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Originalie 40 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 Protein C (PC) ist ein Proenzym, das Vitamin-K- abhängig in der Leber synthetisiert wird [4]. Wie in Abbildung 1 schematisch dargestellt, ist das Protein-C-Molekül aus einer schweren und einer leichten Kette, jeweils mit Molekulargewichten von 41.000 bzw. 21.000 Dalton, aufgebaut. Die beiden Ketten sind über eine Disulfidbrücke mit- einander verbunden [4]. Die Plasmahalbwertszeit von Protein C beträgt zehn Stunden [4]. Die Aktivierung zur Serinprotease (aktiviertes PC; APC) erfolgt durch Abspaltung eines zwölf Aminosäuren langen Propeptids vom N-termi- nalen Ende der schweren PC-Kette [8]. Diese Reaktion wird auf der Oberfläche von Endothel- zellen durch den Thrombin/Thrombomodulin- Komplex katalysiert [5, 6]. Thrombomodulin (TM) wirkt in dieser Reaktion als ein Kofaktor, der die Substratspezifität von Thrombin zugun- sten von Protein C ändert. In Abwesenheit von Thrombomodulin erfolgt keine relevante Aktivierung von Protein C durch Thrombin. Neben Thrombomodulin ist mit dem endo- thelialen PC-Rezeptor (EPCR) ein weiteres Glykoprotein der Endothelzelloberfläche in die Aktivierung von Protein C eingebunden [20]. Endothelialer PC-Rezeptor bindet Protein C und bringt es in räumliche Nähe zum aktivierenden Thrombin/Thrombomodulin-Komplex. Aktiviertes Protein C Das gebildete APC inaktiviert zusammen mit dem Kofaktor Protein S die prokoagulatorisch aktiven Kofaktoren V (FVa) und VIII (FVIIIa). Wie in Abbildung 2 schematisch dargestellt, wird dadurch die Thrombinbildung effektiv herunter- reguliert. Über diese antikoagulatorische Wirkung hinaus sind für APC auch profibrinoly- tische, antiinflammatorische und antiapopto- tische Wirkungen beschrieben worden. Profibrinolytisch kann APC wirken, indem es den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI) inakti- viert [17]. Einen Hinweis auf die antiinflamma- torische Wirkung von APC lieferten Experimente mit endotoxinstimulierten Monozyten; dabei konnte gezeigt werden, dass in Anwesenheit von APC die Synthese proinflammatorischer Zytokine inhibiert wird [4, 15]. Eine antiapopto- tische Wirkung von APC konnte in Zellkultur- experimenten und in einem neuroischämischen Mäusemodell nachgewiesen werden [3]. Im Unterschied zu den antikoagulatorischen APC- Funktionen sind die molekularen und zellulären Interaktionen, durch die APC antiinflamma- torisch und zellprotektiv wirkt, bisher nur partiell verstanden. Die APC-Dysfunktion: eine diagnostische Herausforderung BERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN Das gebildete APC inakti- viert zusammen mit dem Kofaktor Protein S die prokoagulatorisch aktiven Kofaktoren V (FVa) und VIII (FVIIIa).

Die APC-Dysfunktion: eine diagnostische Herausforderung · Protein-C-Molekül aus einer schweren und einer leichten Kette, jeweils mit Molekulargewichten von 41.000 bzw. 21.000 Dalton,

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40 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12

Protein C (PC) ist ein Proenzym, das Vitamin-K-abhängig in der Leber synthetisiert wird [4]. Wie in Abbildung 1 schematisch dargestellt, ist das Protein-C-Molekül aus einer schweren und einer leichten Kette, jeweils mit Molekulargewichten von 41.000 bzw. 21.000 Dalton, aufgebaut. Die beiden Ketten sind über eine Disulfidbrücke mit-einander verbunden [4]. Die Plasmahalbwertszeit von Protein C beträgt zehn Stunden [4].

Die Aktivierung zur Serinprotease (aktiviertes PC; APC) erfolgt durch Abspaltung eines zwölf Amino säuren langen Propeptids vom N-termi-nalen Ende der schweren PC-Kette [8]. Diese Reaktion wird auf der Oberfläche von Endothel-zellen durch den Thrombin/Thrombo modulin-Komplex katalysiert [5, 6]. Thrombomodulin (TM) wirkt in dieser Reaktion als ein Kofaktor, der die Substrat spezi fität von Thrombin zugun-sten von Protein C ändert. In Abwesenheit von Thrombomodulin erfolgt keine relevante Aktivierung von Protein C durch Thrombin.

