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1 Winfried Röser: Ethik schülernah unterrichten: Sterben & Tod © Auer Verlag Didaktisch-methodische Hinweise Im nächsten Teilbereich über Sterben und Tod stehen ethisch umstrittene Themen im Mittel- punkt der Betrachtung, zu denen Menschen je nach Wissen, (religiöser) Einstellung und Inten- tion teils widersprüchliche Meinungen vertreten. Im Einzelnen handelt es sich um die Problem- felder Todesstrafe (S. 8 – 11) Suizid (S. 12 – 19) Hierbei handelt es sich um keine natürlichen Prozesse, die zum Tod führen, sondern um von Menschen herbeigeführte oder unterstützte Handlungen, die das sofortige Ende des Lebens nach sich ziehen. Für die Schüler dieser Altersstufe bedeutet die Auseinandersetzung mit diesen Problemfeldern eine besondere Herausforderung. Konfrontiert mit solchen Fragestellungen im täglichen Leben suchen sie häufig nach Anhaltspunkten für eine begründete eigenständige Meinung. Auf der einen Seite benötigen die Schüler grundlegende und notwendige Informationen, um sich ein fachlich fundiertes Wissen anzueignen, auf der anderen Seite spielen die Prägung durch Fami- lie und Freundeskreis sowie deren ethische Sichtweisen eine für die Meinungsbildung wesentli- che Rolle. Intention dieses Teilbereiches ist es daher, den Schülern diesen Spagat bewusst zu machen und sie so zu einer eigenen fundierten wie emotionalen Einstellung zu führen. Wesentliche Prinzipen der unterrichtlichen Auseinandersetzung müssen sein, dass keine Schü- ler zu einer Meinung gezwungen wird und andere konträre Meinungen zu achten und akzep- tieren sind. Dabei ist es durchaus gewollt, dass im Laufe des unterrichtlichen Prozesses die Ausgangsposition jedes einzelnen Schülers kritisch hinterfragt und mit den neu erworbenen Kenntnissen abgeglichen wird. Ein Moralisieren oder erhobener Zeigefinger würde diese Inten- tion unterlaufen. Dabei sollte auch der den Unterricht begleitende Lehrer seine Einstellung den Schülern gegenüber begründen und als eine mögliche Meinung in den Raum stellen. Im methodisch-didaktischen Bereich bieten sich für die Realisierung der grundlegenden Ziele besondere Schritte an: Sachliche Informationen ohne Wertung wie Abklärung der Rechtslage oder Definitionen, Einzelschicksale als Aufhänger, um Informationen zu verdeutlichen und auf Probleme hinzuweisen, Gespräche und Diskussionen (pro – kontra) zu unterschiedlichen Sichtweisen, Karikaturen zum kritischen Reflektieren, Betroffenheit wecken durch Hineinversetzen in die vorgegebene Situation, Entscheidungen fällen und begründen. Obige Schritte bedeuten auch, dass sich ein Schüler nicht nur als „Einzelkämpfer“ sehen darf, sondern als Mitstreiter bei gruppendynamischen Prozessen wie Partnerarbeit oder Kleingrup- penarbeit. Hierbei wird auf die sprachliche Auseinandersetzung der Themen wie auf die kriti- sche Hinterfragung der angebotenen Lösungen besonderer Wert gelegt. Ethische Konflikte: Suizid & Todesstrafe Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

Didaktisch-methodische Hinweise Ethische Konflikte: Suizid

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lagDidaktisch-methodische Hinweise

Im nächsten Teilbereich über Sterben und Tod stehen ethisch umstrittene Themen im Mittel-punkt der Betrachtung, zu denen Menschen je nach Wissen, (religiöser) Einstellung und Inten-tion teils widersprüchliche Meinungen vertreten. Im Einzelnen handelt es sich um die Problem-felder • Todesstrafe (S. 8 – 11)

• Suizid (S. 12 – 19)

Hierbei handelt es sich um keine natürlichen Prozesse, die zum Tod führen, sondern um von Menschen herbeigeführte oder unterstützte Handlungen, die das sofortige Ende des Lebens nach sich ziehen.

Für die Schüler dieser Altersstufe bedeutet die Auseinandersetzung mit diesen Problemfeldern eine besondere Herausforderung. Konfrontiert mit solchen Fragestellungen im täglichen Leben suchen sie häufig nach Anhaltspunkten für eine begründete eigenständige Meinung. Auf der einen Seite benötigen die Schüler grundlegende und notwendige Informationen, um sich ein fachlich fundiertes Wissen anzueignen, auf der anderen Seite spielen die Prägung durch Fami-lie und Freundeskreis sowie deren ethische Sichtweisen eine für die Meinungsbildung wesentli-che Rolle. Intention dieses Teilbereiches ist es daher, den Schülern diesen Spagat bewusst zu machen und sie so zu einer eigenen fundierten wie emotionalen Einstellung zu führen.

Wesentliche Prinzipen der unterrichtlichen Auseinandersetzung müssen sein, dass keine Schü-ler zu einer Meinung gezwungen wird und andere konträre Meinungen zu achten und akzep-tieren sind. Dabei ist es durchaus gewollt, dass im Laufe des unterrichtlichen Prozesses die Ausgangsposition jedes einzelnen Schülers kritisch hinterfragt und mit den neu erworbenen Kenntnissen abgeglichen wird. Ein Moralisieren oder erhobener Zeigefinger würde diese Inten-tion unterlaufen. Dabei sollte auch der den Unterricht begleitende Lehrer seine Einstellung den Schülern gegenüber begründen und als eine mögliche Meinung in den Raum stellen.

Im methodisch-didaktischen Bereich bieten sich für die Realisierung der grundlegenden Ziele besondere Schritte an:

• Sachliche Informationen ohne Wertung wie Abklärung der Rechtslage oder Definitionen,

• Einzelschicksale als Aufhänger, um Informationen zu verdeutlichen und auf Probleme hinzuweisen,

• Gespräche und Diskussionen (pro – kontra) zu unterschiedlichen Sichtweisen,

• Karikaturen zum kritischen Reflektieren,

• Betroffenheit wecken durch Hineinversetzen in die vorgegebene Situation,

• Entscheidungen fällen und begründen.

