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JOURNAL fiir ORNITHOLOGIE. Zehnter Jahrgang. N ° 55. Januar. 1862. I I i Die Balearen. Von Alexander yon Homeyer, Premier-Lieutenant im Schlesischen l~fiselier-Regiment No. 38. E i'nleitung. .~flr ist es eine Gewissheit geworden, dass alles Das, was in der Jugend so recht lebhaft erfasst und in sich aufgenommen wurde, w~hrend: des gaazen Lebens vor Augen bleibt; -- man tragt es als ein Bfld in sich, mit dem man sieh gern beschaftigt. So ist es wenigstens mir stets und ins Besondere mit den Bale- aren ergangen, welche ich hie aus dem Gedaehtnisse verlieren konnte, nachdem mein geographiseher Lehrer tIerr Wilhelm yon Malachowski ~) f'tir sie ein so warmes Interesse zu erwecken gewusst hatte ; das herrliche Clima, Orangenhaine, P.almenwaldungen, des waren die Saiten, welehe im jugendlichen Herzen Anl~lang fanden. Sp~ter~ ~ als ieh eating, die Journale ftir Ornlthologie zu studiren, wurde das Interesse yon Neuem wach, indem die wissensehaftliche Theilnahme hinzukam; dean ieh ersah, dass sowohl die spanisehen Naturforseher, wie der sonst um die Ornithologie ttesperiens so hoehverdiente Dr. Alfred Bruhm yon den Balearen nur im unsichern Tone sprachen: es sollte, k0nnte, m~ehte sein, oder dem Vermuthen nach u. dergl, m. So reifte denn der Entschluss, die Balearen zu besuchen, im- mer mehr, bis er Ende Marz 1861 zur Ausftihrung gedieh. *) Zur Zeit Bataillons-Commandeurim 19. Infanterie-Regiment. Journ. f. Ornith., X. Jahrg., Nr. 55, Januar 1862. 1

Die Balearen

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JOURNAL fiir

ORNITHOLOGIE. Z e h n t e r J a h r g a n g .

N ° 55. Januar. 1862. • I I i

Die Balearen. Von

Alexander yon Homeyer, Premier-Lieutenant im Schlesischen l ~ f i s e l i e r - R e g i m e n t No. 38.

E i ' n l e i t u n g .

.~flr ist es eine Gewissheit geworden, dass alles Das, was in der Jugend so recht lebhaft erfasst und in sich aufgenommen wurde, w~hrend: des gaazen Lebens vor Augen bleibt; - - man tragt es als ein Bfld in sich, mit dem man sieh gern beschaftigt. So ist es wenigstens mir stets und ins Besondere mit den Bale- aren ergangen, welche ich hie aus dem Gedaehtnisse verlieren konnte, nachdem mein geographiseher Lehrer t Ierr W i l h e l m yon M a l a c h o w s k i ~) f'tir sie ein so warmes Interesse zu erwecken gewusst hatte ; das herrliche Clima, Orangenhaine, P. almenwaldungen, des waren die Saiten, welehe im jugendlichen Herzen Anl~lang fanden.

Sp~ter~ ~ als ieh eating, die Journale ftir Ornlthologie zu studiren, wurde das Interesse yon Neuem wach, indem die wissensehaftliche Theilnahme hinzukam; dean ieh ersah, dass sowohl die spanisehen Naturforseher, wie der sonst um die Ornithologie t tesperiens so hoehverdiente Dr. A l f r e d B r u h m yon den Balearen nur im unsichern Tone sprachen: es sollte, k0nnte, m~ehte sein, oder dem Vermuthen nach u. dergl, m.

So reifte denn der Entschluss, die Balearen zu besuchen, im- mer mehr, bis er Ende Marz 1861 zur Ausftihrung gedieh.

*) Zur Zeit Bataillons-Commandeur im 19. Infanterie-Regiment. J o u r n . f . O r n i t h . , X. Jahrg . , Nr . 55, Januar 1862. 1

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2 Alex. v. ttomeyer:

Indem ich hoffe, dem ornithologischen Publikum dureh eine Mittheilung meiner dort gesammelten Erfahrungen einen nicht un- wfllkommenen Beitrag zu liefern, fiige ich gleichzeitig die Bemer- kung hinzu, dass ich denselben ins Besondere meinem, um die Ornithologie so verdienten Fretmde Car l B o l l e gewidmet wissen m6chte und diesen hiermit auffordere, den Beweis meiner aug richtigen Hoehachtung darin zu erblicken. - -

Dem Plan gem~ss, welchen ich lair vorgezeiclmet habe, wird diese Arbeit in folgende Absclmitte zerfallen: I. Allgemeine Ver- haltnisse. - - II. die Sommerv6gel der Balea~'en. - - HI. Skizzen.

I . l l l ~ e m e i n e V e r h i i l t n i s s e . Die zwisehen Frankreieh, Spanien und Nord-Afril~a mitten im

Mittelmeer gelegene Iaselgruppe tier Balearen hat die Gr6sse yon circa 82~ ~Meilen. Mallorka, die gr6sseste dieser Inseln mit einem Fl~chenraum yon 60 DMeilen, liegt siidlich des 40. Breitengrades zwisehen dem 20. und 210 6stlicher L~-lge; Menork% die 2re Iusel 12 [~M. nord6stlich davon, circa 7 Meilen entfernt, der L~nge nach durch den 400 der Breite durehschnitten, 6stlich durch den 22 ° b egrenzt. Das kleine Dragonera liegt dem Westeap Mallorkds vorgesehoben, Cabrera und Coneiera 3 Meilen siidlich Mallorka's und Isla de Layre dem Stidcap Menorca's vorgelagert, iibrigens kleine unbedeutende iasela, wovon Cabrera die gr6sseste, Layre die kleinste ist.

Der Karakter der Balearen im Allgemeinen schliesst sleh vollkommen an den Totalkm'akter des ~vlittelmeerbeckens an, vor allem an die benachbarten spanisehen Kiisten: kahl und ode, wo es troeken, ~ppig, wo es feueht ist.

Die Balearen sind Felseninseln, vor allem Dragonera und Ca- brera; Menorka ist ein mit Steinen iiberschiittetes H6henplateaa oder schroffes Hiigella~d, Mallorka eine Felsengebirgsinsel, denn fast ~/, des gesammten Flachenraumes nehmen Felsengebirge ein, den nordwestlichen, wie den s iid6stlichen Theil so durchzie- bend, dass der 3re Theil der Insel Ms ziem]ieh fruchtbares Acker- land mitteninne liegt.

Die Gebirge sind vorziiglieh plutonisehen Ursprungs: Wild- heit, Steilheit und Zerrissenheit ist ihr Karakter; ihre For- men bekunden den Granit und Gneis, zahh'eiche TropfsteingTotten wie mitgebraehte Versteinerungen den Kalk, welch letzterer auch bisweilen dutch Dolomit vertreten ist. Dabei steigen sie oft sehr

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steil an der ganzen Nordwestkiiste l~allorka's, dem wildesten Theil der Insel, wie auch bei Arta direkt aus dem Meere hervor, mit einer Kammh0he yon wohl 2500 Fuss. Wahrend viele Gipfel die Hohe yon fast 3000 Fuss haben, steigt der h0chste Berg der Puig de Torella zu 4400 Fuss a~.

Das vorgesehoben e Dragonera scheint nur yon Mallorka los- gerissen zu sein, die kahlen Felsen haben ganz alas Ansehen des gegeniiberliegenden Cap Ceroser; in demselben Verh~iltnisse steht Isla de Layre zu ~[enorka, wahrend Cabrera and Conejera ins Meet hinausgeschoben sind; den Karakter tier steflen Kiistenpar- tien Mallorka's tragen auch sie vollkommen. - -

Diese Felsgebirge, mit welchen wir es auf den Balearen zu than haben, sind wirldich ausserst karakteristisch mit ihren zaeki- gen Formen, ihren kahlen Gipfeln, steflen Abhangen, tier einge- sehnittenen ScMuchten und Steinger011-Plateau's : wild, abet auch lieblich, malerisch m0chte man sie aus der Entfernung, Ode, trau- rig, leblos in der Nahe nennen. Sie tragen ganz das Geprage der 0stlichen Kiistengebirge Spaniens, wie der n~rdlichen Partien Algiers, wie der Kiistenpartien des westliehen Mittelmeerbeckens iiberhaupt, mit denen sie neben dem verwandschaftlichen Karak- ter der Formation und Vegetation auch dieselbe Langen.richtung haben. Namentlich diirfte Menorka hierfiir sprechen, vorziiglieh ihrer Gestalt wegen. In Hinsicht der Gipfel und der Profile zeigt Mallorka eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit~ 'wahrend Kiistengebirge Ost-Spaniens mehr Einf0rmigkeit zeigen, ohne viele Spitzen, und die Kiistengebirge Algiers inclusive des kleinen Atlas ganz massenhaft auftreten mit kuppelf6rmigen Gipfe]n, wie dieses an dem Kiistenberg Matifou sehr karakteristisch ausge- pragt ist. - -

Das ganze westliche Mittelmeergebiet zeigt viele Ueberein- stimmung, selbst aueh die Gebirge Siid-Frankreichs stehen zu ihm in innigerBeziehung. Grade im Rhonethal gedachte ich oft des Strei- tes ,,ob A f r i k a h i n t e r den P y r e n a ~ n b e g i n n e o d e r n i c h t / ' denn den afrikanischen Karakter glaubte ich im siidlichen Thal schon vollkommen zu finden. Die Scheide diirfte siidlich yon Lyon etwa bei Valence anzunehmen sein, wo alas Gebirge das Thai zu beiden Seiten einengt and somit den siidlichern Theil gegen kalte Nordwinde sch(itzt.

