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8 Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse 8.1 Zusammensetzung des Dialysats – 106 8.1.1 Natrium – 107 8.1.2 Kalium – 108 8.1.3 Kalzium – 109 8.1.4 Magnesium – 109 8.1.5 Chlorid – 109 8.1.6 Puffersubstanzen – 109 8.1.7 Glukose – 111 8.2 Zusammensetzung der Substitutionslösungen für Hämofiltration und Hämodiafiltration – 111 8.3 Wasseraufbereitung für die Hämodialyse – 115 8.3.1 Allgemeines zur Wasserqualität – 115 8.3.2 Elektrische Leitfähigkeit – 115 8.3.3 Anforderungen an die Qualität des Wassers für die Dialyse – 116 8.3.4 Moderne Wasseraufbereitungsverfahren – 118

Dialyse und Nephrologie für Fachpersonal || Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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Zusammensetzung von Dialysatund Substitutionslösung,Wasseraufbereitung für die Dialyse

8.1 Zusammensetzung des Dialysats – 1068.1.1 Natrium – 107

8.1.2 Kalium – 108

8.1.3 Kalzium – 109

8.1.4 Magnesium – 109

8.1.5 Chlorid – 109

8.1.6 Puffersubstanzen – 109

8.1.7 Glukose – 111

8.2 Zusammensetzung der Substitutionslösungen für Hämofiltrationund Hämodiafiltration – 111

8.3 Wasseraufbereitung für die Hämodialyse – 1158.3.1 Allgemeines zur Wasserqualität – 115

8.3.2 Elektrische Leitfähigkeit – 115

8.3.3 Anforderungen an die Qualität des Wassers für die Dialyse – 116

8.3.4 ModerneWasseraufbereitungsverfahren – 118

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106 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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8.1 Zusammensetzung des Dialysats

! Bei der Dialyse findet diffusiver Transportzwischen dem Blut des Patienten und demDialysat statt.

Das Dialysat wird häufig als Spülflüssigkeit be-zeichnet, obwohl dieser Begriff die Rolle des Dia-lysats im Dialysator nicht gut kennzeichnet. Beider Dialyse erfolgt die Reinigung des Blutes durchden Übertritt von in Blut gelösten Substanzen überdie Dialysemembran in das Dialysat. Die treibendeKraft dabei ist das Konzentrationsgefälle (s.u.)zwischen den beiden Flüssigkeiten. Diese Art desStoffentzugs wird Diffusion genannt. Bedeutsamist der diffusive Transport (� Kap. 2) vor allem für:▬ kleinmolekulare Urämietoxine, die in Abhän-

gigkeit von ihrer Konzentration im Blut in dastoxinfreie Dialysat diffundieren,

▬ Elektrolyte und Puffersubstanzen, die entwe-der aus dem Blut entfernt (Kalium, Phosphat)oder dem Blut hinzugefügt werden müssen(Kalzium, Puffer).

Dialysat ist eine wässrige Lösung von Elektrolyten,Puffern und Glukose. Die Höhe der Konzentrationder einzelnen Elektrolyte und Puffer im Dialysatbestimmt die Geschwindigkeit und die Richtungder Diffusion durch die Dialysemembran. Grund-sätzlich kann Diffusion in beide Richtungen er-

folgen – vom Blut in das Dialysat und umgekehrt.Durch die Wahl der Dialysatzusammensetzunglässt sich also der Diffusionsprozess beeinflussenund individuellen Bedürfnissen anpassen.

Das Beispiel des Kaliums (� Kap. 8.1.2) zeigt,dass es klinisch wünschenswert sein kann, dieDiffusion entgegen der meist üblichen Richtungablaufen zu lassen.

Konzentrationsgefälle. Die Diffusion findet mitbeträchtlicher Geschwindigkeit statt. Während dermehrstündigen Dialyse kommt es für die Konzent-ration einiger Elektrolyte frühzeitig zu einem Aus-gleich zwischen Dialysat und Blut. Um den Abfallder Konzentration dieser Elektrolyte von patho-logisch hohen auf pathologisch niedrige Werte zuverhindern, muss die betreffende Elektrolytkon-zentration des Dialysats nahe des normalen Se-rumwertes eingestellt werden. Hierdurch erklärtsich die Ähnlichkeit der Zusammensetzung vonDialysat und Serum (⊡ Tab. 8.1).

Während der gesamten Dialysezeit bleibt einDiffusionsgradient für Urämietoxine in das toxin-freie Dialysat bestehen. Auch für Elektrolyte, dieentfernt werden müssen, ist das Aufrechterhal-ten eines Konzentrationsgradienten sinnvoll, dadie Elektrolyte im Serum mit dem einströmen-den Gewebewasser (interstitielles Wasser), das dieVolumenverluste durch Ultrafiltration ausgleicht,nachgeliefert werden.

⊡Tab. 8.1. Zusammensetzung des Dialysats bei Acetat- und Bicarbonatdialyse imVergleich zu den Normalwerten imSerum

Bestandteil [mmol/l] Acetatdialyse Bicarbonatdialyse Norm-Werte im Serum

Natrium (Na+) 132–145 137–144 135–145

Kalium (K+) 0–3 0–4 3,5–5,0

Kalzium (Ca++) 1,5–2,0 1,25–2,0 2,2–2,4

Magnesium (Mg++) 0,75 0,25–0,75 0,75

Chlorid (Cl–) 99–110 98–112 99–103

Acetat (CH3HCOO) 31–45 2,5–10 –

Bicarbonat (HCO3) – 27–35 24

Glukose (C6H12O6) 0–5,5 0–5,5 3,6–5,6

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8.1 · Zusammensetzung des Dialysats8107

Menge. Dialysat wird in großer Menge benötigt.Bei einem Dialysatfluss von 500 ml/min beträgtdie Dialysatmenge bei einer 4- bis 5-stündigenDialysebehandlung ca. 120–150 l, d. h. bei 3 Dia-lysebehandlungen pro Woche bis zu 450 l. Dialysatwird heute meist durch Verdünnung von Dialysat-konzentrat mit gereinigtem Osmosewasser pro-duziert. Die Wasseraufbereitung wird in � Kap. 8.3besprochen, die Proportionierung in � Kap. 9.

Die Möglichkeit zur Variation der Dialysatzu-sammensetzung durch gezielte Zumischung ein-zelner Bestandteile erlaubt heutzutage eine Dia-lysebehandlung, die auf die individuellen Bedürf-nisse des Patienten zugeschnitten ist.

8.1.1 Natrium

! Die Serumnatriumkonzentration ist ent-scheidend für die Serumosmolalität und fürdie Verteilung des Körperwassers: Steigt dieNatriumkonzentration im Blut, führt sie durchosmotischen Sog zum Einstrom vonWasseraus dem Gewebe. Das Volumen im Gefäßsy-stem nimmt zu und erhöht auf dieseWeiseden Blutdruck.

Patienten mit Nierenversagen können Natriumnicht mehr über den Urin ausscheiden, und eskommt zur Erhöhung der Gesamtnatriummengeim Körper. Diese positive Natriumbilanz ist einerder Gründe für den Bluthochdruck der Dialyse-patienten und für die Empfehlung zur kochsalz-armen Diät.

Niedrige Konzentration. Um überschüssiges Na-trium aus dem Körper zu entfernen und so denerhöhten Blutdruck bei Dialysepatienten zu sen-ken, hat man in den 70er Jahren mit einer relativniedrigen Natriumkonzentration von 130mmol/lim Dialysat dialysiert.▬ Der Vorteil dieser Dialysen war geringer Durst

und relativ geringe Gewichtszunahmen im dia-lysefreien Intervall. Allerdings trat bei einemkleinen Teil der Dialysepatienten ein parado-xer Blutdruckanstieg auf.

▬ Ein entscheidender Nachteil war aber, dassdie niedrige Natriumkonzentration im Dia-

lysat während der Dialysen überproportionalhäufig zu Krämpfen und Blutdruckabfällenführte (� Kap. 11.8). Vermutlich kam es durchRückgang der osmotisch wirksamen Kräfte imSerum bei niedrigem Dialysatnatrium zu ver-mehrtem Einstrom von Wasser in die Zellenund damit zu einer Unterfüllung des Gefäßsys-tems.

