40
Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert und einem Beitrag über religiöse Intoleranz im nichtchristliehen Bereich Herausgegeben von PETER SEGL 1993 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Inquisition

Citation preview

Page 1: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Die Anfänge der Inquisitionim Mittelalter

Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundertund einem Beitrag über religiöse Intoleranz

im nichtchristliehen Bereich

Herausgegeben

von

PETER SEGL

1993BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Page 2: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

KRONE UND INQUISITION.DAS ARAGONESISCHE KÖNIGTUM UND DIE

ANFÄNGE DER KIRCHLICHEN KETZERVERFOLGUNGIN DEN LÄNDERN DER KRONE ARAGON

Von Ludwig Vones

Odilo Engels als Homenatge zum 24. April 1993 zugeeignet

Als Papst Gregor IX. durch das Privileg Declinante iam mundiam 26. Mai 1232 Esparrec de la Barca, den als Reformer bekanntenErzbischof von Tarragona, und seine Suffraganbischöfe angesichts derzunehmenden Verbreitung häretischer Strömungen innerhalb seinerKirchenprovinz aufforderte, capere oulpeculas demolientes vineam,und sie unter Hinzuziehung der Dominikaner sowie unter Zugrund-legung der päpstlichen Ketzererlasse der Jahre 1230/31 ermächtigte,gegen die Häretiker, die der Ketzerei Verdächtigen sowie in re-ceptatores, defensores et fautores hereticorum vorzugehen, war dieentscheidende Grundlage zur Einrichtung einer Inquisition in denLändern der Krone Aragon gelegt'. Primär sollte die wichtige all-

1 Bernardino LI 0 rc a (Hg.), Bulario Pontificio de la Inquisicion espaiiola en superiodo consti~ucional (14~8-1~25) seg~n ~os fondos del Archivo Histörico Naci~nalde Madrid (Miscellanea Historiae Pontihciae 15, 1949) S. 41-44, Nr. 1; Rayrnundianaseu documenta quae pertinent ad S. Raymundi de Pennaforti vitam et scripta, hg.v.Franciscus B a Im e / Ceslaus Pa ban / Joachim Coil 0m b, in: Monumenta OrdinisFratrum Praedicatorum Historica, Bd. VII2 ( 1901) S.14-16, Nr. IX; Potthast 8932.Die Literatur zur Geschichte der Inquisition im Mittelalter ist kaum noch zu

übersehen. Einen Anlauf zur bibliographischen Erfassung unternahm bereits vor 30Jahren Emil van der Vekene, Bibliographie der Inquisition. Ein Versuch (1963);zwanzig Jahre später ließ er dann seine ,Bibliotheca bibliographic a Historiae SanctacInquisitionis', Teil 1-2 (1982-1983) nachfolgen. Für das Umfeld unserer Ausführungenist darüber hinaus zu verweisen immer noch auf Jean G u i rau d, Histoire del'Inquisition, 2 Bde. (1935-1938) sowie auf Albert Clement S ha n non, The Popesand Heresy in the Thirteenth Century (1949) bes. S.4SH.; Christinc T h 0 uze II i e r ,

Page 3: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

196 Ludwig Vones

gemeine Ketzerkonstitution von Februar 1231 zur Geltung gebrachtwerden, durch die alle Häretiker, insondcrheit die Katharer, Patarener,Waldenser, Passaginer, josephiner, Arnoldisten und Speronisten, ver-urteilt worden waren/. Obwohl der aragonesische Königjakob 1. nichteigens angesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, daß dieAusstellung des Privilegs, das die Durchführung des inquisitorialenVerfahrens in erster Linie zu einer Angelegenheit der Bischöfe machte,nicht ohne sein Einverständnis, wahrscheinlich sogar auf seine Bittehin erfolgte'. Ein Indiz für das starke monarchische Interesse stellendie Ausführungsbestimmungen dar, die dann 1234 durch den Königauf einem Provinzialkonzil in Tarragona erlassen wurden und dieHäresieverdächtigen ebenso wie ihre Begünstiger mit Ämter- und

La repression de l'heresie et les debuts de l'Inquisition, in: Augustin F I ich e - VictorM a rt i n (Hgg.), Histoire de l'£glise, Bd.l0 (1950) S. 291-340; Die s., Catharisme etValdeisme en Languedoc it la fin du XII' et au debut du XlIIe siede (1965, ND1982); Arno Borst, Die Katharer (1953, ND 1991); Yves Dossat, Les crises del'Inquisition toulousaine (1959); Henri Maisonneuve, Etudes sur les origines del'Inquisition (L'Eglise et I'Etat au Moyen Age 7, 21960); Elie Griffe, Le Languedoccathare et l'inquisition (1229-1329) (1980); Maleolm D. L am b e r t , Ketzerei imMittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus (1981) sowie neuerdings Lorhar Kolmer,Ad capiendas vulpes. Die Ketzerbekämpfung in Südfrankreich in der ersten Hälfte des13. Jahrhunderts und die Ausbildung des Inquisitionsverfahrens (Pariser HistorischeStudien 19, 1982). Immer noch von besonderem Wert: Cartulaire de Notre-Damede Prouille, precede d'une etude sur I'Albigeisme languedocien aux XIIe & XIII'siecles, hg.v. Jean Guiraud, 2 Bde. (1907). Speziell zu Arag6n: Johannes Vincke,Zur Vorgeschichte der Spanischen Inquisition. Die Inquisition in Aragon, Katalonien,Mallorca und Valencia während des 13. und 14. Jahrhunderts (Beiträge zur Kirchen-und Rechtsgeschichte 2, 1941); Der s ., Staat und Kirche in Katalonien und Aragonwährend des Mittelalters, Bd.l (1931; mehr nicht erschienen); Euferniä Fort i Cogul,Catalunya i la Inquisici6. Assaig d'un coneixement desapassionat de la instituciö (1973);Joaquin Perez Villanueva- Bartolorne Escandell Bonet (Hgg.), Historia de laInquisiciön en Espafia y America, Bd.l: El conocimiento cientifico y el proceso historicode la Institucion (1478-1834) (1984) bes. S.249ff. [Luis Su ä r e z Fe r n än d e z , Losantecedentes medievales de la instituciön],

2 Lucien Auvray (Hg.), Les Registres de Gregoire IX (1896-1955) Nr.539.Paul Fredericq (Hg.), Corpus documentorum inquisitionis haereticae pravitatisNeerlandicae, Bd.l (1889) S.76-78, Nr.79; vg!. auch S.75, Nr.76 zu 1229 um Aug.20.

3 Vi n eke, Vorgeschichte (wie Anm. 1) S. 14f. Zur Entstehung der Inquisition indiesem Raum vg!. auch Fort i Cogul, Catalunya i la Inquisici6 (wie Anm.l) bes,S.37ff.

Page 4: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 197

Besitzverlust bedrohten". Bemerkenswert ist die Zusammensetzungeiner allen Verfahren vorgeschalteten Untersuchungskommission: derzuständige Bischof durfte einen Priester oder Kleriker bestimmen,während - und hier bestand ein entscheidender Unterschied z. B. zuden Bestimmungen des für den okzitanischen Süden so bedeutsamenKonzils von Toulouse von 1229 - zwei oder drei Laien durch denKönig selbst, seinen Veguer oder den lokalen Batlle gewählt werdensollten, wodurch die königliche Mitsprache und Kontrolle gesichertwar, voraussichtlich sogar ein Übergewicht erhielt". Bei Vernachläs-sigung der Amtspflichten wurde der Geistliche durch seinen Bischofmit Pfründenverlust bestraft, die Laien hingegen entweder durch denBatlle oder den Veguer mit einer Geldstrafe belegt", Diese "betonteMitwirkung" der Königsgewalt bei der Ketzerbekämpfung hatte be-reits Johannes Vincke als Besonderheit der aragonesischen Verhältnissegekennzeichnet und geltend gemacht, daß ähnliche Kommissionenzwar auch im Languedoc vorgesehen waren, ihre Besetzung dort aberals alleinige Sache des Episkopats betrachtet wurde",

4 Ambrosio Huici Mi r an d a- Maria Desamparados Cabanes Pecourt, Do-cumentos de Jaime I de Arag6n, Bd.1: 1216-1236 (1976) Nr.212.

5 H u i c i - Cab a n es, Documentos 1, Nr. 212, S.350: Item statutmus ut in locissuspectis de beresi, in quibus episcopus viderit expedire, un us sacerdos vel clcncus abepiscopo, et duo vel tres a nobis laid vel nostro vicariovel baiulo eligantur, qui bcrcticosvel credentes et receptatores eorum in SUIS parrocbiis perquirere tcneantur. Auf derSynode von Toulouse, die unter Vorsitz des päpstlichen Legaten und unter Teilnahmeder Erzbischöfe von Bordeaux, Auch und Narbonne sowie in Anwesenheit des Grafenvon Toulouse und des Seneschalls von Carcass on ne durchgeführt worden war, hatte dieentsprechende Passage folgenden Wortlaut erhalten: Statuimus itaque ut arehiepiscopiet episeopi in singulis parochiis, tarn in civitatibus, quam extra, sacerdotem unum, etduos vel tres bonae opinionis laicos, vel plures, si opus [uerit, sacramenta constnngant,qui diligenter, fideliter, et frequenter, inquirant haereticos in eisdem parachiis "" in:Sacrorum Conciliorum nova et amplissirna collectio, hg.v, Joannes Dominicus M ans i,Bd.23 (1779) 5p.194C-D, c. 1. Zur Mitwirkung weltlicher Machtträger hcigt es dort:Soliciti etiam sicut domini terrarum circa inquisitianem baereticorum in villis, domibus,et nemaribus faciendam: et circa hujusmodi appensa, adjuncta, seu subtermneu laubula,destruenda (ebd. 5p.194E, c. III). Vg!. zu den Verhandlungsergebnissen des Konzils vonToulouse Ko Imer, Ad capiendas vulpes (wie Anm. I) S. 64ff.; zu den Befugnissen derBatlIes und Veguers als Vertreter des Königtums zu dieser Zeit siehe Jesus L a I i n Li eA bad ia, La jurisdicci6n real inferior en Cataluiia (»Corts, Veguers, Batllcs" ) (1966).

6 Huici-Cabanes, Documentos 1 (wie Anm.4) Nr.212, 5.350.7 Vi n c k e, Vorgeschichte S. 15 mit Anm. 22 (dort das Zitat).

Page 5: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

198 Ludwig Vones

Das Bestreben des aragonesischen Königtums, bei der Ketzerver-folgung eine führende Rolle zu spielen, war nicht neu. Unabhängigvon der viel diskutierten Frage, ob bereits um 1167 eine albigen-sische Kirchenorganisation im Vall d'Aran postuliert werden kann8,muß als sicher gelten, daß die pyrenäischen Grenzräume und -tälersowie vor allem der Bereich der Diözese Urgell seit der zweitenHälfte des Jahrhunderts von häretischen Strömungen berührt wordenwaren", Verstärkt wurde diese Tendenz, als die Grafschaft Roussillon,deren kirchliches Zentrum die der Metropole Narbonne unterstellteDiözese EIne war, 1172 dem Haus Barcelona inkorporiert wurdeund schließlich verwaltungsmäßig mit den Grafschaften Cerdanya undConflent zusammenwuchslv, wodurch auch eine weitere Annäherungzwischen dem nördlich und südlich der Pyrenäen ansässigen katalani-schen Adel bewirkt wurde. Ein deutliches Zeichen für die Zunahmedes Ketzerproblems war jene perpetua constitutio, durch die König

x Antoine Dondaine, Les actes du concilc albigeois de Saint-Felix de Caraman.Essai de critique d'authenticite d'un document medieval, in: Miscellanea GiovanniMercati, Bd.S: Storia ecclesiastica - Diritto (Studi e Testi 125, 1946) S. 324-355 (Druckder Akten S.32M.; danach wird zit.); die Authentizität der Akten ablehnend: Louisde Lacger, L'Albigeois pendant la crisc de l'Albigeisme. L'episcopat de GuilhemPeire, 1185-1227, RHE 29 (1933) 5.272-315, 586-633, 849-904; skeptisch bis hin zurAblehnung: Yves Dossat, Remarques sur un pretendu eveque catha re du Val d'Aranen 1167, in: Bulletin Philologique (1955-1956; ersch. 1957) S. 339-347; Der s., Aproposdu concile cathare de Sainr-Felix: les Milingues, in: Cathares en Languedoc (Cahiers deFanjeaux 3,1968) S.201-214; Franjo 5 anjek, Le rassemblement heretique de Saint-Fclix-de-Caraman (1167) et les eglises cathares au XIII" siecle, RHE 67 (1972) S. 767-799(Druck der Akten mit frz. Übers. S. 771-779 nach Guillaurne Be s se, Histoire des dues,marquis et comtes de Narbonne, 1660, S. 483-486); R. I.Moo re, Nieetas. Emissaire deDragovitch, a-t-il traverse les Alpes?, Annales du Midi 85 (1973) S. 85-90. Entschiedenfür die Echtheit der Konzilsakten tritt ein Bernard H a m i It 0 n, The Cathar Council ofSaint-Felix reconsidered, Archivum Fratrum Praedicatorum 48 (1978) S. 23-53; er bietetS.51-53 ebenfalls einen Abdruck der Akten (nach Besse).

9 Jordi Ve n t u ra i 5 ubi rat s, La Valdesia de Catalufia, Boletin de la RealAcademia de Buenas Letras [Barcelona]29 (1961-1962) 5.275-317.

10 Vgl. die grundlegenden Studien zur verfassungsrechtlichen Entwicklung desöstlichen Pyrenäenraums von Odilo Engels, Abhängigkeit und Unabhängigkeit derSpanischen Mark, in: Der s ., Reconquista und Landesherrschaft. Studien zur Rechts-und Verfassungsgeschichte Spaniens im Mittelalter (1989) S.3-49, bes. S.43ff.; De rs.,Schutzgedanke und Landesherrschaft im östlichen Pyrenäenraum (9.-13. Jahrhundert)(1970) 5.286.

Page 6: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 199

Alfons 11. im Oktober 1194, also zehn Jahre nachdem Papst Lu-cius Ill. seine bekannte Dekretale Ad abolendam promulgiert hatte!",nach dem Vorbild seiner Vorgänger, unter Beachtung der kanonischenRechtsbestimmungen und vielleicht mit der Formulierungshilfe despäpstlichen Kardinallegaten Gregor von Sant' Angelo alle Häretiker,insbesondere die Waldenser sive sabatatos, qui et alia nomine se vacantpauperes de Lugduno, als öffentliche Feinde bis zum kommendenAllerheiligenfest seiner Kronländer verwiesl-, die zu dieser Zeit imKern das Königreich Arag6n und die Grafschaft Barcelona umfaßten.Aufnahme und Begünstigung sollten ebenso wie der Besuch der Ket-zerpredigten durch Konfiskation des Besitzes geahndet und wie einMajestätsverbrechen behandelt werden, Aktionen gegen die Häretikerstraflos bleiben, wenn sie nicht zum Tode oder zur VerstümmelungFührten!'. Bereits vier Jahre später sah sich allerdings König Peter 11.als Nachfolger seines Vaters gezwungen, die Ketzerkonstitution unterVerwendung und Verschärfung des alten Textes zu erneuern und imFebruar 1198 die Vertreibung aller Häretiker bis zum Ostersonntagzu verfügen, da offensichtlich die Maßnahmen Alfons II. nicht gegrif-fen [rattert!". Besitzkonfiskation und Verbrennung wurden als Strafen

11 Zu Ad abolendam siehe außer Helmut G. Wal the r, Häresie und päpstlichePolitik: Ketzerbegriff und Ketzergesetzgebung in der Übergangsphase von der De-kretistik zur Dekretalistik, in: The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th_13thCentury). Proceedings of the international conference Louvain, may 13-16, 1973, hg.v.W. Lourdaux/D. Ve r h e l s t (Medievalia Lovaniensia I 4,1976) S.104-143, bes.S. 124ff. neuerdings Peter Die hi, ,Ad abolendam' (X 5.7.9) and imperial legislationagainst heresy, Bulletin of Medieval Canon Law N.S. 19 (1989) S. I-li.