Neben Thrombomodulin ist mit dem endo-thelialen PC-Rezeptor (EPCR) ein weiteres Glykoprotein der Endothelzelloberfläche in die Aktivierung von Protein C eingebunden [20]. Endothelialer PC-Rezeptor bindet Protein C und bringt es in räumliche Nähe zum aktivierenden Thrombin/Thrombomodulin-Komplex.

Aktiviertes Protein C

Das gebildete APC inaktiviert zusammen mit dem Kofaktor Protein S die prokoagulatorisch aktiven Kofaktoren V (FVa) und VIII (FVIIIa). Wie in Abbildung 2 schematisch dargestellt, wird dadurch die Thrombinbildung effektiv herunter-reguliert. Über diese antikoagulatorische Wir kung hinaus sind für APC auch profi brinoly-tische, antiinflammatorische und anti apopto -tische Wirkungen beschrieben worden.

Profibrinolytisch kann APC wirken, indem es den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI) inakti-viert [17]. Einen Hinweis auf die antiinflamma-torische Wirkung von APC lieferten Experimente mit endotoxinstimulierten Monozyten; dabei konnte gezeigt werden, dass in Anwesenheit von APC die Synthese proinflammatorischer Zytokine inhibiert wird [4, 15]. Eine antiapopto-tische Wirkung von APC konnte in Zell kultur-experi men ten und in einem neuroischämischen Mäuse modell nachgewiesen werden [3]. Im Unter schied zu den antikoagulatorischen APC-Funktionen sind die molekularen und zellulären Interaktionen, durch die APC antiinflamma-torisch und zellprotektiv wirkt, bisher nur partiell verstanden.

Die APC-Dysfunktion: eine diagnostische HerausforderungBERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN

Das gebildete APC inakti-

viert zusammen mit dem

Kofaktor Protein S die

prokoagulatorisch aktiven

Kofaktoren V (FVa) und VIII

(FVIIIa).

PC APC

+FIXa FVIIIa FVIIIai

PS APC+

FXa FVa FVai+

FII FIIa TM+

2

4

1

2

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Protein-C-Systems. (1) Im Komplex mit

dem Kofaktor Thrombomodulin (TM) aktiviert Thrombin (FIIa) das Proenzym Protein C (PC)

zur aktiven Serinprotease aktiviertes PC (APC). (2) Zusammen mit dem Kofaktor

Protein S (PS) inaktiviert APC die aktiven Kofaktoren VIII (FVIIIa) und V (FVa) und inhibiert

dadurch die katalytische Aktivität des (3) Tenase- und (4) Prothrombinasekomplexes.

FVIIIai = inaktivierter FVIIIa, FVai = inaktivierter FVa, FX = Faktor X, FIXa = aktiver Faktor IX

3

FX

VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 41

APC-Dysfunktion: Definition und Symptome

Die APC-Dysfunktion definiert ein Un gleich-gewicht zwischen der prokoagulatorisch wirkenden Thrombinaktivität und der anti ko-a gula torisch wirkenden APC-Aktivität. Die damit verbundene klinische Symptomatik ist abhängig vom Ausmaß der Dysbalance und reicht von einem leicht erhöhten Thrombose-risiko bis hin zu schweren thrombotischen Mikrozirkulationsstörungen. Auslösende Faktoren einer APC-Dysfunktion können ein absoluter oder relativer Protein-C-Mangel, eine Beein trächti gung der endothel zellab hängigen Protein-C-Aktivierung oder eine direkte oder indirekte Inhibition der APC-Aktivität sein (Tab.).

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Protein-C-Moleküls und der Aktivierung

des zweikettigen Moleküls zur aktiven Serinprotease aktiviertes Protein C (APC).

T/TM = Thrombin/Thrombomodulin-Komplex

S

S

CN 21.000

S

S

C

C

N

N

CN

N C

41.000

21.000

41.000

PC

Propeptid

APC

T/TM

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42 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12

Hereditäre APC-Dysfunktion und hereditärer Protein-C-Mangel

Den hereditären Formen der APC-Dysfunktion liegt meist eine isolierte Störung einer Kompo-nen te des Protein-C-Systems zugrunde. Beispiele sind die APC-Resistenz und der angeborene Protein-C- oder Protein-S-Mangel.

