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. Die Befestiffung k nstlicher Arme. Von Dipl.-Ing. C. Biel, Assistet~l a. ,l. Gross|). Tochn. Hochschule Fri(lerieiana in K: rl,r e. (Mit 31 Ahbildungen im '['ext.) Im folgenden ist der Versuch gemacht, die wichtigsten Befestigungsarten kfinstlicher Arme zusammenzustellen und womSglich ihre Vor- und Nachteile yon gemeinsamen Gesichtspunkten ~us zu besprechen. Diese Darstellungs.~rt wird, wie ich glaube annehmen zu d[irfen, zun~chst denen willkommen sein, welche noch nicht zu einem abschliessenden Urteil fiber die bekannten Be- festigungsarten gekommen sind, aber doch f~ir den einzelnen l:al| eine Be- festigung auszuwShlen haben: ihnen bietet diese Darstellung eine L;bersicht des Bestehenden und zugleich einige Gesichtspunkte f[ir die Beurteilung, die der Fachmann. soweit sie ihm richtig erscheinen, zu Rate ziehen kann. Den grSsseren Vorteil und Hauptzweck dieser Darstellung sehe ich aber darin, dass die eingehenden mechanischen Betrachtungen besonders bei OberarmstLimpfen dem se|bst konstruierenden, ['ionierarbeit leistenden Spezialarz.t zur Anregung werden kSnnen, noch vorhandene MSngel in ihren Ursachen klarer zu erkennen und zu beseitigen. Diese MSglichkeit l:,~sst reich auch hoffen, dass gerade tier d~ts Gebiet vollst:Andig beherrschende Orthop~de und Chirurg es nicht verschm~hen wird. hier die Auffassung und Betrachtungsweise des Ingenieurs kennen zu lernen, obgleich er diesem an Erfahrungen doch unendlieh iiberlegen ist. Schwierigkeiten dieser Darsteliung liegen zun[tchst darin, dass fiber viele Fragen noch kein tibereinstimmendes Urteil der Autorit~.ten sich durchgerungen hat, und dasses mir in der Regel nicht mSglich war. die einzelne Befesti- gungsart beim Gebrauch durch Vertetzt, e so eingehend zu studieren, wie es an sich w[inschenswert w~re. Daher k5nnen diese Ausffihrungen auf Unfehl- barkeit natiirtich keinen Anspruch maehen. Die aus beiden Griinden ent- springende Notwendigkeit, fiberatl das GrundsStzliche herauszusuchen, bringt aber andererseits den grossen Vorteil, yon leicht behebbaren, nicht mit dem Wesen der Konstruktion verbundenen Ausfiihrungsfehlern unabh~ingig zu werden, und die einzelnen Aussagen gens.uer begriinden zu kSnnen. Um die verschiedenen Befestigungsarten mSglicbst klar und sachlich zu beurteilen, habe ich zun~ichst die Aufgaben entwickelt, welchen die Befestigung dienen soll. Von den Forderungen, die sich so aus reiner (:=t)erlegung ergeben, ArelJ. f. Orthop., Meehauoth. u. Unf.-Chir. XV, i. 1

Die Befestigung künstlicher Arme

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Page 1: Die Befestigung künstlicher Arme

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Die Befestiffung k nstlicher Arme. V o n

Dipl.-Ing. C. Biel, Assistet~l a. ,l. Gross |) . Tochn . H o c h s c h u l e F r i ( l e r i e i ana in K: r l , r e.

(Mit 31 Ahbildungen im '['ext.)

Im folgenden ist der Versuch gemacht, die wichtigsten Befestigungsarten kfinstlicher Arme zusammenzustellen und womSglich ihre Vor- und Nachteile yon gemeinsamen Gesichtspunkten ~us zu besprechen. Diese Darstellungs.~rt wird, wie ich glaube annehmen zu d[irfen, zun~chst denen willkommen sein, welche noch nicht zu einem abschliessenden Urteil fiber die bekannten Be- festigungsarten gekommen sind, aber doch f~ir den einzelnen l:al| eine Be- festigung auszuwShlen haben: ihnen bietet diese Darstellung eine L;bersicht des Bestehenden und zugleich einige Gesichtspunkte f[ir die Beurteilung, die der Fachmann. soweit sie ihm richtig erscheinen, zu Rate ziehen kann. Den grSsseren Vorteil und Hauptzweck dieser Darstellung sehe ich aber darin, dass die eingehenden mechanischen Betrachtungen besonders bei OberarmstLimpfen dem se|bst konstruierenden, ['ionierarbeit leistenden Spezialarz.t zur Anregung werden kSnnen, noch vorhandene MSngel in ihren Ursachen klarer zu erkennen und zu beseitigen. Diese MSglichkeit l:,~sst reich auch hoffen, dass gerade tier d~ts Gebiet vollst:Andig beherrschende Orthop~de und Chirurg es nicht verschm~hen wird. hier die Auffassung und Betrachtungsweise des Ingenieurs kennen zu lernen, obgleich er diesem an Erfahrungen doch unendlieh iiberlegen ist.

Schwierigkeiten dieser Darsteliung liegen zun[tchst darin, dass fiber viele Fragen noch kein tibereinstimmendes Urteil der Autorit~.ten sich durchgerungen hat, und dasses mir in der Regel nicht mSglich war. die einzelne Befesti- gungsart beim Gebrauch durch Vertetzt, e so eingehend zu studieren, wie es an sich w[inschenswert w~re. Daher k5nnen diese Ausffihrungen auf Unfehl- barkeit natiirtich keinen Anspruch maehen. Die aus beiden Griinden ent- springende Notwendigkeit, fiberatl das GrundsStzliche herauszusuchen, bringt aber andererseits den grossen Vorteil, yon leicht behebbaren, nicht mit dem Wesen der Konstruktion verbundenen Ausfiihrungsfehlern unabh~ingig zu werden, und die einzelnen Aussagen gens.uer begriinden zu kSnnen.

Um die verschiedenen Befestigungsarten mSglicbst klar und sachlich zu beurteilen, habe ich zun~ichst die Aufgaben entwickelt, welchen die Befestigung dienen soll. Von den Forderungen, die sich so aus reiner (:=t)erlegung ergeben,

ArelJ. f. Orthop., Meehauoth. u. Unf.-Chir. XV, i. 1

Page 2: Die Befestigung künstlicher Arme

"2 C. Biel,

sind all,rdings eini,_,e wvniget wichtige nicht bei allen l(onstruktionen het'rie- digend gelSst, auch nicht immer als n6tig eml>fundel~. Trotzdem babe ich znr I-~eurteihmg der bekannten Befestigungsart(.,n sie alle als Vergleichsmassst'lb benutzt, und zwar erstens, um auch die besseren Bauarten, welche ihnen ge- niigen, richtig wiirdigen zn kSnnen, nnd zweiten.-:, wei) bei denjenigeD Be- festigungsarten, welche ihnen nicht ganz geniigen, dadurch .M~tngel erkannt werden, und das zu der knregung fiihrt, diese wenn mi;glieh zu beseitigen. Mit den aufgestellten Forderungen soil also nieht gesagt sein, ~as in .jedem einzelnen Falle vom Handwerker verlangt werden kann - - denn das wgre im wesentlichen doch nur die \Viederholung bekannter Konstruktionen - - . sondevn sie sollen dem Neues schaffenden I'ionier als Richtlinien dienen und ibm ein noeh nicht immer erreichtes Ziel zeigen.

Die Al)bihhm~,en welche zum Tell aus der Li teratur zus.'mmlen~'estellt m " ? w

sin& solten in der Hegel mlr als l;eispiele weiterer M;;g ichkeitml dienen und sind der Entwieklung des allgemeinen Gedanl;ens vielfaeh nachgestellt. ]:'.s sei mir gestat.tet., hie,, nochmals meinen Dank ausznsprechen allen denen, welche so freundlieh w'tren, mir neue 3_bbildnngen odev DruckstScke zur Verf/.igt, ng zu stellen oder den Abdruek ~ereits ver/.iffentlichter AbbiMnngen zu gestatten. oder mir auf sachliche Fragen erlfiuternde Auskunt't zu ,;eben.

Den Ausfiihrungen liegt folgende Einteilung zugrullde: S~'he Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Inhaltsiibersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . "~ Die Aufgaben der Befestigung am Stuml~i' im allgemeinen (.,l,~ing~-

' y stiitzung a. ..t,e~'adst.iitzun_.", ..I)rehstiitzung"! . . . . 3 A. Vorderarmstumpf . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

al l)ie einzelnen Bet'estigu,gsartery 1. ()berar'mhiilse . . . . . . . . . . . . . . 5 '2. ()berarmgiirtel . . . . . . . . . . . . . . . ~; 3. IIiemenbind,mg . . . . . . . . . . . . . . 1 4. Aufhgngung am Stumpf selbst, (an 8peichenkop:'..%'hnih'-

furche) . . . . . . . . . . . . . . . . . l li b~ ..\llgemeine Betrachtungen:

Geradstiitzung . . . . . . . . . . . . . . . . l~ l)rehstiitzun,, 13

B. Oberarmstumpr vmt mimlestens ein l)rittel der {tberarmliin~e 15 a) Allgemeine Betrachtungen:

(;eradstiitzun~, 15 l)rel,stiitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

b"~ Die einzelnen Befestigungsarten: 1. Schulterkappe, iweiche)Jacke . . . . . . . . . . 2(~ '2. Schulterkumt. ~versteiftes) Mieder . . . . . . . . 21

Zweiachsige Schultergelenke . . . . . . . . . 24 3. Schultergurt ,Kreuzgurt, Nackengurt, Rollgurt. . . . . 2-~ 4. Aufhgngung am Stumpf selbst (an Knorren. 8chniirfu,,che) '28

1'. ) , t , s ,qzu.g im Schuitergelenk uJtd sehr km'zer Oberal'mstumlJl' 31)

Page 3: Die Befestigung künstlicher Arme

Die Befestigung k~insl~licher Arme. ?

I)ie A u f g a b e n der B e f e s t i g u n g am Stumpf .

Zun:~ichst sei bier eine kurze theoretische Betrachtung gestattet, welche for Unterarmstiimpfe und Oberarmstiimpfe gemeinsam, zum Tell sogar such fiir Stiimpfe der unteren Extremit~t gilt, und den spiiteren Uber|egungen eine festere Grundlage und gr5ssere Klarheit gibt:

Die eigentliche Aufgabe jeder Befestigung ist ja, den kiinstlichen Arm~) so innig mit dem Stumpf zu verbinden, dass er dessen Bewegungen mSglichst genau mitmacht, dass also Lagever~nderungen alIer Art ihm gegeniiber ver- hindert sind. Das verlangt nach den Lehren der Kinematik eigentlich die Beseitigung w)n sechs verschiedenen BewegungsmSglichkeiten, insofern jede beliebige Bewegung stets in dieselben sechs Elemente zerlegt werden kann, so dass mit deren Verhinderung iiberhaupt jede Beweglichkeit aufhSrt. Diese sechs Elemente sind: Parnllelverschiebungen in drei aufeinander senkrechten Richtungen und Drehungen um drei aufeinander senkrechte Achsen. Nun ergibt sich die Verhinderung yon Verschiebungen in den beiden Richtungen quer zum Stumpf in allen F~llen miihelos yon selbst durch die Stumpfhiilse, so dass nur die vier iibrigen BewegangsmSglichkeiten besondere Beachtung erfordern. Diese abet kSnnen, wie sich zeigen wird, nicht in allen Fallen yon der Hiilse selbst befriedigend verhindert werden, sondern machen meist deren Befestigung an dem niichst hSheren Glied oder KSrperteil nStig; gerade ~uf diese, eben nicht immer leicht effiillbaren Forderungen beziel~t sictl die x'orliegende Arbeit. Fassen wit nun die Drehungen um die beiden Querachsen des Stumpfes, also die Richtungsabweichungen zwischen Hiilse und Stu-~pf nach vorn und hinten und nach links und reehts als Schr~gstellungen der [ttilse zusammen, so kommt die Aufgabe einer guten Befestigung praktisch darauf hinaus, die Hiilse so zu befestigen, dass auch L~ngsverschiebungen (besonders d:~s Herabgleiten), SchrSgstellungen und Drehungen um die LSngs- :~chse des Stumpfes verhindert werden. Von diesen drei Forderungen, die wit gelegentlich sis L~ngsstiitzung (bzw. Aufhii.ngung), Geradstiitzung und Dreh- stiitzung bezeichnen wollen, wird nut die erste, well ganz unerls stets erfiillt, w~hrend die beiden anderen, besonders bei Unterarmstiimpfen, weniger wichtig und nicht immer beaehtet sind. Ausser diesen eigentlichen ,Auf- gaben" tier Befestigung bestehen natiirlich zahlreiehe andere Forderungen, yon denen hier nut die beiden betont seien, dass die Beweglichkeit des Stumpfes nach allen Richtungen und der freie Luftzutritt zu Stumpf, Ober- arm und Schulter mSglichst wenig behindert werden sollen.

An die I,ii.ngsstiitzung (Verhindernng der L~ingsverschieblichkeit) werden erhShte Anforderungen gestellt, wenn Verschiebungen nach beiden Richtungen verhindert werden miissen, wie es bei der unteren Extremiti~t stets tier Fall ist.

~) Der husdruck ,kfinstlicher Arm" odor ,Kunstarm ~ wird stets im allgemeinsteu 8inne, ala Ersatz fiir ,Prothese" gebraucht, and umfasst Arbeitsarme uad Schmuckarme. Wenn such die meisten Betrachtungeu wegea der griSsseron Bedeutuag der Arbeitsarme haupts-:ichlich fiir diese bestimmt sind, so habo ich doch den allgemeiuen A.uadruck benutzt, solange sic such far Schmuckarme giiltig bleiben. Ebenso umfasst der Aasdruck ,Hand- ersatz" Arbeitsans~it.ze und Sehmuekh.:inde.