12 Jaime Marques Casanovas, Alfonso 11 el Casto y la Seo de Gerona,in: VII Congreso de Historia de la Corona de Arag6n. Cr6nica, Ponencias yComunicaciones, Bd.2: Comunicaciones a las Ponencias I a VII (1962) S. 218-219, Nr.IV.Zur Anwesenheit des Gregor von Sant' Angelo siehe Pietro Zer bi, Papato, Impero

Respublica Christian a" dal 1187 al 1198 (Pubblicazioni dell'Universita Cattolicae "del S. Cuore, Nuova Serie 55, 1955) S. 153f. Zur Sache vg!. auch Hermann The I0 e,Die Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte derEntstehung des päpstlichen Ketzerinquisitionsgerichts (Abhandlungen zur Mittlerennd Neueren Geschichte 48,1913) S.143-145; Fort i Cogul, Catalunya (wie Anm. I)

~.3If.; Thouzellier, Catharisrne (wie Anm.l) S.134f.13 Marques Casanovas, Alfonso II (wie Anm.12) S.218.14 Petrus de Marca, Marca Hispanica sive Limes Hispanicus, hg.v. Stephanus

B aJ u z iu s (1688, ND 1972) Sp.1384-1385, Nr. CCCCLXXXVII. Zur Datierung derUrkunde, die von vielen Autoren im Anschluß an M a re a auf das Jahr 1197 gelegt wird,siehe Fort i Co gu I. Catalunya S. 282 Anm. 17, der sichJordi V e n t u r .t i Su b i ra t s ,

Page 7: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

200 Ludwig Vones

angedroht, Denuntiation durch die Übertragung eines Drittels derbeschlagnahmten Güter belohnt, Begünstigung hingegen noch härterals bisher verfolgt. Dennoch scheint auch diesmal den Aktionen keindurchschlagender Erfolg beschieden gewesen zu sein, da eine weiterekönigliche Konstitution von 1210 die Bestimmungen von 1198 erneuteinschärfen mußte'>, was vielleicht als Reaktion auf eine ErmahnungInnocenz Ill. zurückzuführen ist, die sacra lex, d.h. die Kaisergesetze,gegen die Häretiker zur Anwendung zu bringen 16. Von nicht geringerBedeutung war dabei, daß sich der Papst in der Zwischenzeit durch dieDekretale Vergentis den Standpunkt zueigen gemacht hatte, Schützerund Helfer der Ketzer in Analogie zur römischen Kaisergesetzgebungwie Majestätsverbrecher zu behandeln und mit Güterkonfiskation zubestrafen!", Gerade dem aragonesischen König hatte Innocenz Ill.1206 ausdrücklich die darauf gegründete Besitzeinziehung erlaubtt''.Da sich diese Ansicht zur fraglichen Zeit auch auf die Fürsten undihre Herrschaft erstreckte, eine Revision der Dekretale im Sinne ihrerEinschränkung auf die Ketzerbesitzungen selbst erst im Umkreis desIV. Laterankonzils und infolge der Vorgänge um Toulouse ins Auge

EIs heretges catalans (1963) S. 82, anschließt und die Entscheidung von joaquim MiretiSa n s, Boletin de la Real Academia de Buenas Letras 3 (1905-1906) S. 85, für das Jahr1198 übernimmt. Vg!. zur Sache auch Theloe, Ketzerverfolgungen S.145f.; Fort iCogul, Catalunya S.32f.; Thouzellier, Catharisme S.135f.

15 Constitucions de Cathalunya, tit. 9, lib. I: En nom de [esu Christ ..., zit. nachJordi V e n t u ra i Sub i rat s, El Catarismo en Cataluiia, Boletin de la Real Academiade Buenas Letras [Barcelona] 28 (1959-1960) S.114 (= Constitucions de Catalunya.Incunable de 1495 [1988] S. 93-95 [Lib. I, Cap. XIV] zu 1210 März 21).

16 Migne PL 216, Sp.154BC zu 1209 Nov. Allgemein zu diesen Vorstellungensiehe Ernst H. Kantorowicz, The King's Two Bodies. A Study in MedievalPolitical Theology (1957, ND 1981) und zusammenfassend Quentin S kinne r, PoliticalPhilosophy, in: Charles B. Smi t h - Quentin Skin n e r (Hgg.), The Cambridge Historyof Renaissance Philosophy (1988) S.393ff.; Kenneth Pen nin g ton, Law, legislativeauthority and theories of government, 1150-1300, in: James Henderson Bur n s (Hg.),The Cambridge History of Medieval Political Thought, c.350-c.1450 (1988) S.432ff.sowie J. P. Canning, Law, sovereignty and corporation theory, 1300-1450, ebd.S.464ff.

17 Othmar Hag e n e der, Studien zur Dekretale" Vergentis" (X. V,7,10). Ein Beitragzur Häretikergesetzgebung Innocenz' Ill., ZRG Kan.49 (1963) S. 138-173, bes. S. 145-149.

IX Demetrio M ans i II a, La documentaci6n pontificia hasta Inocencio III (965-1216)(1955) S. 367-368, Nr. 343; Pott has t 2799.

Page 8: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 201

gefaßt wurde!", eröffneten die Bestimmungen von 1194, 1197 und1210, verstärkt durch die kirchliche Gesetzgebung, eine rechtlicheMöglichkeit, gegen gesellschaftliche Schichten vorzugehen, die mithäretischen Kreisen in Kontakt standen.

Eine weitere Möglichkeit, solche Schichten zu eliminieren, bestanddarin, sie aus der herrschenden Rechts- und Gesellschaftsordnungauszuschließen. Die Grundlage einer verfassungsrechtlichen Ordnungbildete für Katalonien jedoch die Landfriedensgesetzgebung mit ihrenPax-et-Treuga-Bestimmungen, die aus der Gottesfriedensbewegunghervorgegangen und nach der Herausbildung der Krone Arag6n zueinem Herrschaftsinstrument des Grafen-Königtums geworden war-".Nachdem schon Peter 11. während seiner gesamten RegierungszeitSchwierigkeiten gehabt hatte, seine Regierungsgewalt gegen adligeWiderstände zur Geltung zu bringen, und 1205 den katalanischenAdelsvertretern gar ein Privileg hatte gewähren müssen, das von derVerfassungsgeschichtsschreibung als carta magna gewertet wird:", ge-riet das aragonesisch-katalanische Herrschaftsgefüge nach dem tragi-schen Tod des Königs und der darauffolgenden, päpstlich bceintlußtcnMinderjährigkeit seines Sohnes und Nachfolgers Jakob 1. vollends insWanken22• Als der Thronfolger dennoch bereits 1218 in jugendlichemAlter die Regierung rechtlich in die eigenen Hände nehmen konnte,folgte eine zehnjährige Periode der Adelsaufstände, deren Bekämpfungnur durch die Einschärfung der Landfriedensgesetzgebung erfolgreichdurchgeführt werden konnte. Es verwundert deshalb nicht, wennin diesem Zeitraum die Ketzerbekämpfung nicht mehr wie frühergetrennt und damit intensiver durchgeführt, sondern im Rahmen der

14 Hageneder, Studien (wie Anm.17) S.152ff.20 Thomas N. Bis so n, The Medieval Crown of Aragon. A Short History (1986) bcs,

S.49ff.; Der s., The Organized Peace in Southern France and Catalonia (cl 140- 1233),in: Thomas N. Bis son, Medieval France and her Pyrcncan Neighbours. Studies inEarly Institutional History .(1989) S. 215-236. Vg!. zu diesem Problemkreis in Zukunftauch Ludwig Von es, Friedenssicherung und Rechtswahrung. Die Erhaltung desinneren Friedens im Spannungsfeld von Königshcrrschaft und Standedenken in denLändern der Krone Aragon bis zum Ausgang des Hauses Barcelona (1410) [Rcichcnau-Vortrag Frühjahr 1992; im Druck].

21 Thomas N. Bisson, An ,Unknown Charter' for Catalonia (A.D. 1205), in:Ders., Medieval France S. 199-212.

22 Zum historischen Hintergrund vg!. Ludwig Von es, Geschichte der IberischenHalbinsel im Mittelalter. Reiche - Kronen - Regionen (1993) 5.104, 113, 115f., II(),126-138 passim, wo sich auch Hinweise auf die einschlägige Literatur finden.

Page 9: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

202 Ludwig Vones

Friedenssicherung behandelt wurde. Dies geschah einfach dadurch,daß die Carts von Villafranca 1218 die hereticos manifestos et eorumcredentes atque [autores ebenso wie die Diebe, Räuber und ihre Helfervon der Pax-et- Treuga ausschlossen+', ein Verfahren, das 1225 auf denCorts von Tortosa und 1228 auf den Carts von Barcelona wiederholtwurde-t. Es scheint, als ob diese summarische Praxis nicht der kuria-len Auffassung entsprochen habe. Jedenfalls forderte ein päpstlicherLegat im November 1225 auf dem Provinzialkonzil von Bourges vonFrankreich, die Ketzergesetzgebung des IV. Lateranums verbindlicheinzuführen, und es war klar, daß dies auch auf Aragon Auswirkungenhaben mußte, die über die Wahrung der Neutralität hinausgingen25•Eine zusätzliche gemeinsame Ermahnung durch den Kardinallegatenund den französischen König veranlaßte Jakob I. dann, im April1226 ein spezielles Ketzeredikt zu erlassen, dessen Bestimmungenjedoch fast genauso allgemein gehalten waren, wie der Ausschluß vomLandfrieden-s, eine Praxis, zu der man zwei Jahre später zurückkehrte.Solchem Ansinnen konnte sich der aragonesische König, dessen Reichunter dem besonderen Schutz des Papsttums stand, kaum entziehen,und sein Wohlverhalten fand auch Belohnung, als er 1227 unter demHinweis, er sei sub speciali protectione sedis apostolice constitutum, vonGregor IX. das Privileg erhielt, nur durch den Papst selbst oder einenseiner Legaten exkommuniziert werden zu können-".

Ein Spiegelbild dieser unbestimmten Haltung stellt die Verfahrens-weise der Provinzialkonzilien dar. Selbst der päpstliche Gesandte JeanHalgrin d'Abbeville, als Kardinalbischof von Sabina betraut mit der

23 Huici-Cabanes, Documentos I (wie Anm.4) Nr.9 zu 1218]uni 24.24 H u ic i - Cab a n es, Documentos I, Nr. 67 zu 1225 April 28 (Ab hac autem pace

excludimus omnes hereticos et [autores et receptatores eorum ... ); Nr. I11 zu 1228 Dez.21 (De hac pace excludimus hereticos manifestos et eorum credentes, Jautores atquedefemores ...).

25 Claude Devic- ]oseph Vaissete, Histoire generale du Languedoc, 16 Bde.(1872-1904) hier Bd.6 (1879) Sp.593ff.; Mansi 22, Sp.1213-1220. Vgl, Maisonneuve,Etudes (wie Anm. I) S.236.

26 Huici-Cabanes, Documentos I, S.162, Nr.80; Alexandre Teulet, Layettesdu Tresor des Chartes, Bd.2 (1866) S. 75, Nr. 1758 zu 1226 April IS. Vg!. dazu Devic-Va iss e t e, Histoire generale du Languedoc, Bd.8 (1879) Sp.830-831; M ais 0 n neu v e,Etudes S.27Sf.

27 Vg!. dazu die grundlegende Arbeit von ]ohannes Fried, Der päpstliche Schutzfür Laienfürsten. Die politische Geschichte des päpstlichen Schutzprivilegs für Laien(11.-13. ]h.) (1980), der S. 330, Nr.4 das päpstliche Privileg ediert.

Page 10: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 203

Verbreitung der römischen Reformen auf der Iberischen HalbinseJ28,konnte im April 1229 auf einer Provinzialsynode in Lerida nur diePropagierung allgemeiner Maßnahmen erreichen, wobei im Falle dercorreetio subditorum das inquisitive Verfahren sogar zugunsten derpurgatio canoniea zu.r~~kgestellt wurde29: Dementsprechend fand dieEinführung des Inquisitionsverfahrens bel der Ketzerbekämpfung, wiesie auf dem Konzil von Toulouse im Herbst 1229 beschlossen werdensollte, vorerst in der Kirchenprovinz Tarragona keine Resonanz. Donwurde noch im Mai 1230 auf der Provinzialsynode von Tarragonalediglich festgelegt, daß die Häretiker und ihre Begünstiger öffentlichals Exkommunizierte erklärt werden sollten und dies besonders fürdie Diözese Urgell zu beachten sei, cum ipsa dioecesis infecta videaturhaeretica [oeduate'". Erst das beschriebene Eingreifen des Königtumssollte die härtere Gangart gegenüber den Ketzern, und dies auch nurzögernd31, vorbereiten. Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen

2R Zu Jean d' Abbeville, seiner Legation und ihrer Fernwirkung vgI. bes. PeterLinehan, The Spanish Church and the Papacy in the Thirteenth Century (1971)S.20ff., 35ff., 54ff.; Ferran Va II s - Tab ern er, Notes sobre la Icgislaci6 cclcsiasticlprovincial que integra la compilaci6 canonica Tarraconense del Patriarca d' Alexandria,Analecta Sacra Tarraconensia 11 (1935) S. 251-272; Der s., San Rarnon de Pcnyafort(Obras Sele~tas, Bd.I/2, 1953) S. 230H ..und neuerd.ings ]ohannes Fr i e.d, Bcoba.c~tung.cnzur Rezeption des Dekretalenrechts 111 Aragon, 111: Menumenta runs Canonici. SeriesC: Subsidia, Bd.9 (1992) S.505-520. Zur Laufbahn Jeans d' Abbeville vgl. Agostin(lPar a v i c i niB a g I i ani, Cardinali di Curia e ,familiae' cardinalizie dal 1227 al 1254

(1972) S.21-29.29 Josep Maria I' 0 n s Gur i, Constitucions conciliars Tarraconenses (1229-1330),

Analecta Sacra Tarraconensia 47 (1974) S. 70-92, bes. S. 76 § Ill. Zur Entstehung des In-quisitionsprozesses und der Bedeutung der purgatio canontca in diesem Zusammenhangvg!. Winfried Trusen, Der Inquisitionsprozeß. Seine historischen Grundlagen undfrühen Formen, ZRG Kan.74 (1988) S. 168-230 sowie den Beitrag desselben Verfassersim vorliegenden Band S. 39-76.

)0 Po n s Gur i, Constitucions S.93-98, das Zitat S.97 §V iHaeretici et corumfautores denuntirntur excommunicati).

31 Noch in den Akten des Provinzialkonzils von Tarragona 1239 April 18 heif~tes unter Pe re d'Albalat, dem Nachfolger Espärecs, zu den Häretikern kurz: Itemsacro approbante concilio excommunicamus baereticos, [autorcs, credcntcs et reccptatorcscuiuscumque nominis censeantur (I' 0 n s Gur i, Constitucions S. 104 §XI lnach einerHandschrift aus Tortosa]; lames A. Brundage, The provincial council of Tarragona,1239: A new text, Bulletin of Medieval Canon Law N.S. 8 [1978] S. 21-27, hier S. 27 § 14[mit leichten Varianten nach einer Handschrift aus Ripoll, ohne Berücksichtigung derEdition von Pans Guri]). Allerdings sollte Pe re bereits am 4. August 1239 anläj~licheiner Visitationsreise in Reformstatuten für die Kirche von Vic bestimmter erklären:

Page 11: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

204 Ludwig Vones

Jakob I. begann, sich mehr für die Bekämpfung der Häretiker oder,genauer gesagt, für eine Bekämpfung der Häretiker über das bisherige,von der Landeskirche praktizierte Maß hinaus zu interessieren?

