Dialogpapier Inklusion

Embed Size (px)

Citation preview

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    1/13

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    2/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    Gemeinsam leben und arbeiten

    1

    Schon immer wollen Menschen mit Behinderungen vor allem eines dabei sein, dazu gehren und1

    mit den notwendigen individuellen Hilfen selbstbestimmt leben knnen. Dennoch setzt in Deutsch2

    land die Ausgrenzung frh ein und dauert oft lebenslang: in Frderkindergrten, Frderschulen,3

    Fahrdiensten, Berufsbildungswerken, Werksttten, Wohn und Pflegeheimen. Zwar erhalten Men4

    schen mit Behinderungen dort oft qualitativ hochwertige, spezifische Frderung und Pflege, mssen5

    aber weitgehend unter sich und von den anderen gesellschaftlichen Gruppen getrennt leben.6

    7

    Mit integrativen Konzepten wurden in den vergangenen Jahren erste Schritte zu mehr Gemeinsam8

    keit begonnen. Vor allem in sozialdemokratisch gefhrten Lndern und Kommunen entstanden im9

    mer mehr integrative Kindergrten und Schulen, verzahnte Berufsausbildungen, Integrationsbetrie10

    be, Arbeitsassistenz und bezuschusste Beschftigung, ambulante Wohnformen und gemischte Senio11

    reneinrichtungen.12

    13

    Doch heute brauchen wir neue, grundlegende Vernderungen. Seit Mrz 2009 ist die UNKonvention14

    ber die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Kraft, in der festgelegt ist, dass ihre Einbezie15

    hung in allen Lebensbereichen weltweit und konkret umgesetzt werden muss. Das Leitbild ist Inklusi16

    on: sie soll zum Mastab einer solidarischen, die Vielfalt wertschtzenden Gesellschaft werden, in17

    der alle Menschen mit und ohne Handicaps willkommen sind. Diesem Leitbild hat sich die SPD bereits18

    beim Berliner Parteitag 2009 verpflichtet. 1 19

    20

    Inklusion aller Menschen21

    Inklusion knpft unmittelbar an unsere sozialdemokratischen Grundstze der Solidaritt und Chan22

    cengleichheit an. Alle Menschen sollen in der sozialen Gemeinschaft befhigt sein, selbstbestimmt23

    und sozial zu handeln. Gemeinsames Lernen von Anfang an, der Zugang zum allgemeinen Arbeits24

    markt und das Wohnen im Quartier mssen auch fr Menschen mit umfassendem Untersttzungs25

    bedarf der Normalfall sein.26

    1 Auszug SPD-Regierungsprogramm vom 14.6.2009, S. 62Ff: "...Alle Menschen mit Behinderungen ms-sen an unserer Gesellschaft gleichberechtigt aktiv teilhaben und einbezogen werden so wie sie sind (Inklusi-on)....Dies wird Bestandteil eines Nationalen Aktionsplans, der zunchst fr den Zeitraum 2010-2020 Manah-men zur Umsetzung der UN-Konvention bndelt. In diesem Prozess sind alle gefordert: die nationale, fderaleund kommunale Ebene, Wirtschaft und Gewerkschaften, Verbnde, Selbsthilfegruppen, Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die Betroffenen selbst. Das Ziel, an dem alle mitwirken werden, ist das Leitbild der Konvention:eine inklusive Gesellschaft!..."

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    3/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    2

    Die konservativ gefhrten Regierungen im Bund und im Land Niedersachsen haben jedoch die Hoff27

    nungen vieler Menschen mit und ohne Behinderungen auf die Umsetzung der Konvention zutiefst28

    enttuscht. Weder wurde ein Rechtsanspruch auf inklusive Schulbildung geschaffen, noch wurden29

    ernsthafte, fr die Betroffenen sprbare Verbesserungen in der Arbeitswelt oder beim Leben in der30

    Gemeinschaft erreicht. Auch der im Juni 2011 vom Bundesministerium fr Arbeit und Soziales vorge31

    legt Nationale Aktionsplan bleibt weit hinter den Erwartungen der Menschen mit Behinderungen und32

    ihrer Verbnde zurck. Der fr August 2011 angekndigte Staatenbericht des Bundes wird schon33

    jetzt von der unabhngigen Monitoringstelle beim Deutschen Institut fr Menschenrechte in Berlin34

    als unzulnglich kritisiert. 2 Eine breite Allianz von Behindertenverbnden und Selbsthilfeorganisatio35

    nen hat nun einen Schattenbericht zum ersten deutschen Staatenbericht an den UNAusschuss fr36