HöhereKonzentration.Wegen dieser Problematikging man später dazu über, die Natriumkonzentra-tion im Dialysat auf Werte um 135–145mmol/l zuerhöhen. Tatsächlich konnte man damit ein stabi-leres Blutdruckverhalten während der Dialyse undeine bessere Verträglichkeit erreichen. Allerdingssteigert dies wieder den Durst der Patienten undführt zu größeren Gewichtszunahmen zwischenden Dialysen.

⊡Abb. 8.1. Verlauf des Dialysatnatriums über eine Dialyse-zeit von 4 h in Beispielen. Grundsätzlich werden abfallendeoder ansteigende Profile unterschieden, die meist im Zusam-menhang mit einem Ultrafiltrationsprofil zur Stabilisierungdes Kreislaufs beitragen. (Mit freundlicher Genehmigung vonGambro Medizintechnik)

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108 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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Natriumprofile. In der Zukunft stellen vielleicht diean manchen Maschinen bereits einstellbaren Nat-riumprofile eine Lösung der oben genannten Pro-bleme dar. Durch elektronisch gesteuerte phasen-weise Variation der Dialysatnatriumkonzentrationkann in zeitlicher Kopplung mit Ultrafiltrationspha-sen ein hohes Dialysatnatrium eingestellt werden,während das durchschnittliche Dialysatnatriumniedriger bleibt. Die Veränderungen in den ver-schiedenen Flüssigkeitskompartimenten mit niedri-gem und hohem Dialysatnatrium zeigt ⊡Abb. 8.1.

8.1.2 Kalium

Die meisten Patienten mit chronischem und aku-tem Nierenversagen gehen mit einer erhöhten Ka-liumkonzentration im Serum an die Dialyse.

! Sehr hohe Kaliumwerte können zu lebensge-fährlichen Herzrhythmusstörungen führen.Bei der Dialyse darf die Serumkaliumkon-zentration aber nicht zu schnell und nichtüberschießend gesenkt werden, denn einedurch die Dialyse herbeigeführte Hypokaliä-mie kann ebenfalls Herzrhythmusstörungenauslösen, insbesondere bei herzkranken Pati-enten, die mit Digitalispräparaten behandeltwerden.

Die Menge der Kaliumelimination bei Hämodia-lyse wird individuell durch die Höhe des Dialysat-kaliums festgelegt. Sie bestimmt den Konzentrati-onsgradienten zwischen Blut und Dialysat. Häufigsind hierzu Veränderungen der vom Herstellervorgesehenen Kaliumkonzentration im Dialysatdurch Zumischung von Kaliumchlorid zum Kon-zentrat notwendig.

Die Beurteilung des Serumkaliumwertes hatseine Tücken. Man muss den Säure-Basen-Statusdes Patientenmitberücksichtigen (� Kap. 8.2). Meistliegt bei den Dialysepatienten eine metabolischeAzidose vor. Sie führt zu einer Verteilungsstörungdes Kaliums, die eine Bilanzstörung vortäuscht.Folgender Mechanismus liegt diesem Phänomenzugrunde:▬ Die bei der Azidose im Überschuss anfallen-

den positiv geladenen Wasserstoffionen wer-den teilweise in die Zellen verschoben.

▬ Das dadurch entstehende Zuviel an positivenLadungen in den Zellen gleicht der Körper aus,indem es die ebenfalls positiv geladenen Kali-umionen aus der Zelle entfernt.

▬ Die extrazellulär erscheinenden Kaliumionenerhöhen die Konzentration des Serumkaliums,auch wenn in der Bilanz kein Kaliumüber-schuss des Organismus vorliegt.

Umgekehrt führt eine Alkalose zu Hypokaliämie.Leider reicht die Verschiebung des Kaliums nachintravasal schon aus, um den Patienten zu gefähr-den. Besonders für die Wirkungen des Kaliums amHerzen ist die Höhe des Serumkaliums ausschlag-gebend.

! Der Zusammenhang von Kalium und Säure-Basen-Haushalt erlaubt in gewissem Umfangdie Therapie der Kaliumstörung durch Korrek-tur der Säure-Basen-Störung.

Wenn eine Hyperkaliämie bei Azidose besteht, sokann durch Azidosekorrektur mit Puffern, d. h.durch allmähliches Anheben des ph-Wertes vonerniedrigten Werten zum normalen ph-Wert von7,4, auch eine Normalisierung des Kaliums er-reicht werden. Eine Anhebung des ph-Werts um0,1 führt zu einem Absinken des Serumkaliumsum ca. 0,5mmol/l.

Im Dialysealltag liegt bei den meisten Patien-ten eine Mischsituation vor:▬ Mit der Nahrung aufgenommenes Kalium zwi-

schen den Dialysen hat zu einem Kaliumüber-schuss geführt.

▬ Zusätzlich liegt eine verteilungsbedinge Erhö-hung des Serumkaliums durch die metaboli-sche Azidose vor.

Führt man vor der Dialyse eine Bestimmungder Blutgase und der Elektrolytkonzentrationendurch, dient dies der Festlegung des Dialysatka-liums.

Beispiel. Bei einer nur leichten Erhöhung des Se-rumkaliums auf 5,6mmol/l bei sehr ausgeprägterAzidose reicht der rasch erfolgende Azidoseaus-gleich bei der Dialyse schon zur Normalisierungdes Serumkaliums aus. Da keine weitere Bilanzstö-rung des Kaliums besteht, kann das Dialysatkalium

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8.1 · Zusammensetzung des Dialysats8109

auf dem Niveau normaler Serumkonzentrationen,z. B. auf 4mmol/l, eingestellt werden.

Bei Patienten mit gut erhaltener Restausschei-dung mit oder ohne Diuretikatherapie wird Ka-lium häufig noch sehr effektiv aus dem Körperentfernt, so dass ein Dialysatkalium in der Höhenormaler Serumkonzentration gewählt werdensollte.

Die meisten Dialysepatienten lassen sich miteinem Standarddialysatkalium von 2mmol/l ohneProbleme dialysieren. In speziellen Situationen,wie oben angesprochen, kann das Dialysatkaliumbedarfsweise bis auf Werte um 4 mmol/l angeho-ben werden.

! Zusammen mit dem Patienten sind prädia-lytische Kaliumwerte unter 6,0mmol/l undein Serumkalium am Ende der Dialyse über3,5mmol/l anzustreben.

Die prädialytischen Serum-Kaliumwerte der Pati-enten spiegeln in erster Linie die Aufnahme kali-umreicher Nahrungsmittel im Intervall zwischenden Dialysen und die Größenordnung der Restdi-urese wider.

8.1.3 Kalzium

! Der Serumkalziumwert ist bei Dialysepati-enten meist erniedrigt, d. h. es besteht eineHypokalzämie. DieWahl eines relativ hohenDialysatkalziums beeinflusst die Kalzium-bilanz des Patienten positiv. Gängige Kalzi-umkonzentrationen der Dialysate liegen imBereich von 1,25–1,75mmol/l.

Liegt die vom Hersteller vorgegebene Konzentra-tion zu niedrig, so kann sie gezielt durch Additionvon Kalziumsalzen erhöht werden. In der Vergan-genheit hat man höhere Dialysatkalziumkonzen-trationen bevorzugt, um den Kalziummangel dermeisten Patienten auszugleichen und die Knochen-stoffwechselstörung so positiv zu beeinflussen. Mitder zunehmenden Verbreitung kalziumhaltigeroraler Phosphatbinder und aktivem VitaminD fin-den vermehrt niedrigere KalziumkonzentrationenAnwendung, um eine Hyperkalzämie zu vermei-den. Bei der Festlegung des Dialysatkalziums sind

also alle Medikamente mit Einfluss auf den Kalzi-umhaushalt mit einzubeziehen.

