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Die Aufbauorganisation beschreibt die Gliederung eines Betriebs in ein System von

arbeitsteiligen Organisationseinheiten. Die Elemente einer Aufbauorganisation sind

Stellen, die zu Organisationseinheiten zusammengefasst werden. Durch Über-, Neben-

und Unterordnung von Organisationseinheiten entsteht ein organisatorisches Gerüst. Die

gebildeten Stellen werden hierbei formal mittels sog. Linien hierarchisch verbunden und

einer Leistungsstelle (sog. Instanz) disziplinarisch unterstellt. Durch die Hierarchie wird

von oben nach unten der Weg der Weisungen und Anordnungen bestimmt und von unten

nach oben der Weg der Mitteilungen und Meldungen. Werden alle permanent im Betrieb

existierenden Stellen verbunden, so ergibt sich eine Struktur, die Primärorganisation

genannt wird. Sie ist vor allem für die effektive Bewältigung des Kerngeschäfts sowie den

Erhalt und Ausbau der Kernkompetenzen zuständig und für die effiziente Bearbeitung

von wiederkehrenden Aufgaben geeignet. Dabei können sog. Stabsstellen eingerichtet

werden, die zur Unterstützung der Leitung dienen, jedoch keine Weisungsbefugnisse in

der Linie haben.

Im Gegensatz zur Aufbauorganisation regelt die Ablauforganisation das räumliche,

zeitliche und inhaltliche Zusammenwirken von Arbeitspersonen, Arbeits- und

Betriebsmitteln und den Arbeitsobjekten. Sie umfasst die Planung, Gestaltung und

Steuerung sämtlicher Arbeitssysteme im Betrieb (REFA 2002). Die Elemente einer

Ablauforganisation sind die für die Entwicklung und Fertigung eines Produktes sowie der

zugehörigen Dienstleistungen (Inbetriebnahme, Service o.ä.) notwendigen Aktivitäten, die

im Sinne eines durchgängigen Arbeitsflusses zielgerichtet miteinander verknüpft werden.

Die klassische Aufbauorganisation eines Betriebs reicht oft zur Bearbeitung komplexer,

neuartiger und temporärer Aufgabenstellungen nicht aus, da diese die Bündelung von

Kompetenzen unterschiedlicher Organisationseinheiten erfordern. Zur Bearbeitung

solcher Aufgabenstellungen werden daher häufig Organisationsstrukturen gebildet, die

die Primärorganisation (auch: Stamm- oder Basisorganisation genannt) überlagern oder

ergänzen und die als Sekundärorganisation bezeichnet werden (Vahs 2005). Steht die

Abwicklung von Vorhaben im Vordergrund, so werden die dabei entstehenden

Organisationsstrukturen auch als Projektaufbauorganisation bezeichnet.

Generell umfasst der Begriff der „Projektorganisation“ die „Gesamtheit der

Organisationseinheiten und der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen zur

Abwicklung eines bestimmten Projektes“ (DIN 69901-5:2009). Unter

Projektaufbauorganisation versteht man folglich die Summe aller

aufbauorganisatorischen Maßnahmen und Regelungen, die die Arbeitsteilung, Weisungs-

und Entscheidungsbefugnisse sowie den Zugriff auf Ressourcen im Projekt festlegen. An

der Spitze der Projektaufbauorganisation steht typischerweise der Projektleiter bzw. ein

sog. Projektlenkungsausschuss (siehe Lehreinheit 13).

Im Rahmen dieser Lehreinheit wird zunächst die Projektaufbauorganisation betrachtet,

die Projektablauforganisation ist Gegenstand der Lehreinheiten 10 und 11.

Der fachübergreifende Charakter von Projekten steht oftmals im Konflikt mit der

differenzierten Primärorganisation eines Unternehmens und wirft somit die Frage der

organisatorischen Eingliederung von Projekten in die Aufbauorganisation auf. Demnach

besteht – zusätzlich zur organisatorischen Gestaltung des Projektes selbst – die

Notwendigkeit einer Integration der Projektbeteiligten in die Primärorganisation sowie die

Definition geeigneter organisatorischer Schnittstellen (siehe Lehreinheiten 10 und 11). In

Unternehmen mit einer ausgeprägten Projektorientierung kann die

Projektaufbauorganisation auch die Primärorganisation darstellen. Solche

Organisationsformen finden sich häufig im Anlagenbau.

Die Primärorganisation eines Unternehmens muss die oben im Bild aufgeführten Kriterien

operationalisieren – also definieren, wie sie in einer bestimmten Branche in Hinblick auf

die Wettbewerber anzuwenden sind. So muss definiert werden, was unter einer

Projektaufgabe mit hoher strategischer Bedeutung, besonderer „Überbereichlichkeit“ etc.

zu verstehen ist.

Die Literatur differenziert neben dem 1) klassischen Projektmanagement in der Linie vier

weitere Formen der Projektaufbauorganisation, nämlich 2) die Einfluss-

Projektorganisation, 3) die Matrix-Projektorganisation, 4) die Auftrags-Projektorganisation

und 5) die Reine Projektorganisation. Die einzelnen Organisationsformen unterscheiden

sich vor allem hinsichtlich des Umfangs der Weisungs- und Entscheidungsbefugnis

innerhalb des Projektes (Burghardt 2008). Die Abbildung zeigt schematisch den Umfang

der Befugnisse des Projektleiters in den fünf verschiedenen Organisationsformen. Dabei

ist die Matrix-Projektorganisation weiter differenziert worden. Lediglich beim

Projektmanagement in der Linie und in der Reinen Projektorganisation, bei der natürlich

auch ein informeller Einfluss durch die Nachbarbereiche besteht, ist eine Eindeutigkeit

der Weisungs- und Entscheidungsbefugnis vorhanden. Bei der Einfluss-

Projektorganisation hat der Projektleiter nur einen koordinierenden Einfluss auf die der

Linie zugeordneten Stellen, verfügt jedoch über keine Weisungsbefugnisse. Bei der

Auftrags-Projektorganisation gibt es durch das klare Auftraggeber-Auftragnehmer-

Verhältnis zwischen Linie und Projekt ein „Machtgleichgewicht“ und somit eine Aufteilung

der Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zwischen Linien- und Projektmanagement.