1"

Page 4: Die Befestigung künstlicher Arme

l (2. B i ~ l ,

Eine besonders schwierige Aufgalm bests,h( dann darin, l,iingsverschiebnngen der ltiilse auch beim l(raftweehsel m~glichst auszuschliessen, so (lass sie nicht boi jedem Kraftweci~sol etwas auf- und abrutseht.. Wie bier naci~gewiesen werden m6ge, liegt bei Kunstarmen dieselbe Aufgabe v,,r. wenn nach S t o d o 1 a- S a n e r- b r u c h die Stumpfmuskeln zum kntrieb der kiinstlichen ttand oder eines Greif- werkzeuges benutzt werden sollen, und zwar auch fiir gri3ssere Kriifte. wie sie der ganzen Leistnngsf~ihigkeit des Muskels entsl~rechen. Sobald nitmlich der S tumpf muskel sich kr:,tftig zusammenzieht, erhglt der ganze Knnstarm das Bestreben. diesem Zuge folgend am Stumpf hinauf zu rutscherJ, ganz gleich, wie das Antriel~s- getriebe (der Mechanismusi der Kunsthand eingerichtet ist. da j'~ alle Teile des- selben doch schliesslich am l(unstarm befestigt sin& Wenn nun (tie ]-Iiilse nicht schon fiir gew/;hnlich in ihrer h/3chsten Stellung sitzt, und wonn ,-.'in soh.hes Aufwih'tsgleiten dutch die Befestigung nicht verhindert wird. so kann (lie ver- fiigbare ,'~[uskelkraft nicht roll zur Ausntitzung kommen, sondern der gefasste (',egenstand wird nur mit derjenlgen geringeren Muskelkraft gehalten, die durch deu Widerstand der I-tiilse beim Aufwiirtsgleiten zur Geltt~ng ko,mnen kann. Es geniigt anch nicht, wenn die tttilse erst nach einer gewissen Aufw:~rtsverschiebung um vielleicht einen Zentimeter einen festen Halt tinder. Denn die dann noch verfiigbare weitere \'erldirzungsf~ihigkeit des Mnskds is( dann nm soviel geringm'. ller Verschiebnngsweg des Kunstarmes geht also fiir den Antriob tier Kunsthand verloren, und da die \'erkiirzung des Muskels aueh bei langem Stampf oft nut 1--2 cm betr~igt, so wird (tie fiir den Antrieb der 1,2unsthand verfiigbare Ener'_,ie schon dutch \erschiebungen der tttilse u,n w(mige Millimeter merklich verringert. llei Kunstarmen mit Stuml)fmusket-Antri~tb ist also der Verhinderung yon l2ings- verschiebungen besondere ~ol'gfalt zuzuwend,_.n.

Die l:,er;ulstiitzung soil das ..Wackeht" verhindt, rn und nltlss zll d~:m Zweck auch geringe Schriigstellur, gender Hiilse zum Sinmpi unmi)gtich mach~m. l~iesem Zwecke client rot altem die .Massnahme, die Hiilsen ;wem~ m/Sglich auch gewalkte Hartlederhiilsen zum Schnall~'n oder .';chniiren einzm'ichbm. Damit die l liilse sich "ruth dem .qtumpfende gut gmpassen katm, empfiehlt es sich, sie unten often zu ]assen. was "msserdenl fiir die Liiftung des 8t.umpfes yon Vorteil is(. In vielen Fgllen kann du tch , hmenschniirung ~' nach Sp i t z y. Wien, ein festerer Sitz tier lliilse erzielt welden, indem der .q'tun~pf innerhalb der Htilse. am besten in einer Schniiri'urche. v~m einem Riemen oder Band gefass~ 'and nach vorn oder hinten an die \ rand der Hiilse lest angebunden wird, wobei der llie,nen dutch zwei Li;cher nach aussen trit t t). ginige weitere 5[assnahmen zur (;eradstiitzung werden beim Vorderarmstumpt' und beim ~berarmstumpf noch besprochen.

Die itrehstiitzung, die eine Verdrehung der Htilse gegeniiber den, Stumpfe verhindern soil, erfordert stets beim \ 'orderarm und beim ()bernrm verschiedene .Xlassnahmen, die jeweils dort besprt,chen sind.

~) l~ber die kusbildung yon Schnti.rfurehen siehe: Spi tzy und Har twieh: ,Ortho- piidisehe Behandlung Kriegsverwmldeter', Urban u. Set,warzenberg, Berlin und Wien 1915, S. 151--153 ; ferne,': S p i t z y : ,Zur Prothesenfrage' , 3Ianehener medizinisehe Woehensehrift 191;5, S. 1.397 ft. ("bet den hmenriemen aueh : S p i ~ z y : ,t3ehelfsprot.tmsen', Deutsche mo,ii- zinisehe Wochonsehrift 1916. Nr. 24.

Page 5: Die Befestigung künstlicher Arme

Die I.',efe~tigung kanst, ticher Armc. .5

Vm'de.l'a mnst lnn pt'. 1)ie l~eJ'estigun,,gsarten run 1,2unstarmen. w,..~cl e bci [.'nterarmstiimpfen

zur Amvendung kommen, seien bier in vier Hau!Jtg,'uppen zusammengefasst, die wir danach nnterscheiden wollen, ,d) nnd in welcher Weise der Oberarm zur 13ei'estigung heran~ezogc, n ist.

1. O l w r a r n l h i i l s e . Hierher reehnen wit alle Befest gmgsarten, bei tlellen auch der ()l~erarm eine dnreh Schienen versteifte Hiilse t.rS.gt. [lie seitlich sitzenden Schienen sind racist mit, denen der \'m'derarmhfilse am Etl- bogen gelenkig verbunden, und sind den beiden Ob<.rarmknorren .~Epikondylen: gemtn angepasst, so dass sie daran sicheren Halt finden und ein Herahgleiten der Stumpthiilse anch bei g~'strecktem Fllbogen sic!let verhi,~.deln. Die Achsen

l,'ig.':a.

der beiden {lelenke mtissen natiirtich genau mitein:mder und mit der Aehse des l:~llengelenks zusammenfallen. Die (~berarmhitlse ist: stets zum Schnallen odin Scbntiren eingerichtet. Eine Ausfiihrung diesel" Art zeigt Fig. 1~!.

J u l i u s D o l l i n g e r (Budapest) versieht die Oberarms.chienen an ihrer Auflagerstelle tibet' den ()berarmknm'ren noeh mit Stahlplatten, die n:mh dem Gipsnmdell genau gehiimmert sind. und verbindet diese durch einen hinten heruil~gefii!~rten Bi.igel='). In l:!illen, wo ,:,~ Schwierigkeiten macht, an den

1 a) A u s S p i t Z y Urld H a r t. w i e h : ,Orthopadis,.:he Behaudlung Kr,egsverwundeter", 1915, 8. 18;5, Fig. 128.

:) auliu~ Doll inger , ,&~spension uud Sti.itzpunkte ktinstlicher I)Iieder', l)eut~che Zeits(:hrift far Cbirurgie. Bd. 128, 1914. S. 593: aneh in Deutsche medizinische Wochen- scbJift, I1. ,Iahrg., 1915. St. 43. S. 127-t.

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(; C. B i e [ ,

()berarmknorren geniigend sicheren Halt zu finden, wird die ~)berarmhiilse auch wohl an der Schulter aufgehSngtU), obgleich man im allgemeinen bestrebt ist, nicht ohne Zwang auch Schulter und Brust mit Traggurten zu beengen.

Fig. 2 zeigt eine neue Ausfiihrung yon J. P,i e d i n g e r (Wtirzhurg), bei welcher die beiden Oberarmsehienen zu einer einzixen hinter dem Oberarm herum greifenden Schiene vereinigt sind. Dies hat erstens dell Vorteil, dass die Oberarmhiilse kiirzer gehalten werden kann, so dass sie den Arm oben t'rei lasst, zweitens, dass die unteren Enden der Schiene il~folge ihrer steifen Verbin- dung nieht an den Oberarmknorren auseinander klaffen ktinnen, auch wenn die Oberarmhiilse nieht sehr fest zusammengeschnallt ist und drittens den Vorteil einer grSsseren Widerstandsfahigkeit ge~en Kr~ifte, welche die Stumpflaiilse bei gebeugtem Arm zu verdrehen, also die beiden Seharniere aufwS.rts gegeneinander

zu verschieben suchen. Unterhalb der ()berarmhtilse ist noch ein kreuzweise ge- fiihrter tliemen sichtbar, tier wie bei de," unter Gruppe 3 beschriebenen Ilienten- bindung ebenfalls ein Herabgleiten der Vorderarmhiilse bei gestrecktem Arm verhindert, der abet vt)n vielen Verletzten als ganz entbehrlich fortgelassen wird. Diese Befestigung wird yon 1f i e d i n g e r in den F?iilen angewandt, wo wegen sehr kurzen Stumpfes oder fiir sehwere Arbeit die Y e u m a n n s c h e Bindung (siehe n~ichste Seite) nicht fest genug ist.

2. O b e r a r m g ' i i r t e l . Den Oberarm umgiI)t ringfi3rmig ein weicher Giirtel. d. h. eine nich~ durch 5chienen versteifte ,,Mansehette ~, an dem die Vorderarm-

Fig. 2. hi.ilse durch einzelne L{ingsriemen auf- gehiingt ist. Fig. 3 zeigt eine Ausl'iihrung

dieser Art4). Der Oberarmgtirtel ist an tier Vorderseite zum Sehnallen ein- geriehtet und stiitzt sieh anmittelbar auf die ()berarmknorren. Die Verbindung mit der Vorderarmhiilse besteht aus vier einzeln schnallbaren t{iemen, yon denen die beiden hinteren bei gebeugtem Arm. die vorderen bei gestrecktem Arm das Abgleiten der Stumpfhiilse verhindern, w:~hrend jeweils die anderen lose sind. Auch bier ist: als eine besondere Abart die Ausfiihrung zu verzeiehnen. bei tier aueh die Sehulter zum Tragen mit benutzt wird, Fig. 4s), wobei dem

:~) Siehe z. B. Sippel : .Wie verhelfert wir den griegsverstthnmelten darch Ersatz- glieder wiedor zur A~beitsfahigkeit and zum Eintritt in das biirgerliche BeruMeben?" 1916. S. 36..37. Dort ist auch eine Ellbogengelenkverbindung mit gugelgelenkon dargestellt, welche dem Ellbogen eine ,erweiterte Bewegliehkei~,', offenbar die Handwondebewegung, ermiiglicht.

4) Aus Bieaalski : ,Kriegskrtippelffirsorge, ein Aufklarungswort zum Troste und zm" Mahnang', 1915, 1. his 30. Tausend, S. 33, Fig. 70.

5) Aus J. R i e d i n g e r : ,I~;ber Kriegs.Krfippelfiirsorge mit besoaderer Beriicksichi.igung der Prothesenfrago ~, Archly fiir Orthopfidie, M,~chauotherapie und Unfallchirurgio, 14. Bd., 1915, S. 143, Fig. 9.

Page 7: Die Befestigung künstlicher Arme

Die I~efe.-;tigung k(instticher Arm'.'.

~lbet'armgiil'tel auch eine hO!,exe, yore Etlbogeu entt'ernterv l.age gegebcn werden kann. Die kufh{ingnng an der Schulter karat in sehr verschiedenvr Weise geschehen, wie unten im Abschnitt iiber den {)berarn~stumpf noch ttu~:- fiihrlich erliiutert wird.

�9 3. [ { i e l l l C l | l l i l l d l l l l R ' . ller ~)berarm ist tmr .mgeben x',m ein oder zwei i~,iemen, die unmittelbar an der Vorderarmhiilse befesti<,t sind. Die erste derarti,:e Riemenbindung wurdc, w)n dem Chenmitzer Kauflnann N e u m a n n entwickett, Fig. 5% und enfl~'~ilt zwei sch~ allbare Riemen. Dec obere I~.iemen

greift, xorne am oberen flande der Vorderarmhiilse an (die Be- ;,eichnungen ..vorne'" und .oben ;' gelten fiir den senkrecht hertfl)- hiingenden Vorderarm: so a u c h

im folgenden, und umschlingt den Oberarm dicht oberh:tlb der Oberarml{norren, wobei er sich .livs,.q yon selbst gut :xr~schmie~t,

Fig. 3, Fia. 4.

~,tn,. > w,: die Befestigungsaiten dec ersten ~;rupl,e besondere ~orgiMt bei din' Herstetlung vorauszusetzen. Damit der Riemen yon den Knorren nicht abg|eiten kalm, son,lern zu beiden ~dten des Oberarms recht lest anliegt, sind die lliemcnenden an der Hiilse nahe zusammengefiihrt, vgl. S. ~8. Fig. 21 reeht~.

'~) Aus F I e m ming: .Wie Kriegsbesch~idiate und Unfallverletzte auch bei Verst[un- melung ihr Los verbessera k0nnen', 2. Aufl., Saarbriickon 1915 (Verlag ,ter Sektion 1 der Kmlppschaftsberufsgenossenschaft), S. 48, rechtes Bild. wo atloh zahlreiche weit~ere Ab- hildungen dieser Befestigung vorbanden .-,ind. Nach Flem min g wurde diese Befesti.',zun~ zne~st verSffelatlicht in Nr, 6 der Monatsschrift far die 8teinbruchsberuf.sgenossenschaft yore 25..Juni 1910, herausgegeben yon Dr. Eisentrager.