    die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPDAusschuss) angekndigt, der die Einschtzungen37

    der Zivilgesellschaft zu den Manahmen der Regierung ffentlich machen wird.38

    39

    Die SPD in Niedersachsen wird bei einer Regierungsbernahme die genannten Versumnisse unver40

    zglich aufgreifen und mit einem breiten Aktionsbndnis die Umgestaltung zu einem inklusiven Nie41

    dersachsen mit konkreten Manahmen einleiten.42

    43

    Gemeinsam wollen wir erreichen:44

    Alle Kinder in Niedersachsen mssen gemeinsam aufwachsen. Jedes Kind erhlt seinen indi45

    viduellen Frderbedarf beim Spielen, familiren Wohnen, Lernen, Ausbildung, in gesundheit46

    licher Versorgung. Eltern erhalten vor und nach der Geburt unbrokratischen Zugang zu Un47

    tersttzungsleistungen fr Kinder mit Behinderungen.48

    Das gesellschaftliche Leben ist barrierefrei und zugnglich, der Arbeitsmarkt wird offen ge49

    staltet. Lebenslanges Lernen, Sport, Kultur, Tourismus, Mobilitt, ehrenamtliche Ttigkeit,50

    private Beziehungen und Elternschaft sind mit ggfs. erforderlichen Hilfen selbstbestimmt51

    mglich.52

    Menschen mit Behinderungen leben mitten in der Gesellschaft. Sie werden geschtzt als53

    Menschen, die vielfltige Fhigkeiten haben und individuelle Hilfen bentigen (Teilhabe54

    bedarf).55

    Die inklusive Gesellschaft kommt gem der UNKonvention allen Menschen zugute. Vor al56

    lem aber fr ltere Menschen, Kinder, Familien und Frauen verpflichtet die UNKonvention57

    zu besonderen Vorkehrungen.58

    59

    60

    2 http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/de/monitoring-stelle/aktuell.html

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    4/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    3

    Der inklusive Weg beteiligt alle61

    Der inklusive Weg ist ein anspruchsvolles Vorhaben. Die SPD befrwortet daher in Niedersachsen62

    einen breit angelegten gesellschaftlichen Dialog zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskon63

    vention, um das Verstndnis fr Inklusion zu frdern. Wir mssen dabei vor allem die Betroffenen in64

    ihren Hoffnungen, aber auch in ihren Vorbehalten ernst nehmen. Sie mssen sicher sein knnen,65

    dass die Qualitt der bisherigen Leistungen auch bei grundlegenden nderungen der Systeme erhal66

    ten bleibt.67

    68

    Inklusion ist uns etwas wert69

    In Niedersachsen sind die ffentlichen Ausgaben fr Menschen mit Behinderungen stetig angestie70

    gen. Dies liegt zum einen an der steigenden Zahl lter werdender Menschen, aber auch an der Zu71

    nahme des betroffenen Personenkreises insgesamt. So waren im Jahr 2009 nach Daten des Landes72

    betriebs fr Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) 688.337 Frauen und73

    Mnner in Niedersachsen schwerbehindert. Damit hat sich im Vergleich zum Jahr 2007 die Zahl der74

    Menschen mit Behinderungen um rund 47.000 erhht.75

    76

    Die damit verbundenen Kostensteigerungen sind eine Herausforderung. Analysen zeigen, dass ein77

    groer Teil der Leistungen in Doppelstrukturen, Brokratie, Trgerstreitigkeiten, berwiegend statio78

    nre Unterbringung und Einrichtungen geht, die den Bedrfnissen der Menschen mit Behinderungen79

    in der heutigen Zeit nicht mehr gerecht werden. Mehr Kooperationen, die Bndelungen von Leistun80

    gen und damit mgliche Synergieeffekte, der Rckbau groer Einrichtungen, die Umstellung auf 81

    passgenaue individuelle Hilfen und eine verbesserte Beratung und Teilhabeplanung knnen falsch82

    eingesetzte Mittel reduzieren. Diese Mittel werden fr die Umgestaltung inklusiver Frderkonzepte83

    bentigt. Klar muss sein Inklusion ist kein Sparmodell! Die Betroffenen haben einen Leistungsan84

    spruch auf die volle Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ein unveruerliches, unteilbares Men85

    schenrecht.86

    87

    Die SPD plant ein Sofortprogramm:88

    Der von uns und vielen Betroffenen geforderte Aktionsplan soll unverzglich erarbeitet wer89

    den. Hierbei sind die Kernaussagen der UNKonvention Inklusion, angemessene Vorkehrun90

    gen, Barrierefreiheit und direkte Teilhabe behinderter Menschen fr uns durchgngiges ver91

    bindliches Element. Wir werden ein Aktionsbndnis einberufen, das kurz, mittel und lang92

    fristige Schritte festlegt, die konsequent umsetzt und fortgeschrieben werden. Zu den Berei93

    chen Bildung, Arbeit, Wohnen und Barrierefreiheit knnen wir vorliegende Konzepte aufgrei94