Bei der starken und bei der schwachen Matrix-Projektorganisation gibt es einen in der

Praxis nicht zu unterschätzenden Konfliktbereich entweder mit Schwerpunkt der

Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse bei der Linie oder beim Projekt (Burghardt

2008).

Während beim Projektmanagement in der Linie, bei der Einfluss-Projektorganisation, bei

der schwachen Matrix-Projektorganisation sowie der Auftrags-Projektorganisation die

Projektaufbauorganisationsform eine Sekundärorganisation des Unternehmens darstellt

und die Weisungsbefugnisse der Primärorganisationsform dominieren, findet bei der

starken Matrix-Projektorganisation ein Wechsel statt. Aufgrund der umfassenden

Weisungsbefugnisse des Projektleiters und der damit verbundenen Abkehr von der

klassischen Eingliederung von Stellen und Instanzen in eine linienorientierte

Organisationsform, stellt bei der starken Matrix-Projektorganisation sowie der Reinen

Projektorganisation die Projektaufbauorganisationsform die Primärorganisation des

Unternehmens dar.

Das Projektmanagement in der Linie verzichtet auf die Einrichtung projektbezogener

organisatorischer Einheiten. Die Koordination und Durchführung des Projektes erfolgt

einfach durch die fachlich zuständige Abteilung.

Das Projektmanagement in der Linie wird aufgrund der genannten Vor- bzw. Nachteile

vorwiegend bei linieninternen Projekten angewendet. Begründet durch die starre

Linienstruktur (Kuster et al. 2006) und die auf die Abteilung beschränkte

Weisungsbefugnis des Projektleiters, ist diese Organisationsform nur für Projekte

geringer Größe und fachlich eng umrissener Zielsetzung geeignet (Corsten und Corsten

2000; Bergmann und Garrecht 2008). Auch ein klar abgegrenztes Thema und ein sehr

rigider Terminrahmen sind Charakteristika von Projekten, die als Projektmanagement in

der Linie organisiert sind (Litke 2007).

Ein Beispiel für ein Projekt, das typischerweise in dieser Projektaufbauorganisationsform

durchgeführt wird, ist die Einführung einer neuen Software für die Prozess-Simulation des

Laser-Pulver-Auftragschweißens in der Organisationseinheit „Produktion“.

Bei der Einfluss-Projektorganisation (auch Stabs-Projektorganisation genannt) ist der

Projektleiter Mitglied des Stabes und hat die Rolle eines Projektkoordinators, der keine

Weisungsbefugnisse in der Linie hat und daher nur koordinierend und lenkend wirken

kann. Er ist vor allem Informant für die Leitungsstellen und Ansprechpartner für den

Auftraggeber. Die Entscheidungen werden in der Linie getroffen, so dass der Koordinator

nicht für den Erfolg oder Misserfolg des Projektes verantwortlich gemacht werden kann

(Burghardt 2008).

Die Hierarchie der Primärorganisation eines Unternehmens wird bei der Einfluss-

Projektorganisation nicht verändert. Stabsstellen, die hierarchisch weiter untergegliedert

sein können, werden in die bestehende Unternehmensorganisation integriert, wobei den

einzelnen Projektstäben dabei die Aufgaben der Informationssammlung sowie der

Entscheidungsvorbereitung projektrelevanter Tätigkeiten obliegen. Die

Entscheidungsgewalt verbleibt stets in der Linie. Der Projektleiter kann nur über seine

fachliche Autorität und sein Verhandlungsgeschick Einfluss ausüben. Gegenüber der

Linie besitzt er keine disziplinarische Weisungsbefugnis (Corsten und Corsten 2000;

Schelle et al. 2008; Bergmann und Garrecht 2008).

Die Einfluss-Projektorganisation bietet sich bei Projekten mit kleiner bis höchstens

mittlerer Größe an. Insbesondere eine eindeutige Aufgabenteilung, wie Sie

beispielsweise bei der Projektabwicklung mit Fremdfirmen besteht, ist ein Kriterium zur

Wahl der Einfluss-Projektorganisation (Litke 2007).

Ein Beispiel für eine Projektart, die typischerweise in der Projektaufbauorganisationsform

der Einfluss-Projektorganisation durchgeführt wird, ist ein Organisationsprojekt. So kann

beispielsweise die Entwicklung neuer Weiterbildungskonzepte durch einen Projektstab

koordiniert werden, Weisungsbefugnisse gegenüber den Projektmitarbeitern sind hierbei

nicht zwingend erforderlich.

In der Matrix-Projektorganisation trägt der Projektleiter die gesamte Verantwortung für

das Projekt, hat aber nicht die volle Weisungsbefugnis für die am Projekt beteiligten

Mitarbeiter. Die Matrix-Projektorganisation hat eine zweidimensionale Weisungsstruktur

und nimmt bzgl. der Kompetenzabgrenzung zwischen Projekt und Linie eine

Mittelstellung ein. Die Projektmitarbeiter stammen aus verschiedenen

Organisationseinheiten und sind temporär in einer Projektgruppe zusammengefasst. Sie

unterliegen fachlich der Weisungsbefugnis des Projektleiters, die disziplinarische Leitung

bleibt beim Linienvorgesetzten (Burghardt 2008). Die Matrix-Projektorganisation stützt

sich auf zwei simultan angewandte Strukturierungskriterien innerhalb einer Organisation.

Die Projektleiter agieren losgelöst von der Linienorganisation und besitzen dabei im

Gegensatz zum Projektstabsleiter der Stab-Projektorganisation auch fachliche

Weisungsbefugnisse hinsichtlich ihres Projektteams (Bergmann und Garrecht 2008; Zell

2003; Schelle et al. 2008).