Der hereditäre Protein-C-Mangel folgt einem autosomal-dominanten Erbgang; er ist durch eine erniedrigte Protein-C-Konzentration charak-terisiert, die unterhalb der 2,5-Perzentile des Referenzbereichs liegt. Die Protein-C-Konzen-tration kann mit funktionellen und immunolo-gischen Nachweisverfahren bestimmt werden. In den funktionellen Nachweisverfahren wird nach Zugabe eines Protein-C-Aktivators die Menge an gebildetem APC anhand des dabei umgesetzten Peptidsubstrats oder natürlichen Substrats ge -messen. Durch die funktionelle Bestimmung der Protein-C-Antigenkonzentration wurde der Begriff der Protein-C-Aktivität geprägt, obwohl Protein C selbst keine enzymatische Aktivität aufweist.

Bei Patienten mit heterozygotem Protein-C-Mangel betragen die Restaktivitäten meist zwi-schen 20 und 50 %. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für venöse Thrombosen. Bei gesunden Blutspendern ist ein heterozygoter Protein-C-Mangel mit einer Häufigkeit von 0,2 bis 0,4 % nachweisbar. Dagegen tritt heterozy-goter Protein-C-Mangel in Kollektiven von Throm bose patienten mit einer Häufigkeit von im Mittel 4 % (1,5 bis 11,5 %) auf. Rechnerisch ist damit das relative Thromboserisiko bei Patien ten mit Protein-C-Mangel um 3,8 bis 8,8 erhöht [9, 13, 18].

Dem heterozygoten Protein-C-Mangel liegen unterschiedlichste Mutationsformen zugrunde. Bisher sind mehr als 160 verschiedene Muta-tionen beschrieben worden [16]. Ein dominie-render, hochfrequenter Mutationstyp existiert nicht.

BERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN

Hereditär Erworben

Protein-C-Mangel Vitamin-K-Mangel

Protein-S-Mangel Leberparenchymschädigungen

APC-Resistenz Sepsis

Thrombomodulin-Polymorphismen Endothelzellschädigung (immunologisch, toxisch)

EPCR-Polymorphismen Phospholipid-Antikörper

Tabelle: Zur APC-Dysfunktion führende Erkrankungen

VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 43

Verglichen mit dem heterozygoten Protein-C-Mangel ist das klinische Bild des homozygo-ten Protein-C-Mangels weitaus dramatischer. Dieser ist durch eine Reduktion der Protein-C-Aktivität auf unter 5 % gekennzeichnet und tritt mit einer Inzidenz von 1 auf 500.000 bis 750.000 Geburten sehr selten auf. Die Be troffe-nen entwickeln häufig bereits im Neugeboren-enalter eine Purpura fulminans, die durch eine ausgeprägte Thrombosierung der Mikro zirku-lation gekennzeichnet ist. Die Folge sind Haut-nekrosen mit sekundären Einblutungen sowie schwere Organdysfunktionen und nekrotische Organ destruktionen. Besonders häufig ist die Mikro zirkulation der Haut, der Nieren und Nebennieren, der Leber und des Gehirns be troffen. Dement sprechend ist die Purpura fulminans mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden.

Mit den bereits erwähnten funktionellen Nach weisverfahren können erniedrigte Protein-C-Plasmakonzentrationen gut standardisiert ge messen werden. Ein weitaus größeres Problem stellt die anschließende diagnostische Bewertung mit dem daraus abzuleitenden therapeutischen Vorgehen dar. Nach den Ergebnissen der zitier ten Untersuchungen an gesunden Blut spendern und von Longitu-dinalstudien ist etwa die Hälfte der Individuen mit einem heterozygoten Protein-C-Mangel l ang fristig asympto matisch [9, 13]. Dennoch be stand im Vergleich mit den symptomatischen Patienten kein signifikanter Unter schied in der Häufigkeit von durchlebten thrombo philen Risikosituationen.