Es konnten beziigiiche Tagebuchs-Notizen yon Interesse sein, weil sie schon am 6. April d. J. nach meiner Abreise yon Lyon,

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4 Alex. v. Homeyer:

also zu einer Zeit gemacht wurden, wo mir der afrikanischo Ka- r akter noch ganz fremd war.

Gleich nach der Abfahrt yon Lyon heisst es: Alles ist grtin, die Abh~nge der Berge sind mit Baschwerk bewachsen, die Gip- fel bewaldet, im Thale stehen Linden, Birnbaume und Aprikosen, die Obstb~iume in roller Bliithe ; das Thal prangt vor Frische und Fruchtbaz-keit, wie in Deutschland zur Maienzeit.

Bei Valence ~ndert sich der Karakter, die Gebirge werden kahl und sehen wie mit Kreidestaub iiberdeckt aus, was ihnen ein fremdartiges, ieh m~ehte sagen unheimliches Ansehen giebt.

Bei Mont~imar ist diese Oede vollkommen ausgepragt, die rt~thlichen Berge sind wirklich ganz kahl bier, w~hrend die untern Abhange allerlei fremdartige Baume zeigen, wie Cypressen, Man- detn, Maulbeerb~ume und Oliven; bei Tarascon tritt auch Arundo donax auf.

Ich gestehe, dieser ganz plotzliche Weehsel iiberraschte reich ausserodentlich und vielleicht um so mehr, da grade das eben verlassene Thal yon so vorziiglicher Frische prangte; ieh wusste das Ende nicht abzusehen, wenn dieser Naturwechsel etwa pro- gressiv welter gehen sollte. Doch dieses Mal konnte ich ausser Sorge sein, es blieb derselbe Karakter, die Berge blieben nackt, die Vegetation blieb fast dieselbe. Valence war eben die Grenze, und tier fremde Karakter, der reich so iiberraschte und ergriff, war tier sich immer gleichbleibende Mittelmeerbecken-Karakter, den ich bei Barcelona, auf den Balearen und in Algier wiederfand.

Deshalb rede ich nicht gern yore Afrikanischen, sondern yon einem M~ttelmeerbecken-Karakter.

Dahingegen erinnerten reich diePyren~en mehr an die westlichen Schweizergebirge, wie an den bayrisehen Alg~u, mit ihrer Frische, mit ihrem Griin, mit ihren an W~issern stehenden Erlen und an- deren deutsehen Waldbaumen, zwischen denen einzig Und allein die Korkeiche als eigentliche Repr~isentantin Spaniens zu sehen war.

In Mallorka beginnt das Gebirge bei Mcudia, jener alten Feste, welche jetzt mit ihren verfallenen Mauern ganz den Eindruck ei- nes Klosters macht, bei den 6stlichen Caps Formetor und del Pinar, urplt~tzlich aus dem Meere zu eincr bedeutenden H~he auf- steigend, und zieht sich dann in einer Breite yon 4--5 Stunden (direkter Entfernung) der Nordwestkiiste enflang bis an die west- liche Ktiste~ im Cap Ceroser und Cap de la Figuera endend.

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Diese Erstreekung ist eine m~chtige, sie bildet die eigentIiche Central-Gebirgspartie, welche l~Iallorka den Karakter des wilden Felsengebirgs]andes giebt. Die Erhebung ist fast gleichm~ssig, doeh zwisehen Lluch und Sollier am Bedeutendsten; hier ~reffen wir die hOehsten Berge der Insel, den Puig de Torella und gleich siidlieh davon den Puig Mayor. Der westliche Theil steht nicht um Vieles zuriiek mit seinem 3200 Fuss hohen Puig Galetro, welcher yon Palma aus einen herrlichen Anbliek gewahrt, als dominiren- des Haupt des Westens dem Torella korrespondirt und ibm ge- wissermassen das Gleichgewieht halt.

Die Abhange sind in der Regel enorm steil, werden oft so- gar senkrecht; dies geschieht namentlich an der Kiiste, was hier noch augenseheinlicher wird, da die Berge mit grosser Schnellig- keit bis zur Kammh~he emporsteigen. Die Passage im Gebirge ist oft sehr beschwerlich, oft ganz unm~glieh, leieht nur h~chst sel- ten; man bedient sich des Maul~hieres zum Reiten oder vor dem zweiradrigen Karren, der ,rippenzerstossenden "~) Charrette.

Das Meer arbeitet iibrigens immerfort a:u den Kiisten wei~er, so namentlich an den nordwestliehen Ma]Iorka's. Oft stehen die hohen Felsen j~hlings fiber, drohend jeden Moment einzustiirzen; dass dieses oft gesehieht, davon zeugen die vielen kleinen Ktis- teninseln~ welehe pl6tzlich entstehen und im Laufe der Zeit vom Meer wieder weggespiilt werdem

Im siidtiehen Theft der Insel begegnen wir einem zweiten Zuge, welcher fast den ganzen siid0stliehen Theft der Insel ein- nimmt, doch lange nieht so wild und zerrissen ist, wie der n6rd- liehe Theft. Er beg~nnt bei Cap Ferrutx und Cap Pent (~stliehe Punkte) und streieht fast in derselben Riehtung wie der n~rdliche Zug in einer Breite yon .3--4 Sttmden bis zum Cap de Salinas. Die vorziigliehsten H0hen sind die nord~stlichen; nord~stlieh yon Arta nehmen sie namentlieh in der Nahe des Meeres fast den wftden Karakter des n~rdliehen Zuges an, ohne jedoch seine H~he zu erreiehen. Im Allgemeinen finden wir den H~igelcharak- ter namentlich naeh Cap Blaneo zu und in den Abfallen zur Ebeae in der Richtung yon Son Serre. In dem wilden K~isteatheil yon Arta diirfen wir eine maehtige Tropfsteingrotte nicht ausser ±cht lassen, die Grotte yon Arta, (La cueva del eremita) die riesige

*) Ffir die Gfite der Wege (excl. der Hauptstrassen) durchaus bezeichnead°

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6 Alex. v. Homeyer:

Erem~tenhGhle, welehe der Grotte im ~ont Serrate bei-Barcelona an GrSsse fast gleich kommt, an Sch~nheit sie aber fibertreffen soll. Es sind drei maehtige auf hohen Saulen ruhende Sale, welche thefts neben, thefts unter einander liegen, umgeben yon einer Unzahl yon Nebengemachern.

Zwischen diesen beiden Haupth~henzfigen liegt alas eigent- l iche Ackerland mittenhlne: Da dieses somit dutch, die Gebirge geschfitzt und durch alas sfidliehe Clima beg~st igt ist, so gedei- hen alle Getreidearten wie die Obstbaume vortrefflich, ohne dass auf deren Cultur ein besonderer Fleiss verwendet wfirde.

Die Niederung, welche ihrem Wesen naeh dem neptunischen Gebflde angeh~rt, wie dies Sandstein, Lehm und Mergel anzeigen, ist fast durchweg eben oder h~gelig, und nur durch wenige isolLrte nicht hohe Berge, wie der sch~ne Kuppelberg bei A]gaide, bei Motuiri und Sineu unterbrochen, welche dasselbe plutonisehe Gebilde zeigen, wie wir es im n~rdlichen und sfidlichen Gebirgs- theil kennen lernten. Somit glaube ieh, dass Mallorka friiher aus 2 Inseln bestand, der n~rdliche Gebirgstheil bftdete die eine, der sfidliche die andere, wahrend die Berge bei Algaide etc. als kleine Inse]n zwisehen beiden lagen. Erst spater entstand ~aHorka in seinerjetzigen Gestaltung, indem neptunisehe Krafte den Zwisehen- raum ausf'tillten, wobei jene zwischenliegenden Inseln oder Berge hiilfreieh die Hand boten.

