch faktisch wertlos.
Für eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung bedarf es da-
her immer der Kenntnis der Identität des Rechtsverletzers. Et-
waig vorhandene Nutzernamen geben darüber in aller Regel
keinen Aufschluss. Die IP-Adresse der Nutzer, welche mittels
spezieller Software ermittelt werden kann, ist zumeist das
einzige verlässliche Datum, welches den Rechteinhabern be-
kannt ist. Wem diese IP-Adresse jedoch im Zeitpunkt der Vor-
nahme der verletzenden Handlung zugeordnet war, wissen
nur die Access-Provider, die den Nutzern den Zugang zum In-
ternet gewährt haben, sofern sie die entsprechenden Daten
gespeichert haben. Da ohne deren Mitwirkung eine Rechts-
verfolgung nicht möglich ist, gewährt § 101 Abs. 2 UrhG den
Rechteinhabern einen Auskunftsanspruch auch gegen Dritte,
insbesondere gegen den Access-Provider.
II. Die Entscheidung des BGH zum „gewerblichen Ausmaß“
Dieser Aukunftsanspruch existiert seit dem 1.9.2008 und be-
ruht auf der Umsetzung europäischen Rechts. Nach dem Wort-
laut der Norm richtet er sich gegen eine Person, die in gewerb-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 39
lichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte
Dienstleistungen erbracht hat. Rechtsprechung und Lehre
waren sich bisher uneins über die Frage, ob es ausreicht, dass
die Erbringung der Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß er-
folgt oder ob zusätzlich erforderlich ist, dass auch die Rechts-
verletzung in gewerblichem Ausmaß stattgefunden hat. Unter
Rechtsverletzung ist dabei jede Handlung zu verstehen, die ge-
gen das Urheberrecht verstößt. Als Beispiel sei der unerlaubte
Upload bzw. Download eines Films oder Musikstücks genannt.
In den knapp vier Jahren des Bestehens der Vorschrift hat sich
die herrschende Meinung in der (obergerichtlichen) Rechtspre-
chung dafür ausgesprochen, auch ein gewerbliches Ausmaß
der Rechtsverletzung zu verlangen. Gleichzeitig wurden einige
Kriterien entwickelt, die für die Bejahung eines gewerblichen
Ausmaßes herangezogen werden konnten. Dazu gehören so-
wohl qualitative als auch quantitative Kriterien wie zum Bei-
spiel die Aktualität und Popularität des Werkes, die Anzahl der
betroffenen Werke und die Art der Rechtsverletzung (Upload
oder Download). Insbesondere wenn nur ein einziger Film
bzw. ein einzelnes Musikstück hochgeladen wurde, war um-
stritten, ob dies schon eine Rechtsverletzung in gewerblichem
Ausmaß darstellte.
Trotz dieser klaren Tendenz vieler Obergerichte, auch ein ge-
werbliches Ausmaß der Rechtsverletzung zu verlangen, hat
der BGH nun festgestellt, dass das gewerbliche Ausmaß nur
bei der Erbringung der Dienstleistung der Access-Provider ge-
geben sein muss. Dies eröffnet Rechteinhabern den Weg, Aus-
kunft auch dann zu beanspruchen, wenn die Nutzer nur eine
„einfache“ Rechtsverletzung begangen haben, die ein gewerb-
liches Ausmaß nicht erreicht. Eine solche liegt bei jedem Ver-
stoß gegen das Urheberrecht vor. Es kommt somit nicht mehr
darauf an, ob schon der unbefugte Upload eines einziges Wer-
kes überhaupt als Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß
eingestuft werden kann bzw. wann eine Verletzung in gewerb-
lichem Ausmaß vorliegt.
Zur Begründung stützt sich der BGH neben Wortlaut und
Systematik vor allem auf den Sinn und Zweck der Norm.
Der Auskunftsanspruch gegen den Access-Provider sei kein
Hilfsanspruch, der hauptsächlich der Vorbereitung des
Auskunftsanspruchs gegen den Verletzer diene. Stattdes-
sen habe er primär den Zweck, überhaupt erst die Identi-
tät des Rechtsverletzers zu ermitteln. Somit diene er der
Vorbereitung von Unterlassungs- und Schadensersatz-
ansprüchen gegen den Verletzer, weshalb seine Voraus-
setzungen auch an dem für diese Ansprüche geltenden
§ 97 UrhG zu messen seien. Da aber für Unterlas-
sungs- und Schadensersatzansprüche im Rahmen von
§ 97 UrhG jede Rechtsverletzung ausreicht, könne auch für
den Auskunftsanspruch kein gewerbliches Ausmaß der Rechts-
verletzung erforderlich sein. Des Weiteren müsse verhindert
werden, dass der Rechteinhaber bei Verletzungen nicht ge-
werblichen Ausmaßes faktisch schutzlos gestellt werde. Ziel
des Gesetzes sei schließlich eine wirksame Bekämpfung von
Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Ein solches Verständnis der Vorschrift sei gerechtfertigt, weil
„einfache“ Rechtsverletzungen im Internet in sehr großer An-
zahl erfolgen und dadurch die wirtschaftlichen Interessen des
Rechteinhabers in erheblichem Maße beeinträchtigt werden,
selbst wenn jeder einzelnen Verletzung für sich kein besonde-
res Gewicht zukommt.
Diesem Verständnis stehe auch nicht die Tatsache entgegen,
dass in den anderen Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigen-
tums (z. B. Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Geschmacks-
mustergesetz, Markengesetz) vergleichbare Auskunftsansprü-
che nur begründet sind, wenn auch die Rechtsverletzung ein
gewerbliches Ausmaß erreicht. Denn dies beruhe auf der Be-
sonderheit des Urheberrechts, welches im Gegensatz zu den
anderen Schutzrechten auch Handlungen erfasse, welche im
privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken und damit
außerhalb des geschäftlichen Verkehrs vorgenommen werden.
III. Die übrigen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs
Einschränkungen erfährt der Auskunftsanspruch aber nach
wie vor durch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen. So
muss es sich entweder um einen Fall offensichtlicher Rechts-
verletzung handeln oder der Verletzte muss gegen den Verlet-
zer schon Klage erhoben haben. Letztere Variante dürfte bei
Ansprüchen auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse
kaum praktisch relevant werden, da es ja gerade um die Vor-
bereitung einer Klage gegen den bisher noch unbekannten
Verletzer geht. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung, wenn
sie so eindeutig ist, dass eine ungerechtfertigte Belastung der
Beteiligten, insbesondere des Auskunftsschuldners, ausge-
schlossen erscheint. Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll vor
allem eine willkürliche Ausforschung der Access-Provider aus-
geschlossen werden, welche quasi „ins Blaue hinein“ erfolgt.
40 | DFN-Infobrief Recht 2012
Anspruchsgegner und damit Auskunftsverpflichteter ist der-
jenige Access-Provider, der die Dienstleistungen, die für die
rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzt wurden, in gewerbli-
chem Ausmaß erbracht hat. Dies dürfte jedoch auf nahezu alle
Hochschulen zutreffen, die ihren Studenten und Mitarbeitern
einen Internetzugang zur Verfügung stellen.
Für das Kriterium des gewerblichen Ausmaßes der Dienstleis-
tungserbringung kommt es nicht darauf an, dass der Dienst-
leister kommerzielle Interessen verfolgt. Entscheidend ist
vielmehr, dass die Dienste in einem Umfang erbracht werden,
welcher mit dem eines gewerblichen Diensteanbieters ver-
gleichbar ist (s. hierzu schon Hoeren/Obex: „Urheberrechtsver-
letzungen im Internet“, DFN-Infobrief Recht Juni 2009).
Zu guter Letzt darf die Inanspruchnahme auf Auskunftsertei-
lung nicht unverhältnismäßig sein. Eine Unverhältnismäßig-
keit wird jedoch nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, wenn
der Rechtsinhaber kein oder nur ein sehr geringes Interesse
daran hat zu erfahren, wer der Rechtsverletzer ist. Ein Beweis
in dieser Hinsicht dürfte schwierig zu erbringen sein.
IV. Besonderheit bei Auskünften über Verkehrsdaten
Unbedingt zu beachten ist jedoch sowohl vom Auskunftsver-
pflichteten als auch vom Auskunftsberechtigten, dass hin-
sichtlich der Auskunft über Verkehrsdaten (gem. § 3 Nr. 30 Te-
lekommunikationsgesetz) besondere Anforderungen gelten.
Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass diese dem grundrechtli-
chen Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 Grund-
gesetz) unterliegen. Wenn der Access-Provider zur Erfüllung
des Auskunftsanspruchs Verkehrsdaten verwenden muss, ob-
liegt es dem Auskunftsberechtigten zunächst eine richterliche
Anordnung zu erwirken, welche die Zulässigkeit der Verwen-
dung der Verkehrsdaten feststellt. Die Kosten der richterli-
chen Anordnung hat dabei der Verletzte, also der Rechteinha-
ber, zu tragen.
Regelmäßig werden die IP-Adressen, deren Inhaber ermittelt
werden sollen, dynamische IP-Adressen sein, welche nicht
dauerhaft einem bestimmten Nutzer zugeordnet sind, son-
dern nur für jeweils eine Sitzung. Da eine Zuordnung somit nur
unter Verwendung von Verkehrsdaten (z. B. Datum und Uhrzeit
der Verbindung) möglich ist, ist hierfür stets eine richterliche
Anordnung erforderlich. Ohne diese dürfen keine Daten über
die Person des Verletzers herausgegeben werden. Hierzu hat
der BGH in seiner Entscheidung ergänzend klargestellt, dass
der Antrag auf Erlass einer solchen richterlichen Anordnung
zwar grundsätzlich einer Abwägung der betroffenen Rechte
der verschiedenen Beteiligten bedürfe, dieser aber in aller Re-
gel ohne weiteres begründet sein sollte. Somit stellt die Not-
wendigkeit einer richterlichen Anordnung nur eine sehr niedri-
ge Hürde dar, welche aber keinesfalls missachtet werden darf.
Praktisch relevant ist schließlich noch, dass der Access-Provi-
der, der zur Auskunft verpflichtet ist, von demjenigen, der die
Auskunft begehrt, Ersatz der zur Auskunftserteilung erforder-
lichen Aufwendungen verlangen kann.
V. Bewertung und Ausblick
Die Anspruchsvoraussetzung des „gewerblichen Ausmaßes“
hat durch diese Entscheidung eine erhebliche Einschränkung
erfahren, da sie nicht mehr doppelt angewendet werden muss
(zum einen auf die Dienstleistung des Access-Providers, zum
anderen auf die Rechtsverletzung), was wiederum zu einer
Ausweitung der Auskunftsverpflichtung der Access-Provider
führt.
Es ist zu erwarten, dass diese Entscheidung spürbare Konse-
quenzen für die Hochschulrechenzentren haben wird. Schon
bisher wurden Access-Provider und entsprechend auch die Ge-
richte mit Auskunftsbegehren der Rechteinhaber, häufig in Ge-
stalt der großen Verwerterunternehmen, überzogen, denen il-
legale Online-Tauschbörsen ein Dorn im Auge sind. Durch seine
Entscheidung hat der BGH die Schleusen noch weiter geöffnet
und die Erfolgschancen solcher Auskunftsbegehren deutlich
gesteigert. Es wird für Rechteinhaber daher interessanter, die
Durchsetzung ihrer Rechte zu forcieren und auch gegen klei-
nere Rechtsverletzungen vorzugehen, um einen möglichst um-
fangreichen Schutz zu realisieren. Rechtsverletzer müssen in
Zukunft stärker als zuvor mit einer Inanspruchnahme auf Un-
terlassung oder gar Schadensersatz rechnen und Hochschul-
rechenzentren und andere Access-Provider werden häufiger
mit Anfragen nach der Identität von IP-Adressen-Inhabern kon-
frontiert werden.
Trotz der Fragwürdigkeit mancher Argumente des BGH ist
zumindest zu begrüßen, dass mit dieser Entscheidung ein ge-
wisses Maß an Rechtssicherheit eingekehrt ist. Rechteinhaber
sind nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, dass die Gerichte den
Anspruch mangels gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverlet-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 41
zung, welches jeweils nur im Einzelfall festgestellt werden
konnte, abweisen. Denn auch die hierfür – von Seiten der Ober-
landesgerichte – aufgestellten Kriterien variierten stark oder
wurden unterschiedlich gewichtet. Der größte verbleibende
Unsicherheitsfaktor bei der Geltendmachung dieses Aus-
kunftsanspruchs ist für die Rechteinhaber nunmehr nur noch
die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung.
Die Access-Provider sind vor den Unwägbarkeiten der Nor-
manwendung im Einzelfall insofern gefeit, als in den meisten
Fällen dynamische IP-Adressen und damit Verkehrsdaten be-
troffen sein werden, sodass eine richterliche Anordnung er-
forderlich ist. Diese nimmt insofern den Access-Providern bzw.
den Hochschulrechenzentren die Prüfung der Offensichtlich-
keit ab. Daher ist jedem Access-Provider, insbesondere auch
den Hochschulrechenzentren zu raten, dem Auskunftsbegeh-
ren erst bei Vorlage einer solchen richterlichen Anordnung
nachzukommen.
42 | DFN-Infobrief Recht 2012
Rapidshare vs. Rechteinhaber – Ende einer unendlichen Geschichte?
