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Die Beutewelt

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Nr. 294

Die Beutewelt

Atlan und Fartuloon auf der Flucht ­und auf dem Planeten der

Sternenräuber

von Clark Darlton

Das Geschehen im Großen Imperium der Arkoniden wird gegenwärtig durch innere Konflikte bestimmt – in höherem Maße jedenfalls als durch die Kämpfe gegen die Methans.

Es gärt auf vielen Welten des Imperiums. Und schuld daran ist einzig und allein Or­banaschol, der Brudermörder und Usurpator, der in seiner Verblendung und Korrupt­heit einen politisch völlig falschen Weg beschritten hat.

Die Tage Orbanaschols scheinen gezählt, und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wann die Gegenkräfte im Imperium stark genug sind, den Usurpator vom Thron zu stoßen.

Kristallprinz Atlan, der eigentliche Thronfolger, und seine verschworenen Gefähr­ten, die Orbanaschol bisher schwer zu schaffen machten, sind augenblicklich aller­dings nicht in der Lage, gezielt einzugreifen, denn Kraumon, ihre geheime Stütz­punktwelt, wurde von den Methans zerstört. Während Atlans Gefährten dabei sind, sich nach dem Debakel von Kraumon wieder zu sammeln, befinden sich Atlan und Fartuloon nach wie vor auf der Flucht.

Dem Tode auf Celkar, dem Planeten des Gerichts, mit knapper Mühe entgangen, geraten die Männer erneut in Bedrängnis, als sie sich in den Weltraum begeben.

Quelle der Gefahr ist DIE BEUTEWELT …

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Die Hautpersonen des Romans:Atlan und Fartuloon - Ein Treffpunkt erweist sich für den Kristallprinzen und seinen Lehrmeister alsgefährliche Falle.Forgos und Peragon - Bewohner des Beuteplaneten.Mantor-Re - Ein Mann der zweiten Generation.Denc-Mons - Kommandant der NEKOR.

1.

Nach der anfänglichen Startbeschleuni­gung schaltete Atlan den Antrieb des Bei­boots ab und ließ das kleine Schiff mit hal­ber Lichtgeschwindigkeit aus dem Monhor-System hinaustreiben. So hoffte er, eventu­elle Verfolger und ihre Massetaster irrezu­führen, denn ein kleines Schiff in freiem Fall würde ihrer Aufmerksamkeit mit Sicherheit entgehen.

Fartuloon löste die Haltegurte und streck­te sich.

»Allmählich habe ich die Nase voll, im­merzu den Gefangenen zu spielen und vor die Standgerichte dieses Orbanaschol ge­stellt zu werden. Es wird höchste Zeit für den Wechsel.«

Atlan warf ihm einen belustigten Blick zu und überprüfte die Kontrollinstrumente. Nach einigen Handgriffen sagte er:

»Ich teile deine Meinung, aber es wird nicht so einfach sein, wie wir uns das vor­stellen. Zuviel Gruppen sind daran interes­siert, den Imperator abzusetzen und selbst die Macht zu übernehmen. An mich, den rechtmäßigen Nachfolger, wird niemand da­bei denken. Um ehrlich zu sein: Ich denke auch immer weniger daran, daß ich der Kri­stallprinz bin, mir geht es in erster Linie dar­um, den Mörder meines Vaters bestraft zu sehen. Doch warten wir's ab.«

Fartuloon sah aus der Sichtluke neben sei­nem Sitz.

»Celkar ist kleiner geworden. Sollten wir nicht schnellstens von hier verschwinden?«

»Wir sind dabei, mein Freund. Mit einer einzigen Transition sind wir in Sicherheit, falls Kaarfux Recht behält. Die dreieinhalb Lichtjahre schaffen wir selbst mit dieser

Mücke von Schiff. Aber die Verfolger dür­fen auf keinen Fall die Dimensionserschütte­rung genau anmessen, und das können sie, wenn sie uns vorher anpeilen oder gar sich­ten. Darum der Schleichflug.«

Fartuloon erhob sich ächzend und zwäng­te sich durch die engen Sitzreihen des Bei­boots. Er öffnete die Deckel einiger Kisten, die unter den Sesseln verborgen waren.

»Verhungern werden wir jedenfalls nicht«, stellte er triumphierend fest. »Und Ausrüstung, Waffen und Raumanzüge sind auch vorhanden. Na, das beruhigt mich aber …«

»Auch was zu trinken? Ich habe Durst.« »Wasser!« Fartuloons Stimme verriet nur

gedämpfte Begeisterung. »Besser als nichts«, tröstete ihn Atlan.

»Du kannst hier keinen Arkonwein verlan­gen.«

In der Tat konnten sie mit Wasser zufrie­den sein, denn in den vergangenen Tagen und Wochen hatten sie mehr als einmal Durst gelitten.

Zuerst waren sie in die Hände einer krimi­nellen Vereinigung unter der Führung von Helcaar Zunth geraten, die wiederum einem Angriff offizieller Truppen des Imperiums zum Opfer fiel. Damit gerieten sie vom Re­gen in die Traufe, denn wenig später lande­ten sie als Deserteure auf dem Gerichtspla­neten Celkar, einhundertzwei Lichtjahre von Arkon entfernt, im Gefängnis. Ihre Rettung verdankten sie dem Anwalt Kaarfux, der ei­ne Revolte während der Urteilsverkündung ausnützte und die beiden Gefangenen regel­recht entführte.

Über Arkon-TV war das ganze Imperium Zeuge der Demaskierung Atlans geworden. Nun wußte jeder, daß der Sohn Gonozals lebte und daß es einen Kristallprinzen gab,

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der ein Recht auf den Thron Arkons besaß. Kaarfux hatte ein Beiboot aufgetrieben

und so Atlan und Fartuloon die Flucht er­möglicht. Sie erfolgte der allgemeinen Ver­wirrung wegen unbemerkt, trotzdem mußte mit Verfolgern gerechnet werden. Orbana­schol würde entsprechende Befehle erlassen haben.

»Was ist mit dem Treffpunkt, den Kaar­fux dir gab?«

»Die Koordinaten sind schon gespeichert, Fartuloon. Aber wir werden mit der Transiti­on noch warten müssen. Bei einem Sprung von nur dreieinhalb Lichtjahren genügt die kleinste Anmessung, uns wieder aufzuspü­ren. Im Augenblick droht uns keine Gefahr, weil wir keine meßbare Energie abstrahlen. Das Beiboot ist nichts anderes als ein Stück­chen Materie, das durch den Raum treibt.«

Fartuloon hatte sich wieder gesetzt. »Das meinte ich weniger, Atlan. Mich in­

teressiert, wo sich dieser Treffpunkt befin­det, an dem wir den Frachter finden sollen, der uns nach Arkon bringt.«

»Davon hat Kaarfux nichts gesagt, aber wenn ich einen Blick auf die Sternkarte wer­fe, muß ich feststellen, daß sich in der Nähe der angegebenen Koordinaten weder ein Stern noch ein System befindet. Der Frach­ter wartet im leeren Raum auf uns.«

»Wenn er wartet!« knurrte Fartuloon und starrte durch die Sichtluke. »Ich werde lang­sam zum Pessimisten.«

Atlan gab keine Antwort. Die Fernorter, der Größe des Beiboots

entsprechend leistungsschwach, verrieten ei­nige Schiffseinheiten innerhalb des Systems. Man hatte also die Suche nach den Ver­schwundenen noch nicht aufgegeben, ob­wohl man nicht wissen konnte, daß sie Cel­kar inzwischen verlassen hatten. Oder wußte man es doch?

Atlan spürte, wie er innerlich ruhiger und zuversichtlicher wurde, trotz Fartuloons dü­sterer Stimmung. Sowohl die Transition zum Treffpunkt wie auch ein blitzschneller Not­start waren programmiert.

»Eine wirkungsvolle Niederlage war das

Clark Darlton

für den Imperator«, fuhr Fartuloon in seinen Überlegungen fort. »Wenn ich so an früher zurückdenke, sitzt er verdammt in der Klem­me, würde ich sagen.« Er rekelte sich behag­lich. »Das macht mich wieder halbwegs zum Optimisten.«

»Du machst eine Metamorphose nach der anderen durch«, wunderte sich Atlan amü­siert. »Dein Stimmungsbarometer wechselt ständig von der Tagseite auf die Nachtseite eines Eindreher-Planeten.«

»Mann, du hast vielleicht Vergleiche! Aber du hast Recht, muß ich zugeben. Ich habe wirklich Gemütsschwankungen. Das kommt natürlich daher, daß unsere eigene Situation ständigen Veränderungen unter­worfen ist. Hinzu kommt meine Sorge um die Überlebenden von Kraumon. Sie konn­ten fliehen, obwohl die Maahks dort fürch­terlich gehaust haben, aber sie kamen nicht auf dem Planeten Sorkoth an. Wo sind sie geblieben?«

Atlans Gesicht schien plötzlich von einem Schatten verfinstert zu werden.

»Glaubst du, ich mache mir deshalb keine Sorgen? Ich fürchte, sie sind in eine Falle geraten, oder die kleine Flotte wurde von den Maahks aufgerieben. Aber es hat keinen Sinn, sich in diesem Augenblick Gedanken darüber zu machen, weil es unmöglich ist, die Wahrheit zu ergründen. Wir müssen jetzt in erster Linie an unsere eigene Sicherheit denken und versuchen, nach Arkon zu ge­langen. Dort erfahren wir mehr.«

Fartuloon nickte und sah wieder durch die Luke.

»Die Sonne Monhor liegt weit zurück, At­lan. Wie lange willst du eigentlich noch mit der Transition warten?«

»Es ist bald vorbei. Die Orter zeigen eini­ge Schiffe an, aber sie folgen uns nicht. Sie haben die Spur verloren.«

»Sind wir in Zeitdruck, was den Frachter angeht?«

»Keineswegs, wie mir Kaarfux versicher­te. Er mußte noch Kontakt mit dem Kom­mandanten des Schiffes aufnehmen und ihn informieren. Ich habe keine Ahnung, auf

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welchem Wege er das bewerkstelligen will, aber er scheint Verbindungen zu haben. Der Name des Frachters ist NEKOR, und der Kommandant ein gewisser Denc-Mons. Ich weiß nicht, wer er ist und was er denkt, aber Kaarfux behauptete, er sei absolut zuverläs­sig.« Er seufzte. »Hoffen wir es.«

»In der Hinsicht haben wir auch genug Pech gehabt. Immer wieder fand sich je­mand, der auf die Belohnung Orbanaschols scharf war. Aber damit wird es ja wohl bald vorbei sein.«

Atlan sagte grimmig: »Ich freue mich auf den Augenblick, in

dem ich ihm gegenüberstehen werde, mei­nem ehrenwerten Onkel, dem Mörder mei­nes Vaters. Ob ich mich dann noch beherr­schen kann, weiß ich nicht, aber wahrschein­lich wird mir sein Sturz als Befriedigung meiner Rache genügen. Und er stürzt sehr tief, weil er so hoch emporstieg.«

Fartuloon schwieg. Er wußte, wie es At­lan zumute sein mußte. Der Kampf um die Gerechtigkeit hatte schon zu lange gedauert. Der weite Weg zum Ziel war mit Mühen und Enttäuschungen gepflastert gewesen, aber auch mit dem Glück, gute Freunde zur Seite zu wissen.

Doch noch war dieses Ziel nicht erreicht. Orbanaschol bäumte sich zum letzten Mal

gegen die drohende Niederlage auf und warf seine letzten Reserven in die mörderische Schlacht um den Thron eines Sternenreichs.

Von den Kontrollen her sagte Atlan: »Wir haben das System endgültig verlas­

sen, Fartuloon. Es gibt keine direkten Ver­folger. Ich werde die Transition in genau ei­ner Minute einleiten. Bereite dich darauf vor.«

Fartuloon grunzte voller Mißbilligung: »Vorbereiten? Wenn ich schon seit Stun­

den darauf warte …!«

*

Der Entzerrungsschmerz nach der Transi­tion verging schnell.

Atlan saß angespannt hinter den Kontrol­

len und widmete seine ganze Aufmerksam­keit den Bildschirmen und Ortergeräten. Auch die Massetaster schlugen sofort aus und verrieten, daß »etwas« in der Nähe war.

Atlan entdeckte »es« sofort auf dem Schirm.

Der Kugelraumer hatte einen Durchmes­ser von dreihundert Metern, was mit den Angaben des Anwalts übereinstimmte. Nur aus wenigen Bullaugen fiel Licht. Das Schiff stand in Warteposition.

Atlan verringerte die eigene Geschwin­digkeit auf Relativ-Null, als er nahe genug herangekommen war. Erst jetzt konnte er auf dem Bildschirm das sehen, was die Mas­setaster schon längst angemessen hatten.

Der Frachter verdeckte nur den winzigen Teil der dunklen und zerklüfteten Oberflä­che eines ziemlich großen Asteroiden, der mit gleicher Geschwindigkeit durch den Raum trieb. In Relation zueinander ge­bracht, standen damit alle drei Gegenstände absolut still.

»Magnetankerung?« fragte Fartuloon, der nach vorn zu den Kontrollen gekommen war.

Atlan gab keine Antwort. Stumm deutete er auf das Funkgerät und widmete sich dann wieder dem Anblick des Frachters und des Asteroiden. Von letzterem ging etwas Un­heimliches und Drohendes aus, das Atlan nicht zu identifizieren wußte.

Immer wieder tauchten Dunkelplaneten und Dunkelasteroiden im Weltraum auf. Oh­ne an ein bestimmtes System gebunden zu sein, zogen sie dahin. Es konnte Jahrtausen­de und auch Jahrmillionen dauern, bis sie in den Schwerebereich eines größeren Körpers gerieten und angezogen wurden. Dann er­hielt eine Sonne einen neuen Planeten oder ein Planet einen neuen Mond.

Fartuloon ließ den Frequenzsucher über die Skalen des Funkgeräts spielen, aber au­ßer Störgeräusche kam nichts aus den Laut­sprechern. Mehrmals strahlte er den übli­chen Anruf ab, erhielt aber keine Antwort.

»Die schlafen alle«, kommentierte er schließlich und blieb auf Empfang. »Typisch

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für die Händler.« Atlans Gesicht verriet keine Reaktion. »Da ist irgend etwas nicht in Ordnung«,

sagte er nur ruhig. Der Asteroid war es, der seine Aufmerk­

samkeit fesselte, obwohl außer dem unge­wissen Gefühl, das ihn bei seinem Anblick beschlich, kein Grund dafür vorhanden war. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß der atmosphärelose Weltkörper unbewohnt war.

Seine dunkle Oberfläche reflektierte kein Sternenlicht, wenn man von einem geringfü­gigen Prozentsatz absah, der zumindest die Konturen erkennen ließ. Es gab schroffe Felsen und tiefe Schluchten, die bodenlos schienen. Schwarze Öffnungen in den Steil­wänden ließen Höhlen vermuten. Alles deu­tete darauf hin, daß der Asteroid einst eine Atmosphäre und Wasser besessen hatte, sonst wären derartige Verwitterungserschei­nungen nicht möglich gewesen.

Er mußte aus einem lebensfähigen System entwichen sein.