Was l~Ienorka anbetrifft, so hat es einen ganz andern Cha- rakter, das ~Ialerische Mallorka's hat es nieht. Es ist eine Fel- senplateau-Insel, welehe friiher fiber und fiber mit Steinen fiberschfit- tet war, jetzt yon wohl Tausenden yon Mauern durchkreuzt wird. Der fleissige Landmann, welcher, um Boden f'lir den Ackerbau zu gewinnen, die Steine ablas und jene Mauern setzte, hat hierdurch zur Charakteristik der Insel se]bst beigetragen, h[enorka steigt in einer H~he yon 50--150 Fuss mit sehr steilen oft senkrechten Ufern aus dem ]~eere und bildet ein Plateau, alas Hohenplateau der Insel selbst, auf dem sieh ha Centrtun ein sehSner Kegelberg E1 Tauro erhebt. Von diesem Centralpunkte aus gehen 2 Abzwei- gungen, die eine nach 0sten, die andere nach Sfid-West; beide gehen nicht fiber die Hfigeh'egion hinaus und sind dennoch der vielen Mauern wegen ~usserst besehwerlich zu durchwandern. Die 6s~chen nach dem Bufera zu sind h6her, als die sfidwestlichen naeh Galdana zu. Die westtiche Kfistenerhebung bei Ciudadela ist eine isolirte.

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Beide Inseln sind an Quellwasser arm, gr~sstentheils bestrei- ten die Bewohner ihren Wasserbedarf aus Cisternen. Selbst im Sommer 186I, der ausnahmsweise so reich an Regen war, gab es nur kleine Rinnen mit wenigem oder keinem Wasser, oder still- stehende Laehen, die dem ±ustrocknen nahe waren. Die Betten aller dieser Wasser jedoch waren welt ausgeschnitten und mit gro- bern Ger~ll angef'~lt, welches darauf hindeutet, dass diese im Sommer so unbedeutenden dahinsickerndenRinnen, imWinter zurRe- genzeit ganz nach Art der nordafrikanischen Fltisse ausserordentlich schnell anschwellen. Es giebt derartlge Gr~iben oder Rinnen in allen Theilen tier Inseln, doch wcrden sic ztu" Sommerzeit gar leicht fiber- sehen. In der Niederung yon Mallorka giebt es 2 Stimpfe oder Teiche, wenn man will, einen gr~sseren, den Albufcra bei Alcudia und einen kleineren, den Prat 1~ Stunde sfid~stlich you Palma. Die Ufer des ersteren sind fl'uchtbar und bebauet, die sandigen des letzteren werden als Viehweide benutzt. Auch aufMenorka hat man 2 Stunden n~rdlich yon Mahon einen Brackwassersee mit steilen felsigen Ufern, den Bufera.

Meine Beobachtungen tiber das Clima k~nnten leicht zu J~'r- thtimern Veranlassung geben~ da die Witterungs-Verh~tltnisse des Sommers 61 abnorm waren: oftmaliger bew~lkter Himmel, Regen und K~tlte verdr~n~en die wenigen sch0nen und sonnigen Tage; andererseits wurde mir der Frtihling und Sommer ftir gew~hnlich als heiter und warm geschildert. Ich lasse deshalb einige darauf beztigliche Notizen der G e o r g e S a n d folgen, welche im Jahre 1838 gemacht wurden. Siehe ,,un hirer ~ Majorque par G e o r g e S a n d " p. 4.:

,Die Witterung variirt ziemIich betr~chtlich nach den ver- schiedenen Lagen des Ortes. Der Sommer ist brennend heiss in der ganzen Ebene, aber die n~rdliche Gebirgskette influirt be- deutend auf die Temperatar des Winters. So berichtet auch ~figuel de Vargas, dass auf der Rhede yon Palma w ~ e n d des strengen Winters yon 1784 Rdaumur's Thermometm- nur ein ~[al trod zwar an einem Januartage bis zu 6 ° fiber Null hcrabsank, dass es aber auch Tage gab 7 wo es bis zu 160 stieg, wahrend es sich gew6hnlich auf I I ° hielt. Diese Temperatur nun aber ist nahe- zu dieselbe, welche wir in einem gew6lmlichen Winter in Vutde- mussa hatten, einem Dorfe, welches in dem Rule steht, am kal- testen yon der ganzen Insel zu sein. In den kaltesten Nachten, und als wit zwei Daumen hoch Schnee batten, stand das Ther-

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8 Alex. v. Homeyer:

mometer auf 6~--7 ° fiber Null. Um 8 Uhr l~Iorgens stieg es dann bis zu 9 und 10 °, und bis gegen Mittag auf 12--14 °. Gegen 3 Uhr Nachmittags dann, d. h. wenn die Sonne hinter die uns umgeben- den Berge trat, fiel das Thermometer plOtzlieh bis zu 9, j a selbst 8 °, - - Die Nordwinde blasen oft mit Wuth, und in manchen Jah- ren fatlt im Winter tier Regen in einer solehen F@le trod Be- st~ndigkeit, dass wir in Frankreich keine Idee davon haben. Doeh im Allgemeinen ist das Clima gesund und woMth~tig (g~n~reux) in dem ganzen siidlichen Theile, welcher gegen Afrika ab~allt und gesehiitzt ist vor hef~gen Sturmwinden, sowohl durch die Gebirgs- kette, wie die ansehnlichen ikbf~lle der n6rdlichen Kiisten. 4

Nach so giinstigen Verh~ltnissen diirften meine Tagebuch-1% 0- tizen ebenso iiberrasehen, wie reich seiner Zeit das Wetter selbst in Erstaunen setzte:

Im April: 14.--20. herrliehes Wetter,/~hnlich wie wir es in Deutsch- land Ende Mai haben. Die Sonne scheint, den ganzen Tag, der Himmel ist blau, keine Wolke, die Vegetation ist ~ippig.

217) Regen. 23. und 24. Regen und Wind. 27. Wind. 28. Auf den Markt werden die ersten reifen hellrothen Kirschen ge-

bracht, ganz naeh der 1VIanier wie bier als Spielzeug fiir die Kin- der an St~be gebunden.

29. Sehr heftiger Flatzregen, welcher drei Stunden anh/flt. Von der Hhhe stiirzt das Wasser stromweise in das Thal herab, - - ich stehe am Abhange unter einem m/~ssigbelaubten Johannisbrodbaum und durchn~sse so stark, class ich an dem aehten Theil genug ge- habt h/~t te , - dabei ist es kalt, es friert mich. Ein in mein Zim- mer gesetzter spanischer Ofen (ein Kohlenbecken mit triehterfhrmi- gem Korbgefleeht dariiber als Sehornstein) lock~ mir sp/~ter ein L~cheln ab.

80. Es regnet den ganzen Tag. Mai: 1 - 3. Pr/ichtiges Wetter.

5. Windig und tr/ibe, Nachmittags klar und kiihl. 8. Luftig, nicht warm. 9. und 10. Regen und Sturm.

12 Entsetzlich sehwiil, Gewitterluft. 13. In der vergangenen Naeht so starker Platzregen, dass heute alle

Wege roll Wasser stehen; die Witterung ist k/ihl und launig wie im April, Sonnenschein, dunkle Wolken, Wind, Regenschauer.

*) Die zwischenliegenden, nicht angef/ihrten Tage, schhnes sol~nlges Wetter.

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15. 8onnig und milde. 17. Sehr heiss. 20. (2ter Pfingstfeiertag) bedeckter Himmel, dann und wann Sonnen-

sehein. 21.--29. sehr schSn, am 29. ~.bends sehr sehwiil. 30, In der Nach$ enflud sieh ein Gewitter; Platzregen und gleich da-

rauf ein solcher Sturm, wie ich ihn kaum kennen gelernt hatte, und wie tobte er mit den Jalousien und Fensterliiden; das Passagier- Schiffnach Barcelona ist unterwegs, wenn mu" kein Ungliiek passin.

