Upload
eugen-gerig
View
104
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Die Affektenlehre
Der Körper als Maschine
Voraussetzung: Barockzeitalter als Epoche des Rationalismus Beweisführung zentral für Argumentation Aufkommen der experimentellen Naturwissenschaft Physische Natur wird anhand mathematischer
Begriff erklärt:
Ausdehnung – Bewegung - Ruhezustand
Erklärungsmodelle
Giorgio Baglivi (1668-1707): Der menschliche Leib sei mit seinen „Chymico-Mechanischen Bewegungen“ von „Pinzipiis“ der „puren Mathematik“ herzuleiten: Zähne als Scheren, Drüsen und Eingeweide als Siebe, Brustkorb als Blasebalg
William Harvey (1578-1657): Entdeckung des Blutkreislaufs
Réné Descartes: Gesamtentwurf nach mechanischen bzw. mathematischen PrinzipienMensch und Tier funktionieren wie Automaten
Fortsetzung der Erklärungsmodelle
Descartes Maschinentheorie ermöglicht die Trennung von Erklärung der Funktionsweisen von Seele und Körper
In der „Körpermaschine“ ist des Herz der Sitz der Lebenswärme; das Herz ist bei Descartes gemäß der medizinischen Forschungsstandards seiner Zeit erfasst
Definition der „Lebensgeister“: Hirn ist der „Quellmeister“, es schafft die Bewegungen; „Spiritusverteilung“ wie Luftverteilung in einer Orgel
-> Umso mehr (feiner, schneller) die Lebensgeister, umso erregter das Gemüt
Réné Descartes
Erklärungsmodelle
Seele hat Denk- und Vorstellungsvermögen inne (und ihren Sitz im Gehirn)
Verstand mäßigt und reguliert die Leidenschaften
Descartes: Prinzipien der Philosophie Brücke zur Kompositionslehre über das Ohr/
das Hören; vergl. Schon Aristoteles, der die Schwingungen physikalisch beschrieb
Descartes Resonanzmodell
Sympathia als Erklärungsmodell für „musica moret affectus“
A) motus harmonicus (die Musik betreffend) B) Motus animae (die Seele betreffend) Für die Musik gilt: je weiter vom Einklang
der Klang entfernt, desto heftiger vermag die Musik die Lebensgeister in Bewegung zu versetzen
Frage nach Erregbarkeit/ Physiologische Beschaffenheit
Temperamentenlehre von Hippokrates
Basiert auf der Ausgeglichenheit der Säfte
I) Blut -> zu viel führt zum Sanguiniker
II) Schleim -> zu viel hat der Phlegmatiker
III) gelbe Galle -> zu viel hat der Choleriker
IV) schwarze Galle -> zu viel führt zum Melancholiker
Hippokrates
Zur Begrifflichkeit
Aus dem Bereich der Ästhetik, stammt aus dem Griechischen: affectus = pathos = Stimmung/Leidenschaft
Lehre von den Affekten urspr. eng verknüpft mit Ethik (Bsp. Spinoza, Sittenlehre)
Wichtiger Kontext: Rationalismus in Philosophie mit der Überzeugung, dass „Ordnung in der Welt herrsche“ (W. Seidel)
Kampf gegen Irrationalismus, Bemühen um rationale Erklärungen
Mattheson: Music als „Zuchtlehre“
Historische Entwicklung
Antike: Affekt als mechan. Seelenbewegung/Reaktion auf äußere Kraft (z. B. Musik)
Pythagoräer: Ordnung von Zahlengesetzen, die Weltall, Mensch und auch die Musik bestimmen
Platon in Politeia: dorisch/ernst; phrygisch/kriegerisch; lydisch/weichlich
4 Grundaffekte: Lust, Leid, Begierde, Furcht
Die Aristotelischen Affekte
Lust – Leid – Unlust als Grundeffekte
1 Begierde2 Zorn3 Furcht4 Mut5 Neid6 Freude7 Liebe8 Hass9 Sehnsucht10 Eifersucht11 Mitleid = Mischformen der drei
ursprünglichen Affekte
Musik in der Antike
Funktionen der Musik in der AntikeA) UnterhaltungB) ErziehungC) Bildung Begriff der musiké als Verbindung nicht nur
der Künste, sondern als Rückbezug zum Leben
Voraussetzung: Lehre von der Mimesis Stoa: Affekt als Störung der Seelenruhe,
Affektlosigkeit als Idealzustand
Mittelalter
Augustinus: Schönheit des Klanges aufgrund vernünftiger OrdnungMusik als Abbild des Weltalls (In: De Musica)In Confessiones: Wort Gottes steht vor der Musik
Boethius: Musica mundana (Ordnung des Kosmos; Musica humana (Leibseelenharmonie); Musica instrumentalis (klingende Musik)
Johannes Tinctoris: erstes musikal. Lexikon, Darstellung der Wirkungsweisen von Musik
Erst im 16. jhd: Dopplung von affektdarstellender und auslösender Wirkung
Zeitalter des Barock
Neuerung hinsichtlich der Affekte:
vom affectus exprimere zum affectus movere; Exprimieren heißt hier: Verdeutlichung der im Text bereits vorgegebenen Affektgehalte/ siehe hierzu die Figurenlehre; Darstellung eines Typus. Keine individuelle Spiegelung, sondern Konstruktion
Siehe hierzu: Mattheson $ 63
Affekte und ihre Darstllungsmittel
Quantz bezieht den Interpreten mit ein: der Vortrag sei „jeder vorkommenden Leidenschaft gemäß“
-> Voraussetzungen für die Wirkung der Affekte konturierte Grundaffekte (Abgrenzung
untereinander möglich) Zuordnung über naturgesetzmäßig Übereinkunft
von musikal. und menschl. Seele Reaktion unter Einbeziehung des Temperamentes Affektenlehre <-> Temperamentenlehre
Und noch einmal: Descartes
Grundaffekte bei Descartes: Verwunderung, Liebe, Haß, Begehren, Freude,
Traurigkeit; Mischungen funktionieren wie chem. Elemente
A. Kircher fokussiert die allgemeinen Affekte (Trauer und Freude), nicht diejenigen, die einem inhaltlichen Zusammenhang entnommen sind (Liebe und Hass gehören dazu)
Friedrich Wilhelm Marpurg, in den Kritischen Briefen zur Tonkunst: Klassifikation von 27 Affekten (beschreibt dies mit Blick auf die Rezitative)
Quantz bezieht die theoretischen Überlegung auf die praktische Umsetzung
Quantz zeigt auf, wie Affekte zu erkennen sind:TonartenIntervalleDissonanzenVortragsanweisungen
-> Vermischung der Charaktere in einem Stück: Zeichen der Auflösung der Barockzeit
C. Ph. E. Bach: Komponist müsse gerührt sein, um Rührung hervorzubringen; galante Stil
Zusammenfassend gilt für die Affektenlehre des Barock
Komposition evoziert Affekt durchIntervallverhältnisse in Melodik und Harmonik (‚klagende‘ fallende kleine Sekunde, ‚Trauer‘ Mollakkord und Dissonanzen)
Tempo und Takt Dynamik Klangfarbe, Artikulation, Ornamentik Lage des Instruments
(Manche Instrumente stehen für einen spezifischen Affekt)