In einer Reihe grundlegender, allerdings nicht immer überzeugenderStudien zur Verbreitung des Waldensertums und des Katharismus imPyrenäenraum hat der katalanische Ketzerforscher Jordi Ventura iSubirats deutlich gemacht, daß die häretischen Bewegungen ihre wich-tigste Anhängerschaft und ihre einflußreichsten Beschützer in jenenAdelskreisen gefunden haben, die durch die Nähe ihrer Besitzungenund Familienverbindungen zum Languedoc und zum Einzugsbereichder Metropole Narbonne mit den dortigen Vertretern des Ketzertumsund ihren Ideen, sei es durch Verweilen in diesen Gebieten, sei es durchdie Aufnahme von Flüchtlingen, am ehesten in direkte Berührungkommen konnten='. Zwar sind gegen Ende des 12. Jahrhunderts imkatalanischen Raum waldensische Strömungen mit Verbindungen zureinfachen Landbevölkerung sowie zu Handwerkern nachweisbar, undgerade sie werden in den Ketzeredikten der aragonesischen Königeangesprochen-', doch fanden sich die relevanten häretischen Gruppenund ihre Förderer in anderen, eben bürgerlich-kaufmännischen undinsbesonders adligen Schichten. Sie waren darüber hinaus nicht alsWaldenser, sondern als Katharer anzusprechen, nicht zuletzt weil dieEinstellung des Katharismus gegenüber Besitz- und Gewinnstreben,vor allem bei Zinsgeschäften, den Auffassungen dieser Schichten mehrentgegenkarn-". Bereiteten die städtischen Ketzergruppen indes denBischöfen tiefere Sorgen, wie wir aus den diffusen Nachrichten über

Et mandamus quod diligens fiat inquisitio contra hereticos et clericos concubinarios,secundum quod provide [uit in Terrachon. Concilio ordinatum (gedruckt bei JaimeViii a n u e va, Viage literario a las Iglesias de Espaiia 7 [1821] S. 249-251).

32 Siehe außer V e n t u ra i Sub i rat s , Valdesia (wie Anm. 9) v.a. Der s., Catarismo(wie Anm.15) S.75-168; Ders., Catarisme i Valdesia als Paisos Catalans, in: VIICongreso de Historia de la Corona de Aragon. Cronica, Ponencias y Comunicaciones,Bd. 3: Comunicaciones a las Ponencias VIII aX (1962) S. 123-134; Der s., Le catharismeen Catalogne, Cahiers d'Etudes Cathares 14 (1963) S.3-25; 0 e r s., Heretges (wieAnm.14); Ders., Pere el Catolic i Simo de Moarfort (1960) pass.

33 Ve n t u ra i Sub i rat s , Valdesia S.283ff.34 Bor s t , Katharer (wie Anm. 1) S. 86, 98, 166.

Page 12: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 205

ihre Verfolgung unter dem Pontifikat des Barceloneser Bischofs Beren-guer de Palou erfahren-", so stellten die adligen Anhänger häretischerDoktrinen mehr eine Bedrohung für das Funktionieren der vom Kö-nigtum aus gelenkten Herrschaftsausübung dar, da ihre innere Haltungdas Zusammenwirken der weltlichen und geistlichen Gewalt, ja dieGültigkeit der Herrschaftsordnung selbst, nachdrücklich in Zweifelzog.

Einer der bedeutendsten Vertreter der besagten Adelsgruppen warder Vizegraf Arnau von Castellb6, der als einflußreichster Schutzherrkatharischcr Flüchtlinge insbesondere in der Diözese Urgell angesehenwerden darf, sich mithin die hartnäckige Feindschaft der ortsansässi-gen Bischöfe zuzog, in den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts zusammenmit den Montcada und den Vizegrafen von Cabrera eine dem Kö-nigtum nicht genehme Adelspartei bildete und schließlich in engsteverwandtschaftliche Beziehungen zum ebenfalls ketzerfreundlichenGrafenhaus von Foix treten sollte'", Seit 1202 bestand der Plan einerEheschließung seiner Tochter Ermessenda mit Graf Roger BernardH. von Foix, was diesem Aussichten auf Besitzungen im Umkreisdes Seo d'Urgell (u.a. die Täler von Caboet, Sant Joan, Vallferrera,Andorra) eingetragen hätte, die aus dem Erbgut von Arnaus Gattin,Arnaua de Caboet (Cab6), stammten, obwohl es der Bischof vonUrgel1 mittlerweile verstanden hatte, allmählich die Rechte des Vi-zegrafen über die Kirchenlehen aufzusaugen, ja 1201 anläßlich einesLehnsvertrages sogar ein Heiratsverbot für die vizegräf1iche Tochter

35 Celestin Do u ais, Saint Raymond de Pefiafort et les heretiques, Directoire al'usage des inquisiteurs aragonais (1242), Le Moyen Age 12 (1899) S. 305-325, wo es zuBeginn des Manuale heißt: inquisitionem inceptam per bane memorie B[erengariumj,Barchinonensem [Sc. episcopum], contra hereticam pravitatem in civitate Barchinonie(5.315). Zum Pontifikat des Berenguer de Palou siehe Sebastiano Puig y Pu ig ,Episcopologio de la Sede Barcinonense. Apuntes para la Historia de la Iglesia deBarcelona Y de sus prelados (1929) S. 183-199.

36 Für diese politischen Zwischenbeziehungen sind nach wie vor grundlegendCharles Bau don de M 0 n y, Relations politiques des Comtes de Foix avec laCatalogne jusqu'au commencement du XIVe siede, 2Bde. (1896); Joaquim M i re t i5 ans, Investigaci6n histörica sobre cl vizcondado de Castellb6 con datos ineditos de loscondes de Urgell y los vizcondes de Ager (1900) und Santiago So b r e qu e s i Vidal,Eis barons de Catalunya (1970) S.54-57. Vg!. nun aber auch John C. S hid e l c r, AMedieval Catalan Noble Family: the Montcadas, 1000-1230 (1983) hier S. 124ff. undPere Cat a I it i Ro c a, Castellb6, expressiö d'un puixant vescomtat de frontera, in: Eiscastells catalans, Bd. VI/2 (1979) S. 1209ff.

Page 13: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

206 Ludwig Vones

ohne bischöfliche Zustimmung durchzusetzen-", Die schweren Rück-schläge, die Arnau in der Folge gemeinsam mit dem Grafen von Foix1203 gegenüber einer Koalition des durch das Heiratsprojekt in seinenRechten verletzten Bischofs mit dem in seiner Herrschaft bedrohtenGrafen von Urgell erlitt, konnten der Vizegraf, "cap del catarismecatalä", und seine katharischen Anhänger nur mit Hilfe König Peters11. überstehen'". Die Heirat kam erst 1208 kurz vor dem Tod desGrafen Ermengol VIII. von Urgell zustande, verschlechterte das Ver-hältnis zum Bischof dramatisch und führte zu massiven Repressaliender Castellb6-Foix-Allianz innerhalb der Diözese?". Zudem scheintArnau, wahrscheinlich über die Einheirat einer Schwester, mit derim Pays de Sault südwestlich von Carcassonne beheimateten undzusätzlich im Lauragais sowie im Carcasses begüterten, eigentlich derverblassenden Oberherrschaft der Trencavels unterworfenen FamilieNiort verwandt gewesen zu sein, ein weitverzweigter Familienver-band, dessen Mitglieder später als receptores haereticorum intensiver

37 Baudon de Mony, Relations politiques, Bd.l, 5.7lff., 12Iff.; Bd.2, 5.48-52,Nr.26 zu 1201 April f l, wo es 5.50 heißt: Preterea Arnalda et vir ejus Arnaldus deCastrobono Ermessen, suam communem ftliam, maritent, cum omni honore predicto,consilio episcopi et assensu, et episcopus tamen non malignetur in hoc ...; vgl, auch5.93. Die eigentliche Übertragung der Caboet-Güter auf Arnau de Castellbö als fideliset adjutor durch den Bischof von Urgell hatte 1188 stattgefunden (B a u don deMon y, Relations politiques 2, 5.91). Vgl. auch Ve n t u ra i 5 ubi rat s, Catarismo(wie Anm. 15) 5. 83ff.; Der s., Pere el Catölic (wie Anm. 32) 5. 53f.; For tiC 0 gu I,Catalunya 5.52ff.; Armand de Flu v i a, Eis primitius comtats i vescomtats de Cata-lunya. Cronologia de corntes i vescorntes (1989) 5. 169; Jean Du ve r n 0 y, L'Histoire desCathares. Le Catharisme, Bd.2 (1979, ND 1989) 5.154; Gran Encyclopedia Catalana,Bd.4 (1973) 5.586-588. Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen der Castellb6 vg!.die genealogische Tafel im Anhang; zu den Ansprüchen im Tal von Andorra siehe JoseMaria Fon tRi us, Eis origens del co-senyoriu andorra, in: Der s . , Estudis sobre dretsi institucions locals en la Catalunya medieval (1985) 5.737-757.

'" Ve n t u ra i Sub i rat s, Pere el Catolic 5. 53f., das Zitat 5. 51. Vgl, auch Bau dondeM 0 n y, Relations politiques, Bd.l, S.125ff.; Bd.2, S.52-67, Nr.27-35. Auf diekomplizierten Vertragsabsprachen des Bischofs von Urgell, des Grafen von Urgell, derGrafen von Foix und Arnaus de Castellb6 untereinander während der Jahre 1203-1206,die auch verschiedene Heiratsversprechen umschlossen, kann hier im einzelnen nichteingegangen werden.

39 Mir e t i 5 ans, Investigaci6n historica (wie Anm. 36) S. 103-106; Ve n t ur aSubirats, Pe re el Catolic 5.113.

Page 14: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 207

Verfolgung durch die Inquisition unterliegen sollten'P, Die politischeStellung Arnaus, der 1188 als Gegenleistung für die Übertragung derBurgen Sant-Marte, Queralt und Miralles in Cerdanya König Alfonsn. den Lehnseid geschworen hatte", war offensichtlich zeit seinesLebens unangreifbar, obwohl er selbst wie seine familiäre Umgebunghäretischen Praktiken zugetan war und sich konkrete Hinweise aufdas Eindringen häretischer Strömungen in diesem Teil der Pyrenäennach der Konsolidierung seiner Beziehungen zum Hause Foix seit1206 finden42• Bei seinen Auseinandersetzungen mit den Bischöfenund den Grafen von Urgell, die sich häufig um Besitzstreitigkeitenund Abgabenrechte drehten, konnte er auf die vorteilhafte königli-che Vermittlung zählen, die allerdings zumeist nur eine kurzfristigeEntschärfung der Lage zur Folge hatte'". Bemerkenswert sind dieAbtretung des königlichen Rechts, in Cerdanya die Fidelitätseide derKastellane unmittelbar entgegenzunehmen, die Peter 11. 1198 unterVorbehalt der potestas vornahm und die einem Verzicht auf die direkteLehnsbindung für die Castellb6-Burgen gleichkam, sowie die Übertra-gung der comtoria von Taus als Lehen durch den Grafen von U rgellim Jahr 120744, doch hatte er da nach dem Tod seiner Gattin kurz

40 Ve n t u ra i Sub i rat s, Catarismo S. 85ff. Zur Familie Niort und ihrem SchicksalWaiter L. W a k e f i eid, The Family of Niort in the Albigensian Crusade and beforethe Inquisition, Names 18 (1970) 5.97-117, 286-303; Der s., Heresy, Crusade andInquisition in Southern France 1100-1250 (1974) S.74f., 132f.; Griffe, Langucdoccathare (wie Anm. 1) S. 62ff., 69ff.; Ko Imer, Ad capiendas vulpes S.82ff.; Cartulaircde Notre-Dame de Prouille, Bd.I, S. CCLV-CCLVIII.

41 Bau don de M 0 n y, Relations politiques 2, S.36-40, Nr.20-22; FranciscoMi que I R 0 sell (Hg.), Liber Feudorum Maior. Cartulario real que se conscrva cncl Archivo de la Corona de Arag6n, Bd.2 (1945) S.128-132, Nr.621-623 zu 1188 Sept.

6-9.42 Du ver no y, Histoire 2 (wie Anm. 37) 5. 156ff. Bereits 1190 hatte Arnau von Graf

Ermengol VIII. die Übertragung von Puig de Asfa sowie der Burg San Vicente im Talvon Andorra erreichen können und 1196 durch die Gewährung eines Freiheitsprivilegsfür Castellb6 selbst seine Stellung entscheidend gestärkt aose Maria Fon tRi us, Cartasde poblacion y Franquicia de Catalufia, Bd.!/1 (1969) S.258, Nr. 186 zu 1190 Okt. 2und S.281f., Nr.204 zu 1196 Jan 9). Vg!. auch Font Rius, Cartas 112, S.652f. u.CartaS II (1983) S. 163,447,558,572.

43 Vg!. Baudon de Mony, Relations politiques 2, S.42-47, Nr.24-25 zu 1194August 27-28.

44 Thomas N. Bis son, Feudalism in Twelfth-Century Catalonia, in: Der s .,Medieval France (wie Anm.20) 5.153-178, hier S.162, 170, 176f. zu 1198 März 31·Ventura i Su b ir a t s , Pere cl Catolic S.50f. '

Page 15: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

208 Ludwig Vones

zuvor das Lehnsverhältnis mit dem Bischof von Urgell einschließlichder Heiratsbeschränkung für seine Tochter Ermessenda erneuerr'>,

Über seine Beziehungen zum Infanten Sancho von Arag6n, dernach dem Tod Peters 11. gemeinsam mit dem Abt Ferdinand vonMontearag6n als Reichsverweser fungierte und sich einen direktenZugriff auf die Herrschaftsgewalt sichern wollte"; scheint Arnau deCastellb6 schon früh in den engsten Umkreis des minderjährigenThronfolgers gelangt zu sein und dort eine Vertrauensstellung ein-genommen zu haben. In den Urkunden des jungen Jakob ist er häufigbei bedeutsamen politischen Entscheidungen an führender Positionmit den Cabrera und Montcada anzutreffen, taucht zuweilen sogarals consiliarius auf". Der Vizegraf von Castellb6 behielt diese Stellungam Hof auch unter der Eigenregierung Jakobs bei und pflog darüberhinaus seine Verbindungen weiter, die einst über den Infanten Sanchogelaufen waren, nur daß er nach dem Tod desselben sich umso intensi-ver dessen Sohn Nunyo Sane anschloß, der bereits zu Lebzeiten seines1223 verstorbenen Vaters die Grafschaften Roussillon und Cerdanyaerhalten und spätestens 1217 begonnen hatte, beide Grafschaften mit-tels der Beeidung der Landfriedensordnung zu nur noch vasallitisch anden König gebundenen Landesherrschaften eigener Suprematie auszu-bauerr'", Bereits für den 17. Dezember 1218 ist ein Beistandspakt zwi-schen Arnau de Castellb6 und Nunyo Sane iiberlieferr'". Der Hof desNunyo Sane wiederum - der Graf von Roussillon-Cerdanya stand inden 20er Jahren mit Guillem de Montcada, dem Verwalter Kataloniens,

45 Bau don de M 0 n y, Relations politiques 2, S.64-67, Nr. 35 zu 1206 Nov. 13.46 Zur Politik Sanchos und ihren politischen Voraussetzungen vg!. Ve n t ur a i

5 ubi rat s, Pere eI Catolic S.248ff.; 5 hid e l e r, Noble Family (wie Anm.36) pass.Zu seinen Lebensdaten allg. Josep Maria Salrach, in: Gran Encyclopedia Catalana,Bd. 13 (1979) 5. 124f.