Juni: 2. leidlich. 3. Leider regnet es diesen :~[orgen wieder, so dass noeh gegen 10

Uhr alle Straucher nass sind, und die Jagd sehr ersehwert wird. ~kuf lVlenorka:

8. Regen. 14. Entsetzlich heiss~ man ist bei der Waizen-Erndte.

Soweit meine Notizen. Ich glaube, dass man diese Witterung wird ke ine Maienhafte nennen kSnnen, was anzunehmen man so teicht der stidlichen, wie oceanischen Lage der Inselgruppe hal- bet geneigt ist; trotz alledem diirfen wir nicht vergessen, dass dieser Sommer abnorme Verhaltnisse gab. So zusagend nun auch diese Witterung fiir das Getreide wie fiir die ganze Vegetation war, so wenig behagte sic dem Bewohner selbst. A u f seinen Spazierg~ingen, wie namentlich des Abends nach dem Theater, sah man ihn bis fiber die Ohren in den Mantel gehfillt und da- bei laut raisonnirend, dass er sich so rauher Witterung nicht zu entsinnen wiisste. Der sehr schnelle Witterungswechsel war iibri- gens oft ein sehr fiih]barer~ so namentlich an den Abenden, welche oft nach einem sch0nen Tage kfihl waren. Ich meinerseits hatte natiirlich nicht so zu leiden, und doeh trug ieh oft Anfangs Mai einen dieken, bis an die ,Kniee gehenden Diiffelrock, und fiihlte reich behaglich darin, fibrigens dasselbe Kleid, das ich aueh im letzten Winter, der sieh doch gewiss dureh Strenge auszeichnete, oftmals in Maihz trug.

~Ian sagt, dass Mallorka's Clima, namentlieh das der Niede- rung, sanfter sei, wie das yon Menorka, ieh kann dariiber weiter nicht urtheilen, als dass ich im Sommer 1861 keinen Untersehied bemerkt babe.

Ebenso kahl wie Mallorka's Gebirgskiimme, ebenso kahl sind gewShnlich aueh die h~iehsten Theile der Abhiinge in einer Aus- dehnung yon oft 500 Fuss und darfiber abwarts. Nur bier und

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10 Alex. v. Homeyer:

da breitet sich eine elende troekene yon der Sonne verbrannte Grasdecke aus, oder es klemmt sich eine kriippelige Kiefer (Pi- nus halepensis) im engen Spalt fest, worin sie nur mit Mfihe ihr Dasein fristet, - - denn Humus ist kaum vorhanden.

Kommt man auf eine solche Hohe nach langem miihsamen Steigen, nach vielleicht scMechter Jagd ermtidet and missmuthig an, so wird man yon Neuem belebt, - - man ist entziickt yon der Fremdartigkeit des Panorama's and iiberwi~ltigt yon der Gr0sse der Natur. - - Wohin das Auge sieht, iiberall kahle Felsen, schroffe Profile, Ger011 and iibereinander geschichtete Bloeke; eine Wild- hiss yon Steinen and Felsen fast ohne jegliehe Vegetation. ~fan sieht oft bis zum Meere, man hat es hier mit einer Felsgebirgs-Fern- sicht zu thun, das Licht wirkt dabei auf das 3Ierkwiirdigste, wie das ia yore Sfiden bekannt ist. Selfsame Contraste bieten sich dem Auge dax, das gelblich ~aue Gestein ist bisweilen blendend weiss, dass man namentlich frtih ~orgens an Schnee denkt~ wenn dichte Nebel, yon der Sonne beleuchtet, die Gipfel umlagern, oder auch wieder dunkel mit fast schwaxzen Schatten, dass es unheimlich aussieht. Am tti~ufigsten und Sch~nsten sind die Lichteffekte Mor- gens oder Abends, am Seltensten Mittags. Zu dieser le~ztern Zeit liegt die Sonne gem mit brennenden Strahlen anf dem Gebirgs- kamm, sich bemiihend, die diirftige Vegctation zu versengen. Es geh6rt eine gewisse Selbstverlaugnung dazu, oder eine grosse Liebe zur Natm', zu dieser Zeit die vegetationsleeren und fast glfihen- den Abhange zu erklettern; ich selbst babe es einige ~al gethan ; todtmiide und vor AHem durstig bin ich anf der HOhe ange- kommen and habe der Ruhe gepflegt. Beschaftigte ich reich dann mit meiner Umgebung, so wax ieb immer yon Neuem erfrischt~ denn die Natur-Scenen sind grossartig da oben, aber, wenn man sie tiinger betraehtet, so erseheinen sie doeh Ode trotz aller 3fannigfaltigkeit ; das erfrischende Grfin ist es~ was fehlt und wonach sich das Auge sehnt. Man fiihlt sieh einsam hier, - - kein Haas ist zu sehen, kein Mensch, kein Thier, -- man ist atlein in der grossen Natur, ein hefliger Schauer iiberfiiltt uns. Nichts regt sich, - - da endlieh fliegt eine Felsentaube (Columba li~a)eiligst vorfiber und -- wieder ist Alles still. Ist hier denn AUes todt ? Fl(itende Klage- t6ne entsteigen dem Felsger611, ein dunkler Vogel li~uft in die H6he, und wieder h¢irt man dieselben lieblich melancholisehen T6ne, es ist die blaue Steindrossel (Petrocossyphus cyaneus)~ welche zu uns spricht. Sie singt so traurig, dass es zu Herzen geht, man

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fithlt den Gesang, die Weichheit der T~ne riihrt uns. - - J a h r e . lang babe ich Steindrosseln im Kafig gehalten und hie gefiihlt, dass ihr Gesang so auf das menschliche Gemfith wirken ksnnte, aber das ist auch nut laier, wo er im Verein mit der grossarti- gen Natur zu dem Einsamen sprieht. - - Unvergesslich werden mir diese 1VIomente sein. - - Die Einsamkeit hat etwas Grosses, Ergreifendes. Immer wurde ieh dabei an meinen hochgeschatz- ten Freund, den Herrn F. H. v. Kittlitz, jenen tmermtidlichen Na- turforscher, erinnert and an seine Gemiithsaffectionen, welche ihm das ~de Kamtschatka mit seiner Thierarmuth verursaehte~). Ab- sichtlich habe ich mich hier ein wenig welter ausgelassen, weft ich diese Oede fiir ein karakteristisches Merkmal der Gebirgsh5- hen der Ba]earen und wohl vieler Theile ttesperiens halte. Ieh schliesse reich hierin vollkommen der Ansicht meines Freundes Alfred Brehm an, dessen unvergleiehliehe Schilderung spaniseher Gebirgslandsehaften ich bei jedem meiner Leser als gegenwartig voraussetzen darf.

Ausserdem time ich im ge%rat)hischen Lexikon yon Berg- haus Einiges yon Interesse. I-tausmann sagt daselbst Seite 482 beispielsweise fiber die Sierra Nevada:

,~[an gelangt nieht dutch Laub- and Nadelholzwaldung in die Region der Alpenpflanzen. Sobald die kultivirtenaus Gebirgs- schutt bestehenden Anh~hen fibersehritten sind, and das festere Gestein beginnt, txitt dieses als nackter Fels hervor, oder ist yon karglicher Vegetation bekleidet." - -

Seite 468 heisst es dann welter fiber das bei Zaragossa lie- gende Tafelland Guadalajara:

,Das Auge ermfidet, das Herz verengt sich, man mfisste vor Trattrigkeit sterben, ware man verdammt, langere Zeit und ein- sam in soleher Gegend zu wandern."

Und nun frage ieh, passen nieht die Worte zu meiner Schil- derung ?

Die Gebirgsabhange sind durehweg bewachsen, doch oft un- terbricht ein isolirter Fels, oder eine ganze Felsengruppe, oder eine machtige Schuttmasse auf weite Strecken die Vegetation, welche im Allgemeinen dfirftig genannt werden muss. Der Grund der Diirftigkeit liegt in dem ganzlichen Mangel eines ttochwaldes,

*) Siehe F. H. v. Kitflitz, Denkwiirdigkeiten einer Reise nach dem russischea Amerika, nach lVlikronesiea and durch Kamtschatka. Gotha 1858.

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und der daraus erfolgenden langsamen Humusbildung; die Wald- biiume, womit das Gebirge fr'tther vielfach besetzt gewesen sein sell, sind sehon vor langen Zeiten verschwuaden und als Schiffs- bauholz verwerthet. Die Vegetation der Abhlinge besteht vor- zugsweise aus Gestriipp, welches bald dtirftig, bald iippig empor- sprosst, je nachdem wenig oder viel Boden vorhanden ist, dabei tritt es oft so massenhaft auf, d~s ganze Bergdistrikte damit be- deckt sind, wie auch gem mit der Eigenthtimlichkeit, dass immer ein und dieselbe Art se!bststiindig einen oder einige Bergab- hange bedeckt, e l se es zu lieben, dass noch andere Strauch- artea sich zu ihr gesellen. So sah ich schon bei Barcelona ein derartiges Auftreten yon Erica a,rborea und yon Coriar~a myrti- folia und spiiter auf den Balearen yon Pistacia Lentiscus, yon La- van&da dentata und yon Cistus monspellensis, auf MaUorka in specie yon der kleinen Fiicherpalme, wie auf Menorka yon Myrtus communis, der grossbl~tttrigen Myrthe.