Bei Bestimmung des Serumkalziums mit ei-nem der in vielen Dialyseabteilungen vorhande-nen Blutgasanalysatoren (»Astrup«) wird meist dieHöhe des ionisierten Kalziums, also das freie, un-gebundene Kalzium im Serum erfasst. Der Wert istetwa halb so hoch wie das sonst im Rahmen vonRoutineblutuntersuchungen bestimmte Gesamt-kalzium im Serum.

Ungewollt hohe Kalziumkonzentrationen imDialysat können Folge von nichtentmineralisier-tem Wasser zur Verdünnung von Dialysekonzent-rat sein und zum gefährlichen Hartwassersyndromführen (� Kap. 11.11).

8.1.4 Magnesium

Die klinische Bedeutung des Dialysatmagnesiumsist weitgehend unklar. Die Serumkonzentrationvon Magnesium liegt bei Dialysepatienten meistim Normbereich. Die Serumkonzentration spiegeltjedoch nur einen Bruchteil des Gesamtmagnesi-ums wieder und ist ein schlechter Indikator fürdie entscheidende intrazelluläre Konzentration. DaMagnesium über die Niere ausgeschieden wird, istbei der terminalen Niereninsuffizienz mit einerpositiven Magnesiumbilanz zu rechnen. Auf deranderen Seite nehmen die meisten Dialysepati-enten eher weniger Magnesium auf als Nierenge-sunde. Die Dialysatmagnesiumkonzentration liegtmeist leicht unterhalb der normalen Serumkon-zentration.

8.1.5 Chlorid

Chlorid wird dem Dialysat aus Gründen der elek-trischen Neutralität beigefügt, um ein Gleichge-wicht zwischen den positiv geladenen und negativgeladenen Ionen zu erreichen.

8.1.6 Puffersubstanzen

Die chronische metabolische Azidose der Dialy-sepatienten lässt sich während der Dialyse nicht

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110 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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durch Entfernung von Säuren über Diffusion oderKonvektion korrigieren. Auch wenn diese Trans-porte in gewissem Umfang ablaufen, spielen siequantitativ zur Azidosekorrektur nur eine geringeRolle.

! Entscheidend ist die Zufuhr von Puffersub-stanzen während der Dialyse, die das beste-hende Basendefizit ausgleicht.

Die Funktion von Puffern wird in dem Exkurszum Säure-Basen-Haushalt (� Kap. 8.2) erklärt. AlsPuffer für das Dialysat und für die Substitutionslö-sung eignen sich:▬ Bicarbonat,▬ Acetat und▬ Laktat.

Acetat und BicarbonatBei den ersten Dialysen von Kolff Anfang der 40erJahre wurde Bicarbonat als Puffer im Dialysat ineiner Konzentration von 27mmol/l benutzt.

Technische und hygienische Probleme mit Bi-carbonat als Puffer führten zur Ablösung durch das1964 von Mion eingeführte Acetat. Als nachteilighatte sich bei der Bicarbonatdialyse erwiesen:▬ Bei Zusammenmischung aller Komponenten

des bicarbonathaltigen Dialysats kommt es zurAusfällung von Kalziumcarbonat.

▬ Das Dialysat bietet gute Wachstumsbedingun-gen für Bakterien und neigt zur Verkeimung.

Acetat war nach seiner Einführung für über 20Jahre die Standardpuffersubstanz bei der Hämo-dialyse. Das Dialysat ist chemisch haltbar undmikrobiologisch unbedenklich. Mit der Zeit wur-den aber auch Nachteile des Acetats als Pufferdeutlich:▬ Im Gegensatz zu dem physiologischen Puffer

Bicarbonat muss Acetat als indirekte Puffer-substanz erst zu Bicarbonat verstoffwechseltwerden. Bei der Entstehung von Bicarbonatwird pro Molekül Acetat ein Wasserstoffionverbraucht.

▬ Diese metabolische Umwandlung von Acetatzu Bicarbonat benötigt eine gewisse Zeit, inder es vorübergehend zu einer Zunahme dermetabolischen Azidose kommt. Mit der Ein-führung hocheffizienter Dialysemodalitäten

mit Verkürzung der Dialysezeit entpuppte sichdies als Nachteil der Acetatdialyse. Die hohenBlut- und Dialysatflüsse führten zu einer aus-geprägten Acetatbeladung des Patienten, diedie Verstoffwechslungskapazität überschrittund noch höhere Acetatspiegel im Blut verur-sachte.

▬ Bei hohen Ultrafiltrationsraten traten bei Ace-tatdialyse häufig Blutdruckabfälle auf, währendähnliche UF-Raten unter einer Bicarbonat-dialyse besser vertragen wurden. Acetat wirktdirekt gefäßerweiternd und führt so zum Blut-druckabfall.

▬ Im Gegensatz zur Acetatdialyse findet bei derBicarbonatdialyse darüber hinaus ein raschererRückstrom von Gewebewasser in das Gefäß-system statt, der einer Unterfüllung des Gefäß-systems verhindert.

! Bei Acetatdialysen kommt es im Vergleich zuBicarbonatdialysen häufiger zu Blutdruckab-fällen, Übelkeit und Krämpfen, v. a. wennhocheffiziente oder High flux-Dialyseverfah-ren eingesetzt werden.

Die wachsende Problematik mit der Acetatdialyseführte in Verbindung mit Fortschritten bei derProportionierung von Bicarbonatdialysat zur Re-naissance der Bicarbonatdialyse.

Damit Bicarbonat mit Kalzium- und Magnesi-umionen nicht zu unlöslichem Kalzium- bzw. Ma-gnesiumcarbonat im alkalischen Bereich ausfällt,werden das herkömmliche Dialysatkonzentrat(Säurekonzentrat) und das bicarbonathaltige Kon-zentrat (Basenkonzentrat) getrennt voneinanderaufbewahrt und erst bei der Proportionierung zurDialyse zusammengeführt. Um ein Ausfällen derbeiden Salze im Moment der Mischung der Kon-zentrate zu vermeiden, wird dem Säurekonzentratzusätzlich Acetat (3–5mmol/l) zugesetzt. Wäh-rend der Mischung der Konzentrate entsteht CO2,das wiederum das saure Milieu zur Vermeidungder Carbonatpräzipitation herstellt. Dadurch ent-steht im Dialysat eine höhere CO2-Konzentrationals im Blut, und CO2 diffundiert ins Blut, aus demes ohne Probleme in der Lunge abgeatmet werdenkann.

Das getrennt abgefüllte, hochkonzentrierte(0,5- bis 1-molar) Natriumbicarbonat ist nicht völ-

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81118.2 · Zusammensetzung der Substitutionslösungen für Hämofiltration und Hämodiafiltration

lig stabil. Abhängig von Luftdurchlässigkeit undLagerungsdauer des Konzentratkanisters entweichtständig CO2 und führt zur Abnahme des Bicarbo-nats. Deshalb sollten angebrochene Bicarbonat-lösungen nicht länger als 12 h verwendet werden.Heute ist diese Problematik in den Hintergrundgetreten, da Bikarbonat überwiegend als Trocken-konzentrat zur Verfügung steht, das erst währendder Dialysebehandlung durch Wassereinstrom auf-gelöst wird. Die Bikarbonat-Kartuschen sind nurfür eine Dialysebehandlung vorgesehen. Auch fürdie sauren Dialysatkomponenten zeichnet sich einvergleichbarer Trend ab: hin zum Tockendialysatin der Kartusche und weg vom Flüssigkonzentratim Kanister.

LaktatLaktat, das wie das Acetat erst zu Bicarbonat ver-stoffwechselt werden muss, bevor es als Pufferwirkt, wird nicht im Dialysat eingesetzt. Es ist aberein gebräuchlicher Puffer von in Beuteln abgefüll-ten Substitutionslösungen für die Hämofiltrationund Hämodiafiltration und im Dialysat für die Pe-ritonealdialyse. Allerdings ist die Verwendung vonLaktat auch in diesen Bereichen rückläufig. Sub-stitutionslösung wird heute überwiegend onlinevon den Dialysemaschinen unter Verwendung vonBikarbonat als Puffer hergestellt, und in der Peri-tonealdialyse hat bikarbonat-gepuffertes Dialysatals physiologischere Alternative ebenfalls Einganggefunden.