Bundesgerichtshof bezieht Stellung zur Haftung von File-Hosting-Diensteanbietern bei Urheberrechtsverletzungen
von Kevin Kuta
Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in seinem Urteil vom 12.07.2012 (Az. I ZR 18/11) erstmals zur
Haftung von File-Hosting-Diensten wie „Rapidshare.com“ für Urheberrechtsverletzungen Stel-
lung bezogen. Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hat
entschieden, dass Betreiber so genannter File-Hosting-Dienste bei begangenen Urheberrechts-
verletzungen der Nutzer grundsätzlich weder Täter noch Gehilfen seien. Sollten sie jedoch Prü-
fungspflichten verletzt haben, komme eine Haftung als Störer auf Unterlassung in Betracht.
I. Einleitung
Sowohl im Privaten als auch im Berufsleben drängen Faktoren
wie Mobilität und Effektivität stark in den Vordergrund. Um
diesen Ansprüchen gerecht werden zu wollen, müssen Mitar-
beiter und Studenten ihre Arbeitsmaterialien im Idealfall 24
Stunden am Tag direkt abrufbar haben. Sobald man Dateien
ausschließlich auf der Festplatte eines Laptops oder PCs spei-
chert, ist man an das entsprechende Gerät gebunden. Zwar
kann man die entsprechenden Daten auch auf einer externen
Festplatte oder einem Memory-Stick speichern, um eine größe-
re Mobilität zu erreichen. Jedoch kann es beim Anschluss die-
ser Geräte an die IT-Endgeräte eines Unternehmens oder einer
Hochschule Probleme geben. Eine einfachere und handlichere
Möglichkeit zur zentralen Datenspeicherung und -verwaltung
stellen sog. File-Hosting-Dienste dar, die teilweise auch unter
den Bezeichnungen Sharehoster, One-Klick-Hoster, Filehoster
oder Cyberlocker kursieren.
Diese Anbieter stellen ihren Nutzern virtuellen Speicherplatz
zur Verfügung. Die Nutzer können ihre persönlichen Datei-
en auf der Internetseite der Diensteanbieter hochladen und
damit auf deren Servern speichern. Der Abruf dieser Dateien
geschieht denkbar einfach: Nach dem Hochladen wird dem
Nutzer ein Link zur Verfügung gestellt, über den die abgeleg-
te Datei abgerufen werden kann. Durch diese Form der Daten-
speicherung ist eine größtmögliche Mobilität und Effektivität
gewährleistet. Man benötigt lediglich einen Internetzugang.
Dementsprechend besteht gerade bei der Nutzung größerer
Datenmengen ein beträchtliches Interesse und Bedürfnis an
der legalen Nutzungsmöglichkeit dieser Dienste, weswegen
diese auch in großer Zahl vorhanden und üblich sind. Durch
die einfache Handhabung dieser Plattformen wird jedoch auch
dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Im Mittelpunkt stehen
hier vor allem Urheberrechtsverletzungen, insbesondere in
den Bereichen Musik, Film und Software.
Hochschulen stellen ihren Mitarbeitern und Studenten häufig
Speicherplatz zur Verfügung. Darüber hinaus bieten sie viel-
fach Lernplattformen sowie Speicherplatz für Webseiten von
Studenteninitiativen oder Drittmittelprojekten an. Damit tre-
ten sie in ähnlicher Weise als Host-Provider auf.
II. Bisherige Rechtslage
Die Rechtsprechung war bisher sehr uneinig, was die Behand-
lung von File-Hosting-Diensten und deren Haftung für Urhe-
berrechtsverletzungen betrifft. Dabei haben sich zwei Lager
herauskristallisiert.
Zugunsten von Host-Providern spricht sich das OLG Düsseldorf
(Urteil vom 27.04.2010 – Az. I-20 U 166/09 – „Rapidshare“; Urteil
vom 06.07.2010 – Az. I-20 U 8/10 – „Rapidshare II“; Urteil vom
21.12.2010 – Az. I-20 U 59/10 – „Rapidshare III”) aus. Erfolgt nach
der Speicherung auf dem Speicherplatz des Host-Providers ein
öffentliches „Zugänglichmachen” im Sinne des § 19a Urheber-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 43
rechtsgesetz (UrhG), ist nach Ansicht des Gerichts der Host-Pro-
vider nur dann verantwortlich, wenn er im zumutbaren Umfang
von der Veröffentlichung Kenntnis erlangt hat und eine solche
Veröffentlichung hätte unterbinden können. Nach dieser Auf-
fassung hat daher zunächst eine Sperrung der beanstandeten
Datei zu erfolgen. Des Weiteren muss neben dieser Sperrung
die zumutbare Vorsorge getroffen werden, dass es möglichst
nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.
Gegenteiliger Ansicht ist das OLG Hamburg (Urteil vom 02.07.2008
– Az. 5 U 73/07 – „Rapidshare“; Urteil vom 14.03.2012 – Az. 5 U
87/09). Nach dessen Auffassung leistet ein Geschäftsmodell, das
auf Grund seiner Struktur die Möglichkeit des anonymen Hoch-
ladens in Pakete zerlegter, gepackter und mit Kennwort gegen
den Zugriff geschützter Dateien eröffnet, der massenhaften Be-
gehung von Urheberrechtsverletzungen wissentlich Vorschub.
Ein derartiges Modell könne nicht von der Rechtsordnung ge-
billigt werden. Lässt der Host-Provider in Kenntnis begange-
ner Urheberrechtsverletzungen weiterhin einschränkungslos
eine anonyme Nutzung seines Dienstes zu, schneidet er dem
verletzten Urheber den erforderlichen Nachweis wiederholter
Begehungshandlungen ab, welchen dieser benötigt, um sei-
ne Rechte erfolgreich und wirksam durchsetzen zu können. In
diesem Fall kann sich der Betreiber zur Vermeidung seiner Ver-
antwortlichkeit als Störer unter bestimmten Voraussetzungen
nicht mehr auf eine ansonsten gegebenenfalls bestehende Un-
zumutbarkeit umfangreicher Prüfungspflichten berufen. Damit
spricht sich diese Ansicht bei begangenen Schutzrechtsverlet-
zungen neben einer Sperrung für umfassende Prüfungspflich-
ten der Speicherplattformbetreiber aus.
III. Neuerungen durch das Urteil des BGH
Mit dem Urteil des BGH vom 12.07.2012 liegt nun erstmals die
Entscheidung eines obersten Gerichtes zu dieser Thematik vor.
Nach Ansicht des BGH können File-Hosting-Diensteanbieter
für nutzerseitige Urheberrechtsverletzungen erst dann in An-
spruch genommen werden, wenn sie auf eine eindeutige und
gleichartige Rechtsverletzung hingewiesen worden sind.
1. Keine Prüfungspflicht ohne tatsächliche
Anhaltspunkte
File-Hosting-Diensteanbieter kennen den Inhalt der hochgela-
denen Dateien nicht. Weiterhin unterhalten sie kein Inhalts-
verzeichnis dieser Dateien. Es besteht jedoch die Möglichkeit,
dass Dritte nach bestimmten Dateien auf den Servern der File-
Hosting-Dienstebetreiber suchen können. Dies ist einerseits
durch die Verwendung bestimmter Begriffe mittels der allge-
meinen Suchmaschinen möglich. Darüber hinaus gibt es aber
auch spezielle Suchmaschinen, die als sog. Link-Sammlungen
bezeichnet werden. Diese Suchmaschinen durchsuchen aus-
schließlich die Sammlungen der von den File-Hosting-Diensten
an den Nutzer übermittelten Links und zeigen Dritten alle er-
hältlichen Links zu einem von ihnen gewählten Schlagwort an.
Durch das Hochladen der Dateien werden diese öffentlich zu-
gänglich gemacht und können auch von Dritten heruntergela-
den werden. Die Nutzer dieses Dienstes laden ihre Dateien ohne
vorherige Kenntnis der Betreiber hoch. Damit ist der Betreiber
bei einer durch das Hochladen möglicherweise begangenen
Urheberrechtsverletzung weder Täter noch Gehilfe. Dagegen
kommt aber bei der Verletzung von Prüfungspflichten eine
Haftung auf Unterlassung als Störer in Betracht. File-Hosting-
Dienstebetreiber sind als Diensteanbieter im Sinne des § 10
Telemediengesetz (TMG) anzusehen. Als solche müssen sie die
auf ihren Servern gespeicherten Daten nicht allgemein und pau-
schal auf Rechtsverletzungen überprüfen. Man könnte anderer-
seits annehmen, dass eine solche umfassende Prüfungspflicht
etwa deswegen geboten ist, weil derartige Dienste für Urheber-
rechtsverletzungen besonders anfällig wären. Dieser Ansicht
erteilt der BGH jedoch eine klare Absage. Dies vor allem aus
dem Grund, dass legale Nutzungsmöglichkeiten dieser Dienste
in starker Zahl vorhanden und üblich sind und gleichzeitig ein
großes Interesse für eine derartige Nutzung besteht. Daher ent-
steht nach Auffassung des BGH eine Prüfungspflicht der Dien-
steanbieter erst in dem Zeitpunkt, in dem sie auf eine eindeuti-
ge Rechtsverletzung hinsichtlich des jeweiligen Schutzobjekts
(sei es ein Musiktitel, ein Film, ein Softwareprodukt, ein Compu-
terspiel oder ähnliches) hingewiesen worden sind.
2. Die zumutbaren Prüfungspflichten in Bezug
auf vergleichbare Rechtsverletzungen
Im konkreten Fall hatte die Schutzrechtsinhaberin dem Dien-
steanbieter einen Hinweis gegeben, dass eines ihrer Compu-
terspiele auf den Servern des File-Hosting-Dienstebetreibers
zum Download bereitsteht. Daraufhin hatte der Diensteanbie-
ter die entsprechende Datei umgehend gelöscht. Dabei hat er
es aber unterlassen zu überprüfen, ob auf seinen Servern wei-
tere Dateien anderer Nutzer liegen, die auch das Computer-
spiel der Schutzrechtsinhaberin beinhalten, sodass im Ergeb-
44 | DFN-Infobrief Recht 2012
nis das Spiel weiterhin heruntergeladen werden konnte. Nach
Ansicht des Gerichts war es in diesem konkreten Fall nicht
ausreichend, dass seitens des Diensteanbieters nur die kon-
kret bezeichnete rechtsverletzende Datei gelöscht wurde. Der
Betreiber des File-Hosting-Dienstes hätte darüber hinaus alle
ihm technisch und wirtschaftlich zumutbaren Möglichkeiten
ergreifen und ausschöpfen müssen, um ein wiederholtes An-
gebot desselben Schutzobjekts durch andere Nutzer auf den
Servern des Betreibers zu verhindern. Hinsichtlich der Zumut-
barkeit schränkte der BGH die Prüfungspflichten dahingehend
ein, dass Maßnahmen das Geschäftsmodell der Betreiber nicht
gefährden dürfen. Nach Auffassung des Gerichts kann die Prü-
fungspflicht in diesem Fall möglicherweise deswegen verletzt
worden sein, da der Betreiber keinen Wortfilter für den zusam-
menhängenden Namen des Schutzobjekts zur Überprüfung
der auf ihren Servern befindlichen Dateinamen verwendet hat.
Im konkreten Fall erfolgte jedoch hinsichtlich der Verletzung
der Prüfungspflicht seitens des Diensteanbieters keine ab-
schließende Entscheidung, sondern die Sache wurde vom
BGH zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen. Grund dafür war, dass die
getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im Hinblick
auf die Zumutbarkeit von Überprüfungsmaßnahmen nicht
ausreichend seien.
IV. Fazit
Durch die Zurückverweisung an das Berufungsgericht bleibt
eine eindeutige, höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haf-
tung von File-Hosting-Dienstebetreibern für Urheberrechts-
verletzungen weiterhin aus. Jedoch kann man der Entschei-
dung des BGH erste Tendenzen entnehmen. Bestätigt wurde,
dass eine Prüfungspflicht für derartige Diensteanbieter erst in
dem Zeitpunkt entsteht, in dem er auf eine eindeutige Rechts-
verletzung hingewiesen worden ist. Jedoch bleibt abzuwar-
ten, wie das Berufungsgericht hinsichtlich der sich darüber
hinausgehenden Prüfungspflichten entscheiden wird. Der
BGH hat nämlich auch eine proaktive Prüfungspflicht ins Spiel
gebracht, indem er vorgibt, dass die bloße Löschung der bean-
standeten Datei nicht ausreicht. Vielmehr müsse darüber hin-
aus alles technisch und wirtschaftlich Zumutbare veranlasst
werden, um eine erneute Downloadmöglichkeit des Schutzob-
jekts durch das Hochladen der Datei seitens anderer Nutzer
zu unterbinden. Es müsse auch im Falle eines Hinweises auf
eine Rechtsverletzung überprüft werden, ob die entsprechen-
den Dateien neu hochgeladen werden. Dabei wird der Einsatz
technischer Filter erwähnt. Speziell zu nennen wären hier
Musik- oder Videofilter. Auch der Einsatz eines Wortfilters zur
Überprüfung der auf dem Server des Betreibers gespeicherten
Dateien wäre denkbar. Jedoch könnte man dabei an der Effek-
tivität zweifeln. Die bloße Umbenennung der Datei würde ei-
ner erfolgreichen Überprüfung entgegenwirken. Bei Urheber-
rechtsverletzungen auf derartigen Speicherplattformen sind
die Täter nur schwer identifizierbar. Daher nimmt der BGH die
Intermediäre stärker in die Pflicht. Die rein passive Reaktion
auf Hinweise von Dritten genügt nicht mehr. Vielmehr müs-
sen die Betreiber solcher Speicherplattformen aktiv Urheber-
rechtsverletzungen unterbinden.