Die Projektleitung bestimmt das WAS, WANN und WO, während die Linieninstanzen das

WIE, WOMIT, WOHER und WOHIN. Problematischer ist die Bestimmung des WER, da

erfahrungsgemäß im Laufe der Projektbearbeitung der Einfluss des Projektleiters steigt

(Daenzer 1976).

Die Matrix-Projektorganisation kann in einer schwachen oder in einer starken

Ausprägung in einem Unternehmen umgesetzt werden (siehe Folie 9-6). Während der

Projektleiter bei der starken Matrix-Projektorganisation gegenüber den Linieninstanzen

über weitreichende Weisungsbefugnisse verfügt und im Rahmen des Projektgeschehens

über die Ressourcen frei verfügen kann, ist bei der schwachen Matrix-Projektorganisation

nur der Projektleiter voll für das Projekt abgestellt, während die beteiligten Bereiche in der

Linie definierte „Dienstleistungen“ für das Projekt erbringen.

Die Matrix-Projektorganisation stellt bei mittelgroßen Projekten, bei denen viele Bereiche

eines Unternehmens beteiligt sind, oftmals die am besten geeignete Organisationsform

dar. Der anteilige Zugriff auf begrenzte Personalkapazitäten und Sachmittel

unterschiedlicher Linien sowie ein hoher Grad an Interdisziplinarität (Mechanik,

Elektrik/Elektronik, Software etc.) stellen weitere Charakteristika von in der Matrix-

Projektorganisation organisierten Projekten dar (Litke 2007).

Ein Beispiel für eine Projektart, die typischerweise in der Projektaufbauorganisationsform

der Matrix-Projektorganisation durchgeführt werden kann, ist ein bereichsübergreifendes

Entwicklungsprojekt einer technologisch völlig neuartigen Maschine (vgl. Folie 9-4).

Hierbei werden im Projektteam die notwendigen Kompetenzen aus unterschiedlichen

Abteilungen gebündelt (Vertrieb und Marketing, Logistik, Technik und

Produktion/Werktechnik) und die Projektmitarbeiter für die Dauer des Projektes

weitgehend von ihren Aufgaben in der Linie entbunden.

Auch die Auftrags-Projektorganisation ist matrixorientiert. Es gibt aber keine

Doppelunterstellung der Projektmitarbeiter. Projektleiter und Projektmitarbeiter sind hier

nicht in der Linienorganisation eingebettet, sondern bilden eine eigene

Organisationssäule „Projektbereich“. Das Projektmanagement hat sowohl die

organisatorische als auch fachliche Gesamtverantwortung für das Projekt (Burghardt

2008). Es ist bspw. Auftraggeber für Entwicklung und Produktion. Das

Projektmanagement nimmt jedoch gegenüber dem Vertrieb typischerweise die Rolle

eines Auftragsnehmers ein, an den Projektaufträge intern erteilt werden. Hierdurch ergibt

sich eine klare Rollengliederung im Unternehmen.

Im Unterschied zur Matrix-Projektorganisation werden die Projektmitarbeiter von ihrer

Linientätigkeit temporär komplett entbunden und stehen somit vollständig für die

Projektarbeit zur Verfügung. Nach Abschluss des Projektes kehren die Mitarbeiter wieder

in ihre Linie zurück. Die Auftrags-Projektorganisation setzt voraus, dass das

Unternehmen häufiger größere Projekte arbeitet, da nur dann eine eigene

Organisationssäule wirtschaftlich vertretbar ist.

Hinsichtlich der Personalführung stellt die Auftrags-Projektorganisation eine besonders

flexible Organisationsform dar. Insbesondere Mitarbeiter, die einen Wechsel der

organisatorischen Zuordnung als förderlich und angenehm empfinden sowie über

besondere Managementkompetenz verfügen, können in einer Organisationseinheit

„Projektmanagement“ gut eingesetzt werden, während Mitarbeiter, die lieber

funktionsorientiert und hochspezialisiert arbeiten und gerne eine feste organisatorische

Zuordnung wünschen, in der Linienorganisation verbleiben können. Anwendung findet

die Auftrags-Projektorganisation bei großen Projekten mit relativ wenigen beteiligten

Unternehmensbereichen beispielsweise im Schiff- und Flugzeugbau (Burghardt 2008).

Ein Beispiel für eine Projektart, die typischerweise in der Projektaufbauorganisationsform

der Auftrags-Projektorganisation durchgeführt wird, ist ein sehr umfangreiches

Investitionsvorhaben zur Erweiterung der Produktionskapazität. Durch die vollständige

Freistellung der Mitarbeiter von ihrer Linientätigkeit ist im Rahmen eines in der Auftrags-

Projektorganisation durchgeführten Projektes eine intensivere und störungsfreiere

Projektbearbeitung als in der Matrix-Projektorganisation möglich, die Mitarbeiter stehen

jedoch nicht für evtl. notwendige Tätigkeiten in der Linie zur Verfügung.

Bei der Reinen Projektorganisation (auch Autonome Projektorganisation genannt) sind

alle an der Projektdurchführung beteiligten Mitarbeiter einem Projektleiter fachlich und

disziplinarisch unterstellt. Der Projektleiter hat die gesamte Weisungs- und

Entscheidungsbefugnis und trägt damit die alleinige Verantwortung für das Projekt.

Lediglich bei der Beschaffung des Personals und bei dessen Eingliederung in neue

Projekte am Projektende ist er auf die Unternehmensleitung angewiesen.

Bei der Reinen Projektorganisation erfolgt die Eingliederung des Projektteams

einschließlich des Projektleiters als eigene Organisationssäule in die Stammorganisation

eines Unternehmens. Die Projektaufbauorganisationsform stellt somit die

Primärorganisation des Unternehmens dar. Außerhalb des Projektes nehmen die

Projektmitglieder keine weiteren Aufgaben wahr (Litke 2007; Burghardt 2008).