Pufferfreies DialysatAuch pufferfreies Dialysat kommt bei bestimm-ten Modifikationen der Dialyse zum Einsatz. Dadiese Patienten dennoch Puffer zum Ausgleichder Azidose benötigen, werden diese an andererStelle zugeführt. Die Trennung des Dialysevor-gangs von der Pufferzufuhr soll Vorteile für dieKreislaufstabilität bringen. Exemplarisch wird mitder acetatfreien Biofiltration ein solches Verfahrenvorgestellt (� Kap. 8.2).

8.1.7 Glukose

Bereits die ersten Dialysebehandlungen wurdenmit Glukose im Dialysat durchgeführt, um über

ihre osmotische Wirkung eine Ultrafiltration zuerreichen. Dieses Prinzip findet heute noch bei derPeritonealdialyse Anwendung (� Kap. 13.2).

! Die Ultrafiltration bei der Hämodialyse wirddurch eine hydrostatische Druckdifferenzerzielt und macht den Zusatz von Glukose imDialysat grundsätzlich überflüssig.

Gründe für eine Glukosezusatz im Dialysat:▬ Bei Dialysepatienten mit Diabetes mellitus hat

ein Glukosezusatz im Dialysat in Höhe dernormalen Serumnüchternwerte die wichtigeFunktion, Hypoglykämien zu vermeiden.

▬ Höhere Glukosezusätze werden gerne zur Ver-meidung von Dysäquilibriumszuständen beiErstdialysen eingesetzt. Der während der Dia-lyse stattfindende schnelle Abfall der hohenSerumosmolarität bei hohen Harnstoffspiegelnkann durch gleichzeitiges Auffüllen mit derosmotisch wirksamen Glukose aufgefangenwerden. Hierzu ist die Glukosekonzentrationim Dialysat allerdings deutlich anzuheben(200–400mg/dl) und der Blutzuckerspiegel desPatienten zu überwachen.

8.2 Zusammensetzung der Substitutions-lösungen für Hämofiltration undHämodiafiltration

! Zur Durchführung aller Blutreinigungsverfah-ren mit hohen Ultrafiltrationsmengen müssenverlorengegangene Flüssigkeit, Elektrolyteund Puffer ersetzt (substituiert) werden.

Dies betrifft im wesentlichen die Verfahren Hä-mofiltration, Hämodiafiltration und die konti-nuierlichen Blutreinigungsverfahren auf der In-tensivstation (� Kap. 12). Wenn diese Verfahreneffizient durchgeführt werden, benötigt man sehrgroße Mengen des Substituats, von bis zu 70 lpro Behandlungstag. Auch bei der gewöhnlichenHämofiltration mit Substitution im Postdilutions-verfahren kommen bei angestrebten Austausch-volumen von etwa 1/3 des Körpergewichts desPatienten beträchtliche Substitutionsvoluminazustande.

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112 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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! Die Substitutionslösung muss anders alsdas Dialysat steril und pyrogenfrei vorlie-gen, da es entweder vor dem Dialysator(Prädilution) oder dahinter (Postdilution)direkt in das Blut des Patienten geleitetwird.

Von dem bisher im 4,5 l-Beutel gelieferten Sub-stituat wurden für eine Behandlung mehrereBeutel hintereinander infundiert. Das Substituatenthält die gleichen Bestandteile wie das Dialysatin vergleichbarer Konzentration. Ein entschei-dender Unterschied besteht aber hinsichtlich derPuffer.

! Statt Bicarbonat oder Acetat enthalten diemeisten kommerziell erhältlichen Substituti-onslösungen Laktat in der Konzentration von33–55mmol/l als Puffersubstanz.

Im klinischen Alltag scheint der indirekte Puf-fer Laktat zu keinerlei erkennbaren Nachteilengegenüber dem Bicarbonat zu führen. Dennochist man bemüht, bicarbonathaltiges Substituat aufden Markt zu bringen. Das Problem liegt bei demoben schon geschilderten Ausfällen von Kalzium-und Magnesiumsalzen im alkalischen Bereich.Zur Selbstherstellung von aus 2 Komponentenbestehendem bicarbonathaltigem Substituat un-mittelbar vor der Behandlung gibt es entspre-chende Sets auf dem Markt. Inzwischen steht ein2-Komponenten-System zur bikarbonatgepuffer-ten Hämofiltration bereit, bei dem die Substitu-tionslösung unmittelbar vor dem Gebrauch aus 2Beuteln gemischt wird.

Durch die sterile Substitutionslösung in denzu wechselnden Beuteln waren die Hämofiltra-tion und verwandte Verfahren bisher teuer undarbeitsintensiv. Inzwischen wird das Substituatan neuen Maschinen online, also wie das Dialysatunmittelbar zum Gebrauch hergestellt. Auch hierwird grundsätzlich Bicarbonat als Puffer einge-setzt. Bei dieser neuen Technik wird Dialysataus dem Dialysatkreislauf abgezweigt und überSterilfilter in den hochgereinigten Zustand ge-bracht, der die Verwendung als Substitutions-lösung erlaubt. Die Onlineproduktion schränktdie Verwendung großer, für die Prädilution be-

nötigter Substitutionsmengen nicht mehr ein(� Kap. 12.1.2).

Acetatfreie Biofiltration als pufferfreiesDialyseverfahren

▬ PrinzipDie acetatfreie Biofiltration ist ein Hämo-diafiltrationsverfahren unter Verwendungeines pufferfreien Dialysats. Zum Azidose-ausgleich wird während der Dialyse als Post-dilution eine isotonische Bicarbonatlösunginfundiert. Um eine ausgeglichene Flüs-sigkeitsbilanz zu erreichen, wird die demzugeführten Bicarbonatlösungsvolumenentsprechende Flüssigkeitsmenge über dieDialysatormembran ultrafiltriert. Menge dererforderlichen Natriumbicarbonatlösung:4–5 l/Dialyse

▬ DialysegerätDialysegerät mit 2 Pumpen (arteriell undvenös); über die venöse Pumpe erfolgt dieInfusion der Bicarbonatlösung

▬ DialysatkonzentratDialysatkonzentrat der üblichen Zusam-mensetzung, jedoch ohne jegliche Puffer-substanzen

▬ InfusionslösungSterile, pyrogenfreie Natriumbicarbonatlö-sung (145 oder 167mmol/l)

▬ Vorteile der acetatfreien Biofiltration– seltener Blutdruckabfälle (evtl. wegen

völliger Acetatfreiheit)– exaktere Kontrolle des Säure-Basen-

Haushaltes: Festlegung der Menge anAlkaliäquivalenten, Vermeidung über-schießender Alkalosen

– keine Verkalkungen im Dialysegerät▬ Nachteile

– Relativ hoher apparativer Aufwand

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81138.2 · Zusammensetzung der Substitutionslösungen für Hämofiltration und Hämodiafiltration

Physiologie des Säure-Basen-Haushaltsund seine Störungen

Im Körper liegt ein genau geregeltes Gleichge-wicht zwischen Säuren und Basen vor. Das quan-titative Verhältnis zwischen Säuren und Basenbeschreibt der pH-Wert.Der pH-Wert einer Flüssigkeit hängt von der Säu-remenge, genauer von der Wasserstoffionenkon-zentration (H+) ab. Der pH-Wert ist der negativeZehnerlogarithmus der H+-Konzentration undsteht damit in einem reziproken Verhältnis zurWassersoffionenkonzentration, d. h. mit steigenderKonzentration fällt der pH-Wert und umgekehrt.▬ Eine neutrale Flüssigkeit hat einen pH-Wert

von 7, d. h. es liegen genauso viel Basen wieSäuren vor.

▬ Säuren haben einen pH-Wert von weniger als7, d. h. je höher der Säureanteil und damit dieWasserstoffionenkonzentration, desto niedri-ger der pH-Wert.