Obige Schritte bedeuten auch, dass sich ein Schüler nicht nur als „Einzelkämpfer“ sehen darf, sondern als Mitstreiter bei gruppendynamischen Prozessen wie Partnerarbeit oder Kleingrup-penarbeit. Hierbei wird auf die sprachliche Auseinandersetzung der Themen wie auf die kriti-sche Hinterfragung der angebotenen Lösungen besonderer Wert gelegt.

Ethische Konflikte: Suizid & Todesstrafe

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Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

SELBSTMORDWer trägt die Schuld?

STERBEHILFE Ethisch vertretbar?

Deutscher Ethikrat warnt vor Suizid-hilfe – Bundesver-waltungsgericht urteilt, dass bei unerträglichem Leidensdruck der Erwerb tödlich wirken-der Arzneien nicht verwehrt werden darf.

TODESSTRAFE

Warum töten wir Menschen, die Menschen töten,

um zu zeigen, dass es unrecht ist, Menschen zu töten?

SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH

Was ist höher zu bewerten: dasSelbstbestimmungsrecht der Schwan-geren oder die Schutzverpflichtung gegenüber dem Ungeborenen?

TATSACHEN – FRAGEN – ASPEKTE

In Politik und Gesellschaft – wie auch im privaten Bereich – gibt es etliche Problemfelder über die Beendigung des Lebens, die immer wieder zu Diskussionen über ethische Konflikte führen, die teil-weise sachlich, aber auch sehr emotional ausgetragen werden.

A Schreibe deine persönlichen Ansichten in den freien Kasten rechts.

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1.1 Weichenstellerfall – Darf, kann oder muss der Tod von Menschen in Kauf genommen werden, um andere Menschen zu retten? (1)

Durch Gedankenexperimente soll versucht werden, sich einer möglichen Antwort mithilfe einer konkreten Situation – die so im Alltag vorkommen könnte – zu nähern.

In Anlehnung an den Weichenstellenfall von Hans Welzel entsteht folgende Ausgangssituation:

Der Weichenstellerfall:

Der diensthabende Weichensteller der Bahn entdeckt, dass hinter einer U-Bahnweiche mehrere Personen auf dem linken Gleis mit Wartungsarbeiten beschäftigt sind. Errei-chen oder kontaktieren kann er die Arbeitenden nicht mehr. In wenigen Sekunden pas-siert die U-Bahn die Weiche. Stellt er die Weiche um, fährt die Bahn rechts. Aber auch dort arbeitet ein Mann kurz hinter der Weiche auf dem Gleis …

Ich unternehme nichts und überlasse alles dem Zufall. Ich stelle die Weiche nach rechts und rette mehreren Menschen das Leben. Ich stelle die Weiche nach rechts und „opfere“ einen für mehrere. Ich mache nichts, da das Töten eines Menschen ein absolutes Tabu ist. Ich habe ein besseres Gefühl, wenn ich mehrere Menschen retten kann.

A1 Versetze dich in die Lage des Weichenstellers. Wie würdest du spontan entscheiden? Hake das entsprechende Kästchen ab und begründe deine Antwort.

Ein anderes Beispiel:

Ein Mann beobachtet an einem Bahnsteig, wie ein heranrasender Zug fünf Kinder ge-fährdet, die auf den Gleisen spielen. Ein dickleibiger Mann wartet am Bahnsteigrand auf seinen Zug. Würde der Mann den Wartenden auf das Gleis stoßen, könnte der Zug noch gestoppt werden und die Kinder wären gerettet.

A2 Erkläre, worin hier die Zwangslage (Dilemma) besteht. Welche Grundwerte sind dabei ange-sprochen? Nenne mögliche Handlungsalternativen.

1. Gedankenexperimente

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1. Gedankenexperimente

1.1 Weichenstellerfall – Darf, kann oder muss der Tod von Menschen in Kauf genommen werden, um andere Menschen zu retten? (2)

Hinter diesen Gedankenexperimenten steht folgendes moralisches Problem:

Der Mensch hat auf der einen Seite die Pflicht, zu helfen und Leben zu retten.Es gilt aber auch das moralische Tabu, Menschen bewusst zu töten (oder auch nur zu schädigen).

Soll ich den Wartenden auf die Gleise stoßen, um fünf Kinder zu retten?

Argumente pro Argumente kontra

• Der Tod des Einzelnen ist nicht Mittel zum Zweck, sondern unbeabsichtigte Folge, d.h. ich stoße den Mann auf das Gleis, um fünf Kinder zu retten, aber nicht um ihn zu töten.

• Die moralische Pflicht zur Hilfeleistung wiegt schwerer als die eintretenden Folgen.

• Es treten in der Summe weniger negative Konsequenzen auf, d.h. es stirbt nur ein Mensch anstatt mehrerer Menschen.

• Ja, wenn ich gewähren lasse, was sowieso geschehen wird.

• Auch zur Erreichung eines guten Zweckes ist das Töten eines Menschen tabu.

• Der Tod als Folge meines Handelns ist in

jedem Fall abzulehnen.

• Man kann die Anzahl der Menschen-leben nicht gegeneinander aufrechnen.

• Nein, wenn ich selbst aktiv gegen einen Menschen vorgehen muss.

A3 a. Welchen Argumenten stimmst du zu? Streiche diejenigen durch, die du ablehnst.

b. Begründe deine Auswahl.

c. Vergleiche deine Meinung mit der deines Nachbarn – könnt ihr euch einigen?

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1.2 Darf ein entführtes Passagierflugzeug abgeschossen werden?

Oft führen politisch, religiös oder gesellschaftlich motivierte Taten zu teils emotionalen Diskussio-nen. Auch in der Politik wird – vor allem nach Terroranschlägen – offen darüber diskutiert, ob in einer besonderen Gefahrenlage das „Opfern“ unschuldiger Menschen zu rechtfertigen ist, wenn dadurch andere (meist in einer höheren Anzahl) gerettet werden können.

Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York mit über 3 000 Toten setzte in Deutschland folgende Diskussion ein: Darf ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abge-schossen werden, um massive Anschläge mit vielen Toten zu verhindern? Und darf dabei in Kauf genom-men werden, dass die im Flugzeug befindlichen un-schuldigen Passagiere zu Tode kommen?