Hierdurch wird im engern Sinne wieder eine gewisse Einsei- tigkeit, im weitern Sinne aber eine karakteristisehe Mannigfaltig- keit erzeugt.

Die Lentiske (Pistacia Lentiscus), welehe Mr auf dem Sand- boden, in der fruchtbaren Ebene, am Sumpf, sogar so nahe am Strande finden, dass ihr Fuss yon der spiflenden Welle benetzt wird, treffen wir auch als Gebirgspflanze in den hcichsten Theflen an, allerdings in niedriger Gestalt und oft zur ttitlfte yon Steinen verschiittet. Sie ist iiberall zu finden, und demnach eine eigent- liche Karakterpflanze der Inseln, was aueh schon aus ihrem Na- men ,Axbos" hervorgeht, womit der Bewohner das Gebiisch im Allgemeinen (sonst auch bosqtle) und ganz specie]] sie bezeichnet. In der GrOsse variirt sie ausserordentlich, auf dem Fels erreicht sie die H6he yon 11, am Sumpf die H0he yon 6 Fuss. - -Ausse r ihr haben wir im Gebirge noch 2 fast ebenso oft vorkommende Straucharten, die Ciste mit kleiner weisser Blfime Gistus monspe- liensis und den blaublfihenden Lavendel (Lavandula dentata), beide jedoch gehen nieht bis auf die h6chsten gOhen, sondern sind vor- ziiglich auf den mittleren &bhiingen wie VorhOhen vertreten. Cne- orum tricoccon und Arbutus unedo, Hellcrissum Stoechas und Do- rycnium herbaceum sind andere Pflanzen der Abhi~nge. Der Erd- beerstrauch (Arbutus)liebt nicht die gTosse Dtirrd und schiesst bei hinliinglicher Feuchtigkeit tippig 5--7 Fuss empor, als einzi- ges Gebiiseh mit saftig grtinen Bllittern. Zum Gestriipp gesellen

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sich auch noch Ranken, dieses oft so durchwachsend und verbin- dend, dass die Jagd recht erschwert wird; vor Allem ist es Smilax aspera ]nit seinen Haeken und Dornen, Aspa,rag~ts acutifolius, Ru- biapereg'~qna, ja selbst wenn aueh nieht haufig, d a e s ihm an Feuch- tigkeit fehlt, unser gemeiner Epheu (Hedera helix). Smilax und Asparagus kommen auf jeglichem Boden vor, stets nach der Giite desselben die Form wechselnd, - - wahrend das gesehmeidige Smilaz auf diirftigem Fels dadurch, class es immer in sich hinein- rankt und nur wenig Blatter ansetzt, igelartiff erscheint, vergisst Asparagus seine Rankenbestimmung vollstandig uad stetlt sich etwa in Form eines robusten Spargelstrauches unsern Augen dar. An dem Fuss des Epheu treffen wir oft den sch~nsten Blumenteppich yon 02hris-Arten , welehe bier an den feuehten Stellen der Ab- h~kuge, namentlich, wo solche yon der Kiefer und immergriinen Eiche iiberschattet werden, recht heimisch sind, vor Allen ist e~ die sch~ne Ophris rosea und die zierliehe fusca, welche mit ihrer Praeht den Boden so sch~n decoriren.

Auf den Vorbergen begegnen wir ausser Lavendel und der kleinbliithigen Ciste dem Teucrium Polium, dem A'nthyllis genis- to ides und wieder dem Arbutus, doch hier haufig im Verein mit dem sch5nen Cistus salvifolius, mit grosser weisser Blume, und ei- nero ~ntiehen Cistus mit fast gleichgeformter aber lila g e ~ b t e r Bliithe. Auch eine kteine strauchartige immergrfine Eiche tritt bier auf~ die Quercus coccifera, entfernt unsei'er Steehpalme (in Neu- Vorpommern Hirschdorn genannt) gleichend, wof'tir ieh sie wenig- stens ira ersten Moment hielt.

Von den Baumen steigt Pinus hale2oensis, die einzige Kiefer Mallorka's ~) am H0ehsten hinauf. Ganz oben tritt sic einzeln und kriippelhaft auf, welter unten wird sie haufiger und seh~ner, und sehon am ±bhange bildet sie mit der der Korkeiehe (Q. suber) so ahnlichen balearisehen Type, der Q. ilex, Waldgruppen*a), welche tiefer unten sich zu gr~ssern Waldstrecken vereinigen. Beides sind die eigentlichen Waldbaume, welche in einer H~he yon 12--20 Fuss die Dfirftigkeit des Balearischen Waldes karakterish-en. Die immergriine Eiehe (Q. itex) gewahrt im April in ihrer votlen Btii-

*) Xuf ~[enorka ist P. ~a /epen~ auch die vorherrschende Kiefer, doch traf ich im nord6stlichen H/igellande am Sumpf Bufera auch ]~/nus pinea ziemlich h£ufig, aber aucTh am" bier an.

~°) Auf den Balearen kommt ~ . ~uber nicht vor~ auJ~ dem Festlande beide suber wie ilex.

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thenpracht einen freundlichen, aber schon im Jun] einen durch und dutch todten Anblick, was im Juli noch augenscheinliche r wird. Man m~ge sich demnaeh yon immergrfinen Eichen, die fiberdies hier im g'~instigsten Fall die Hcihe eines Apfelbaums nieht tiber- schreiten, keine zu hohe Vorstellung maehen; fiir den Winter al- lerdings mug es gelten~ aber ffir den Sommer nicht. Freund A. Brehm hat diesetbe Ansicht, soviel ich reich dessert eriunere, schon vor mir ausgesprochen, ich aber gebe ibm vollkommen Reeht. Es geht Nichts fiber unsere deutsche Eiche und Buche, Niehts fiber tmsere deutschen Waldbaume. - - Wo die Abhi!nge eine so geringe Neigung haben, dass sie sich zum Ackerban eignen, fin- den wir Otiven und Getreide, vorztiglich Haler und Gerste, Alles oft mitten zwischen Ger(~ll, und namentlieh den Hafer oft so dfirf- tig, dass manin ibm der Jagd nachg'ehen kann, ohne etwas zu zertreten.

Ueppiger sind die oft tief eingesehnittenen T~mlgrttude, na- mentlieh wenu ein kleines Wiisserchen sie durehrieselt. Man sieht hier wirklich kleine Wiesen mit saftigem Gras, darunter B~'iza major und m~:nor, und allerlei Bhmen, Stachys, Pic~'dium Dale- champii, etc., wi~hrend Urtica pilulifera, Genista~ die wilde Feige (Ficus carica) am Fuss der Felswande stehen, welche ihrerseits mit Farren PoliTodium vulgate und Ceterach officinarum) bekleidet sind. - - Der Fuss des Gebirges ist in der Regel mit Oliven be- deckt, Zeugen altmaurischer Cultur.

In der Niederung finden wit alle unsere deutschen Getreide- arten*), wetche vorziiglich gedeihen trod Mitre Juni einen reichli- ehen Erndteer~rag tiefern. Dieser ist, abgesehen vom Clima, ub- hiingig vom Schatten, den die reich]ich a~gepflanzten Bi~ume der Niedertmg gewi~hren, und yon der Ausdfinstang derselben. Aus- serdem bieten die Bi~ume, die iibrigens der Niederung oftmals das Aussehen eines grossen Gartens verleihen, noch den Vortheil, dass sie selbst Frfichte tragen: die Olive liefert das dem Spanier unentbehrliche Oel, als Ersatz ffir die Butter, die Mandel verwer- thet sieh an Ort und Stelle als angenehmes Dessert wie als Aus- fuhrartikel, der Joharmisbrodbaum giebt (ira Verein mit der Gerste and der Saubolme) ein trefltiehes Pferde- und Schweinefutter, der

*) Unsere Kornblume (Centaurea cyanu;) wie Kornrade (Lychn{$ githago) finden wit nicht im Getreide, dafiir einzeln den 'herrlichen Glad~alu$ se- getum mit lila Bliithe, wie ein knoblauchartiges Zwiebel-Gew~chs mit dunkelblauer Blfithe. Von Letzterer habe ich eine zwiebel dem botani- schen Garten in Berlin zukommen lassen. Die auf Menorka so h/iufige gelbe Distel (Scolymus h~spanic~ls) fund ich auf Mallorka nicht.