Jetzt aber konnte er kein Leben mehr tra­gen, und die Besatzung der NEKOR hätte keinen besseren Ankerplatz wählen können, wenn …

Ja, wenn Atlan nicht dieses dumpfe und instinktive Gefühl einer drohenden Gefahr verspürt hätte, das ihn nicht mehr losließ.

»Glaubst du, es hängt mit dem Asteroiden zusammen?«

Atlan nickte. »Ich fürchte, ja. Immer noch kein Kon­

takt?« »Da rührt sich nichts. Was tun wir?« »Wir sind nicht verfolgt worden, also hat

man unsere Spur verloren. Kaarfux hat sein Wort gehalten, was den Frachter betrifft. Wir haben also keine Probleme mehr hinter uns. Ich fürchte sehr, es liegen einige vor uns. Wir werden uns das Schiff ansehen müssen. Vielleicht wurde es verlassen.«

»Warum? Es sieht raumtüchtig aus, und was den Asteroiden angeht …«

»Eben! Der scheint mir das Problem zu sein. Wir werden nachsehen.«

Clark Darlton

Atlan steuerte das Beiboot behutsam nä­her an die NEKOR heran, bis sich ihre Hül­len fast berührten. Dann schwebte er dicht neben einem der erleuchteten Bullaugen, so daß die beiden Männer direkt in das Innere des Raumes dahinter sehen konnten.

Was sie erblickten, war alles andere als beruhigend.

Zwei Arkoniden in der üblichen Bordbe­kleidung saßen zusammengesunken an ei­nem Tisch. Der eine war halb von seinem Stuhl gerutscht und konnte jeden Augen­blick auf den Boden stürzen. Der andere klammerte sich mit den Händen an der ge­genüberliegenden Tischseite fest, aber er be­wegte sich nicht.

Auf dem Tisch lagen die Figuren eines Spiels.

Langsam trieb das Beiboot weiter, ohne daß Atlan oder Fartuloon ein Wort gesagt hätten. Das nächste Bullauge war finster, aber sie glaubten, in dem dunklen Raum ei­ne reglose Gestalt erkennen zu können, die auf dem Bett lag.

Hinter dem nächsten erleuchteten war wieder eine der Mannschaftskabinen. Ein Mann schien nach Betreten des Raumes di­rekt neben der noch geöffneten Tür zusam­mengebrochen zu sein, denn seine Füße rag­ten noch in den Gang hinaus. Sein Gesicht zeigte trotz der geschlossenen Augen einen erstaunten Ausdruck.

»Es muß ganz plötzlich und absolut über­raschend passiert sein«, mutmaßte Fartu­loon. »Ein Überfall mit Narkosegeschüt­zen?«

»Aber wer? Und wenn, wo ist er jetzt?« »Vielleicht in einem Schiff hinter dem

Asteroiden. Wir sollten dort nachsehen, ehe wir uns um die NEKOR kümmern.«

»Du hast recht.« Atlan erhöhte die Ge­schwindigkeit des Beiboots und lenkte es dann an dem Frachter vorbei auf den Aste­roiden zu. »Wir werden nicht zu nahe an die Oberfläche herangehen, sondern ihn nur ein­mal umkreisen. Mit den Massetastern sollten wir feststellen können, ob sich da irgendwo ein anderes Schiff verbirgt. Dann kehren wir

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zur NEKOR zurück und kümmern uns um die Besatzung.«

»Wir brauchen die NEKOR! Ohne sie kommen wir nie nach Arkon.«

»Das ist der zweite Grund.« Sie hielten sich in sicherer Entfernung.

Hinter ihnen verschwand der Frachter unter der kurzen Horizontkrümmung. Der Astero­id zeichnete ein fast rundes, schwarzes Loch in den sternenübersäten Himmel.

»Den Massetastern nach zu urteilen, müß­ten auf der Oberfläche einige hundert Raum­schiffe stehen«, stellte Atlan mit einiger Verblüffung fest. »Sie zeigen Metalle unter­schiedlicher Legierungen an.«

»Vielleicht natürliche Vorkommen«, meinte Fartuloon.

»Kaum, nicht in diesen Zusammensetzun­gen. Es muß etwas anderes sein, und viel­leicht hängt es mit dem zusammen, was in der NEKOR geschah.«

Atlan schaltete einmal kurz den weitstrah­ligen Bugscheinwerfer des Beiboots ein und richtete ihn hinab zur Oberfläche des Aste­roiden. Das Bild dort hatte sich nicht verän­dert. Zerklüftetes Gestein in abenteuerlich­sten Formationen, Schluchten und Felsen.

Aber kein fremdes Raumschiff. Endlich kam die NEKOR wieder in Sicht. »Wie gehen wir vor?« fragte Fartuloon.

»Ist es ratsam, wenn wir beide das Beiboot verlassen?«

»Nein, auf keinen Fall. Du bleibst hier, ich gehe vor. Wenn ich Bescheid gebe, kommst du nach.«

»Einverstanden.« Sie verankerten das Beiboot an der Hülle

der NEKOR. Atlan deutete auf das Funkge­rät.

»Laß es eingeschaltet, dann bleiben wir in Kontakt. Ich werde das Boot in fünf Minu­ten verlassen. Behalte mich im Auge, solan­ge es geht. Hoffentlich ist die Luke zur Luft­schleuse nur mechanisch verschlossen, nicht positronisch. Sonst habe ich Schwierigkei­ten.«

»Dann brich es mit Gewalt auf!« »Ich möchte vermeiden, daß die Atmo­

sphäre aus dem Frachter entweicht. Das könnte zur endgültigen Katastrophe führen.«

»Glaubst du, daß die Burschen im Schiff noch leben?«

»Ich hoffe es. Wenn sie aber tot sind, kann es erst vor wenigen Stunden passiert sein.«

Atlan stieg in die kleine und enge Luft­schleuse des Beiboots, nachdem er einen Schutzanzug angelegt hatte. Er kontrollierte die Ladung eines handlichen Impulsstrah­lers, den er in den Gürtel schob. Nach kurzer Überprüfung des Telekoms – Fartuloon konnte ihn einwandfrei verstehen – schloß er die Innenluke und ließ die Luft aus der Kammer saugen. Dann öffnete er das Au­ßenluk.

Die Hülle der NEKOR war nur wenige Meter entfernt. Über das Beiboot hinweg schwebte er auf den Frachter zu und landete dicht neben einer der Luken, deren Umrisse er in Form feinster Rillen erkennen konnte. Sie war für das Verladen von Gütern be­stimmt, und zu Atlans Überraschung war sie nur mechanisch gesichert. Das ließ darauf schließen, daß sie erst kürzlich benutzt wor­den war.

»Hörst du, Fartuloon?« »Klar und deutlich, Prinzchen.« »Laß den Quatsch! Ich habe eine Luke

gefunden und werde sie öffnen. Dann erneu­te Sprechprobe.«

»Viel Glück!« »Das wünsche lieber der Mannschaft der

NEKOR.« Die große Luke schwang auf, die Trenn­

kammer zu den Lagerräumen war luftleer und die Innenluke vorschriftsmäßig ge­schlossen. Atlan verriegelte das Außenluk und ließ die Atmosphäre einströmen, um den Druck auszugleichen. Die Sprechprobe ergab, daß die Verbindung zum Beiboot nicht behindert wurde.

Ohne weitere Probleme gelangte er in den Frachtraum und stellte zu seiner Verwunde­rung fest, daß er nur halb gefüllt war. Die herumliegenden Kisten und Ballen verrieten in ihrer Unordnung, daß man Teile der La­

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dung unkontrolliert und hastig gelöscht hat­te.

Wann und wo war das geschehen? Die Vermutung, daß man Frachtgut auf

den Asteroiden gebracht haben könnte, kam Atlan erst gar nicht, weil sie unlogisch er­schien. Er berichtete Fartuloon kurz und setzte seine Untersuchung fort. In erster Li­nie gebot ihm die Pflicht, sich um die Besat­zung zu kümmern und die Ursache ihres au­genblicklichen Zustands zu ergründen.

Bei vielen Frachtern waren nachträglich Umbauten vorgenommen worden, je nach Art der zu transportierenden Ladung oder dem Geschmack des Eigentümers. Aus die­sem Grund hatte Atlan einige Schwierigkei­ten, den Hauptkorridor und die Lifte zu fin­den.

Den ersten Arkoniden fand er auf einem Gang. Er lag auf dem Boden, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, und starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, so als habe er etwas Schreckliches gesehen, be­vor er das Bewußtsein verlor.

Er war nicht tot, aber der flache Atem verriet, daß die Narkose sehr tief war. Atlan überzeugte sich, daß im Augenblick keine Lebensgefahr für den Mann bestand und setzte seinen Weg fort. Sein Ziel war die Kommandozentrale der NEKOR. Wenn überhaupt, dann konnte er nur hier Auf­schluß über die Art der plötzlich hereinge­brochenen Katastrophe erhalten.

»Alles in Ordnung?« fragte Fartuloon über Telekom, als er längere Zeit nichts von Atlan hörte.

»Was mich angeht – ja. Ich bin auf dem Weg zur Zentrale.«

»Soll ich nicht nachkommen?« »Warte noch.« Atlan setzte seinen Vormarsch fort und

entdeckte mehr als zwei Dutzend bewußtlo­se Besatzungsmitglieder. Sie boten alle das gleiche Erscheinungsbild. Es konnte als si­cher angesehen werden, daß der Narkose­überfall sie alle gleichzeitig außer Gefecht gesetzt hatte.

In den Räumen und Gängen fiel Atlan ein

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anderes Phänomen auf, und er hätte nicht zu sagen vermocht, ob es etwas mit der Narko­tisierung der Mannschaft zu tun hatte. Es war im Grunde genommen eine harmlose Erscheinung, nur in einem Raumschiff recht ungewöhnlich.

Schon im Laderaum hatte Atlan die Staub- und Dreckhäufchen bemerkt, die überall herumlagen. Sie sahen so aus, als hätte jemand diesen Schmutz, den es in ei­nem ordentlichen Schiff überhaupt nicht ge­ben durfte, zusammengefegt und dann lie­gengelassen. Erst bei näherer Betrachtung war Atlan aufgefallen, daß alle Dreckhäuf­chen einen Rechtsdrall aufwiesen, so als sei­en sie von Luftwirbeln auf einen Fleck kon­zentriert worden. Die restlichen Spuren des Staubes rings um die Häufchen bildeten konzentrische Kreise, die an jene Wellenbe­wegung erinnerte, die dann entsteht, wenn man einen Stein ins Wasser wirft.

Diese merkwürdigen Häufchen gab es im ganzen Schiff, und Atlan gab es bald auf, ei­ne Erklärung für sie zu finden. Er eilte wei­ter und näherte sich der Kommandozentrale. Die Tür war weit geöffnet.

Auch hier das gleiche Bild. Einige Arkoniden lagen in ihren Sesseln

vor den Kontrollen und hatten die Augen weit geöffnet. Ihre Haltung verriet, daß auch sie von dem rätselhaften Ereignis völlig überrascht worden waren.

Atlan sah auf den noch funktionierenden Bildschirm. Er zeigte einen Ausschnitt der Asteroidenoberfläche. Ein relativ ebenes Plateau wurde von einer Steilwand begrenzt, die durch Höhleneingänge zerklüftet wurde. Vor einem dieser Eingänge sah Atlan einen Arkoniden im Raumanzug liegen.

»Einige von ihnen müssen die NEKOR verlassen und den Asteroiden betreten ha­ben«, berichtete er Fartuloon, dessen Unge­duld sich immer mehr steigerte. »Es wird besser sein, du kommst jetzt zu mir. Sichere das Beiboot und verankere es fest mit der Hülle der NEKOR. Wir müssen herausfin­den, was hier geschehen ist.«

»Bin schon unterwegs«, war alles, was

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Fartuloon antwortete. Atlan studierte die Kontrollanlage des

Frachters, der noch von alter Bauart war. Hier mußte fast alles noch von Hand ge­schaltet werden. Zwei Männer allein konn­ten das Schiff niemals manövrieren.

Mehrmals mußte Atlan dem schimpfen­den Fartuloon Hinweise geben, da dieser sich sonst hoffnungslos im Schiff verirrt hät­te. Schließlich betrat er schnaufend die Kommandozentrale.

»Eine verdammt komische Geschichte ist das! Glaubst du, daß es ein Überfall gewe­sen ist?«

»Eine Art Überfall«, korrigierte Atlan. »Er muß ohne jede Vorwarnung und blitz­schnell erfolgt sein. Die Besatzung der NE­KOR war völlig unvorbereitet und wurde überrascht. Wir müssen aufpassen, daß es uns nicht ähnlich ergeht.«

»Wir sind ja gewarnt«, knurrte Fartuloon und klopfte auf den Griff seiner Strahlwaffe. »Was ist mit den Leuten? Brauchen sie ärzt­liche Betreuung?«

»Soweit ich das beurteilen kann, ist ihr Zustand nicht lebensgefährlich. Früher oder später werden sie wieder zu sich kommen.«

»Der Asteroid …«, sagte Fartuloon und deutete auf den Bildschirm. »Hat er etwas damit zu tun?«

»Es ist anzunehmen. Wir werden ihn uns ansehen.«

»Er ist mir unheimlich, der schwarze Brocken.«

»Mir auch, aber er birgt vielleicht das Ge­heimnis. Vergiß nicht, daß wir nach Arkon wollen, und ohne die NEKOR und ihre Be­satzung ist das unmöglich. Wir haben keine zehn oder zwanzig Hände, und die sind für die Navigation des Schiffes unerläßlich. Au­ßerdem können wir so eine Bedrohung wie diesen Asteroiden nicht einfach ignorieren – falls unsere Vermutung überhaupt richtig ist. Vielleicht hat er mit der ganzen Sache auch nichts zu tun.«

»Könnte uns nur recht sein …« Sie verließen die Kommandozentrale, um

zur Luftschleuse zurückzukehren, aber sie

kamen nicht weit. Kaum auf dem Gang, hörten sie hinter

sich ein Geräusch. Sie blieben stehen und sahen sich um.

Einer der Arkoniden vor den Kontrollen bewegte sich langsam und schwang mit dem Sessel herum. Seine immer noch starr blickenden Augen schienen die beiden Ein­dringlinge zu fixieren, aber gleichzeitig nah­men sie von ihnen keine Notiz. Die Starre verlor sich allmählich und machte einer mat­ten Stumpfheit Platz, die ebenso beunruhi­gend war.

Nun schienen auch die anderen Arkoni­den wieder zu sich zu kommen.

Im mittleren Kontursessel saß ein über­durchschnittlich großer Mann mit breiten Schultern und den Abzeichen eines Kom­mandanten. Das mußte Denc-Mons sein.

Atlan nickte Fartuloon zu und ging zurück in die Zentrale.

»Denc-Mons?« fragte er und streckte dem Arkoniden die Hand entgegen. »Kaarfux schickt uns; Sie wissen Bescheid. Was ist geschehen?«

Zu seiner Verwunderung reagierte der Mann nicht. Seine Augen sahen durch Atlan und Fartuloon hindurch, und die hinge­streckte Hand schien er überhaupt nicht zu bemerken. Mühsam erhob er sich aus dem Sessel, schwankte ein wenig hin und her, ehe er sich langsam in Bewegung setzte. Da­bei schob er Atlan zur Seite, ging auf den Gang hinaus und verschwand Sekunden spä­ter hinter einer Biegung.