Für Hochschulen ist dieses Urteil im Hinblick auf die Bereitstel-
lung von Speicherplatz interessant, da sie in diesem Fall als
Host-Provider einzuordnen sind. Charakteristisch für Host-Pro-
vider ist, dass sie die technische Infrastruktur zur Verfügung
stellen, um Nutzern die Möglichkeit zu bieten, Inhalte zu hin-
terlegen, auf welche die Nutzer dann persönlich oder aber auch
(autorisierte) Dritte zugreifen können. Es bleibt aber unsicher,
ob die Grundsätze des BGH auch uneingeschränkt auf Hoch-
schulen übertragen werden können, zumal es sich bei dem
Diensteanbieter im beschriebenen Fall um einen kommerzi-
ellen File-Hosting-Dienst handelte. Generell kann aber festge-
halten werden, dass die Hochschule jedenfalls dann aktiv wer-
den muss, wenn der Hinweis eines Dritten auf eine konkrete
Rechtsverletzung vorliegt. Ob die vom BGH geforderten wei-
tergehenden Prüfungspflichten auch die Hochschulen treffen
werden, ist nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung
offen, jedoch wohl zu verneinen, da es sich bei Hochschulen
eben nicht um kommerzielle Diensteanbieter handelt, wobei
der kommerzielle Charakter ein wesentlicher Aspekt für die
Begründung weitergehender Prüfpflichten darstellt.
Im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung der Prüfungspflich-
ten sowie deren technischen und wirtschaftlichen Zumutbar-
keit bleibt nun die erneute Entscheidung des Berufungsge-
richts abzuwarten.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 45
Nach dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz ist das Recht des Urhebers darüber zu ent-
scheiden, ob sein Werk verbreitet werden darf, erschöpft, wenn er dieses willentlich in den Wirt-
schaftsverkehr gebracht hat. Die Anwendung dieses allgemeinen urheberrechtlichen Prinzips
war im Bereich des Softwareurheberrechts bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 03.05.2012 (Rs. C – 128/11) für Fälle höchst umstritten, in denen Software nicht auf ei-
nem Datenträger, sondern über einen Download seitens des Urhebers verkauft wurde. In seinem
nun vorliegenden Urteil hat der EuGH auch für diesen Fall eine Anwendbarkeit des Erschöpfungs-
grundsatzes bejaht und darüber hinaus weitere wichtige Aussagen für den Online-Softwarehan-
del getroffen.
I. Sachverhalt der Entscheidung
Der Entscheidung des EuGH lag ein Rechtsstreit zwischen
Oracle und Usedsoft zu Grunde. Oracle erstellt und vertreibt
Computerprogramme. Dabei bietet das Unternehmen als Ver-
triebsweg die Möglichkeit an, die gekaufte Software direkt
von der Internetseite Oracles auf den eigenen Computer via
Download herunterzuladen. Das von Oracle den Erwerbern
verschaffte, dauerhafte Nutzungsrecht an der Software um-
fasst die Möglichkeit, das Computerprogramm auf einem
zentralen Server zu speichern und Dritten über den Arbeits-
speicher des eigenen Rechners Zugriff auf dieses Programm
zu gewähren. Zudem bietet Oracle den Kunden im Rahmen
eines Softwarepflegevertrages an, „Up-Dates“ und „Patches“
zur Software herunterzuladen. Usedsoft hingegen handelt mit
gebrauchter Software. Dazu kauft sie von Ersterwerbern etwa
wegen Arbeitsplatzabbaus freigewordene Softwarelizenzen
auf und veräußert diese zu einem gegenüber dem Hersteller-
preis günstigeren Entgelt an Dritterwerber weiter. Die Drit-
terwerber beziehen nach Erhalt der Lizenz durch Usedsoft die
Software ihrerseits direkt über das Downloadportal des Soft-
wareherstellers. Auf diese Weise verkaufte Usedsoft auch die
bezeichneten Softwareprodukte Oracles. Hiergegen richtete
sich die Unterlassungsklage Oracles.
II. Einordnung der Problematik
Der Hersteller von Computerprogrammen genießt nach Maß-
gabe des europäischen und deutschen Rechts urheberrechtli-
chen Schutz. Dieser Schutz umfasst auch das Recht des Herstel-
lers darüber zu entscheiden, ob sein Werk verbreitet und somit
von Dritten weiterverkauft werden darf. Die Verbreitung und
der Weiterverkauf urheberrechtlich geschützter Computerpro-
gramme sind daher grundsätzlich von einer Zustimmung des
Urhebers abhängig. Das Verbreitungsrecht findet aber seine
Grenze im sogenannten Erschöpfungsgrundsatz. Dieses allge-
meine Prinzip des Urheberrechtes findet Anwendung, wenn der
Urheber sein Werk willentlich in den Verkehr bringt. Nach dem
„Inverkehrbringen“ überwiegt das Interesse der Allgemeinheit
an dem freien Umgang mit dem Werk, sodass der Urheber den
Weitervertrieb des Werkes nicht mehr von seiner Zustimmung
abhängig machen kann. Rechtmäßige Erwerber der Software
erhalten mit dem Kauf daher auch die Berechtigung, diese ei-
genständig an Dritte weiter zu veräußern.
Maßgeblich für den Eintritt der Erschöpfung des Verbreitungs-
rechtes ist das Inverkehrbringen des Werkes. Dieses gesetzli-
che Merkmal ist unzweifelhaft erfüllt, wenn der Urheber die
Software auf einem Datenträger, d. h. in körperlicher Form, an
den Ersterwerber verkauft. Intensiv diskutiert war es bis zur
Entscheidung des EuGH aber, ob ein Inverkehrbringen auch
Die Online-Erschöpfung ist da!
Europäischer Gerichtshof bestätigt Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöp-fungsgrundsatzes für den Onlinehandel mit gebrauchter Software
von Matthias Försterling
46 | DFN-Infobrief Recht 2012
gegeben ist, wenn es an einer Verkörperung des Computer-
programmes, wie im Falle des Softwaredownloads, fehlt. Die
vor allem wirtschaftliche Bedeutung dieser Frage liegt auf
der Hand, wäre doch bei Verneinung eines Inverkehrbringens
beim Softwaredownload jede Weiterveräußerung der Soft-
ware samt Softwarelizenz durch den Ersterwerber urheber-
rechtlich unzulässig.
Teile der deutschen Rechtsprechung und der rechtswissen-
schaftlichen Literatur hatten sich im Rahmen der Diskussion
auf den Standpunkt gestellt, dass das Inverkehrbringen schon
auf Grund des Gesetzeswortlautes zwingend eine körperli-
che Manifestation des Werkes voraussetze. Andere hingegen
beriefen sich im Zuge der Begründung einer analogen Anwen-
dung auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit von Software als
Download und Software auf einem Datenträger.
III. Wesentliche Aussagen des EuGH-Urteils
1. Gleichstellung von körperlichem und
unkörperlichem Bezug
Der EuGH hat diese zentrale Streitfrage nun zu Gunsten einer
Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auch für den Fall
des Internetdownloads entschieden. Die europäischen Richter
argumentierten dabei, dass die europarechtlichen Vorgaben,
welche auch bei der Anwendung des deutschen Urheberrechts
beachtet werden müssen, nicht ausdrücklich zwischen körper-
lichen und unkörperlichen Werke differenzieren. Zudem sei
die Aushändigung eines Computerprogrammes auf einem Da-
tenträger und die Weitergabe eines identischen Computerpro-
grammes über einen Internetdownload nicht nur funktional,
sondern vor allem auch wirtschaftlich miteinander vergleich-
bar.
2. Vorliegen eines Kaufvertrages
Der EuGH stufte darüber hinaus die in der Praxis häufig als
„Lizenzvertrag“ bezeichneten Vereinbarungen über die Nut-
zung der kaufgegenständlichen Software als Kaufvertrag ein,
wenn durch die Vereinbarung dem Erwerber ein dauerhaftes
Nutzungsrecht eingeräumt wird. Bei dieser Einordnung seien
die faktisch getrennten Vorgänge von Download der Software
und Unterzeichnung der Lizenzvereinbarung als rechtliche
Gesamtheit zu betrachten. Aus dieser Betrachtungsweise er-
gebe sich auch, dass der Softwarehersteller dem Ersterwerber
Eigentum an der Software verschaffe. Als Verkauf sind daher
sämtliche Vertriebsformen erfasst, die gegen Zahlung eines
Entgelts ein unbefristetes Nutzungsrecht an dem Computer-
programm verschaffen.
3. Bezugspunkt der Erschöpfungswirkung
Der EuGH stellte darüber hinaus fest, dass die Erschöpfungs-
wirkung nicht nur die ursprünglich heruntergeladene Pro-
grammkopie betrifft. Vielmehr seien auch alle, dem ursprüng-
lichen Verkauf der Software nachfolgende Aktualisierungen,
Reparaturen und Wartungsarbeiten von der Erschöpfungswir-
kung erfasst, wenn ein entsprechender Pflegevertrag verein-
bart worden ist. Nicht nur die Ursprungsversion kann daher
frei durch die Erwerber weiterveräußert werden, sondern auch
die nachfolgenden Patches und Updates. Bezugspunkt der Er-
schöpfung ist daher die verbesserte und aktualisierte Fassung.
4.) Download durch Folgeerwerber
Auch stehe nach Ansicht des EuGH nichts dem Bezug der Soft-
ware durch die Kunden der Gebrauchtsoftwarehändler über
die Internetseite des Softwareherstellers im Wege. Zwar gehe
mit diesem Download neben der Weiterverbreitung auch eine
urheberrechtlich relevante Vervielfältigung des Computer-
programmes auf dem Rechner des Erwerbers einher. Diese sei
aber notwendig, um das erworbene Programm bestimmungs-
gemäß zu benutzen. Der Folgeerwerber werde daher zur Ver-
vielfältigung der Programmkopie berechtigt. Dies gelte aber
selbstverständlich nur, wenn der Veräußerer die bei ihm vor-
handenen Computerprogramme in dem Umfang lösche oder
unbrauchbar mache, in welchem er sie verkauft habe. Denn
der Erschöpfungsgrundsatz solle nicht zu einer Aufweichung
des von dem Verbreitungsrecht grundsätzlich zu trennenden
Vervielfältigungsrechtes führen.
IV. Folgen für die Praxis
1. Rechtssicherheit für Kunden und Händler
Das Urteil des EuGH hat in vielerlei Hinsicht großen Einfluss
auf den praktischen Umgang mit gebrauchten „Softwarelizen-
zen“. Aus der zentralen Feststellung der Entscheidung ergibt
sich, dass auch beim Erwerb einer Computersoftware über
einen Download eine Weiterveräußerung durch den Erwerber
selbst dann zulässig ist, wenn der Softwarehersteller seine Zu-
stimmung zum Weiterverkauf nicht gegeben hat. Ein Verstoß
DFN-Infobrief Recht 2012 | 47
des Ersterwerbers gegen das Verbreitungsrecht des Urhebers
kommt daher auch beim Onlinevertrieb von Computersoft-
ware nicht in Betracht. Gleiches gilt für alle Folgeerwerber
innerhalb der Vertriebskette. War der Handel mit gebrauchter
Software vor der nun ergangenen Entscheidung des EuGH von
einer uneinheitlichen Rechtsprechung und daher von einer
durch Unsicherheit dominierten Rechtssituation bestimmt,
kehrt mit der Entscheidung des EuGH nunmehr für Käufer,
aber vor allem auch für Händler gebrauchter Softwarelizenzen
Rechtssicherheit ein.
2. Unerheblichkeit der Vertragsbezeichnung
Durch das Urteil ist zugleich klargestellt, dass es keine Rolle
spielt, welche Bezeichnung die dem Softwaredownload zu
Grunde liegende vertragliche Abrede trägt. Auch ein Lizenzver-
trag ist daher insgesamt als Kaufvertrag zu behandeln, wenn
sich aus den vertraglichen Vereinbarungen ergibt, dass die
Nutzungsrechte auf Dauer übertragen werden sollen. Dies ist
bereits deshalb geboten, weil sonst die praktische Wirksam-
keit des Erschöpfungsgrundsatzes allein durch die Wahl der
Vertragsbezeichnung verhindert werden könnte. Die Figur des
„Lizenzvertrages“, die von manchen Vertretern in der Literatur
sogar als eigenständiger Vertrag angesehen worden war, ist
mithin hinfällig.
3. Unzulässige Nutzungsbeschränkungen
Schließlich sind in vertraglicher Hinsicht die in der Praxis häu-
fig verwendeten Bestimmungen unwirksam, die dem Erwerber
zwar ein dauerhaftes Nutzungsrecht einräumen, aber eine
Weiterübertragung der Rechte an der Software verbieten. Ge-
rade diese schuldrechtlichen Nutzungsbegrenzungen sind mit
der Entscheidung des EuGH vor allem dann rechtswidrig, wenn
sie in Allgemeinen Geschäftsbestimmungen platziert werden.