47 Vg!. Huici-Cabanes, Documentos I, Nr.2, 3, 5, 7, 8, 9, ID (gemeinsam mitWilhelm von Montcada als consiliarii nostri), 11, 12 (unter der Zahl der consiliariorumnostrorum), 13 (unter den consiliariis nostris), 14, 15,16,18,19 (gemeinsam mit Wilhelmvon Montcada als consiliarii nostri). Vg!. auch Thomas N. Bis son, The Finances of theYoung James I. (1213-1228), in: De rs., Medieval France (wie Anm. 20) S. 351-391, bes.5. 361H. Zur Stellung des Wilhelm von Montcada, der 1219 den Titel procurator dominiregis geführt und sogar als zeitweiliger Nachfolger des Infanten Sancho von Aragongegolten haben soll, vg!. nun Shideler, Noble Family, bes. S.137ff., 147ff.

4X Eng e l s , Schutzgedanke (wie Anrn. 10) S. 268. Zu seinen Lebensdaten vg!. MiguelCoIl i A Ie n tor n, in: Gran Encyclopedia Catalana, Bd.IO (1977) S. 63 If.

49 Baudon de Mony, Relations politiques 1, 5.147f.

Page 16: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 209

Guerau de Cabrera, dem Grafen von U rgell, und Guillern de Cervera,dem königlichen Prokurator für Montpellier, in einem fortwährendenKampf um die adlige Führungsposition innerhalb des Königreichs - istals Zentrum der katharischen Strömungen innerhalb des katalanischenMachtbereichs und Hauptunterschlupf für die Flüchtlinge aus demLanguedoc anzusehen.

Unter der Vielzahl der von Ventura i Subirats namhaft gemach-ten katalanischen Adligen, die zu den Anhängern der katharischenLehre oder zumindest zu ihren Sympathisanten zahlten'", findet sichneben Raimund von Niort, einem schon von Joaquim Miret i Sansentdeckten Neffen Arnaus von Castellb6, mit Gerald ein weiteresMitglied der Familie Niort in der Umgebung des roussillonesischenGrafen51• Obwohl die Genealogie dieses Adelsgeschlechts zu Beginndes 13. Jahrhunderts alles andere als geklärt ist und vor allem Waiter L.Wakefield zahlreiche Korrekturen an den Behauptungen von Venturai Subirats anbringen konnte'v, ist von einer engen Verbindung desVizegrafen von Castellb6 und des Grafen von Roussillon-Cerdanyazu den Nachkommen jenes Guillaurne von Niort und seiner Gat-tin Esclaramunda von Laurac auszugehen, die den Hauptzweig derFamilie ausmachten. Sie hatten mindestens sechs gemeinsame Söhne:Bernhard Ott, Gerald, Guillaurne Bernhard, Guillaume, Uzalger undRaimund, von denen die meisten zur Führungsschicht der Häretikerzählten oder zumindest enge Verbindungen dazu unterhielten'". Alleinschon von der Güterpolitik her betrachtet, müssen die Erzbischöfe vonNarbonne, hervorzuheben ist zuvorderst Pierre Amiel, der währendseines Pontifikats zwischen 1225 und 1245 am meisten unter Übergrif-fen zu leiden hatte, sich aber auch am nachhaltigsten mit kirchlichenStrafmitteln zur Wehr setzte, als entschiedene Gegner dieses Familien-clans gelten, da der Besitz des Hochstifts tief in die Niort- Territoricn

50 Ventura i Subirats, Catarismo (wie Anm.15) S.91ff., 95ff. (er behandeltdort Ramon de Josa del Cadi, Pere de Fenollet, Oliver de Termes, Robcrt de Castoll-Roussillon, Ramon de Malloles, Bernat Guillem de Claira, Arnau de Mudahons, dieHerren von Vilar, Bernat cl'Ali6, Hue de Saissac, Pone de Vernet, den Gatten der Blancade Caramany, Ot de Parerstortes samt ihren Familien).

51 Bei Ve n t u r aiS ubi rat s, Catarismo S.96 fälschlich als Guillaumc de Niortidentifiziert. Vg!. M i re t is a n s, Investigaci6n historica (wie Anm. )6) pass.; W a k e-field, Family of Niort (wie Anm.40) S.101 mit Anm.17.

52 Wa kef i e l d , Family of Niort, bes. S. 101H., 107ff., 290ff.53 Wa kef i e 1cl, Family of Niort S. 98ff.; Ko Imer, Ad capiendas vulpes S. fulf.

Page 17: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

210 Ludwig Vones

hineinreichte>', Jener Raimund von Niort, der als Neffe Arnaus vonCastellb6 mit einer Marqueze, einer Tochter aus einer seit vier Gene-rationen der Häresie verfallenen Familie, verheiratet war, scheint indeseher einer Nebenlinie angehört zu haben, muß als Vetter der Niort-Söhne angesehen werden, hatte aber starke Affinitäten zu den Grafenvon Toulouse und Foix'>. Der erwähnte Gerald wiederum taucht um1219 als Veguer des Nunyo Sane in Cerdanya sowie Conflent aufund war mit seiner Schwester Sanca verheiratet=. Esclaramunda, eineHalbschwester des Grafen Roger Bernat H. von Foix und als glühendeAnhängerin häretischer Lehren bekannt, wurde wiederum von ihremBruder dem Bernat d' Alia, dem Erben einer der begütertsten Familienin Cerdanya, Donezan und Capcir, zur Gattin gegeben, um mitdemselben sowie mit seinem Bruder Arnau de S6 einen Ausgleichzu erreichen'", Die damit verbundene Rückgabe einst den Brüdernvon Peter H. entfremdeter und dem Grafen von Foix übertragenerGüter und Vizegrafschaften - darunter die Orte Evols und Estavarsowie das Gebiet des Donezan - unter gleichzeitiger Anerkennungder Oberhoheit des Nunyo Sane ließ hier eine mächtige Koalitionzusammenwachsen58• Ohne an dieser Stelle die weitverzweigten ge-nealogischen Einzelheiten eines miteinander verflochtenen Kranzeskleiner Adelsherrschaften im Umfeld der alten Grafschaften Cerdanyaund Razes ausbreiten zu können, steht nach den Untersuchungen vonVentura i Subirats und Jean Duvernoy trotz mancher Ungenauigkeitenfest, daß in den gemeinsamen Umkreis der Grafen von Foix und desNunyo Sane, zu dem die dem Ketzertum verbundenen AdelsfamilienTermes, die nach 1225 den häretischen Bischof von Razes stellen sollte,

54 Wakefield, Family of Niort 5.109ff.; Ch.-V. Langlois, Rouleaux d'arrets dela Cour du roi au XIII' siecle (1887) 5. 16.

55 W akefie Id, Family of Niort 5. 289ff. Vg!. auch die Zeugenaussagen bei CelestinM. Do u ais, Documents pour servir a I'histoire de l'Inquisition dans le Languedoc, 2Bde. (1900) hier Bd.2, 5.145-149, Nr.53.

56 Ve n t u ra i 5 ubi rat s , Catarismo 5. 96.57 Ve n t u ra i Sub i rat s , Catarismo 5. 105f., der den Bernat d' Ali6 als den "esposo

de la mäs ferviente adepta del catarismo" bezeichnet. 1267 sollte sich Jakob I. vonAragon bei Graf Roger Bernhard Ill. von Foix dafür verwenden, Guillem de 50, demSohn des Bernat d' Alia, jene Güter zurückzuerstatten, que omnia nobis confiscatafuerunt racione heretice pravitatis (B a u cl 0 n de M 0 n y, Relations politiques 2,5.114-115, Nr.49-50; Huici-Cabanes, Documentos de Jaime I de Arag6n, Bd.5:1263-1268 [1988] 5.213-214, Nr.1521-1522 zu 1267 März 30).

58 Duvernoy, Histoire 2 (wie Anm.37) 5.16lf.

Page 18: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 211

Claira. Mudahons, Pierrepertuse, Castell-Rosse1l6, Josa del Cad! ausBerga, die Vernet mit ihren Verwandtschaftsbeziehungen und Kliente-len gehörten, schließlich noch Pere und sein Sohn Hue de Saissac alsVizegrafen von FenoIlet -letzterer war mit Beatrix d'Urtx aus der Fa-milie der Herrn von IlIe bei Perpignan verheiratet, so daß auch diesesregional bedeutende Adelsgeschlecht diesem Block hinzuzurechnenist59. Es enthüllt sich in Umrissen ein transpyrenäisches katalanischesBeziehungsgeflecht mit intensiven Beziehungen zu Okzitanien, dasgewiß noch weiterer prosopographischer Aufhellung bedarf, dessenBedeutung für das Zusammenwachsen eines geographisch zerklüfte-ten Raumes unter Nutzung sozialreligiöser Bindungen jedoch nichtunterschätzt werden sollte. Gleichzeitig konnte diese Entwicklungnatürlich zur Loslösung eines solchen Raumes aus übergeordnetenHerrschaftsverbänden beitragen59a.

Es kann davon ausgegangen werden, daß in dieser Epoche zu-nehmender Schwierigkeiten mit einer unbotmäßigen Aristokratie dieKonzentration eines solchen, durch gemeinsame religiöse Anschau-ungen geprägten Adelsblocks um einen Territorialherren, der danachstrebte, seinen Machtbereich zu einer weitgehend unabhängigen Lan-desherrschaft auszubauen, dem Königtum nicht recht war. Dennochsollte Jakob I. lange Zeit nichts dagegen unternehmen. Selbst alsdurch den Tod des Arnau von Castellb6 1226 gewissermaBen dasengste Bindeglied zwischen ihm und Nunyo Sane verlorenging, dieVizegrafschaft CasteIlb6 sowie die zugehörigen Caboet- Besitzungenan Foix fielen und Graf Roger Bernhard 11. für die Burg Saint-Martin dem Grafen von Roussillon-Cerdanya lehnsrührig wurde60,

59 Ve n t u ra i 5 ubi rat s, Catarismo 5.97-112 (dort auch die Einzclbclcgc): Fort iCog u I, Catalunya S. 57ff.; Du ver n 0 y , Histoire 2, S. 161-164. Bcrnat Dcsclot, Llibredel Rei En Pcre, hg.v. Ferran Soldevila, Les Quatre Grans Croniqucs (1971) 5.427,Cap. XXXII führt per capdelladors e per companyons des Nunyo San, auf: Jofrc deRocaberti, Olivier de Termes, Raman de Canet, Jasbert de Barbed, Perl' Arnau deBarbera, Pone; de Vernet, Arnau de Verriet, Bcrnat Espanyol, Bcrnat Olivcrs. Hcrnat deMontesquiu. 1233 gewährte Nunyo San, der Burg und Siedlung Claira ein umfassendesFreiheitsprivileg (Font Rius, Cartas I/I [wie Anm.42] 5.374-377, Nr.261 zu 1233Dez. 12). Vg!. Font Rius, Cartas II2, S.630f. u. II, 5.131, 258f., 273, 63SH.

59. Zum geringen Identitätsbewußtsein in diesem Raum vgl. jetzt Thol11.\5 N.Bis son, Unheroed Pasts: History and Commemoration in South lrankland beforethe Albigensian Crusades, Speculum 65 (1990) 5.281-308.

60 Bau don de M 0 n y, Relations politiques 2, 5.69-71, Nr. 37 zu 1226 Sept. 1.Dort spricht Nunyo San, vom Grafen von Foix als uassallo nostro (5. (9).

Page 19: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

212 Ludwig Vones

zudem die Verselbständigungsbemühungen der Grafschaften in denfolgenden Jahren zunahmen, blieb der König weitgehend passiv undging über die allgemeine Friedloserklärung für Ketzer nicht hinaus.Dies ist umso bemerkenswerter, als der Graf unmittelbar nach demKetzeredikt Jakobs I. von 1226 eine ähnliche Aufforderung Zur Hä-retikerbekämpfung durch den französischen König Ludwig VIII., dieihm Abt Benedikt von La Grasse übermittelt hatte, überaus positivbeantwortete und dessen Dienst personam nostram, terram et homines... ad extirpandos fidei inimicos et ad vindicandas Salvatoris injurias etejus negocium promovendum, qui precioso suo sanguine nos redemit,zur Verfügung stellte: nam terra nostra ad servicium uestrum et ju-vamen, per mare et per terram, valde idonea est atque apta61• Hierfand hinter dem gemeinsamen Interesse der Ketzerbekämpfung dasBedürfnis, zur Absicherung des eigenen Landes Rückendeckung beimfranzösischen König zu suchen, klaren Ausdruck - ein Bedürfnis,das sich auch in einem weiteren Akt widerspiegelte. Im Oktober1226 leistete Nunyo Sane dem karissimo domino meo Ludovico, regiFrancie illustri, den Eid der Ligesse, das hominagium ligium, für dieVizegrafschaft Fenollet und Pierrepertuse unter der Maßgabe, daß diessalva fidelitate regis Aragonie ebenfalls für seine Erben und die Erbendes französischen Königs gelten sollte. Für den Fall einer kriege-rischen Auseinandersetzung zwischen den Königen von Frankreichund Arag6n sowie ihren Nachfolgern wurde festgelegt, daß der Grafund seine Erben nicht dem aragonesischen König helfen, sondern dieVizegrafschaft bis zur Beendigung der Kriegshandlungen dem fran-zösischen König wieder übergeben sollten62• Als schließlich der Grafvon Roussillon-Cerdanya, der offensichtlich gegenüber dem Königgeltend machte, er sei de vostre llinyatge63 - ja der gut unterrichteteGeschichtsschreiber Bernat Desclot stellt in seinem Llibre del Rei EnPere über das Verhältnis des Grafen zum jugendlichen König sogarfest: e el comte de Rossello, En Nuno, qui era son cosi germa, tenia'l

61 Teulet, Layettes 2 (wie Anm.26) 5.79, Nr.1768 zu 1226 April 29. ZumKetzeredikt Jakobs I. von 1226 April 15 siehe oben 5.202 mit Anm. 26.

62 Teulet, Layettes 2, 5.93-94, Nr.1806.63 Cronica 0 Llibre dels Feits del Rei Jaume I el Conqueridor, hg.v. Eerran

Sold evil a, Les Quatre Grans Croniques (1971) 5.30 §st.

Page 20: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 213

en pader e era son conseller':' -, 1228 erneut den Versuch unternahm,eine auf ihn bezogene Landfriedensregelung im Sinne seiner Territo-rialisierungsbestrebungen zu nutzen'v, konnte kein Zweifel mehr anden Abläsungstendenzen bestehen.

Sucht man einen Grund für die Passivität Jakobs I. gegenüber diesenEntwicklungen in einem unsicheren, von der kapetingischen Machtbedrohten Grenzgebiet, findet man ihn in dem zu dieser Zeit vorbe-reiteten Projekt zur Eroberung Mallorcas. Da der aragonesische Adelmit seinen bodenständigen Interessen kaum für ein solches Unterneh-men übermäßig zu begeistern war, die Barceloneser Kaufmannschafthingegen in erster Linie Schiffe und Geld zur Verfügung stellte, warder König verstärkt auf den katalanischen Adel und insbesondere aufNunyo Sane mit seinem Anhang angewiesen=. Die Teilnahme Nunyosbei der Eroberung Mallorcas, die ihren ersten Höhepunkt mit derEinnahme der Stadt am 31. Dezember 1229 hatte, sich aber dann nochmehrere Jahre hinziehen sollte, trug diesem ebenso wie ein Abkom-men, das er 1235 auf der Grundlage einer königlichen Übertragung ausdem Vorjahr mit dem Prokurator des Tarraconenser Erzstuhls Guillernde Montgri und dem Infanten Peter von Portugal zur Inbesitznahmeder Inseln Ibiza und Formentera schloß67, beträchtlichen Besitz- undMachtgewinn ein.