Fartuloon sah hinter ihm her und schwieg verdutzt.

Nun rührten sich die anderen Arkoniden in der Zentrale. Sie verhielten sich genauso wie ihr Kommandant, ignorierten die beiden Freunde und folgten Denc-Mons.

»Trance!« vermutete Atlan kopfschüt­telnd. »Sie stehen unter fremden Einfluß. Zombies! Wir müssen herausfinden, was sie zu tun beabsichtigen. Folgen wir ihnen.«

Unterwegs begegneten sie immer mehr Arkoniden, die aus der Narkose erwacht wa­ren. Der jetzige Zustand der absoluten Wil­

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lenlosigkeit war vielleicht noch beunruhi­gender, denn solange sie bewußtlos gewesen waren, konnten sie keinen Schaden anrich­ten.

Sie bewegten sich alle in einer Richtung – zur Ausrüstungskammer. Dort legten sie stumm ihre Raumanzüge ab und gingen dann in den Laderaum.

Atlan und Fartuloon sahen sich verwun­dert an, ehe sie ihnen abermals folgten.

Im Laderaum begannen die Arkoniden dann mit einer jetzt noch sinnlos erscheinen­den Tätigkeit. Während einer zur Innenluke der Schleuse tappte, schlossen die anderen ihre Helme und luden sich Ballen und Ki­sten auf die Schultern. Atlan gab Fartuloon einen hastigen Wink und schloß ebenfalls den Helm.

Sekunden später schleppten die Arkoni­den ihre Lasten in die Luftschleuse. Zum Glück war die Außenluke noch geschlossen, sonst wäre es zu einer Katastrophe gekom­men. Der Sog hätte sie alle aus dem Schiff gerissen.

»Gehen wir mit?« flüsterte Fartuloon. »Sie entladen das Schiff.«

»Wir warten«, entschied Atlan. »Aber wir folgen ihnen später.«

»Wo schleppen sie nur das Zeug hin? Sie tun so, als wäre hier ein Umschlagplatz für Schmuggelgüter.«

»Sie handeln nicht aus eigenem Antrieb, vergiß das nicht. Der Asteroid hat etwas da­mit zu tun.«

Selbst der Kommandant beteiligte sich an der Arbeit. Für ihn und die anderen waren Atlan und Fartuloon Luft. Und wenn sie ih­nen im Weg standen, schoben sie sie einfach zur Seite.

»Wenn wir ihnen eine Ladung Narkose­strahlen verpassen«, meinte Fartuloon, »hören sie mit diesem Unsinn auf.«

Atlan schüttelte den Kopf. Sie unterhiel­ten sich über Telekom.

»Dann würden wir niemals erfahren, was hier eigentlich vor sich geht. Aber sieh nur, die Schleuse ist voll. Sie schließen die In­nenluke. Nein, halt! Wir warten noch ab.«

Clark Darlton

Er hielt den, übereifrigen Fartuloon am Ärmel fest.

Die Kontrolleuchte zeigte an, daß die Luft in der Schleusenkammer abgesaugt wurde und sich die Außenluke öffnete. Für den Au­genblick war jede weitere Beobachtung un­möglich, man konnte nur ahnen, was außer­halb des Schiffes vor sich ging. Schließlich riß Fartuloon der Geduldsfaden.

»Warum gehen wir ihnen nicht nach? Sie haben sich bis jetzt nicht um uns gekümmert und werden es auch in Zukunft nicht tun, wenigstens solange nicht, wie ihr Zustand anhält. Dann sehen wir wenigstens, was ge­schieht.«

Atlan gab nach. Die Schleusenkammer war bereits halb

entladen. Zwischen der NEKOR und dem kaum

fünf Kilometer entfernten Asteroiden pen­delten die Arkoniden hin und her und schafften die Ballen und Kisten aus dem Schiff. Unterwegs hatten einige ihre Ladung verloren; mit geringer Anfangsgeschwindig­keit ausgestattet, trieb sie fort, würde aber bald von der geringen Schwerkraft des Aste­roiden wieder eingefangen werden. Sanft würden Ballen und Kisten dann auf seiner unwirtlichen Oberfläche landen.

»Kannst du sehen, wohin sie das Zeug schaffen, Atlan?«

»Nicht genau, aber es sieht so aus, als schleppten sie es in eine der Höhlen. In die mittlere und besonders große.«

In der Tat verschwanden die Männer mit ihren Lasten in dieser Höhle und kehrten mit leeren Händen wieder aus ihr zurück, um den Rest aus der NEKOR zu holen.

Atlan sagte nach einigem Überlegen: »Es ist besser, glaube ich, wir folgen ih­

nen noch nicht. Wer weiß, was dahinter steckt. Ich schlage vor, wir kehren in die Kommandozentrale zurück, von der aus wir alles gefahrlos beobachten können. Wir war­ten, bis der Laderaum geleert ist und was dann mit der Besatzung geschieht. Es hätte wenig Sinn, übereilt zu handeln.«

»Mir juckt es aber in allen Fingern …«

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»Dann laß es ruhig jucken, Fartuloon.« Der Bauchaufschneider ließ sich schließ­

lich überreden und folgte seinem jüngeren Freund in die Kommandozentrale. Die Bild­anlage arbeitete einwandfrei. Mehr als mit dem bloßen Auge aus der Luftschleuse war allerdings auch nicht zu erkennen.

»Lange kann es nicht mehr dauern, dann haben sie alles drüben.«

»Du vergißt, Fartuloon, daß noch eine Menge Zeug im Laderaum ist. Zwei oder drei Stunden wird es also noch dauern.«

Und wieder warteten sie.

*

Da sie Hunger verspürten, unternahm Far­tuloon einen Rundgang. Er fand nach eini­gem Umherirren auch die Küche und die Vorratsräume. Als er in die Zentrale zurück­kam, breitete er seine Beute auf einem Tisch aus und meinte:

»Ich muß wohl an die Sachen für die bes­seren Leute geraten sein, denn ich kann mir nicht denken, daß Denc-Mons seine Männer derart verwöhnt. Nun ja, für uns ist es gera­de gut genug …«

Und ohne sich weiter aufzuhalten, begann er zu essen.

Atlan folgte seinem Beispiel. Als er dann wieder längere Zeit auf den

Bildschirm sah, fiel ihm auf, daß jene Arko­niden, die mit ihren Lasten im Innern der Höhle verschwunden waren, nicht mehr aus ihr zurückkamen.

»Was hat denn das nun wieder zu bedeu­ten?« fragte Fartuloon kauend. »Sind sie mit der Arbeit fertig?«

»Sieh mal im Laderaum nach«, schlug At­lan vor. »Ich habe anhand der Kontrollen hier ein dreimaliges Öffnen der Luftschleuse registriert. Es ist also durchaus möglich, daß sie alles, was in dem Laderaum war, zum Asteroiden geschafft haben.«

Fartuloon nahm sich vorsichtshalber noch eine geöffnete Dose zartes Kumufleisch mit und verschwand. Atlan hörte ihn über den Telekom schmatzen und unverständliche

Worte murmeln. Wahrscheinlich paßte ihm der Verdauungsspaziergang nicht.

Dann aber teilte er mit: »Wahrhaftig, du hast richtig vermutet.

Der Raum ist leer. Sie haben alles hinausge­schleppt, was nicht niet- und nagelfest war. Sogar einige Metallregale haben sie mitge­nommen. Sieht ganz so aus, als hätten sie ziemlich wahllos gehandelt.«

»Bei ihrem Zustand kein Wunder. Du kannst dort warten. Ich komme, und dann sehen wir uns den Asteroiden an, um dann … nein, warte!«

»Warum, was ist los?« »Ich sehe gerade drei der Händler im

Höhlenausgang erscheinen. Einer deutet zu uns herüber. Sie tragen Waffen. Vorher hat­ten sie keine.«

»Dann warten wir lieber. Ich komme so­fort!«

Die drei Arkoniden schalteten ihre Aggre­gate ein und verließen die Oberfläche des Asteroiden. Viel Energie benötigten sie nicht dazu, obwohl Atlan inzwischen durch Messungen festgestellt hatte, daß die Schwerkraft in Relation zum Durchmesser hoch war. Das konnte seine Ursache nur in dem erstaunlich hohen Metallgehalt des Pla­netoiden haben.

Die drei Männer schwebten langsam auf die NEKOR zu und gerieten dann aus dem Sichtbereich der Kameras. Wenig später zeigten die Kontrollen das Öffnen der Luft­schleuse an.

»Ob sie unseretwegen kommen?« fragte Fartuloon, der inzwischen längst wieder in der Zentrale war.

»Möglich. Jedenfalls scheinen sie noch unter dem unbekannten Einfluß zu stehen. Vielleicht erhielten sie einen Auftrag.«

»Einen Auftrag? Du glaubst doch nicht et­wa …«

»Möglich ist alles, Fartuloon. Jedenfalls müssen wir vorsichtig sein. Wir bleiben hier. Die Zentrale läßt sich gut verteidigen.«

»Die Phantasie geht mit dir durch!« »Abwarten!« Über den eingeschalteten Interkom ver­

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folgten sie das Verhalten der drei Arkoni­den. Sie durchsuchten den Laderaum und die anderen Abteilungen des Schiffes, und dabei hielten sie ihre Waffen schußbereit in den Händen.

Atlans Befürchtung bestätigte sich. »Wir könnten die Zentrale abriegeln«,

schlug Fartuloon vor. »Natürlich könnten wir das, aber dann

würden wir niemals etwas erfahren. Wir müssen versuchen, sie zum Sprechen zu bringen. Das wird nicht so einfach sein, aber vielleicht genügt ein Schock.«

Sie hatten nun ebenfalls ihre Waffen ge­zogen und auf Narkosewirkung geschaltet. Auf keinen Fall wollten sie ihre zukünftigen Verbündeten verletzen oder gar töten. Um sie jedoch überraschen zu können, galt es, ein sicheres Versteck zu finden, von dem aus sie den ganzen Raum mit den Narkose­strahlen bestreichen konnten.

»Nebenan in der Funkzentrale, Atlan. Wir lassen die Tür geöffnet. Sobald sie dann in die Kommandozentrale kommen, geben wir es ihnen.«

»Ich möchte vorher einen Kontaktversuch unternehmen.«

»Gut, aber ich halte das für zwecklos. Wenn sie unter Hypnose – oder was auch immer – handeln, werden sie keine einzige Frage beantworten.«

Durch ständiges Umschalten des schiffs­eigenen Interkoms behielten sie die drei Ar­koniden im Auge. Sie suchten mit verblüf­fender Genauigkeit und Ausdauer und ließen keinen Winkel außer acht. Darum dauerte es auch bald weitere zwei Stunden, bis sie sich auf dem Hauptkorridor der Kommandozen­trale näherten.

»Ich habe schon wieder Hunger«, mur­melte Fartuloon und warf einen begehrli­chen Blick auf die verbliebenen Vorräte.

»Daran hättest du eher denken sollen. Sie sind bald hier.«

Sie standen rechts und links von der Fun­kraumtür. Der Eingang zur Zentrale war gut zu sehen, wenn auch ein wenig von der Seite her. Auf dem Bildschirm stand der Asteroid.

Clark Darlton

Nichts bewegte sich auf ihm. Endlich waren Geräusche zu vernehmen.

Sehr vorsichtig waren die drei Arkoniden gerade nicht. Arglos betraten sie den großen Raum und sahen sich suchend um.

Atlan nickte Fartuloon warnend zu, jetzt nicht voreilig zu handeln. Die beiden Män­ner verstanden sich auch ohne Worte. Sie kannten sich nun schon lange genug.

Atlan trat ein wenig vor und sorgte dafür, daß Fartuloon freies Schußfeld hatte, um ihn notfalls decken zu können. Den Lauf seiner eigenen Waffe auf einen der Arkoniden ge­richtet, fragte er:

»Bleibt ganz ruhig, Freunde! Könnt ihr mich verstehen?«

Unter normalen Umständen hätten sie ihn natürlich verstehen müssen, denn schließlich sprach er ihre Sprache. Jedenfalls hörten sie seine Stimme und reagierten, indem sie überrascht herumfuhren.

»Nicht weiter bewegen!« warnte Atlan. »Wer hat euch geschickt?«

Er hätte sich gewundert, eine Antwort zu erhalten. Die Arkoniden handelten wie vor­auszusehen war, bis auf eine Ausnahme.

Zwei rissen sofort ihre Strahler hoch, die auf tödliche Energiebündel geschaltet war, wie die grell leuchtende Kontrollampe ver­riet. Ehe sie jedoch den Feuerknopf ein­drücken konnten, erwischte sie Fartuloons Narkosefeld. Gelähmt sanken sie zu Boden, für einige Stunden bewußtlos und außer Ge­fecht gesetzt.

Der dritte hingegen brachte sich mit ei­nem unglaublich schnellen Satz in Sicher­heit. Er hechtete durch die offenstehende Eingangstür in den Korridor hinaus, verlor dabei aber nicht seine Waffe. Er entfernte sich hastig.

Fartuloon verließ seine Deckung. Er deu­tete auf die beiden Narkotisierten.

»Mit denen läßt sich im Augenblick nicht viel anfangen, es sei denn, wir warten die paar Stunden.«

»Los, hinter dem dritten her!« rief Atlan ihm zu. »Er darf das Schiff nicht verlassen und Verstärkung holen!«

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Schon bei der dritten Abzweigung wurde ihnen klar, daß sie einen Fehler begangen hatten. Statt aufs Geratewohl hinter dem Flüchtigen herzulaufen, hätten sie ihn von der Zentrale aus über den Interkom im Auge behalten und seinen Weg verfolgen können. Vor allen Dingen wäre es aber möglich ge­wesen, sämtliche Luftschleusen positronisch zu verriegeln und die einzelnen Sektionen des Schiffes abzusperren.

Fartuloon war stehengeblieben. »Wo steckt er jetzt? Er kann überall sein.« »Das Schiff ist groß genug. Ein einzelner

Mann könnte sich hier wochenlang versteckt halten. Aber ich nehme an, er wird zum Asteroiden zurückkehren wollen.«

»Er hat den Auftrag, uns zu töten«, erin­nerte ihn Fartuloon ernst. »Also ist er noch im Schiff und wird auch bleiben. Unser großer Unbekannter wird weitere program­mierte Mörder schicken, wenn sein erster Versuch fehlschlägt. Wir müssen die Schleusen sichern.«

»Vielleicht hast du recht«, gab Atlan zu und machte auf dem Absatz kehrt. »Zurück in die Zentrale!«

Sie kamen keine Sekunde zu früh. Das Aufleuchten einiger Kontrollampen

verriet, daß jemand die Innenluke der Frachtschleuse schloß und die Absaugpum­pe in Betrieb nahm. Atlan, der Zeit genug hatte, sich mit den Kontrollen der NEKOR vertraut zu machen, sicherte die Außenluke. Sie ließ sich nun nicht mehr manuell öffnen oder schließen, auch nicht von außen.