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    5/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    4

    fen und im Aktionsbndnis konkretisieren. Dabei hat die Mitwirkung von Menschen mit Be95

    hinderungen und ihrer Selbsthilfeverbnde Prioritt.96

    Wesentlicher Bestandteil ist die berprfung des Landesrechts im Hinblick auf die Erfllung97

    der Anforderungen der UNKonvention und ggfs. die Anpassung entsprechender Vorgaben,98

    sowie die Schaffung verbindlicher Regelungen.99

    Wir erwarten, dass auch auf kommunaler Ebene Aktionsplne eingefhrt werden, die nach100

    Mglichkeit mit dem des Landes verknpft werden knnen. Die Akteurinnen und Akteure in101

    den Kommunen wollen wir bei der Verbesserung der Zugnglichkeit und Entwicklung ent102

    sprechender Vorkehrungen fr die umfassende Teilhabe in allen Bereichen des alltglichen103

    Lebens untersttzen.104

    Der Landesaktionsplan soll durch unser Engagement auf Bundesebene bei der Entwicklung105

    von Initiativen und Manahmen zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention er106

    gnzt werden. Hier werden wir uns fr ein Leistungsgesetz und ein Teilhabegeld einsetzen.107

    108

    Inklusive Bildung wird Rechtsanspruch109

    Eine inklusive Bildungspolitik in Niedersachsen steht noch mehr am Anfang als in vielen anderen110

    Bundeslndern. Nur knapp fnf Prozent der Kinder mit sonderpdagogischem Frderbedarf werden111

    an allgemein bildenden Schulen unterrichtet. Die SPD hat bereits 2010 einen Gesetzentwurf fr ein112

    Recht auf inklusive Bildung sowie ein Aktionsprogramm gefordert. In der Regierung werden wir zgig113

    die Voraussetzungen fr eine inklusive Bildung fr alle schaffen von der frhen Frderung in der114

    Kinderkrippe bis zum Hochschulstudium barrierefrei und Teilhabe untersttzend in allen Phasen.115

    116

    Manahmen sind117

    Inklusive Bildung wird als Rechtsanspruch verankert. Dies umfasst auch die frhkindliche Bil118

    dung. Im Niederschsischen Schulgesetz (NSchG) wird der Ressourcenvorbehalt aufgehoben.119

    Im Rahmen des Aktionsprogrammes werden Schritte konkretisiert, die allen Schlerinnen120

    und Schlern den Besuch allgemeiner Schulen zur Umsetzung ihres Rechtsanspruchs ermgli121

    chen. Dazu ist ein mit Zeitangaben versehenes Verfahren vorzusehen, nach dem die beste122

    henden Frderschulen und Bildungszentren in Absprache mit den Schultrgern schrittweise123

    in Kompetenzzentren berfhrt werden.124

    Ein individueller Frderplan ist fr alle Kinder auf der Basis von Frderdiagnostik und einem125

    daraus abzuleitenden Frderprofil einzufhren.126

    Die didaktischmethodischen Konzepte von Unterricht und Lernen sind danach von exklusiv127

    zu inklusiv zu verndern.128

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    6/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    5

    Die Personalressourcen (Lehrkrfte, sozialpdagogisches, therapeutisches, pflegerisches und129

    Verwaltungspersonal) sind bedarfsgerecht in allen Kindertagessttten und Schulen sicher zu130

    stellen; Gruppen und Klassengren sind deutlich zu senken.131

    Die Frderschullehrkrfte stellen ihre Kompetenz allen Schulen zur Verfgung.132

    In der Lehrerausbildung aller Schulformen werden Bausteine sonderpdagogischer Frde133

    rung verankert und Konzepte und Manahmen fr die Entwicklung der Lehrerfort und134

    weiterbildung erarbeitet, die einen Schwerpunkt auf Themen wie Heterogenitt, Diagnostik,135

    offene Unterrichtsmethoden, Binnendifferenzierung und individuelle Frderung legen. Dem136

    entsprechend muss auch die Erzieherinnen und Erzieherausbildung verndert werden.137