In letzterem Falle dürfte eine Unwirksamkeit selbst dann ge-
geben sein, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwi-
schen Unternehmern verwendet werden.
48 | DFN-Infobrief Recht 2012
Digitale Leseplätze auf dem Weg nach Europa
Rechtsfragen zu digitalen Leseplätzen in Bibliotheken bleiben vorerst ungeklärt
von Daniel Wörheide
Die Nutzung von digitalen Leseplätzen gehört heute in Bibliotheken und anderen öffentlichen
Einrichtungen zum Alltag. Daher überrascht es nicht, dass die damit zusammenhängenden urhe-
berrechtlichen Fragen schon seit mehreren Jahren Gerichte verschiedener Instanzen beschäfti-
gen. So haben sich zu den wichtigsten Problemen rechtliche Leitlinien entwickelt, an denen sich
die betroffenen Institutionen orientieren können (dazu: Bröckers, DFN-Infobrief Recht Juni 2009,
S. 7 f.), eine höchstrichterliche Klärung dieser Fragen steht jedoch noch aus. Da der Bundesge-
richtshof nun drei Auslegungsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt
hat, ist aber damit zu rechnen, dass zumindest die wichtigsten dieser Fragen in absehbarer Zeit
geklärt werden.
I. Ausgangslage: Beschränkung des Urheberrechts durch § 52b UrhG
Die digitale Nutzung von Medieninhalten erleichtert wissen-
schaftliches Arbeiten in vielerlei Hinsicht enorm. Ein Beispiel
hierfür stellen digitale Leseplätze in Bibliotheken dar. Möchte
man auf einen Buchtitel in physischer Form zugreifen, handelt
es sich dabei – gerade bei großen Buchbeständen in Bibliothe-
ken – häufig um eine zeitraubende Angelegenheit. Wird ein
Buchtitel beispielsweise in einem Archiv verwahrt, vergehen
unter Umständen mehrere Stunden oder sogar Tage bis das
Werk dem Nutzer tatsächlich zur Verfügung gestellt werden
kann. Digitale Leseplätze stellen in diesem Zusammenhang
eine wesentliche Erleichterung dar, da sie dem Nutzer von
einer zentralen Position Zugriff auf den Bibliotheksbestand
geben können. Zu beachten ist aber, dass das Urheberrechts-
gesetz (UrhG) einer digitalen Nutzung Grenzen setzen kann.
Dies gilt auch, wenn das Buch in physischer Form im Bestand
der Bibliothek vorhanden ist. Grund dafür ist, dass durch die
Bereitstellung des Buches an einem digitalen Leseplatz Nut-
zungshandlungen vorgenommen werden, die nach dem Ur-
heberrecht dem Urheber bzw. den Inhabern ausschließlicher
Nutzungsrechte (z.B. Verlagen) vorbehalten sind. Handelt es
sich bei dem jeweiligen Medium um ein urheberrechtlich ge-
schütztes Werk, setzt eine digitale Nutzung daher prinzipiell
voraus, dass zuvor die Zustimmung des Urhebers bzw. eines
Rechteinhabers eingeholt worden ist. Zugleich hat aber auch
die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran, dass der
Medienbestand von öffentlichen Einrichtungen möglichst
leicht zugänglich gemacht wird, damit dieser in optimaler
Weise genutzt werden kann. Eine Lösung für diesen Interes-
senskonflikt soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers aus
§ 52b UrhG ergeben. Durch diese Regelung wird bestimmten
öffentlichen Einrichtungen, zu denen auch öffentlich zugäng-
liche Bibliotheken gehören, unter bestimmten Vorausset-
zungen gestattet, digitale Leseplätze zur Forschung oder für
private Zwecke anzubieten, ohne dass dafür eine gesonderte
vertragliche Regelung mit dem Urheber oder einem sonstigen
Rechteinhaber erforderlich ist. Im Gegenzug ist die Einrich-
tung verpflichtet, eine angemessene Vergütung an eine Ver-
wertungsgesellschaft (z.B. GEMA oder VG WORT) zu leisten.
II. Bisherige Leitlinien der Rechtsprechung
Wegen des weiten Anwendungsbereichs (die Regelung ist nicht
auf Druckwerke beschränkt, sondern erfasst gleichermaßen
Film- und Musikwerke) und der umfassenden Einschränkung
(das Werk darf in vollem Umfang an dem digitalen Leseplatz
genutzt werden) schränkt § 52b UrhG das Ausschließlichkeits-
recht des Urhebers erheblich ein. Daher verwundert es nicht,
dass bereits frühzeitig einige Gerichtsverfahren angestrengt
worden sind, um die mit der Regelung zusammenhängenden
DFN-Infobrief Recht 2012 | 49
Auslegungsfragen gerichtlich klären zu lassen. Im Mittelpunkt
der Auseinandersetzung standen dabei vor allem drei Frage-
stellungen, die von erheblicher Bedeutung für die Reichweite
von § 52b UrhG sind.
Die erste Frage betrifft den Ausschlussgrund in § 52b S. 1 UrhG:
Danach darf die Regelung überhaupt nur angewendet werden,
soweit keine anderweitigen vertraglichen Regelungen getrof-
fen worden sind. Diese Voraussetzung wird von einigen Stim-
men im urheberrechtlichen Schrifttum bereits dann als erfüllt
angesehen, wenn der öffentlichen Einrichtung die digitale
Nutzung zu angemessenen Konditionen angeboten worden
ist. Der Anwendungsbereich von § 52b S. 1 UrhG würde dadurch
erheblich eingeschränkt, da ein Rechteinhaber bereits durch
ein einseitiges Vertragsangebot verhindern könnte, dass sich
die öffentliche Einrichtung auf § 52b UrhG berufen kann. Die
bislang zu § 52b UrhG ergangenen Gerichtsentscheidungen
sind dieser Sichtweise jedoch nicht gefolgt. Stattdessen ist
man davon ausgegangen, dass nur beidseitig bindende Ver-
einbarungen zwischen der öffentlichen Einrichtung und dem
Rechteinhaber dazu führen, dass § 52b UrhG unanwendbar ist.
Solange kein Vertrag geschlossen worden ist, bleibt § 52b UrhG
somit nach bisheriger Rechtsprechung anwendbar.
Eine zweite Auslegungsschwierigkeit ergibt sich daraus,
dass § 52b UrhG nicht eindeutig festlegt, ob der öffentlichen
Einrichtung durch die Regelung auch vorbereitende Nut-
zungshandlungen gestattet werden, durch die eine digita-
le Nutzung überhaupt erst ermöglicht wird. Dies lässt sich
am Beispiel eines Buches verdeutlichen: Ist ein Buchtitel in
Papierform im Bestand einer Bibliothek vorhanden, setzt
die digitale Nutzung voraus, dass dieses eingescannt und
auf einem Speichermedium zum Abruf bereitgehalten wird.
Erst im Anschluss daran, kann Dritten mit einem digitalen
Leseplatz der Zugriff auf das Dokument ermöglicht werden.
Es liegen somit im Ergebnis zwei verschiedene urheberrecht-
lich relevante Verwertungshandlungen vor, deren Zulässigkeit
prinzipiell unabhängig vonein-ander beurteilt werden muss.
In § 52b UrhG wird jedoch nur die Ermöglichung des Zugriffs
thematisiert, sodass sich die Frage stellt, ob der öffentlichen
Einrichtung durch die Norm auch Vorbereitungshandlungen,
wie beispielsweise das Einscannen und Speichern eines Bu-
ches, gestattet werden. Die Rechtsprechung hat dies bislang
bejaht, da die Bestimmung anderenfalls weitgehend leerliefe.
Auch hier haben sich die Gerichte somit für einen weiten An-
wendungsbereich von § 52b UrhG ausgesprochen.
Am kontroversesten wird aktuell die dritte Auslegungsfrage
diskutiert, bei der es um die Problematik sogenannter An-
schlussnutzungen geht. Im Kern geht es dabei darum, ob die
öffentliche Einrichtung durch die technische Gestaltung des
Leseplatzes ausschließen muss, dass Nutzer – über den Ge-
nuss des Werkes hinaus – weitergehende Nutzungshandlun-
gen vornehmen können. Wiederum bezogen auf ein Buch stellt
sich beispielsweise die Frage, ob dem Nutzer nur die visuelle
Wahrnehmung der Datei oder auch eine weitere Vervielfälti-
gung in analoger (Drucken der Datei) oder digitaler (Speiche-
rung auf einem USB-Stick) Weise ermöglicht werden darf. Hier
haben sich die Gerichte mittlerweile mehrheitlich für ein en-
ges Verständnis von § 52b UrhG ausgesprochen: Die öffentli-
che Einrichtung darf demnach den Nutzern den Werkgenuss,
nicht aber weitergehende Nutzungshandlungen ermöglichen.
Begründet wird dies insbesondere damit, dass digitalisierte
Werke aufgrund der technischen Gegebenheiten besonders
einfach und schnell vervielfältigt werden könnten, was im Er-
gebnis dazu führen könnte, dass die Werke – auch außerhalb
der öffentlichen Einrichtung – aufgrund der Digitalisierung
weite Verbreitung finden würden. Eine solch weitgehende Ge-
fährdung des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers sei vom
Gesetzgeber mit § 52b UrhG nicht bezweckt worden.
III. Der Vorlagebeschluss des BGH und Folgen für die Hochschulpraxis
In einer Entscheidung vom 20.09.2012 hat sich nun auch der
Bundesgerichtshof (BGH) als oberstes Bundesgericht mit den
dargestellten Auslegungsfragen befasst (Az. I ZR 69/11). Inhalt-
lich haben sich daraus allerdings noch keine Veränderungen er-
geben. Grund hierfür ist, dass der BGH lediglich das Verfahren
ausgesetzt und die drei hier dargestellten Rechtsfragen dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt
hat. Eine Entscheidung in der Sache ist somit noch nicht ergan-
gen. Grund für diese Vorgehensweise ist, dass § 52b UrhG in
Umsetzung einer europäischen Richtlinie vom deutschen Ge-
setzgeber verfasst worden ist, sodass der EuGH letztverbind-
lich über Auslegungsfragen hierzu entscheiden muss. Für die
Hochschulpraxis ergeben sich daraus zwei Schlussfolgerun-
gen: Zum einen kann die hier zusammengefasste Auslegung
zu § 52b UrhG, die in den bisherigen Gerichtsentscheidungen
entwickelt worden ist, auch nach dem Vorlagebeschluss des
BGH weiterhin als Leitlinie in der Praxis herangezogen wer-
den. Bis zu einer Entscheidung des EuGH gelten nämlich die
bisherigen Maßstäbe unverändert fort. Zum anderen kommt
50 | DFN-Infobrief Recht 2012
mit dem Vorlagebeschluss aber auch eine neue Dynamik in
die hier diskutierten Rechtsfragen, da völlig offen ist, inwie-
weit sich der EuGH bei seiner Entscheidung an der bisherigen
Auslegungspraxis in Deutschland orientieren wird. Positiv an
dem Vorlagebeschluss ist sicherlich, dass in absehbarer Zeit
eine Entscheidung des EuGH und damit eine abschließende
Klärung der hier diskutierten Rechtsfragen zu erwarten ist. Ob
sich hieraus – im Vergleich zur bislang praktizierten Lösung –
gerade in Bezug auf die Zulässigkeit von Anschlussnutzungen
weitergehende Handlungsspielräume für öffentliche Einrich-
tungen ergeben werden, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht
beurteilt werden. In jedem Fall wird es nach einer Entschei-
dung des EuGH aber erforderlich sein, die praktische Vorge-
hensweise auf ihre Konformität mit dem Auslegungsergebnis
des EuGH zu überprüfen.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 51
Homepagepflege bei Arbeitnehmerfotos
Landesarbeitsgericht Frankfurt a. M.: Anspruch auf Löschung nach Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses
von Julian Fischer
Das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist häufig ein besonders sensibles Thema.
Dies gilt umso mehr, wenn es um die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter geht. So wundert es
nicht, dass die juristischen Auseinandersetzungen zu der Frage, inwieweit der Arbeitgeber Fotos
seiner Beschäftigten auf der Homepage veröffentlichen darf, zunehmen. Nunmehr hat sich das
Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt mit Urteil vom 24. 01. 2012 (Az.: 19 SaGA 1480/11) mit der
Frage beschäftigt, ob auch Profilfotos im Nachrichtendienst einer Kanzleihomepage nach Been-
digung des Beschäftigtenverhältnisses gelöscht werden müssen. Die Entscheidung zeigt, dass
die Homepagepflege seitens des Arbeitgebers umfassend zu erfolgen hat und vor allem auch
neue Medienformate wie News-Blogs mit einschließt. Darüber hinaus dürfte es für den Arbeitge-
ber fortan schwer sein, überhaupt noch ein berechtigtes Interesse darlegen zu können, warum er
Fotos seiner Arbeitnehmer auch nach dem Ende ihrer Beschäftigungszeit auf seiner Internetseite
präsentieren möchte.