Page 8: Die Befestigung künstlicher Arme

C. Biel,

So gestattet diesel" eiht'ach, llbnnel~ ohne wciteres auch bei gestreektem Arm das Tragen schwerer L,sten yon z. B. 3q)--40 kg, und zwar ohne irgend welehe Beschwerden. wie jeder an sich selbst dutch eine einfaehe Iliemensehlinge feststellen kann. Beim Arm-Beugen wird dieser t~i~men lose: um ;tuch bei gebeugtem Arm die b2tumpfhtilse unverschiebbar in ihrer Lage zu halten, ist bei der N eumannschen Bindung ein zweiter t{iemen zu beiden 5eiten des

Fig. 5.

E[lbogengelenks an den verl~ngerten [;nterarmschienen befestigt und hinter dem Ellbogen herumgefiihrt, vgl. Abbildung; dieser untere Riemen wird beim Beugen, der obere beim Strecken des Armes gespannt. Nur der obere Riemen muss jedesmal beim Abnehmen des Kunstarms geSffnet werden, ,]el' untere bleibt in der Regel geschios~en.

Der untere Riemen kann in vielen I:~llen fortgeiassen werden. Nm" w~) es darauf ankommt, dass die Hiilse bei gebeugtem Arm sich nicht der L~inge

Page 9: Die Befestigung künstlicher Arme

l~ie [.;efebtigun~ kiinstlicher Arme. ~)

m,:h ,erschie.b~.l~ kann 5tmnphnuskelal~trit~,b., wird ma~ ii~l nicht et~tbehre~, ki.:,nnen. Bei manch.u Ausfiihrungen hat er auch den Vorteil, beim Tragen schwerer Dinge mit ~ebeugrem Arm ein ltochkipi~en des hinteren Hiils~.n- randes etwt~s zu verhi.udern ((;eradsttitzung).

Der obere l~.iemen uird bisweilen in d , r Ellbogenbmlge gekreuzt. 1)a,~ hat den Vorteil, durch t'ester~ seitliche Anlage des l'demens ein Abgleiten v.n

Fig. 6.

den Oberarmknorren m)ch sicherer zu ;urhindern, hat abet den Nachteil: bei weitgehender Armbeugung hinderlich zu sein. Bei Kreuzung des Riemens kann derselbe auch his zu den seitlichen Unterarmschien~:n fi~rtg,-~ftihrt und an diesen drehbar befestigr sein, Fig. ~;':, jedoch 15.ssg man ~bweichend yore Bild die Hiilse zweckmS.~sig nach oben fiber di,, AI~griffspanlCte des Riem,.n,- himmfreichen, damit sie nicht zu tier hangl

~) Aus Fl~mmin4 ,b'us~note 6). S. 66, l. Ei!d.

Page 10: Die Befestigung künstlicher Arme

1(1 U. I ; i e l .

Ais weitere Unterart dieser Gruppe is, noeh ~ilJe, Ausfiihwulg zu nemlen. bei welcher eb,nhdls unter Fortlassung des unteren lliemens der obere um

l~t' ~. den Oberarm zweimal herumgeschhmmm " ' ~

l-)ie ltiemenlfindungen haben sich in letzter Zeit vine vorherrsch,nde Stellung erobert und vielfach die beiden vorher beschriebenen Befestigungs- arten, besonders fib" nicht "dlzn schwere Arbeit verdrttngt, denn sic wweinigen gute TragfShigkeit mit bequemem Sitz und einfacherer tterstelhmg.

4. Allfhi ing 'ul ~' ,'11|! ,";lul|lpf sel l )s t . Eine vierte (;ruplm bilden n,)ch zw,i seltenev "tng,wvmlete P, efestigungen, hei denen (lie tiiilse am ITnterarm

selbst den n0tigev Halt auch gegen Herab- gleiten fin(let, so dgtss der ()berarm zur br festigung g'u' uicht benutzt wird. Hierhi , gehSrt eine Ausfiihrm~g von ,l. 1) ol li n ge r fiir Absetzm G im Handgelenk. Fig 7'), wobei (tie unteren (dis,alert) Enden der \ 'orderarmknochen. bestmders tier seittich vorspringende Kopf der :Speiche als Stiitz- punkte benutzt sind.

Ferner gell;)rt hierher d:ts Verfahren yon N p i t z y , (lie ttiil>e an einer kiinstllch erzeugten Schniirfnrche des Stumpfes zu be- festigen, Fig. s m). Auch dies,. F, et\,stignng,art kann bei [Tnterarmsttiml)fen nu," in selt,.nen l:ii, llen uml tiir kleinere Zugkriifte zur Anwen- dung kommen (~gl. im iibrigen die diesbeziig- l i the, Bemerkungen l)ei I)ber:~rmstiiml)t)ni.

Die bisherige Besprechung der ei,zel- n~, Ausfiihrungen bezoo" sich mlr auf die Aulil:Snonng des l(unstarms, d. h. auf die \ 'erhinderung des Herabgleitens. Daher is, jetzt n,,ch eini,,4'es hinzuzufiigen iiber die beiden anderen Aufgaben der Befestigung: (ier:tdstiitzung und I)rehstiitzung.

Fig. 7. Die Geradst i i tzung, d. h. die Ver- hinderung einer 5chriigstelhmg der lliilse

zum Stumpf, ergibt sich bei lange, .'itiimpf(-,n yon selbst durch die gut gefiihrte Hiilse. Tr~igt man z. B. mit dem wagerecht gehaltenen Stumpf am ]landersatz einen schweren Gegenstand. s,) liegt das vordere Ende der Hiilse,

") Abbildu,gen dieser Befestiguug:mr~ z. B. bei l. ' lemmiug (Fu.~snole 6), 1. Aufl., S. 50, und an r bei t tadike: ,Behelfsprothesen ffir Armamputier~e', Medizinische l{linik, 12. Jahrg., 191fL S. 565. Fig. 3.

~) Aus Jul ius Dol i inger (b'ussnote 2). ~. 591, Fig. 1.3. ") hu~ 8pi tzy un,I Hart w ich: I["u~s,,. 1,. S. 179, Fig. 121 : vgl. aueh dort 8. 1;,1 rr.

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Die klsfestigung ktinstlicher Anne. 11

oben auf dem >tumpfende und der hintere l-[iilsem'apd driickt yon untml gegen den Stumpf. (Bei dieser Betrachtung iiber die Ge,'adsttitzung gelten die Ortsbezeichnungen, vorn, hinten, oben, unten usw. fiir den wagerecht nach vorn geh;dtenen Stumpf., Werden mit dem Itandersatz Querkritfte nach der Seite ausgeiibt, so findet entsprechend ein Anliegen der beiden I-[iilsen- enden an den Seiten start. Stets treten die grSssten Pressungen an den Iliilsenenden auf, w~ihrend eine Zone in der Hiilsenmitte den ~t, urnpf entweder drucktos umgibt oder allseits gteichm'assig einengt. ['m den ,'Stumpf nicht unnStig zu beengen, sollte man daher eine lange ltiilse unbedenldieh in zwei

Fig. "q

nicht zu schmale lliemm, auflOsen, wie h},,-/. 9 an einem . l agenbe rg -Arm zeigt. Unter Umstgnden kann sogar der Sifz der Hiilse dadurch noch ver- bessert werden. Went, niimlieh eine lange Hiilse in der Mitte fester -mliegt als an einmn Ende, was z. B. durch Sehrumpfung des 8tumpfendes eintreten k'mn, so dass sie an diesem Ende etwas Luft hat. so wtirde sic bei Ausiibung yon Querkr~iften wackeln, und dies kSnnte bei ungeteilter Htilse aueh nicht durch festeres Sehnallen beseitigt ~verden. Bei der AuftSsung der Hiilse in zwei Riemen kann das durch Festschnallen des lockeren Riemens ohne weiteres vermieden werden. Bei ktirzeren Hiilsen, wo eine Teihmg nicht mSglich ist, kann man vielleieht mit gleichem Erfolg eine oder zwei weir ausgesehnittene ('~fl'nungen in der Hiilsenmitte anbringen.

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l:~ei kmzem ~tUml,t' hat d-ts Zu.-.ammenr~cken tier bt~,iden Hiil~t,m:ndexl - - oder bet tiber da-. Stumpfende hinausragenden H~ilsen d:~s Zusammenriicken der ~ussersten Anlage.~tellen an ~tumpt'ende nnd hinterem Ht i l senende- zwei nnerwiinsehte }'olgen: erstens ~ird die bet langem Stumpf noch unmerkliche Schri~gstellung zwiscllen Htii.-:e und Stumpf, die durch das Nachgeben d,~t" Weichteile hie ganz v;~rmeidlich ist, bet kurzem Stumpfe st;irend gross: ,:lit: Hiilse wackelt. Und zweitens wird beim ]teben schwerer I)ing~, mit gebeugtem Arm die Pressung der vorderen Hiilseuwandung gegen das Stumpfende oder die des hinteren H/itsem'andes I~i~tig und begrenzt die Leistungsfiii~igkeit d~.s l(unstarmes. Bei Ausiibung seitlicher 1,2ri~fte mit dem tlanders~tz gilt dtts- stdbe in seitlicher P~ichtung. Man kamn ~d~er beide Nachteile bedentend vet'-

Fig. '3.

mindern, -dso dic [.eistungsfiihigkeit betrS.chtlicll erh/3hem wel,n tram die Stumpfhtilse hinten verliingert, so dass sie nnter dent Ellbogen ~:im,n l-tart gegen Hoehkippen finder, denn dadurch werden die beiden Stiitzpunkte an den Itiilsenenden m6glichst voneinander entt'ernt. Die Verl~ingerung darf ~dler- dings nicht so weit gehen: dass sie bet gebeugtem Arm hinten vorsteht, well alas ohne Nutzen das Geradestrecken des Armes hindern kann: sondern das hintere }~nde der Hfilse solt sich gegen den unter der ~)~-eIenkwalze ]iegenden Teil der Elle ([';llenfortsatz) stiitzen und hinten mit diesem zugleich aufh6ren. Ebenso muss man vermeiden, den oberen t~and der Hiilse zu t'est in die Ell- bogenbeuge hineinzupressen, weil alas zwecklos und beim Arm-Beugen hinder- Itch sein wiirde. I)amit nun die Htilsenverl'5.ngerung am Ellenfortsatz sich nicht nach unten abbiegen kann. hi~ngt man sie zu i~eiden Seiten an den

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beidea Schienen auf und litsst die versehiedenen L:~tngen an der Ober- und Unterseite der Ht'flse durch ent.sprechende Abschr~tgung der Seiten allmHhlich ineinander iibergehen u). Das hat zugleich den Vorteil, dass die Hiilse nun auch bei seitlichen Querln'~ften den gewiinschten Halt gegen seitliche Schr/ig- stellung finder. Die Oberarmknorren werden mit Rticksicht auf die Beuge- bewegung entweder g,'mz frei gelassen oder yon der Hiilse nur seitlich glatt anliegend, nicht eng umschliessend beriihrt.

Solche oder Hhnliche Massnahmen gegen Schr/igstellung kSnnen im all- gemeinen bei allen Befesti~ngsarten zur Anwendung kommen und werden auch wohl bei langen St~impfen noch vorteilhat't sein, wo ein Bediirfnis dazu bisher weniger fiihlbar war.

Bei der Drehstiitzung, d. h. bei der Verhinderung yon Verdrehungen der Htilse um den Stumpf, ist zu unterscheiden, ob die Handwendebewegung (Unterarmdrehung, Pro- und :;,pination) dem Stumpf erhalten geblieben ist oder nieht.

Wenn die H a n d w e n d u n g mSglieh ist, muss man diese Bewegung jedenfalls auf den Kunstarm iibertragen. Sie ist nicht etwa dureh die ent- spreehende Sehulterbewegung iiberfltissig, denn die Bewegungen im Sehulter- gelenk kSnnen nieht gleiehzeitig die Beugung des Handgelenkes und die Drehung des Unterarms ersetzen; ohne letztere kann z. B. ein LSffel nur mit gewisser Sehriigneigung zum Munde gefiihrt werden. Aber aueh abgesehen yon bestimmten Anwendungen ist es wohl selbstverstHndlieh, dem Verletzten die Stumiffbewegungen , tiber welehe er noch verfiigt, wenn mSglieh auch nutzbar zu maehen, l)a wir nun die sich drehende Speiehe nahe dem Ellbogen nicht wirksam fassen kSnnen, miissen wir ihre naeh dem Stumpfende bin zunehmende Sehwenkbewegung um die Elle ausnutzen. Die Drehsttitzung der Htilse muss daher stets nahe dem Stumpfende geschehen, indem wir sie der yon Elle und Speiehe gebildeten Abttachung gut anpassen. Bei Absetzung im Handgelenk ist zu beaehten, dass der Ellenkopf die Drehung der Hiilse nieh~ mitmacht, also nieht zu lest umfasst werden darf.

Ausserdem muss die Befestigung der Hiilse am Oberarm deren Drehung mit dem Stumpf gestatten, was nicht bei jeder Befestigungsart ohne weiteres mSglich ist. Zu dem Zweck kann die Stumpfhiilse in zwei getrennte, gegen- einander drr Teile aufg~,lSst werden, yon denen der vordere die St.umpf- drehung mitmacht, w~ihrend der hintere Teil ohne Rticksicht auf die Stumpf- drehung am Oberarm befestigt werden kann. Die drehbare Verbindung beider Teile geschieht bisweilen dureh zwei den Stumpf umgebende, gegeneinander drehbare 1Xinge. Einfacher und sehmiegsamer ist jedoeh die Verbindung dutch einfaehe Riemen, wie Fig. 10 re) an einer neuen Ausfiihrung der Deutschen Rotawerke (Aachen) zeigt. Wie daraus ersichtlieh, nehmen allerdings die

.H} Eine in dieser Beziohung richtig gebildete Hiilse siehe z. B. bei F l e m m i n g in dor oben (Fussnote 8) schon erw~thnten Abbildung.