    Die behindertengerechte Ausgestaltung der Rume in den Bildungseinrichtungen sowie die138

    Barrierefreiheit und Bereitstellung der notwendigen technischen und medialen Hilfsmittel139

    sind zu gewhrleisten.140

    Die ffentlichkeit ist strker fr die Machbarkeit und die Vorteile inklusiver Bildung und Er141

    ziehung zu sensibilisieren.142

    143

    Inklusive Berufsausbildung fr alle144

    Mit dem Umbau eines inklusiven Schulwesens werden die Grundlagen fr die sptere Ausbildungs145

    und Berufsfhigkeit gelegt. Oft genug erhalten SchulabgngerInnen von Frderschulen keinen qualifi146

    zierten Abschluss, so dass sie von beruflichen Ausbildungen ausgeschlossen sind. Aber auch fr die147

    jenigen mit Schulabschluss stehen noch viel zu wenig duale Ausbildungspltze zur Verfgung. Meist148

    lernen sie in auerbetrieblichen Ausbildungszentren oder bei den Berufsbildungswerken. Unser Ziel149

    ist auch hier die gemeinsame Berufsausbildung mit gezielter Hilfe und Frderung fr alle.150

    151

    Manahmen sind:152

    In allen Schulen wird ein berufliches Orientierungsverfahren durchgefhrt, das individuelle153

    Mglichkeiten und Frderungen im Hinblick auf die Teilhabe am Arbeitsleben ermittelt. Ne154

    ben den Schlerinnen und Schlern sind Erziehungsberechtigte, Lehrkrfte, Trger der Sozi155

    alhilfe und Jugendhilfe, die BA sowie Integrationsfachdienste frhzeitig und angemessen zu156

    beteiligen.157

    Schulpraktika sollten vorrangig in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts durchgefhrt158

    werden. Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft mssen deshalb mehr Praktikumsplt159

    ze vereinbaren.160

    Das Land untersttzt regionale Ausbildungsverbnde bei der Entwicklung inklusiver Ausbil161

    dungskonzepte. Aufbauend auf Modellprojekten zur verzahnten Berufsausbildung werden162

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    7/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    6

    mehr gemeinsame Ausbildungsphasen mit allen Jugendlichen organisiert. Es ist Aufgabe der163

    Jugendwerksttten, Konzepte fr den bergang SchuleBeruf zu entwickeln.164

    Die berufsbildenden Schulen werden barrierefrei gestaltet.165

    166

    Eine Hochschule fr alle167

    Bereits im April 2009 hat sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fr durchgngig barrierefreie168

    Standards an allen deutschen Hochschulen ausgesprochen. Gemeinsam mit den Lndern sollte bera169

    ten werden, "wie die zur Sicherung der Chancengleichheit erforderlichen rechtlichen und finanziellen170

    Voraussetzungen geschaffen werden knnen", um die Teilhabe von Studierenden mit Behinderung171

    bzw. chronischer Krankheit sicher zu stellen. Hier mssen die Bemhungen niederschsischer Hoch172

    schulen in einen Aktionsplan eingebracht werden.173

    174

    Zugang zu einem offenen und inklusiven Arbeitsmarkt175

    Der allgemeine Arbeitsmarkt steht noch zu wenig Menschen mit Behinderungen offen. Trotz gesetzli176

    cher Beschftigungspflichtquote gibt es zu wenige Arbeitspltze. Bundesweit ist die Arbeitslosenquo177

    te zwar so niedrig wie zuletzt 1992. Entgegen diesem positiven Trend stieg allerdings die Zahl178

    schwerbehinderter Arbeitsloser sogar noch. So waren im Juni 2011 in Niedersachsen 13.852 Schwer179

    behinderte arbeitslos und damit 350 mehr als ein Jahr zuvor. Deshalb mssen die Betriebe ber Hil180

    fen zur Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsassistenz und gesetzliche Regelungen intensiv informiert wer181

    den.182

    Aber auch in der Berufsberatung und Arbeitsvermittlung sind mehr Ansprechpartner mit Kompeten183

    zen fr Belange behinderter Menschen erforderlich, die passgenaue Vermittlungen mit Arbeitgebern184

    erreichen. Die Integrationsfachdienste sind dabei viel frher und strker zu beteiligen, damit mehr185

    Menschen mit Behinderungen eine sozialversicherungspflichtige Beschftigung auf dem allgemeinen186