Die Reine Projektorganisation ist insbesondere bei großen Projekten in der

Produktentwicklung sowie in der Beratungsbranche die geeignete Organisationsform.

Auch lange Entwicklungszeiten, große Entwicklungsvolumen sowie ein hohes

wirtschaftliches Risiko kennzeichnen Projekte, deren geeignete Organisationsform die

Reine Projektorganisation darstellt (Litke 2007).

Projekte, die typischerweise in der Projektaufbauorganisationsform der Reinen

Projektorganisation durchgeführt werden, finden sich im Bereich der

Unternehmensberatung. Die Mitarbeiter sind dort zu (fast) jedem Zeitpunkt einem Projekt

zugeordnet und kehren nach Projektabschluss nicht in eine Linie zurück, sondern werden

(möglichst) direkt einem neuen Projekt zugeteilt. In einem solchen Unternehmen ist somit

fast nur Projektarbeit vorzufinden.

Im Bild sind einige zentrale Kriterien zur Auswahl einer geeigneten

Projektaufbauorganisation dargestellt. Sie wurden bereits zum Teil auf Folie 9-6 genannt.

So stellen die strategische Bedeutung des Projektes sowie die Größe und die Dauer

wichtige Kriterien dar. Die Notwendigkeit der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit ist

ebenfalls ein zentrales Element bei der Auswahl einer Projektaufbauorganisationform,

aber auch die Auslastung der Projektmitarbeiter durch Tätigkeiten in der Linie kann einen

Einfluss auf die Auswahl haben. Die Organisationsform wird nicht selten vom

Auftraggeber festgelegt. So können beispielsweise Auftraggeber aus Gründen des

Informationsschutzes gegenüber Wettbewerbern darauf bestehen, dass die beauftragten

Projekte in einer eigenen Organisationssäule bearbeitet werden und die Mitarbeiter nicht

auch in Projekten mit Konkurrenzunternehmen eingesetzt werden. Schließlich können

auch Erfahrungen des Unternehmens mit unterschiedlichen Projektaufbau-

organisationsformen die Auswahl der geeigneten Form determinieren.

Ein Beibehalten einer bestimmten Organisationsform über die gesamte Projektlaufzeit ist

nicht immer sinnvoll und erforderlich. Vielmehr kann sich in den einzelnen Projektphasen

aufgrund der Unterschiede in den Schwerpunkten des Projektes und des notwendigen

Projektteams eine veränderte Projektaufbauorganisation als vorteilhaft herausstellen. Die

Organisationsform wird dann von Phase zu Phase angepasst. Beispielsweise kann in der

Phase der Projektdefinition eine Einfluss-Projektorganisation vorteilhaft sein, da hier eine

kreative Konzeptentwicklung im Vordergrund steht. Während der Planungsphase kann

eine Matrix-Projektorganisation zielführend sein, wenn z.B. eine starke interdisziplinäre

Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche erforderlich ist. Bei einem Projekt mit

einer großen geschäftspolitischen Bedeutung ist in der Durchführungsphase eine Reine

Projektorganisation womöglich mit den meisten Vorteilen verbunden, um den

Projektmitarbeitern die notwendigen Freiräume für die Projektarbeit zu geben (Litke

2007).

Burghardt (2008) betrachtet für die Auswahl der geeigneten

Projektaufbauorganisationsform lediglich die beiden Kriterien „Projektgröße“ und

„Überbereichlichkeit“. Unter „Überbereichlichkeit“ ist hierbei die Anzahl der am Projekt

beteiligten Organisationseinheiten in Relation zur Gesamtzahl zu verstehen.

Insbesondere bei großen Projekten ist hiernach die Reine Projektorganisation am

geeignetsten. Die Auftrags-Projektorganisation ist bei mittlerer Projektgröße und einer

geringen Überbereichlichkeit zu wählen, während die Matrix-Projektorganisation bei einer

mittleren Projektgröße und einer höheren Anzahl an beteiligten Unternehmensbereichen

bevorzugt werden sollte. Ist die Projektgröße gering, so ist bei einer geringen

Überbereichlichkeit die Linien-Projektorganisation zu wählen und bei einer höheren

Überbereichlichkeit die Einfluss-Projektorganisation.

Es ist allerdings einschränkend zu beachten, dass in der Praxis die Auswahl einer

geeigneten Projektaufbauorganisationsform nicht ausschließlich durch die Betrachtung

der beiden Kriterien „Projektgröße“ und „Überbereichlichkeit“ erfolgen kann. Vielmehr

muss bei der Auswahl der Projektaufbauorganisationsform eine Reihe weiterer Faktoren

berücksichtigt werden, die auf der vorherigen Folie bereits genannt sind. Darüber hinaus

ist zudem die übrige Unternehmensorganisation und die Unternehmensstrategie zu

berücksichtigen.

Die Analyse unterschiedlicher Projektaufbauorganisationen in der Automobilindustrie

(siehe auch LE 8) ergibt, dass es nicht DIE richtige Projektaufbauorganisationsform für

eine bestimmte Projektart gibt, da alle auf der Folie genannten Unternehmen erfolgreich

Entwicklungsprojekte durchführen, obwohl unterschiedliche Organisationsformen

vorliegen. Die Projektaufbauorganisationsform sollte im Einklang mit den strategischen

Zielen des Unternehmens stehen und sich in die Primärorganisationsform und

Unternehmenskultur des jeweiligen Unternehmens nahtlos einfügen.

Bei Toyota ist – wohl z.T. bedingt durch die zu Grunde liegende Unternehmenskultur –

eine stabsorientierte Projektorganisation vorzufinden. So existiert kein dezidiertes

Projektbudget, der Projektleiter (Chief Engineer als Koordinator) hat keine

Weisungsbefugnis gegenüber den Instanzen, sondern lediglich fachliche Autorität. Das

Projektmanagementteam ist demzufolge klein und besteht aus einem Stab von ca. 15

Ingenieuren.