»So, nun sitzt er in der Falle«, freute sich Fartuloon. »Schalte den Interkom ein, viel­leicht reagiert er auf ein Angebot von uns.«

Der Arkonide bemerkte sehr schnell, daß er die Außenluke nicht mehr öffnen konnte. Er ließ wieder Luft in die Schleusenkammer strömen, nahm den Helm ab und huschte in den Laderaum zurück. Obwohl Atlan ver­suchte, ihm mit dem Interkom zu folgen, verlor er ihn bald vom Bildschirm.

»Aus dem Schiff kann er nun nicht mehr, und wenn wir alle Kameras eingeschaltet lassen, muß er sich früher oder später verra­

ten.« »Ich unternehme einen Spaziergang«, bot

Fartuloon an. »Behalte mich im Auge.« Atlan widersprach nicht. Es hatte wenig

Sinn, stundenlang untätig in der Komman­dozentrale zu warten, bis der Arkonide die Freundlichkeit hatte, sich freiwillig zu verra­ten.

»Sei vorsichtig, sein Strahler ist auf Ver­nichtung geschaltet.«

»Das habe ich nicht vergessen«, knurrte Fartuloon und zog ab.

Atlan verfolgte seinen Weg auf den klei­nen Interkom-Schirmen, vergeblich versuch­te er, sich Dutzende von Fragen zu beant­worten, aber es gab einfach zu wenig An­haltspunkte, die eine vernünftige Theorie er­laubt hätten. Der Asteroid jedenfalls spielte eine entscheidende Rolle, daran bestand kein Zweifel.

Zum ersten Mal kam Atlan der Gedanke, es könne sich vielleicht um einen künstli­chen Himmelskörper handeln, den man als Asteroiden getarnt hatte. Eine perfekte Raumschiffalle also. Der ungewöhnlich ho­he Gehalt an Metall und Legierungen schien diese Vermutung nur zu bestätigen.

Aber wer sollte sich die Mühe gemacht haben, eine solche »Station« zu erbauen? Und zu welchem Zweck?

Darauf, so mußte Atlan sich eingestehen, gab es keine Antwort.

Fartuloon hatte sich inzwischen fünfzig Meter von der Kommandozentrale entfernt und näherte sich den Sektionen in der Nähe des Antriebswulsts. Er wußte, daß Atlan ihn ständig beobachtete, sofern er nicht gerade in den toten Winkel zweier Kameras geriet.

Der im Schiff untergetauchte Arkonide stand zwar unter dem Einfluß einer unbe­kannten Macht, aber sein bisheriges Verhal­ten ließ darauf schließen, daß er in bestimm­ten Grenzen selbständig handelte. Er würde also auch wissen, daß man ihn von der Kommandozentrale aus über den Interkom beobachten konnte. Um seinen Auftrag er erfüllen, würde er diese Tatsache berück­sichtigen und entsprechend vorsichtig sein.

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Eine weitere Beobachtung bereitete Fartu­loon Sorgen: die Augen der drei program­mierten Mörder waren lebendig gewesen, nicht so stumpf und leer wie vorher, als der Frachter entladen wurde. Dieser Unterschied zeigte deutlich, daß es mehrere Methoden der Beeinflussung gab.

Die letztere war zweifellos die gefährlich­ste.

Fartuloon ließ sich zu Boden fallen und hinter einen Generator rollen, als er das Ge­räusch hörte. Keine Sekunde später, und er wäre tot gewesen, zerstrahlt von einem Energiebündel, das dicht über ihn hinweg­zischte. Der Gestank verbrannten Isolierma­terials erfüllte den Raum.

Fartuloon sah nur noch, wie der heim­tückische Schütze Deckung hinter einem Schaltblock fand. Dazwischen lag ein freies Stück Korridor und der einzige Ausgang.

»Bleib liegen!« sagte Atlan. Seine Stim­me kam aus einem verborgenen Lautspre­cher. »Ich kann ihn sehen, dich auch. Er kann nicht weg, ohne daß auch du ihn siehst.«

Fartuloon löste den geöffneten Helm vom Anzug und legte ihn neben sich auf den Bo­den, um mehr Bewegungsfreiheit zu erhal­ten. Die Frage war, wie er den Arkoniden aus der Deckung locken konnte.

Ob er überhaupt ansprechbar war? »Warum willst du mich töten?« fragte er,

blieb aber wachsam wie bisher. »Wer gab dir den Auftrag dazu? Wollen wir nicht dar­über reden?«

Es blieb eine Minute lang ruhig, dann sag­te Atlan:

»Es scheint sinnlos zu sein, Fartuloon. Man hat ihn nicht für eine Diskussion und Argumente programmiert. Nur auf töten. Du mußt versuchen, ihn zu erwischen. Narkose­strahlen werden durch metallische Hinder­nisse nicht merklich abgeschwächt …«

Fartuloon begriff den Hinweis und han­delte sofort.

Er wußte ungefähr, hinter welchem Block der Arkonide Schutz gesucht hatte, und kannte die Richtung. Vorsichtig schob er

Clark Darlton

sich ein Stück nach vorn, seinen Strahler vor sich herschiebend. Dann lag der Korridor und der Generatorenraum frei vor ihm. Er drückte auf den Feuerknopf. Das breitfächri­ge Energiebündel bestrich einen Sektor, in dem sich zwei Dutzend Männer hätten auf­halten können.

Dann kroch er schnell in seine Deckung zurück.

»Nun?« fragte er in Richtung der Inter­kom-Schaltstelle.

»Du hast ihn erwischt, aber nicht vollstän­dig. Er scheint einen Krampf zu haben, die Waffe hat er wenigstens verloren und kann sie nicht mit den Händen ergreifen. Ich glau­be, du gehst kein Risiko ein, wenn du ihn jetzt überrumpelst. Aber mach schnell …!«

Fartuloon überlegte nicht lange. Mit ei­nem Satz war er aus seiner Deckung und rannte geduckt auf den Schaltblock zu und um ihn herum. Der Arkonide krümmte sich am Boden und versuchte, die ihm entfallene Waffe mit den Händen an sich zu ziehen.

Fartuloon stieß sie mit dem Fuß zur Seite und bückte sich.

Der Mann war halb gelähmt, hatte aber das Bewußtsein nicht verloren. Die Strahlen­dosis war nicht stark genug gewesen, aber sie hatte erreicht, ihn für einige Zeit außer Gefecht zu setzen.

»Wer hat dich geschickt?« wiederholte Fartuloon seine Frage.

Der Mann gab seine Versuche auf, an die Waffe zu gelangen. Er starrte Fartuloon an, als habe er seine Frage nicht verstanden. Dann ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper, und eine Sekunde später sackte er zusammen. Die Augen blieben weit geöffnet und blickten an Fartuloon vorbei ins Leere.

Er war bewußtlos geworden. »Manipuliert!« sagte Atlan, der den Vor­

fall beobachtet hatte. »Er bekam den Befehl, die Besinnung zu verlieren. Warum diese unbekannte Macht das nicht auch mit uns tut, ist mir schleierhaft, aber vielleicht ist ei­ne gewisse Vorprogrammierung notwen­dig.«

»Kann auch sein, daß wir noch nicht lan­

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ge genug hier sind und der Einfluß erst nach einer gewissen Zeitspanne möglich ist. Ver­giß nicht, daß der Frachter schon ein paar Tage hier auf uns wartet.«

Fartuloon narkotisierte den bereits be­wußtlosen Arkoniden vorsichtshalber noch einmal, damit er nicht erwachen konnte, auch wenn er den Befehl dazu erhielt, und ging, zurück zu Atlan.

»Ich glaube«, sagte er, »wir müssen etwas unternehmen.«

Atlan nickte. »Ja, und ich habe mir auch schon etwas

ausgedacht …«

2.

Der Frachter NEKOR verfügte über so gut wie keine Bewaffnung, aber er besaß einen fast modernen Narkosestrahler, der auf dem oberen Pol montiert war. Er ließ sich von der Kommandozentrale aus bedienen.

»Wenn wir den verdächtigen Sektor des Asteroiden bestreichen, setzen wir auf jeden Fall die beeinflußten Arkoniden außer Ge­fecht. Vielleicht auch den Unbekannten, der sie in seiner Gewalt hat.«

»Wenn er reden kann, muß er mir ein paar Fragen beantworten«, kündigte Fartuloon an. »Ich gäbe zwei Pfund meines kostbaren Gewichts dafür, endlich zu erfahren, was hier los ist.«

»Sei nicht so geizig«, riet Atlan trocken. »Kommst du mit dem Feuerleitstand klar?«

»Den übernehme ich schon, keine Sorge.« »Gut. Nach fünf Minuten Dauerbeschuß

sollten wir unser Ziel erreicht haben. Kein Organismus bis zu drei Kilometer unter der Oberfläche dürfte dann noch aktionsfähig sein.«

»Das Gestein schwächt die Leistung der Bestrahlung ab …«

»Darum die fünf Minuten, Fartuloon. Aber selbst wenn die Wirkung nur eine Stunde anhalten sollte, müßte das genügen.«

»Was ist mit dem Beiboot? Können wir es einfach zurücklassen?«

Atlan antwortete nicht sofort, denn die

Entscheidung war nicht einfach. Wenn die Besatzung wider Erwarten die Narkotisie­rung schneller als vorausgesehen überwand, konnte sie mit der NEKOR davonfliegen und das Beiboot mitnehmen. Auf der ande­ren Seite war der Asteroid ein absolut unbe­kannter Faktor.

Trotzdem … »Wir nehmen das Beiboot mit und verber­

gen es in einer der vielen Felseinschnitte. Je­denfalls sind wir dann von der NEKOR un­abhängig. Mach dich an die Arbeit, Fartu­loon. Ich glaube nicht, daß wir viel Zeit ver­lieren dürfen.«

Auf dem Panoramaschirm hatte sich das Bild des Asteroiden nicht verändert. Von Denc-Mons und seinen Leuten war nichts zu sehen. Sie waren in der größten Höhle ver­schwunden und nicht mehr zum Vorschein gekommen. Vielleicht schickte der Unbe­kannte ein zweites Killerkommando …

»Fertig!« gab Fartuloon vom Nebentisch her bekannt. Er deutete auf die Kontrollen des Feuerleitstands.

»Dann fang an!« riet Atlan. Der Bildschirm bot keinen Anhaltspunkt,

ob die Bestrahlung mit dem Narkosege­schütz überhaupt sinnvoll war. Wo sich nichts bewegte, konnte auch keine Bewe­gung aufhören. Fartuloon ließ den nur als schwach flimmernden Fächer erkennbaren Strahl langsam über die Oberfläche des Asteroiden wandern und konzentrierte ihn in erster Linie auf den Höhleneingang, in dem die Arkoniden verschwunden waren.

Die fünf Minuten schienen zur Ewigkeit zu werden.

Kurz vor Beendigung der Aktion löste At­lan die positronische Sperre der Außenlu­ken. Dann verließen sie die Kommandozen­trale und beeilten sich, den Laderaum zu er­reichen.

Das Beiboot befand sich unverändert in seiner Verankerung. Sie stiegen ein und neu­tralisierten sie. Das kleine Schiff trieb lang­sam ab und geriet sofort in den überwiegen­den Schwerebereich des Asteroiden, auf den es dann mit unmerklicher Beschleunigung

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zufiel. Sie landeten oberhalb des Höhlenplateaus

in einer lichtlosen Schlucht, die Deckung nach allen Seiten und auch nach oben bot. Ein Felsüberhang sorgte dafür. Nach den üb­lichen Vorbereitungen gingen sie dann aus dem Schiff und sicherten es gegen das Ein­dringen Unbefugter ab. Um sich nicht zu verraten, ließen sie den Telekom der Anzüge abgeschaltet, blieben aber auf Empfang. Sie verständigten sich durch Zeichensprache.

Atlan hatte das Gelände vor der Landung sehr aufmerksam studiert, so daß der Ab­stieg keine Schwierigkeiten bereitete. Au­ßerdem war die Gravitation so gering, daß selbst ein Absturz nichts geschadet hätte.

Ohne Zwischenfall erreichten sie das Pla­teau.

Jetzt erst konnten sie sehen, daß die Arko­niden bei ihrer Umladetätigkeit nicht gerade sorgfältig zu Werke gegangen waren. Über­all lagen vereinzelte Gegenstände herum, die man verloren und nicht wieder eingesam­melt hatte. Zwei geborstene Kisten verrie­ten, mit welcher Unachtsamkeit man gear­beitet hatte.

Fartuloon machte erregte Handzeichen und deutete dann auf einen Gegenstand, der etwas abseits an der Felswand lag. Atlan kam näher und betrachtete ihn. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals etwas Ähnliches gesehen zu haben. Es mußte sich um ein technisches Gerät unbekannter Herkunft handeln. Von den Arkoniden jedenfalls stammte der Gegenstand nicht.

»Fremde Zivilisation«, signalisierte Fartu­loon.

Atlan nickte und gab dann das Zeichen zum Eindringen in die große Höhle.

Es war unmöglich festzustellen, ob die Höhle natürlichen Ursprungs oder künstlich entstanden war. Die Wände bestanden aus Fels, der keinerlei Spuren einer Bearbeitung zeigte, trotzdem erschienen sie Atlan so re­gelmäßig. Je weiter sie vordrangen, um so mehr verstärkte sich dieser Eindruck.

Fartuloon schaltete seine Helmlampe an, als seine Füße gegen ein Hindernis stießen.

Clark Darlton

Wieder war es ein Gegenstand, der von der NEKOR stammen mußte. Oder von einem anderen arkonidischen Schiff. Dicht dane­ben, unmittelbar an der Felswand, lag ein Raumhelm, der auf keinen arkonidischen Kopf gepaßt hätte.

War es den Besatzungen fremder Schiffe ebenso ergangen wie jener der NEKOR?

Und warum …? Das Rätsel wurde mit jedem Schritt, den

Atlan und Fartuloon machten, größer. Die Schwerkraft nahm außerdem zu.

*

Fartuloon, der zur Abwechslung die Füh­rung übernommen hatte, blieb plötzlich ste­hen und hob warnend seine Hand. Atlan hielt ebenfalls an.

Der Höhlengang verbreiterte sich. Weiter vorn war ein schwacher Lichtschein zu se­hen. Fartuloon löschte seine Lampe.

Der Gang mündete in einer Art Halle. Auf der gegenüberliegenden Seite verlief der Gang weiter. Die Außenmikrophone der Raumanzüge nahmen kein Geräusch auf, was angesichts der fehlenden Atmosphäre nicht verwunderlich war. Aber auch in den Funkempfängern war es still. Nicht einmal eine Störung war zu hören.

In der Halle lag die Besatzung der NE­KOR so wie sie von der Narkosestrahlung ihres eigenen Schiffes überrascht worden war. Einige der Männer waren mit ihrer Last zu Boden gestürzt. Drei oder vier Kisten und Ballen waren geborsten, der Inhalt am Bo­den der Halle verstreut.

Zum ersten Mal kam Atlan der Gedanke, daß die unbekannte Macht lediglich befeh­len und programmieren, nicht aber selbst handeln konnte. Sie benötigte Hilfskräfte und willig gehorchende Sklaven. In logi­scher, Konsequenz war sie demnach im Au­genblick hilflos, wenn auch die Frage offen blieb, warum sie sich der Eindringlinge At­lan und Fartuloon nicht bemächtigte.