A1 Wie bewertest du spontan das Dilemma: Das Passagierflugzeug abschießen und Menschen bewusst töten oder dem Schicksal ohne einzugreifen seinen Lauf lassen?

Auch die Bundesregierung reagierte auf die Terroranschläge und verabschiedete 2005 ein erweitertes Luftsicherungsgesetz. Hierin heißt es:

Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt wird erlaubt, wenn das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll und der Abschuss das einzige Mittel zur Abwehr dieser Gefahr darstellt.

Viele Bürger befürworteten dieses Gesetz, andere wehrten sich dagegen. Es kam zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und dieses stellte in seinem Urteil fest:

Der absolute Schutz der Menschenwürde jedes Einzelnen hat Vorrang. Artikel 1 des GG – die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt – macht es unmöglich, auf Grundlage einer gesetzlichen Ermäch-tigung unschuldige Menschen in einer derart hilflosen Lage zu töten.

A2 Erläutere die Aussage des Luftsicherungsgesetzes und die Antwort des Bundesverfassungs-gerichtes mit deinen Worten.

1. Gedankenexperimente

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1. Gedankenexperimente

1.3 Rollenspiel: Abschuss eines Passagierflugzeugs erlauben oder verbieten?

Ausgangssituation: Ein mit 85 Passieren besetztes Flugzeug ist nach gewaltsamer Tötung des Flugkapitäns von Terroris-ten gekapert worden. Diese haben das gesamte Flugpersonal und die Passagiere in ihrer Gewalt. Das Flugzeug wird inzwischen vom Co-Piloten gesteuert, der nach Anweisungen der Terroristen weiter-fliegt. Aus Gesprächsfetzen, die der Co-Pilot mitgehört hat, ist ihm klar geworden, dass die gekaperte Maschine als lebende Bombe auf ein noch unbekanntes Ziel gerichtet wird, um eine große Anzahl von Menschen zu töten. Dies hat der Co-Pilot einem Kontrollzentrum weitermelden können. Es besteht Funkkontakt zum Co-Piloten. Die Terroristen lehnen bisher jeden Kontakt ab.

Im spontan gebildeten Krisenstab werden die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens ausgelotet: vom Abwarten bis zum Abschuss des vollbesetzten Passagierflugzeugs.

A a. Bildet Vierergruppen, verteilt die Rollenkarten, sucht weitere Argumente und macht eigene Überlegungen (ca. 10 Minuten).

b. Spielt die Krisenstabssitzung in eurer Gruppe durch (ca. 10 Minuten) und fasst am Ende einen Entschluss.

c. Diskutiert anschließend die Folgen der unterschiedlichen Beschlussfassungen in der Klasse.

Experte für Luftsicherheit • Kurs auf München ausgerichtet

• Abfangjäger in höchster Alarmbereitschaft warten auf Startbefehl, können Maschine in ca. 45 Min. erreichen

• Maschine zum Abdrehen bewegen

• Abschuss androhen

• Militärflughafen in München räumen

• Suche nach „günstiger“ Abschussstelle

Gemäßigter im Krisenstab • Verhandlungsversuche anbieten

• Bewusste Falschmeldung an Terroristen leiten: Zielobjekte sind evakuiert

• Leben können nicht gegeneinander aufge-wogen werden

• Hoffnung bis zur letzten Minute

• Rechtsstaat hat das Leben Unschuldiger zu schützen (s. aktuelles Urteil des Bun-desverfassungsgerichts)

• Abschuss ist Mord

Vorsitzender des Krisenstabes • Fasst Kenntnisse zusammen

• Betont die Ernsthaftigkeit der Situation

• Nennt mögliches Ziel des Anschlages: München (Stadion, in dem ein Länderspiel stattfindet, oder ein zentraler Platz)

• Nennt eine Zeitspanne von ca. 90 Min.

• Versucht, mit den Terroristen in Kontakt zu treten

• Möchte die Bevölkerung nicht unnötig be-unruhigen; warnt vor Panik

• Zieht Evakuierung von Stadion, Plätzen und öffentlichen Gebäuden in Erwägung

Hardliner im Krisenstab • Okay zum Start der Abfangjäger

• Auftrag: Flugzeug zum Abdrehen zu bewe-gen bzw. zur Landung auf Militärflugplatz

• Ultimatum stellen bei Misserfolg: Abschuss der Maschine

• Terroristen dürfen Ziel auf keinen Fall erreichen

• Opfern von Menschen, um eine größere Anzahl zu retten

• Flugzeuginsassen sind sowieso dem Tod preisgegeben

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2.1 Sollte die Todesstrafe wieder eingeführt werden? (1)

Nach mehrtägiger Suche wurde die als vermisst gemeldete 8-jährige Bärbel in einem schwer zu-gänglichen Waldstück tot aufgefunden. Bärbel war gequält, sexuell missbraucht und anschließend erwürgt worden. Aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung konnte ein Bekannter der Familie als mutmaßlicher Täter verhaftet werden. Natürlich ist dieses Geschehen Hauptgesprächsstoff bei der abendlichen Feierabendrunde im dorfeigenen Wirtshaus.

Benni: Die Polizei hat den Täter wahrscheinlich geschnappt. Hoffentlich können sie ihn auch über-führen.

Tom: Bestimmt, man hat ja eine DNA-Spur gefunden, die auf den Typ hinweist. Karl: Wenn der es war, sage ich nur: Lebenslang hinter Gitter. Dirk: Lebenslag, um dann nach 15 Jahren wegen guter Führung wieder frei zu kommen? Nein, für

dieses Verbrechen muss die Todesstrafe her.Tom: Ich schließe mich an. Was gibt es Schlimmeres, als ein unschuldiges Mädchen aus sexuel-

len Gründen zu quälen und zu töten? Benni: Langsam Leute, noch steht der Festgenommene als Täter nicht fest. Und die Todesstrafe,

das geht schon gar nicht.Dirk: Die abzuschaffen, war ein großer politischer Fehler. Tom: Was abgeschafft wurde, kann auch wiedereingeführt werden. Im demokratischen Amerika

gibt es doch auch die Todesstrafe. Karl: Ich gebe Benni Recht, …

A1 a. Welche Argumente für und gegen die Todesstrafe werden hier genannt? Sammle sie in der Tabelle.