~':) Freundlichst zur Verftigung gestellt yon Herrn F e l i x M eyer {Deutsche Rota- werke , Aachen); ehenso die Figuren 19, 20, 24, 25.

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1-1 C. B i o l ,

\Zerbindungsriemen der beiden l:[iilsenteile bei der Stumpfdrdmng eine schrS:_,c Richtang an und erschweren dadurch (lie weitere I)rehung, wenigst.ens wenn die Riemen gespannt sind. I)ieser Nachtei] l:4sst sich aber mit der 8chrSg- stellung selbst verringern, indem man die Befestigungsstellen der Riemen yon den einander ztlgekeln'ten I-liilsenriindern zuriick~'ersetzt, so dass die Riemen entsprechend Fanger werden. ~ Die hier wegen der $tumpfdrehung vor- genommene Zweiteihmg der Hiilse untcrscheidet sich yon der oben unter (i;eradstiitzung beschriebenen Zweiteilung dadurch, dass hier die den Hand- ersatz tragenden Schienen nut an dem vorderen Tell befestigt sin& Dieser vordere Tell muss daher fiir sich alleia auch die nStige Geradstiitaung gewii.hren. and ist iiberhaupt die eigentliche Stumpfhiilse, wiihrend der hintere als Tell (let" AufhS, ngung betrachtet werdcn kann. - - Bei Aut'hSngung an einer Oberarm-

hSlse k/.innen die beiden Tragriemen direkt a.n den Oberarmschienen neben dem Ellbogen drehbar befestigt sein, so class sie vorteilhaft lang ausfallen und die hintere Stumpfhiilse ganz unnStig wird. Noch vollkommener wird die Stumpfdrehung ermSglicht bei einer Aus- fiihrung yon Prot'essor yon B a e y e r . z. Z. Reservelazarett Ettlingen, Fig. 28, S. 35, bei welcher die ()berarmschienen neben dem Ell- bogen je vine kldne Rolle tragen, ~,Shrend die Tragriemen >--fSrmig iiber die Rollen ~atll'ell ulld mit beiden Enden in gewissem Abstand yon einander an der Stumpfhiilse angreiI'en, so dass bei der Stumpfdrehung der eine Sehenkel sich so viel verlSngern kann, wie der andere sich verkiirzL

Eine drits Art, die Htilse drehbar Fi~ tO. gegen Her-tbgleiten zu befestigen, entsteht

dutch Anordnung eines Zapfengelenkes vor dem Stumpfende : Zur Aufhgngung dient eine Oberarmhiilse ; yon den Ellbogen- scharnieren gehen zwei Schienen aus, welche mit der Stumpfhfilse selbst nicht verbunden sin& da sie deren Drehung nicht mitmachen, und welche vor dem Stumpf ein z. B rohrfSrmiges Lager tragen; ein darin drehbarer aber nicht ]iings verschiebbarer Zapfen verbindet den Handersatz start mit der Stumpf hiilse, und diese selbst kann als kurzer, nut das Stumpfende umgebender Ring ausgebildet sein. Diese Bauart ist fiir kleine KrSfte, also fiir Schmuckhiinde wohl geeignet, f~ir grSssere Kriifte und Arbeitsarme abet wenig widerstandsfiihig: well die beiden Schienen nicht direkt am S_'tumpfende selbst gegen Querverschie- bungen gefiihrt sind, und die Geradstiit.znng daher sehr schwach ist. Eine Ausfiihrung mit beweglicher Holzhand zeigt Fig. l0 a ,a}, linke Bildseite.

Kann der Stumpf die Unterarmdrehung (Handwendung) nicht ausfiihren, so ist die Drehstiitzung der Hiilse auf (tern Stumpf zwar weniger wichtig.

~a) Frmmdli('h~t zur Verfiignng gestellt yon Herrn Professor D,'..qpi tzy, Wion.

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Die Befestiguug kiinstlicher Armo. 15

abet doch nicht ganz iiberfliissig, weil bei Ausiibung gewisser Kr/~fte mit dem Handersatz die Hiilse sich zu verdrehen sncht. Die Verhinderung dieser Drehung braucht aber in diesem Falle nicht am 8tumpfende an Elle und Speiche zu gesehehen, sondern kann aueh durch die Oberarmbefestigung er- reicht werden, am wirksamsten wohl durch die Oberarmhtilse mit Scharnier- gelenken und einer einzigen, um den Arm herumgreifenden Schiene nach Fig. _'2.

~berarmstumpf yon

In dicsem Abschnitt setzen wi,' einen Stumpf yon solcher L~inge voraus, dass er dem Kunstarm bei geeigneter Befestigung noch mit Sicherheit eiue gewiinschte Richtung zu geben vermag, so dass die nStige Befestigung an der Sehulter noch als frei bewegliche Schulterbefestigung ausgebildet werden kann, welche die Bewegliehkeit des Stumpfes mSglichst wenig behindern soil. Als ~tusserste Grenze fiir diese MSglichkeit kann etwa eine MindestlS, nge des Stumpfes yon '/a der Oberarml.ange ange- nommen werden, yon der Mitre ties natih'lichen Schultergelenks aus gemessen.

Um die versehiedenen Befesti- gungsarten richtig beurteilen zu kSnnen, 3o]1 hier zunAchst gezeigt werden, dass bei Oberarmstiimpfen ueben der Aufh~ingung auch der Gera,dstiitzung und der DrehstStzung der H~ilse eine grSssere Bedeutung zukommt als beim Vorderarmstumpf.

mindes tens ',:. ,let' ()l~erarmliinge.

F,g. 10:a.

Eine besondere (~eradstiitzuug ist bei kurzen und mittellangen Stiimpfen unentbehrlich, weil schon das blosse Seitw~rtsheben des Kunstarms in manchen FSllen sonst unmSglich ist. Beim Seitw~rtsheben sucht niimlich der obere Hiilsenrand sich yon der Schulter zu entfernen, wie Fig. I I sche- matisch d~rstellt, und dabei kSnnen kurze Stiimpfe ~us der Hiilse vollst~ndig herausgleiten, besonders wenn die Hiilse nicht bis dicht unter die Achsel reicht. Aber wenn auch bei mittellangem, z. B. 15 cm langem Stumpf, der inhere, dem Rumple zugekehrte Hiilsenrand am Stumpf schliesslich Halt finder and dieser nicht ganz herausrutscht, so ist doch erstens die grosse Schriigstellung des Stumpfes in der Hiilse. also die mangelhafte Fiihrung des Kunstarms an sich schon li~stig und das Arbehen erschwer,m,l, und

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l g c. B i e l ,

:msserdem kann eine nennenswerte Krafcwirkung mit d~-tn Arbeitsansatz naeh der Seite doch nicht ausgeiibt, in manehen Fiillen auch der Arm nieht seit, w~rts erhoben werden, weil dtts zu ,,fosse. schmerzh:ffte Pre.~snngen am Stnmpf voraussetzen wiirde.

Diese grossen Pressungen sind eine notwendige Folge davon, dass tier unter der Aehsel liegende Hiilsenrand bei kuvze,u Stumpt' ran" wenig oberhalb ties Stumpfendes liegt, selbst wenn er bis dieht unter die Aehsel reieht. Denn dadurch haben die beiden Krgfte B uud C. Fig. 11, die allein das Aufrichten des Kunstarms bewirken, eit~en unvorteilhaft kleinen tlebelarm oder Abstand, z. B. bei einem 15 cm langen Stumpf m,r et.wa 5 em. so dass die

l(r~Kte selbst sehr gross sein miissen. l)azu kommt, dass dutch die ein- getret,:ne Sehriigste]hmg die Hiilse gerade ,re,~en das '~i.usserste. n,'itunter emptindliche Stumpfende driiekt, und ibm in diesev Stelhmg nieht mehr gcmau angepasst ist. l~ureh die un- vermeidlich niedrige Lage des unter der Achsel liegenden Hiilsenrandes sind also die Verhttltnisse hier viel ungiinstiger als beim Unterarmstumpf, wo die entspreehende, beim Beugen m~ei~ unten gekmgende Httlsenseite n~ch unter dem Ellbogen sell)st Halt finden kann.

lnfolge dieser Verhii, ltnisse konnte z. B. ein \ 'erletzter mit. 15 cm langem, atlerdings am Ende e,npfindliehen 8tumpf seinen Kunst:trm. der nut

S = Kugehni t te des Schul te rae lenks , mittels eines P :t u w e I schen Schulter- A = RiehtuDg des Aufh/i.ngegurts.

I; ,. C -~- Druekkriifte zwischen 8tumpf u. FItilse. guvts befestigt war, kamn um 30 o vorn llumpf seitwiirts abheben. Als

ich bei einem zweiten \ersuch den oberen Hiilsem'and eint'ach mit der Hand gegen die ,'5_'ehulter driiekte, gelang die Ar,nhebung ohne weiteres bis etwa 120 ~, also noeh iiber die Wagereehte hinaus. Die l;eradsttitzung der Hiilse ist daher ridden der Aufhiingung ties Armes eine wichtige Aufgabe der Sehulterbefestignng bei knrzem nnd mittellangem Stumpf.

Auch beim Vorwgrtsheben des Stumpfes tr i t t leicht eine $chriigstellung der ttiilse ein, wobei tier obere Hiilsenrand sieh yon hinten gegen den Ober- arm legt. Ebenso legt er sieh voru an. wenn mit dent krbeitsansatz ein l)ruek naeh unten oder hinten reehtwinldig zum Arm ausgetibt wird. 1)a nun die Schulter bier nicht im Wege ist. kann man diese Schr:~i, gstellung der Hiilse und die entstehenden Pressnngen leieht vermindern, imlem man die Htilse wie beim Unterarmstumpf vorn nnd hinten bis neben das Sehultergelenk hinauf- fiihrt nnd an dem Oberarm ,gut anliegen liis.~t. Bei den Befestigungsarten

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Die Befestigung k~instlicher Arme. ]7

mit starrem Schultergetenk wird auch die GeradstStzung in dieser Richtung yon der Schulterbefestigung mit iibernommen.

Bei sehr langen Stiimpfen kann yon besonderen Massnahmen zur Gerad- sttitz~mg woh] ohne Nachteil abgesehen werden; auch kommt dann wieder wie beim Vorderarmstumpf die AuflSsung der Htilse in zwei schnallbare Riemen in Frage.

Die Drehstiitzung, die beim Oberarmstumpf noch wichtiger ist als beim Unterarm, macht hier viel ~5ssere Schwierigkeiten, well der runde Oberarm- knochen gegen Verdrehungen keinertei Halt bietet, und daher die HLilse mit den Weichteilen des Stumpfes zusammen um den Knochen drehbar ist. ~'ur bei hbsetzung im Ellbogen kann man die Htilse an dem breiten Ellbogen- kopf des Oberarmknochens gegen Drehung lest verankern; ohne die Ober- armknorren gelingt es nicht. Dadurch entstehen nun zwei unerwiinschte Folgen:

Erstens i s tes unmSglich: den Arbeitsansatz oder den kiinstlichen Unter- arm in eine gewiinschte, beliebige Richtung zu drehen. Der Verletzte vermag zwar wie jeder Gesunde seinen Oberarmknochen um dessen L/Lngsachse zu drehen, da diese Drehbarkeit sowohl wie die betreffenden Antriebsmuskeln in der Schulter liegen und Ms unversehrt vorausgesetzt werden kSnnen, aber der Kunstarm dreht sich nicht mit. Um nun dem Arbeitsansatz wenigstens ein- stellbar (passiv) eine gewUnschte Richtung geben zu kSnnen, hat man vielfach ~.m Ellbogen ein besonderes feststellbares Gelenk ftir die Drehung um die ~)berarmachse angeordnet oder Armbeugung und -drehung in einem Kuget- gelenk vereiaigt, obgleich der nattirliche Ellbogen nur als einfaches Scharnier- gelenk wirkt.

Dadt~rch ist aber die Drehstfitzung nicht tiberfltissig geworden, denn bei Austibung gewisser Kr~ifte gibt die Hiilse durch Drehung um den Oberarm nach, und dies ist tin zweiter Nachteil der fehlenden Drehstiitzung. Dadurch hat der Verletzte den Kunstarm nicht ganz in der Gewalt; ausserdem kann bei st:~rkerer Verdrehung ein schmerzhaftes Zerren yon mit dem Knochen ver- wachsener Haul eintreten. Nur in F/illen, wo die Hiilse bei der Verdrehung gegen ein Schulterkumt Isiehe unten) oder andere Befestigungsteile stSsst, fallen diese Nachteile fort. - - Diese Nachgiebigkeit der Hiil.~e kann nun da- durch vermieden werden, dass die [tiilse m i t d e r Schultcr dutch Gurte oder durch starre Gelenke verbunden wird, welche die Schwenkung d~s Arms nach vorn und seitw~irts nicht behindern, jede Drehung um die Oberarm-L~ings- ~Lchse aber unm6glich ma~.hen und dadurch die auf den Kunstarm wirkenden Drehmomente (-----Drehkr~ifte) nach der Schuher tibertragen. WS~hrend das nattirliche Schultergelenk als Kugelgelenk Drehungen um drei aufeinander senkrechte Achsen gestattet (seitw~irt~heben, vorw~.rtsheben und Oberarm drehen), schaltet man also diejenige Drehbarkeit, welche man am EIlbogen vielfach hinzufiigt, an der Schulterbefestigung aus, so class dort nur eine Be- weglichkeit um zwei Achsen iibrig bleibt. In dieser Weise sind verschiedene Schulterbefestigungen ausgefiihrt worden, auf die unten noch n~her eingegangen wird; merkwiirdiger~eise ist die dadurch erreichte Wirkung abet noch hie zur Begriindung eines derartigen Schultergelenks angefiihrt wordon.