Bei Bentley liegt – zumindest für die Entwicklung der Plattform 61x (Continental) – eine

ebenfalls durch die Unternehmenskultur geprägte Projektaufbauorganisation vor, die

durch ein Gleichgewicht zwischen Projekten und Funktionen in der Linie charakterisiert

wird. Die Projektleitung verfügt hier über die Verantwortung für Kosten und Zeit. Ein

entsprechender „Produktmanager“ wird bei der Projektentscheidung eingesetzt. Im

Projekt existieren Produktteams und Fachgruppen. Entscheidungen müssen auf jeder

Ebene einvernehmlich getroffen werden, Eskalationswege sind eindeutig definiert, um

den Konflikten in der Zuständigkeit zu begegnen.

Eine fast rein projektorientierte Organisationsform ist bei BMW anzutreffen. Einzelne

Baureihen sind quasi wie eigenständige Unternehmen organisiert. Die Projektleitung trägt

eine Lebenszyklusverantwortung für das Projektergebnis sowie die Verantwortung für das

komplette Projektbudget. Diese Organisationsform führt zu einem großen Projektteam

von ca. 150 Mitarbeitern. Wesentliche Entscheidungen werden innerhalb des Projektes

und somit innerhalb der Baureihe getroffen (nach Stahl 2002).

Sind mehrere Unternehmen an einem Projekt beteiligt, werden meist eigenständige

Projektgesellschaften gegründet. Diese haben die Projektziele als Gesellschaftszweck

hinterlegt und werden in der Praxis häufig in Form einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE)

oder als Konsortium realisiert.

Jede Organisationsform hat spezifische Eigenschaften:

In Arbeitsgemeinschaften sind die beteiligten Unternehmen üblicherweise

gleichberechtigt eingebunden. In der Folge fehlt es dieser Organisationsform an einem

Leitunternehmen, das die Verantwortung für den Projekterfolg übernimmt. Das Fehlen

dieser Rolle wirkt sich nach Madauss (1994) besonders bei komplexen Vorhaben negativ

aus.

Die Konsortialorganisation bzw. die Bildung eines Konsortiums wird für große

Entwicklungs- und Investitionsprojekte mit mehreren beteiligten Unternehmen zumeist

empfohlen. Eines der Unternehmen tritt meist als Hauptauftragnehmer gegenüber dem

Kunden bzw. Auftraggeber auf und fungiert als Konsortialführer und Ansprechpartner, die

übrigen Konsorten sind Unterauftragnehmer. Alle beteiligten Unternehmen schließen

einen Konsortialvertrag ab, der die Innenbeziehungen des Konsortiums regelt. Zugleich

wird eine Konsortialversammlung eingerichtet, in der die Geschäftsführungen aller

Unternehmen vertreten sind und in der die Entscheidungen des Konsortiums getroffen

werden, die vom Hauptauftragnehmer nach außen vertreten werden.

Ein Vorgehensmodell dient zur Orientierung für das Projektmanagement. Zu diesem

Zweck wird das Projekt in einzelne Phasen strukturiert. Deshalb wird in der Literatur auch

von Phasenmodellen bzw. Prozessmodellen gesprochen. Hierbei gibt es generische

Modelle wie das Vorgehensmodell nach DIN 69901 (siehe Folie 9-22), projektarten-

spezifische Modelle (siehe LE 8, Folien 8-19 bis 8-22), branchenspezifische Varianten

(siehe Folie 9-32 für die Verfahrenstechnik) sowie unternehmensspezifische Standards,

die bspw. in Projektmanagement-Handbüchern niedergelegt werden.

Ein Vorgehensmodell schafft somit eine Standardisierung des Projektablaufes durch die

Definition einheitlicher Projektphasen, grundlegender Aktivitäten, der Meilensteinzeit-

punkte und -ergebnisse sowie der Rollen im Projekt (siehe Lehreinheit 13). Es stellt somit

den Handlungsrahmen für das Projektmanagement dar.

Es wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche generische Vorgehensmodelle zur

Durchführung von Projekten entwickelt. Diese Phasenmodelle dienen primär als

Orientierungshilfe für das Projektmanagement und sind wesentliche Voraussetzung zur

wirtschaftlichen Durchführung von Projekten (Schelle et al. 2008; Zielasek 1999; Birker

1999).

Die DIN 69901:2009 definiert Phasen als „Abschnitte des Projektlebenszyklus“. Es

werden fünf Phasen differenziert:

1) Projektinitialisierung

2) Projektdefinition

3) Projektplanung

4) Projektsteuerung

5) Projektabschluss.

Aus dieser Phasendefinition lässt sich mit Bezug auf Burghardt (2008) ein

Regelkreismodell gewinnen, das bereits auf Folie 8-15 in der achten Lehreinheit gezeigt

und erläutert wurde. Die IPMA Competence Baseline definiert eine Projektphase als

einen zeitlichen Abschnitts des Projektverlaufs, der sachlich von anderen Abschnitten

getrennt ist. Ein Vorgehensmodell besteht aus verschiedenen Projektphasen, die nicht

immer streng sequenziell aufeinander folgen müssen, sondern sich auch zeitlich

überlappen können. Durch die Verknüpfung der einzelnen Projektphasen wird für die

Mitarbeiter sowohl im Projektmanagement als auch im operativen Projektgeschäft die

Reihenfolge der Aktivitäten deutlich, die bei der Planung und Realisierung des Projektes

eingehalten werden muss (Schelle et al. 2008).

Eine detaillierte Darstellung der einzelnen Projektmanagementphasen findet sich in der

DIN 69901-2:2009. Hierbei werden die einzelnen Phasen auf Prozessebene abgebildet,

die Kernprozesse ausführlich beschrieben und Mindeststandards für die einzelnen

Prozess-Untergruppen in den Projektmanagementphasen festgelegt. Es werden zehn

Prozessuntergruppen unterscheiden: 1. Ablauf und Termine; 2. Änderungen; 3.