Für die Todesstrafe Gegen die Todesstrafe

b. Wie denkst du über den Fall? Ist die Forderung nach der Todesstrafe gerechtfertigt? Notiere deine Meinung.

Meine Meinung:

2. Todesstrafe

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2. Todesstrafe

2.1 Sollte die Todesstrafe wieder eingeführt werden? (2)

Im weiteren Verlauf des Gespräches im Wirtshaus wurden auch grundsätzliche Argumente für und gegen die Todesstrafe genannt. Hier sind einige Auszüge:

A2 a. Ordne die Argumente dem Pro- oder Kontra-Lager zu. Schreibe hinter das jeweilige Argument P (pro) oder K (kontra).

b. Führt anschließend zu zweit das Streitgespräch zwischen Befürwortern und Gegnern der Todesstrafe weiter, indem ihr die obigen Argumente sinnvoll verwendet oder eigene einbaut.

• Schon in der Bibel heißt es: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

• Die Anzahl der Staaten, welche die Todesstrafe erlauben, wird von Jahr zu Jahr geringer.

• Im 5. Gebot heißt es: Du sollst nicht töten!

• Wer tötet, ist selbst ein Mörder.

• Passieren in Ländern mit Todesstrafe weniger Verbrechen?

• Die Gefahr des Missbrauchs der Todesstrafe ist groß.

• Todesstrafe ist die einzige gerechte Sühne für eine schlimme Tat.

• Jeder Täter muss die Chance zur Reue und Wiedergutmachung erhalten.

• Durch das Grundgesetz wurde 1949 nicht ohne Grund die Todesstrafe abgeschafft.

• Todesstrafe bedeutet Schutz des Volkes vor möglichen Wiederholungstätern.

Karl: Ich gebe Benni Recht, die Todes-strafe ist in der Bundesrepublik aus gutem

Grunde nicht erlaubt.

Dirk: Wenn wir die Todesstrafe hätten, wären viele Täter abgeschreckt.

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2.2 Darf der Staat über menschliches Leben verfügen?

Todesstrafe ist die von einem Gericht ausgesprochene Strafe für ein Verbrechen im Sinne eines im Strafgesetzbuch festgelegten Tatbestandes.

Artikel 102 des deutschen Grundgesetzes besagt: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“

2017 gab es in der gesamten Staatengemeinschaft der Erde noch 56 Staaten, in denen die Todes-strafe beibehalten und angewandt wurde.

Nach offiziellen Angaben, z. B. von Amnesty International, wurden 2017 mindestens 993 Menschen weltweit hingerichtet; nicht enthalten sind die Hinrichtungen in China, da die Todesstrafe dort ein Staatsgeheimnis ist. Menschenrechtsorganisationen setzen sich seit vielen Jahrzehnten für die Ab-schaffung und Ächtung der Todesstrafe ein.

A1 Trage die Fakten zur Todesstrafe zusammen.

A2 Amnesty International ist der Meinung, dass Staaten, welche die Menschenrechte achten, nicht gleichzeitig die Todesstrafe verhängen und vollstrecken können. Erkläre ihre Argumentation.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Artikel 3:Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

2. Todesstrafe

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2. Todesstrafe

2.3 Todesstrafe – eine begründete Entscheidung

These 1: Wer die Menschenrechte nach innen und außen vertritt, kann nicht gleich zeitig für die To-desstrafe sein, denn die Menschenrechte sind unteilbar. Sie gelten für jeden Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Verhalten.

These 2: Wer die Todesstrafe verhängt, der sollte diese auch selbst (persönlich) vollstrecken und nicht die Ausführung auf andere Menschen übertragen.

These 3: Früher war alles besser.

These 1 These 2 These 3 (Karikatur)

Inhalt: Inhalt: Inhalt:

Diskussionspunkte: Diskussionspunkte: Diskussionspunkte:

A1 Sprecht in Partnerarbeit über die drei Thesen. Auf welche Problemstellung wird jeweils hingewiesen?

A2 Notiere abschließend deine persönliche Meinung zum Thema Todesstrafe:

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3.1 Suizid – Warum beenden Menschen vorsätzlich ihr Leben?

Der frühere Begriff des „Selbstmordes“ wird heute nicht mehr benutzt, sondern durch das Wort Suizid ersetzt. Menschen, die sich selbst das Leben nehmen, sind keine Mörder im strafrechtlichen Sinne, sondern wählen diesen Schritt meist in höchster seelischer Not als letzten verzweifelten Ausweg.

Im Jahr 2015 nahmen sich durchschnittlich bezogen auf 100 000 Einwohner 12,5 Menschen das Leben. Das bedeutet, dass jährlich mehr als 10 000 Menschen durch Suizid sterben, etwa das Zehn-fache umfasst die Suizidversuche. Die Dunkelziffer ist hoch und nicht abzuschätzen. Im Einzelnen:

Altersgruppe: 90 Jahre und mehr: 37,4 Personen85 – 89 Jahre 33 Personen80 – 84 Jahre 27,6 Personen 75 – 79 Jahre 22,3 Personen 70 – 74 Jahre 19,7 Personen 65 – 69 Jahre 14,1 Personen 25 – 29 Jahre 8,1 Personen 20 – 24 Jahre 6,9 Personen 15 – 19 Jahre 4,7 Personen

Die Suizidrate steigt mit wachsendem Alter.

Die Suizidrate ist bei Männern dreimal so hoch.

90 % aller Suizide sind die unmittelbare Folge psychischer Erkrankungen.

Alkoholismus spielt in fast 50 % aller Suizide eine Rolle.

(Daten entnommen: Statista, das Statistik Portal; www.statista.com.)

A Interpretiere die genannten statistischen Daten in deinen eigenen Worten.