M Bernat Desclot, Llibre (wie Anm.59) S.420, Cap.XL; Sol d c v i Ia, GransCroniques, S. 194 Anm. 20, bezeichnet ihn nach dem Tod seines Vaters als "cl principalpersonatge de la cor.t de Jaum~ I". .

65 Es handelte SIch um die Erneuerung einer Pax-et-treuga für Roussillon undCerdanya von 1217 Okt. 2, deren Geltungsbereich das Bistum Eine urnfaßre (hg.v.Bernard A Iart, Privileges et titres relatifs aux franchises, institutions et proprietcscommunales de Roussillon et de Cerdagne depuis le XIc siccle jusqu'ä l'an 1660, Bd.1[1874] S. 111-113; vg!. auch Gcner Gon z a Iv 0 iBo u, La Pau i la Trcva a Catalunya.Origen de les Corts Catalanes [1986] S.76). Zu den Vorgängen von 1228 vgl. denautobiographischen Llibre dels Feits Königjakobs 1. (wie Anm. 63) S. 30 § 51. Siehe auchLuis Gon z a I e z Ant 0 n, Notas acerca de la evoluciön preparlamentaria en Aragonen el reinado de Jaime I, in: Jaime I y su epoca. X Congreso de Historia de la Coronade Arag6n. Comunicaciones 1 y 2 (1980) S. 415-429, hier S. 423 mit Anm. 8.

66 Bernat Desclot, Llibre S.423f., Cap.xXIII stellt ihn als eine treibende Kraft beiden Beratungen über die Eroberung der Insel dar.

67 Die Übertragung der königlichen Besitzrechte an den Inseln, die unter derBedingung der Eroberung gewährt worden waren, und das Abkommen von 1235, durchdas Peter von Portugal und Nunyo Sane in ein Lehnsverhältnis zum TarraconcnscrErzbischof traten, wurden veröffentlicht von Isidoro M a cab ich, Historia de Ihila,Bd.2 (1935, ND 1966) 5.59-62. Zum rechtlichen Hintergrund vg!. Ramon Pill"Horns, La creacion del derecho en el reino de Mallorca (1987) S.143f.

Page 21: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

214 Ludwig Vones

In der Zwischenzeit war allerdings in der unmittelbaren UmgebungJakobs I. mit dem dem Dominikanerorden angehörigen päpstlichenPönitentiar Raimund von Penyafort ein Mann aufgetaucht, der zu denbedeutendsten Juristen seiner Zeit zählte, an der Universität Bolognastudiert und dann kanonisches Recht gelehrt hatte68• Einstiger Kano-niker und Propst des Kathedralkapitels von Barcelona sowie Mitglieddes Barceloneser Dominikanerkonvents, war Raimund Anfang 1229als Pönitentiar des Kardinallegaten Jean d' Abbeville nach Katalonien-Arag6n zurückgekehrt, als dieser mit der Scheidung der Ehe zwi-schen dem König und seiner Gattin Eleonore, der Propagierung desUnternehmens gegen die Mauren auf Mallorca, der Visitation deraragonesischen Kirche und der Durchsetzung der Beschlüsse des IV.Laterankonzils beauftragt war'". Zusammen mit dem Prior der Domi-nikaner von Barcelona fiel Raimund seit Ende 1229 die Aufgabe zu, inden Kirchenprovinzen Aries und Narbonne zugunsten des Mallorca-Feldzugs zu predigen". Kann man der Nachricht der fast hundertJahre später verfaßten Chronik des Pe re Marsili vertrauen?', dannmuß der Dominikanerprediger bei dieser Gelegenheit die Verhältnissein den katalanischen Gebieten der Narbonner Kirchenprovinz genauerkennengelernt haben, so daß er zu der Einsicht gelangte, die flüchtigenHäretiker der Diözesen Toulouse, Beziers und Carcassonne würdendort Unterschlupf finden. Mit Zustimmung König Jakobs I., quiejus adhaerebat consiliis et salutaribus favebat monitis, habe er sich

6K Zu Raimund von Penyafort und seiner Wirksamkeit in Katalonien und Aragonsiehe außer den bereits zitierten Werken von Va II s - Tab ern e rund Li n e h a n (wieAnm.28) noch R. Bau cell s, La personalidad y la obra juridic» de san Raimundo dePeiiafort, Revista Espafiola. Derecho canonico I (1946) S. 6-47; Jose Maria Fon t Ri u s,Raman de Peiiafort. Influencia del Santo en la sociedad de su tiempo (1963); MiguelBat 110 r i,San Raman de Penyafort en la historia polftico-religiosa de la Corona deArag6n, in: Instituto de Esparia: Sesion de apertura del curso 1975-76 (1976) S.27-43;Pedro Rib e s Mon tan e , Relaciones entre la potestad eclesiästica y el poder secular,segün S. Raman de Penyafort. Estudio hist6rico-juridico (1979). Einen Überblick überseine Werke vermitteln Laureano Rob Ies, Escritores dominicos de la Corona deArag6n (siglos XIII-XIV) (1972) S. 48-50 und Thomas K a e p p e I i, Scriptores OrdinisPraedicatorum Medii Aevi, Bd.3 (1980) S. 283-287.

69 Raymundiana VII2 (wie Anm.l) S.10-11, Nr.VII zu 1229 März 20; Auvray(wie Anm.2) Nr. 640. Anonymi Vita Sancti Raymundi, in: Raymundiana VIII (1898)S.22.

70 Raymundiana VI/2, S. 12-13, Nr. VIII zu 1229 Nov. 28.71 Petri Marsilio, Vita Sancti Raymundi, in: Raymundiana VI/I, S. 12.

Page 22: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 215

schließlich an die römische Kurie gewandt und dort inquisitioneshereticae pravitatis erhalten. Obwohl in diesem Bericht Raimundvon Penyafort als eigentlich treibende Kraft bei der Ausstellung desPrivilegs von 1232 dargestellt wird, sollte man sich der starken Stel-lung des aragonesischen Königs in seiner Landeskirche erinnern undgleichzeitig nicht übersehen, daß politisch mittlerweile eine Situationeingetreten war, die Nunyo Sane - er befand sich zu dieser Zeitin einer längeren kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Grafenvon Foix um Befestigungsrechte in der Grafschaft Cerdanya'? - nichtmehr unentbehrlich, eine direktere aragonesische Präsenz in seinemokzitanischen Machtbereich dafür um so wünschenswerter erscheinenließ. Abgesehen von den Fortschritten des Mallorca-Unternehmenshatte der Vertrag von Meaux-Paris nicht nur die Albigenserkriege be-endet, sondern auch dem französischen Königtum eine solche Stellungim Tolosaner Raum verschafft, daß einer Sogwirkung von seiten derKrone Arag6n mit allen Mitteln entgegengearbeitet werden mußte73•So ist bei der Einrichtung einer aragonesischen Inquisition, die diealte Forderung nach Durchsetzung der Ketzerbestimmungen des IV.Lateranums ebenso verwirklichte wie die Absichten des Konzils vonToulouse von 1229, zumindest eine Gleichrichtung zwischen könig-lichen und kurialen Interessen festzustellen, wobei der aragonesi-schen Politik vor allem daran gelegen sein mußte, einem Ausgreifenfranzösischer Maßnahmen in den Pyrenäenraum unter dem Vorwandder Ketzerbekämpfung vorzubeugen. In diesem Zusammenhang sollteauch nicht übersehen werden, daß gerade zu dieser Zeit, am 14.August 1232, soweit man bei dieser Datierung sicher sein kann, dasTranssumt der Akten des umstrittenen Ketzerkonzils von Saint-Felixde Caraman angefertigt wurde, also vielleicht ein rechtlich oder kir-chenpolitisch begründetes Interesse an dieser Überlieferung und denin ihr enthaltenen administrativen Gliederungen, der Einteilung deralbigensischen Diözesen, vorlag?". Unabhängig von der bisher nichtmit abschließender Sicherheit zu klärenden Frage, wer eigentlich die

72 Enge Is, Corbeil (wie nächste Anm.) S.221£.73 Siehe Odilo Engels, Der Vertrag von Corbeil (1258), in: Ders., Reconquista

nd Landesherrschaft (wie Anm. 10) S.203-235.U . f

74 Don da i ne, Les actes (Wie Anm. 8) S.328 . Die Erklärungen, die H a m i I ton,Cathar Council (wie Anm. 8) für die Datierungsprobleme gibt, um sich selbst aufgrundhypothetischer Annahmen für 122? Aug~st ~4 z~ ent.scheiden, können ebenfalls nichtüberzeugen, so daß man besser bel der wirklich überlieferten Jahreszahl 1232 bleibt.

Page 23: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

216 Ludwig Vones

Anfertigung des erwähnten Transsumts vorgenommen hat, wird abereinzig in diesem Dokument der Vall d'Aran als albigensische Diözeseausgewiesen, dort ein katharischer Bischof angesiedelt und bei derorganisatorischen Einteilung der Bistümer Toulouse und Carcassonnedie Reichweite der Grenzziehung bis Lerida ausgedehnt". Von denKritikern der Überlieferung ist bereits wiederholt darauf hingewiesenworden, daß der Vall d'Aran, der im 12. Jahrhundert nur vorüberge-hend zum Machtbereich der Grafen von Comminges gehört hatte76,kaum eine katharische Kirche beheimatet haben konnte, eine Kirche,von der ansonsten keine vertrauenswürdigen Nachrichten überliefertsind:". Yves Dossat vermutete sogar einen Irrtum des Kopisten, deraranensis für agenensis - Agen - gelesen habe ". Sollte man indesmit der angesichts der unbefriedigenden Überlieferungslage gebotenenVorsicht zu der Annahme neigen, es liege kein einfacher Lesefehleroder ein bloßes Verschreiben, sondern eine bewußte Umdeutung vonAgenensis in Aranensis vor, dann gewinnt das Dokument in seinerFassung von 1232 einen anderen Stellenwert. Wer immer der Initiatorfür die Herstellung des Transsumts gewesen ist - ob katharische Bi-schöfe wie die in der Unterfertigung genannten Pierre Isarn und PierrePollanus/? oder interessierte Kreise, die unter Umständen durch Druck

75 Die entsprechenden Stellen lauten: et Consilium Eeel. Aranensis fuit ibi .... ethomines Aranensis elegerunt Raimundum de Casalis .... similiter et Raimundus deCasalis accep. consolamentum et ordinem Ep. ut esset ep. Aranensis .... EpiscopatumTolosae dividitur cum Archiepiscopato Narben. in duobus locis, et cum EpiscopatoCarcasensis a Sancta Poncio, sicut montana pergit inter Castrum Cabarecii et Cast.Altipulh. et usq. ad divisionem Castri Saxiati et Castri Verduni et pergit inter Montemregalem et Fanumjouem; Quod sicut alii Episcopati diuiduntur ab exitu Redensis usquead Leridam sicut pergit apud Tolosam, ita Eccl. Tolos. hab. in sua potestate et in suogubernamento: similiter et Ecel. Carcasensis sicut dividitur et terminatur habeat insua potestate et in suo gubernamento omnem Episcapaturn Carcasensis et Archiepiscop.Narbonens. et aliam terram sic. divisum est, et dictum usque ad Leridam sicut vergitapud mare, hg.v. Don d ai ne, Les acres S. 32M. Eine kartographische Umsetzung dieserGrenzziehung findet sich bei 5 an je k, Le rassemblemem (wie Anm. 8) S.780.

76 Charles Hi go une t , Le cornte de Comminges, de ses origines it son annexionit la Couronne, Bd.l (1949) S.44, 73, 76. Vgl. auch T h 0 uze 11i er, Catharisme (wieAnm. 1) S. 14f. Anm. 7.

77 Kritisch äußerten sich vor allem Lac ger, L' Albigeois, und Dos sat, Remarques(beide wie Anm. 8).

78 Dos sat, Remarques 5. 345-347. Zustimmend T ho uze 11i er, Catharisme 5. 13f.;San j e k, Le rassemblement S. 78M.

79 Vg!. dazu Dondaine, Les actes 5.347-352.

Page 24: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 217

die Niederschrift erzwungen haben -, man suchte den katalanisch-aragonesischen Pyrenäenraum mit der okzitanischen Diözesanstruktureng zu verbinden und auf diese Weise entweder im Gefolge des kape-tingischen Expansionismus ein zusammenhängendes Rückzugsgebietfür Anhänger der Ketzerbewegungen zu schaffen oder in Vorbereitungsolcher Tendenzen ein zukünftiges Missions- und Inquisitionsgebietabzustecken, das dann machtpolitisch genutzt werden konnre'P, SolcheÜberlegungen decken sich mit der Annahme von Bernard Hamilton,der katharischen Diözese Carcassonne sollten die traditionellen Bi-stümer Carcassonne, Narbonne, Eine, Girona, Barcelona, Tarragona,Vic und Urgell, somit der gesamte katalanische Raum, zugeordnetwerdensl. In dieses Bild passen weiterhin auf der anderen Seite dieseit 1228 andauernden Bemühungen Jakobs I., die nach dem Toddes letzten Grafen im ] ahr 1209 vakante und seit 1217 Guerau deCabrera übergebene Grafschaft Urgell an die Krone Arag6n zu ziehen.Diese Bemühungen gipfelten in einem Konkubinatsvertrag Jakobs 1.mit Aurembiaix, der Erbtochter des letzten Grafen; sie brachten ihmkonkret die Übereignung der Stadt Lerida ein und sollten schließlichim September 1231 nach dem Tod der Gräfin zur Abtretung dergesamten Grafschaft an die Krone d~rch ihren Gatten Peter vonPortugal führens2. Bemerkenswerterwelse drängte also Jakob I. vonArag6n um 1230 in dieselben Gebiete, die in den Konzilsakten dietranspyrenäische Ausdehnungszone der albigensischen Diözesen Tou-louse und Carcassonne markierten.

Wie weit schon bald die kapetingischen Rechtsansprüche aufgrundder karolingischen Tradition greifen sollten, kann seit den klärenden

so Zur grenzpolitischen Bedeutung des Vall d' Aran, die gegen Ende des 13.Jahrhunderts immer deutlicher hervortrat, vg!. Carl August Will ems en, Der Kampfum das Val d' Aran, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft. GesammelteAufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 6 (1937) S. 142-224; Juan Re g I a Ca 111 pis t 0 I,Francia, la Corona de Arag6n y la frontera pirenaica. La lucha por cl Vallc de Ar.in(Siglos XIII-XIV) 2 Bde. (1951) bcs, Bd.l, S. 43ff.

SI H a m i I ton, Cathar Council S.40ff.82 Vgl, Engels, Corbeil (wie Anm.73) S.215-218; [osep Lladonosa Pujol,

Historia de Lleida, Bd.l (1972); Der S., Jaime I cl Conquistador y la ciudad de Lcrida,in: Jaime I y su epoca. X Congreso de Historia de la Corona de Aragön. Comunicacioncs1 y 2 (1980) S.449-459.