Information, Kommunikation und Dokumentation; 4. Kosten und Finanzen; 5.

Organisation; 6. Qualität; 7. Ressourcen; 8. Risiko; 9. Projektstruktur; 10. Verträge und

Nachforderungen; 11. Ziele.

Eine vorläufige Skizzierung der Projektziele erfolgt in der Phase der Projektinitialisierung.

Zudem werden Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen gegenüber

potenziellen Wettbewerbern abgeschätzt. Verantwortliche werden benannt, auf

organisatorischer Ebene werden die Zuständigkeiten geklärt und die für das jeweilige

Projekt relevanten Projektmanagementprozesse werden spezifiziert.

Auf Basis einer Grobdefinition der Projektaufgaben und einer Abschätzung des

Projektnutzens kann ein Überblick über das Risiko der technischen Realisierbarkeit, die

Verwertbarkeit des Projektgegenstandes, den erforderlichen Zeithorizont und die

möglichen Kosten erzeugt werden. Diese erste Strukturbildung dient einer zunehmenden

Konkretisierung und Detaillierung der Projektaufgaben in den folgenden Projektphasen.

Litke (2007) und Schelle et al. (2008) empfehlen in diesem Zusammenhang eine an die

allgemeine Konstruktionsmethodik (siehe Pahl et al. 2007) angelehnte Vorgehensweise

gemäß der Regel vom Groben zum Detail. Dieses Vorgehen baut Unsicherheiten

sukzessive ab und schafft zunehmende Zielklarheit im Projektverlauf. Zudem ist nach

Auffassung von Litke (2007) bei den Projektbeteiligten die Bereitschaft erforderlich, die

Problemstellung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Als Ergebnis dieser

Projektphase wird in den meisten Literaturquellen das Lastenheft in Verbindung mit dem

Projektauftrag genannt. Das Lastenheft umfasst die Gesamtheit der Anforderungen des

Auftraggebers an die durch den Auftragnehmer (d.h. den Projektbearbeiter) zu

erbringende Leistung. Neben der verdichteten Darstellung der Problemdefinition schafft

das Lastenheft zugleich die Grundlage für die Erstellung eines Pflichtenheftes und die

Überleitung zur Phase der Projektplanung. Unter dem Pflichtenheft wird im Folgenden die

durch den Auftragnehmer vorgenommene Umsetzung des Lastenheftes in

Realisierungsvorgaben verstanden (Corsten und Corsten 2000; Schelle et al. 2008;

Keßler und Winkelhofer 1999; Hauschildt und Salomo 2007; Burghardt 2008).

Zur Verdeutlichung einer möglichen Gliederung eines Lastenheftes sei die VDI/VDE

Richtlinie 3694 angeführt. Sie dient der Festlegung der technischen und wirtschaftlichen

Auslegung eines Automatisierungssystems, um die Zusammenarbeit zwischen Betreiber,

Planer und Hersteller der zu automatisierenden Maschine bzw. Anlage zu erleichtern.

Das Lastenheft beschreibt hiernach alle Anforderungen des Auftraggebers eines

Projektes hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Die Anforderungen sind einschließlich

aller Randbedingungen aus Anwendersicht so zu beschreiben, dass sie quantifizierbar

und prüfbar sind. Das Lastenheft beschreibt nach einer allgemeinen Projektdarstellung

zunächst den vorhandenen Istzustand und leitet den Sollzustand als Aufgabenstellung

ab. Anschließend werden die Anforderungen an die einzelnen Komponenten und

Systemteile ausführlich dargestellt, wobei die Anforderungen bezüglich der Qualität in

einem eigenen Unterkapitel behandelt werden. Das Lastenheft schließt mit den

Anforderungen bezüglich der Projektabwicklung (Projektaufbauorganisation,

Projektdurchführung und ­steuerung etc.).

Das vom Auftragnehmer zu erstellende Pflichtenheft nimmt dann Bezug auf die acht

Kapitel des Lastenheftes. Zusätzlich werden in einem neunten Kapitel die

systemtechnische Lösung für die Aufgabenstellung beschrieben und in einem zehnten

Kapitel die konkrete Ausprägung der Systemtechnik festgelegt.

Die sich anschließende Phase der Projektplanung umfasst im ersten Schritt die

Projektstrukturierung. Zweck dieser Strukturanalyse ist die Komplexitätsbewältigung

hinsichtlich der meist vielfältigen Projektaufgaben und die Schaffung einer Basis für

weitere Planungsaktivitäten, wie beispielsweise die Ablauf- und Terminplanung. Als

Voraussetzung dient die Erstellung eines Lastenheftes mit einer Beschreibung der

Leistungen, die zur Erreichung der Projektziele erforderlich sind oder gefordert werden.

Die prospektive Phase der Projektplanung hat u.a. den Projektstrukturplan, kurz PSP,

zum Ergebnis (Zielasek 1999; Eckrich 2003; Litke 2007; Burghardt 2008), der in LE 10 im

Detail behandelt werden wird. Hierbei kann eine Feingliederung des Projektstrukturplans

beispielsweise durch die Anwendung der Netzplantechnik (siehe LE 11) erfolgen. Die

Verbindung der Aufgabenstruktur mit der Organisationsstruktur erfolgt mit Hilfe einer sog.

Zuständigkeitsmatrix (Responsibility Assignment Matrix, kurz RAM), die ebenso in LE 10

erläutert wird.

Der Auftragnehmer prüft im Pflichtenheft die Realisierbarkeit der im Lastenheft genannten

Anforderungen und erarbeitet entsprechende Lösungsansätze und -entwürfe. Nach der

Genehmigung des Pflichtenheftes wird das Pflichtenheft die verbindliche Vereinbarung

für die Realisierung und Abwicklung des Projektes für Auftraggeber und Auftragnehmer

(VDI 2519).