3. Suizid

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3. Suizid

3.2 Welche Signale deuten auf einen möglichen Suizid hin? (1)

Als Adrians Eltern diesen zerknüllten Zettel auf seinem Schreibtisch fanden, hatte sich dieser be-reits von der Autobahnbrücke in die Tiefe gestürzt. Als Reaktion auf seinen Suizid haben betroffene Hauptpersonen folgende Gedanken festgehalten:

Ich bin am Ende – Ich kann nicht mehr – Mein Leben hat keinen Sinn mehrGeld habe ich genug, aber keine Zuwendung. Der einzige Mensch, mit dem ich sprechen konnte, hat mich verlassen. In der Schule geht alles den Bach runter. Verzeiht – aber ich sehe keinen anderen Ausweg!

Vater: Ich verstehe es nicht!

Welche Blamage, mein Sohn springt freiwillig in den Tod. Dabei hatte er das Leben doch noch vor sich. Er hatte alles, was er sich wünschen konnte: Egal, ob einen Roller oder die besten Klamotten, ob Geld fürs Kino oder zum Feiern, ob Urlaub oder aufwendige Frei-zeit, er brauchte nur zu fragen – ich habe es ihm ermöglicht.

Dass mit der fehlenden Zuwendung ist überzogen. Ich arbeite nun mal hart, damit es der Familie gut geht. Dazu gehört auch Arbeiten bis tief in die Nacht oder am Wochenende. Das hatte Adrian noch nicht kapiert: Wohlstand ja, Anstrengung nein! Das musste ich ihm sagen und ich habe es ihm letzte Woche gesagt. Er war einsichtig und versprach Besse-rung, mehr Fleiß in der Schule und weniger Feiern.

Vorgestern bat er um ein Gespräch, spätabends, ich war gerade heimgekommen. Ich sagte ihm: „Heute nicht, dafür haben wir den Sonntag.“ Ungläubig hat er mich angesehen. Dieser Blick geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich konnte doch nicht ahnen, dass es so wichtig für ihn war …

Mutter: Ich verstehe es nicht!

Adrian springt von der Brücke und nimmt sich das Leben. Öfter hatte er die Autobahn-brücke erwähnt und gesagt, dass diese eine gute Möglichkeit sei, wenn sich jemand das Leben nehmen wollte. Bei der Höhe kann gar nichts schief gehen. Ich habe gelächelt und geantwortet: „Kein Mensch muss sich das Leben nehmen, es gibt immer eine bessere Alternative.“ Dass mit der Zuwendung stimmt nicht. Trotz meiner Berufstätigkeit habe ich mich immer um ihn gekümmert. Ich habe gekocht, gewaschen und gebügelt. Jeden Sonn-tag saßen wir gemeinsam beim Mittagessen und erzählten uns von der vergangenen Wo-che. Er hatte die Chance, mit uns über alles zu sprechen. Natürlich musste auch ich ihm manchmal sagen, dass es heute für ein Gespräch ungünstig ist.

Ich habe erst durch den Zettel erfahren, dass seine Freundin Schluss mit ihm gemacht hat. Vielleicht hat ihn das so stark getroffen …

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3.2 Welche Signale deuten auf einen möglichen Suizid hin? (2)

Freundin: Ich verstehe es nicht!

Adrian und ich waren einige Wochen fest zusammen. Aber das Leben mit dir, Adrian, war nicht einfach. Immer wolltest du Action, ich lieber einen romantischen Abend zu zweit. Oft wolltest du mich rumkriegen, aber ich war noch nicht dazu bereit. Um mich zu beeindru-cken, hast du mit anderen Mädchen geflirtet, auch aus meiner Klasse. Gleichzeitig hast du mir gesagt, dass du nur mich liebst.

Du hast recht. Ich habe dir oft zugehört und versucht, deine Sorgen zu verstehen. Aber immer hast du den Augenblick bestimmt, wann reden angesagt war. Und meine Rat-schläge – ich hatte das Gefühl, dass sie dir eigentlich egal waren. Erinnerst du dich noch, als es um meine letzte Mathearbeit ging? Ich wollte üben, weil ich mindestens eine Vier brauchte. Du hast dich lustig gemacht und bist zum Feiern gegangen. Bin ich jetzt schuld, weil ich gemerkt habe, dass mein Leben mit dir keine Zukunft hat? Genau das habe ich dir letzte Woche gesagt …

Lehrer: Ich verstehe es nicht!

Adrian, einer meiner besten Schüler, war fahrig und unmotiviert, aber intelligent genug, um die Schule locker zu schaffen; auch wenn es, wie er sagte, im Moment „den Bach runterging“. Das ist in dem Alter normal und ich bin sicher, dass er sich wieder berappelt hätte.

Er vermittelte stets den Eindruck, dass er über den Dingen stehe und alles im Griff hätte. Beklagt über irgendetwas hatte er sich nie. Er hat auch kein Gespräch gesucht oder Pro-bleme angedeutet. Ich kann nur so viel sagen: Die Schule war es mit Sicherheit nicht, die ihn zu diesem Schritt geführt hat. Da müssen andere Faktoren wie Familie oder Umfeld eine Rolle gespielt haben …

A1 Suche in den Kommentaren der betroffenen Personen Charaktereinschätzungen über Adrian und mögliche Gründe für seinen Suizid.

Vater:

Mutter:

Freundin:

Lehrer:

3. Suizid

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3. Suizid

3.2 Welche Signale deuten auf einen möglichen Suizid hin? (3)

Gleichrangig mit der Frage: Warum hat er oder sie sich das Leben genommen? Ist die zweite Fragestellung: Warum habe ich nichts bemerkt?

Solche Fragen lassen sich im Nachhinein viel einfacher beantworten als in der konkreten Lebens-situation. Trotzdem sind sich die Experten einig, dass suizidgefährdete Menschen Signale an ihre Umwelt aussenden und damit auf ihre Probleme hinweisen möchten.

Hat sich der Betroffene seine Gedanken nicht anmerken lassen?

Habe ich wegen seiner Privatsphäre zu viel Rücksicht genommen und wollte mich nicht einmischen?

Bin ich bei meinen Versuchen, auf Signale einzugehen, getäuscht worden oder auf Abwehr gestoßen?