Page 25: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

218 Ludwig Vones

Untersuchungen von Odilo Engels über die Voraussetzungen des Ver-trages von Corbeil als bekannt vorausgesetzt werden'". Hatte jedochdas Konzil von Toulouse Gerald von Niort sowie Guillaume vonPierrepertuse als Ketzer exkommuniziert und mit Vermögensverlustbestraft'", sollte Gregor IX. 1233 die bedeutendsten übrigen Mitgliederder Niort-Familie wegen ihrer Übergriffe auf Narbonner Kirchenbe-sitz sowie wegen der Ermordung des Andre Cholet, Seneschall vonToulouse, verurteilen, mit Jean de Bernin, dem Erzbischof von Vienne,einen Legaten zur Ausrottung der Häresie in den französischen Kir-chenprovinzen, vorerst aber auch in den katalanischen Diözesen derMetropole Tarragona entsenden und Raimund VII., den Grafen vonToulouse, vergeblich mit der notwendigen Exekution beauftragen85,so sollte der Papst 1235 mit Bezug auf die Ausführungsbestimmungenzu den Häresieverfügungen, die von den Corts von Tarragona erlassenworden waren, sich zum Strafmaß für bekehrte und ihre Bekehrungvortäuschende Ketzer äußern, indem er die Verantwortung der welt-lichen Gewalt hervorhob=, so sollte er Raimund von Penyafort inseinem Auftrag die Verfahrensweise gegenüber Häretikern und ihrenBegünstigern in der Tarraconenser Kirchenprovinz erläutern lassen'?und fast gleichzeitig drei Ketzerrichter, darunter den Bischof von

RJ Eng e l s , Corbeil, pass. sowie Der s., König Jakob I. von Arag6n und dieinternationale Politik im 13. Jahrhundert, in: Der s., Reconquista und Landesherrschaft(wie Anm. 10) S. 237-259.

~4 Wakefield, Family of Niort (wie Anm.40) S.107."5 Auvray 1166,1170,1284,2241; Te u l e t , Layettes 2 (wie Anm.26) S.253-253,

Nr.2241; Douais, Documents 1 (wie Anm.55) S. LXI-LXIII (Aussage des PierreAmiel gegen Bernhard Ott von Niort, seine Brüder und seine Mutter). Vg!. G u i rau d,Histoire de l'Inquisition 2 (wie Anm. 1) S. 25-33; Wa k e fi eid, Family of Niort S. 110f.;Yves Dos sat, La repression de l'heresie par les eveques, in: Le Credo, la Moraleet l'Inquisition (Cahiers de Fanjeaux 6, 1971) S.217-251, bes. 5.241ff.; Ders., Lescrises (wie Anm. 1) S. 120f. Jean de Bernin erhielt außer für Tarragona Zuständigkeitenfür Narbonne, Aries, Aix, Vienne, Embrun, Bordeaux und Auch (Auvray 1473-1477, 1479-1480 zu 1233 Juli 27 und 28; Ulysse Chevalier, Rcgeste dauphinois ouRepertoire chronologique et analytique des documents imprirnes et manuscrits relatifs al'histoire du Dauphine [1913J Nr. 7297). Vg!. auch Ulysse Ch e val i er, Jean de Bernin,archeveque de Vienne (1218-1266) (1910) S. 7-12.

86 Raymundiana VI/2, S.39-41, Nr.XX. Auvray 2531-2532.87 Raymundiana VI/2, S. 41-45, Nr.XXI.

Page 26: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 219

Vieh, Bernat Calve, für den katalanischen Raum einsetzen'". Zugleichverband er dieses Vorgehen mit einem Friedenseid, den der Elekt vonTarragona, seine Suffraganbischöfe sowie alle Prälaten, Geistlichen,Mönche und Laien des Königreichs samt des umliegenden GebietsJakob 1. zu leisten und alle fünf Jahre zu erneuern hatten, sowie mitder Friedewahrung innerhalb des Reiches während des Kampfes umValencia und um die Insel Ibiza'".

In welche Richtung die vom Papsttum eingeleiteten Aktivitätenliefen, zeigte sich nach kurzer Zeit. Nachdem Raimund von Penyafortim Oktober 1236 an den Cortes von Monzen teilgenommen hatte?",wurde noch Ende desselben Monats in Castellb6 eine Inquisitioneingeriehtet91 und schließlich, als dort einer der dominikanischenInquisitoren, Pans de Planella, vergiftet wurde, der nidus bereticorummit Gewalt eingenommen. Manche Häretiker warf man für immerin den Kerker, manche überantwortete man dem Scheiterhaufen'".Bereits im Vorfeld dieser Ereignisse war eindrücklich demonstriertworden, mit welcher Entschlossenheit die Ketzerverfolgung durchge-setzt werden sollte. Der Bischof von Urgell, Pons de Vilamur, hatte alsalter Feind der Castellbo durch eine Synode in Lerida den Grafen vonFoix als traditionellen Schutzherrn der Vizegrafen verpflichten lassen,die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses unter der Aufsicht desVizegrafen Ramon Folc IV. von Cardona, dem Gatten seiner TochterEsclaramunda von Foix, zu ermöglichen, damit die eigentlichen Er-mittlungsverfahren, die pesquisas, unter Leitung eines Prokurators aus

KR Raymundiana Vl/2, S.45-46, Nr.xXII; Jose Ri u s Se r r a , Diplomarario de SanRaimundo de Penyafort (1954) Nr.XXI (diese Edition war mir leider nicht zugänglich);zit. naeh Eduardo J u n yen t , Diplomatari de Sant Bernat Calve, abat de Sanres Crcus,bisbe de Vieh, 1956, S.42, Nr.57; Auvray 2560.

89 A u v ray 2527-2529 zu 1235 April 22 und 24.90 Raymundiana VI/2, S. 54-59, Nr.xXVIII; Ri u s Se r r a , Diplomarario Nr.XXYll;

Junyent, Diplomatari S.63-65, Nr.97; Huici-Cabanes, Documcntos I, Nr.23Szu 1236 oi«. 15.

91 Dieser Schritt erfolgte 1236 Okt. 28.n Vita S. Raimundi, in: Raymundiana VI/I, S.24: Item Castrum bonum ill [mib«»

Cathalonie situ m, quod nidus bereticorum tunc temporis dicebatur, ubi quemdam[ratrem Predicatorem, inquisitorem hereticorum, ueneno heretiei ocaderunt, c.ipicns,quamvis intus esset hereticorum, et credencium ets, maxima multttudo, dcduxit cosviriliter et potenter; quorum qutdam ad perpetuum eareerem; quidam vero SI/lit propterheresis perfidiam ad incendium condempnati. L Iado nos a Pu j 0 I, Historia de Llcida I,S. 354, stellt fest, "que les tcrres de Castellb6 foren el centre del catarisrnc a Catalul1n".

Page 27: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

220 Ludwig Vones

Tarragona durchgeführt werden konnten'['. Roger IV., der Graf vonFoix, war aber als Sohn der Ermessenda von Foix-Castellb6, ein Enkeldes Arnau von Castellb6 und sollte mit Brunissenda von Cardonaeine Schwester des Vizegrafen von Cardona heiraten?", Zwar dauertees noch fast 30 Jahre, bis Amau von Castellb6 und seine TochterErmessenda, Gräfin von Foix, posthum als hartnäckige Häretikerverurteilt werden sollten'", doch waren die Ergebnisse von 1237 mit63 Schuldsprüchen mehr als beachtlich'" und stellten darüber hinausunter Zurückdrängung des Hauses Foix und seiner Verbündeten kir-chenpolitisch die Einbeziehung der Castellb6-Herrschaft in den ara-gonesischen Machtbereich endgültig sicher?" Zur gleichen Zeit warenoffensichtlich auch andere Verfahren gegen Adlige aus der früherenUmgebung des Nunyo Sane durchgeführt worden, wie wir aus einerBeauftragung Raimunds von Penyafort durch Gregor IX. ersehenkönnen. Auf ausdrückliche Bitten Jakobs I. sollte Robert von Castell-Rossellö aus der Diözese EIne, der als Häretiker zur Kerkerstrafe ver-urteilt worden, aber entflohen war und sich auf seiner Burg verschanzthatte, durch den päpstlichen Pönitentiar bei Zeichen genügender Reueunter Einziehung seines Besitzes die Absolution erhalten.". Hier ist einVersuch des Königs zu fassen, einen roussillonesischen Adligen ausdem Umkreis des Nunyo Sane, der auch an der Eroberung Valenciasbeteiligt war, über die Grenzen von Kirchenprovinzen hinweg enger

91 Ve n t u r a i Su b ir a t s , Catarismo (wie Anm.15) S.88f.; Fort i Cogul,Catalunya (wie Anm.1) S.46ff.; Baudon de Mony, Relations politiques 1, S.167ff.;G u i rau d, Histoire de l'Inquisition 2, S. 166£.

94 Duvernoy, Histoire 2, S.160; So b r e q u e s i Vidal, EIs barons de Catalunya(wie Anm.36), Stammtafel zw. S.112/113; Ders., in: Gran Encyclopedia Catalana,Bd.4 (1973) S. 393-412 (ebenfalls mit zahlreichen Stammtafeln). Vg!. auch Joan Se rr aVi l a r o , Histöria de Cardona. Llibre I: EIs senyors de Cardona (1966) S.164ff., 186ff.,198ff., der jedoch Ramon FoIe IV. als Ramon FoIe V. zählt und in den Herrschaftsdatenvon Sob r e que s i Vi d a I abweicht.

95 Ventura i Subirats, Catarismo S.90f. (dort weitere Quellen).96 Ventura i Subirats,CatarismoS.90.97 Erst wesentlich später und unter veränderten politischen Bedingungen sollte Jakob

I. von Arag6n, anläßlich der Verurteilung Arnaus de Castellb6 und seiner TochterErmessenda als Häretiker, dann 1269 ihre Rechte über die Vizegrafschaft Castellb6 undihre weiteren Besitzungen Graf Roger Bemhard Ill. von Foix endgültig übertragen. Vgl.Bau don deM 0 n y, Relations politiques 2, S. 135-137, Nr.54 zu 1269 Mai 11; ebd,S. 140-141, Nr. 56 zu 1269 Nov. 2 auch die Verurteilungssentenz durch die InquisitorenPere de Cadireta und Guillem de Calonge.

9X Raymundiana VII2, S.63-65, Nr.XXXIII-XXXIV zu 1237 Februar 8.

Page 28: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 221

an sich zu ziehen, doch traten unerwartete Schwierigkeiten von seitendes Elnenser Bischofs Bernat de Berga auf. Auf dessen Vorstellungenhin, Robert sei ein refugium et quasi princeps hereticorum in seinerDiözese gewesen und habe vielen Ungläubigen Unterschlupf geboten,wurden die Hintergründe für die Lossprechung nochmals überprüftund die Absolution erst erteilt, nachdem für die Besitzungen, die dieKirche von Eine von Robert zu Lehen hatte, Sicherheiten garantiertworden waren?".

Dieses Zusammenspiel, durch das dem Bedürfnis der Krone, dieGrenzzonen in den Griff zu bekommen, ebenso Rechnung getragenwurde wie der kirchenpolitischen Notwendigkeit der Ketzerverfol-gung, war nur mögli.~h. a~fgrund de~ sta~ken Ste.llun?, die Raimundvon Penyafort von königlicher und kirchlicher Seite emgeräumt wor-den war. Der erste wichtige Schritt in dieser Hinsicht hatte in derRegelung der Nachfolge Erzbischofs Esparrec von Tarragona nachdessen Tod Anfang März 1233 bestanden. Obwohl Gregor IX. denErzstuhl mit Raimund besetzen wollte, lehnte dieser ab, so daß wäh-rend der nächsten Jahre Guillem de Montgri, Bischof von Girona, dieKirchenprovinz zunächst als Elekt, dann als Prokurator verwaltctc'P'',doch wurden die wirklich relevanten kirchenpolitischen Entscheidun-gen durch den päpstlichen Pönitentiar getroffen, der sich wiederumder Unterstützung der Bischöfe von Vie, Bemat Calve, und Lerida,Pere d' Albalat, versicherte'?'. Gerade im Laufe des Jahres 1237 wardie führende Stellung dieser Gruppe im katalanischen Episkopat aus-gebaut worden, als Guillem de Montgrf auf Druck des Papstes alle

~q Raymundiana VII2, S.66-69, Nr.xXXVI-XXXVII zu 1237 April 2 und 7. Zumpontifikat Bischofs Bernat de Berga siehe Francisco Monsalvatje y Fossas, EIobispado de Elna, Bd.! (1911) S. 193-201.

1(') Zu Guillem de Montgri und seiner Laufbahn vgl. außer Li n e h an, SpanishChurch (wie Anm.28) vor allem Emilio Morera Ll a u r a d o , Tarragona cristiana,Bd.2 (1899). Die Vita Sancti Raymundi hingegen berichtet unscharf: [dominus Papa] ...ei tamen injungens quod ipse qui in partibus illis de personis habebat notittam spccialcm,personam ydoneam nomtnaret, de qua posset eidem Ecclesie utiliter providerz. Tunc [rat erRaimundus nommautt domtnum G. de Montegrmo, de quo ualde utilitcr est pro'C'1S1I111Eeclesie supradicte; nam mm esset nobilis genere ac strenuus opere insulam quumdamSarraeenorl/m nomine Euica mm potenti navigio et strenua multitudinc armatorumcapiens, eidern Ecclesie adquisioit, in: Raymundiana VI/I, S.24.

iUI Raymundiana VII2, S.69-72, Nr.XXXVIII-XL; Ri us S err a, Diplomarario.Nr.xXXVII-XXXIX; Junyent, Diplomatari S.68-70, Nr.l07-109 zu 1237 Juli 15.Auvray 3776-3777.

Page 29: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

222 Ludwig Vones

Ambitionen auf Tarragona aufgeben mußte und Raimund von Penya-fort an seiner Statt Pe re d' Albalat auf den Stuhl bringen konntel02, dersich wiederum als "eine der bedeutendsten Gestalten des katalanischenKlerus jener Zeit" entpuppen solltel'". Pere war indes Jahre Zuvor, alsRaimund als Begleiter des Kardinals Jean d'Abbeville die Beschlüsseder Synode von Lerida 1229 mitgetragen hatte, Sakristan der Kathe-dralkirche gewesen; ihre Bekanntschaft datierte also mindestens fastzehn Jahre zurück, und die kirchenpolitische Einstellung Peres, derein entschiedener Anhänger des damals verabschiedeten Reformpro-gramms war, durfte Raimund ebenso bekannt gewesen sein wie derEifer des neuen Erzbischofs bei der Bekämpfung der Häresie">. Zu-gleich gelang es Raimund von Penyafort, mit kurialer Unterstützungden Bischofsstuhl von Huesca neu zu besetzen'P'. Dort wurde Vidalde Canyelles eingesetzt, der aufgrund seiner Ausbildung in Bolognazu den führenden Juristen der Zeit zählte, sich als Vertrauensmann desKönigs erweisen und federführend an den großen systematisierendenGesetzeswerken beteiligt sein sollte, durch die Jakob I. den Aufbauseines Reiches von der monarchischen Spitze her in den Griff zubekommen suchte'P. Durch Raimund von Penyafort war also eineUmgestaltung des katalanischen Episkopats im Sinne des Königtums,aber auch der dominikanischen Präsenz eingeleitet worden, die inletzter Konsequenz bis 1248 dazu führen sollte, daß fünf Suffragane

102 Raymundiana VI/2, 5.61-62, Nr.xXXI-XXXII zu 1237 Feb. 7. Auvray 3473-3474. Li n e h an, Spanish Church 5.60 Anm. 1 stellt zusätzlich fest, daß GuiIIem deMontgri sein Verzicht durch die Gewährung zusätzlicher Einkünfte erleichtert wurde.Vg!. Au vr a y 3491 zu 1237 Feb. 5. Inwieweit diese Gnadenerweise jedoch auf seineneigenen Wunsch zurückgehen, bedarf noch weiterer Klärung.

101 So Rudolf Bee r, Die Handschriften des Klosters Santa Maria de Ripoll (SB Wien158, 1909) 5.69.

104 Li n e h an, Spanish Church 5.55f.10; Raymundiana VI/2, 5.72, Nr.XL zu 1237 Juli 15. Vg!. Auvray 2783 zu 1235

Sept. 17.