I. Einleitung
Die Veröffentlichung personenbezogener Daten des Arbeit-
nehmers im Internet ist mittlerweile gängige Betriebspraxis,
da die Firmenhomepage oftmals die erste Anlaufstelle bei
der Einholung näherer Informationen ist (hierzu: Franck, Ver-
öffentlichung von Arbeitnehmerdaten im Internet, DFN-Info-
brief Recht November 2010, S. 2 – 5). Die Webseite dient dazu,
dem Kunden einen näheren Eindruck vom jeweiligen Unter-
nehmen zu verschaffen und kann darüber hinaus das Gefühl
vermitteln, gut aufgehoben zu sein. Dabei ist die Bedeutung
des Eindrucks einer guten Organisation nicht alleine auf den
wirtschaftlichen Bereich beschränkt, sondern auch für Hoch-
schulen mittlerweile unerlässlich. Durch eine professionell
geführte Internetseite kann der jeweils gesuchte Ansprech-
partner der Hochschule auf kürzestem Wege auffindbar und
erreichbar sein. Die jeweiligen Kontaktdaten der Anlaufstelle
werden dabei immer häufiger durch Fotos der Hochschulmit-
arbeiter ergänzt. Hierdurch wird ein persön-licher Eindruck
vermittelt und der Internetnutzer hat im wahrsten Sinne des
Wortes ein Bild der anderenfalls anonymen Person vor Augen.
II. Rechtliche Vorgaben
So ansprechend und zeitgemäß eine Präsentation der Mitar-
beiter im Fotoformat auch sein mag, so bedeutsam ist die Be-
achtung der rechtlichen Vorschriften und Grenzen. Nicht nur
beim erstmaligen Hochladen des Bildes auf der Webseite stellt
sich die Frage, ob hierfür die Einwilligung des Arbeitnehmers
notwendig ist. Auch nach Beendigung des konkreten Arbeits-
verhältnisses kann ein berechtigtes Interesse des Mitarbeiters
daran bestehen, dass das Foto zeitnah von der Homepage ge-
löscht wird. Dies wird man beispielsweise annehmen können,
wenn er als Ansprechpartner der Hochschule nicht mehr zur
Verfügung steht oder nunmehr in anderer Funktion tätig ist.
In diesem Fall dürfte ein zügiges Handeln schließlich auch im
Interesse des Arbeitgebers liegen, um gegebenenfalls Unklar-
heiten bei der Zuständigkeit oder Kontaktsuche vorzubeugen.
Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers
In rechtlicher Hinsicht ist bei der Veröffentlichung von Bildern
des Arbeitnehmers zunächst dessen Persönlichkeits- bzw.
Selbstbestimmungsrecht zu beachten.
52 | DFN-Infobrief Recht 2012
Einwilligungserfordernis
So dürfen Bildnisse des Abgebildeten (z. B. Fotos) gemäß
§ 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) nur mit seiner Einwilligung
„verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden“. Die öf-
fentliche Zurschaustellung ist immer dann gegeben, wenn das
Bildnis einer nicht begrenzten Öffentlichkeit gegenüber be-
kannt gemacht wird. Dies ist insbesondere bei einer Wiederga-
be im Internet gegeben. Ein firmeninternes Intranet wird hier-
unter zwar nicht zu fassen sein. Allerdings finden in diesem
Fall die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)
Anwendung. Das hat zur Folge, dass die Verwendung eben-
falls nur mit Einwilligung des Mitarbeiters zulässig sein dürfte
(§ 4 Abs. 1 BDSG).
Ausnahmeregelungen zum Einwilligungserfordernis des Mit-
arbeiters nach § 22 KUG existieren in den Regelungen der
§§ 23, 24 KUG. So dürfen etwa (Gruppen-)Fotos von öffentlichen
Versammlungen (Bsp. Kongressen oder Seminaren) ohne Zu-
stimmung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden
(§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG). Allerdings greift diese Erlaubnisnorm
nur ein, sofern ein „repräsentativer Ausschnitt“ der öffent-
lichen Versammlung gezeigt wird. Das heißt, auf die Ausnah-
meregelung kann bereits dann nicht mehr zurückgegriffen
werden, wenn die einzelnen Personen weiterhin deutlich zu
erkennen sind.
Für die Darstellung der Arbeitnehmerprofile auf der Homepage
ist aber in jedem Fall die Einholung der Einwilligung weiterhin
erforderlich. Das mit diesem Erfordernis verkörperte Recht am
eigenen Bild – als Teil des Persönlichkeitsrechts – erlischt auch
nicht im Falle des Todes des Mitarbeiters. Stattdessen geht
die Möglichkeit der Wahrnehmung auf die Angehörigen über
(§ 22 S. 3 KUG), die dann befugt sind, persönlichkeitsrechtliche
Ansprüche geltend zu machen.
Anforderungen an die Einwilligungserteilung
Da das KUG keine explizite Einwilligungsvorschrift bereit-
hält, ist es ratsam, sich hinsichtlich der Anforderungen an die
Erteilung der Einwilligung an den Grundsätzen des BDSG zu
orientieren. Wichtig ist dabei zunächst, dass die Einwilligung
vor der Veröffentlichung der Fotos eingeholt wird. Dies kann
ausdrücklich oder auch durch schlüssiges Verhalten erfol-
gen. So sah es beispielsweise das LAG Schleswig-Holstein in
einem Urteil vom 23. 06. 2010 (Az.: 3 Sa 72/10) als ausreichend
an, dass der betroffene Mitarbeiter eine CD mit Bildern selbst
mitgebracht und anschließend mit dem für die Firmenhome-
page verantwortlichen Kollegen eine entsprechende Auswahl
getroffen hat. Das Kunsturhebergesetz – welches als Spezial-
gesetz zum BDSG das dort geregelte Schriftformerfordernis
für die Einholung der Einwilligung verdrängt (§ 4a Abs. 1 S. 3
BDSG) – verlangt somit prinzipiell keine schriftliche Ausferti-
gung. Aus Beweiszwecken ist es jedoch anzuraten, dass die
Einwilligung trotzdem in schriftlicher Form eingeholt wird.
Schließlich trägt in einem streitigen Verfahren derjenige die
Beweislast, der die entsprechende Abbildung verbreitet hat.
Eine Beweiserbringung auf Grundlage einer mündlichen Zusa-
ge oder entsprechenden Verhaltensweise des Arbeitnehmers
gestaltet sich anderenfalls äußerst schwierig.
Daneben sollte darauf geachtet werden, dass nicht lediglich
eine allgemeine Einwilligung zur Verwendung der Arbeitneh-
merfotos im Internet abgegeben wird. Sie sollte vielmehr mög-
lichst genau beschreiben, auf welche Verwendung sie sich be-
zieht. So muss der Arbeitnehmer wissen, ob es sich hierbei um
eine kurzfristige oder dauerhafte Zurschaustellung handelt.
Ebenso verlangt der hier geltende Maßstab einer „informier-
ten Einwilligung“ (§ 4a Abs. 1 S. 2 BDSG), dass der Arbeitnehmer
darüber unterrichtet wird, wenn beispielsweise sein (Foto-)
Profil ergänzend im News-Blog der Homepage aufgeführt wird.
Eine Bereitstellung des Fotos bleibt nur dann von der Einwilli-
gung gedeckt, solange diese sich in dem Rahmen bewegt, für
den sie auch erteilt wurde. Darauf, dass das Mitarbeiterprofil
mit hinterlegtem Foto bei der Eingabe verschiedener Such-
maschinen angezeigt wird, muss hingegen nicht ausdrücklich
hingewiesen werden. So entschied das Landgericht Hamburg
mit Urteil vom 16. 06. 2010 (Az.: 325 O 448/09), dass ein Arbeit-
nehmer, der darin einwilligt auf der Unternehmenshomepage
mit Foto zu erscheinen, auch hinnehmen müsse, wenn dieses
Bild bei der Internet-Suche angezeigt werde. Der Arbeitgeber
muss somit nicht seine technischen Möglichkeiten ausschöp-
fen und das Foto von der Anzeige durch (Personen-)Suchma-
schinen ausnehmen. Den Richtern der Hansestadt zufolge
werde das Profil ja gerade im Internet veröffentlicht, um über
eine entsprechende Suchoption den Mitarbeiter ausfindig ma-
chen zu können. Schließlich könne dieser ja auch frei darüber
entscheiden, ob er einem Profilfoto auf der Homepage zustim-
men möchte oder nicht.
In jedem Fall muss es daher für den Arbeitnehmer auch mög-
lich sein, die Zustimmung ohne Konsequenzen verweigern
DFN-Infobrief Recht 2012 | 53
sowie jederzeit widerrufen zu dürfen. Er hat dann einen An-
spruch darauf, dass das Foto gelöscht wird (§ 20 Abs. 2 BDSG).
Urheberrecht des Fotografen
Neben der Einholung der Einwilligung ist ergänzend die Urhe-
berschaft des Fotografen zu berücksichtigen. Demjenigen, der
das Bild des Arbeitgebers angefertigt hat, kommen die Rechte
zur Verwertung sowohl in körperlicher als auch unkörperlicher
Form zu [§§ 15 ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG)]. So stellt bereits
das Einscannen eines Fotos oder eben auch der Download auf
die Webseite eine Vervielfältigungshandlung des geschützten
Werks dar (§ 16 UrhG). Ohnehin wird in die Urheberrechte des Fo-
tografen eingegriffen, wenn das Foto auf der Betriebshomepage
jedermann öffentlich zugänglich gemacht wird (§ 19a UrhG).
Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, sich zu erkundigen,
ob die zur Verwendung notwendigen Nutzungsrechte am Bild
dem Arbeitnehmer im Rahmen des Fotoerwerbsvertrages mit
eingeräumt wurden. Anderenfalls wäre auch hier die Einho-
lung der Einwilligung des Fotografen notwendig. Schließlich
kann die unbefugte Veröffentlichung des Bildes sowohl Unter-
lassungs- als auch Schadensersatzansprüche des Fotografen
auslösen (§ 97 UrhG).
III. Die Entscheidung des LAG Frankfurt a. M.
In diesem Zusammenhang hat kürzlich das LAG Frankfurt a. M.
einen Arbeitgeber, unter Androhung eines Ordnungsgeldes,
dazu verurteilt, es zu unterlassen, die persönlichen Daten
einschließlich des Fotos einer ehemaligen Mitarbeiterin im
Nachrichtenbereich der Kanzleihomepage weiterhin bereitzu-
halten.
Sachverhalt
Der Entscheidung des LAG Frankfurt a. M. lag der Fall einer
Rechtsanwältin zugrunde, die in einer Anwalts- und Steuer-
kanzlei für insgesamt vier Monate beschäftigt wurde. Auf der
Homepage der Kanzlei wurde zu Beginn des Arbeitsverhältnis-
ses ein Profil mit einem Foto erstellt. Darüber hinaus wurde
über den Nachrichtenbereich der Homepage mitgeteilt, dass
die Rechtsanwältin zukünftig das Team der Sozietät verstär-
ke. Beide Veröffentlichungen wurden mit der Mitarbeiterin
abgesprochen, wobei die Angaben zu ihrem Profil von ihr
selbst ausgearbeitet wurden. Nach der Kündigung im Laufe
der sechsmonatigen Probezeit wechselte die – nach wie vor
als Rechtsanwältin zugelassene – Mitarbeiterin in die Rechts-
abteilung eines Unternehmens. Sie verlangte daraufhin die
Löschung ihres Profils und zwar sowohl auf der Kanzleihome-
page als auch in dem darauf befindlichen News-Blog. Während
ihr Profil als Rechtsanwältin umgehend gelöscht wurde, kam
die Kanzlei der Aufforderung zur Entfernung aus dem News-
Blog nicht nach. Ihr zufolge handelte es sich schließlich um
einen Nachrichtendienst und nicht etwa um eine werben-
de Seite für das Leistungsangebot der in der Kanzlei tätigen
Rechtsanwälte.
Urteil
Das LAG Frankfurt a. M. sah hingegen bezogen auf die Bereithal-
tung des Fotos und der persönlichen Daten im News-Blog der
Kanzleihomepage das Persönlichkeitsrecht der Rechtsanwältin
als verletzt an. Die Sozietät sei verpflichtet, die Daten der Arbeit-
nehmerin samt Foto von allen Seiten ihrer Internetpräsentation
zu löschen. Die zu Beginn ihrer Tätigkeit abgegebene Einwilli-
gung sei offensichtlich nur für die Dauer des Arbeitsverhältnis-
ses erteilt worden. Darüber hinaus sei diese zum Zeitpunkt des
Beschäftigungswechsels für den gesamten Homepagebereich
der Kanzlei ausdrücklich widerrufen worden.