    Arbeitsmarkt aufnehmen knnen.187

    188

    Der Arbeitsmarkt ist nur dann inklusiv zu gestalten, wenn mehr technische Untersttzung vorhanden189

    ist (Barrierefreiheit). Das gilt fr den individuellen Arbeitsplatz, aber auch fr die Betriebe insgesamt.190

    Die Teilhabe aller Beschftigten an betrieblicher Mitbestimmung ist dabei ein wichtiges Ziel.191

    192

    Manahmen sind:193

    Ein Programm zur besseren Information und dem Austausch von Erfahrungen bei allen Betei194

    ligten soll die Beschftigungschancen von Menschen mit Behinderungen erhhen und mehr195

    Arbeitspltze schaffen.196

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    8/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    7

    Bei den JobCentern werden wir uns fr mehr Fallmanager fr besondere Personenkreise197

    einsetzen.198

    Die Integrationsfachdienste sind finanziell zu strken.199

    In den Fortbildungen der Wirtschaft, aber auch in den Meisterlehrgngen des Handwerks ist200

    ein Informationsmodul sinnvoll. Fr bestimmte Behinderungen sind auerdem Kenntnisse201

    ber differenzierte technische Mglichkeiten erforderlich, (z.B. passgenaue technische Hilfen202

    fr Schwerhrige oder Gehrlose)203

    Barrierefreiheit ist auch fr Fort und Weiterbildung (Einrichtungen, Lehrgnge, Lehrende,204

    Material) herzustellen.205

    Die untersttzte Beschftigung als Frderinstrument (sozialversicherungspflichtige Beschfti206

    gung von Menschen mit Behinderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt) soll in Niedersachsen207

    verstrkt umgesetzt, das Vergabeverfahren der Agentur fr Arbeit muss verbessert werden.208

    Das Persnliche Budget fr Arbeit kann viel hufiger eingesetzt werden, z.B. bei Hilfen zum209

    bergang von der Werkstatt in einen Betrieb, bei der Assistenz am Arbeitsplatz, bei Praktika210

    und JobCoaching, bei Manahmen der Berufsvorbereitung u.v.a. mehr. Hierzu muss das Be211

    antragungssystem zwischen Land und Kommunen abgestimmt und vereinheitlicht und Mg212

    lichkeiten fr geeignete Budgetassistenz verbessert werden. Ziel ist es, die Fallzahl in Nieder213

    sachsen durch Frderprogramme landesseitig zu steigern.214

    Durch die konsequente Personen und Prozessorientierung der Werksttten fr behinderte215

    Menschen (WfbM) werden Leistungsangebote entwickelt, die fr jeden einzelnen behinder216

    ten Menschen individuelle Wege zur Qualifizierung, Bildung und Teilhabe an Arbeit sichern.217

    bergangsmglichkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden ebenso weiterentwic218

    kelt, wie an den individuellen Bedarfen orientierte Arbeitsmglichkeiten. Die Weiterentwick219

    lung der Teilhabeangebote bercksichtigt insbesondere die Bedarfe der Schwer und220

    schwerstbehinderten Menschen ( 136 Abs. 3 SGB IX) mit dem Ziel, diesen Personen eine221

    Teilhabechance am Arbeitsleben zu ermglichen. Mit einem Beirat "Teilhabe am Ar222

    beitsleben" werden wir Konzepte fr mehr Auenarbeitspltze, Praktika auerhalb von223

    WfbM, bergnge in den allgemeinen Arbeitsmarkt u.. entwickeln. Es wird ein Berufsbil224

    dungskonzept geschaffen, das das Recht auf Bildung ebenso wie Anknpfungsmglichkeiten225

    an anerkannte Berufsausbildungen sicherstellt.226

    Auf Bundesebene setzen wir uns dafr ein, dass das Werkstattrecht flexibilisiert wird, um auf 227

    die unterschiedlichen Frdermglichkeiten fr Menschen mit Behinderungen kreativer ein228

    gehen zu knnen. Der Einsatz der Eingliederungshilfe (SGB XII), die virtuelle Werkstatt, die229

    Verknpfung von Angeboten, die Trennung von Arbeitsleistung und ergebnis sowie flexible230

    Arbeitsstunden sind dringend gesetzgeberisch zu ermglichen.231

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    9/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    8

    Werkstattrte werden auf Bundes bzw. Landesebene bei der Umsetzung ihrer Forderungen232

    nach der Erweiterung ihrer Mitbestimmungsmglichkeiten und der Schaffung eines existenz233

    sichernden Einkommens untersttzt.234

    Integrationsbetriebe mssen landesseitig strker finanziell gefrdert werden.235

    Zuverdienstprojekte sollen ausgebaut werden. Dazu mssen sie als Katalogzweckbetriebe 3 236

    entsprechend 68 AO eindeutig steuerbegnstigt werden. Auf Landesebene sollen dazu237