106 Zu Vidal de CanyeIIes, seinem Leben und seiner Laufbahn siehe Ricardo deIArc 0, El famoso jurisconsulto del siglo XIII: Vidal de CaneIIas, obispo de Huesca.Noticias y Documentos ineditos, Boletin de la Real Academia de Buenas Letras[Barcelona] 8 (1915-1916) 5.463-480, 508-521, 545-550; Ders., Vidal de CaneIIas:nuevas noticias, ebd. 10 (1921) 5.503-522; Ders., El jurisperito Vidal de CaneIIas,Obispo de Huesca, Jer6nimo Zurita, Cuadernos de Historia 1 (1951) 5.23-113; AntonioDur a n G u d i0 I, Vidal de CanelIas, obispo de H uesca, Estudios de Edad Media de laCorona de Arag6n 9 (1973) 5.267-369.

Page 30: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 223

von Tarragona als Bischöfe Dominikaner hatten, von denen wiederumvier in enger Verbindung zum Barceloneser Konvent von Santa Cata-[ina standen, jenem Konvent, der Raimund als wichtigster Stützpunktfür seine Aktivitäten dicntelo7. Das ganze Ausmaß von RaimundsWirksamkeit wird klar, wenn man bedenkt, daß 1243 mit Perc deCentelies als Nachfolger Berenguers von Barcelona der erste Domini-kaner überhaupt auf einen Bischofsstuhl südlich der Pyrcnacn gelangteund erst die Weihe erhielt, nachdem ihm in Gegenwart des papstliehenpönitentiars durch Erzbischof Pere d' Albalat das Ordcnsgewand derDominikaner angelegt worden warlOS.Während Guillem de Montgri,der mit Nunyo Sane bei der Eroberung von Ibiza zusammengearbeitethatte109, aus der kirchlichen Führungsposition wieder entfernt wordcnwar, was ihm durch die Bestätigung seiner auf Ibiza erworbenenEinkünfte schmackhaft gemacht wurde'!", erhielt Vidal de Canyellcsbereits im Februar 1238 den päpstlichen Auftrag, für die Entketzcrungder aragonesischen Grenzgebiete Sorge zu tragen Ill. Auf sein Wirkcnging dann die entschlossene Bekämpfung der Folgcwirkungen derVisitationsreise jenes diachonus Cathaloniae Pere de Corona zurück,der einst von einem Ketzerkonzil in Pieusse bestätigt worden warund dessen Betätigungsfeld sich vielleicht über ein Jahrzchnt bis hinnach Lerida erstreckt hattel12. Auf jeden Fall geht aus einem SchreibenRaimunds van Penyafort an Pons de Vilamur, den Bischof van Urgcll,

1f17Linehan, Spanish Church S.78ff. Vgl. auch Pedro Ribes Montane, SanRaman de Penyafort y los estudios eclesiasticos, Analeeta Sacra Tarraconcnsia 48 (1975)5.85-142, hier S. 127. Es handelt sich um Barcelona (Pcrc de Ccntclles), Vie (Bernatde Mur), Girona (Berenguer de Castellbisbal), Lerida (Guillem de Barbcra), Valencia(Andres d' Albalat). Zur Beziehung Raimunds zum Konvent von Santa Cataliru vg!.Va 11s - Tab ern er, San Raman de Penyafort S. 265ff., 280ff.

10" Li n e h an, Spanish Church S. 70f. Der geschlagene Gegenkandidat Bcrenguer deCastellbisbal war als Prior des Konvents von Santa Catalina ebenfalls ein Dominikaner

gewesen'l IS' A . d El' .. d II . . .10" Vg.Avaro a n t a m a r r a ran c z , rcmo privanvo er-la orca,1I1:111'lona

de Mallorca, hg.v. J. Mascara y Pasarius, Bd.2 (1975) S.98f. und Jaime 5.11\".1,Fundacian del reino de Mallorca, ebd. S. 124ff.

110Li n e h an, Spanish Church 5.60 mit Anm. 1.I11 Auvray 4071 zu 1238 Feb. 11.112V e n t u r a i Su b i rat s , Catarismo S. 91£., 120, der unter Berufung auf Paris, BN.

Call. Doat XXIII, £.260v-273 r die Wirksamkeit des Pcre de Corona auf den Beginn der30er Jahre verlegt. Dazu mit anderem zeitlichen Ansatz (Konzil von Picussc zu 1226)Duvernoy, Histoire 2,5.159.

Page 31: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

224 Ludwig Vones

hervor, daß mit Jasbert de Barbera und Ramon de Josa del Cadi Mittedes Jahres führende Köpfe der häretischen Kreise aus der Umgebungdes Nunyo Sane in die Mühlen der Inquisition geraten warerr'P.

Graf Nunyo Sane starb 1242, wann genau, wissen wir nicht, dochhatte er am 17. Dezember 1241 sein Testament verfaßt, ohne dieköniglichen Rechte auf seine Herrschaften zu erwähnen, was vielleicht,so Engels, "auf eine der Grafschaft Provence ähnliche Stellung dieserbeiden Grafschaften [Roussillon und CerdanyaJ innerhalb der KroneArag6n hin(weist)"l14. Auf jeden Fall begünstigte der absehbareAusfall des Grafen jene Erbteilung, durch die Jakob 1. 1242 seinemErstgeborenen Alfons das gesamte Königreich Arag6n, Katalonien,Ribagorza, Pallars, den Vall d' Aran und die Grafschaft U rgell, seinemzweitgeborenen Sohn Peter (Ill.) post obitum consanguinei nostriNunionis Sancii hingegen Rossilionem, Confluentem, Ceritaniam etValespirum sowie das regnum Valencie ... et regnum Maioricarumet Minoricham et totum ius ... in Eviza zugestand!'>, Zudem wurdeder neue Zustand durch die Beeidung der Landfriedensordnung unterMitwirkung Bischof Bernats von EIne auf einer großen Versammlungvon Adel und Klerus am 3. März 1242 in Mallolas bei Perpignanzementiert, ein verfassungsrechtlicher Vorgang, durch den bereitsNunyo Sane 1217 seine Herrschaft gefestigt hattel16.

Der Tod des Nunyo Sane schloß sich unmittelbar an jenen Zeitraumvon 1238 bis 1241 an, der auch für Südfrankreich als Phase einerUnterbrechung der Ketzerbekämpfung ausgemacht worden und wohlauf die Unsicherheit der politischen Großwetterlage zurückzuführen

113 Raymundiana VI/2, 5.73-74, Nr. XLI zu 1238 vor Juni.11' Engels, Corbeil (wie Anm.73) 5.220 in Modifizierung der Ansicht von

Alart, Privileges (wie Anm.65) 5.159-161, der vorausgegangene und unbekannteVereinbarungen voraussetzt. Vgl. Eng eis, Abhängigkeit (wie Anm. 10) S.44ff. zumRechtsstand der Provence. Zu den letzten Tagen des Nunyo Sane siehe auch JoaquimMiret i Sans, Itinerari del rei En Jacme, 10 Conqueridor (1216-1276) (1918) S.145f.,156.

liS Huici-Cabancs, Documentos de Jaime I de Aragon, Bd.2: 1237-1250 [1976]S. 116-120, Nr. 340 zu 1242 Januar 1; vg!. Eng eis, Abhängigkeit S.45f.

110 Alart, Privileges S.S3f. Vgl. Engels, Schutzgedanke S.268; Monsalvatje yFossas, El obispado de Elna I, S. 195. Bernat de Berga hatte bereits am 21. Jan. 1242als Testamentsvollstrecker die Grafschaften RoussilIon und Cerdanya für König Jakobl. in Besitz genommen (Monsalvatje S.196), und der König von Aragon zuvorden Einwohnern von Perpignan ihre Costumbres und Privilegien bestätigt (H u i c i_Cab a n c s , Documentos 2, Nr.344 zu 1242 Jan. 18).

Page 32: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 225

ist!!7. Dies gilt allgemein auch für den katalanischen Raum, doch hieltPere d' Albalat Ende April 1239 sein erstes Provinzialkonzil ab, umseine Vorstellungen von einer Reform der Kirche zu propagierenl18•Es verwundert nicht, daß in erster Linie die Konstitutionen derSynode von Lerida 1229, also die Reformmaßnahmen des KardinalsAbbeville, nochmals in Erinnerung gerufen und eingeschärft wurden.Unter den hinzugefügten Canones findet sich dann allerdings aucheine Bestimmung gegen Häretiker, ihre Jautores, credentes et rccep-tatores, die ebenso allgemein gehalten ist, wie in früheren Jahren,und keinen direkten Bezug zur Inquisition erkennen läihl19• Einewesentlich härtere Gangart ist erst wieder zu spüren, als Raimund vonPenyafort, der 1238 zum Generalmeister der Dominikaner gewähltund 1241 sowohl von Jakob 1. von Arag6n als auch von BischofBerenguer von Barcelona zum Testamentsvollstrecker bestimmt wor-den warl2O, nach längerer Abwesenheit das Provinzialkonzil von 1242entscheidend beeinfluiste. Höchstwahrscheinlich im Umkreis dieserSynode, auf jeden Fall nach dem Tod des Barcelonescr BischofsBerenguer de Palou, ist ein Memorandum entstanden, durch das inWeiterführung einschlägiger Bemühungen in der Diözese Barcelonadie Verfahrensweisen der Inquisition in der Kirchenprovinz Tarragonasystematisiert und auf eine einheitliche Grundlage gestellt werdensollten. Unter Federführung von Pere d' Albalat und Raimund vonPenyafort entstand die erste Fassung eines Inquisitionshandbuches, fürAntoine Dondaine "le premier document digne du nom de manucl deprocedure inquisitorial", das die heretici, suspecti, credentes, [autorcs,receptatores, defensores, relapsi voneinander genau unterschied undAnleitungen zu ihrer Entdeckung, Behandlung und Bestrafung gab,wobei im letzten Stadium die weltliche Gewalt beteiligt war und dieabjuratio sowie purgatio den Insabbatatis, Valdensibus, Paupcribus de

J/7 K.o Imer, Ad capiendas vulpes (wie Anm. 1) S. 145ff.11" Po n s Gur i,Constitucions (wie Anm. 29) S. 98-104. Zu Verbreitung, Einlluil und

Weiterwirkung der unter dem Pontifikat des Pcre d'Albalat propagierten Konstitutionenvg!. Federico R. A z na r G il, ~ons~ituci?nes ~o?ciliar~s ta~raconenses del siglo X IIIen la di6cesis de Jaca - Huesca, In: Hispania christiana, Estudios en honor del Prof. Ur.J 051 OrJandis Rovira (1988) S. 407-428.

IIY Pons Guri, Constitucions 5.104 §Xl.120 Raymundiana V1/2, S.75·76, Nr.XLII zu 1238 Mai 22; 5.98-103, Nr.LX 11 zu

1241 Januar I; 5. 104-107, Nr.LXIV zu 1241 August 20.

Page 33: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

226 Ludwig Vones

Lugduno, vel hereticis cujuscumque generis galtl21• Da die königli-che Billigung dieses Vorgehens vorausgesetzt werden kann, existiertedamit bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine einheitliche Rege-lung des Inquisitionsverfahrens für den katalanisch-aragonesischenRaum, eine institutionelle Klammer auf dieser Ebene, die zwangsläufigauch Ausstrahlungskraft in den nördlichen Pyrenäenraum entwickelnmußte, vielleicht sogar über die Ausdehnung von Inquisitionsspren-geln kirchenpolitische Grenzen verschieben konnte. Dies gewann na-türlich noch mehr an Bedeutung, als nach dem kinderlosen Tod desNunyo Sane; die Grafschaften Roussillon und Cerdanya wieder andie Krone Arag6n, damit an Jakob I. zurückfielen und sofort in dieerwähnte Erbteilung eingebracht wurden. Kirchenrechtlich unterstandder Kern dieser Gebiete jedoch, wie bereits erwähnt, dem Bischofvon EIne, der als Suffragan zur Kirchenprovinz Narbonne gehörte.Folgt man deshalb dem vor einiger Zeit gemachten Vorschlag, dieAbfassung des Ordo processus Narbonnensis, des normsetzenden In-quisitionsmanuales für die Kirchenprovinz Narbonne, auf 1244 zudatierenl--, könnte dies angesichts der machtpolitischen Konkurrenz-situation zwischen Arag6n und Frankreich in Okzitanien durchausin der Absicht geschehen sein, die Inquisitionskompetenz innerhalbder Narbonner Kirchenprovinz, insbesondere in der Diözese EInemit ihren offenkundigen Unterstützern der Häresie innerhalb derAdelsgesellschaft, zu stärken und zu stabilisieren, also einem durchdie Königsgewalt gestützten Eingreifen von außen die wichtigsteVoraussetzung zu entziehen. Johannes Vincke hat sogar vermutet,daß bereits der päpstliche Auftrag des Jahres 1238 an Vidal de Ca-nyelles, die aragonesischen Grenzgebiete zu entketzern nicht nur die"ketzergerichtlichen Belange (des Königs) an den ... Landesgrenzen"eingeschlossen, sondern auch das Roussillon und weitere umstritteneGebiete im Languedoc betroffen habe, "in denen allen neben denBischöfen die Inquisitoren von Toulouse, Carcassonne und Narbonne

121 Do u ais, Saint Raymond (wie Anm.35) S.305-325, die Edition S. 315-325, dasZitat auf S.320. Vg!. Antoine Don d a in e, Le manuel de I'inquisiteur (1230-1330),Archivum Fratrum Praedicatorum 17 (1947) S. 85-194, bes. S.96f., 131f., das Zitat aufS.96. Zu einer Summa, die ebenfalls zur gleichen Zeit in diesem Umkreis entstandenist und die Rezeption der Maßnahmen des Jean d'AbbeviIIe beleben sollte, vgl.Peter Li n e h an, Pedro de Albalat, arzobispo de Tarragona y su "Summa septernsacramentorurn", in: Ders., Spanish Church and Society 1150-1300 (1983) Nr.lII.m Ko Imer, Ad capiendas vulpes S. 198ff.

Page 34: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 227

zuständig waren"123. Und in Anbetracht des immer rücksichtsloseren,aber ungleich erfolgreicheren kapetingischen Expansionsstrebens imLanguedoc folgerte er dann zurecht, daß die Weiterentwicklung derInquisition "zunächst nichts mehr und nichts weniger (bedeutete)als eine katalanische Verteidigungsfront gegenüber dem auch in derInquisition zum Ausdruck kommenden Ausdehnungsdrang Frank-reichs"12\ eine Vermutung, deren Richtigkeit angesichts der im Laufeder 40er Jahre weiter modifizierten aragonesischen Erbteilungen undihrer politischen Hintergründe125 nur unterstrichen werden kann. Einewichtige Vorentscheidung sollte in dieser Hinsicht bereits 1245 fallen,als Innocenz IV. auf königliche Intervention hin päpstlichen Legatendie Ausübung ihrer Befugnisse in der Diözese EIne, quod episcopatusElnensis in regno Aragonum situs esse dicatur, nur gestattete, wenn inihrem Auftrag ausdrücklich auf die Reichszugehörigkeit des BistumsBezug genommen worden war126.

Einen tiefen Einschnitt bedeuteten schließlich zwei Verfügungendes Papstes, die dieser im Oktober 1248 ebenfalls auf Bitten Jakobs1. erließ. Das von päpstlicher Seite ausgesprochene Verbot für denErzbischof von Narbonne und die dort tätigen Inquisitoren, Ketzerund ihre Begünstiger aus dem Herrschaftsbereich der Krone Arag6nweiterhin vor ihr Gericht zu ziehen - die Erweiterung einer Verfü-gung, die bereits früher den Inquisitoren Pierre Durand und Bernardde Caux mitgeteilt worden war -, klärte die schwierige mac ht- undkirchenpolitische Gemengelage im Pyrenäenraum mit einem Schlagzugunsten des aragonesischen Königs127• Als in Ergänzung dazu der

123 Vincke, Vorgeschichte (wie Anm.l) S.17.124 Vi n c k e, Vorgeschichte S. 18.125 Vg!. Eng c l s , Abhängigkeit S. 46f.126 Auguste Qui n tan a Pr i e to, La documentaci6n pontificia de Innocencio IV

(1243-1254), 2 Bde. (1987) hier Bd.l, 5.157, Nr.135; Elie Berger, Lcs Registresd'Innocent IV (1243-1254) (1881-1921) Nr. 1378 zu 1245 Juli 10. Allgemein zurKetzerpolitik dieses Papstes und seiner wichtigen Bulle Ad extirpunda siehe jetztAlberta Me lion i, Innocenzo IV. La concezione e l'espcricnza dclla cristianita comeregimen unius personae (1990) S. 197ff.