Gab es etwas, das sie daran hinderte? Fartuloon signalisierte:

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»Gehen wir weiter? Hier können wir nicht helfen.«

Ehe Atlan antworten konnte, wurde er durch eine Leuchterscheinung unterbrochen, die in der Dunkelheit des gegenüberliegen­den Ganges sichtbar wurde.

Sie näherte sich schnell, und dann stand in der Halle plötzlich eine schnell rotierende Lichtsäule.

Sie war nicht besonders groß und wirkte auch nicht gefährlich. Sie schwebte mit ih­rem unteren Ende etwa einen halben Meter über dem Felsboden und bewegte sich lang­sam, fast wie suchend, durch die Halle.

Wenig später erschienen andere Lichtsäu­len und näherten sich den bewußtlosen Ar­koniden. Atlan und Fartuloon wurden igno­riert.

Sie begannen nun schneller zu rotieren und sahen jetzt mehr wie Energiewirbel aus, die sich mit einer ganz bestimmten Absicht bewegten. Bald wurde diese Absicht auch klar.

Atlan glaubte seinen Augen nicht zu trau­en, als er sah, was die merkwürdigen Licht­erscheinungen taten. Einzeln nahmen sie sich die bewußtlosen Arkoniden vor, als handelten sie koordiniert oder würden fern­gesteuert. Trotz der herrschenden Atmo­sphärelosigkeit wirkten die Wirbel wie sau­gende Trichter. Jeder Gegenstand, den die Raumfahrer bei sich trugen, verließ seinen Besitzer und wurde von der Lichtsäule auf­genommen und davongetragen.

Die Raumanzüge selbst und organische Materie blieben verschont.

Atlan und Fartuloon standen eng an die Felswand geschmiegt und versuchten das Geschehen zu begreifen.

Die Energiewirbel gingen systematisch vor und vergaßen keinen der bewußtlosen Arkoniden. Einige verschwanden in dem Gang, der zur Oberfläche des Asteroiden führte, und als sie zurückkehrten, brachten sie jene Gegenstände mit, die dort beim Transport verlorengegangen waren. Sie schwebten an Atlan und Fartuloon vorbei und tauchten auf der anderen Seite der Halle

in dem weiterführenden Korridor unter. Atlan schaltete nun auch den Sender des

Telekoms ein. »Hast du dafür eine Erklärung, Fartuloon?

Was ist das?« Es dauerte einige Sekunden, ehe Fartu­

loon antwortete: »Ich habe nicht die geringste Ahnung.

Was hier vor sich geht, scheint absolut sinn­los zu sein, und wenn eine bestimmte Ab­sicht dahintersteckt, so haben wir sie nicht begriffen. Wir müssen diesen Lichterschei­nungen folgen, dann finden wir vielleicht mehr heraus.«

»Und was ist mit den Arkoniden?« »Die werden von selbst wieder wach.

Aber wir müssen wissen, was hier passiert.« Sie warteten, bis wieder einige Wirbel mit

Beutegut erschienen, quer durch den Saal schwebten und auf der gegenüberliegenden Seite im Gang verschwanden. Eilig folgten sie ihnen, ohne die Lampen einzuschalten. Die Wirbel gaben genügend Licht, und es war nicht schwer, sie im Auge zu behalten.

Der Gang verlief nicht gerade, sondern in Windungen. Es gab keine Abzweigungen. Die Wände verloren ihren Felscharakter und wurden absolut glatt, ebenso die Decke und der Boden. Das Material bestand aus einem unbekannten Kunststoff.

Atlan hob verwundert die Hand, als es vorn plötzlich hell wurde. Die Energiewirbel hoben sich kaum noch gegen das grelle Licht ab, dem sie entgegenschwebten.

»Der Gang wird breiter«, sagte Fartuloon. »Jetzt werden wir gleich wissen, was hier gespielt wird.«

»Vielleicht«, gab Atlan wortkarg zurück und ging langsam weiter.

Und dann standen sie am Eingang zu ei­ner riesigen Halle.

*

Die Maschinen und Anlagen, gewaltig in ihren Ausmaßen, waren fremd. Ihr Zweck war nicht einmal zu erahnen. Lediglich ein in blassem Blau schimmernder Lichtbogen

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weckte in Atlan eine dumpfe Erinnerung, aber sie blieb vorerst noch nicht greifbar im Unterbewußtsein. Außerdem handelte es sich nicht, wie er im ersten Augenblick an­genommen hatte, um einen Bogen, sondern mehr um einen Lichtkreis, der in geringer Höhe über einem mächtigen Gebilde schwebte, das entfernt an eines der typi­schen Wohnhäuser auf Arkon erinnerte – an einen Trichter, der auf der Spitze stand.

Die Energiewirbel schwebten mit ihren Lasten auf den Lichtkreis über der Trichter­öffnung zu, und als sie genau darüber waren, ließen sie einfach alles fallen, was sie her­beigeschleppt hatten.

Ballen, Kisten und einzelne Gegenstände fielen in den Trichter hinein – und ver­schwanden.

Ohne sich um Atlan und Fartuloon zu kümmern, die sich schutzsuchend gegen die glatte Kunstwand preßten, glitten die Wirbel an ihnen vorbei und tauchten im Gang unter. Andere kamen, und das seltsame Schauspiel wiederholte sich.

»Das ist doch nicht möglich!« Fartuloon war hinter der transparenten Sichtscheibe seines Raumhelms blaß geworden. »Der Trichter – ist das …?«

»Ja, ein Transmitter«, bestätigte Atlan tonlos. »Und die Energiewirbel handeln nach einem vorherbestimmten Plan. Es müs­sen Roboter sein.«

»Energetische Roboter …?« Fartuloon unterdrückte seine Zweifel keineswegs. »Wer sollte sie geschaffen haben? Und zu welchem Zweck?«

»Diebstahl!« »Diebstahl?« »Alles deutet darauf hin. Der Asteroid ist

eine Art Falle. Jemand hat ihn dazu ausge­baut, wenn er nicht überhaupt eine lediglich als Asteroid getarnte Konstruktion ist. Raumfahrer, die sich ihm nähern, werden durch unbekannte Mittel beeinflußt und zu willenlosen Helfern gemacht. Sie entladen ihr Schiff, wie wir es beobachten konnten. Die Energiewirbel sammeln alles ein und werfen es in den Transmitter. Die große Fra-

Clark Darlton

ge ist: wo kommt es wieder heraus?« »Ich habe zwei größere Fragen, Atlan:

wer steckt dahinter? Und: warum werden wir nicht auch beeinflußt?«

»Ich habe weder eine Antwort noch eine Vermutung. Vielleicht ist es ratsam, wir ver­schwinden so schnell wie möglich von hier, bringen die Arkoniden zurück in die NE­KOR und versuchen, einigen von ihnen wie­der auf die Beine zu helfen. Und dann nichts wie weg!«

»Und das hier?« Fartuloon deutete auf die rätselhafte Anlage. »Haben wir schon jemals darauf verzichtet, ein solches Geheimnis zu ergründen, wenn sich uns die Gelegenheit bot? Diese kosmische Falle ist nur hundert Lichtjahre von Arkon entfernt. Es kann mehrere dieser Art geben, und sie alle be­deuten eine Gefahr. Ich bin nicht dafür, ein­fach zu verschwinden.«

Atlan sah zwei Energiewirbeln nach, die einen größeren Gegenstand schleppten und durch den Lichtkreis über dem Trichter fal­len ließen. Er entmaterialisierte und ver­schwand im Nichts.

»Vielleicht hast du Recht, Fartuloon, aber ich frage dich, wo wir mit den Nachfor­schungen beginnen sollen. Sie kümmern sich nicht um uns. Sie tun so, als gäbe es uns nicht. Wie sollen wir überhaupt Kontakt mit ihnen aufnehmen?«

»Nicht mit ihnen! Mit jenen, die sie leiten und programmieren.«

»Aber wo sind sie?« Fartuloon grinste schwach. »Ich frage mich, wer sie sind.« Der Transmittertrichter stand in der Mitte

der Halle. Die Wände des riesigen Raumes waren von Schalttafeln und Instrumenten bedeckt, die in Form und Konstruktion fremd waren. Vielleicht handelte es sich um Kontrollanlagen zur Bedienung des Trans­mitters. Oder wurden durch sie die Ener­gieroboter gesteuert und programmiert?

»Wir können nicht einfach hier stehen bleiben«, drängte Fartuloon, den der Eifer des Forschers packte. »Wir müssen an dem Trichter vorbei. Siehst du auf der anderen

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Seite der Halle das komische Ding?« Atlan hatte es schon bemerkt. Er nickte. »Dachte ich mir schon, daß es dich neu­

gierig machen würde. Also, gehen wir.« Im Augenblick war nur ein einziger Ener­

giewirbel sichtbar. Er ließ seine Beute gera­de in den Trichter fallen und verschwand wieder in dem Gang, durch den er gekom­men war. Atlan und Fartuloon durchquerten den Saal und hielten sich dann dicht an der rechten Wand mit den Instrumenten und Kontrollanlagen. Ihr Ziel war die auf ihrer Schnittfläche ruhende Halbkugel, die durch eine armdicke silberglänzende Leitung mit der Decke des Saals verbunden war. Ihre Höhe mochte im Scheitelpunkt etwa zehn Meter betragen.

Das Gebilde konnte eine energieerzeugen­de Anlage sein, aber nichts wies darauf hin, daß es das wirklich war. Soweit Atlan an seinen Instrumenten ablesen konnte, gab es keine Strahlung ab. Auch keine Vibration. Es schien tot zu sein.

Der Durchmesser der Halbkugel betrug an der Grundfläche zwanzig Meter. Atlan und Fartuloon gingen einmal herum, ohne aller­dings etwas Brauchbares zu entdecken. Die Hülle bestand aus glattem Metall, und es gab weder Vorsprünge noch Vertiefungen. Das Ding stand da und schien keinen erkennba­ren Zweck zu erfüllen.

»Was kann das sein?« Fartuloon zuckte die Schultern. »Ich weiß, es handelt sich bei den Kon­

strukteuren um eine uns absolut unbekannte Zivilisation, darum lassen sich keine Ver­gleiche anstellen. Trotzdem … mich erinnert das Gebilde an ein Robotgehirn. Vielleicht ist es das auch.«

Atlan schüttelte ungläubig den Kopf. »Eine metallene Halbkugel ohne jedes In­

strumentarium? Wie sollte es arbeiten? Es muß etwas anderes sein. Aber was?«

»Du vergißt die Zuleitung. Sie verschwin­det in der Decke. Wohin führt sie – und was ist an ihrem anderen Ende?«

»Der eigentliche Programmierer«, vermu­tete Atlan.

Er schwieg und machte Fartuloon ein Zei­chen, ebenfalls still zu sein, als er etwa ein Dutzend Energiewirbel in ihre Richtung kommen sah. Sie trugen keine Lasten – und drehten sich links herum.

Sie näherten sich und veränderten ihre Formation. Zwischen ihnen entstand eine flimmernde Wand, die sie miteinander ver­band. Als Atlan den ersten Schockimpuls durch seinen Körper fließen spürte, ahnte er die Gefahr.

»Weg!« rief er Fartuloon zu, dessen Ge­sicht schmerzhaft verzerrt war. »Sie haben es auf uns abgesehen …«

Aber es war zu spät zur Flucht. Die stoßweise einsetzenden Schockimpul­

se wirkten lähmend, beeinflußten aber weder Bewußtsein noch Denkvermögen. Die flim­mernde Wand schloß die beiden Männer ein, so daß es kein Entkommen mehr gab.

Die Energiewirbel handelten zielbewußt und koordiniert.

Sie hatten Atlan und Fartuloon gefangen­genommen.

*

Weiter geschah vorerst nichts. »Ich kann mich wieder bewegen«, sagte

Fartuloon nach einiger Zeit, »aber näher als bis auf drei Meter darf ich mich den Wirbeln nicht nähern. Dann wird der Schmerz uner­träglich.«

»Was haben sie mit uns vor? Sie können uns doch nicht ewig so festhalten.«

Diesmal erhielten sie wenigstens eine hal­be Antwort auf ihre Fragen, wenn sie auch keineswegs befriedigend war. Atlan glaubte zuerst, er müsse sich täuschen, als er lautlo­se Worte in seinem Bewußtsein »hörte« und gleichzeitig das nagende Bohren im Gehirn verspürte.

Irgend etwas versuchte, sich ihm ver­ständlich zu machen.

Irgend etwas? Sein Blick fiel unwillkürlich auf die riesi­

ge Halbkugel, von der er durch die flim­mernde Wand der Energiewirbel getrennt

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war. Die Worte und Begriffe, die er aufnahm,

ergaben keinen Sinn. »Telepathie«, murmelte Fartuloon und

fügte dann hinzu: »Oder wohl mehr Hypno­telepathie. Gleich wird man uns befehlen, die Taschen auszuleeren.«

Atlan überzeugte sich, daß sein Impuls­strahler fest in der Gürteltasche steckte und gesichert war. Er war fest entschlossen, die Waffe nicht aus der Hand zu geben, konnte sich aber nicht sicher sein, ob er einem hyp­notischen Befehl widerstand.

»Wer will Kontakt mit uns aufnehmen?« fragte er laut. Er wußte, daß nur Fartuloon ihn über Telekom verstehen konnte, aber wenn der unbekannte Partner ein Telepath war, würde er ihn verstehen. »Wir sind be­reit dazu.«

Es erfolgte keine konkrete Antwort, nur wurde das drängende Bohren im Gehirn stärker und intensiver. Atlan kam der Ge­danke, daß er und Fartuloon in der Tat wi­derstandsfähiger waren als die Arkoniden, die ohne Widerstand ihr Schiff entladen hat­ten. Vielleicht war das der Grund dafür, daß sie bisher noch nicht unter den Einfluß des Unbekannten geraten waren.

Der erste klar verständliche Gedankenim­puls war ein Begriff, mit dem er nichts an­fangen konnte.

Murlen! Wer oder was waren Murlen? Handelte es

sich um einen Namen? »Hast du es mitgekriegt?« fragte Fartu­

loon. »Murlen! Was ist denn das?« »Nie gehört«, gab Atlan zurück und kon­

zentrierte sich mehr als bisher auf die ein­treffenden Impulse. »Nicht reden jetzt!«

Es schien klar zu sein, daß die flimmernde Trennwand der Energiewirbel die Gedan­kenimpulse abschwächte, vielleicht sogar entstellte. Gleichzeitig nahm Atlan das als Beweis dafür, daß die Halbkugel diese Im­pulse abstrahlte.

Aber die Kugel konnte kein organisches Wesen sein, denn sie bestand, zumindest in ihrem Äußeren, aus Metall. Wie sie in ihrem

Clark Darlton

Innern aussah, entzog sich jeder Spekulati­on.

Fartuloon rief plötzlich: »Ich werde leichter! Läßt die Gravitation

nach?« Atlan, in seiner Konzentration gestört,

winkte ärgerlich ab, ehe er selbst sein nach­lassendes Gewicht spürte. Völlig sinnlos versuchte er, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, aber er konnte nicht verhindern, daß er unendlich langsam emporschwebte, etwa drei Meter hoch, und dann anhielt. Far­tuloon erging es genauso.