    Rahmenleistungsvereinbarungen geschlossen werden.238

    Um die Verpflichtung von Arbeitgebern zu erhhen, Menschen mit schweren Behinderungen239

    zu beschftigen, wird eine Anhebung der Beschftigungspflichtquote sowie die Anpassung240

    der Schwerbehindertenausgleichsabgabe befrwortet.241

    242

    Der Weg zum inklusiven Wohnen243

    Selbststndiges und selbstbestimmtes Wohnen sind wichtige Voraussetzungen fr Teilhabe in der244

    Gesellschaft. Mit dem "inklusiven Wohnen" wird darber hinaus das gemeindenahe, soziale Zusam245

    menleben aller Menschen ermglicht. Dies muss auch fr Menschen mit umfassendem Unterstt246

    zungsbedarf der Normalfall sein. Dazu brauchen wir eine umfassende Barrierefreiheit, Gemeinwe247

    senarbeit und gute Nachbarschaft, um gemeinsames Leben mit sozialer Integration in den Stadt248

    bzw. Ortsteilen zu erreichen.249

    Die Umsetzung verlangt einen grundlegenden sozialpolitischen, stdtebaulichen und kommunalpoli250

    tischen Wandel hin zu einem inklusiven Sozial und Lebensraum.251

    Akteure und Adressaten dieses Prozesses sind deshalb alle gesellschaftlichen252

    Gruppen.253

    Gemeinsam wollen wir erreichen:254

    Menschen mit Behinderungen mssen selbstbestimmt darber entscheiden knnen, wo und255

    mit wem sie leben wollen.256

    Es mssen ausreichend barrierefreie Wohnungen und Wohnformangebote geschaffen wer257

    den.258

    Barrierefreiheit ist nicht nur innerhalb, sondern im besonderen Mae auch auerhalb des ei259

    gentlichen Wohnraums zu sichern. Dabei muss die Erreichbarkeit von Wohnraum durch Bar260

    rierefreiheit im ffentlichen Raum gegeben und hinreichende Infrastruktur (z. B. Gesundheit261

    und Therapie, Nahversorgung, Kultur, Sport, PNV) vorhanden sein.262

    3 68 Abgabenordnung (AO) umfasst einen Katalog von umsatzsteuerbegnstigten oder befreiten Betriebsar-ten. Zu diesen Katalogzweckbetrieben gehren u.a. die Werksttten fr behinderte Menschen (WfbM) und die Integrationsbetriebe. Um die Schaffung von Zuverdienstprojekten (fr psychisch Kranke) zu erleichtern,muss der Katalog des 68 AO ergnzt werden um diese Zuverdienstprojekte. Sie wrden damit steuerlichden WfbM und den Integrationsbetrieben gleichgestellt.

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    10/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    9

    Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen mssen Menschen mit Behinderungen263

    barrierefrei zur Verfgung stehen.264

    Persnliche Assistenz und die einfache Handhabung des Persnlichen Budgets (PB) frdern265

    selbststndiges Wohnen.266

    267

    Manahmen sind268

    Alle staatlichen Stellen mssen Rahmenbedingungen fr inklusives Wohnen schaffen, damit269

    es selbstverstndlich wird. Es gilt ein staatlicher Steuerungs und Gestaltungsanspruch. Tr270

    ger dieses Prozesses sind alle ffentlichen Stellen. Das Land wird die Kommunen als Hauptak271

    teur bei dieser Aufgabe untersttzen.272

    Zur Verankerung und Ausgestaltung eines inklusiven Sozialraums werden ausreichend finan273

    zielle Ressourcen aus den ffentlichen Haushalten zur Verfgung gestellt.274

    Die Frderung von inklusivem Wohnraum muss fester Bestandteil ffentlicher Stdtebau275

    und Wohnraumfrderung und als konsequente Vorrangfrderung verankert werden.276

    Das Land wird Modellvorhaben eigenstndigen Wohnens von Menschen mit Behinderungen277

    finanziell frdern und im Hinblick auf Landeswohnbaufrderung evaluieren.278

    Inklusiver Wohnraum muss bezahlbar und verfgbar sein. Es darf nicht zu prekren Wohn279

    verhltnissen mit einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen auf dem Woh280

    nungsmarkt kommen. Dabei ist auch auf regionale Versorgungsunterschiede zu achten. Ver281

    mieter sollen strker in Richtung Inklusives Wohnen orientiert werden.282

    Barrierefreie Wohnungen mssen auch fr die Menschen mit Behinderungen zur Verfgung283

    stehen, die zur Erfllung ihrer notwendigen Bedrfnisse greren Wohnraum bentigen.284