Solche Signale können sein:

• depressive Stimmung, keinen an sich heranlassen• Einsamkeit mit oder ohne freiwillige Isolation• leicht zu kränken• sich nur noch als Belastung für andere und die Umwelt wahrnehmen• offene oder versteckte Suizidgedanken bis hin zu konkreten Plänen• wahnhafte Gedanken und Ideen• plötzliche Stimmungs- und Verhaltensänderungen (erst depressiv, dann

verschlossen, ruhig)• äußeres Abschließen mit dem Leben (verschenkt Dinge, schreibt Abschiedsbriefe,

besucht andere Menschen, um sich zu verabschieden)

A2 Welche Verhaltensweise können auf einen suizidgefährdeten Menschen hinweisen? Verdeutliche durch ein konkretes Beispiel.

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Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

3.3 Warum beenden Menschen vorsätzlich ihr Leben? (1)

Es lassen sich viele Ursachen benennen, die Menschen zu einem Suizid bewegen können. Psychische Erkrankungen wie Depressionen gelten dabei als Hauptursache, meist in Verbindung mit anderen Faktoren:

ScheidungEinsamkeit

Liebeskummer

finanzieller Ruin Zukunftsangst

unerträgliche Schmerzen

überhöhte

Erwartungen

Furcht vor Versagen

mangelnde Zuwendung

Verlust des Partners

fehlende

Lebensperspektive

aussichtslose Krankheitsprognosen

körperliche Gewalt

A1 Ordne die oben stehenden Begriffe in die Tabelle ein.

Innere Ursachen Äußere Ursachen

Charlotte ist seit zwei Jahren geschieden. Sie hat die Tren-nung von ihrem Mann bisher nicht überwunden, der sie wegen einer jüngeren Frau verlassen hat. Das ständige Grübeln über die Gründe führt bei ihr zu Schlafstörungen und Selbstvorwürfen. Der Hass auf ihren Ex-Ehemann wächst genauso wie das Bedürfnis, ihm alles heimzuzah-len. Charlotte beginnt zu trinken. Der Alkohol tröstet sie in der ersten Zeit über ihre Einsamkeit hinweg. Verfliegt der Alkohol, steigern sich ihre Ängste und Schuldvorwürfe. Sie ist bei ihrer Arbeit unkonzentriert und ihr unterlaufen viele vermeidbare Fehler. Eine Abmahnung ihres Betriebes ignoriert sie. Ihr wird immer deutli-cher, dass ihr geschiedener Mann Schuld an ihrem Unglück hat. Als sie ihre Kündigung erhält, redet sie sich ein, dass ihr Ex dahinterstecken müsste. Keine Arbeit, d.h. der finanzielle Ruin, ein Leben auf der Straße, all das malt sich Charlotte in ihren langen schlaflosen Nächten aus. Kurz bevor sie ihre Wohnung aufgrund einer Kündigung verlassen soll, nimmt sie Schlaftabletten.

A2 Erkläre den Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und anderen Faktoren anhand des dargestellten Falles.

3. Suizid

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Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

3. Suizid

3.3 Warum beenden Menschen vorsätzlich ihr Leben? (2)

Gespräch eines Suizidgefährdeten mit sich selbst.

Mein Entschluss steht fest. Ich mach s. Die Tablettenschachtel liegt bereit. Ich fühle mich erleichtert.

Erleichtert? Bist du dir sicher? Ich sehe die Sache anders.

Du weißt doch, wie verzweifelt ich bin, dass ich nicht mehr weiterweiß, dass in meinem Dasein alles sinnlos ist, dass ich nur noch eine Last für alle darstelle.

Jetzt hör auf, dass ich nicht lache. Hilfe kannst du bekommen, aber du Idiot blockst ja alles ab.

Ich möchte ihr Mitleid nicht; ich möchte nicht zum Reden gezwungen werden.

Mitleid? Dein Bruder z. B. macht sich ernsthaft Sorgen um dich; er will dir helfen, aber du spielst den Clown.

Klar, sonst merkt der doch, wie scheiße es mir geht. Ich gebe mich ganz cool, obwohl ich total down bin.

Meinst du nicht, du solltest ihm eine Chance geben? Du weißt genau, wie oft er versucht hat, mit dir ins Gespräch zu kommen. Du weißt, dass gerade er geduldig zuhören kann und sich viel Zeit mit dir lässt.

Ja, aber …

Nichts aber, er hat die Wahrheit verdient!

Wahrheit ist gut. Was soll ich ihm sagen? Hallo, hier sind meine Tabletten. Ich werde sie alle auf einmal schlucken.

Meinst du eigentlich, es geht da nur um dich? Überlege, was dein freiwilliger Entschluss für ihn bedeutet.

Das weiß ich genau. Er wird froh sein, dass er sich nicht mehr mit mir belasten muss. Er kann frei und entspannt wei-terleben.

Entspannt? Das glaubst du doch selbst nicht. Die Frage nach dem „Warum?“ wird ihn ein Leben lang nicht mehr loslassen.

Ernsthaft?

Ja, und ich sage dir auch, es gibt immer einen besseren Weg als den Freitod zu wählen. Wenn morgen dein Bruder kommt, dann …

A3 Um welche Fragen geht es in dem Gespräch? Stelle die unterschiedlichen Denkweisen in folgender Tabelle gegenüber.

Das erste Ich Das zweite Ich

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Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

3.4 Ist Suizid ethisch vertretbar? (1)

A1 Notiere deine spontane Meinung zur Karikatur und Fragestellung.

Sartre sprach davon, dass der Selbstmord nicht als das Lebensende angesehen werden kann.

Schopenhauer betonte das unbestreitbare Recht auf die eigene Person und das Leben.

Nietzsche letztlich predigte den freien Tod, der kommt, wenn ich es will.

Kant bezeichnete die Selbstentleibung als einen Mord und eine Pflichtverletzung gegen sich selbst.

So den Strick habe ich über Amazon bekommen.

Ja oder Nein, das ist jetzt alleine meine Entscheidung –

Ich kann über mein Leben selbst und frei verfügen oder nicht?

Die moralische / ethische Wertung eines Suizids ist schon immer sehr umstritten gewesen:

Bis heute ist die Frage, ob das Selbstbestimmungsrecht des Menschen für den Fall eines Suizids uneingeschränkt gilt, nicht endgültig beantwortet.