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Nutzen der Feige ist vielseitig. - - Neben den Getreidearten cul- tivirt man ausser der strauchartigen Kiehererbse mit besonderer Vorliebe die Saabohne, welche als das beliebteste Nahrungsmittel der ~meren Klasse der Mallorkiner gilt, und mit fast noch mehr Liebe genossen wird, wie bei uns in einigen Distrikten die Kar- toffel. Es geniige nur, dass die Bohne Morgens, Mittags und Abends kalt ode r warm, in jeglicher Art zubereitet genossen wird, und dass z. B. ein reieher Bauer Morgens Chocolade stehen liess, um kalte Bohnen zu essen, die noeh yore vergangenen Abend iibrig geblieben waren. Auf Menorka liebt man die Bohne nicht, und dient ats Ersatz dafiir eine dickgekoehte Suppe mit Fleisch, Reis, und Kartoffeln, mit einem Zusatz yon einigen Speckwfirfeln und Wurstsehnitten. Dieserhalb wird auch die Kartoffel auf Menorka ziemlich stark angepflanzt, doeh sah ieh den Reis auf keiner der Inse]n cuttivirt, Hanf und Flaehs wird nur wenig geernd~et, aaa Meisten noch bei Alcudie, Inca und Mahon.

Der Tabackbau findet nur auf Menorka statt~ fiir Mallorka ist derselbe ve~'boten. - - An den Geh~ften und Bauernhausern, selbst den allerunbedeutendsten, finder man Arundo donax und den Blat- ter-Cactus d. s. g. Maurische Feige~ ersteres wird als Viehfutter geschatzt, namentlich for die Maulthiere, letztere wegen ihrer sa5 tigen und erfrischenden Frucht. w A~tndo dona~ ist iibrigens im Verein mit einer Tamariske ~) die Karakterpflanze der Siimpfe. Mehr yon dem Wasser entfernt steht dann der unsern Wachhol- der ~ ) vertretende Juniperus Fhoenieea, und unmittelbar amWasser Salicornia fruticosa~ ein Strauch, dessen Zweige mit Schachtelhal- men entfernte Aehnliehkeit haben.

Waldungen yon Orangen hat man nicht, wolff aber G~rten, in den gegen kalte Nordwinde geschiitzten Gebirgsth~lern. Sol- lier hat die vorzfiglichsten Orangen, dann kommt Esporlas, Valde- mussa, Polienza. Die Apfelsiae gedeiht hier ohne weitere Pflege, die Limone jedoch ist weit zartlicher, sie vertangt einen beson- ders geschiitzten Stand und aufmerksame Behandlang. ~ Den Maulbeerbaum, der namentlich durch Franzosen eingefiihrt vdrd, pflanzt man mehr und mehr an, und hebt sieh dadurch die Sei-

*) Dieselbe ~rt, welche auch in Algler so h~ufig ist.

**) Uaser Wachholder kommt nicht vor, daffir aber auf der HShe zwischen Fortune and Andraix eine diesem sehr ~hn|iche, vietleicht noch nicht be- schriebene Art.

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denzucht. Die Zwergpalme (Chamaerops humilis), womit in alter Zeit ganz Mallorka iiberwuchert gewesen sein soll, findet sich vor- zugsweise noch auf den Htigelpartien des Fruchtlandes, wie auf den Vorbergen, doch weieht sie auch hier mehr und mehr dem Weinbau; gleiches Schicksal hat auf den Hfigeln Menorka's die grossbli~ttrige Myrthe (Mynas communis), welche ebenda die Palme zu vertreten seheint. Merkwiirdig bleibt, dass in Menorka die Myrthe auf ganz "troeknem, dtirftigen [Boden massenhaft vor~ kommt, wi~hrend sie .in Mallorka mit dem Granatbaum nur verein- zelt am Quell steht. - - Eine andere Eigenthfimlichkeit Menorka's ist das Auftreten des yon Linnde Oleaster genannten wilden Oel- baums, der jedoch nie zu der H~he des dtu-ch Cultur veredelten heranw~tchst, sondern mit ziemlich gTadem aber kurzemStamm seine abgefiachte Ka'one der Richtung der Nordwinde entgegen an den Abhangen mitunter fast i~uf den Boden legt, bezeichnend ftir den physiognomischen Karakter der Bergprofile.

Die Riesenaloe treffen wit Ofters an Wegen, wie auch als Einfriedigung der Weiclepllitze; sie kommt iiberalt vor-, bei Alcu- die steht sie im feuchten Sandboden. bei hndraix steigt sie bis zu

der Kammh0he, ohne jedoch irgendwo die GrOsse wie bei Bar- celona zu erreichen. Sie ist iibrigens zur Bliithenzeit eine herr- liche Erscheinung. In Algier, wo sie in einer Ausdehnung yon 3--5 Fuss angepfianzt ist und in dieser Weise einige Chausseen begleitet, sah ich sie Ende Juni in roller Bliithenpraeht.

Schliesslich kommen wir zur Dattelpalme, der hervorragend- sten Karakterpflanze Mallorka's. Friiher soll sie sehr hiiufig ge- wesen sein, und sogar den Arabern Verantassung gegeben haben, die Insel selbst wie die Hauptstadt nach ihr ,Palma" zu nennen.

Pfianzen und Thierleben geht Hand in Hand. Wo wir Man- nigfaltigkeit in der Fflanzenwelt anh'effen, finden wir auch Man- nigfaltigkeit im Thierleben. Zwax scheint der hohe Norden, wo die diirftige und einf0rmige Vegetation unter einer Eisdeeke be- graben liegt, hiervon eine Ausnahme zu machen, denn Thiere in Unzahl kommen hier vor : Heerden yon ¥ierfiisslern, Schaaren yon V6geln, unermessliche Ztige yon Fisehen zeugen vom regen Leben in dieser kalten Zone; aber es fehlt dem Norden ~Iannigfal- tigkeit der Arten, inde m jene Tausende yon Individuen nicht vie- len Species angeh~iren. Dagegen finden wit in den Tropen, :~ die Pflanzen in iiberraschender Ueppigkeit sich entfalten, auch

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eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in den Formen der Thiere, in den Arten. - - Auf den Balearen~ wo w i r e s durchsehnittlich mit diirftiger Vegetation zu thun haben~ vermissen wir Mannigfal- tigkeit der Arten. Wi~hrend ganz ahnlich wie im hohen Norden hier einzelne Klassen oder selbst einzelne Arten in kaum geahnter In- dividuen-Anzahl auftreten, zeigen andere Klassen kaum Reprasen- tanten. --Individuen mi~ Artenreichthum verbinden nur ganz we- nige Klassen; vor allen dtirften es die Spinnen sein, wie auch Blattwan~.en und Fliegen~ und wollte man die die Balearen um- spiilende See mit in den Bereich unserer Betrachtung ziehen, so standen die Meeriische in erster Linie. Das Ueberraschendste yore massenhaften ±uftreten bei sonstiger Artenarmuth (oder wenn man will~ bei sonstigem nicht Artenreichthum) zeigen die Mol- lusken, wie auch wenngleich schon weniger die Schrecken (Or- thoptera)~ 0hrwfirmer und einzelne Vtigelarten. In jeder Bezie- hung arm sind die Klassen der Schmetterlinge, und der Schlangen. Was dann die Fauna im Allgemeinen anbetrifft, so ist sie recht europi~isch 7 mit einzeln interessanten Typen des Mittelmeerbeckens.

Wenden wit nun unser Augenmerk auf einzelne Thierklas- sen: Am Merkwiirdigsten ist die Armuth an Schmetterlingen, excl. Bombyx dispar; oftmals habe ich mit Blumen decorirte Thal- s~ume beobachtet und auch nicht einen Schmetterling gesehen. In Barcelona traf ich doch einen sch~nen Segler (Feisthammel), so- wie auf dem Erdbeerstrauch die griine Raupe des pr~chtigea Ja- sius, aber auf den Balearen ausser einigen wenigen Mikrodop- teren ,nur" deutsche Reprasentanten, den Schwalbenschwanz, den Distelfalter~ den Admiral und sammtliche Kohl-Weisslinge.

Menorka ist an Kafern reicher, als Mallorka, doch ist auch bier keine Mannigfaltigkeit, eigenthiimlich sind Feronia plicata, Asida brevicosta und Timarcha. Es gelang mir mit dem gr~ssten Fleiss nur ein massiges Resultat zu erzielen, ich glaube 4000 Sttick in circa 500 Arten gesammelt zu haben.

Um sieh einen Be~iff yon dem massenhaften Vorkommen einzetner Schneckenarten. machen zu k6nnen, so sei nur gesagt dass ein kleines trichterf6rmiges Landschneckchen oft zu Hun- derten an einem einzigen, vielleicht nut einen Fuss langen Kraut- stsmme sitzen. Die Xerophilen sind vorherrschend.