Ein berechtigtes Interesse der Kanzlei an der Veröffentlichung
der Daten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gebe es
nicht. Stattdessen komme dem Internet-Auftritt werbender
Charakter zu, indem die individuelle Persönlichkeit und berufli-
che Qualifikation der Mitarbeiterin durch Foto und Text heraus-
gestellt werde. Die vorgenommene Löschung des Profils in der
Sparte der tätigen Rechtsanwälte ändere nichts daran, dass
der unzutreffende Eindruck entstehe, dass die Klägerin nach
wie vor in der Sozietät arbeite. Dies führe ihr gegenüber zu be-
ruflichen Wettbewerbsnachteilen, da potentielle Mandanten
auf die Homepage der nicht mehr dort tätigen Arbeitnehmerin
verwiesen würden. Auch die Tatsache, dass es sich um ein Profil
im Nachrichtendienst der Kanzleihomepage handele, führe zu
keiner anderen Bewertung. So könne der Homepagebesucher
vielmehr von einer schnellen Aktualisierung des News-Blogs
ausgehen, der bereits von seinem Namen her dafür stehe
Neuigkeiten zu transportieren. Darüber hinaus sei nicht anzu-
nehmen, dass ein Nutzer einen Abgleich mit den noch tätigen
Mitarbeitern der Kanzlei vornehme. Ohnehin sei die Löschung
für den Arbeitgeber mit keinem großen Aufwand verbunden,
54 | DFN-Infobrief Recht 2012
wohingegen der Eingriff ins Persönlichkeitsrecht erheblich sei.
Immerhin sei die Veröffentlichung allen Internetnutzern zu-
gänglich, und zwar zeitlich unbegrenzt.
IV. Einordnung und Bedeutung des Urteils für den Arbeitgeber
Der Veröffentlichung des (Foto-)Profils im News-Blog der
Homepage konnte somit erfolgreich von Seiten der früheren
Mitarbeiterin widersprochen werden. Dieser rechtlichen Ein-
schätzung ist sicherlich zuzustimmen; auch ist sie nicht unbe-
dingt verwunderlich.
Alle Homepagemedien sind von Bedeutung
Neu an der Entscheidung ist jedoch zum einen, dass es sich
nicht lediglich um ein Profil des Arbeitnehmers auf der Home-
page des Arbeitgebers handelte. Mit dem streitgegenständli-
chen Nachrichtendienst waren erstmals auch weiterführende
Informationskanäle, auf denen ein Profilbild des Arbeitneh-
mers veröffentlicht wurde, Gegenstand richterlicher Ausein-
andersetzung. Dies zeigt, dass sich die Homepage-Pflege des
Arbeitgebers keinesfalls auf die Präsentation der Kategorie
„Angestellte“ bzw. „Mitarbeiter“ beschränken darf. So stand
vorliegend die Veröffentlichung von Fotos und Text in einem
Medium zur Debatte, das insbesondere dazu dienen sollte,
aktuelle Informationen zu verbreiten; ein Erscheinungsda-
tum wurde hierbei nicht mit angegeben. Dass das Gericht bei
einem ähnlichen Format mit entsprechender Tagesangabe
und/oder anderen Rubrik (z. B. Entwicklung der Kanzlei) an-
ders entschieden hätte, ist keineswegs auszuschließen. Aller-
dings sollte auch in derartigen Zweifelsfällen immer von ei-
nem Überwiegen des Persönlichkeitsrechts ausgegangen und
spätestens bei einem entsprechenden Löschungsbegehren
diesem auch nachgekommen werden. Schließlich wurde gera-
de beim vorliegenden Fall nochmals deutlich, dass speziell der
Veröffentlichung von Arbeitnehmerfotos im Netz aufgrund des
unbeschränkten Empfängerkreises sowie der jederzeitigen Ab-
rufmöglichkeit eine besonders hohe Intensität zukommt.
Kein berechtigtes Veröffentlichungsinteresse
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Weiterhin von besonderem Interesse am Urteil des LAG Frank-
furt ist, dass die Richter ein berechtigtes Interesse des Arbeit-
nehmers an der sofortigen Löschung seines Profils annahmen.
So hatte noch das LAG Köln in einem Beschluss vom 10. 07. 2009
(Az.: 7 Ta 126/09) einen Arbeitgeber darin bestätigt, dass dieser
auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt
sei, ein Foto ihrer Mitarbeiterin auf seiner Homepage präsen-
tieren zu dürfen. Die Richter aus der Domstadt gingen davon
aus, dass, sofern die Einwilligung zur Nutzung des Fotos erteilt
worden sei, der Arbeitgeber grundsätzlich auch nach Beendi-
gung des Arbeitsverhältnisses von deren Fortbestand ausge-
hen könne.
Allerdings kann dies dann nicht mehr gelten, wenn der ehe-
malige Arbeitnehmer – wie im Fall des LAG Frankfurt – um die
Löschung des Profilfotos bittet und somit seine Einwilligung
explizit widerruft. Zudem muss berücksichtigt werden, dass
dem Fall des LAG Köln die Besonderheit zugrunde lag, dass das
Foto der Angestellten an ihrem Arbeitsplatz lediglich der Illus-
tration des Internetauftritts hinsichtlich der Kontaktmöglich-
keit der Arbeitgeberin diente. Es wies somit keinen individuel-
len Bezug zur Persönlichkeit auf, sondern diente lediglich zu
Dekorationszwecken der Betriebshomepage. Das abgebildete
Foto, welches die telefonierende Arbeitnehmerin an ihrem
Schreibtisch zeigte, wäre von seinem Aussagegehalt her durch
das Foto jeder anderen – auch unternehmensfremden Person
– in gleicher Pose austauschbar gewesen.
Ebenso wenig verallgemeinerungsfähig ist insoweit ein Fall
des LAG Schleswig-Holstein (s. o.) einzuschätzen, bei dem die
Richter die Ansicht vertraten, dass ein Einverständnis des Ar-
beitnehmers nicht ohne weiteres automatisch im Zeitpunkt
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlösche. So war
auch hier das gegenständliche Werbebild, welches den Arbeit-
nehmer in von Seiten des Unternehmens hergestellten Textili-
en zeigte, zu reinen Illustrationszwecken im Internet verwen-
det worden und vermittelte somit keinen auf die Person des
Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt.
V. Fazit
Es zeigt sich, dass die Verwendung personenbezogener Daten
und vor allem Fotos des Arbeitnehmers im Internet immer
häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist.
Dies deckt sich mit der Entwicklung, dass arbeitsrechtliche
Entscheidungen im Bereich Social & New Media stetig an Be-
deutung gewinnen. Insoweit ist es wichtiger denn je, dass die
Arbeitsvertragsparteien eine schriftliche Regelung auf diesen
Gebieten treffen.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 55
Für die vorliegende Problematik der Internetpräsenz von Ar-
beitnehmerprofilen ist es ratsam, die erforderlichen Einwilli-
gungen sowohl in schriftlicher als auch möglichst konkreter,
auf die spezielle Verwendungsweise bezogener, Form einzuho-
len. Schließlich macht das dargestellte Urteil des LAG Frankfurt
deutlich, dass auch neue Medienformate wie News-Blogs o. ä.
hiervon nicht ausgenommen werden. Jede Fotodarstellung des
Arbeitnehmers auf der Homepage betrifft, gerade aufgrund
der Dimension des Internets, dessen Persönlichkeitsrecht in
nicht zu unterschätzender Weise. Die Homepage-Pflege darf
sich demzufolge keinesfalls auf die Löschung der Fotos von
Mitarbeiterprofilen beschränken, sondern betrifft beispiels-
weise auch verlinkte oder eingefügte Fotos neu gewonnener
Dozenten, die in Unterkategorien (Antrittsvorlesung etc.) auf
der Hochschulwebseite angekündigt werden.
Unklarheiten bestehen weiterhin in der Frage, ob der Arbeitge-
ber nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers verpflichtet ist,
dessen Fotos bzw. Profil sofort zu löschen. Während dies, be-
zogen auf das konkrete Arbeitnehmerprofil anzunehmen ist,
dürfen Eintrittsmitteilungen, die neue Mitarbeiter lediglich
mit Eintrittstag benennen, wohl bestehen bleiben. Für das LAG
Frankfurt war es an dieser Stelle unter anderem entscheidend,
dass der Zusammenhang der Veröffentlichung von Foto und
Text für den Arbeitgeber aufgrund des werbenden Charakters
als vorteilhaft einzustufen war. Da dieser Beurteilungsmaß-
stab sicherlich in Grenzfällen schwierig einzuschätzen sein
dürfte, ist es anzuraten, das jeweilige Foto spätestens dann
zu entfernen, wenn der Betroffene die Löschung verlangt.
Gleiches dürfte für sog. illustrierende Fotos auf der Webseite
gelten, die übliche Alltagssituationen im Betriebsablauf auf-
zeigen sollen (Beispielsweise Vorlesung, Studentenrecherche
o. ä.). Auch hier ist es – trotz zum Teil gegenteiliger Rechtspre-
chung – wenig empfehlenswert, auf einer Beibehaltung des
Fotos auf der Internetseite zu bestehen und darauf zu hoffen,
dass eine Beurteilung zu Lasten des Persönlichkeitsrechts
ausfällt. Sicherlich stellen bei Bedarf individuelle Absprachen
mit den betroffenen Mitarbeitern den sinnvollsten Weg dar.
Schließlich dürfte eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, die
den Arbeitgeber berechtigt, Daten oder Fotos über das Ende
des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkt im Internet
stehen zu lassen, unwirksam sein.
Die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet dürfte, aufgrund
der verschiedenen Einzelfälle sowie Sensibilität der Materie,
mit Spannung zu verfolgen sein. Dies gilt umso mehr, als dass
Regelungen seitens des Gesetzgebers seit der gescheiterten
Umsetzung des Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes in weite
Ferne gerückt sind.
56 | DFN-Infobrief Recht 2012
Neue Richtlinie soll europaweite Digitali-sierung verlorener Werke
von Susanne Thinius
Endlich ist sie da – eine europaweite Regelung für den Umgang mit verwaisten Werken und
deren Digitalisierung. Lange haben europäische Staaten darauf gewartet, mehrere Anläufe hat
es gebraucht, um nun Realität zu werden. Mit Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Par-
laments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke (kurz:
Richtlinie für verwaiste Werke, 2012/28/EU) soll europaweit verloren geglaubtes und längst ein-
gestaubtes Kulturgut allen zugänglich gemacht werden- allerdings unter strengen und zum Teil
komplizierten Voraussetzungen.
I. Hintergrund
Das Urheberrecht als solches stellt eine wichtige Grundlage
für die Kreativwirtschaft dar, da es Innovation, künstlerisches
Schaffen, Investitionen und Produktion anregt und fördert. As-
pekte wie Digitalisierung und Verbreitung von Werken dienen
dem Schutz europäischen Kulturguts. Das Urheberrecht ist ein
Grundbaustein, um den Urhebern die Vergütung für ihre Arbeit
sicherzustellen.
Die ausschließlichen Rechte der Urheber, die ihnen nach dem
deutschen Urhebergesetz (UrhG) zustehen, erfordern für die
Digitalisierung und für die öffentliche Zugänglichmachung
die vorherige Zustimmung des Urhebers: beim Einscannen von
Büchern und dem anschließenden Einspeisen in Online-Daten-
banken sind das Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG und
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG, be-
troffen. Im Falle verwaister Werke ist es jedoch nicht möglich,
diese Zustimmung zu erlangen. Ohne eine Zustimmung läuft
der Begünstigte jedoch Gefahr, gegen bestehende Urheber-
rechte zu verstoßen.
Mit der Richtlinie soll Rechtssicherheit geschaffen werden,
insbesondere bezüglich der Frage, welchen Status verwaiste
Werke haben und wie sie zulässig von welchen Einrichtungen
genutzt werden können. Diese Frage ist mit Umsetzung der
Richtlinie europaweit geregelt worden. Bis dahin war auf euro-
päischer Ebene rechtlich ungeklärt, ob verwaiste Werke über-
haupt in europäische digitale Bibliotheken aufgenommen
werden sollen. Konkret bedeutet die Umsetzung der Richtli-
nie, dass der Zugang zu den Werken auch grenzüberschreitend
gewährleistet werden soll. Denn eines ist klar: unterschiedli-
che Ansätze der Mitgliedstaaten beim Umgang mit verwaisten
Werken können zur Behinderung des Binnenmarkts führen.
Die Bewahrung und Verbreitung des europäischen Kulturerbes
ist ein erklärtes Ziel der neuen Richtlinie, vor allem im Hinblick
auf die Schaffung europäischer digitaler Bibliotheken wie Eu-
ropeana. Europeana ist eine virtuelle Bibliothek, die einer brei-
ten Öffentlichkeit das wissenschaftliche sowie kulturelle Erbe
Europas in Form von Text-, Bild- und Video-Dateien zugänglich
machen soll. Das deutsche Pendant ist die Deutsche Digitale
Bibliothek, durch welche 30.000 deutsche Kultur- und Wissen-
schaftseinrichtungen vernetzt und öffentlich zugänglich ge-
macht werden sollen.