Individuelle Unterschiede in der APC-Bildungs-fähigkeit könnten diese heterogene klinische Symptomatik, trotz vergleichbar niedriger Protein-C-Konzentrationen, erklären. Diese An nahme erscheint vor dem Hintergrund, dass noch andere Parameter wie beispielsweise endo -theliale Faktoren die APC-Bildung beein flussen, wahrscheinlich. Daraus kann man ableiten, dass durch eine Bestimmung der Pro tein-C-Plasma-konzen tration zwar ein Protein- C-Mangel erfasst werden kann, das Ausmaß der mit der Protein-C-Erniedrigung verbundenen APC-Dysfunktion aber nicht quantifizierbar ist. Letzteres wäre je -doch von entscheidender Be deutung, um einen nachgewiesenen Protein-C-Mangel klinisch zu bewerten.

Daraus kann man ableiten,

dass durch eine Bestimmung

der Pro tein-C-Plasma konzen-

tration zwar ein Protein-

C-Mangel erfasst werden

kann, das Ausmaß der mit der

Protein-C-Erniedrigung ver-

bundenen APC-Dysfunktion

aber nicht quantifizierbar ist.

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Erworbene APC-Dysfunktion

Während der hereditären APC-Dysfunktion meist eine Störung einer Komponente des Protein-C-Systems zugrunde liegt, ist die erworbene APC-Dysfunktion fast immer multifaktoriell bedingt. Ein typisches Beispiel stellen septische Erkrankun-gen dar, bei denen eine Einschränkung der Protein-C-Synthese als Folge einer gestörten Lebers yntheseleistung mit einer verminderten Protein-C-Aktivierung und einem erhöhten Protein-C-Umsatz gekoppelt ist.

Patienten mit schwerer Sepsis können eine der Purpura fulminans neonatorum des homo-zygoten Protein-C-Mangels vergleichbare Sympto matik entwickeln. Aus dieser klinischen Beo bachtung wurde die Bedeutung des Protein-C-Systems in der Pathogenese der Sepsis abgeleitet. In tierexperimentellen Unter such un-gen konnte diese Hypothese weiter untermauert werden. Im Endotoxin-Schock-Modell konnte die Letalität der Versuchstiere durch gleichzeitige Applikation von APC gesenkt werden; die gleichzeitige Gabe eines APC-inhibierenden Anti-körpers führte dagegen zu einem starken Anstieg der Letalität [14, 19].

In der konsequenten Weiterführung dieser tier-experimentellen Untersuchungen wurde ein rekombinantes APC-Präparat (rAPC) entwickelt und seine Wirksamkeit in der Behandlung der schweren Sepsis in einer klinischen Phase-III-Studie belegt [2]. Die Gabe von rAPC über einen Zeitraum von 96 Stunden führte gegenüber Plazeboapplikation zu einer signifikanten Senkung der Letalität.

Der Erfolg dieses Therapieansatzes kann als ein weiterer Beleg für die Rolle der APC-Dysfunktion in der Pathogenese der Sepsis gewertet werden. Trotzdem sind die zum Erfolg der APC-Substi-tutions therapie beitragenden molekularen Me -chanismen bisher nicht eindeutig identifiziert. Dies liegt unter anderem daran, dass nur wenige Daten über Ausprägung und Verlauf der APC-Dysfunktion während der Sepsis zur Verfügung stehen und eine Korrelation mit dem klinischen Bild bisher nur punktuell und an wenigen Patienten durchgeführt wurde.

MESTERS und Mitarbeiter untersuchten in einer prospektiv konzipierten klinischen Studie den Verlauf der Protein-C-Parameter von je 13 Patienten, die in der neutropenischen Phase nach einer Chemotherapie eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock entwickelten [12]. Alle untersuchten Patienten zeigten nach Beginn der Fiebersymptome eine Abnahme der Protein-C-Konzentration. Diese Abnahme war bei Patien-ten, die im weiteren Verlauf einen septischen Schock entwickelten, deutlich stärker ausge-prägt, als bei den Patienten, die Symptome einer schweren Sepsis zeigten.

Ähnliche, allerdings spiegelbildliche Verände-rungen ergaben sich im zeitlichen Verlauf der D-Dimerkonzentrationen. Patienten, die einen septischen Schock entwickelten, zeigten die stärks ten D-Dimererhöhungen. Interessanter-weise ergab sich in den APC-Plasma konzen tra-tionen kein Unterschied zwischen der Gruppe der Patienten mit septischem Schock bzw. mit schwerer Sepsis.

BERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN

Während der hereditären

APC-Dysfunktion meist eine

Störung einer Komponente

des Protein-C-Systems zu -

grunde liegt, ist die erwor-

bene APC-Dysfunktion

fast immer multifaktoriell

bedingt.