▬ Basen haben einen pH-Wert von 7–14.

Die Stoffwechselvorgänge im Körper benötigeneinen konstanten pH-Wert. In den Zellen liegt er bei6,9, außerhalb der Zellen bei 7,4 (7,36–7,44). Wieengmaschig der pH-Wert reguliert werden muss,wird dadurch deutlich, dass Abweichungen des pH-Werts im Blut unter 6,8 und über 7,7 zumTod führen.

Abweichungen: pH-Wert unter 7,36: Azidose,pH-Wert über 7,44: Alkalose.

Durch den Stoffwechsel fallen im Körper ständigSäuren an (etwa 80mmol/Tag). Die bedeutendsteMenge Säuren entsteht aus dem Abbau schwe-felhaltiger Aminosäuren. Der Körper ist also stän-dig von der Azidose bedroht.Zur Konstanthaltung des pH-Werts müssen dieanfallenden Säuren aus dem Körper eliminiertwerden. Die Säureelimination wird im wesentli-chen von 2 Organen geleistet:▬ Lunge und▬ Niere.Anfallende Säuren:▬ Fixe (nichtflüchtige) Säuren: Bicarbonat,

Phosphat, Ammoniumchlorid (u. a.)▬ Flüchtige Kohlensäure: wird als CO2 abge-

atmet.

Fixe Säuren können nur über die Niere elimi-niert werden. Fixe und flüchtige Säuren korre-spondieren über das CO2-Bicarbonat-Systemmiteinander und können sich teilweise ersetzen(Kompensationsmechanismen). Die Reaktions-formel zeigt die Umwandlungsschritte über dieKohlensäure:

CO2 + H2O ↔ H2CO3 ↔ H+ + HCO–3

(Kohlensäure)

Der pH-Wert des Blutes wird im wesentlichendurch das Verhältnis Bicarbonat: Kohlendioxidbestimmt. Mit ihren Konzentrationen kannder aktuelle pH-Wert des Blutes berechnetwerden:

Henderson-Hasselbalch-Gleichung:

-3

2

HCOpH=6,1+log

CO

In der Praxis werden für die Blutgasanalyse derpH-Wert und der Partialdruck des CO2 in der Blut-probe direkt mit Glaselektroden gemessen, dasBicarbonat wird indirekt errechnet. Die Blutprobeentspricht bei der Dialyse in etwa einer arteriel-len Blutprobe, da sie aus dem Shunt entnommenwird. Bei der Blutgasanalyse venösen Blutes gel-ten andere Normwerte.Der pCO2 liegt normalerweise bei 40mmHg. Eshandelt sich um das physikalisch im Blut gelösteCO2, dessenWert vom CO2-Anfall im Stoffwechselund seiner Elimination über die Lunge bestimmtwird.Da das aktuelle Bicarbonat von der Abatmungdes CO2 abhängt, ermitteln die Blutgasanalyse-geräte automatisch das Standardbicarbonat.Bedingungen für Standardbicarbonat:37 °C, pCO2 40mmHg.pH-Wert, pCO2 und Standardbicarbonat erlaubeneine Differenzierung zwischen respiratorischenund metabolischen Störungen des Säure-Basen-Haushaltes.▬ Respiratorische Störung: primär pCO2 ver-

ändert,▬ Metabolische Störung: primär Standardbi-

carbonat verändert.

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114 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

8

Da das Bicarbonat mit dem Kohlendioxid kor-respondiert (s. oben), kann es bei länger beste-hender Störung zu Kompensationsmechanismenkommen. Sie haben die Normalisierung des pH-Wertes zum Ziel.

Normalwertbereiche für Blutgasanalyse ausdem Shunt:pH-Wert: 7,35–7,45pCO2: 35–45mmHgpO2: 70–100mmHgStandardbicarbonat: 20–25mmol/l

Metabolische Azidose. Dialysepatienten habenmeist eine metabolische Azidose:▬ pH-Wert erniedrigt▬ pCO2 primär normal, kompensatorisch er-

niedrigt▬ Standardbicarbonat unter 20mmol/l.

Die Ursache ist die mangelnde Rückgewinnungvon Basen und fehlende Ausscheidung vonSäuren über die Niere. Der Körper versucht, denAusfall der Nieren durch vermehrte Abatmungvon CO2 in der Lunge zu kompensieren. Geschiehtdies mit Erfolg, steigt der pH-Wert wieder an, derpCO2 fällt. Meist gelingt die Kompensation nichtvöllig, da der Verlust der Säureausscheidung derNieren quantitativ zu bedeutsam ist. Es kommtzur Teilkompensation mit nicht ganz normalisier-tem pH-Wert.

Respiratorische Azidose. Schwere Lungener-krankungen führen zum Verlust der Gasaus-tauschfähigkeit der Lungen und verminderteAufnahme von Sauerstoff. Die verminderteAbatmung von CO2 sind die Folge:▬ pCO2 im Blut steigt▬ Standardbicarbonat primär normal, kompen-

satorisch erhöht.

Erst wenn nach einiger Zeit eine metabolischeKompensation durch Reduktion des Basenver-lusts in der Niere auftritt, steigt das Standardbi-carbonat, und der pH-Wert normalisiert sich.

Metabolische Alkalose. Die metabolische Alka-lose ist meist Folge des Verlustes von Säuren, z.B.bei schwerem Erbrechen (Verlust von Salzsäure

des Magens) oder Nebenwirkung einer medika-mentösen Therapie (z. B. mit Diuretika):▬ pH-Wert steigt▬ Standardbicarbonat primär erhöht▬ pCO2 normal, kompensatorisch erhöht.

Bei der Dialyse kann eine metabolische Alkalosedurch überschießende Puffersubstitution entstehen.

Respiratorische Alkalose. Die häufigste Ursa-che für die respiratorische Alkalose ist die Hyper-ventilation, d. h. unwillkürliches schnelles undvertieftes Atmen. Auf diese Weise wird sehr vielCO2 abgeatmet:▬ pCO2 sinkt▬ pH-Wert steigt▬ Standardbicarbonat normal.

Die respiratorische Alkalose bei Hyperventilationdauert meist nur kurz an. Bei länger dauerndenStörungen kann eine metabolische Kompensa-tion durch vermehrte renale Ausscheidung vonBicarbonat erfolgen.

Die Rolle der physiologischen Puffer imSäure-Basen-HaushaltDie physiologischen Puffersysteme im Blut habendie Aufgabe, die ständig anfallenden Säurenprimär zu binden (abzupuffern), bis die Säure-äquivalente entweder über die Niere oder dieAtmung entfernt werden. Die Puffer haben damiteine wichtige Funktion zur Konstanthaltung despH-Wertes im Organismus.Wichtige Puffer im Blut:▬ Bicarbonat▬ Phosphat▬ Hämoglobin▬ Plasmaeiweiß.

Bei der terminalen Niereninsuffizienz ist die Kapa-zität der physiologischen Puffer überfordert, denAnfall der Säuren aufzufangen, und die Möglichkeitder Elimination der Säuren über die Niere fällt weg.Therapiemöglichkeiten:▬ Pharmakologisch, z.B. Ersatz durch orales

oder parenterales Bicarbonat,▬ bei Dialyse Übertritt von Pufferbasen aus dem

Dialysat in das Blut durch Diffusion oder dieAddition der Puffer mit der Subsitutionslösung.

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8.3 ·Wasseraufbereitung für die Hämodialyse8115

8.3 Wasseraufbereitung für dieHämodialyse

8.3.1 Allgemeines zur Wasserqualität

Ein gesunder Mensch braucht zum Leben jährlich700–1000 l Wasser.

Der Mensch kann zwar Wochen ohne Essenauskommen, nicht jedoch ohne Wasser.▬ Bereits ein Verlust von 1–2% Wasser lässt in

unserem Körper ein Durstgefühl entstehen.▬ Verlieren wir mehr als 20% Wasser, sind ge-

sundheitliche Schäden nicht mehr auszuschlie-ßen.