Die Energiewirbel schlossen enger auf und sorgten dafür, daß keine Lücke entstand. Ihr so gebildeter Kreis hielt die beiden Ge­fangenen fest. Es gab kein Entkommen für sie.

Und dann bewegte sich dieser Kreis wie eine Einheit von der Halbkugel fort, der Mit­te des Saales zu.

Ungläubig zuerst, aber dann mit dem Ge­fühl absoluter Gewißheit überkam es Atlan, daß sie in Richtung des Transmittertrichters gedrängt wurden.

Nun konnte er sich überhaupt nicht mehr bewegen und etwas dagegen tun. Seine Hand, die zum Strahler greifen wollte, war restlos gelähmt. Auch die Kontrollen am Gürtel konnte er nicht mehr erreichen, um den Treibsatz einzuschalten. Fartuloons Ge­sicht verriet, daß er eine ähnliche Feststel­lung gemacht hatte.

Der Trichter kam bedrohlich näher, und bald schwebten die beiden Männer über sei­nem Rand. Die Energiewirbel stiegen etwas höher, ohne an Einfluß zu verlieren. Sie diri­gierten ihre Gefangenen über den Trichter­rand hinaus, bis Atlan und Fartuloon im Zentrum des darüber flimmernden Lichtkrei­ses schwebten.

Und dann, wie auf Kommando, zogen sich die Energiewirbel zurück.

Sie ließen ihre Gefangenen haltlos in die Tiefe stürzen.

Atlan sah unter sich einen schwarzen, bo­denlosen Abgrund, der bis in die Ewigkeit zu reichen schien. Der Transmitterbogen,

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der ein Kreis war, stieg scheinbar schnell nach oben, während er und Fartuloon in den dunklen Abgrund hineinfielen.

Sein letzter Gedanke war: Die Murlen! Wer sind die Murlen …? Dann entmaterialisierten sie.

3.

Vor vielen Jahrtausenden bereits hatten sie die Raumfahrt entwickelt und ihr Son­nensystem verlassen. Doch immer dann, wenn sie einem anderen Volk begegneten und Kontakt aufnehmen wollten, verbreite­ten sie mit ihrem Anblick Angst und Schrecken. Niemand wollte etwas mit ihnen zu tun haben.

Dabei sahen sie nicht ungewöhnlich aus, eher die anderen, die keinen Kontakt wünschten. Diese anderen nämlich bestan­den fast ausnahmslos aus organischer Mate­rie, und ihre Raumschiffe waren aus Metall, nicht aus fest geformter Energie.

Sie zogen sich nach jahrelangen Kontakt­versuchen auf ihren Heimatplaneten zurück und sannen auf einen Ausweg. Ihre Welt bot ihnen alles, was sie zum Überleben brauch­ten, aber auch nicht mehr. Sie benötigten aus Materie bestehende Hilfskräfte, um Dinge aus Materie zu schaffen. Im Tauschverfah­ren erhielten sie diese Dinge nicht, also mußte ein anderer Weg gefunden werden.

Und die Murlen fanden diesen Weg. Da sie über geistige Fähigkeiten verfüg­

ten, die ihrer halbenergetischen Natur ent­sprachen, gelang es ihnen, ein Nachbarvolk eines anderen Systems völlig unter ihren Einfluß zu bringen. Mehr als ein Dutzend künstlicher Asteroiden wurde geschaffen, die programmierte Hypno-Kommandozentralen und einen interstella­ren Einwegtransmitter enthielten. Alles, was diesem Transmitter zugeführt wurde, entma­terialisierte und fand sich Lichtjahre entfernt auf dem Sammelplaneten wieder.

Hier konnte die Beute in aller Ruhe son­diert und abgeholt werden. Jeder Handel war somit überflüssig geworden, und die Murlen

blieben stets im Hintergrund. Kein Wunder, daß noch niemals jemand

von den Murlen gehört hatte und niemand sie mit den vielen Handelsschiffen in Ver­bindung brachten, deren Ladung ver­schwand. Stets kehrten diese Schiffe in ihre Häfen zurück, aber ihre Laderäume waren leer. Die Besatzungen wußten nicht, was ge­schehen war und konnten sich an nichts mehr erinnern.

Die Schiffsgüter und ein Teil der Ausrü­stung waren während des Fluges auf uner­klärliche Weise verschwunden.

Die Murlen hatten dafür gesorgt, daß ihre Anlagen fehlerfrei und ohne Wartung arbei­teten. Ihre energetischen Roboter waren zu­verlässig und unsterblich, anders als die Murlen, deren Existenz durchaus Grenzen gesetzt waren. Wenn ihre Zeit kam, lösten sie sich einfach auf.

Ihr Dasein erlebte einen ungeahnten Auf­schwung unter dem Zeichen des kosmischen Diebstahls. Sie brauchten keine Raumschiffe mehr und gaben deren Energie frei, um neue Dinge damit schaffen zu können. Das ver­sklavte Hilfsvolk war zu seiner Heimatwelt zurückgebracht worden und hatte keine Er­innerung mehr an das, was geschehen war. Ihm fehlten nur fünfzig Jahre in der Ge­schichte.

Transmitter und Roboter auf dem Sam­melplaneten arbeiteten nur zu einem gewis­sen Teil selbständig und vorprogrammiert. Sie erhielten ihre Anweisungen von der Hei­matwelt, zu der eine Verbindung mit elek­tronischen Impulsen bestand. Diese Impulse übermittelten alle Befehle und Befehlsverän­derungen. Eine Sicherheitsschaltung sorgte dafür, daß Routineanweisungen auch dann gegeben wurden, wenn die Impulsverbin­dung aus diesen oder jenen Gründen ab­brach.

Die Murlen waren vorsichtig und rechne­ten mit allen Eventualitäten.

Nur mit einer rechneten nicht …

*

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Atlan und Fartuloon verloren unter der einsetzenden Wirkung des Entzerrungs­schmerzes fast das Bewußtsein, obwohl sie ihn von Transitionen her gewohnt waren. Sie schienen ins Bodenlose zu stürzen, bis die lichtlose Finsternis von einer Sekunde zur anderen einer gnadenlosen Lichtflut wich.

Das Licht war so grell, daß die beiden Männer geblendet die Augen schlossen, aber sie fühlten festen Boden unter den Füßen und gewohnte Schwerkraft.

Sie waren rematerialisiert. Erschöpft ließen sie sich nieder, ehe sie

vorsichtig versuchten, mit den Augen zu blinzeln. Das Licht war nicht mehr so grell wie im ersten Moment nach der totalen Fin­sternis.

Über ihnen spannte sich ein blauer Him­mel, in dem eine gelbe Sonne stand. Nach Ortszeit mußte es Mittag sein.

»Wo sind wir?« fragte Fartuloon fas­sungslos. Er saß dicht neben Atlan in einer Sandmulde, die allerdings nicht nur Sand enthielt. Sie war zum größten Teil mit Ki­sten in allen Größen, technischen Geräten, Ausrüstungsgegenständen und Kleinkram übersät, und alles war wahllos und ohne Sy­stem aufeinandergestapelt worden.

Atlan bemerkte Fartuloons erstaunte Blicke.

»Die Sachen, die man Denc-Mons und seinen Leuten abgenommen hat, sind auch dabei. Die Unbekannten sind Piraten und Diebe. Sie stehlen mit Hilfe von Transmit­tern, die als Asteroiden getarnt sind. Ich sag­te es schon.«

Er wußte noch nicht, wie nahe er der Wahrheit kam, als er diese Vermutung äu­ßerte.

»Und wo sind wir?« wiederholte Fartu­loon seine Frage.

»Auf einer ihrer Welten, nehme ich an. Vielleicht erwartet man uns schon.«

Fartuloon erhob sich mühsam und ver­suchte einige Schritte. Die Lähmung war verschwunden, er konnte sich wieder bewe­gen, wenn die Glieder auch noch schmerz-

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ten. Vorsichtig kletterte er auf eine Kiste, um sein Blickfeld zu erweitern. Er konnte nun über den Rand der flachen Mulde hin­aussehen.

»Das ist doch nicht möglich!« Er winkte Atlan zu, ihm zu folgen. »Das mußt du dir ansehen!«

Atlan klappte seinen Helm auf und schob ihn auf den Rücken.

»Kannst du auch machen, die Luft ist gut«, sagte er und stand auf. »Was gibt es denn so Unmögliches zu sehen?«

»Komm her, dann ersparst du mir das Er­zählen.«

Atlan kletterte über Kisten und Kästen, bis er den Rand der Mulde erreichte. Mit ei­nem letzten Schwung zog er sich nach oben und stand dann in fußhohem Gras.

Schweigend drehte er sich einmal um sei­ne eigene Achse und begriff, was Fartuloon gemeint hatte, wenn der Anblick auch fast seinen Erwartungen entsprach.

Wohin er auch sah, er konnte nichts ande­res wahrnehmen, als riesige Schutthalden, die sich bis zu hundert Meter hoch auftürm­ten und wie kleine Gebirge wirkten. Dazwi­schen bewegten sich die bekannten Licht­wirbel und warfen immer noch mehr Gegen­stände auf die Halden.

Aber dann stellte Atlan fest, daß es keine Schutthalden im eigentlichen Sinne waren. Alles, was sich da vor ihm ausbreitete, bis hin zum fernen Horizont, waren neuwertige Güter und Gebrauchsgegenstände, zum Teil noch original verpackt und mit bekannten und fremden Schriftzeichen versehen.

So, wie sie aus den Frachtschiffen gestoh­len worden waren.

Fartuloon war ebenfalls aus der Mulde ge­klettert. Nach einem Rundblick meinte er:

»Wir werden nicht verhungern, denn eini­ge der Kisten stammen aus arkonidischem Besitz. Sie enthalten Lebensmittel und Notrationen für die Flotte. Da drüben liegt ein umgestürzter Container mit Waffen.« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Aber was soll das alles? Warum wird das Zeug hier gestapelt? Warum kommt es niemand abho­

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len? Man klaut doch nicht, um es dann hier verrotten zu lassen.«

In der Ferne sah Atlan eine Bewegung. Es war kein Lichtwirbel.

»Da kommt jemand, Fartuloon.« Fartuloon kniff die Augen zusammen, um

besser sehen zu können. »Da kommt etwas!« korrigierte er. »Mich

wundert nichts mehr.« Das, was zwischen den Halden hindurch­

kam und sich ihnen näherte, erinnerte im er­sten Augenblick an ein urweltliches Unge­heuer auf Gleitketten. Der »Hals« endete in Greifarmen und einem Bagger, das Hinter­teil bestand aus einem ovalen Kasten mit ho-hem Rand.

»Ein Transportwagen«, vermutete Atlan. »Ferngesteuert.«

»Oder ein Roboter.« Atlan entsicherte seine Waffe. »Wenn er uns aufladen will, müssen wir

ihn desaktivieren.«

*

Das Ding hielt in einiger Entfernung an und begann damit, in der Halde herumzu­wühlen und einige Gegenstände aufzuladen. Dabei ging es ziemlich systematisch vor. Es sah so aus, als bevorzuge der Transportrobo­ter in erster Linie technische Geräte, die aus ihren Verpackungen herausgefallen waren.

»Der handelt selbständig«, stellte Fartu­loon nach einiger Zeit fest. »Eine Fernkon­trolle halte ich für unmöglich. Ein Roboter mit eigenem Denkvermögen, das beweist al­lein schon seine Umsicht, mit der er zu Wer­ke geht. Er sortiert richtig aus.«

»Aber wer«, fragte Atlan ruhig, »gab ihm den Auftrag dazu.«

Fartuloon grinste breit. »Die Murlen, wer denn sonst?« »Wahrscheinlich die Murlen, wer immer

sie auch sind. Und nur diese Murlen sind in der Lage, alle unsere Fragen zu beantworten. Sehen wir uns den Transportroboter näher an. Komm!«

»Du willst …?«

»Hast du einen besseren Vorschlag?« Fartuloon schüttelte zögernd den Kopf. »Hm, eigentlich nicht …« Die Halden türmten sich rechts und links

auf, und nach vorn bis zum Horizont. Die höchste von ihnen lag ein Stück zurück, und in Gipfelhöhe wurde sie von einem bläulich schimmernden Lichtring eingerahmt.

Der Empfangstransmitter! Atlan und Fartuloon mußten durch ihn ge­

kommen und dann die Halde hinabgerutscht sein, um in der Mulde zu landen. Sie waren noch halb bewußtlos gewesen und hatten den Sturz nicht gespürt.

Der Transportroboter war noch immer da­bei, die aussortierten Stücke aufzuladen. Er ignorierte das Näherkommen der beiden Ar­koniden und ließ sich nicht bei seiner Tätig­keit stören. Zwischen den Halden hindurch näherte sich ein zweiter, der genauso wie der erste aussah. Er bevorzugte heile Kisten und begann sie aufzuladen.

»Wir müssen herausfinden, wohin sie das Zeug bringen«, sagte Fartuloon, nachdem sie die beiden Maschinen eine Weile beob­achtet hatten.

Sie standen am Fuß der Nachbarhalde. Die Entfernung zur anderen betrug etwa zweihundert Meter. Dazwischen wuchs Gras, und der Boden war eben.

Hinter ihnen war ein plötzliches Ge­räusch.

Atlan zog den Strahler aus dem Gürtel, ehe er sich schnell umdrehte. Fartuloon riß die Augen weit auf, als er die Ursache des Geräusches erkannte.

Das Wesen mochte knapp einen Meter lang sein. Es kroch auf sechs Beinen zwi­schen den herumliegenden Kanistern umher und beschnüffelte sie mit einer überdimen­sional langen Rüsselnase. Der schlanke Kör­per war mit einem braunen, langhaarigen Fell bedeckt. Die beiden Augen dicht neben dem Rüsselansatz blinzelten harmlos und fast lustig.

»Ist das ein Murle?« hauchte Fartuloon fassungslos.

Atlan schüttelte den Kopf. Er spürte keine

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Gedankenimpulse, außerdem sah das Wesen alles andere als intelligent aus. Aber es wirk­te durchaus friedfertig.

»Ein Parasit, jedenfalls nicht intelligent.« Atlan schob den Strahler in den Gürtel zu­rück. »Hier findet er genug zum Fressen, wenn er nicht verjagt wird. Und daß das nicht geschieht, wundert mich eigentlich. Sieh nur, wie geschickt das Biest den Kani­ster öffnet …!«

Die Rüsselnase bearbeitete den Behälter mit den beiden Vorderfüßen, deren Enden scharfe Krallen besaßen. Bereits nach weni­gen Minuten ließ sich der Schraubverschluß drehen, und dann kam eine gelbe Flüssigkeit aus der so entstandenen Öffnung.

Der Parasit legte dann den Kanister so auf einen anderen, daß die Flüssigkeit heraus­floß und er sie mit seinem Nasenende, wo auch der Mund war, aufnehmen konnte.