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LIAW untersuchte die Protein-C-Parameter in einer Gruppe von 32 Patienten mit schwerer Sepsis und verglich diese mit den Werten von elf gesunden Probanden [11]. Auch in dieser Untersuchung war bei den septischen Patienten ein stark erniedrigter Protein-C-Plasmaspiegel nachweisbar. Die Erniedrigung korrelierte mit dem Ausmaß der Gerinnungsaktivierung, gemes-sen anhand der Konzentrationen von D-Dimer und dem Thrombinbildungsmarker F 1+2.

Interessanterweise zeigten die APC-Plasma werte jedoch eine starke Heterogenität. So konnten, normiert an der gleichzeitig gemessenen Plasma-konzentration des Thrombin bildungs markers F 1+2, sowohl Patienten mit erniedrigter als auch erhöhter APC-Konzentration ermittelt wer-den. Eine mögliche Erklärung für diese Hetero-genität sind individuelle Unterschiede in der endo thelialen APC-Bildungsfähigkeit als Folge einer unterschiedlich stark ausgeprägten endothelialen Dysfunktion.

Daraus kann abgeleitet werden, dass eine genaue Charakterisierung der vorliegenden APC-Dysfunktion nicht nur von prognostisch-diagnos-tischer Relevanz für den einzelnen Patienten ist, sondern möglicherweise auch das therapeu-tische Vorgehen maßgeblich beeinflussen wird. Es ist vorstellbar, dass über die APC-Aktivität jene Patientenkollektive identifiziert werden kön-nen, die von einer APC-Substitutionstherapie profitieren werden.

APC-Dysfunktion: diagnostische Möglichkeiten

Wie bereits ausgeführt, ist die APC-Dysfunktion Folge eines Ungleichgewichts zwischen der throm bin abhängigen prokoagulatorischen Aktivität einerseits und der APC-abhängigen anti koa gulato rischen Aktivität andererseits. Dementsprechend ist der laboranalytische Nachweis einer APC-Dysfunktion nicht durch Bestimmung eines einzelnen Parameters möglich, sondern erfordert die gleichzeitige Quantifizierung der Thrombin- und der APC-Bildung.

Während mit dem Prothrombinfragment 1+2 und dem Thrombin-Antithrombin-Komplex etablierte Marker zur Erfassung der Thrombin-bildung zur Verfügung stehen, fehlen entspre-chend etablier te Aktivierungsmarker für das Protein-C-System. Ein dazu geeigneter Labor -para meter wäre die APC-Plasmakon zen tration, da APC nach seiner Ge ne rierung mit einer relativ langen Halbwerts zeit von 15 Minuten im Plasma zirkuliert.

Daraus kann abgeleitet

werden, dass eine genaue

Charakterisierung der vor-

liegenden APC-Dysfunktion

nicht nur von prognostisch-

diagnostischer Relevanz für

den einzelnen Patienten ist,

sondern möglicherweise

auch das therapeutische

Vorgehen maßgeblich beein-

flussen wird.

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APC-Bestimmung: indirekte Nachweisverfahren

Der Nachweis von APC wird durch seine ge rin-gen Plasmakonzentrationen (100 bis 300 pg/ml; 1,6 – 4,8 pM) bei gleichzeitig vorliegendem 10.000-fachen Überschuss von Protein C (65 nM, 4 µg/ml) erschwert. Die beiden Proteine unter-scheiden sich dabei in der Aminosäure sequenz nur durch das Fehlen eines zwölf Aminosäuren langen Propeptids.

Es werden daher mehrere Strategien eines APC-Nachweises verfolgt: Beim indirekten Nachweis werden die Plasmakonzentrationen des APC-Propeptids gemessen oder die APC-Inhibitor komplexe bestimmt. Diesen indirekten Nachweis methoden kann ein direkter Nachweis gegen übergestellt werden; dabei wird APC durch Immobilisation mit einem Antikörper oder einem anderen PC-bindenden Protein und anschließender funktioneller oder immunolo-gischer Detektion nachgewiesen.

Ein indirektes APC-Nachweisverfahren wurde 1984 von BAUER und Mitarbeitern beschrieben [1]. Es beruht auf dem Nachweis des APC-Propeptids durch einen polyklonalen Antikörper. Um ein möglichst sensitives Ergebnis zu errei-chen, wurde als Nachweissystem ein Radio-immunoassay-Format gewählt. Auf Grund von Kreuzreaktivitäten mit anderen Plasmaproteinen und wegen der sehr geringen Konzentration des APC-Propeptids war eine präanalytische Protein fällung und eine Ankonzentrierung des Propeptids erforderlich.