    Der Rechtsgrundsatz im SGB IX ambulant vor stationr ist gemeindenah umzusetzen. Neue285

    Wohnformen sollen quartiersbezogen, dezentral in Stadt und Ortsteilen, eingebettet wer286

    den. Fr Menschen mit Behinderungen mssen Wahlmglichkeiten zu verschiedenen Wohn287

    formen mit unterschiedlichen Serviceleistungen bestehen.288

    Fr Architekten, Ingenieure, Makler, Stadtplaner etc. ist inklusives und barrierefreies Woh289

    nen in die Ausbildung als prfungsrelevanter Inhalt mit aufzunehmen. Auch Handwerk,290

    Kammern und Dienstleister mssen dieses Thema strker bercksichtigen.291

    Einrichtungstrger sollen bei der Konversion von Heimen in individuelle Wohneinheiten un292

    tersttzt werden. Beispiele aus Niedersachsen (Himmelsthr, Rotenburg) und anderen Ln293

    dern (NRW, HH) knnen zur schnelleren Umsetzung dienen. Die sozialrumliche Entwicklung294

    bettet die Konversion den Rckbau von Heimen ein.295

    296

    297

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    11/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    10

    Niederschsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG) anpassen298

    Der Grundsatz der Inklusion in allen Lebensbereichen ist auch im NBGG aufgrund der UN299

    Behindertenrechtskonvention aufzunehmen, und zwar insbesondere dort, wo angemessene Vorkeh300

    rungen zur Erreichung der Ziele gefordert sind. Eine Novellierung, fr die es von der SPD, aber auch301

    von Verbnden bereits umfangreiche Vorschlge gibt, soll unter Mitwirkung des Behindertenbeirats302

    erarbeitet werden. Dabei ist zu prfen, ob ein niederschsisches Ausfhrungsgesetz die Umsetzung303

    der UNKonvention in allen Lebensbereichen besser regeln kann.304

    305

    Das NBGG sollte in folgenden Bereichen vordringlich gendert werden:306

    Der Geltungsbereich muss breiter definiert werden. Barrierefreiheit umfasst nicht nur bauli307

    che Manahmen, sondern auch den vollen Zugang zur physischen, sozialen, wirtschaftlichen308

    und kulturellen Umwelt, zu Gesundheit und Bildung sowie zu Information und Kommunikati309

    on.310

    Der Behinderungsbegriff ist den Vorgaben der UNKonvention anzupassen, hier sind die in311

    ternationalen ICFDimensionen (2005) grundlegend.312

    Barrierefreiheit muss zur architektonischen und planerischen Querschnittsaufgabe werden.313

    Die Ausbildung und das Wissen der Akteure in diesem Bereich ist zu erweitern. Bei der Archi314

    tektenAusbildung muss barrierefreies Bauen eine Pflichtveranstaltung sein.315

    Bei der ffentlichen Planung von Bau und anderen Vorhaben sind Menschen mit Behinde316

    rungen als Experten in eigener Sache und ihre Verbnde zu beteiligen.317

    Technische und sonstige Hilfen fr Barrierefreiheit mssen fr alle Betroffenen jederzeit be318

    darfsgerecht verfgbar sein.319

    Gerade Menschen mit Untersttzungsbedarf profitieren enorm von den Entwicklungen der320

    neuen Technologien. Teilhabe und Selbstbestimmung durch moderne ITgesttzte Kommu321

    nikationseinrichtungen werden daher besonders untersttzt. Es mssen Rahmenbedingun322

    gen geschaffen werden, die einen barrierefreien Zugang fr behinderte Menschen zu allen323

    Medien, wie z.B. Rundfunk, Fernsehen, Internet und Printmedien sowie Therapien sicherstel324

    len.325

    Die bisherige Rundfunkgebhrenbefreiung soll als Nachteilsausgleich erhalten bleiben.326

    Die Stellung der/des Landesbehindertenbeauftragten und der Behindertenbeirte soll ge327

    strkt werden.328

    Die Berichterstattung ber Vorhaben und Fortschritte muss verbindlich und transparent er329

    folgen.330

    Angemessene Vorkehrungen zu mehr Inklusion sollen verbindlich geregelt werden.331332

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    12/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    11