Fartuloon stieß Atlan in die Seite. »Der Kanister stammt aus arkonidischen

Flottenbeständen. Weißt du, was der kleine Kerl da säuft?«

»Ich kann die Aufschrift nicht lesen …« »Das brauche ich auch nicht. Es ist eine

Art Schmieröl für die mechanisch bewegli­chen Teile eines Waffensystems.«

»Vielleicht schmeckt es ihm.« Fartuloon schüttelte sich angewidert. »Nun ja, die Geschmäcker sind verschie­

den. Hoffentlich bekommt es ihm auch.« Atlan deutete auf herumliegende bereits

geöffnete Kanister. »Sieht ganz so aus, als wäre es nicht seine

erste Mahlzeit.« Sie kümmerten sich nicht weiter um das

seltsame Wesen und wandten ihre Aufmerk­samkeit wieder den beiden Transportrobo­tern zu, die ihre Ladeflächen inzwischen ge­füllt hatten.

Während der zuletzt eingetroffene trotz­dem weiter sortierte, drehte sich der erste auf der Stelle und setzte sich in Bewegung. Er fuhr in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.

»Ihm nach!« rief Fartuloon und ging vor­an.

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Atlan folgte ihm mit gemischten Gefüh­len, aber er wußte, daß sie nicht anders han­deln konnten, wenn sie etwas herausfinden wollten.

Hinter ihnen polterte wieder etwas den Hang der Halde herab. Es waren Gegenstän­de, die der Besatzung der NEKOR gehörten. Der Transmitterring um die Gipfelspitze leuchtete noch immer.

Sie holten den Transportroboter schnell ein, denn er fuhr nur sehr langsam und wechselte öfters völlig unmotiviert die Rich­tung. Die Übersicht in dem von Halden übersäten Gebiet war schlecht. Man konnte immer nur von einer zur anderen sehen, ab­gesehen von den gelegentlichen Lücken, die durch Zufall entstanden sein mochten.

»Es scheint doch nur einen Transmitter zu geben«, keuchte Fartuloon, dem das Gehen sichtlich schwerfiel. »Wo kommen nur die vielen Halden her? Sieht so aus, als stapelte man hier das Zeug.«

»Erst mal sehen, wohin unser Transporter fährt, Fartuloon. Das Ziel wird uns einen Hinweis geben – hoffe ich.«

»Trotzdem regt mich das unsinnige Sta­peln auf. Wenn diese Murlen schon das gan­ze Zeug klauen, warum bringen sie es nicht in Lagerhäuser unter? Warum lassen sie es einfach hier liegen und verrotten?«

Atlan machte eine unbestimmte Handbe­wegung.

»Was weiß ich? Vielleicht kommt soviel herein, daß sie es nicht mehr schaffen. Wer weiß, wieviel Fallen sie haben? Achtung, der Transporter hat den Kurs gewechselt!«

Das Vehikel hatte nach der Umrundung einer Halde mit Konservendosen eine Wen­dung von neunzig Grad ausgeführt und fuhr gemächlich weiter. Es legte in der Stunde nicht mehr als fünf Kilometer zurück.

Der Blick war etwas freier geworden, denn die Halden lagen nun weiter auseinan­der. Sie waren niedriger und flacher gewor­den. Atlan fiel auf, daß alles Material besser geordnet schien. Eine der Halden bestand nur aus Metallkisten, die andere nur aus Ka­nistern. Die dritte wiederum enthielt allem

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Anschein nach nur noch aus Metall beste­hende Ersatzteile für Maschinen.

»Er fährt da drüben auf die Halde mit den Kisten zu«, bemerkte Fartuloon enttäuscht. »Vielleicht liegt dahinter eine Art Kontroll­zentrale.«

»Wir werden ja sehen«, knurrte Atlan schlechtgelaunt. »Das Ganze ist ein irrer Zirkus. Wir rennen hinter einem Roboter her, von dem wir nicht wissen, wer ihn pro­grammiert hat.«

»Die Murlen!« Fartuloon mußte unwill­kürlich grinsen, als er das sagte. Er schien nicht mehr an die sagenhaften Murlen zu glauben.

Atlan antwortete nicht. Er ließ den Trans­porter nicht aus den Augen, der wieder seine Richtung gewechselt hatte und nun dicht am unteren Rand der Halde entlang fuhr, die aus heilen Kisten bestand. Aber dann glitt er an ihr vorbei und nahm Kurs auf eine weitere Halde, die aus technischen Geräten bestand. Genau das Zeug, das er geladen hatte.

Er hielt an und begann, seine Ladung auf diese Halde zu werfen.

»Er lädt ab!« rief Fartuloon verwirrt. »Was soll denn das nun wieder bedeuten?«

Atlan beobachtete das Robotfahrzeug nur aus den Augenwinkeln. Seine Aufmerksam­keit galt einer weit entfernten Halde, die vorher nicht sichtbar gewesen war. Über ihr schwebte der bekannte blaue Lichtring.

»Ein zweiter Empfangstransmitter, Fartu­loon. Es gibt also mehrere von ihnen, infol­gedessen muß es auch mehrere von diesen Asteroidenfallen geben. Ich beginne allmäh­lich zu glauben, daß diese Murlen ein ein­trägliches Piratengeschäft betrieben haben. Die Methode jedenfalls ist absolut neu.«

»Vielleicht ist dieser Planet gar nicht ihre Heimat, nur eine Art Sammelplatz. Gele­gentlich kommen sie dann, um ihre Beute abzuholen.«

»So könnte es sein.« Der Transporter hatte sich entladen und

setzte sich wieder in Bewegung. Er fuhr ganz dicht an ihnen vorbei und kehrte offen­bar zu seinem alten Wirkungskreis zurück.

Atlan verspürte keine Lust, hinter ihm her zu laufen.

»Da drüben ist eine flache Halde, Fartu­loon. Sieht so aus, als wäre sie leicht zu be­steigen. Vom Gipfel aus wird man eine gute Aussicht haben.«

Über heile und geborstene Kisten, die ausnahmslos Lebensmittelkonserven enthiel­ten, stiegen sie nach oben. Mehrmals scheuchten sie Rüsselnasen auf, die alle gut­genährt und fett aussahen. Aufgerissene Do­sen und Pakete zeugten davon, daß nichts ih­ren scharfen Greifkrallen widerstand.

Die beiden Arkoniden ignorierten das wü­tende Pfeifen, mit dem die Tiere die Flucht ergriffen. Sie stolperten über die wahllos ge­stapelten Kisten und kamen nur langsam voran. Fahrspuren bewiesen, daß die Trans­portroboter bis zum Haldengipfel vorgesto­ßen waren, ohne auf die Zerstörungen zu achten, die sie dabei anrichteten. Zer­quetschte Kisten kennzeichneten ihren Weg.

»So gehen die mit dem teuren Zeug um!« schimpfte Fartuloon. »Ich werde diesen Murlen schon meine Meinung sagen, wenn wir sie finden.«

Der eigentliche Haldengipfel war relativ flach und gut begehbar.

Wenn Atlan etwas ganz Bestimmtes zu sehen gehofft hatte, so war er jetzt ent­täuscht. Die Halden türmten sich nach allen Richtungen bis hin zum Horizont. Dazwi­schen gab es schmale Täler, in denen ledig­lich Gras wuchs. Und es gab Dutzende von Transportfahrzeugen, die bei einer Halde aufluden, zu einer anderen fuhren und dort wieder abluden.

Zum ersten Mal kam Atlan der Gedanke, daß einiges nicht stimmte. Jemand, der tech­nisch so ausgereifte Transmitterfallen kon­struierte und erfolgreich einsetzte, konnte unmöglich tatenlos zusehen, wie die heran­geschaffte Beute völlig sinnlos von einem Ort zum anderen gebracht wurde.

»Aber ein bestimmtes System ist trotzdem vorhanden«, sagte Fartuloon, als Atlan ihm seine Beobachtung mitteilte. »Das kann doch niemand abstreiten.«

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Atlan stand am Rand des Gipfelplateaus auf einer Metallkiste und blickte angestrengt nach Norden. Die Sonne stand schon im Westen und blendete ihn von der Seite her. Er legte die Hand über die Augen, um besser sehen zu können.

»Was hast du?« »Ich weiß es noch nicht, aber wenn mich

nicht alles täuscht, ist das ein Gebäude.« Er streckte die Hand aus. »Dort, Fartuloon, un­mittelbar neben der hohen Halde mit den zwei Gipfeln.«

Fartuloon kniff die Augen zusammen und nickte dann.

»Sieht ganz so aus, Atlan. Mit flachem Dach und einer Kuppel nebenan. Wir sind also doch nicht ganz umsonst hier herauf ge­klettert.«

»Wir müssen uns die Richtung merken. Übrigens wird es bald dunkel.«

»Ob wir es noch vor Anbruch der Nacht schaffen?«

»Versuchen wir es.« Sie rutschten mehr als sie gingen die Hal­

de hinab und waren froh, als sie wieder im Gras standen. Die Transportroboter hatten ihre Arbeit eingestellt und waren an Ort und Stelle stehengeblieben, so als habe sie je­mand desaktiviert.

Nach einer halben Stunde blieb Fartuloon stehen und schnaufte.

»Mach mal Pause, Atlan.« »Du trainierst zu wenig«, warf Atlan ihm

vor. Er setzte sich auf eine einsam herumste­hende Kiste mit arkonidischen Schriftzei­chen. »Die Luft enthält etwas weniger Sau­erstoff, als wir es gewöhnt sind.«

»Warum schnappen wir uns nicht einen Transporter? Den bringen wir schon zum Laufen.«

»Und irgend jemand wird es bemerken«, warnte Atlan. »Lieber nicht.«

»Na schön, gehen wir weiter«, seufzte Fartuloon. »Aber nicht so schnell …«

Als die Sonne unterging, sahen sie in der Ferne die beiden Gipfel der hohen Halde, an deren Fuß sich das Gebäude befinden muß­te. Die Entfernung betrug noch einige Kilo-

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meter. Vor dem endgültigen Anbruch der Dunkelheit würden sie es kaum schaffen.

»Vielleicht erkennen wir einige Sternkon­stellationen«, hoffte Fartuloon, »dann wis­sen wir wenigstens, wo etwa wir uns aufhal­ten.«

»Es gibt Tausende von gelben Normal­sonnen im Sektor von Arkon, vergiß das nicht. Und die Konstellationen verändern sich mit jedem Lichtjahr.«

Es wurde schnell dunkel, ein sicheres Zei­chen für die extreme Kürze von Tag und Nacht. Die ersten Sterne erschienen am Himmel, aber es waren fremde Sterne, die in Atlan und Fartuloon keine Erinnerung wachriefen. Auch die allmählich hervortre­tenden Konstellationen waren unbekannt.

»Der Transmitter kann uns um Lichtjahre versetzt haben, Fartuloon. Er kann uns aber auch wieder zurückbringen.«

»Wie willst du das schaffen?« »Umpolen!« Fartuloon lachte mühsam. »Umpolen? Dann mußt du erst eine Kon­

trollstation finden und die Murlen um Er­laubnis fragen.«

Atlan nickte. »Genau das habe ich auch vor«, sagte er

und marschierte weiter.

4.

Lange Zeit vor diesen Ereignissen hatte der Hundert-Meter-Raumer KANTORN die unabhängige Siedlerwelt verlassen, um einen Planeten mit günstigeren Lebensbe­dingungen zu finden. Der Abschied von den arkonidischen Kolonisten war nicht gerade herzlich gewesen, denn Forgos und seine Begleiter handelten gegen den Beschluß des Planetenrats.

Sie hatten das Schiff durch einen Trick in ihre Gewalt gebracht und gedroht, es zu sprengen, wenn man sie nicht ziehen ließ. Sie versprachen, eines Tages mit guten Nachrichten zurückzukehren. Da die KAN­TORN einer der wenigen verbliebenen Raumer war, gab man der Erpressung nach.

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Forgos dachte nicht im Traum daran, zu der Siedlerwelt zurückzukehren, denn das Leben dort war hart und entbehrungsreich. Man mußte arbeiten, um überhaupt existie­ren zu können, und von Arkon war keine Hilfe zu erwarten. Der Kontakt war längst verlorengegangen.

Nach dem Start erst studierten Forgos und sein Stellvertreter Peragon die Sternkarten. Sie wußten, daß die Maahks viele Stütz­punkte besaßen, und es wäre das sichere En­de gewesen, versehentlich auf einem solchen zu landen. Aber auch Planeten, auf denen die Flotte Arkons Stationen erreichtet hatte, bedeuteten Gefahr. Man würde sie einfach als Deserteure behandeln.

Wenn schon, dann mußte man einen un­bewohnten und dennoch fruchtbaren Plane­ten finden, oder einen solchen, auf dem harmlose Eingeborene lebten, die man für sich arbeiten lassen konnte.

Die Motive von Forgos und seinen Be­gleitern waren alles andere als edel.

Nach mehreren Transitionen gerieten sie in einen unbekannten Sektor der Milchstra­ße, der außerhalb des Machtbereichs des Im­periums lag. Vorsichtig erforschten sie drei Sternsysteme, fanden aber nicht das, was sie suchten. Hier neu zu beginnen, wäre genau­so dumm gewesen, wie zum Ausgangspunkt des Fluges zurückzukehren.

Dann erschien eine gelbe Normalsonne auf dem Panoramaschirm.

Nur ein einziger Planet umkreiste sie, und seine Oberfläche sah merkwürdig aus. Sie bestand aus unzähligen gleichmäßig wirken­den Hügeln, die ohne Zweifel künstlichen Ursprungs waren. Es gab einige Gebäude, die verlassen zu sein schienen. Erst als die KANTORN landete, stellte Forgos zu seiner maßlosen Verblüffung fest, daß sie das Para­dies gefunden hatten.

Natürlich blieb er vorsichtig und mißtrau­isch, ließ die Hälfte seiner Besatzung unter der Führung eines Vertrauten an Bord zu­rück und unternahm mit den anderen einen ersten Erkundungsgang. Sie entdeckten die Transmitter, aus denen immer wieder neue

Güter aller Art aus dem Nichts heraus mate­rialisierten, die Halden herabpurzelten und von den Transportrobotern weggeschafft wurden.

Forgos brauchte einige Tage, um mit Si­cherheit festzustellen, daß niemand die Ro­boter kontrollierte und daß der Planet, we­nigstens in der Umgebung des Landeplatzes, unbewohnt war.

»Hier bleiben wir«, entschied er. »Wo könnten wir es besser haben als hier? Alles, was wir jemals brauchen, fällt vom Himmel. Wir heben es nur auf, das ist alles.«

»Und wenn jene kommen, denen es ge­hört?« wagte einer den Einwand.

»Dann entschuldigen wir uns eben höf­lich«, erwiderte Forgos und grinste.

Die Roboter kümmerten sich nicht um sie. Sie gingen ihrer gewohnten Tätigkeit nach, sortierten die aus den Transmittern kom­menden Waren und brachten sie zu den ent­sprechenden Halden.

Für die KANTORN war ein endgültiger Landeplatz ausgesucht worden. Sie stand in einem Talkessel inmitten von Halden, die Gebrauchsgüter und Lebensmittel für einige Jahrzehnte enthielten. Man brauchte sie nur aufzuheben.