II. Ein weiter Weg zur Richtlinie
Am 13. September 2012 hat das Europäische Parlament den
Vorschlag der Richtlinie über verwaiste Werke, dessen Entwurf
aus dem Jahr 2011 stammt, angenommen und sich mit dem Rat
auf die heute bestehende Version geeinigt. Vom Entwurf bis zur
tatsächlichen Realisierung des Vorhabens lag ein langer Weg:
bereits 2006 legte die Europäische Kommission den Mitglied-
staaten nahe, (nationale) Regelungen über verwaiste Werke zu
schaffen. Dies überprüfte sie 2007 in einer offiziellen Anfrage
an die Staaten. In dem Grünbuch mit dem Titel „Urheberrechte
in der wissensbestimmten Wirtschaft“ beschäftigte sich die
Kommission 2008 abermals mit verwaisten Werken, diesmal
DFN-Infobrief Recht 2012 | 57
im Rahmen der Frage, wie Forschungs-, Wissenschafts- und Un-
terrichtsmaterialien an die Öffentlichkeit wiedergegeben wer-
den können und ob Wissen und Innovation im europäischen
Binnenmarkt ungehindert zirkulieren können. Schon damals
war man sich einig: ein ungehinderter Fluss an Informatio-
nen und Wissen auf dem Binnenmarkt muss dringend geför-
dert werden. 2010 kam es zur „Digitalen Agenda für Europa“,
Teil der Wachstumsstrategie Europa 2020 für das kommende
Jahrzehnt, welche als ihre vorrangige Aufgabe die Schaffung
von Rahmenbedingungen für die Erleichterung der grenzüber-
schreitenden Digitalisierung und Verbreitung verwaister Wer-
ke in Europa ansieht. Den letzten Meilenstein dieser Entwick-
lung bildet der Entwurf der Richtlinie vom 24.05.2011.
Die Richtlinie trat am 28.10.2012 in Kraft. Die Mitgliedstaaten
haben nun 2 Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht
umzusetzen. Diese Pflicht folgt aus dem Grundsatz der Umset-
zung europäischer Richtlinien durch den nationalen Gesetz-
geber, da Richtlinien nicht automatisch in nationales Recht
übergehen.
III. Begriff der verwaisten Werke
Doch was versteht man nun unter „verwaisten Werken/Tonträ-
gern“? Der Begriff ist in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie legal defi-
niert: verwaist ist ein Werk/ein Tonträger dann, wenn keiner
der Rechteinhaber dieses Werkes oder Tonträgers ermittelt ist
oder –selbst wenn einer ermittelt ist- dieser trotz sorgfältiger
Suche und Dokumentation der Ergebnisse (Art. 3 der Richtli-
nie) nicht ausfindig gemacht werden kann. In solchen Fällen
nämlich kann eine Genehmigung oder Nutzungserlaubnis des
Rechteinhabers nicht eingeholt werden.
Die Rechte der ermittelten und ausfindig gemachten Recht-
einhaber bleiben von der Regelung unberührt, so besagt es
Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie. Sie können also weiterhin über die
Nutzung ihrer Werke bestimmen.
Für den Fall mehrerer Rechteinhaber trifft die Richtlinie in
Art. 2 Abs. 2 eine Regelung: die ermittelten und ausfindig ge-
machten Rechteinhaber dürfen lediglich in Bezug auf die Rech-
te, die sie selbst innehaben, eine Zustimmung zur Nutzung er-
teilen. Sie können diese nicht im Namen der nicht ermittelten
Rechteinhaber erteilen. Es müssen also im Falle der sogenann-
ten Teilverwaisung Rechte nur mit den Inhabern geklärt wer-
den, die auch tatsächlich auffindbar sind.
IV. Gegenstand und Anwender der Richtlinie
Gegenstand dieser Richtlinie sind Werke in Form von Büchern,
Fachzeitschriften, Zeitungen und Zeitschriften oder in sons-
tiger Schriftform, die in Sammlungen öffentlich zugänglicher
Bibliotheken (auch solche der Hochschulen), Bildungseinrich-
tungen oder Museen sowie in Sammlungen von Archiven oder
Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes enthaltenen
Einrichtungen zu finden sind, Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie.
Auch Film- und audiovisuelle Werke und Tonträger von öffent-
lich zugänglichen Bibliotheken und öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten zählen hierzu, Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie.
Ebenso Teile von Werken, die in die Werke eingebettet sind. Öf-
fentlichen Einrichtungen wie Museen und Bibliotheken soll es
mit der Richtlinie leichter gemacht werden, verwaiste Werke
zu suchen und zu veröffentlichen.
Von der Richtlinie erfasst sind lediglich bestimmte Formen
der Nutzung verwaister Werke: die öffentliche Zugänglichma-
chung und die Vervielfältigung zum Zweck der Digitalisierung,
Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Bewah-
rung und Restaurierung, Art. 6 der Richtlinie.
V. Sorgfältige Suche
Einen Schwerpunkt der neuen Richtlinie bildet die sorgfäl-
tige Suche danach, ob das Werk tatsächlich verwaist ist und
damit zustimmungsfrei der Öffentlichkeit zur Verfügung ge-
stellt werden kann. Die Suche muss nach Art. 3 der Richtlinie
vor Nutzung des Werkes oder Tonträgers erfolgen, und zwar
nach „Treu und Glauben“. Diese etwas kryptisch anmutende
Formulierung soll verdeutlichen, dass zumindest alles bei der
sorgfältigen Suche getan werden muss, was man von einem
redlich und anständig handelnden Menschen mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte erwarten kann. Das schließt unter ande-
rem die Suche zunächst im Mitgliedstaat der Erstveröffentli-
chung oder Erstausstrahlung des Werkes ein, Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie. Sollte es Hinweise darauf geben, dass relevante In-
formationen zu Rechteinhabern in anderen Ländern zu finden
sind, sollte auch über Ländergrenzen hinaus gesucht werden,
Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie.
Die Quellen, in denen die Suche stattfinden muss, werden von
den Mitgliedstaaten selbst bestimmt, müssen aber mindestens
58 | DFN-Infobrief Recht 2012
die im Anhang der Richtlinie aufgelisteten Quellen beinhalten.
Dazu zählen beispielsweise bei der Suche von Büchern und Zeit-
schriften Bibliothekskataloge und Schlagwortlisten, welche von
Bibliotheken und anderen Einrichtungen geführt werden,
Verleger- und Autorenverbände, bestehende Datenbanken
(z.B. von Verwertungsgesellschaften) sowie Verzeichnisse und
einige andere mehr.
Letztlich wird im Anschluss an die sorgfältige Suche von den
Einrichtungen verlangt, diese ausführlich zu dokumentieren
und die Ergebnisse sowie Art der Nutzung der Werke, Kontakt-
angaben der suchenden Einrichtung und den Status des Werkes
nach Art. 5 der Richtlinie (Ende des Status als verwaistes Werk)
an die nationalen Behörden weiterzuleiten, so Art. 3 Abs. 5
der Richtlinie. Diese Ergebnisse sind in einer einzigen öffent-
lich-zugänglichen Online-Datenbank zusammenzufassen, wel-
che das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt, Alicante
(Spanien), verwaltet. Der jeweilige Mitgliedstaat muss Sorge
dafür tragen, dass die Informationen an dieses Amt weiterge-
leitet werden, so Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie.
VI. Rechte der Inhaber
Art. 5 der Richtlinie besagt, dass der Rechteinhaber den Status
seines Werkes als „verwaist“ jederzeit beenden kann. In die-
sem Fall steht dem Rechteinhaber ein „gerechter Ausgleich“
für die Nutzung seines Werkes zu. Die Umstände und die
Höhe dieser Entschädigung werden nach unionsrechtlichen
Vorgaben von dem jeweiligen Mitgliedstaat geregelt, in dem
die oben genannten, begünstigten Einrichtungen ihren Sitz
haben, Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie. Hierbei sollen insbesondere
der nicht-kommerzielle Charakter und die Ziele zur Kulturför-
derung sowie der mögliche Schaden für den Rechteinhaber
Berücksichtigung finden.
Im Gegenzug ist es den öffentlichen Einrichtungen erlaubt,
Einnahmen aus der Nutzung der verwaisten Werke zu erzielen:
allerdings mit der strengen Maßgabe, dass dies zur Deckung
ihrer Kosten für die Digitalisierung verwaister Werke und ihrer
öffentlichen Zugänglichmachung geschieht, Art. 6 Abs. 2 der
Richtlinie. Eine geschäftsmäßige Nutzung durch die genannten
Einrichtungen ist hingegen verboten.
Bei jeder Nutzung müssen zudem die Namen der ermittelten
Rechteinhaber eines verwaisten Werkes genannt werden, so
verlangt es Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie.
VII. Fazit und Folgen für die Hochschulpraxis
Zu den Aufgaben der EU zählen unter anderem die Bewah-
rung, Restaurierung sowie Bereitstellung des kulturellen und
bildungspolitischen Zwecken dienenden Zugangs zu Werken.
Die Richtlinie macht einen richtigen und vor allem wichtigen
Schritt in diese Richtung, insbesondere durch die Schaffung
eines Rechtsrahmens zur Ermöglichung eines rechtmäßigen
grenzüberschreitenden Online-Zugangs zu verwaisten Wer-
ken.
Besonders positiv ist hervorzuheben, dass eine sorgfältige Su-
che nach verwaisten Werken laut der Richtlinie lediglich in ei-
nem einzigen Mitgliedstaat stattfinden muss, um in den restli-
chen Mitgliedstaaten ebenfalls ohne vorherige Genehmigung
genutzt werden zu dürfen. Denn Art. 4 der Richtlinie besagt,
dass ein Werk, welches in einem Mitgliedstaat als verwaistes
Werk gilt, in allen anderen Mitgliedstaaten ebenfalls als ver-
waistes Werk gilt. Eine erneute Suche ist nicht erforderlich
(Prinzip der gegenseitigen Anerkennung). Auf dieser Grund-
lage wird es möglich, die Werke vor allem zu kulturellen und
bildungspolitischen Zwecken online zur Verfügung zu stellen
und somit auch Lehrenden und Lernenden an Hochschulen
den Zugang dazu zu ermöglichen. Auch die Regelung zur Ein-
tragung der verwaisten Werke in eine öffentliche Datenbank
verhindert eine Doppeldigitalisierung und ist daher zu begrü-
ßen.
Demgegenüber negativ zu bewerten ist die Tatsache, dass die
kommerzielle Verwertung komplett verboten ist, da dies Ko-
operationen von öffentlichen Einrichtungen mit wirtschaftli-
chen Einrichtungen von vornherein verhindern und eine Refi-
nanzierung von Digitalisierungsaufträgen erschweren könnte.
Ferner besteht das Risiko, dass trotz sorgfältiger und intensi-
ver Suche die Rechteinhaber nicht ausfindig gemacht werden,
diese aber im Nachhinein, sollten sie wieder auftauchen, nicht
nur die Nutzung untersagen, sondern auch Vergütungen ein-
fordern können. Dies wird stark von der nationalstaatlichen
Ausprägung der Vergütungsregeln abhängen, die in der derzei-
tigen Fassung der Richtlinie im Übrigen nur sehr vage formu-
liert sind. Beide Aspekte zusammen genommen könnten die
Bereitschaft der Einrichtungen zur Digitalisierung schmälern.
Für Hochschulen ist die neue Richtlinie trotz ihrer zum Teil
strengen (Such-) Anforderungen (Suche auch im Ausland etc.)
nicht nur hinsichtlich ihrer grundsätzlich klammen Haus-
DFN-Infobrief Recht 2012 | 59
haltslage ein positiver Aspekt, sondern auch ein Zugewinn auf
Wissenschafts- und Bildungsebene. Ein (kostenloser) Zugang
zu digitalen, europaweit veröffentlichten Werken ist eine ein-
malige Chance, das wissenschaftliche Angebot für die Studen-
ten zu erweitern. Einen positiven Nebeneffekt hat dies nicht
zuletzt in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und
europäischer Hochschulen im weltweiten wissenschaftlichen
Kontext. Dem Schutz des europäischen Kulturguts als erklär-
tes Ziel dient die Richtlinie jedenfalls allemal.
60 | DFN-Infobrief Recht 2012
Neue Perspektiven in der elektronischen Kommunikation
Folgen des De-Mail-Gesetzes für die öffentliche Verwaltung
von Matthias Försterling
I. Ausgangslage: Unsichere E-Mail-Kommunikation
Nicht nur für private Nutzer und Unternehmer, sondern auch
für die öffentliche Verwaltung sind E-Mails zum alltäglichen
Kommunikationsmittel geworden. E-Mail sind einfach und
schnell zu handhaben und noch dazu äußerst kostengünstig.
Gleichwohl hat die E-Mail einen entscheidenden Nachteil: Das
zum Transport verwendete Simple Mail Transport Protokoll
(SMTP) bietet keinerlei Schutz vor dem Mitlesen und vor dem
spurlosen Verändern der Nachricht durch Dritte. Der Absender
hat daher keinerlei Nachweis darüber, dass die von ihm erstellte
Nachricht den Empfänger auch tatsächlich und unverändert er-
reicht hat. Gleichzeitig kann der Empfänger einer E-Mail nicht si-
cher sein, dass der in der E-Mail bezeichnete Absender auch der
geistige Urheber gewesen ist. Die öffentliche Verwaltung kann
daher wichtige Nachrichten nur dann via E-Mail nachweisbar
versenden, wenn der Empfänger freiwillig den Empfang bestä-
tigt. Ansonsten wird einer E-Mail in einem Gerichtsverfahren, in
welchem gerade die Korrespondenz mit dem Bürger umstritten
ist, nicht mehr Beweiskraft zuteil, als einer mit Bleistift und in
Druckbuchstaben beschriebenen Postkarte.