Der auf Mallorka grade nicht hi~ufige Scorpion, ist naeh Herrn

Journ. f. Ornith., :~. Jahrg., Nr. 55~ Jauuar t86~. 2

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J. Lichtenstein ~) dieselbe Art, xvie die Afrikanische; er ist klei- ner und wegen seiner Kleinheit ganz oder fast ungefahrlich. Er sitzt unter Steinen, und bleibt, wenn man den Stein aufhebt, ru- hig sitzen, langsam den bewaffneten Schwartz sen!a-echt in die H~he hebend. - -

Von Crustaceen fand ich Nichts im stissen Wasser; in der See kommt sehr haufig ein Riesenkrebs ( l , x Fuss lang) vor, die sogenannte Languste, welcher im ganzen Habitus unserer kleinen geschwanzten Ostsee-Krabbe gleicht, und ein vorziigliches zartes Fleisch hat. Haufig sind auch in der See namenttich bei Menorka die Taschen- und Einsiedlerkrebse, und ebenda in Unzahl wie auch auf dem Lande unter Steinen und an feuchten Orten die Asseln.

Den Ichthyologen wiirde ich rathen, Studien auf den Balea- ten zu machen, der Fischmarkt ist in Palma wie in Mahon rei- eher als irgendwo, und bietet mit seinen fremdartigen Fischen, welehe so ganz abweichend yon denen der Ostsee sind, einen iiberrasehenden, fesselndea Anblick. Ieh besuehte den Markt oft und verNess ihn stets naeh langem Weilen ungern. Gross ist die Mannigfa]tigkeit in der Gestalt und in tier F~irbung, da sieht man eckige, runde, lange, fadenf6rmige, kurze Fische, mit dicken, lan- gen, spitzen~ grossen und kleinen K6pfen, mit rothen, blauen, grii- nen Farben. Brackwasserfische sind wenig, Siisswasserfische sel- ten vorhanden.

Fr6sche giebt es nur wenig, weshalb auch wohl tier Storeh fehlen mag; nur ein Mal fand ieh unter einem Stein eine ~oTaU- gTtinliche Unke, trod ein Mal auf Menorka einen etwas gelblichen Laubfroseh, tier sonst dem unsrigen ganz iihnlich war. Von Schlan- gen traf ich immer dieselbe zierliehe Col~tber wohl 5--8 Mal, sonst keine andere Art, es sei denn, dass ich einer Wasserschlange erwahne, welehe ich am Prat zu wiederholten Malen gesehen zu haben glaube. Oefters, obwohl stets vergebens, machte ieh Jagd darauf, die Schlange sass fast stets im Kraut nahe am Ufer und glitt bei meiner Ann~herung in den Stisswasserteich und schwamm dicht unter oder an der 0berflache fort. Anf~anglich hielt ieh sie ftir einen Aal, dann aber glaubte ieh ganz sicher in ihr eine Sehlange zu erblicken, worin mich sparer die Exemplare des Mu-

~} Ein Nefte unseres Lichtenstein. Er ist in Charlos. elnem zwlschen Barcellona und Valencia liegenden Kfistenst~dtchen Kaufmann und war- mer Verehrer der Natur.

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seums in ~dg~er best~rkten. - - Von Eidechsen fand ich vorzugs- weise 2 Arteh; eine Langgestreckte mit ecldgem Kopf yon brau- ner und grfiner Farbe und yon ausserordentlicher Schnelligkeit~ in der Regal t raf ich sie hoeh im Gebirge, namentlich an den Ab- h~ngen zur See, haufig z .B. aufDragonera. Ferner t r a f ich un- t e r den verschiedensten Oertlichkeitsverh~ltnissen die s~idliche Type tier plat~sehw~nzigen Eidechsen (Pla~ydactylus) aus der Fa- mille tier Schreier (Gecko)~ mit vielen rothen Milben an den Ze- henwinkeln. Hierbei erw~hne ich, dass 2 Franzosen, welche mir nach einander als Dolmetscher dienten, stets yon einem Drachen (dragon) erzahlten, weleher st~ehe. Sie suchten unter Steinen nach, ohne ihn zu finden, doch stimmten Beide dahin iiberein, dass die plattschwanzige Eidechse ibm ~hnlich sehe; niemals habe ich dahinter kommen k~nnen, was s~e darunter fiir ein Thier verstanden.

Eine kleine geschwanzte Sumpfschildkr0te land ich in Me- norka im siissen Wasser; die Schildkr~ten sind mindestens selten auf den Balearen, denn niemals sah ieh Schildkr~ten ausser dieser einen, und doeh verrathen sich dieselben so leicht, na- mentlich die im Wasser Lebenden. Im Meer kommt die R i e s e n - s c h i l d k r ~ t e (C. Midas) ziemlich haufig, der Tintenfisch fibri- gens sehr h~ufig vor. Delphine sieht man zu 5 ~ 1 0 gesellig bei einander, doch gehen dieselben nicht gern so nahe an das Ufer~ dass man sie yon bier aus sieht. ~)

Wenden wir uns nun zu dem, diese Blatter speziell interes- sirendem Gegenstande unserer Betrachtungen~ den V~geln, so be- merken wir yon vorn herein~ dass die gl'ossen Hoffnungen, mit denen wir die Balearen betraten, nieht in Erf i i lhng gingen.

Das V0gelleben der Balearen ist ~ priori in 2 Abschnitte zu theilen, da die Natur-Verh~ltnisse der Inseln j e nach den Jah- reszeiten ganz verschieden sind, herbeigeFtibrt durch die Eigen- thiimlichkeiten des KHma's und der Witterung; denn wahrend die Pflanze im Sommer fast vor Diirre eingeht, st~irzt wahrend des

*) Ich erlaube mir im Hinblick darauf, dass es vielleicht yon Interesse ffir einen oder den andern der Herrn Leser,ist, zu bemerken, dass ich meine naturgesehiehthche Ausbeute exel. der VSget einigen meiner Freunde un- ter tier Bedingung verehrt habe, noch im Lanfe des Jahres 1862 der Wissenschaft Bericht abzustatten. • So behaadelt Herr Kaufmann F.D.Hey- nemann zu Frankfurt a.M. und Dr. Dohrnjun. zu Stettin die Mollusken, Herr SchSff v. Heyden und Lucas yon Heyden die Blattwanzen, Fliegen und Spinnen, die Herrn Gebrfider Semper in Hamburg die wenigen Schmet- terlinge, Herr Dr. Georg Haag-Rutenberg in Frankfurt a. M. die K~fer.

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Winters der Regen in Ueberfluss. Das Vorkommen der Vclgel wird nattirlich v0n diesen Verhiiltnissen beeinflusst, Wird yon ihnen ab. hiingen miissen.

Und so haben wir es auch erfahren, wiihrend im Winter Tau- sende yon Schwimmern und Watern am Prat und Bufera fin- Do- micil aufschlagen, sind wahrend des Sommers jene Ufer oft ohne Leben. Die Baleaxen sind arm an BrutvSgeln; nur wenige yon ihnen gewi~hren als kaxakteristische Vsgel des Mittelmeer- beckens ein besonderes Interesse; andere V(igel treten in grosser Anzahl oft unter den versehiedensten Oertlichkeitsverhiiltnissen auf; viele Arten hingegen vermisst man mit Recht, weil sie in den benachbaxten Kfistenliindern vorkommen, so namentlich fast ganz die Afrikaner.

Bei diesen ungiiDstigen Verhi~ltnissen, die mir j a ganz fremd waxen, wurde ich fast an mir selbst h're; fast tagtaglich ging ich auf die Jagd, und fast hie sah ich Etwas yon Interesse. Woher kommt das? fragte ich mich, ist es etwa meine Schuld~ - - kann ich nicht sehen, - - verstehe ich nicht zu beobachten? - - Ich hiitte ver- zweifeln mCigen. In Algier gtaubte ich, mtisste es sieh entschei- den~ an were die Schuld liige.