Der Körper eines Erwachsenen besteht im Durch-schnitt zu 60–70% aus Wasser, das wichtige Aufga-ben im menschlichen Organismus erfüllt:▬ Es enthält Nährstoffe und Elektrolyte in Lö-

sung▬ Es dient als Transportmedium▬ Es wirkt bei Verdauung und Ausscheidung▬ Es regelt die Körpertemperatur.

! Die Qualität des Trinkwassers hat entschei-denden Einfluss darauf, wie gut im Körper dieoben genannten Vorgänge ablaufen können.GutesWasser ist mineralarm.

Verunreinigtes Wasser (Flusswasser, Wasser ausSeen, Oberflächenwasser, das durch Chemikalienoder Abwasser aller Art verdorben ist) wird teil-weise gechlort, damit es keine lebenden Bakterienmehr enthält (nur tote).

8.3.2 Elektrische Leitfähigkeit

Zur Bestimmung der Reinwasserqualität bietetsich die Messung der elektrischen Leitfähigkeitan, die ein täglich genutztes Verfahren zur Qua-litätsbeurteilung ist. Durch die im Wasser gelös-ten dissoziierten Salze kann Wasser elektrischenStrom leiten.

! Die Bestimmung der elektrischen Leitfähig-keit stellt keine Stoffkomponente dar, son-dern sie ist ein Summenparameter, der sich

aus der Leitfähigkeit aller in der Messlösungvorhandenen Ionen addiert.

Aussagen über einzelne Wasserinhaltsstoffe sindsomit allein durch Messung der Leitfähigkeit imallgemeinen nicht möglich. Bei der Messung derelektrischen Leitfähigkeit wird stets der Wider-stand eines bestimmten Flüssigkeitsvolumensgemessen. Ein sehr wichtiger Einflussfaktorbei der Messung der Leitfähigkeit stellt nebendem pH-Wert die Temperatur des Mediums dar(⊡ Tab. 8.2).

! Bei der Beurteilung der Qualität ist es alsosehr wichtig, sich auf eine einheitliche Refe-renztemperatur zu beziehen. In Deutschlandsind 20°C oder 25°C üblich.

International ist es auch üblich, neben der elekt-rischen Leitfähigkeit den elektrischen Widerstandanzugeben: Leitwert [Siemens] = 1/Widerstand[Ohm].

Die Qualität des Reinwassers für die Dialysat-herstellung wird am Ende der Vorgänge in derUmkehrosmose mit einer Leitfähigkeitsmessungkontrolliert. Das bereits zuvor mehrfach gefilterteund enthärtete Wasser sollte an dieser Stelle prak-tisch frei von Elektrolyten sein und eine vernach-lässibare Leitfähigkeit besitzen. Tatsächlich liegtdie Leitfähigkeit von Permeat (=Reinstwasser) inAbhängigkeit von der Temperatur sehr niedrig(⊡ Tab. 8.2). Eine weitere Anwendung von Leitfä-higkeitsmessungen ist die Kontrolle der korrektenDialysatproportionierung in den Dialysemaschi-nen (� Kap. 9).

⊡Tab. 8.2. Leitfähigkeit in Abhängigkeit von derTemperatur

Temperatur [°C] Reinstwasserleitfähigkeit[μS/cm] (S = Siemens)

10 0,028

20 0,049

25 0,055

30 0,8

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116 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

8

8.3.3 Anforderungen an die Qualitätdes Wassers für die Dialyse

! Ein dialysepflichter Mensch benötigt10.000–30.000 I Wasser pro Jahr, um seinLeben zu erhalten.

Durch den Dialysator, in dem das Wasser nur übereine halbdurchlässige Membran vom Blutkreis-lauf getrennt ist, fließen 500–800ml Wasser inder Minute, um die Urämietoxine aufzunehmen.Die im Wasser gelösten Stoffe können jedoch inumgekehrter Richtung über die Dialysemembranebenso in den Blutkreislauf übertreten, sofern ihreMolekülgröße unterhalb des Porendurchmessersder Membran liegt. Der Transport kann diffusivoder konvektiv erfolgen. Quantitativ bedeutsamist der Übertritt von Dialysat in das Blut vor allembei High flux-Dialysatoren (Rückfiltration), derenEinsatz daher noch höhere Anforderungen an dieWasserqualität stellt.

Durch die künstliche Niere, in der das Wassernur über die halbdurchlässige Membranwand vomBlutkreislauf getrennt ist, fließen 500ml Wasser/min, um die unerwünschten Stoffwechselproduktedes Blutes aufzunehmen. Die im Wasser gelöstenStoffe können jedoch umgekehrt auch in den Blut-kreislauf hineinwandern, wenn kein spezifischer,osmotischer Gegendruck im Blut besteht. Dies giltnicht nur für die ionisierten Stoffe, sondern auchfür organische Verunreinigungen im Wasser. Hiersind u. a. besonders die pyrogenen, d. h. fiebererzeu-genden Stoffwechselprodukte derMikroorganismengefährlich. Aus diesem Grunde muss die Qualitätdes Dialysewassers hohen Ansprüchen genügen.

GrenzwerteVerschiedene Verordnungen und Standards legenGrenzwerte als Mindestanforderung an die Was-serqualität fest (⊡ Tab. 8.3):▬ Der Standard der amerikanischen Gesellschaft

Association Advancement for Medical Instru-mention (AAMI) legt die Mindestanforderun-gen zur Wasserqualität für die Hämodialyseund die Hämodiafiltration fest.

▬ Im Rahmen der EU-Normierung soll der AA-MI-Standard demnächst auch in einer ISO/IEC-Norm festgeschrieben werden.

▬ Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV.) gibtdie Wasserqualität nicht nur in chemischer,sondern auch in biologischer Hinsicht an.

Auch wenn diese Vorgaben von denWasserwerkeneingehalten werden, sind immer noch Stoffe undVerunreinigungen im Wasser enthalten, die sichteilweise auf den Dialysepatienten schädlich aus-wirken können:▬ Geringe Salzanteile▬ Metalle▬ Organische Komponenten▬ Gelöste Gase und Kolloide▬ Partikel und Mikroorganismen.

Mikrobiologische Anforderungen an dasDialysewasserIn den vergangenen Jahren sind zu den Anforde-rungen an die anorganische (= chemische) Qua-lität des Wassers für die Dialyse die mikrobiolo-gischen Standards deutlich gestiegen. Dies liegtbesonders an der inzwischen weiten Verbreitungvon Dialyseverfahren mit hochpermeablen Mem-branen und der Gefahr der Rückfiltration vonDialysat in das Blut. Noch entschiedener muss aufhochreines Wasser geachtet werden, wenn es nichtnur zur Herstellung von Dialysat, sondern auchzur Bereitung des direkt dem Patienten infun-dierten Substituates dient. Dies ist bei der Online-Hämodiafiltration oder der Online-Hämofiltrationder Fall (� Kap. 12). Nicht nur für die Kontamina-tion mit intakten, vermehrungsfähigen Bakteriensind daher Grenzwerte festgelegt worden, sondernauch für die pyrogenen, also fieber- und entzün-dungsauslösenden Bestandteile der Bakterienzell-wände, die beim Zerfall von Bakterien entstehen.Sie werden Endotoxine genannt. Eine Übersichtüber die gültigen Grenzwerte gibt die folgendeTabelle (⊡ Tab. 8.4).