Aroh. f. Orthop,, Mechanoth. u. Uaf.-Chir, XV. 1. '2

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U4 lJ. Bi~;I.

I) ese Art der Drehstiitzung kann abet eigentlich nicht als befriedigend bezeiehnet werden. Denn erstens 15sst sic die willkiirlMle Drehbarkeit des Stumpfes um ca. 1500 t!) dem l,hmstarm nicht zugute kammen, sondern be- seitigt sogar den letzten Resf~ davon, den die Htilse sonst vielleicht noeh gchabt, h~tte. Zweitens sind die starren Schultergelenke unbequem und in der Herstellung umstiindlieh, und drittens haben die I)rehstiitzungen an der Schulter den Naehteil, dass der nacb bestimmter Pdchtung wagerecht erhobene Stumpf nicht mehr ohne weit, eres zu der Schwenkbewegung in wagereehter l';bene, wie beim Baumumfassen. imstande ist, also in seiner allseitigen Be- weglichkeit etwas behindert wird, wiihrend zugleieh die Drehstiitzung ftir diese Imsondere Stumpfstellung hinf~illig wird. Es gilt dies yon jener Stellung des ~tumpfes, bei we[chef er durch alas Hochschwenken gerade in die Ricl~tun.': der unbeweglichen Drehaehse des Idinstlichen Sehultergelenks gelangt, das ist helm S i e m e n s - S e h u c k e r t-Arm, Fig. 18, die seitw-trts erhobene Stellung, beim Arm des M a r i n e l a z a r e t t s V e d d e l (Hamburg). vgl. unten S. 25, di~, n;xch vorn zeigcnde Ilichtung. Diese Behindermlg allein hat allerdings prak- tiseh keine grosse Bedeutm~g, well man den Stumpf auf einem kleinen Umweg �9 inch yon dieser Sonderstellung in jede a.ndere Iliehtung zu bringen vermag. Die genannten drei Naehf~eile zusammen kommen aber doeh in Betraeht und sind viellelcht des C;rund. warum bisher vielfach yon einer Drehstiitzun.,_, ganz '.d)gesehen wird.

Eine einwandfreie, allen Anspriichen geniigende l)rehsttitzung, bei der :ulch die w i l l k i i r l i c h e S t u m p f d r e h u n g dem hiunstarm zugute kommt. kann also nut dutch drehungssichere Befestignng der tttilse tun Stumpf selbst g,,sueht werden trod macht eine chirurgische Vorbereitung des Stumpfes nStig. dutch welch,: die kreisrunde Form des l(nochens in eine bl'eite und flaehe Form iibergefiihrt wird. so dass er bei jeder l)rehung die tIiilse mitnimmt. Vorschlitge dieser Art sind nieht hen. .Man kann z. B. ein l'5,ngliehes Knochen- stiiek dureh eine Querbohrung des 5rumples stecken~4), so dass es mit den beiden Enden nach vorn und hinten oder seitlich um je 2--3 cm vorsteht und nach der Anheilung einen starren Bestandteil des 5tumpfknochens bildet. Oder man lagert dem l,:noehenende ein Quersttiek Yor. das mit ibm ver- waehsen soll, wie Fizz. 12 an einem Priiparate zeigt, welches tterr Geheimrat E n d e r l e n , Wiirzburg. auf meine Anregung freundlichst anfertigte. Diese beiden Yerfahren setzen allerdings zur Gewinnung des Querstiicks verfiigbares Material oder eine freie (iberpflanzung voraus. Ohne beides kommt man znm Ziel dutch Spaltung des Knochens ,oder dureh seitliche Abspaltung einer Knoehenspange; so wurde yon E l g a r t , Brtinn, folgender Vcrschlag gemacht und au~gefiihrt ~5): ,Man amputiert zuerst mittets Zirkularsehnittes und naeh- dem nieht nur die Hautmansehette, sondern aueh die 5[uskulatur etwa 2 em

*~) Vorgeschlagen yon W i l m s , Deutsche mediziai,~che Wochenschrift 1915, 2. S. 1270;71; dort auch Vorschl/ige der Spaltung und Abspalt, ung.

'~) E l g a r t . Amputatio hmaeri osteoplastica . . . . Archly ftir kliaische Chirurgi~ |:M. ~8. 1908, S. 249. Dort auch die ]~Sntgen~nfnahme einer au~gefiihrt.en symme~rischen Knochen,apaltung.

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Oie Befestigung ktinstlicher Arme. 19

hoch hinaufgeschoben, was jedoch ohne Peri,,stablSsung zu geschehen hat. wird auf die Ampntationstti~che des Knochens die SSge aer~krecht gestellt und daselbst zwei 2--3 cm ti,fe, parallele Einschnilte ausgefiihrt. Die beiden schmalen zwischen den Einsclmitten gelegenen Knochenteile werden nun mit der Z~mge ge1"asst nnd diver;ierend hel"ausgebrochvn, unter wn'siehtiger Er- haltung ihres periostalen (ev. muskuhq)eriostalen) Zusammenhanges; diese Knochenstiicke werden qner (wie zwei Pseudokondylen) durch i::bernShen der Muskulatur fixiert und sollea in dieaer ,lueren Stellung an den ttumerussch:fft anlmilen. Miin kSnntf, schliesslich dieses Vorgehen auch dm'ch Trans- plantation eines l(nochenstiickes mLterstiitzen, das man in di~. nach dora Knochenlappen resuhierendc Knochenrinne legen kSnnte.:" EI- g a r t ~ill allerdings die Stumpf- drehung zum Schliessen und (iffnen einer Kunsthand verwenden und zu dem Zweck einen Kunstarm benutzen, der die St~umpfdrehung als solche nicht mitmachen kann. Da man aher das Schliessen der hiunsthand uutl so~ar noch zwei weitere Antriebe znm Beweg~,n der- selben ebenso gut veto tleben und Vorbewegen dec beiden Schultern hernehmen kann, scheint es zweck- mas,iger, die St.umpf, lrehung fiir ihre natih'liche Aufgabe: Drehung des Oberarms zu v e r w e n d e n . - Wenn der Kunstarm dutch eines dieser Opera.tionsverfahren dreh- ungssicher am Stumpf befestigt wird, ist nattirlich eine weitere Drehstiitzung an der Schulter fort- [qg. 12. zulas~en und eia etwaiges Ft~bogen- getenk als einfaches Scharnierg..lenk auszubilden, kusserdem kSnnen die so gebildeten Vorspriing,~ d~a St, umpfknochens zur LSngsst.iitznng der ltiilse gegen das AbwSstsgleiten benutzt werden, so dass eine Schulterbefestigung iiberhaupt, ganz iiberfliissig wird, und das ist ein weiterer Vorteil des Verfahrens, tier es vielleieht allein schon rechtfertigen wiirde~6). Diese Ausfiihrungen sollen dazn anregen, dass alas Verfahren pn~ktisch erprobt wird. und wenn es sich bew~ihrt, sehon bei der Amputatim~ zur allgemeinen Anwendung kommt, also nicht mehr dem Entschluss zu einer Nachoperation iiberlassen bleibt.

"~) Nur rnit die~em Zweek begramlet z. B. Wilms seine in Fussnote 14 erw~hnteu gorschl-~ge.

2*

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"_'f) C. B i e l ,

Nach diesf:n allgemeinen Betrachlm~gen wollen wit nun sehen, wit weit die verschiedenen zurzeit bekannten Befestigungsarten den aufgestellten An- t'orderungen entsprechen oder sich ihnen anpassen lassen. Dabei kSnnen wit die vieten vorhandenen Befestigungsarten in vier Hauptgruppen zusammen- t'assen, die sich (entsprechend wie beim Vorderarmstumpf.! dadureh unt.er- scheiden, ob und in welcher Weise die Schulter zur Befestigung herangezogen ist. und die wir bezeichnen wollen als Befestigung mittels Schuherkappe, S,'hnlterkumt, ,<'ehultergnrt and Aufh!ingung am St.umpf selbst.

1. Sv |ml t e rkap l , e. Die Befestigung mit Schulterkappe ist die gltest, Befestigm~gsart und zugleich die primitivste, insofern sie am wenigsten diu I leriicksiehtignng einzelner l(rit|'te und Bewegungen erkennen 15sst, sondern eine Form hat. wie man sie ohne alle Erfahrungen und eingehende ["ber-

Fig. 13.

]egtmgen ui~hlen wiirde. Ihr eigentiimlicher Bestandteil ist eine wohl stets aus Leder hergestetlte Kappe, writhe die Schulter umfasst und durch einen nnter dem gesunden Arm hindurchgefiihrten Brustgurt ill ihrer Lage fest- gehalten wird. Bei g~,niigender (?,rSsse und unmittelbarer Verbindung der l,:appe mit der Stumpfhiilse 15sst sieh diese Befestigung leieht so ausfiihren. dass sie ausser der Anfh:,ingung auch die Geradstiitzung nnd Drehstiitzung in gewissem Grade tibernimmt. Dann wird abet die Verbindung so steif, dass sie aucb die nSgigen Schwenkbewegungen des Stumpfes naeh jeder Ilichtung ,a'anz unzuliissig behindert. Um die Beweglichkeit des Stumpfes zu verbessern, ist bei manchen Ba~mrten die l(appe aus einem besonderen Stiick hergestellt und mit der Hiilse dutch Schniirung verbunden. Hierher gehSrt z. B. die fl'iihere Befestigung des J a g e n b e r g a r m e s , Fig. 13, die aueh fiir Arbeitsarme grOssere Anwendung geflmden hat. Aueh bei dutch Schniirun,_, beweglieh an- gesetzter Hiilse ersch~,int aber die Befesti~ung mit Schnlterkappe ;m Vergleich

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Di., Befest.igung kml~tlicher Arme. :21

7.ll dell lllltflll };,ebprocllenel] anderen B~,t'e.~tigungsarten als dirjcnig~,, w~lch~'

die Beweglichkeit des Stumpfes am meisteu behindert, und ist daher, wemgstens fiir Arbeitsarme, jetzt wohl allgemeiu ~erlassen worden, i m die 5teifheit der Echulterkappe zu vermeiden und doch dem l(un~t~mH den gew(mschten Halt zu geben, muss man die Hfil~e mit Rticksicht auf die gewilnschten Bewegungen nnd Stiitzungen in einzelnen, zielbe~usst ausgewiihlten Punkten ~erankern. wie bei den [olgenden Befestigungsarten besehriebeu, also auf die I.rsprihJg- lichkeit mid geringe l;liederung der Schulterkappe verzicht~xn. Die friiher grosse Verbreitung der Schulterkappe erklhrt sich dadureh, dass die :mderen Befestigungen erst in neuerer Zeit get'unden wurden, und dass auch das Bedilrfnis dazu erst mit der Entwieklung der Arbeitsa.rm~: :tSrker hervom'at.

~ hnliehe Nachteile hat die Anwendung einer ganzen ,l~tcke, an weleher die Ober- armhiilse angenii, ht ist. wodureh ausserdem der ganze OberkSrper eingeengt und he- lgist.igt wird. Diese Befestigungsart ist daher tilt' gewShnliche F:,tlle nur vereinzelt beniitzt worden, hie hat aber den far beidseitig Armamputierte sehr wichtige~ Vorteil, sich leicht :mziehen und zuschntiren zu lassen und kommt fiir diese daher aueh bei Unter- �9 trmstiimpfen zur Anwendung. [)as :~nziehen geschieht nach Aufhi~ngung tier ,Iacke an zwei passend in eine Wand gesehlagenel~ Haken und kann sogar yon eiaseitig Exartikulierten und andererbeits Vorder- armamputierten noch selbstiindig besor~t werden t~).

') Schllllel 'klilll | . Eine sehr sichere Befestigung des Kunstarms wird erm6glicht. Pig. 14.

wenn man naeh Professor l)r. J. 11 i e d i n g e r, Wiirzburg, zu seiner Verankerung ein lederltes 5chuiterkumt anordnet, welches, durch Stahlschienen versteit't, alas ganze Schult, ergetenk umgibt und din'oh einen unter dem gesunden Arm hindurchgefiilarten Brustgurt in seiner Ixtge gehalten wird, l:ig. 14 und 15. Ein soleho, s in sich starres und der Sehulter ,gut angepasste.-. Kumt findet dureh seine grosse Ausdehnung einen sehr sieheren Halt an Schulter und Brustkorb and bietet filr die Verbindmlg der Stumpfhtilse mit dem Kumt versehiedene MSglichkeiten. s,w ,h mittels Leder- riemen wie mittels starrer Gelenke.

Am einfaehsten ist die Verbindung mit einem kurzen AufhS~nge- r i e m e n , weleher an (let' ~usseren ()berarn schiene drehbar angreift und am

: ) Nach 8 p i t z y uml F e l d s c h a r e k . ,Die Versorgnng beillseitig .~,rmamtmtierted:. Mtinchener mediainische Wochenschrit't 1916. Nr. 33. 8. 1181 ft.

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:22 C. Biel ,

Kumt entweder fest angenietct ist, Fig. 14~'~), oder dort ebenfalls drehbal' angreif t mit l~iicksicht auf die beim VorwSrtsheben des Armes eintretende Rfickw~trtsbewegung des oberen Hiilsenr:,n~tesrJ). Iiieser Aufhiingeriemen ist j~doch bei manchen Ausfiihrungen durt.h den Druck aut' die Sch~llter lastig. auch neigt er inf, lge der s tarken Qu,r bci den Stumpi%ewegungcn zu baldiger ZerstSrung.

Diese Nachteile vermeidet das ( ) s e n g e l e n l r yon R i e d i n g e r nach Fig. 152o/. Das Gelenk besteht ~tus zwei ineinandergreifenden $tahli;sen:

Fig. 15. Arbeitsarm fiir k u rze Obera~'mstiimpfe.