Und Algier beruhigte reich auch, bier sah ieh Aedon hier sah ich A. 5ubulc~ts, trier sah ich die sfidlichen Saxicolae, welche ich auf den Baleaxen nicht gefunden, welche ich jedoch ganz bestimmt zu finden erwartet hatte. So hoffe ich denn trotz alledem spiiter doch Einiges, wenn auch nicht Vieles in diesen Bliittern zu bringen, und ist die Reise nach A]gier mir nach einem langern Aufent- halt auf den Baleaxen doppelt lieb geworden, weft sie mich in den Stand setzte fiber Streitfragen wie z. B. fiber klimatische Va- riet~tten~ Rassen und Arten, z.B. fiber F~ingitla coelebs und spodi- ogenys~ fiber Parus coeruleus und ultrama~'inus etc. zu entschei- den. Was dann inein Wirken auf den Balearen selbst anbetKfft, so machte ich einige Beobachtungen fiber Fortpflanzung, Lebens- weise, Stimme und Jugendkleider, wobei Silvia Cettii, Cisticola und sarda ~ in erster Linie stehen. Gehen wir nun zurfick zur Karakteristik:

Die Steindrosseln sind echte Gebirgsv~gel, oder besser wohl noch gesagt, eehte Felsenv~gel, und deshalb auf den Balearen, namentlieh aber auf dem gebirgigen Theil Mallorka's recht zu ttause. Petrocossyphus cyaneus halt die HOhe, saxcdil/s die Vor. berge doch treffen sie sich auf halbem Abhange~ am Liebsten in

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den alien Oliven-Plantagen, wenn daselbst Steinger~ll vorhan- den, und nackte Felsen nieht zu fern stehen: W ~ r e n d wir ihren lieblich melancholischen Ges~ngen lauschen, kreist derK~nig tier VOgel, der Steinadler (Aquila fulva) fiber uns, fiber dem Gipfel der Gebirge, und entschwindet unserm Auge nach der Ebene zu.

Am Abhange ist es in tier Strauehregion lebhaft, bier ist es Sylvia melanoceThata mit ihrem Individuen-Reichthum fast allein, welche Leben schafft, es sei denn, dass sich zu ihr noch eine Cou- sine, die kleine sarda gesellt, doch dann darf das Gebiisch nicht zu fippig, auch das Meer nicht zu entfernt sein. - - Aueh Perdlx rufa Iockt aus dem d~irftigen Haferland jetzt, w~hrend ein Trupp Kreuzschnabel an den Zapfen yon Pinus haleTensis arbeitet, und die spanische Alauda c,¢stata mitten aus dem Eichenwald ihre Klagelieder pfeift. Hier auch h6ren wir deutsche Stimmen, Frin- gitla coelebs schlagt uns freundlich entgegen, Cuculus canorus ruff, Pa~s major loekt, Columba palumbus ruchst, doch auch ein klei- ner Fremdling, die Sylvia Nattere~g lasst dazwischen sein Lied- chen h0ren. - - Auf den pflanzenarmen Platzen~ namentlich wenn sie yon Ger~ll fiberschfittet sind, l~uft Oedicnemus cre~tans in abenteuerlicher Gestalt den Gebiischrand entlang und seheu ent- fliehend, wenn wir kommen, w~hrend Anthus camTest~qs sein eirlui rufend in die Luft steigt.

In den fippigen Schluchten h6ren wit unsere Amsel (Turdu~ me~la), selbst unser Troglodytesparvulus schmettert uns mit be- kannter Kraft sein Lied entgegen, w~hrend Sylvia lu~cinia am Quell sitzend~ ganz auf deutsche Weise uns entziickt; Emberlza cirl~ls bingegen treffen wir als eigentlichen Repr~sentanten tier i~ittelmeer-Fauna.

Auch am Fuss und auf den Vorh~h6n hSren wir Bekannte singen, hier ist es das muntere Corps der Finken, der Griintinge, der Stiegtitze, der Hanfiinge und der Girlitze; doeh auch Frin- gilla t)etronla schreiet aus dem Astloche hervor, und St~x novtua meridionalis in die Nacht binein. ~ Lanius rufus, Emberiza mill- aria und Saxicola rubicola diirften fth" den Fuss des Gebirges als eigentliche Karakterv0get angesehen werden, die ersteren in den Baumgarten, die letztern auf den Strauchern; ~ auf dem freien Felde hingegen ist es Alauda brachydaetyla. Am Sumpf ist es vor- zugsweise Sylvia Ceta:i, welche Leben schafft, dann auch Rallus aquat~'cus mit seinem Grunsen und Quicken, wie Circus rufus and

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Ibis falcinellus. Am Strande schliesslieh lauft Charadrius vantia= nus und hiaticula behende, wiihrend paarweise der unzertrennliche Corvus corax bedachtig sehreitet, und welter hinaus ira Meere bei den Delphinen und fliegenden Fischen sehen wit Larus cachinnans, Puffinus einereus und Thalassidroma pelaglca.

Was die Vierffissler anbetrifft, so herrscht aueh bier eine gewisse Armuth. Das Pferd istklein, gedrungen und nichtsch(in tibrlgens ein guter Karrengaul; man kreuzt es vielfach mit dem Esel. Oft gehen diese Bastarde so in die Type eines der Eltern zurfick, d. h. bei 2ter oder 3¢er Mischung, mit einem der Racen- thiere dass sie kaum noeh als Bastarde zu erkennen sind, wobei als Hauptkriterium stets die Liinge des Ohrs and die Beschaffenheit des Sehwanzes gilt; iibrigens sind diese Mischlinge die niitzlich- sten Zugthiere.

Die Kfihe werden mehr und metu" dutch das Schwein ver- drangt; Butter braucht man ja nicht, Olive und Schweinefett er- setzen sie dem Spanier vollkommen. Die Schafe sind gross, sie haben das Gesicht und die Beine his zum Knie kurz behaart, iibrigens eine grobe lange haarige Wolle. Die Ziegen sind in der Regel yon gemsenartiger constanter Fiirbung und yon seltener Seh~nheit, zuweilen sind sie halb verwildert, wie auf den HShen zwischen Arta und Son Serre. Es ist wohl m(iglich, dass der Muffion (Ovis musimon) mit ihnen verwechselt wurde, weleher nicht auf den Balearen vorkommt. Das gr(isste wilde Thier ist Lepus timidus, unser gewShnlicher ttase, vielleicht ein wenig rSther, er ist nicht haufig und sitzt gem auf den gegen Stiden gelegenen Vor- bergen. LeTus cuniculus ist dagegen ausserordentlich haufig, na- mentlich auf Dragonera und Conejera, welch' letztere Insel iiber- setzt Kaninchen-Insel heisst. Die Jagd mit dem Frettehen, wel- ches aicht wild vorkommt, +) ist sehr beliebt, zum Hetzen bedient man sich eines kurz gestellten kri~ftigen Windhundes mit langen spitzen Ohren. Dabei sei aueh bemerkt, dass ich in Palma eine Hunderace land, welche ich fiir weiter Niehts, als fiir den im Aussterben begriffenen Mops halte. Ich babe die frfiheren l~Iopse nicht mehr aus eigener Anschauung kennen gelernt, das aber, was man mir yon ihnen erzahlt hat, passt vollkommen auf diese bale- arische. Type.

Aueh unsern Igel sail ich 1 l~Ial auf Menorka, wie bei Herrn

*) Die Viverra Genetta sah ich 1 Mal ausgestopft als auf ~[enorka erlegt.

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Die Balearen. 23

Dr. Weiler in Palma das Eicb~Cirnchen im Kafig. In Esporlas traf ich einen hamsteraxtig gefi~rbten Schlafer yon der Gr~sse ei- ner R'atte in einem atten ¥ogelnest sitzend, und zwei Mal auf freiem Felde das kleine Wiesel; Feldmause hingegen sah ieh nie- reals, dagegen bei Alcudie Maulwurfshaufen; ob dieselben aber yon unserm Maulwurf oder yon caeca herrfihrten, konnte ich na- tiirlich nieht bestimmen. Die Fledermause flogen ziemlich haufig und fiel dabei eine Art auf, welche sich durch ihre Gr~sse aus- zeiclmete7 oft genug habe ich an Str ix noctua gedacht.

Zum Schlusse noch eflfige Worte fiber die Bewohner selbst: Der Baleare hat Araberbht in seinen Adern, tier K~rper ist pro- portionirt und sch~n, mittelgross mit freiem Blick. Die Sprache weicht yon dem Spanischen ab und steht in Beziehung zum Ita- lienisehen, Catalonischen und dem platten Sfid-Franz~sischen. Der Mallorkiner ist yon dem l~ahonesen, dem Bewohner Menorka's, seln- verschieden, er ist still, ein Wenig langsam, doch betrieb- sam, er liebt den Ackerbau~ und ist zufrieden, wenn er zu leben hat, viele Bediirfnisse hat er nicht, dabei ist er ehrlich, und hasst das gemeine Verbrechen, namentlich den Diebstahl; yon sieh ist er sehr eingenommen. - - Der Mahonese liebt den Handel und den ~ekerbau, ist sehr lebhaft und halt sich dem Mallorkiner gegenfiber fiir klug. Was das Weib anbetrifft, so ist das yon Mallorka das Schonste, was ieh je gesehen: die Andahsierin ist eine strahlende, die Mallorkinerin eine stille SchSnheit mit fund- lichen Formea und ausserst sanftem und doeh feurigem Auge, wobei die lange Wimper das Facherspiel pr~ehtig versteht.

G logau im Dezember 1861. (FortseSzung foigt.)