Vorgehensweise bei der Erstellung eines Lasten-/Pflichtenheftes (nach VDI 2519):

Ein Lastenheft ist immer dann zu erstellen, wenn von Dritten (interne oder externe

Lieferanten) eine Leistung bezogen werden soll. Dabei kann es sich sowohl um

Planungs- als auch um Realisierungsleistungen handeln.

Für die Erstellung eines Lastenheftes ist vom Auftraggeber zunächst eine detaillierte

Anforderungsliste zu generieren (siehe auch Folie 9-28). Diese Anforderungsliste kann

bei Bedarf (z.B. fehlender Fachkompetenz) auch von Dritten erarbeitet werden.

Während der Erstellung des Lastenheftes ist dieses kontinuierlich mit den Inhalten der

Anforderungsliste abzugleichen. Das Lastenheft wird nach der Erstellung Bestandteil der

Ausschreibung. Die Ausschreibungsunterlagen werden an potenzielle Auftragnehmer

geschickt, die auf der Basis des Lastenheftes und weiterer Ausschreibungsunterlagen ein

Angebot abgeben. Nach dem Angebotsvergleich erfolgt die Auftragsvergabe. Der

Auftragnehmer muss nun ein Pflichtenheft erstellen, in dem der Leistungsumfang

beschrieben wird. Das Pflichtenheft ist folglich bereits Bestandteil der Projektplanung.

Voraussetzung für die Realisierung des Auftrages ist das zwischen Auftragnehmer und

Auftraggeber abgestimmte Pflichtenheft.

Wichtige Grundlage für die Erstellung eines Pflichtenheftes ist die Anforderungsliste, die

die detaillierte Produktspezifikation enthält. Anforderungen werden hierbei in zwei

Kategorien unterteilt: 1. Forderungen und 2. Wünsche. Die Anforderungen sollten nach

Möglichkeit in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber systematisch erhoben

werden.

Die Anforderungen können anhand einer festgelegten Hauptmerkmalliste erarbeitet,

ergänzt und erweitert werden. Diese Hauptmerkmalliste umfasst konkrete Punkte, an

denen die Ausgestaltung der Anforderungen strukturiert zwischen Auftragnehmer und

Auftraggeber erfolgen kann. Beispielhaft sind auf der Folie Ausschnitte einer

Hauptmerkmalliste aus der Konstruktionslehre gegeben (Pahl et al. 2007, Seite 220).

Neben den angegebenen Hauptmerkmalen stellen Montage, Transport, Gebrauch,

Instandhaltung und Recycling weitere Hauptmerkmale dar.

Diese eher produktbezogenen Hauptmerkmale können durch projektbezogene

Hauptmerkmale wie Kosten und Termine ergänzt werden, so dass sich im Ergebnis eine

Anforderungsliste in Form eines umfassenden Katalogs zur Beschreibung der

Anforderungen für ein Entwicklungsprojekt ergibt, auf dessen Basis das Pflichtenheft vom

Auftragnehmer ausdetailliert werden kann.

Neben dem Begriff der Projektsteuerung ist auch der Begriff „Projektcontrolling“ weit

verbreitet (siehe auch Lehreinheit 12). Projektcontrolling stellt eine integrierte

Projektsteuerung und ­überwachung dar und ist nach DIN 69001-5:2009 die

„Sicherstellung des Erreichens aller Projektziele durch Ist-Datenerfassung, Soll-Ist-

Vergleich, Analyse der Abweichungen, Bewertung der Abweichungen gegebenenfalls mit

Korrekturvorschlägen, Maßnahmenplanung, Steuerung der Durchführung von

Maßnahmen“.

Die Phase der Projektsteuerung begleitet die direkt wertschöpfende, operative

Durchführung des Projektes. Dem Projektmanagement obliegt während dieser Phase

darüber hinaus die Kontrolle des Ist-Zustands und der Abgleich von Ist-Zustand mit dem

Soll-Zustand. Gegebenenfalls sind vom Projektmanagement Maßnahmen zur

Intervention zu ergreifen. Eine Gegenüberstellung der Zielgrößen Leistung, Termine und

Kosten mit den in der Projektplanung festgelegten Werten dient nach Corsten und

Corsten (2000) der Erfolgsbeurteilung bis zum betrachteten Zeitpunkt. Festgestellte

Abweichungen haben die Auswahl geeigneter Gegenmaßnahmen (Birker 1999)

beziehungsweise die Anpassung des Projektplans zur Folge. Eine Revision der

Projektplanung wird dann in Betracht gezogen werden, wenn sich Abweichungen der

projektrelevanten Erfolgsgrößen von den Planvorgaben nicht vermeiden lassen. Tritt

dieser Fall ein, wird kurzfristig in die Phase der Projektplanung zurückgesprungen

(Nüchter 2003; Burghardt 2008; Fleming und Koppelman 2005). Demnach unterliegen

Projektplanung und Projektkontrolle meist einer stetigen Iteration. Beide Phasen finden

ihre Berücksichtigung im Projektmanagement-Regelkreis-Modell bei Burghardt (2008),

das bereits auf Folie 9-22 dargestellt und erläutert wurde. Eine Dokumentation inhaltlicher

und organisatorischer Projektergebnisse – wie auch Abweichungen – erfolgt ebenfalls in

der Phase der Projektsteuerung. Die gewonnenen Erfahrungswerte sollten für zukünftige

Projekte verwendet werden.

Der Projektabschluss bildet das Ende der Projektdurchführung. Die Projektabnahme

durch den Auftraggeber leitet diese Phase ein. Ist die Abnahme nicht erfolgreich, so

erfolgt eine Iteration zur Steuerungs- und Durchführungsphase. Die sich oft an die

Abnahme anschließende Analyse des Projektverlaufes dient der Dokumentation der über

die gesamte Dauer des Projektes gemachten Erfahrungen (Birker 1999; Becker 1999).