~a) Au~ N a t z l e r : ,Ktinstliche Arbeits- odor Luxu~r Archly tiir Orthopiidie. Mechanoth.rapie uud Unfallchirurgie, 14. Bd., 2. Heft, 1915, T,,fet 8, Fig. 4. Weitere Ab- bi~dungen bci J. R i e d i n g e r , de,'selbe Bd., S. 155--160 tvgl. Fu.~snote 5); die doJtigen Abbildungen S. 1',6 umt 157, bei deuen die Verbindung zwischen Kumt and Hiilse aus drei Riemen bcsteht, betreffen einen so km zen Stumpf, dass auf seitli~hes Heben vezzichtet wird, l~nd geh(ben daher nicht in den gegenw~trtigen Abschnitt dieser Arbeit.

,,o1 ~o di~. Ahbii,lung bei F lem m in g, a. a. O. (Fussuote 6), 2. Aufl., S. 87, rechts ulitem '-'o) Aus J. R i e d i n g e r: ,Weiteres fiber Arbeitsarme', Archly fi.ir Orthopadie, Methane

therat)ie und Unfallehirurgie 1916, S. 295, Fig. S.

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Die Bef~stigtmg kiinsllicher .\rmc. _'~1

'sclche ohm' x~dteres das ~eitw:,h'tsheben nnd die Drehtmg um die scnkr~:chtc Achse gestatten, also bei erhobenem Arm das wagerechte b;chwenken, bei gesenktem Arm die Ober:a'mdrehung. Fiir das Vorw:Srtsheben des Armus i~t die obere Ose am Kumt nicht lest, sondern drehbar gelagert. Dadurch .~ind demnach Drehungen um drei aufeinander senkrechte Achsen, also durch gleich- zeitige Wirkung iiberhaupt I}rehungen um jede beliebige Achse mSglich, -- Beim Seitwi;.rtsheben wiirde nun aber der Stumlff au~ der I[iilse etwas hera.u:- gleiten, weil deren Drehgelenk um mehrere Zentimeter tiber dem nat~ir- lichen Schuhergelenk liegt. Um das zu verhindern, wird. die Htilse durch einen besonderen, unter dem Hiilsen- emle tiber einc l-tolle geffthrten Rie- men beim SeitwSrtsheben gegen die Sehulter gezogen, wobei die ober~ 5tahlSse in ihr am Kumt sitzende, l,ager hineingleitet. [~iese Hilfs- einrichtung ist also dutch die exzen- trische Lage des kiinstliehen Schulter- gelenks gegenfiber dem nat[irliche~ Fig. 16. begriindet. - - Dutch die starre Ge- Vorderansicht des Statzmieder.~. tenkvcrbindung zwiscl~en Halse und Kumt wird dercn oberes Ende zu- gleich an Verschiebungen nach jeder [{ichtung verhindert, also ausser der Aufh-ingung zugleich eine L~ings- stiitzung gegen aufwi~rts gerichtete 1)ruckkrSfte sowie eine wirksam,~ tieradstiitzung tier Itialse erreicht, die nut wegen der mSglichen Ver- drehungen tier Hiflse noch nicht g:mz zur Geltung kommt,

Ein noch festerer 5itz dev Schulterbef,estigung wird erreicht. Fig. 17. wenn nicht imr die Schutter, Sollderll R~.ickenansicht des ~ttitzmieders. der ganze Sacken yon starren 'reilen umfasst wird. wie bei dem Stiitzmieder yon B(.la D o l l i n g e r , Budapt.st. Fig. 16 und 17"~1. I_)iese Befestigungsarg wurdc vonihrem Sch6pfer entwickelt. weil ,,selbst die findigst erdachten': Schulterbefestiguugen mit Riemen oder ()urten .bei jeder Bewegung des Oberarmstmnpfes den Brustkorb reiben, was Schmerzen und Abschiirfungen verursacht ::. Nach der angeftihrten Quelle bildet das 3lieder kein Hindernis ftir die Atembewegung, muss abet unbedingt nach einem genauen Gipsmodell des Brustkorbs hergestellt werden. Es hat

~') Aus B61a DoIlinger (Budapest}: ,Ein neues Suspensionsteil fi~tr Oborarmpro- thesen', Deutsche medizinische Wochensch,'ift 1916. S. 321, Fig. 1 und 2.

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~1 C. Ui~l,

zwar fiir lange Oberarmstfimpfe meines Wisse~,s bishet' keine Nachahmung gefunden, kommt abet fiir Exartikulierte und kurze Stiimpfe mehr in Betracht. Fiir die Verbindung der Stumpfhiilse bietet das Mieder dieselben MSglieh- keiten wie das Schuherkumt.

Z w e i a c h s i g e S c h u l t e r g e l e n k e . Die folgenden bchulterbefestigungen haben starre Sehultergelenke mit nur zwei Drehachsen. n~tmlieh fiir das Vor- wi~rtsheben und das $eit~viirtsheben des Stumpfes. Diese Befestigungen gehSren zur Gruppe mit Sehulterkumt. well aueh bet ihnen ein die Schulter umgebender starter Teil (Kumt) vorhanden ist. der die Bewegungen des Stumpfes nicht mitmacht und an Schutter und Brustkorb die erwiihnte siehere Anlage finder.

Auf die Schultergeleuke selbst muss bier eingegangen werden, well sie zur Bet'estigt,ng tier Stu,,pfhtilse ge- hOren und auch fSr die Beweglich- keit des mit dem Kunstarm ver- .-:ehenen Stumpfes yon Einlluss sin&

Die zweiaehsigen Sehultergelenke haben den Vorteil, dem herabhSngen- den Arm eine guts Drehstiitzung zn geben, und damit den letzten Rest unerwtinsehter Beweglichkeit, d. h. Wackeln des Kunstarms, zu besei- tigen, so dass nun aueh dis sehon beim 0senge, lenk vorbandene Gerad- stiitzung erst roll zur Gelt ung kommt. Zur vollstiJ.ndigen Beherrschung des Kunstarms geniigt es hier daher, ihnt nut am Stumpfende eine q)uerstiitzung zur Fiihrung zu geben, so dass der Stumpf selbst hier nur noch die

Fig. 18. Aufgabe des P, ichtunggebens hat (Sic me n s - S e h u cke r t-Arm). Der

geringe Nachtei]. fiir einc gewisse wagerechte Stuml)fstellung die wagerechte Schwenkbewegung zu verhindern, wurde bereits oben bei l~etrachtung der Drehstiitzung erwiihnt. Bei den bekannten kusfiihrungen mit zweiachsigen, Schu]tergelenk ist wohl stets darauf Bedacht geuommen, dass die Drehachsen tier beiden Gelenke fiir das Vorwgrtsheben und das Seitwiirtsheben des Armes ungef~thr durch die Mitre des natiirlichen 8chultergelenks gehen. Das hat den Vorteil. dass beim Armheben die Hiilse weder sich auf dem Stumpfe abwiirts schiebt, noch ihm gegeniiber eine Schr~igstellung annimmt, verlangt aber eine etwas umst:~indlichere Bauart und gelingt doch nicht ganz vollkommen. Das Seitwiirtsheben des Armes verlangt dann stets zwei getrennte, vor und hinter der Sehulter liegende 8charniergelenke mit gemeinsamer Achsenri(-htung.

Das Vorwgrtsheben des Armes wird wohl am besten dutch ein die ganze 5chulter umgebendes Ringgelenk ermSglicht, dessen innerer Ring unmittelbar

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Die Befestigung kmlstlictier Arm,'. ;'5

am Kumt befestigt ist. wShrend der imssere die beiden ~charniere fin' das Seitw~irtsheben trSgt. Eine technisch vorziiglich~ Ausfahrung diesel" Bau~rt isg der Arbeitsarm der S i e m e n s - S c h u c k e r t w e r k e , Fig. 18"~), bei dem das Ringgelenk zur Erzi,-hmg miiglichst leichten ~;anges als Kugellager aus- gebihtet ist. Dieser Arm zeiehnet sich ausserdem dutch die iiberaus freie Lage yon Schulter und Stnmpf vorteilhaft aus. sowie dadureh, dass die kurze, nut das Ende des Stumpt'es umgebende HSlse (A~mstulpe 20) auf den beiden Armschienen 1:2, 1S auf- und abgleiten kann. Dies ist nStig, ~eil tin genaue.-. Zusammenfallen der Oelenkachsen mit dem natiirliehen Schultergelenk aueh bei dieser Bauart nicht ganz erreichbar ist. und daher beim Bewegen des Stumpfes I, Sngsversehiebungen desselben gegeniiber den Armsehienen einh'eten. Ein Abrutschen der nut lost angesehnallten Armstulpe wird dutch die kleim, Spiralfeder 21 verhindert. Mit [lticksicht auf weitgehende Bewegliehkeit des Stumpfes 15sst sich das Ringlager nieht so klein ausbilden, dass es unter dem P~ock.:trmel verborgen werden kann; der hrbeitsarm ist daher nut flit di~. Werkstatt zmn Tragen iiber der Arbeitskleidung bestimmt.

Ein kinematisch .:ihnliches Schultergelenk, das wegen bedeutend kleinere~, Ringlagers auch unter der l,:leidung sich verbergen liisst, ist das unten S. :~5 abgebildete Sehultergelenk yon B i e s a l s k i (Fig. 27); dieses ist abet fiir Ex- artikulation im Sehultergelenk bestimmt und wegen der geringeren Beweglieh- keit ffir \:erletzte mit Stumpf weniger geeignet.

Eine andere MSglichkeit ftir das Sehultergelenk besteht darin, dass die 5charniere fiir das Seitw:~irtsheben unmittelbar am Stumpf selbst sitzen, und einen Biigel tragen, der aussen neben dem Schuhergelenk alas Gelenk far das Vorwgrtsheben enthSlt. So ist z. B. vom 5 [ a r i n e l a z a r e t t Vedde l ilium- burg) ein Arm ausgebildet, wobei der Biigei um den Stumpf herumgreifend die drei Gelenke miteinander verbindet. Aueh hierbei lassen sich beide ~;elenkachsen nahezu durch das natii~liche Schultergelenk legen, jedoch ist der Bagel einem weitgehenden Vorw~irtsheben des Stumpfes hinderlich. Ein hSheres Vorw~irtsheben wird erreichbar sein, wenn der Biigel zur Verbindung zwischen dem vorderen und dem seitlichen Gelenk nicht aussen und vorn um den Stumpf herum, sondern unter die Achsei dutch und hinter dem Stmnpt' herum zum seitlichen (und zum hinteren) Gelenk gefiihrt ist.

3. S e h u l t e r g u r t . Als Beiestigung mit 8chultergt~rt seien diejenigen Schulterbefestigungen bezeichnet, bei denen im Gegensatz zu den bisher be- spra:henen die Aufhiimgung des h:unstarmes nur dnrch einen oder mehrere 13urte geschieht. Die im folgenden besehriebenen Anordnungen dieser Art seien naeh ihrer Bauart als ::Kreuzgurw, :,Nackengurt" und ..Ilollgurt ~: unter- schieden. Sie zeichnen sich aus durch Einfachheit: bequemen ~itz. gute Ltif- tung der Schulter und unbeschrSnkte Bewegtiehkeit des Stumpfes.

Sehon die erste knordnung dieser Art hat daher bald grSssere Verbreitung gefunden. Es ist der Kreuzgurt. der im vorigen Jahre yon Dr. P a u w e l s ,

~-') Aus der Schrift der l~terstellerin : ,Miueilungen tiber den arbeitsarm der S ie m e n s- 8 c h u ck o rtw er k e, Niirnberger Werk, ft~r kriegsbeschgdigte Handwerker umt Arbeiter', (1916), S. I, 8, Fig. I.

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Aachen, fiir den l(ota-Arm angegeben wurde und aus Fig. 19 und 21) "~) ersicht- lich ist. Der Traggurt ~eift an der Vorderseite der Stumpfhiitse drehbar an, geht tiber die Schulter naeh hinten, tiber den Yaeken und unter dem gesunden Arm hindurch zu einer am anderen Gurtteil befestizten Schnalle. Dies 'mdere Gurtstiick greift ebenso an der Hinterseite der Hiilse drehbar an, geht auf der Schnlter tiber den erst erwithnten Gurt hinweg nach vorn fiber die Brust and tr'Zigt dort die erwithnte Schnalle. Ein kleiner Hilfsgurt oder Riemen verbindet hinter der Schulter die beiden sich kreuzenden StrZ, inge und ver- hindert ein Abrutschen des hinten beginnenden Teils. Beim Seitw:~h'tsheben des Armes drear sich die Htilse um die beiden Angriffspunkte des Gurtes, deren ','erbindungslinie genan din'oh da.~ natiMiehe Schultergeienk ~elegt

Fiz. 19. b'ig. 20.

werden kann. Beim Vorwi~rtsheben schwenkt die Stuml)fhtilse um den hmteren Aufhiingepunkt, wobei der vorn ent~pringende Gurtanfang lose wird, aber iiber der Schulter dutch den fest aufliegenden anderen Gurtteil gegen Verschiebungen festgehalten wird.

J, hnlich in der Wirkung ist die ~Nackevgurt-Aufhiingung nach Fig. 20a"~), die den Vorteil hat, die Brust ganz frei zu lassen; der Gurt ist nur tiber den Xacken geftihrt, greift mit einer Schlinge um die gesunde Schulter und gabelt sich bei der abgebildeten Ausffihrung nach der Stumpf~chulter zu in zwei ~(ste, die an der Hiilse festgeschnalit sind.

'-'~) F reund l ichs t zur VerfLigung ges te l l t yon Herrn F e t i x M e y e r , l) e u t s c h e 14 o t a- w e r k e ) , Aachen.