Dialysekonzentrate.HochreinesWasser ist ebensofür die Herstellung von Dialysekonzentraten erfor-derlich. Die Konzentrate werden von verschiede-nen Herstellern angeboten und mit reinem Wasserverdünnt. Die Inhaltsstoffe der Konzentrate werdenauch in Pulverform angeboten, das dann entspre-chend den Vorgaben mit hochreinem Wasser ge-mischt wird. Hierbei ist die Wasserqualität ganz

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8.3 ·Wasseraufbereitung für die Hämodialyse8117

⊡Tab. 8.3. Auszüge aus Grenzwertfestlegungen zurWasserqualität

Parameter [mg/l] Grenzwerte der TrinkwV. vom 5.12.1990 AAMI-Standard

Aluminium 0,2 0,01

Ammonium 0,5 0.2

Arsen 0,001 0,005

Blei 0,04 –

Chlorid 250 –

Chrom 0,05 0,014

Cyanid 0,05 –

Eisen 0,2 –

Fluorid 1,5 0,2

Kalium 12 8

Kalzium 400 2

Kupfer 3 0,1

Magnesium 50 4

Mangan 0,05 –

Natrium 150 100

Nitrat 50 2

Nitrit 0,1 –

Phosphat 6,7 –

Quecksilber 0,001 0,0002

Sulfat 240 100

Zink 5 0,1

pH-Wert 6,5–9,5

Leitfähigkeit 2000 mS/cm

Vorgaben für die mikrobiolo-gische Qualität

Koloniezahl Agar-Gelatinebei 20 °C 100/mlbei 36 °C 100/mlE-coli und coliformeKeime negativ

Keimzahl < 200 CFU/mlEndotoxine < 5 lU/ml

⊡Tab. 8.4. Standards für die mikrobiologische Qualität von Dialyseflüssigkeiten.KBE = koloniebildende Einheiten der Bakterien

Standard Dialysewasser (meist durch Umkehr-osmose hergestellt)

Dialyseflüssigkeit

KBE/ml Endotoxin KBE/ml Endotoxin

Europäische Pharmacopoe (1997) ≤ 100 ≤ 0,25 lU/ml Keine ≤ 0,5 lU/ml

Arbeitskreis für angewandteHygiene in der Dialyse (1998)

≤ 100 ≤ 0,25 lU/ml ≤ 100 ≤ 0,25 lU/ml

Schwedische Pharmacopoe (1997) < 100 < 0,25 lU/ml < 100 < 0,25 lU/ml

AAMI (1996) ≤ 200 Keine Angaben ≤ 2000 Keine Angaben

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118 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

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entscheidend, da sich besonders Bakterien raschin bicarbonathaltigem Konzentrat vermehren undEndotoxine produzieren.

8.3.4 ModerneWasseraufbereitungsverfahren

Die Wasseraufbereitungsverfahren sind den gestie-genen Anforderungen an die Wasserqualität ange-passt worden. Die Anwendung von Membrantech-nologien, wie sie in der Umkehrosmose eingesetztwerden, hat die früher gebräuchlichen Vollentsal-zungsanlagen und Mischbettfiltersysteme weitge-

hend abgelöst. Die Vielzahl der möglichen Metho-den der Wasseraufbereitung mit ihren Vor- undNachteile werden in ⊡ Tab. 8.5 zusammengefasst.

Die Umkehrosmose wird wegen ihrer großenBedeutung in ihrem Funktionsprinzip ausführli-cher dargestellt. Sie ist heute das dominierendeVerfahren zur Herstellung von Dialysewasser.

UmkehrkosmoseDie umgekehrte Osmose stellt das ökonomischsinnvollste neueste Verfahren zur Wasseraufberei-tung dar, das 90–99% aller Inhaltsstoffe des Was-sers zurückhalten kann. Über einen Mechanismus,welcher sich vom Ionenaustausch- oder Aktivkoh-

⊡Tab. 8.5.Methoden derWasseraufbereitung

Methode Prinzip Vorteile Nachteile

Destillation Verdampfung und Kon-densierung durch Küh-lung desWasserdampfes

Entfernt nahezu alle Verun-reinigungenWiederverwendbar

Einige Verunreinigungen kön-nen ins Kondensat gelangenHoher Wartungs- und Pfle-geaufwandHoher Energieverbrauch

Ionenaustausch(⊡Abb. 8.2)

Salzaustausch und/oderSalzentfernungmittelsAustauscherharzen

Entfernt wirksam gelösteanorganische StoffeRegenerierbarNiedrige Anschaffungskosten

Partikel, Pyrogene und Bakte-rien werden nicht entferntHohe Betriebskosten

Adsorption Anlagerung verschie-denster Stoffe auf Aktiv-kohlefilter (zumeist inVerbindungmit anderenMethoden)

Entfernt gelöste organischeVerbindungen und ChlorHohe Standzeiten(hohe Kapazität)

Kann pyrogene Stoffwechsel-produkte(»carbon fines«) erzeugen

Filtration Sammlung vonVerun-reinigungen auf einemwasserdurchlässigenFilter

Entfernt alle Partikel undMikroorganismen, die größerals die Filterporen sindNahezu wartungsfrei

Gelöste anorganische Stoffe,Pyrogene und Kolloide werdennicht entferntNicht regenerierbar

Ultrafiltration Halbdurchlässiger Ultra-filter als Molekülsieb

Hält nahezu alle Partikel undMikroorganismen zurück, diegrößer als die angegebeneMolekülgröße sindLiefert sehr reines Wasser mitgeringem Energieaufwand

Gelöste anorganische Stoffewerden nicht zurückgehalten

Umkehrosmose(⊡Abb. 8.3a,b)

Filtration gegen den os-motischen Druck durcheine halbdurchlässigeMembran

Entfernt nahezu alle Verun-reinigungen, auch gelösteStoffeGeringer Wartungsaufwand

Begrenzte Flußrate

UV-Bestrahlung Keimabtötung durchhochfrequente Lichtwel-len (UV-C-Licht)

Effektive hygienische Be-handlungOxidation von organischenVerbindungen

Partikel, Kolloide und Ionenwerden nicht entfernt

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8.3 ·Wasseraufbereitung für die Hämodialyse8119

leprinzip grundsätzlich unterscheidet, lassen sichbei der Umkehrosmose sowohl Salze als auch orga-nische Komponenten abtrennen.

Das Prinzip basiert auf der von dem BotanikerPfeffer 1877 beobachteten Erscheinung; in einemGefäß (Pfeffer-Zelle), in dem ein Lösungsmittelund eine Lösung durch eine Membran getrenntsind, stellt sich auf der Lösungsmittelseite einDruck ein. Voraussetzung dafür ist die Semiper-meabilität der Membran:▬ Undurchlässigkeit für den gelösten Stoff,▬ Durchlässigkeit für das Lösungsmittel (⊡ Abb.

8.2a,b).

Es handelt sich um das Phänomen der Osmose.Die Umkehrosmose hingegen zwingt das Lö-

sungsmittel, entgegen der Richtung seines Verdün-nungsbestrebens zu fließen, d. h. der Gehalt des

gelösten Stoffs im Lösung enthaltenden Gefäßteilwird erhöht.

Zu den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten derUmkehrosmose zählen See- und Brackwasserent-salzung, Abwasserreinigung oder die Anreiche-rung industrieller Zwischen- oder Endprodukteaus Lösungen auf kaltem Wege.

In Umkehrosmosen für die Wasseraufberei-tung zu Dialysezwecken wird unter hohem DruckLeitungswasser in Module gepumpt, die die halb-durchlässigen Membranen enthalten. Übersteigtder ausgeübte Druck den natürlichen osmotischenDruck des unreinen Wassers, kann ein Teil desWassers die Membran passieren. Das entstehendeWasser wird Permeat genannt. Die Membran hältnahezu alle Inhaltsstoffe des Wassers zurück, diemit dem verbleibenden Wasser weggespült wer-den. Umkehrosmosen sind besonders gut zur Her-stellung vonWasser für Dialysezwecke geeignet, dasie in der Lage sind, einen sehr hohen Prozentsatzder im Wasser enthaltenen Verunreinigungen zu-rückzuhalten. Es werden auch keine Chemikalienfür eine Regeneration benötigt, die Gesundheits-schäden hervorrufen könnten. Die meisten Mem-branen, die in Umkehrosmosen eingesetzt werden,sind aus synthetischen Materialien hergestellt, diebiologisch unverträgliche, weite pH-Bereiche tole-rieren. Umkehrosmosemodule werden als spiral-förmig gewickelte Flach- und Hohlfasermembra-nen hergestellt.