Hierzu erfolgt ein systematischer Vergleich der Planvorgaben mit den während der

Projektdurchführung aktualisierten Werten sowie den bei Fertigstellung des Projektes

erzielten Ergebnissen. Diese Projektabschlussanalyse betrifft im Wesentlichen Aufwände

und Kosten, Termine und Zeiten, technische Leistungsgrößen, Wirtschaftlichkeits-

kennzahlen, Funktionsanforderungen und Qualitätsmerkmale (Burghardt 2008). Die

gewonnenen Erkenntnisse werden im Hinblick auf eine effektivere und effizientere

Durchführung zukünftiger Projekte verwendet. Als Instrument kommt hier beispielsweise

ein lessons-learned-Workshop in Frage, in dem die guten, aber insbesondere auch die

negativen Projekterfahrungen reflektiert und dokumentiert werden, sodass Wissen

entsteht, welches in zukünftigen Projekten wieder verwendet werden kann und eine

bessere Grundlage für die Planung bereitstellt (siehe Lehreinheit 13).

Mit Beendigung des Projektes wird das Projektteam meist aufgelöst und die beteiligten

Mitarbeiter kehren in ihre Abteilungen zurück oder werden für andere Projekte abgestellt

(Burghardt 2008; Bergmann und Garrecht 2008; Keßler und Winkelhofer 1999; PMBOK

2004).

Meilensteine kennzeichnen besondere Ereignisse innerhalb des Projektes und dienen der

Kontrolle des Projektfortschritts. Insbesondere sind die Anfangs- und Endpunkte der

Projektphasen durch einen Meilenstein gekennzeichnet. Zusätzlich sind auch Zeitpunkte

innerhalb einer Phase als Meilenstein zu definieren, um auf besondere Ereignisse

hinzuweisen. Dies ist bspw. der Fall, wenn Planungsschritte abgeschlossen werden und die

Ergebnisse mess- und überprüfbar sind. Einem Meilenstein werden Soll-Termine und

manchmal auch geplante Kosten zugeordnet sowie konkrete Ergebnisse (bspw. ein

gefertigter Prototyp einer Maschine). Er steht somit für ein definiertes Sachergebnis in

Verbindung mit einem Fertigstellungstermin (Schelle et al. 2008).

Nach Hab und Wagner (2010) können z.B. Meilensteinergebnisse von

Fahrzeugentwicklungsprojekten in unterschiedliche Kategorien unterteilt werden. So können

hierbei neben projektbezogenen (Projektmanagement)Ergebnissen (bspw. Projektkalkulation,

Projektterminierung oder Projektzusammensetzung) auch durchführungsspezifische

Kategorien wie Produktergebnisse (bspw. Konstruktionszeichnungen, Designmodelle oder

Prototypen), Produktionsprozessergebnisse (bspw. Anlagenlayout, Anlagenspezifikation oder

Produktionsfreigabe) und Testergebnisse (bspw. Materialprüfung, Erprobung im

Kundenfahrzeug, Werkzeugfreigabe oder Nullserienfreigabe) als Kategorien definiert werden.

Quality Gates teilen hingegen typischerweise einen Produktentstehungsprozess (PEP) in

Phasen, an deren Ende der Projektfortschritt und der Reifegrad festgestellt werden, haben

jedoch keine direkte Verbindung zum Zeitplan. Sie beschreiben somit determinierte

Synchronisationspunkte, zu denen die zuvor definierten Zielforderungen erfüllt sein müssen

und verhindern Fehlerfortpflanzung in der Prozesskette (siehe LE 5). Hierzu ist die Definition

von Voraussetzungen und Messgrößen erforderlich, die die Anforderungen an das

Durchschreiten eines Quality Gates beschreiben (Hab & Wagner 2010). Quality-Gates

kennzeichnen Zeitpunkte im Produktentstehungsprozess, an denen – wie auch bei

Meilensteinen – der Projektfortschritt festgestellt wird. Hierbei sind jedoch deutlich

komplexere Prüfungsmechanismen (bspw. Einsatz spezieller Software) möglich und es

besteht – im Gegensatz zum Meilenstein – keine Pflicht zur kalendarischen Festlegung.

Abschließend sollen zwei sequentielle Vorgehensmodelle für Investitionsprojekte in der

Verfahrenstechnik als branchenspezifische Beispiele dienen.

Im Rahmen einer verfahrenstechnischen Entwicklung wird untersucht, ob und wie ein

gewünschtes Produkt auf einem technisch machbaren, ökologisch vertretbaren sowie

wirtschaftlich und industriell auswertbarem Weg hergestellt werden kann. Ziel ist

entweder der Entwurf eines neuen Verfahrens (Verfahrensneuentwicklung) oder die

Modifikation eines bestehenden (Verfahrensmodifikation) und dessen Umsetzung in einer

Anlage (Nagl und Marquardt 1999). Die Entwicklung erfolgt in einer an die Systemtechnik

angelehnten Vorgehensweise. Das Gesamtsystem wird dabei stufenweise in miteinander

verknüpfte Teilsysteme aufgelöst, die bei Bedarf weiter untergliedert werden.

Die Entwicklung von Verfahren und Anlagen wird je nach Autor in unterschiedlich viele

Phasen eingeteilt, wobei alle Autoren darauf hinweisen, dass die Phasen nie trennscharf

sind und immer wieder Rückgriffe auf vorangegangene Arbeitsschritte und

Entscheidungen notwendig sind. So differenzieren Schlüter und Hoff (2003) die oben im

Bild dargestellten fünf Phasen.

Das Vorgehensmodell nach DIN 28000-1 (2002) nutzt hingegen eine deutlich

detailliertere Einteilung in neunzehn Phasen zur Klassifizierung der Dokumentenarten im

Lebensweg von Anlagen. 14 dieser 19 Phasen sind den fünf Phasen des

Vorgehensmodells von Schlüter und Hoff zuzuordnen, während die weiteren fünf Phasen

die Instandhaltung sowie die Außerbetriebnahme und die nachgelagerten Aktivitäten

umfassen.