BAUER und Mitarbeiter konnten zeigen, dass die Halbwertszeit von APC-Propeptid fünf Minuten beträgt. Das ist im Vergleich zur Halbwertszeit des APC von 15 Minuten deutlich niedriger. Trotz der erheblichen methodischen Schwierig-keiten konnten mit dieser indirekten Methode erstmals APC-Plasmaspiegel bei 17 gesunden Probanden gemessen werden, die zwischen 3,8 und 13,2 pM bei einem Durchschnittswert von 6,5 pM lagen. Bei Patienten mit der Diagnose einer disseminier ten intravasalen Gerinnung wurden APC-Anstiege bis 180 pM gemessen. Obwohl mit dem Propeptid-PC-RIA gezeigt wer-den konnte, dass eine APC-Bestimmung grund-sätzlich möglich ist und auch krankheitsspezi-fische und krankheitsrelevante Unterschiede in der APC-Konzentration deutlich gemacht wer-den konnten, hat sich das Testverfahren durch die erheblichen methodischen Schwierigkeiten und vor allem auf Grund der beschriebenen Kreuzreaktivität des Propeptids mit anderen Plasmaproteinen nicht durchgesetzt.

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Beim indirekten Nach-

weis werden die Plasma-

konzentrationen des APC-

Propeptids gemessen oder

die APC-Inhibitor komplexe

bestimmt.

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APC-Bestimmung: direkte Nachweisverfahren

Ein „Enzyme capture assay (ECA)” zum direkten Nachweis von APC wurde 1992 von GRUBER und GRIFFIN beschrieben [7]. Mit einem mono-klonalen Antikörper, der ein Epitop in der leich-ten Kette des Protein-C-Moleküls erkennt, werden das in einer Plasmaprobe vorhandene Protein C und APC immobilisiert. Die Diskrimi-nierung zwischen Protein C und APC erfolgt anschließend durch Zugabe eines APC-sensitiven Peptidsubstrats.

Der zeitabhängige Umsatz dieses Peptidsubstrats korreliert mit der in der Probe vorhandenen APC-Konzentration. Durch Zugabe von Benz-a midin zum Antikoagulans wird eine präanaly-tische Inaktivierung des APC durch endogene Inhi bi toren wie z. B. Protein-C-Inhibitor (PCI) unmittelbar nach der Blutabnahme verhindert. Da Benzamidin ein reversibler Serinproteasen-inhibitor ist, kann es, nachdem APC an den Antikörper gebunden hat, durch Waschen ent-fernt werden. Mit dieser Test konfiguration kann APC in einem Konzen trations bereich von 0,3 ng/ml bis 10 µg/ml nachgewiesen werden. Ge messen mit einem Normalplasma lag die Interassay-Variabilität des Tests bei 6,4 %.

Ein wesentlicher Nachteil dieses Testverfahrens besteht in den extrem langen Substratinku-bationszeiten von zehn Tagen bis drei Wochen, die einen routinemäßigen Einsatz dieses Ver-fahrens unmöglich machen. Hinzu kommt die Not wendigkeit, das Abnahmeantikoagulans mit Benzamidin zu versetzen.

Die extrem langen Entwicklungszeiten konnten durch den Einsatz eines monoklonalen Anti-körpers verkürzt werden, der APC mit hoher Spezifität binden kann [10]. Dieser monoklonale Antikörper (HAPC 1555) erkennt ein Epitop, das in der calciumabhängigen Bindungsregion für FVa im APC lokalisiert ist. Mit Hilfe dieses Anti-körpers, der eine hohe Affinität mit einer KD von 6 bis 8 nM für APC aufweist, konnte ein ECA aufgebaut werden, der in Abhängigkeit von der APC-Plasma konzentration die Analysenzeiten auf drei bis 19 Stunden herabsetzte.