II. Regelungsziel und Konzept des Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diensten
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber das De-Mail-G ver-
abschiedet. Dieses verfolgt das Regelungsziel, eine geschützte
Infrastruktur aufzubauen, die die E-Mail-Kommunikation mit
Datensicherheit verbindet und damit ein Umfeld für einen ver-
traulichen Geschäftsverkehr im Internet bietet. Das Angebot
soll aber nicht durch staatliche Einrichtungen, sondern allein
durch private Anbieter bereitgestellt werden. Der Einfluss des
Staates beschränkt sich auf die gesetzliche Festschreibung ge-
wisser für die Erbringung der De-Mail-Dienste erforderlicher
Voraussetzungen. Diese sollen Vertrauensanker setzen, an die
sich im Vergleich zur E-Mail-Kommunikation weitergehende
Rechtsfolgen knüpfen lassen.
III. Akkreditierung
Ein solcher Vertrauensanker und zugleich zentraler Regelungs-
gegenstand des Gesetzes ist die Etablierung eines Akkreditie-
rungsverfahrens, welches die Provider durchlaufen müssen,
wenn sie einen De-Mail-Dienst anbieten wollen. Innerhalb
dieses von dem Bundesamt für Sicherheit in der Informations-
technik (BSI) durchgeführten Verfahrens, müssen die Provider
durch die Vorlage von entsprechenden Testaten nachweisen,
dass sie nicht nur die für die Erbringung der Dienste erforder-
liche Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen, sondern zudem
auch administrativ, funktional und technisch in der Lage sind,
Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der von ihnen
transportierten Nachrichten im Zusammenwirken mit den
anderen De-Mail-Dienstanbietern sicherzustellen. Erfüllt ein
Provider sämtliche Voraussetzungen, ist er berechtigt einen
De-Mail-Dienst als solchen anzubieten und erhält zum Nach-
Der Gesetzgeber hat mit dem am 3.5.2011 erlassenen Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten
(De-Mail-G) die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von De-Mail-Diensten geschaf-
fen. Anhand dieser Rahmenbedingungen sollen private Provider eine Kommunikationsplattform
im Internet aufbauen, über die sicherer und nachweisbarer Geschäftsverkehr realisiert wird.
Für die öffentliche Verwaltung eröffnet das Gesetz neue Anwendungsperspektiven, wirft aber
zugleich einige schwierige praktische und rechtliche Fragen auf.
DFN-Infobrief Recht 2012 | 61
weis seiner Vertrauenswürdigkeit ein Gütesiegel. Als erste
Diensteanbieter haben - die Mentana Claimsoft AG, die Tele-
kom und die T-Systems eine Zertifizierung erhalten und wer-
den Mitte 2012 ihre Dienste anbieten.
IV. Transport der Daten
Maßgeblich für die Sicherheit und Vertraulichkeit der De-Mail-
Kommunikation ist die Realisierung eines sicheren Daten-
transports. Der Gesetzgeber sieht daher für den Transport-
weg vom Nutzer zum Absenderprovider und für den Weg vom
Empfängerprovider zum Empfänger eine Verschlüsselung des
Transportkanals mit den nach dem aktuellen Stand der Tech-
nik vorhandenen Verschlüsselungsverfahren vor. Für den Weg
zwischen den Providern ist neben der Verschlüsselung des
Kanals zudem auch eine Verschlüsselung der Nachricht selber
verpflichtend. Im Gegensatz zu dieser sogenannten „Punkt-zu-
Punkt“ Verschlüsselung wurde von einer durchgehenden Ver-
schlüsselung von Nachricht und Transportkanal (sogenannte
„Ende-zu-Ende“ Verschlüsselung) abgesehen, da diese zusätz-
liche Softwareinstallationen seitens des Nutzer erforderlich
machen würde. Für den Transport der Daten hat dies zur Folge,
dass die Nachricht jedenfalls für einen kurzen Moment im Klar-
text auf den Servern der Provider vorliegt, beim Transport aber
vor dem Zugriff Dritter geschützt ist.
V. Identitätsfeststellung
Ein weiterer Vertrauensanker im De-Mail-Verbund ist die si-
chere und nachweisbare Identitätsfeststellung eines jeden
De-Mail-Nutzers. Der Diensteanbieter ist daher gesetzlich
verpflichtet, zuverlässige Kenntnis von den Identitätsdaten
der einzelnen Nutzer vor Benutzung eines De-Mail-Kontos zu
erhalten. Um dieser Pflicht nachzukommen, kann der Dien-
steanbieter sowohl die Funktionen des neuen elektronischen
Personalausweises (vgl. dazu Franck, Elektronischer Personal-
ausweis im Hochschulalltag, Infobrief Ausgabe 4/2011, S. 5 ff.)
als auch die Funktionen der elektronischen Signatur in den
Vorgang der Kontoeröffnung mit einbeziehen. Da diese Ver-
fahren bislang aber nur geringfügige Verbreitung in der Bevöl-
kerung gefunden haben, werden die meisten Provider auf das
Postident-Verfahren ausweichen. Dabei hat sich der Nutzer
durch Vorlage eines gültigen Passes gegenüber einem Mitar-
beiter der Deutschen Post auszuweisen. Der Provider hat nach
der erfolgten Identifizierung der Nutzer zudem sicher zu stel-
len, dass die Identitätsdaten stets auf aktuellstem Stand sind.
In der Praxis werden die meisten Diensteanbieter wohl eine
vertragliche Verpflichtung in ihre mit den Kunden abgeschlos-
senen Verträge aufnehmen, nach welcher die Nutzer Änderun-
gen ihrer Daten anzuzeigen haben.
VI. Vertraulichkeit des Versanddienstes
Um die Vertraulichkeit der Kommunikation zu gewährleisten,
kann sich nur der Berechtigte an seinem Konto und damit für
den Versanddienst anmelden. Der Provider hat dies durch
die Bereitstellung von zwei voneinander unabhängigen Si-
cherungsmittel, wie beispielsweise „Besitz“ und „Wissen“
(TAN-Block und Passwort), sicherzustellen. Nach der Anmel-
dung an seinem Konto kann der Nutzer über die Webseite
des Anbieters Nachrichten erstellen und versenden. Zudem
hat er die Möglichkeit, den Versand und den Zugang seiner
Nachricht elektronisch bestätigen zu lassen. Dazu erzeugt der
Serviceprovider (insoweit als öffentlich Beliehener) eine mit
einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene Bestä-
tigungsnachricht, die neben den Namen von Absender und
Empfänger und den Zeitpunkten von Absendung und Zugang
auch elektronisch generierte Prüfsummen enthält. Durch den
Vergleich dieser Prüfsummen kann festgestellt werden, ob die
abgesendete Nachricht unverändert beim Empfänger ange-
kommen ist. Öffentliche Stellen können zudem eine „Abhol-
bestätigung“ anfordern. Diese wird generiert, wenn sich der
Empfänger einer Nachricht mit seinen Zugangsdaten sicher an
seinem Konto angemeldet hat und damit jedenfalls die Mög-
lichkeit hatte, von der behördlichen Nachricht Kenntnis zu
nehmen. Private Nutzer können eine solche Bestätigung indes
nicht einfordern.
VII. Folgen für die öffentliche Verwaltung
Der Gesetzgeber geht auf Grund der Identitätsüberprüfung
durch die vertrauenswürdigen, akkreditierten Provider und
der abgesicherten Anmeldung des Berechtigten an seinem
Konto davon aus, dass sich in der Rechtsprechung ein An-
scheinsbeweis dafür entwickeln wird, dass die in der De-Mail
als Absender bezeichnete Person tatsächlich geistiger Urhe-
ber der Nachricht gewesen ist. Für einen solchen Anscheins-
beweis ist erforderlich, dass aus bestimmten bewiesenen
Tatsachen auf einen nach der Lebenserfahrung immer gleich
ablaufenden Lebenssachverhalt geschlossen werden kann.
Der Anscheinsbeweis hat dann zur Folge, dass sich der an sich
Beweispflichtige auf diesen Anschein solange berufen kann,
62 | DFN-Infobrief Recht 2012
wie nicht die Gegenpartei die Möglichkeit eines ebenso wahr-
scheinlichen aber abweichenden Geschehensablaufes darle-
gen und beweisen kann. Neben diesem Anscheinsbeweis, der
sich wohlgemerkt nur auf die Identität des Absender bezieht,
kann der Nutzer einer De-Mail mittels der providerseitig aus-
gestellten Bestätigungsnachrichten zudem Nachweis darüber
führen, dass er eine bestimmte Nachricht zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt versendet und dass diese Nachricht den Adres-
saten unverändert erreicht hat.
Für die öffentliche Verwaltung hat dies den großen Vorteil,
dass die mittels des De-Mail-Systems erfolgte elektronische
Kommunikation im Streitfall vor Gericht durch Vorlage der
Bestätigungsnachrichten nachweisen kann. Darüber hinaus
hat der Gesetzgeber mit der parallel zum Erlass des De-Mail-
G erfolgten Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes
die rechtliche Möglichkeit geschaffen, eine förmliche Zustel-
lung über das De-Mail-System vorzunehmen. Nunmehr ist die
Behörde also in der Lage, sämtliche Verwaltungsakte elekt-
ronisch über das De-Mail-System zuzustellen und die Kennt-
nisnahmemöglichkeit des Empfängers durch die Vorlage der
providerseitig generierten Abholbestätigung zu beweisen.
Einer Empfangsbestätigung des Adressaten, wie sie noch bei
dem Zugang einer E-Mail notwendig gewesen ist, bedarf es
nicht mehr. Eine konfrontative Zustellung ist folglich auch auf
elektronischem Wege möglich. Auf der Hand liegen die damit
einhergehenden, mannigfaltigen Einsparungsmöglichkeiten
(Porto, Papier etc.), die durch die einfache Einbindungsmög-
lichkeit des Systems in die bestehenden Infrastrukturen (etwa
in Microsoft Outlook) ergänzt werden.
VIII. Offene Fragen
Diese für die Verwaltung attraktiven Perspektiven der De-Mail-
Nutzung werden von einigen bislang ungeklärten praktischen
und rechtlichen Problemstellungen begleitet. Im Rahmen letz-
terer ist -vor allem die für die verwaltungsrechtliche förmliche
Zustellung erforderliche Feststellung einer Eröffnung des De-
Mail-Postfaches durch den Nutzer fraglich. Eine solche Eröff-
nung, die einen subjektiven Widmungsakt voraussetzt, ist ge-
setzlich vorgeschrieben, um den Bürger vor Zustellwegen zu
schützen, die er selber nicht eröffnet hat. In Bezug auf die nor-
male E-Mail hat die Rechtsprechung eine Zugangseröffnung
zwar bejaht, wenn der Bürger seine E-Mail-Adresse, etwa inner-
halb eines Briefkopfes verwendet. Ob man diese Bewertung
aber auch auf die De-Mail-Nutzung übertragen kann, erscheint
vor dem Hintergrund ihrer wesentlich höheren Verbindlichkeit
fragwürdig. Ein Folgeproblem betrifft in diesem Zusammen-
hang die Frage nach der Dauer und der Reichweite einer (bei-
spielsweise innerhalb eines Verfahrens um einen Hundesteu-
erbescheid) einmal festgestellten Zugangseröffnung. Nimmt
man etwa eine „Globalwidmung“ für sämtliche Verwaltungs-
verfahren an, müsste der Bürger zukünftig auch mit der Zu-
stellung von tief in seine Rechte eingreifenden Verwaltungs-
akten – etwa einer Exmatrikulation oder einer baurechtlichen
Abrissverfügung – rechnen, obwohl er seinen De-Mail-Zugang
im Rahmen eines weitaus weniger einschneidenden Verwal-
tungsverfahrens eröffnet hatte. In beweisrechtlicher Hinsicht
hält die De-Mail-Kommunikation mit den anforderbaren Bestä-
tigungen der Provider zwar einige Vorteile bereit. Solange sich
in der Rechtsprechung der erhoffte Anscheinsbeweis für die
Identität der Nutzer nicht durchgesetzt hat, besteht jedenfalls
in dieser Hinsicht eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Aus Sicht der Praxis dürfte die größte Schwierigkeit in der
Schaffung ausreichender Akzeptanz in der Bevölkerung beste-
hen. Ein Problempunkt ist hierbei, dass das De-Mail-System die
in den Verwaltungsverfahren häufig erforderliche Schriftform
nicht (!) ersetzt. Der Bürger ist mithin bei der Einreichung von
Anträgen oder Widersprüchen weiterhin auf die Nutzung der
normalen Post oder falls vorhanden auf die Nutzung der qua-
lifizierten elektronischen Signatur angewiesen. Das De-Mail-
System bringt dem Bürger in dieser Hinsicht keinerlei Vorteile,
ermöglicht aber einen weiteren Zugangsweg, den er kontrol-
lieren und beherrschen muss. Außerdem bleibt abzuwarten,
wie die Bürger die „Umständlichkeit“ der notwendigen Iden-
tifizierung ihrer Person und den jedenfalls bei Nutzung des
gängigen Postident-Verfahrens erzeugten Medienbruchs hin-
nehmen werden.
IX. Fazit
Mit dem De-Mail-G hat der Gesetzgeber ein Infrastrukturge-
setz auf den Weg gebracht, das vor allem für die öffentliche
Verwaltung positive Perspektiven für die sichere elektronische
Kommunikation eröffnet. Mit Spannung bleibt allerdings ab-
zuwarten, wie sich mit dem Start der ersten Dienste im ersten
Halbjahr 2012 die vorhandenen praktischen und rechtlichen
Probleme entwickeln und wie sich diese lösen lassen.