Ausweglose Situation wie Krieg, Krankheit, Bestrafung (a) Recht auf Leben – solange die Chance auf Leben besteht (b) Leiden und evtl. Tod anderer begrenzt die freie Entscheidung (c) Die Freiheit, über sich selbst bestimmen zu dürfen (d) Geburt und Tod sind naturgegebene Faktoren (e) Mein Freitod berührt keinen anderen Menschen (f) Sich selbst töten bedeutet immer morden (g)Kann strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden (h)

A2 a. Entwickle aus den gemischten Argumenten (auch der oben genannten Philosophen) eine Pro- bzw. Kontra-Karte als Hilfe für deine persönliche Entscheidung.

b. Begründe diese im Gespräch mit deinem Tischnachbarn.

3. Suizid

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Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

3. Suizid

3.4 Ist Suizid ethisch vertretbar? (2)

Letzter Versuch

Ich habe mich zu erhängen gesucht:Der Strick ist abgerissen.Ich bin in‘s Wasser gesprungen:Sie erwischten mich bei den Füßen.

Ich habe die Adern geöffnet mir:Man hat mich noch gerettet.Ich sprang auch einmal zum Fenster hinaus:Weich hat der Sand mich gebettet.

Den Teufel! ich habe nun alles versucht,Woran man sonst kann verderben –Nun werd‘ ich wieder zu leben versuchen:Vielleicht kann ich dann sterben.

Ada Christen (1839 – 1901), Pseudonym für Christiane von Breden, geb. Friederik, österreichische Dichterin, Bühnenschriftstellerin und Erzählerin

A3 a. Markiere die Suizidversuche des lyrischen Ichs im Gedicht „Letzter Versuch“. Wie fühlt sich das lyrische Ich am Ende des Gedichts? Zeichne oder schreibe in die leere Fläche.

b. Erkläre, ob es ein Aufruf für das Leben oder für das Recht auf Suizid ist.

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Ethische Konflikte zur Beendigung des Lebens

1. Gedankenexperimente (S. 4 –7)

S. 4 A2

Bewusstes Töten, ein Toter wird gegen fünf Tote abgewogen; „Dicker“ mit Kindern verglichen. Allein Anzahl entscheidend oder auch Alter der Betroffenen?

Grundwerte: Alle Menschen sind gleich; Menschen können nicht gegeneinander aufgewogen werden.

Alternativen: Schicksal entscheiden lassen / einen für die Kinder opfern / nichts machen / den einen retten.

S. 6 A2

Abschuss ist erlaubt, wenn das entführte Flugzeug als Waffe gegen weitere unbeteiligte Menschen eingesetzt werden soll und diese nur durch den Abschuss gerettet werden können.

Durch einen Abschuss würden unschuldige Menschen im Flugzeug getötet, was dem Schutz der Menschenwürde und damit des menschlichen Lebens widerspricht.

Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

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S. 7 A Vorsitzender des Krisenstabes Experte für Luftsicherheit

• Gemäßigte Position, zurückhaltend • Für Abschuss

Hardliner im Krisenstab Gemäßigter im Krisenstab

• Für Abschuss • Gegen Abschuss des Passagierflugzeugs

2. Todesstrafe (S. 8 – 11)

S.8 A1 a. Für die Todesstrafe Gegen die Todesstrafe

• Sühne für schwere Verbrechen• Endgültige Lösung, kein Verschieben• Existiert auch in Demokratien

• Lebenslange Haft• Nur mit Indizien überführter Täter• Demokratisches System

S. 9 A2 a.

• Schon in der Bibel heißt es: Auge um Auge, Zahn um Zahn. (P)• Die Anzahl der Staaten, welche die Todesstrafe erlauben, wird von Jahr zu Jahr geringer. (K)• Im 5. Gebot heißt es: Du sollst nicht töten! (K)• Wer tötet, ist selbst ein Mörder. (K)• Passieren in Ländern mit Todesstrafe weniger Verbrechen? (K) • Die Gefahr des Missbrauchs der Todesstrafe ist groß. (K)• Todesstrafe ist die einzige gerechte Sühne für eine schlimme Tat. (P) • Jeder Täter muss die Chance zur Reue und Wiedergutmachung erhalten. (K) • Durch das Grundgesetz wurde 1949 nicht ohne Grund die Todesstrafe abgeschafft. (K)• Todesstrafe bedeutet Schutz des Volkes vor möglichen Wiederholungstätern. (P)

A2 b. Mögliche Hilfestellung:Todesstrafe schreckt ab – Verbrechen sind mit Todesstrafe nicht weniger …

S. 10 A1

56 Staaten erlaubten die Todesstrafe 2017, in der Bundesrepublik Deutschland abge-schafft, Menschenrechtsorganisationen gegen Todesstrafe.

A2 Recht auf Leben gilt unveräußerlich, ohne Wenn und Aber. Steht dies in der Verfassung, ist es zu schätzen. Keinem Menschen darf dieses Recht genommen werden, auch nicht durch den Staat.

S. 11 A1 These 1 These 2 These 3 (Karikatur)

Inhalt: Menschenrechte und Todesstrafe sind nicht vereinbar.

Inhalt: Wer Todesstrafe verhängt, soll diese selbst durch führen.

Inhalt: Plädoyer für Todesstrafe (Kopf ab). Aber für wen?

Diskussionspunkte: • Verspielt ein Mensch

durch eine schlimme Straftat seine Würde?

• gerechte Strafe• Menschenrechte gelten

absolut und können nicht verspielt werden.

• Todesstrafe verwehrt Chance auf Besserung.

Diskussionspunkte:• Richter müsste Spritze

setzen.• Richter als Staats-

funktion (Gewalten-teilung)

• Staat ist keine Person.• Staat hat seine Diener.• Rechtsstaat wacht über

das Recht.

Diskussionspunkte:• Wo zieht man die

Grenze? • Welche Verbrechen /

Werden alle gleich bestraft?

• Ursachen zur Tat blei-ben unberücksichtigt.

• Es könnte auch Un-schuldige treffen.

Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

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3. Suizid (S. 12 – 19)

S. 12 A

Alte Menschen verlieren leichter die Lebenslust, Männer gehen weniger zur Therapie, …

S. 14 A1

Vater: Adrian bekam, was er materiell wollte; Zeit war knapp, Arbeit wichtig, verstand nicht den Sinn des Lebens

Gründe: fehlende Zuwendung, Gesprächswunsch nicht erfüllt

Mutter: Adrian bekam, was er brauchte, Zuwendung war da, sprach nie viel, verhielt sich zu passiv

Gründe: fraß alles in sich hinein, Freundin hat Schluss gemacht

Freundin: Adrian war ein Draufgänger, ging auf ihre Bedürfnisse nicht ein, gab ihr keine Zukunftsperspektive

Gründe: Trennung

Lehrer: Adrian war intelligent, aber unmotiviert, hatte zwar Notenprobleme, hätte diese aber locker beheben können

Gründe: Familie und Umfeld

S. 15 A2

Depression, freiwillige Isolation, Stimmungs- / Verhaltensänderungen, Suizidgedanken, …ein lebenslustiger Mensch zieht sich zurück, er lehnt jeden Kontakt ab, er sieht sich als Belastung; …

S. 16 A1 Innere Ursachen Äußere Ursachen

Zukunftsangst, fehlende Lebensperspek-tive, überhöhte Erwartungen, Furcht vor Versagen, mangelnde Zuwendung

unerträgliche Schmerzen, körperliche Gewalt, Verlust des Partners, Einsamkeit, Liebeskummer, finanzieller Ruin, Schei-dung, aussichtslose Krankheitsprognosen

A2 Zusammenhang: Charlotte wurde mit Scheidung nicht fertig, Depressionen, Schlafstö-rungen, tiefes Hineinschlittern, Alkohol als Problemlöser, Verstärkung der Depressionen, Kündigung, finanzieller Ruin, fehlende Perspektive, Rachegefühle, Tabletten

S. 17 A3 Das erste Ich Das zweite Ich

• Erleichtert, ich begehe Suizid.• Verzweifelt, nur noch eine Last.• Ich will kein Mitleid.• Ich spiele ihm etwas vor.• Keiner ist mehr belastet.• Mein Entschluss steht fest.

• Zweifel an angeblicher Erleichterung• Du lehnst alle Hilfe ab.• Bruder macht sich ernsthaft Sorgen.• Bruder hat die Wahrheit verdient.• „Warum?“ wird Angehörige mehr belasten.• Denke darüber nach.

S. 18 A2

Pro: a, d, f, h, Schopenhauer, Nietzsche Kontra: b, c, e, g, Kant, Sartre

S. 19 A3

a. / b.

Vier Suizidversuche: Alle sind gescheitert, bleibt nur weiterleben, dann gibt es irgendwann Sterben.

Aufruf für das Leben: Suizid ist keine Lösung; es gibt immer eine Möglichkeit, Hilfe zu erhalten; das Leben ist wichtiger, das Sterben kommt, wenn es an der Zeit ist.

Ethische Konflikte: Suizid und Todesstrafe

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Quellennachweis

Quellennachweis

Bild- und Textquellen:

S. 3 / 17 Pillen © OHishiapply/shutterstock.com S. 6 Militärflugzeug © MyImages - Micha/shutterstock.comS. 7/15 Flyer Hintergrund © CC0 Public domain, via pixabay,

S. 10 Hinrichtungen 2017 © Amnesty Hinrichtungen 2017, http://www.amnesty-todesstrafe.de/index.php?id=820

S. 12 Alkoholiker © Yurok Aleksandrovich/FotoliaS. 16 Geschockte Frau © patramansky/FotoliaS. 19 Ada Christen “Letzter Versuch“ ©

https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Selbstmord

Literaturverzeichnis

• Reimer Gronemeyer, Andreas Heller: In Ruhe sterben. München 2014 (Patloch Verlag)

• Georg Schwikart. Was bleibt ist die Erinnerung. Münsterschwarzach 2014 (Vier Türme Verlag)

• Dr. Nicola Maier Michalitsch, Gerhard Grunik. Leben bis zuletzt. Tod und Trauer bei Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf 2014 (Verlag bestimmendes Leben)

• Margot Käßmann. Das Zeitliche segnen – voller Hoffnung leben, in Frieden sterben. München 2014 (Verlag Random House GmbH)

• An den Grenzen des Lebens, theologische, medizinische und spirituelle Zugänge, hrsg. Andreas Bieneck, Hans-Bernd Hagedorn, Walter Koll. Neukirchen 2013 (Neukirchener Verlagsgesellschaft)

• Manuel Trachsel, Alexander Noyon. Ratgeber Lebensende, Sterben und Tod. Göttingen 2017 (Hogrefe-Verlag)

• Ernst Engelke. Die Wahrheit über das Sterben. Reinbeck 2015 (Rowohlt Taschenbuch Verlag)

• Anette Kulbe. Sterbebegleitung – Hilfen zur Pflege Sterbender. München 2008 (Urban und Fischer Verlag)

• Eva Terhorst. Ich konnte nichts für dich tun. Freiburg 2017 (Herder Verlag)

• Martina Rosenberg. Anklage: Sterbehilfe. Machen Gesetze unsere Angehörigen zu Straftätern? München 2015 (Verlag Random House GmbH)

• Heinrich Bedford-Strohm. Leben dürfen – leben müssen. München 2015 (Kösel Verlag)

• Elke Urban. Transkulturelle Pflege am Lebensende. Stuttgart 2014 (2. Auflage) (Kohlhammer Verlag)

• Hans Kessler. Was kommt nach dem Tod? Kevelaer 2014. (Butzon und Berker Verlag)

• Jürgen Domian. Interview mit dem Tod. München 2014 (Goldmann Verlag)

• Kohannes Michels. Zeichen des Himmels. Prophezeiungen, Vorsehung, Fügung. Leipzig o. J. (St. Benno Verlag)

• Auf einmal dem Himmel ganz nah. Nahtoderfahrungen. Berichte, Zeugnisse, Deutungen. Leipzig o.J. (St. Benno Verlag)

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