:~) Freundl ichs t zur V e r f a g u n g ges te l l t yon Hev,'n Professor Dr. H a i l s S p i t z y . \Vien. wei tere Abbildungen mit dieser Aufh i tn~ung in dessert erw/~hntem Buch tFussno te 1~.

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Die Befestigung kiiustlicher Arme. ~7

Beide Anordnul~gen lassen nach ihrem ganzen Aul'bau deutiich eL'k~nnen. ,lass sie nut das Abwiirtsglr d(q' Hiilse yore Stumpf veri~indern, ihr aber im iibrigen volle Bcweglichkeit lassen sollen. Eine Geradsttitzung in der Rich- tung nach vorn und i~iuten kann zwar yon der I[tilse sell, st erreicht werden. wenn nach Fig. 19 und 20 die an der Aussenseite des Stumpfes ~'erlaufende Schiene oben sich gabelt und neben dem Schultergelenk nach vorn und hinten um den St umpf herum~reift, wobei die beiden Enden zugleich zur Befestigung des Traggurts dienen kiinnen. Eine Geradsttitznng i~1 seitlicher Richtung wird ~ber durch di~e Befestigung ni~'ht bewirkt, ebensowenig eine Drehstiitzung. Die Anordnung ist daher in dieser Form nur ['(it" l:Jnge Stl'(impfe geeignet.

Es ]ieg~ nahe, die seitliche Geradsffitzung dnrch einen zweiten (;urt zu errei~'hen, welcher an dvr Vordel'- und Hinterseite der Oberarmhiil~e in de~" Hiihe des natiirlichen Schultet'gelenks dretJbar angreift und auf Brust und Rtit.ken sich mit dem "Pauwels, :hen Trag- gurt vereinigt, so da~s S~hnalle und AchselsLiick dieses Gurtes beiden Zwecken gemeinsam dient; dadurch wiirde zugleich auch die Drehstiitzung gegen Yerdrehungen der Hiilse auf dem Stumpf erreicht. Die oben S. 1S, erwiihnte Behinderung jeder Drehstiitzung an der Schultcr '~ussert sich dann abet" darin, dass das wa~erechte Vorschwenken des seitwi~rts erhobenen Armes (wie beim i~:~um- Umfassen) durch den hinten hinzugefii~ten Gurt hehindert wird.

Diesen ~Nachteil vermeidet (lie yore F l o r a - L a z a r e t t in Diisseldorf angewendete Rollgurt- Anordnung m~ch Fig. 21 und 22 ~:'), indem sie zuln P a u w e I schen Kreuzgurt nut (tie seitliche Gerad- Fig. 20 a.

sttitzung, nicht aber die Drehst~itzung hinzuftigt. ,Wienerarm'al~'l'i~chlerat'm. Beim Vorw~rtsheben ist die Wirkung "~hnlich wic beim Kreuzgurt: beim Seitw~irtshebeu kann .iedo('h auch bci nut mittellange~ Stumpf ein Abheben des oberen Iliilsenrande.~ nich~ eint~'eten, und beim Vof schwenken des seitw~irts erhobenen Armes, sowie bcim \'orbewegen der Stump[- schulter kann sich der hintere Angriffspunkt der H~ilse w)m Yerzweigungs- punkt des Gurtes ent~'ernen, indem der schmale Gurt dutch die W:~lze l-~iuft. wiihrend vorne auf der Brust gleichzeitig eine entsl?rechende Verktirzung des un~eren Gu~'tteiles eintritt. Da der Gurtrand beim Lauf (iber die Walze se.idich anl~iui't und reibt, ist die Anwendung einer flachen Roll~ vorzuziehen. deren Achse auf den beiden Gurtrichtungen senkrecht steht., wobei d~r C, urt durch einen runden Riemen ersetzt wir(l'-'% Betreffend die (.;eradst~iitzung fi'u' das Vorw~irt'sheben kann auch bier wie auf Fig. 19 u~d 20 die ~iussere

'-':') Freund|ichst zut Verffiffung gestellt yon Herr~ Ferd. Emil 3agenberg. Diisseldo~t'.

% So bei R, adike, a. a. O. (Fussnot.e 8). Abb. 1 ~md 2.

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2.S C. Biel,

Hfilsenschient. gegabelt und nach vorn und hintel~ u,n den Stumpf herum- gefiihrt sein.

[:m das l-Ierausgleiten des Stumpfes aus der Hiilse beim Armheben zu verhindern, kann ein gentigend langer Stumpf auch mit einer weichen 8tumpf- manschette versehen werden, wie bei der im folgenden beschriebenen kuf- h~ingung am Stumpf selbst mittels Sehntirfurche'-").

4. Aufhiingullg' aln Stulupf selbst . In einigen t:iillen ist die Aut'- hS.ngung der Hiilse am Oberarmstumpf selbst mSglich, und zwar kommen dafiil entsprechend wie beim Vorderarmstumpf zwei VertM~ren in Betracht:

Bei Absetzung des Vorderarmes im Ellbogengelenk kSnnen die 0berarm- knorreu zur Stiitzung der Hiilse gegen das Herabgleiten henutzt werden und

Fig. 21. Fig. 22.

~erhindern dann zugleieh eine Verdrehung gegentiber dem 5tumpf; es ist dies der einzige Fall, wo ohne Knochenplastik aueh die wiltkiirliche Oberarln- drehung dem Kunstarm zugute kommt. Fig. 22 a zeigt eine Ausfiihrung diesm" Art2Si. Fiir die Geradstiitzung sind wegen der Lgnge des Stumpfes keine besonderen Massnahmen nStig. Der Umstand, dass eine ~ihnliche Befestigung bei fehlenden Oberarmknorren durch eine Knochenplastik erm/Jglicht wird. wurde bereits bei Besprechung der Drehsttitzung (5"5.'. 19) erw~thnt.

Die andere MSgliehkeit besteht darin, nach S p i t z y , Wien, eine kiinst- liche Sehaiirfurehe des Stnmpfes zur Aufhiingung der Hiilse zu benutzm,. Auch dieses Verfahren setzt im allgemeinen hinge gut geformte Stiimpfe voraus

~) So im Reservelazaregt GSrden bei Brandenburg a. H. nach Radike, a.a.O. :.8) Aria Bieaalski: ,Kriogskrappe!fii~sorge", 121.--140. 'rausend, Leipzig 1916,

~. 34. Fig. 64.

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Die Befestignng kiinstlicher Arme. ~

und gentigt, als einzi-e, ~ Aufhiingung nm' fiir leichtere Arbeiten. Eine Aus- fiihrung dieser Ar t zeigt, Fig. 2a an einem Wiener Arm als Se tze ra rm"% Als Ort far die Schniirfurche eignet, sich am Oberarm nu t dig natiirliche Ver- .iiingung oberhalb des Armbeugers und unterhalb des Deltamuskels, also am :Xnsatz des letzteren: bei kiirzeren 8ti impfen ist die Anlegung einer Schniir- furche unmSglieh. Zur Erzeugung der Sehniirfllrehe streicht man am ersten Tage ,die Stelle mit Elebestoff an, n immt eine 15 cm breite Binde nnd wiekelt sie so lest an. als der Pat ient es vertriigt. Die Wieklung wird 9._ 3-

Fire 2:) a.

real tgglich revidiert, wenn nOtig nachgezogen, und die Patienten lernen sehr bald sich die Binde selbst ,'mlegen. In acht Tagen muss die 8chniirfurehe zust.ande gekommen sein . . . . :,ao). Zur Aufhiingung der Halse wird zweck- m~tssig ein : ,Innenriemen" verwendet, d. h. ein Riemen, der zum grSssten 'reil innerhalb der Hiilse um den St.umpf herumgef[ ihr t ist und, durch zwei benach-

") Freundlichst zur Verftigung gestellt yon Herrn k. u. k. Oberstabsarz[ Professor Dr. S p i t z y , Kmnmandant des k. u. k. Reservespitals Nr. X[, Wien. Einen weiteren Fall mit dieser Befestigung siehe bei F l e m m i n g , a. a. O. (Fussnote 6). 2. Aufl., S. 95 (4 Abb.).

ao) S p i t z y und H a r t w i c h : ,Orthop'adische Bohandlnng Kriegaverwnndoter', Url, an u. Sohwarzenberg, B,rlin und Wi~n. 1915, S 15, ~ .

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:~ C. B i e l .

barte L6cber der Hiilse tretend, nur tibet" das kurze zwischen diesen liegende Bogensttick aussen l~hfft, urn die Hiilse zn tragen und festgespannt zu werden.

Ab~etzung im Sehnltergelenk und sebr kurzer Olmraru~- stumpf (mmuenten feste ~ehllltel befestigungeu).

Wo der Arm im Schultergelenk abgenommen werden mussLe, f~tllt die MiJglichkeit, den Kunstarm willkiirlich mit dem Stumpf zu bewegen, fort. Damit verringert sich di~; Brauchbarkeit eines Kunstarmes gegeniiber den Fiillen mit mittellangem Oberarmstumpf so sehr, dass zahlreiche Einarmer auf einen Kunstarm ganz verzichten. Andererseits bietet er aber flit vide Arbeiten doch noeh eine Hilfe und wird der Gebraueh eines Kunstarmes yon manchen doch fiir begriindet gehalten. Im foigenden werden dasher einige

GesichtspunCte auch fiir diese Fiflle entwiekelt. Leider fiihren dieselben zu d~m Ergebnis, dass bier vielfach umstS.ndlichere Befestigungen ni~tig sin,I als im vorigen Abschnitt. - - Hiernach ist es begreiflich, dass nur wenige Ausfiihrungen vorhanden sind. die hier ~ds Vorbild dienen k6nnen. Vor deren Besprechung muss aueh hier die Aulgabe der Befestigung genauer betra,.htet werden, da sie in manehen Punk-

]?ig. 25 ten yon den I,'gllen mit lgngerem ,Wiener, tin" als Setzerarm. Stumpf vollst'tindig abweieht"

l'efestigt man den Kunst- arm auch bei fehlendem Stumpf frei beweglich an der Schulter: so ist eine Kraftausiibung nm" mOglich in einer dutch alas kiinstliche Sehultergelenk bzw. die Schulterverbindung des Armes gehenden Richtung. da jtt der bewegliche Kunstarm den Arheitsansatz nur in besthnmtem Abst.and yon der Schulter hSIt, allen DrehkrLtffen abel" ohne Widerstand durch Sei~wenkbewegungen aus- weid~en ktmn. Diese Beweglict~keit ist erwiinscht, wenn die andere Hand die Bewegnng hesorgt und be:Jerrscht, also bei der Handhabung ,tiler Geriite, die mit beiden Hi~.nden gefasst werden, wie Sense, Sehaufel, Haeke, Bes~,n, Sehub- karre, Hobel und Feile, and die him" gemeinsam als Zwei-Hand-Ger~te be- zeiehnet seien, il:s sind das durchweg Arbeiten, bei denen aus demselben 6runde auch die Ve~bindung des Arbeitsansatzes mit dem Ger3t niehL starr. sondern frei bewegli,.h sein soil, und als Ring, I,:.ugelansatz oder I{iemen- bindung ausgeffihrt werden kann.) Das Arbeiten mit diesen Geriiten wird im allgemeinem um so besser gehen, je leichter beweglieh die Schulterbet'estigung des Knnstarmes ist. so dass man jede unnStige |~eilmng und gt, eifigkeit an ,let Sehulter mi~gliehst venneiden sollte.

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Die Befestigung ktlnstlieher Arme. :'1

l:iir fast alle :tnderen Arbeiten ist dagegen eine solche Verbindung zwischen Kunstarm nnd Schulter nStig, dass der H~ndersztz m~beweglich feststeht und Kr,Sfte beliebiger Richtung ausiiben und aufnehmen kann, also eine Verbindung, die zuch Momente (d. il. Ilichtnng gebende Kriifte) zn iihertrag~.n vermag und d~her hier als ,momentenfeste'" Verbindung bezeichnet sei: ixn i~egensatz zur frei beweglichen oder ..momentenfreien'" Schulterverbindung. So verlangen alle Fitlle, in denen man irgend einen (;egenstand, z. B. einen Meissel, mit deln Kunstarm allein halten will, dass die Schulterbefestigang den I<unstarm unbeweglich in der gewLinschtcn Richtung I~51t. Einige Arbeiten verl:~ngen zudem eine so grossr Festigkeit dieser Schulterverbindung, dass die meisten hisher bekannten Bauarten dat~ei voltstiindig versagen. An Werkzeugmaschinen kommt ~s z. 1;. h:5.ufig vor. d'tss man mit dem b:unstarm eine Km'bel zu drehen hat, wShrend die gesundo Hand anderweitig in Anspruch gen,mmle~ ist. Mit einem an der Schnlter frei beweglichen Knnstarm uhne hrmstumpf i.-:t das Drehen einer Kurbel nicht mSglich, well die beiden Totpunkte dutch Zug- und Druckkr5fte in Richtung des Kunstarmes nicht iiberwunden werden kSnnen, und such eine Bewegung der Schulter aus der Ilichtt, ng der bis- herigen 'l'otpun]dslage heraus nicht welt. genug mSglich ist. Dasselbe gilt. wenn die Verbindung des Kunstarmes mit der Schulter zwar nieht frei beweg- lich. aber zu schwaeh ist, denn such dann k6nnen grOssere Kr~ifte nut sis Zug oder Druck in l'dchtung des hiunstarmes tibertragen werden, abet nicht senkrecht, dazu. tn beiden I-'/i~len bteibt dem Vcrletzten daher nut die MSg- lichkeit, die I(urbeI mit einem bchaltwerk zu ver.,:ehen, wie es zum Sch!itten- Vorschub bei Hobelmasehinen gebr'3uchlich ist. Ist aber der Kunstarm mit der Schulter geniigend starr und lest verbunden, so kann der Verletzte dutch entspreehende Bewegungen des Oberk(irpers und der Schulter Kriifte nach allure I/icbtungen ausiiben und auch eine Kurbel vollst.andig hermndrehen, ,~hne dass ein Totpunkt besteht. Dieser Umstand ist also ein Grund, bei allen Neukonstruktionen die Festigkeitsh'age mehr :ds bisher zu berScksich- tigen und mit griisseren. ,lner znm Arm am Arbeitsansatz wirkenden KrSften zu rechnen.