Heutige Praxis der Wasseraufbereitungfür die DialyseHerzstück einer jeden Wasseraufbereitung inDialyseeinrichtungen ist die Umkehrosmose. DieUmkehrosmose liefert eine ausreichende Rein-wasserqualität. Vorgeschaltet werden aber weitereFilter, die die Belastung des in die Umkehros-mose eingespeisten Wassers an Schwebstoffenzum Schutz der empfindlichen Module bereitsvorab reduziert. Das Rückhaltevermögen derUmkehrosmose ist gerade zur Entfernung kleins-ter Verunreinigung geeignet und stellt somit denletzten Schritt nach der groben Vorreinigung mitFiltern dar.

Der Enthärter ist die zweite Komponente, umdie die Umkehrosmose in jedem Fall ergänzt wer-⊡Abb. 8.2. Prinzip der Osmose (a) und der Umkehrosmose (b)

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120 Kapitel 8 · Zusammensetzung von Dialysat und Substitutionslösung, Wasseraufbereitung für die Dialyse

8

den muss. Er sorgt durch Ionenaustausch für dieReduktion von Kalzium und Magnesium, die dieWasserhärte ausmachen.

Stufen der Wasseraufbereitung▬ Filtration▬ Enthärtung▬ Umkehrosmose.

FiltrationUnlösliche Substanzen werden durch Filtration ausdem Wasser entfernt. Ein Filter lässt das Wasserungehindert durchfließen, während sich die Par-tikel im oder auf dem Filtermaterial ansammeln.Die Effektivität eines Filters ist durch seine Poren-größe in μ (1/1000mm) und die maximale Durch-flussmenge in l/min festgelegt.

Die EnthärtungDie Härte des Wassers wird hauptsächlich durchKalzium- und Magnesiumsalze verursacht. DieEinteilung des Trinkwassers in Härtegrade erfolgtnach seiner Gesamthärte gemessen in °dH (Graddeutscher Härte). Daten zur Wasserhärte liefertdas örtliche Wasserwerk.

Die Härte des Wassers kann beseitigt wer-den, wenn die Kalzium- und Magnesiumionenim Ionenaustausch durch Natriumionen ersetztwerden.

Funktionsablauf in einem EnthärterIn einem Tank befinden sich kleine Kunstharz-körnchen, die negativ geladen sind. Sie könnenKationen (positiv geladene Teilchen) binden undwieder abgeben oder selektiv gegen andere austau-schen. Vor Beginn der Enthärtung wird der Tankmit Salzsole durchströmt, dabei wird das Harz mitNatriumionen beladen. Während des Betriebs wer-den die Härtebildner Ca2+ und Mg2+ gegen die andas Harz gebundenen Natriumionen ausgetauscht(⊡ Abb. 8.3). Wenn alle Na+ gegen Ca2+- und Mg2+-Ionen ausgetauscht sind, ist die Kapazität des Ent-härters erschöpft, es ist kein weiterer Austauschmehr möglich. Zur Regeneration wird erneut Salz-sole durch den Enthärter geleitet und das Harzbettwieder mit Na+ beladen.

UmkehrosmoseDas Prinzip wurde bereits ausführlich dargestellt(⊡ Abb. 8.2a,b).

In letzter Zeit verwendet man häufig zusam-mengesetzte Membranen aus Polyamid/Polysul-fon als Wickelmembranmodul. Dieses Modulbesteht aus einer spiralförmig um ein Druckrohrgewickelten Polyamid-Polysulfon-Membran, diemit Stützgittern versehen ist. Ein Teil des Wassersfließt durch den hohen Druck als Permeat (Rein-

⊡Abb. 8.3. Hämodialyse mit steriler Dialysierflüssigkeit. (Mit freundlicher Genehmigung von Gambro Medizintechnik)

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8.3 ·Wasseraufbereitung für die Hämodialyse8121

wasser) durch die Membran, während der Restder eingespeisten Menge mit den zurückgehalte-nen Verunreinigungen als Konzentrat die Memb-ranoberfläche überströmt und zum Abfluss fließt.▬ Der Betriebsdruck wird durch eine Druck-

erhöhungspumpe zwischen 8 bar und 25 bargeregelt.

▬ Die Permeatleistung eines Moduls ist abhän-gig vom Druck. Je größer der Druck, destogrößer die Ausbeute. Der Anstieg ist linear.Mehrere Module sind je nach erforderlicherPermeatmenge eingebaut.

▬ Eine Temperaturerhöhung um ein Grad desEingangswassers ergibt eine Steigerung derAusbeute um 3 %.

Das Osmosewasser oder Permeat wird schließlichüber die Versorgungsleitung, meist eine Ringlei-tung, zur Dialysatherstellung an die Dialyseplätzetransportiert.

! Eine gute Permeatqualität ist eine wichtigeVoraussetzung für eine gute Dialysequalität.

Von den Herstellern für Wasseraufbereitungsan-lagen wurden in den letzten Jahren beträchtlicheAnstrengungen unternommen, um die Permeat-qualität zu verbessern. Dies sind z. B.:▬ Totraumfreie Hochtemperaturmembranen und

Anlagenteile▬ Anlagen aus Edelstahl▬ Ringleitungen aus Edelstahl oder PVDF▬ Automatische Heißreinigung der Anlage und

der Ringleitung▬ Doppelumkehrosmoseanlagen▬ Impulsrückspülung der Osmosemodule.

Überwachung der WasseraufbereitungVon größter Bedeutung für die Sicherheit der Pa-tienten ist eine störungsfreie Wasserenthärtung,die ebenfalls durch ein Messmodul (Farbskala)erfasst wird und täglich abgelesen werden muss.Regelmäßig muss der Erhärter regeneriert werden,damit er seine Kapazität behält.

Die Anforderungen an die Desinfektion derAnlage – einschließlich der Permeat-Ringleitung– sind spezifisch durch den Hersteller geregelt.Intermittierend ist in der Regel eine chemische

Desinfektion erforderlich, die manuell gestartetwird und deren korrekte Durchführung ebenfallsdokumentationspflichtig ist.

Die Betriebszeiten der Umkehrosmose und da-mit der kontinuierlichen Zirkulation von Permeat(=Reinwasser) wird üblicherweise programmiert,so dass sie bereits vor dem morgendlichen Ein-treffen des Personals und in Koordination mit denebenfalls programmierbaren Vorbereitungsschrit-ten der einzelnen Dialysemaschinen beginnt.

Die Wasseraufbereitungsanlage ist ein sensibleszentrales Element jeder Hämodialyseeinheit undbedarf einer ständigen Überwachung und War-tung, damit es nicht zu einem Abfall der Wasser-qualität mit negativen Folgen für den Patientenkommt.

Hierzu gehört eine Leckageüberwachung, dersogenannte »Wasserwächter«, der einen unvorge-sehenen Austritt von Wasser aus dem Kreislauf mitenormen Wasserumschlagsmengen anzeigt. DerWasserverbrauch wird an Wasseruhren angezeigtund sollte an jedem Dialysetag monitorisiert wer-den. Vor Eintritt des Rohwassers in die Umkehros-mose muss meist eine Druckminderung des Stadt-wasserdrucks erfolgen. Ein Manometer überwachtdiesen Arbeitsschritt.

BeispielEine hygienische Katastrophe in einer Dialyse-einrichtung im Norden Brasiliens hat die Bedeu-tung der Umkehrosmose für die Dialysewasser-aufbereitung schlaglichtartig aufgezeigt. 140Dialyepatienten erkrankten und 60 von ihnenverstarben an einer Intoxikation durch Micro-cystin, einem von Blaualgen produzierten Toxin.In dem Rohwasserspeicher der betroffenenDialyseeinheit war es zu einer massenhaftenVermehrung der Blaualgen (sog. Wasserblüte)gekommen, und das Toxin wurde von keinerder eingesetzten Filtersysteme zurückgehalten.Es konnte ins Dialysat und von dort in das Blutder Patienten gelangen. Nur der Einsatz einerUmkehrosmose, der hier unterblieben war,hätte das Microcystin aus demWasser entfernenkönnen.