Trotz der verkürzten Analysenzeiten weist dieser Test eine Reihe von Nachteilen auf, die seine An wendung erheblich limitieren. Dazu gehört die zweistufige präanalytische Vor be-handlung der Plasmaproben. Zum Einen muss der Plasma probe während der Blutabnahme Benza midin zugesetzt werden, um eine In akti-vierung durch endogene APC-Inhibitoren zu verhindern, zum Zweiten muss die Probe prä-analytisch recalci fiziert werden. Dies erfordert die Zugabe eines zweiten Anti koagulans, z. B. Heparin oder Hirudin, und birgt ein nicht un-erhebliches Fehlerpotenzial.

Ein wesentlicher Nachteil

dieses Testverfahrens

be steht in den extrem lan-

gen Substratinkubations -

zeiten von zehn Tagen bis

drei Wochen, die einen

routinemäßigen Einsatz die-

ses Verfahrens unmöglich

machen.

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Weiterhin sind die Entwicklungszeiten mit drei bis 19 Stunden bei physiologischen APC-Konzen-trationen sehr lang. Das hat sicherlich auch dazu geführt, dass in der Originalpublikation mit zehn gesunden Probanden eine nur sehr geringe Anzahl von Normalpersonen untersucht wurde; dies entspricht nicht den Kriterien eines re -präsentativen Referenzkollektivs. Deswegen ist auch der erhobene Referenzbereich von 1,3 ± 0,54 ng/ml (Streubreite: 0,5 – 3,17 ng/ml) sicher nur als ein sehr vorläufiger Anhaltspunkt zu bewerten. Die Intraassay-Variabilität wurde mit 7,4 % und die Interassay-Variabilität mit 14,9 % angegeben. Trotz dieser relativ guten Präzisions-werte hat sich dieser Test bisher in der Routine-diagnostik nicht durchsetzen können. Möglicher-weise ist dies auf die schwierige Übertragbarkeit auf Routine bedingungen zurückzuführen.

Zur Zeit ist kein Testver fahren verfügbar, das eine Bestimmung der APC-Plasmaspiegel mit ausreichender Sensi tivität, Präzision und Schnellig-keit ermöglicht. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass für die Diskriminierung zwischen Protein C und APC bisher noch kein überzeugender Lö-sungs ansatz gefunden werden konnte.

Ausblick

Auf Grund der dargestellten diagnostischen und therapeutischen Relevanz einer quantitativen APC-Bestimmung ist davon auszugehen, dass entsprechende routinetaugliche Testverfahren für APC entwickelt werden. Durch den Einsatz von neuen Technologien, wie beispielsweise der Aptamertechnologie, wird es möglich sein, die Problematik der Protein-C-Kreuzreaktivität zu überwinden. Die Bestimmung der APC-Plasma-konzentrationen wird es dann ermöglichen, eine APC-Dysfunktion im klinischen Alltag früh-zeitig zu erkennen und die Betroffenen einer gezielten Therapie zuzuführen.

BERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN

Zur Zeit ist kein Testver-

fahren verfügbar, das

eine Bestimmung der

APC-Plasmaspiegel mit

ausreichender Sensi tivität,

Präzision und Schnellig keit

ermöglicht.

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Zusammenfassung

Aktiviertes Protein C (APC) ist ein anti -koa gulatorisch und antiinflammatorisch wirkendes Enzym, das thrombinabhängig auf der Endo thelzelloberfläche aus dem Proenzym Protein C (PC) gebildet wird. Die Kopplung zwischen der Thrombin bildung und der nachfolgenden APC-Bildung und -Wirkung ist bei einer APC- Dys funktion gestört. Die daraus resultierende klinische Symptomatik reicht von einer erhöhten Thromboseneigung bis hin zu schweren thrombotischen Mikrozirkulationsstörun-gen. Sie ist abhängig von der Art und dem Ausmaß der APC-Dysfunktion.

Mit den heute zur Verfügung stehenden Test verfahren ist unter Routine bedin-gungen ein quantitativer Nachweis der APC-Dysfunktion nicht durchführbar. Die Entwicklung von geeigneten Methoden wird es ermöglichen, die APC-Plasma-konzentration zu bestimmen und dadurch eine zielgerichtete Therapie der APC-Dysfunktion zu iniziieren.

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Professor Dr. med. Bernd PötzschInstitut für Experimentelle Hämatologie und TransfusionsmedizinRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität BonnSigmund-Freud-Straße 2553105 Bonn

BERND PÖTZSCH, INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE HÄMATOLOGIE UND TRANSFUSIONSMEDIZIN, RHEINISCHE FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT BONN