Auch far Verletzte mit nut kurzem l~bera~mstampf sind diese Betrach- tungen giiltig: sobald dieser Stumpf so kurz ist. d'tss er such bei bester Geradsttitzung der Hiilse nicht imstande ist, den Kunstarm gegen grSssere bir~[fte zu bewegen oder in gewiinschter Ilic}~tung t'est zu harem So sah ich z. B. einen Dreher mit kurzem ~berarmstumpf, clef den unbelasteten Kunst- ~rtl~ noeh gut bewegen konnte, abet nicht imstande war, die Schlittenkurbel seiner Drehbank withrend der Arbeit herumzudrehen. Auch bei vorhandenem kurzen ~tumpfe kSnnen also grosse l(riifte nut in flichtung der Verbindungs- linie yon Handersatz und Stnmpf ausgeiibt werden, abet nicht senkreeht dazu. Zwar hat der Oberarmknochen im al]gemeinen noch seine normale Bewe~lieh- keit und die F~higkeit, dieselben Momente (d. h. Richtung gebenden KrSfte) auszuiiben wie ein gesunder Arm, wenn die Schultermuskeln gesund sind. abet die Hiilse finder an dem kurzen Stumpf nicht den nStigen Halt. am diese Mmnente iibertragen zu kSnnen, l:,n die B,.anchbarkeit ,h.~ Kunstarmes

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:;~ ~;. Biel.

m6gtichst zu steigern, muss man daher die Moment.e nnabhiingig yore Stuntpf yore Kunstarm nach der Schulter iibertragen, wie eben fSr Exartikulierte beschrieben. Die Vorteile des erhaltenen Armstumpfes. nSmlieh seine will- kiirliche Bewe~lichkeit, gehen dem Verletzten durch die momentenfestt. Schulterverbindung des Eunstarmes nicht verloren, wenn die Verbindung mit dem Sehulterteil keine dauernd starre ist. sondern ein lest und los stellbares Gelenk enthiill:. Bei kleinen hiriiften und beim Gebrauch yon Zwei-Hand- Geriiten wird der Verletzte dann das Oelenk lose lassen und geniesst die willkiirliche Beweglichkeit und das Muskelgefiihl des Stumpfes: muss er aber Kriifte ausiiben, fiir welche die Fiihrung des Kunstarmes am Stuml,fe nieht geniigt, so stellt er das Schultergelenk bei tier gewiinsehten llichtung des ()berarmes fest und hat nun den Vorteil einer starren Verbindung, die aueh

boi grossen 51omenten nicht~ nachgibt, allerdings unter Einbusse der willkiir- lichen Bewegliehkeit. Dieser Gedanke. 1)el sehr kurzem Stumpf den Kunstarm naeh Belieben feststellen oder mit dem Stumpf bewegen zu kSnnen, wurde neuer- dings auch yon den Deutsehen Rotawerken gefasst und zur Ausftihrung gebraeht. Fig. 24~'). Die Ausfiihrung benutzt die Bewegungen des Stumpfes allerdings nicht far ihre natiirlichen Aufgaben, was bei Verwendung der gesunden Schulter zum Antrieb des Greifers erreichbar wiire, ist

Fig. 2i. abel" doeh als erste Ausfiihrung des er- Bandage mit zwei Ansatzstellen, Moment- w~hnten Gedankens yon Interesse, und t'erschluss und Vorrichtung fth' aktive auch wegen der vorziiglieh durchzebildeten Bewegung bei gang kurzem schmerz-

haftem StumpL leiehten Zerlegbarkeit und Abnehmbarkeit des Armes beaehtenswert.

Die eigentliche Befestigung des Kun.~tarmes an der ,6chulter muss in beiden Fi~llen, also bei Exartikulation und bei kurzem Stumpf, ~iel hSheren Anspriichen gentigen als die fiir lange und mittellange Stiimpfe benutzten Sehulterbefestigungen, die den Kunstarm stets nut frei beweglieh tragen. Fiir Sehmuekarme genfigt, zwar aueh eine Schulterkappe und fiir leichte Arbeiten wird wohl ein grosses Sehulterkumt geniigen oder die 5.hnlich festsitzende Schulterbefestigung der DeuLsehen Rotawerke fiir Exartikulierte. nach Fig. 25 v,). Fiir manehe Berufe mit sehwerer Arbeit, z. B. fiir das Arbeiten an Werkzeug- masehinen, kSnnen aber noeh wirksamere, starkere Befestigungen nStig werden. In solehen Fi~llen ist dann das Stiitzmieder yon B61a l ) o l l i n g e r an seinem Platze (S. 23, Fig. 16 u. 17), denn dutch Stahlsehienen, die iiher den ganzen Naeken und die obere HSifte des Piickens his zur gesunden Schulter herum- greifen, kann ma.n die auftretenden reeht grossen Momente am besten vom

:") Vgl. Fussnote 12. S. 13. :':'~ V~I. Fussn,~te 12. ~. l:",.

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Die B e f e s t i g u n g k t i n s t l i c h e r A r m e . :~;

t(unstarm auf den Brustkorb iibertragen. Es ist daher kein Zut'atl, sondern durehaus begriindet, dass auch die Deut, schen Ilotawerke naeh Fig. 24 ein Mieder verwenden. I,'iir die ausreiehende Liiftung ist nattirlieh die Anbringung weniger grosser ()ffnungen bzw. die Bildung des Mieders aus einzelnen den Versteifungsschienen entsprechenden Streifen naeh D o l l i nge r . Fig. 16 u. 17, v-rzuziehen.

Die Beweglichkeit der Schulterbl:~itter sollte durch die Befestigung so wenig wie mSglich behindert werden, schon weil deren unbewegliche Fest-

r~ .. r7 O ~ legung fiir den l r~ger als histiger Zwane empfunden wiirde und mit der Zeit vielleich~ zu dauernden Bewegungsbesehr~inkungen fiihren kSnnte. Bei selbst- tStig bewegbaren Kunstarmen sind ja die Sehulterbewegungen ausserdem .fls

F i g . ')5.

vorteilhxfte l,[raftquelle fiir den Antrieb erwiinscht. Die Schulterbeweglichkeit scheint auch beim .Mieder leicht erreichbar, wenn ~ie auf Fig. 16 und 17 die 5,usseren Teile der Schnltern frei gelassen werden. - - Ausser nach der Schulter- beweglichkeit ist :~uct~ dnnach ztt streben, dass der Kunstarm die Bewegungen der armlosen Schulter mSglichst mitmacht, damit er dadurch eine gewisse willkiirliche Bewegliehkeit gegeniiber dem OberkSrper auch bei Exartikulation erhSlt. Zu diesem Zweck verwendet G e o r g H a e r t e l in Berlin N 24 eine hartlederne Schulterkappe, die dem Schulterblatt und dem 5usseren Tell des Schliisselbeins genau angepasst ist und eine die Schu]terblattgrSte aufnehmende versteifte \:ertiefung besitzt, so dass ~tlle Bewegungen des Schulterblatts m6g- lichst genau mitgemacht werden. - - Ffir grSssere Kr~fte miisste versueht werden, eine t~Tbertragung der Sehulterbewegungen dutch das Mieder zu er- reichen. Die Befestigung des Mieders an der armlosen Schulter muss dann mSglichst aussen nahe dem Schultergelenk liegen, well dort die Bewegungen

Arch. f. Orthop.~ Mecimaoth. u. Unf.-~7,ir. Xu 1. 3

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34 C. Biel.

des Schulterblntts :tin grSssten sind, nnd muss nnr :,lie Verschiebungen zwisehen ibm und dem Mieder verhinderm Richtungsabweichungen zwischon heiden xber gestatten, da ja die Ilichtung des Mieders dutch dessen iibrige Befestigung an der anderen Schulter nnd ~m llumpfe bestimmt ist. Bei dieser Befestigungsart xx-erden die 5;chwenkbewegungen des Mieders und des mit ibm verbundenen Kunstarms zwar geringer sein als die des Schulterblatts, die iibertragbare Kraft abet desto gr6sser. Die Vorw:,~rtsbewegung jeder Schulter set, zt, voraus, da.ss das ~Iieder in tiefem Bogen unter dem Nacken herumgreift. so dass beim Zuriickbewegen der Schulter kein Buckel entsteht. Die Be- l~sti._mm~ des Mieder~ an der gesunden Schulter muss ~eitliehe Verschiebun~en

Fig. 26.

gestat, ten, da ja das Vorw~trtsbewegen der arm[osen Schulter mit Auswilrts- bewegung verbunden ist innd genau genommen in eine," l~rehung um eine vo,',~ :m~ .qchliisselbein liegende senkrechte Achse besteht).

Ftir die momentenfeste Verbindung zwischen Mieder (bzw. Schulterktlmt oder-ka.ppe) und Kunstarm kommen grunds:~itzlich vier Arten in Frage : Die roll- l<ommen starre Verbindung, das sehwergehende Gelenk~ das feststellbare Gelenk, ,rod das aktiv bewegliche C, elenk. Die ganz starre Verbindnng wird ihrer Einfach- heit wegen fiir ktlrze Oberarmstiimpfe vietfach angewandt; aber sie gestattet weder die Einstellung des I<unstarms in eine gewiinschte lliehgung noch die flit das Arbeiten mit Zwei-Hand-Geriiten nStige Beweglichkeit nnd schiidigt $tumpf nnd Schulter durch die unbewegliche Einengnng. Die vielfach benutzten b~h,,tterkapl~en ohne Schultergetenk sind daher dnrchans nicht vollkommen

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Die Befestiguug kiinstlicher Atme. 35

und sollten eigentlich nm' bei Yeinen $chmuckarmen fiir Exartikuiierte verwendet werden, nicht aber bei Arheitsarmen, und auch nicht an Schmuck- armen fiir Leute mit Stumpt'. - - Aus den heiden letzt~eu (}riinden scheidet auch das z. B. bei Holzh.:~nden verwendete schwer- /ehende Gelenk aus. Ferner sctlei(let das aktiv bewegliche Schultergelenk aus, well zur- zeit noch keine brauchbare Bauart bekannt i~t: und weil auch, wenn erst die wichtigere Einrichtung der aktiven Hand und des aktiven EIIbogengelenks zur Anwendung kommt, fii," das Schultergelenk wohl kein geeignetes An- triebsglied als Kraftquelle mehr ~'erfiigbar ist. Als vollkommenste Schulterverbindung yon Arbeitsarmen kann daher nur da.~ bei belie- bigen Armstellungen lest und los stellb:u'e Schultergelenlr empfohlen werden. I)azu sind ~,runds:s aIle $chultergelenke fiir lange nncl mittellange Ober-wmstiimpf'e brauchbar, wenn man eine geniigend krgftige Feststell- vorrichtung hinzufiigt: die ausgefiihrten B.m- arten sind aber nnabh~ingig ctavon ent- standen.

Fig. "-)6 zeigt ein feststetlb:wes zwei- achsiges Schultergelenk yon Herrn l'rof. Ing. Fig. 27. v. K a r l o v i t z . Budapest, in Verbindung mit einem Stiitzmieder nach I) o 11 i ng e r. Das (i;e- tenk entstn'icht kinematisch dem des Siemens- S'chuckert-Armes. denn es enthiilL wie jenes einen sagittalen, drehbaren Ring fiir das Vor- wi~rtsheben, der die Gelenke fiir das Seit- w!irtsheben t rggt. I)as ]{inggelenk wird (lurch Gewinde gebildet: beide Gelenke sind dutch je eine Exzenter-Klemmvorrichtung mit kleiner Bedienungskurbet feststellbar. - - D-as 8chuttev- gelenk yon B i e s a l s k i fiir Exartiknlierte. Fig. 27 3a), ist kinematisch .almlich und wegen seiner Kleinheit fi'tr Schmuckarme hesser ge- eignet, abet wesentlieh sehw:~tcher und nut yon geringerer Beweglichkeit. - - Ein drittes 8chultergelenk fiir Exartikulierte ist das Fig. 28. Kugetgelenk tier Deutsehen I{otawerke nach Befestigung ftir drehbaren Vorder- l"ig. 25, S. 33, welches ausser den beiden armstampf. (Zu S. 14).

:*';~ Aua Biesalski , ;,. a. O. iFussmRe 4), 121.--1,t0. Tau~end, S;. 38, Fig. 72. 3*

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;~t; ('. Bio}, Die F;efestigtmg kiinstlicher At'me.

Schwenkbewegungen der zwo, iachsigen (ielenke auch noch (lie [)rehnng um die Oberarm-Ls gestattet.

Die Drehbarkeit um die Oberarm-Liingsachse kann im Schultergelenk oder am Ellbogen oder zwischen beiden erreicht werden, denn fiir die Ein- stetlbarkeit nnd Bewegliehkeit des Handersatzes ist es gleichgiiltig, ob der ()berarm sich bei der Sichelbewegung mitdreht oder nicht. Bei vorhandenem Armstumpf wird sich wohl wie bei langen Stiimpfen die Drehl)arkeit am Ellbogen empt'ehlen, um an der Schulter, wo der tlaum dutch den SI, umpt' heengt, ist, mit einem zweiachsigen Oelenk auszukommen. Bei Exartikulierten fi~llt dieser Orund weg und man erreicht bei Verwendung eines dreiachsigeu Kugelgelenks an der Schnlter den Vorteil, am ElIbagen mit einom ,infache,L Seha.rniergelenk ;mszukommen.