    Untersttzung und Leistungen aus einer Hand333

    Das SGB IX sieht schon seit vielen Jahren die Vereinheitlichung und Zusammenfassung des Behinder334

    tenrechts vor. Menschen mit Teilhabebedarf sollen ihre Leistungen aus einer Hand erhalten. Den335

    noch ist der Alltag fr viele Betroffene nach wie vor mhsam und durch brokratische Belastungen336

    bestimmt.337

    338

    Wir werden daher unsere Anstrengungen verstrken, mit dem Bund das gegliederte System der Re339

    habilitationstrger (Bundesagentur fr Arbeit; Rentenversicherung; Krankenversicherung; Unfallver340

    sicherung; soziale Entschdigung; Jugendhilfe; Sozialhilfe) zu vereinfachen. Ungeklrte Zustndigkei341

    ten der Trger drfen nicht zu Lasten der Betroffenen ausgetragen werden.342

    343

    Leistungen fr Menschen mit Behinderungen sind keine Almosen. Die Leistungen der Eingliederungs344

    hilfe, die bisher in der Sozialhilfe (SGB XII) verankert sind, sollen daher mit allen anderen Leistungs345

    ansprchen aus anderen Gesetzen in einem neuen Teilhaberecht neu gefasst werden. Leistungen des346

    neuen Teilhaberechts sollen dann bedarfsgerecht und personenbezogen zur Verfgung stehen und347

    nicht mehr auf die Hilfe in Institutionen bezogen werden. Wir werden daher den Bund bei der Schaf348

    fung eines Leistungsgesetzes und einem Teilhabegeld untersttzen.349

    350

    Gemeinsam wollen wir erreichen:351

    Das Wunsch und Wahlrecht sowie das Trger bergreifende Persnliche Budget (TPB) zur352

    eigenen Steuerung von Leistungsansprchen wird gestrkt. Es gilt der Grundsatz der Selbst353

    bestimmung sowohl in der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation, dazu sind354

    flexible Lsungen im Sinne der Betroffenen zu ermglichen.355

    Wir wollen fr Menschen mit Untersttzungsbedarf ein umfassendes Netz von kommunalen356

    Dienstleistungen entwickeln und gewhrleisten, damit selbstbestimmtes Leben in allen Le357

    bensphasen mglich ist. Pflegebedrftigkeit darf Leistungen zur Teilhabe nicht ausschlieen.358

    Eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist nur mit den Kommunen und359

    Lndern mglich. Die regionale Zusammenarbeit der Rehabilitationstrger einschlielich der360

    Trger der Sozial und Jugendhilfe sowie der Integrationsmter werden wir neu regeln. Dazu361

    wird auch die verpflichtende Bildung von regionalen Arbeitsgemeinschaften der Rehabilitati362

    onstrger gehren. Sie sollen vor allem gemeinsame Regeln zur Bedarfsfeststellung und Pr363

    vention, zur Untersttzung der betrieblichen Prvention und des betrieblichen Eingliede364

    rungsmanagements, zu regional bedarfsgerecht erforderlichen Versorgungsangeboten sowie365

    fr das Persnliche Budget und fr die Servicestellen schaffen.366

  • 7/31/2019 Dialogpapier Inklusion

    13/13

    Dialogpapier Inklusives Niedersachsen

    12

    In den Kreisen und kreisfreien Stdten mssen Teilhabeplne entwickelt werden. Sie schaf367

    fen Voraussetzungen fr wohnortnahe, bedarfsgerechte Untersttzungsstrukturen. Die Ver368

    bnde behinderter Menschen sind dabei einzubeziehen.369

    370

    Eine inklusive Gesellschaft umfasst mehr371

    Die TeilnehmerInnen des Forums Inklusion beim SPDLandesvorstand weisen abschieend darauf 372

    hin, dass mit diesem Positionspapier nur einige Ansatzpunkte einer Umgestaltung zu einem inklusi373

    ven Niedersachsen diskutiert und beschrieben werden. Weitere Bereiche wie u.a. Gesundheit, Pfle374

    ge, medizinische und berufliche Rehabilitation, Teilhabe am gesellschaftlichen, sportlichen und kultu375

    rellen Leben, besondere Vorkehrungen zum Abbau der Diskriminierung von Frauen mit Behinderun376

    gen, Justiz, Schutz und Freiheitsrechte mssen in ein Gesamtkonzept "Inklusives Niedersachsen"377

    aufgenommen und Bestandteil des umfassenden Landesaktionsplans werden.378

    379

    Hannover, 07. Mai 2012380