127 Quintana Pr ie t o , Documentaci6n 2, S.511-512, Nr.547; Berger 41SS;potthast 13040 zu 1248 Okt. 6 als Erweiterung der Verfügungen in einer Bulle von1248 März 19 (Paris, BN. ColI. Doat 31, f.94v-95r; vgl. Douais, Documents 1 [wieAnrn. 55] S.XIVf. mit Anm. 4, S.xXIf. mit Anm. 3).

Page 35: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

228 Ludwig Vones

spanische Provinzialprior der Dominikaner und Raimund von Pe-nyafort den Auftrag erhielten, in jenen Gebieten innerhalb der Kir-chenprovinz Narbonne, die unter der Herrschaft der Krone Arag6nstanden, die Inquisition durch einheimische Dominikaner durchführenzu lassenl-", und auf diese Weise der bischöfliche Einfluß entscheidendbeschnitten wurde, hatten, um es mit Vincke zu sagen, "im Roussillondie politischen Grenzen den kirchlichen den Rang abgelaufen" 129.

Es lag an diesen besonderen Umständen, wenn die Inquisition imRoussillon regelrecht zu einer Institution wurde, die die Krone undihre Rechtsansprüche geradezu repräsentierte, die ihr Amt ausübendenInquisitoren als inquisitores heretice pravitatis pro rege Aragonumangesehen wurden 130 und die Bischöfe wegen ihrer kirchenpoliti-schen Bindungen an die Metropole Narbonne in diesen Gebietenals Hüter der inquisitorialen Praxis untauglich waren 131. Angesichtsdieser Verhältnisse, die den politischen Bedürfnissen der Krone nachZusammenhalt ihrer gefährdeten Reichsteile Rechnung trugen, war esin Anbetracht des zu dieser Zeit wachsenden französischen Drucksnur ein kleiner Schritt, eine solche Regelung gleichfalls für die Kern-länder des aragonesischen Machtbereichs in Erwägung zu ziehen. AlsInnocenz IV. 1254 den Dominikanerprioren von Barcelona, Leridaund Perpignan das Ernennungsrecht für jene Kronländer übertrug, indenen noch keine päpstliche Inquisition eingerichtet warl32, und denErzbischöfen von Tarragona und Narbonne lediglich mitteilte, diessei auf königlichen Wunsch geschehen und er bitte sie um Unter-stützung der solchermaßen ins Amt gerufenen Inquisitoren133, warendie Würfel gefallen. Es zeugt für die Stärke der königlichen Stellung,

12M Quintana Pr ie t o , Documentaci6n 2, 5.515-516, Nr.553 ZU 1248 Okt. 20;Llorca, Bulario (wie Anm.l) 5.44-46, Nr.2 (zu 1249 Okt. 20); Thomas Ripoll,Bullarium ordinis fratrurn Praedicatorum 1 (1729) 5.184, Nr.203; Rius Serra,Diplomatario Nr.LXXI; vg!. Be r ger 4652; Pot t has t 13380. Fernerhin Be r ger 4156;Potthast 13057. Vgl, Quintana Prieto, Documentaci6n 2, S. 516-517, Nr.554;Be r ger 4157; Pot t has t 13056 (Mitteilung der Entscheidung an den Erzbischof vonN arbonne und die betroffenen Inquisitoren vom gleichen Tag). Vgl, Dos sat, Les crises(wie Anm. 1) S. 152f.

129 Vi n eke, Vorgeschichte S. 19.]JO G u i rau d, Histoire de l'Inquisition 2, 5. 175 zu 1253.III Vi n c k e, Vorgeschichte 5. 20.m Ripoll, Bullarium 1, S.245, Nr.326 zu 1254 April7.ID Quintana Prieto, Documentaci6n 2, 5.834-835, Nr.950; Ripoll, BulIarium

1,5.245, Nr.328 zu 1254 April21. Vg!. Potthast 15343.

Page 36: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 229

daß der katalanisch-aragonesische Episkopat dies ohne feststellbarenWiderstand hinnahm 13+, eine Stellung, die eine entscheidende Stärkungdurch die bald folgende Erneuerung des zeitweilig weniger effektivenpäpstlichen Schutzprivilegs erfuhr135• Der Endpunkt der Entwicklunghin zur Bestellung nichtbischöflicher Inquisitoren, die ihre Funktionneben und unabhängig von den Bischöfen ausübten, war erreicht,als im politischen Bereich mit dem Vertrag von Corbeil von 1258der Ausgleich mit Frankreich gefunden wurde, die unmittelbare Be-drohung für die aragonesische Herrschaft im Pyrenäenraum wegfielund zukünftig die einheitliche Münze, das gemeinsame Gewohnheits-recht sowie die lockere Lehnsabhängigkeit als verfassungsrechtlicheKlammer für die transpyrenäischen Gebiete dienen sollten 136. Nachder Ratifizierung des Vertrags 1262 entsprach es den konsolidiertenMachtverhältnissen, wenn nun das aragonesische Einflußgebiet zueinem einheitlichen Inquisitionsbezirk gestaltet und festgelegt wurde,daß die Ernennung der Inquisitoren fortan durch den spanischenProvinzialprior erfolgen sollte, der aber seine Wahl auf Vertreter ausden Kronländern beschränken mußte137 - eine Maßgabe, die sichauch auf das bereits vorgeformte Königreich Mallorca mit den ihmzugeschlagenen Grafschaften Roussillon und Cerdanya erstreckte. DieAusdehnung des Ernennungsrechts auf den Generalvikar des Domini-kanerprovinzials durch Clemens IV. im Jahr 1267 bildete lediglich dasTüpfelchen auf dem I, da damit auch bei Abwesenheit des Provinzialsdie Gewähr geleistet war, daß Inquisitoren innerhalb der Sprengel der

134 Vi n c k e , Vorgeschichte S. 19f.135 Qui n tan a Pr i c I 0, Documentaci6n 2, S.906-907, Nr. 1035; Francisco javicr

Mi que I R 0 sell, Regesta de letras pontificias del Archivo de la Corona de Aragon.Secci6n Cancillerfa real (Pergaminos) (1948) N r. 179 (zu 1254 Sept. 17); M ans ill a,La documentaci6n pontificia hasta Innocencio Ill, S.429, Nr. 409; Mi q u e 1 R 0 Sc 11,Regesta, Nr. 62 (das Exekutionsmandat an den Erzbischof von Narbunne und denBischof von Barcelona; irrtümlich zu 1209 Sept. 17). Vg!. dazu Fr i e d , Der päpstlicheSchutz (wie Anm.27) S.246, der S.212 Anm.139 auch die Umdaticrung von 1209 auf1254 begründet.

116 Siehe Eng c l s , Corbeil S.203-235; Der s., Abhängigkeit S.47f.; Dc rs., KiinigJakob l. von Arag6n und die internationale Politik im 13.Jahrhundcrt S. 237 -259.

137 Ri p o l l , Bullarium 1, S.429, Nr.25 zu 1262 August 1. Vg!. Vinckc, Vorge-schichte S.20.

Page 37: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

230 Ludwig Vones

Landeskirche bestellt und königliche Interessen berücksichtigt werdenkonn ten 138.

Im Laufe seiner mehr als 50jährigen Regierungszeit hatte Jakob1. es verstanden, die Inquisition zu einem Instrument der Kroneauszubauen, mit dessen Hilfe er politische Prozesse im Sinne sei-ner Herrschaftsausdehnung und seiner Machterhaltung beeinflussenkonnte. Er verlieh ihr einen ähnlichen Stellenwert wie anderen Instiru.tionen des verfassungsrechtlichen Miteinanders, die zum Beispiel wiedie Pax-et- Treuga- Bestimmungen der Landfriedensgesetzgebung derSicherung des inneren Friedens und Zusammenhalts dientent-", DieKetzerbekämpfung war für ihn nicht nur Selbstzweck und religiöserAuftrag, sondern auch neben anderen Maßnahmen ein probates Mittel,um gesellschaftliche Führungsschichten zu disziplinieren, abdriftendebzw. sich verselbständigende Territorien an seinen Reichsverband zuklammern und drohende Übergriffe auswärtiger Mächte abzuwehren.Erst als die Gefahren von außen nachließen und sich mit der Zen-tralisierung der Inquisition offensichtlich der Druck nach innen zuverstärken schien, regte sich Unmut innerhalb der Führungsschichten.Erste Anzeichen dafür sind die Forderungen des bisher eher abseitsstehenden aragonesischen Adels auf den Cortes von Ejea 1265, vonVerfahrensweisen ausgenommen zu werden, die gegen die Fueros undGewohnheitsrechte von Arag6n seien, darunter die inquisitio bzw.inquisacion'w.

Man hat bereits wiederholt bemerkt, daß das Katharertum imkatalanisch-aragonesischen Machtbereich im letzten Viertel des 13.Jahrhunderts in einem starken Rückgang begriffen war, und verschie-dene Gründe dafür angefiihrt-+': die Exkommunikation und Abset-zung Peters Ill. im Anschluß an die ,Sizilianische Vesper' durch Papst

IJH Ripoll, Bullarium 1, S.480, Nr.57 zu 1267 Januar 28. Vg!. Vincke, Vorge-schichte S. 20f.

])9 Dazu künftig Von es, Friedenssicherung und Rechtswahrung (wie Anm. 20).'40 Angel Can e IIa s Lop e z , Fuentes de Zurita, Anales, Ill, 66-67. Las asambleas

de Calatayud, Huesca y Ejea en 1265, J. Zurita. Cuadernos de Historia 31-32 (1978)S. 7-41, hier S. 31,41. Vg!. auch Victor Fa i re n - G u i IIe n, Die rechtlichen Mittel gegenAngriffe und Eingriffe in die Persönliche Freiheit von den römischen Interdicta über dieLex Baiuwariorum bis zum spanischen Recht des Mittelalters, ZRG Germ. 109 (1992)S.335-352, hier S. 35lf; Jose M a r t ine z Gi j 0 n , La prueba judicial en el Derechoterritorial de Navarra y Aragon durante la baja Edad Media, Anuario de Historia delDerecho Espaiiol31 (1961) S.41ff.

'41 Vg!. Ve n t u r a i Subirats, Catarismo S.82f.

Page 38: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition 231

Martin IV., den Kreuzzug gegen Arag6n und die durch die französi-schen Thronfolgehoffnungen ausgelöste Eskalation des aragonesisch-katalanischen Konflikts mit Frankreich'V, die vor allem den das Ka-tharertum fördernden Leinenhandel traf. Man sollte nicht übersehen,daß der aragonesische Adel im selben Jahr infolge der Schwächung desKönigtums Peter Ill. seine Freiheitsrechte abtrotzen und diese im Pri-vilegio General festschreiben konnte'P, die katalanischen Carts unterAusnutzung dieser Vorgänge ebenfalls Zugeständnisse erreichten!".Für eine Königsgewalt, die für die nächsten 65 Jahre gegenüber denpolitischen Führungsschichten ihres Reiches mehr oder weniger in dieDefensive gedrängt war, konnte die kirchliche Inquisition ebenfallskein adäquates Instrument zum Machtausbau mehr sein, zumal dasKönigtum in den Kronländern die innerkirchliche Gerichtsbarkeit im-mer respektiert und damit die Abgrenzung weltlicher von kirchlichenRechtskreisen gefördert hattel45. Erst die Umformung der InquisitionZU einer staatlich-monarchischen Institution mit der Möglichkeit zurreligiös-gesellschaftlichen Disziplinierung sollte sie unter den Katho-lischen Königen wieder als politisches Instrument attraktiv werdenlassen146•

142 Vg!. dazu Jose Maria P ou y M a rt i, Conflictos entre et pontificado y los reyes deArag6n en et siglo XIII, in: Sacerdozio e regno da Gregorio VII a Bonifacio VIII (1954)S. 139-160; Angel Fa b r e gaG rau, Actitud de Pedro III el Grande de Arag6n ante lapropia deposici6n fulminada por eI papa Martin IV, ebd. 5. 161-180;Joseph R. 5 t ray er,The Crusade against Arag6n, Speculum 28 (1953) 5.102-113; Maureen Pureeil, PapalCrusading Policy, 1244-1291. The Chief Instruments of Papal Crusading Policy andCrusade to the Holy Land from the Final Loss of Jerusalem to the Fall of Acre (1975)

S.94ff.143 Vg!. dazu insbes. Esteban Sa r a s a Sa n c h e z , EI Privilegio General de Arag6n.

La defensa de las libertades aragonesas en la Edad Media (1984) mit der krir, Edition desPrivilegio 5.75-90. Im Jahr 1348 sollte der Privilegio General sogar zum verbindlichenFuero erhoben, also den Gewohnheitsrechten gleichgestellt werden. Vg!. auch Fa i re n-G u i 11en, Die rechtlichen Mittel 5. 352.

144 Vg!. Jose Luis Marlin, Privilegios y cartas de libertad en la Corona de Arag6n(1283-1289), in: Ders., Econornia y sociedad en los reinos hispänicos de la Baja EdadMedia, Bd.l (1983) 5.185-235.

145 Vg!. F ri e d , Beobachtungen (wie Anm.28) S. 516ff. Allgemein zur Entwicklungdes Verhältnisses Staat - Kirche ist weiterhin grundlegend Vi n c k e , Staat und Kirche(wie Anm. 1).

146 Zur Einrichtung einer staatlichen Inquisition in den hier hauptsächlich interessie-renden Ländern der Krone Arag6n unter den Katholischen Königen siehe neben einigenaufschlußreichen Dokumentenbänden aose Angel Ses m a Mu n0 z , El establccimicnto

Page 39: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

232 Ludwig Vones

de la Inquisicion en Arag6n, 1484-1486. Documentos para su estudio [1987J; die päpst-lichen Bullen finden sich ediert bei LI 0 r ca, Bulario, und bei Shlomo Si mon soh n,The Apostolic See and the Jews. Documents: 1464-1521 [1990]), außer dem bereitszitierten Werk von Fort i Cog u I und der übergreifenden Darstellung von HenryKamen, La inquisicion espaiiola (1988) vor allem Francesch Carreras Candi,L'Inquisici6 barcelonina, substituida per l'Inquisicio castellana (1446-1487), Anuaridel Institut d'Estudis Catalans (1909-1910) S.130-177; Juan Blizquez Miguel,La Inquisicion en Caralufia. El Tribunal del Santo Oficio de Barcelona <1487-1820>(1980); Ricardo G a rei a Ca rc el, Origenes de la Inquisici6n espafiola. El tribunal deValencia, 1478-1530 (21985). Allgemein sei verwiesen auf das bereits erwähnte Handbuchzur Inquisitionsgeschichte, dessen erster Band 1984 von Per e z ViII an u e v a undEs can dell Bon etherausgegeben wurde (s.o.Anm. 1).

Page 40: Die Anfaenge der Inquisition in Mittelalter

Krone und Inquisition

,.7 Amtsdaten nach Flu v i a, Eis primitius corntats (wie Anm. 37) S. l l S,,.X Amtsdaten nach Fluvia, Els prirnitius corntats S. 169.,." Amtsdaten nach Flu v i a, Eis primitius comtats S. liS f.

233