Forgos und seine zusammengewürfelte Mannschaft, zu der auch Frauen gehörten, waren davon überzeugt, das große Los gezo­gen zu haben. Nach dem entbehrungsreichen Leben auf ihrem Siedlerplaneten mußte ih­nen das jetzige Dasein wie ein Aufenthalt im Schlaraffenland erscheinen. Es gab keine Arbeit mehr und kein Schuften auf kargen Feldern. Ging ein Gerät, gleich welcher Art, kaputt, so holte man sich einfach ein neues.

Mit dem Gleiter wurden Expeditionen durchgeführt, aber nirgends konnte eine Spur von intelligenten Leben gefunden wer­den. Gebäude mit Kontrollanlagen wurden zwar entdeckt, aber Forgos und seine Leute hatten nur wenig Erfahrung mit solchen Din­gen. Sie rührten die Anlagen nicht an.

Aber dann, eines Tages, passierte es …

*

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Die Rotationen des namenlosen Beutepla­neten betrug achtzehn Stunden. Jahreszeiten gab es nicht. Das Klima war stets gleichmä­ßig mild und gut erträglich. Hin und wieder regnete es sogar, obwohl die Meere klein und flach waren. Die Landmasse überwog.

Niemand war im Schiff, als man daran­ging, aus vorgefertigten Teilen ein Haus zu bauen. Man war die engen Kabinen in der KANTORN leid, und Platz war zwischen den Halden genug vorhanden. Auch mangel­te es nicht an Material, um eine ganze Stadt zu errichten.

Das war natürlich mit Arbeit verbunden, und so dauerte es auch entsprechend lang, bis der Entschluß zum Hausbau realisiert wurde.

Gegen Mittag an diesem Tag sagte Pera­gon:

»Hör zu, Forgos, wenn jemand von uns sein eigenes Haus bekommen soll, werden wir zehn Jahre zu schuften haben. Da bleibe ich lieber in meiner Kabine und mache mir ein ruhiges Leben. Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, die Leute zu überreden.«

»Wir können nicht ewig im Schiff blei­ben, Peragon. Das Schiff ist unsere einzige Fluchtmöglichkeit, wenn hier etwas schief­geht, und wenn wir in ihm hausen, wird es auch nicht besser. Außerdem wollen unsere Leute frei leben und Eigentum besitzen. Je­der bekommt sein Haus und kann es nach seinem Geschmack einrichten. Hast du denn noch immer nicht begriffen, daß wir das Pa­radies gefunden haben?«

»Deswegen kann ich doch im Schiff blei­ben!«

Forgos zuckte die Schultern. »Du kannst tun und lassen, was du willst,

Peragon. Aber wenn du jetzt nicht hilfst, wirst du später nicht verlangen können, daß man dir hilft.«

»Mir muß niemand helfen«, sagte Pera­gon, warf einen letzten Blick auf das halb­fertige Kleinhaus und marschierte in Rich­tung KANTORN davon. Wenig später ent­schwand er den Blicken der anderen, als er den schmalen Zugang zum Talkessel betrat.

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Forgos hatte für die künftige Siedlung einen günstigen Platz an einem natürlichen Berghang gewählt. Ein klarer Bach kam aus den grünen Hügeln und speiste einen kleinen See, an dessen Ufern sogar verkrüppelte Bäume wuchsen. Im Süden lagen die Hal­den.

Zwei Stunden später tauchte Peragon wie­der auf. Forgos erblickte ihn zuerst und kniff die Augen zusammen. Peragon lief und winkte aufgeregt mit den Armen, so als habe er den anderen etwas Wichtiges mitzuteilen. Niemand trug ein Telekom, da eine Funk­verständigung überflüssig geworden war. Außerdem wollte man sich nicht verraten, falls es doch irgendwo auf dieser Welt noch Intelligenzen gab, die sie bisher nur noch nicht bemerkt hatten.

Sie ließen Peragon herbeikommen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Als er in Hör­weite gelangt, rief er:

»Die KANTORN! Die verdammten Ro­boter nehmen die KANTORN auseinander!«

Für einen Augenblick wirkte die Nach­richt lähmend auf die Arkoniden. Sie waren keiner Bewegung oder einer Frage fähig. Sie starrten Peragon nur an, stumm und er­schrocken. Dann stammelte Forgos:

»Was ist los? Das Schiff …?« Peragon, von dem langen Laufen er­

schöpft, warf sich ins Gras. Er nickte. »Roboter, Forgos! Keine normalen Trans­

porter, wie wir sie kennen, sondern richtige Roboter unterschiedlichen Aussehens. Man­che haben Werkzeughände, mit denen sie sehr geschickt umgehen können. Sie lösten alle Verbindungen im Schiff und stapeln die Teile draußen, wo sie von Transportern ab­geholt und weggeschafft werden. Ich wollte sie behindern, aber sie schossen auf mich.«

»Sie schossen auf dich?« Forgos war fas­sungslos. »Die Roboter griffen dich an?«

»Es sind spezielle Wach- und Kampfro­boter, wie sie auch in der Flotte vorhanden sind. Die anderen arbeiten und werden von ihnen bewacht. Sie sind mit Impulsstrahlern ausgerüstet. Und unsere ganzen Waffen sind im Schiff.«

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29 Die Beutewelt

Forgos überwand allmählich sein lähmen-des Entsetzen.

»Los, Freunde, wir müssen etwas unter­nehmen. Wir dürfen das Schiff nicht verlie­ren! Wieviel Strahler haben wir?«

Es stellte sich heraus, daß nur vier oder fünf Männer ihre Waffen bei sich hatten. Pe­ragon jammerte:

»Damit richtet ihr überhaupt nichts gegen die Roboter aus.«

»Wir müssen es versuchen!« sagte Forgos entschlossen. »Kommt, wir dürfen keine Zeit verlieren …«

Aber sie hatten schon viel zu viel Zeit verloren.

Als sie nach dem einstündigen Marsch den Talkessel erreichten, kamen ihnen schon drei Transportfahrzeuge entgegen, die Schiffsteile geladen hatten. Sie fuhren an ih­nen vorbei, ohne sich um sie zu kümmern. Ihr Ziel war vorerst unbekannt.

Die KANTORN sah schrecklich aus. Sie war bereits zur Hälfte abgewrackt worden, und im Tal selbst stapelten sich Hüllenplat­ten, Verstrebungen, Türen, Maschinenteile und die verschiedensten Gegenstände und Materialien, die einmal Teil eines arkonidi­schen Raumers gewesen waren.

Forgos stieß einen wütenden Fluch aus, dann befahl er den sinnlosen Angriff. Sofort formierte sich die Abwehr der unbekannten Roboter und erwiderten das Energiefeuer, ohne jedoch selbst zum Angriff überzuge­hen. Sie schienen nur auf Verteidigung pro­grammiert zu sein.

Die Arkoniden konnten mit ihren Hand­strahlern nichts gegen die metallenen Geg­ner ausrichten. Als sieben von ihnen im Energiefeuer gestorben waren, befahl For­gos den Rückzug. Vom Talausgang her be­obachteten sie, was weiter geschah.

Die Kampfroboter blieben in Wartepositi­on, während die anderen weiterarbeiteten, als sei nichts geschehen. Platte auf Platte wurde aus der Kugelhülle entfernt und auf­gestapelt. Zwei Transporter trafen ein und luden sie auf. Wenig später kamen sie an Forgos und seinen Leuten vorbei, die keinen

Versuch machten, sie aufzuhalten. Außerdem wäre das sinnlos gewesen. Die

KANTORN war schon lange fluguntauglich, und niemand hätte sie mehr zusammenbauen können.

»Es hat keinen Sinn, jetzt zu verzwei­feln«, sagte eine der Siedlerfrauen zu For­gos. »Wir wollten ohnehin hier bleiben, wir brauchen die KANTORN nicht mehr. Sollen doch die verrückten Roboter mit den Über­resten glücklich werden.«

Sie drehte sich um und ging in Richtung der künftigen Siedlung davon. Ihr Mann folgte ihr, dann andere.

»Sie hat recht«, ergriff nun auch Peragon ihre Partei. »Wir können nichts mehr daran ändern, und ich werde mir nun auch ein Haus bauen müssen. Komm, Forgos, gehen wir.«

Er nickte und sah nicht einmal mehr zu­rück.

»Wenn wir doch nur herausfänden, wel­chen Zweck das alles haben soll! Wo sind jene, die den Robotern ihre Befehle geben? Wo stecken sie denn, verdammt! Es kann mir doch niemand erzählen, daß die Roboter allein auf dieser Welt sind und tun und las­sen, was sie wollen.«

»Wir werden es herausfinden, wir haben ein ganzes Leben Zeit …«

Das war richtig, wußte Forgos. Ein ganzes Leben …

Ein Haus nach dem anderen entstand, bis die Siedlung am Berghang fertig war. Von der KANTORN war nichts übriggeblieben, aber niemand hinderte die Arkoniden daran, sich einzelne Teile wiederzuholen, die auf den verschiedenen Halden lagen. Unter großen Anstrengungen konnte sogar ein kleiner Energiegenerator an den See ge­schafft und in Betrieb genommen werden. Alles wäre einfacher gewesen, wenn die Transportroboter hätten umprogrammiert werden können, aber das schien unmöglich zu sein. Die entsprechenden Schaltungen waren nicht nur unbekannt, sondern zudem noch hermetisch in Gehäusen verschlossen. Man kam nicht an sie heran.

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Und so vergingen die Jahre. Wenn Forgos in der ersten Zeit befürchte­

te, der Segen aus den Transmittern könnte eines Tages aufhören – was kein Unglück bedeutet hätte, denn das vorhandene Materi­al reichte länger als ein Arkonidenleben –, so sah er sich angenehm enttäuscht. Die Hal­den wuchsen und wuchsen. Täglich und stündlich regnete der Nachschub aus dem Nichts.

Kinder wurden geboren und wuchsen in einer Welt auf, die sie für gegeben hielten. Sie streunten zwischen und auf den Halden umher und hielten es für selbstverständlich, daß sie sich alle materiellen Wünsche erfül­len, konnten, ohne jemand fragen zu müs­sen. Die Folge war, daß es unmöglich war, sie zu erziehen oder zum Gehorsam zu be­wegen. Die ersten Banden bildeten sich und verließen das Dorf.

Die geschockten Eltern blieben zurück, ohne das Verhalten ihrer Kinder zu verste­hen.

Auch der inzwischen alt gewordene For­gos begriff es nicht.

»Sie haben alles, was sie sich wünschen. In unserer Gemeinschaft sind Diebstahl und Raub überflüssig. Warum also streifen diese jugendlichen Banden herum und machen die Gegend unsicher? Sie haben schon abgele­gene Häuser überfallen und ihre Besitzer da­vongejagt. Ich verstehe das nicht mehr.«

Die Männer, die in der Sonne an dem Tisch vor seinem Haus saßen, nickten. Einer von ihnen, Peragon, sagte:

»Sie haben keine Sorgen, und materieller Reichtum bedeutet ihnen nichts, darum fehlt ihnen etwas. Es liegt in unserer Natur, daß Sattsein und Sorglosigkeit der Keim zur Re­bellion ist. So wie Hunger und Sorge eben­falls zur Rebellion führen. Oft liegt die Wahrheit im Paradoxon. Mit anderen Wor­ten: es geht unseren Kindern zu gut. Wir machten den Fehler, ihnen alles ohne Ge­nehmigung in den Schoß zu legen.«

Jemand sagte: »Vor zwei Tagen haben sie einen der

Transportroboter daran hindern wollen, sei-

Clark Darlton

ner gewohnten Arbeit nachzugehen. Sie sind auf ihn geklettert und haben mit Metallstan­gen die sichtbaren Kontrollen zertrümmert. Weshalb?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr wißt selbst, was dann geschah.«

»Ja, wir wissen es«, sagte Forgos schmerzerfüllt. »Wenige Minuten danach war ein Trupp Kampfroboter da und tötete sie alle. Keiner der Jungens kam lebend da­von.«

»Und wir können nichts dagegen tun«, seufzte Peragon.

»Doch!« Forgos nahm einen Schluck aus dem Kanister mit bestem arkonidischen Wein von der Lebensmittelhalde. »Doch, wir können und müssen etwas dagegen tun! Haben wir nicht dreißig Jahre lang friedlich; und unbehelligt hier gelebt? Haben uns die Roboter auch nur einmal angegriffen? Nein, das haben sie nicht, weil wir uns nicht um sie und ihre Arbeit kümmerten. Aber die nächste Generation wird Ärger bekommen, wenn wir das nicht verhindern.«

»Und wie willst du das erreichen?« fragte einer skeptisch.

»Schulen und Erziehungsheime!« »Das ist Diktatur!« empörte sich Peragon. Forgos schüttelte den Kopf. »Nein, es ist lediglich notwendig. Wir

dürfen nicht zulassen, daß uns unsere eige­nen Nachkommen zugrunde richten. Ihnen fehlen Häuser, weil sie sich keine bauten. Also werden wir sie dazu bringen, sich Häu­ser zu bauen und in ihnen zu leben. Eines Tages werden sie begreifen, daß auch ein sorgloses Leben im Überfluß seine Pflichten kennt, und daß es eine grenzenlose Freiheit niemals geben kann. Grenzenlose Freiheit ist etwas für Tiere, nicht aber für intelligente Lebewesen.«

Sie dachten über seine Worte nach. Pera­gon gab nach:

»Vielleicht hast du Recht, Forgos. Aber wie willst du das den Kindern klarmachen?«

»Sie sind längst keine Kinder mehr, son­dern halbe Erwachsene. Ich werde mit ihnen sprechen. Noch heute.«

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*

Forgos kehrte von seiner Mission nicht mehr zurück. Wochen später fanden die Siedler seine Leiche in einem abgelegenen Tal. Sie war übel zugerichtet, so als habe man ihn im Zorn getötet.

Von diesem Augenblick an gab es zwei »Nationen« auf dem namenlosen Planeten, der ein Paradies hätte sein können.

Peragon ließ aus dem unerschöpflichen Materialvorkommen der Halden einen Wall um die Siedlung errichten. Waffen waren in­zwischen auch besorgt worden. Wachen pa­trouillierten Tag und Nacht an den Grenzen des kleinen Reiches und sorgten dafür, daß es niemand unbemerkt betreten konnte.

Das einzige Problem waren die Transpor­troboter.

Mehrmals versuchten sie, den Wall wie­der einzureißen und das unterschiedliche Material wieder zu den ursprünglichen Hal­den zurückzubringen. Da kam Peragon eines Tages auf die verrückte Idee, zu den Robo­tern zu sprechen.

Und sie verstanden ihn! Sie ließen den Wall in Ruhe, machten

kehrt und fuhren dorthin zurück, woher sie gekommen waren.

Peragon begriff seinen Erfolg nicht und dachte lange darüber nach, ohne zu einem Resultat zu gelangen. Besaßen sie eingebau­te Translatorgeräte, und verstanden sie seine arkonidischen Worte? Und warum gehorch­ten sie ihm?

Warum gehorchten ihm aber nicht die Kampfroboter, denen er schon mehr als ein­mal wütende Befehle zugerufen hatte?

Dann aber kümmerte es ihn nicht mehr. Er und die Siedler lebten abgesichert inner­halb des Walles mit seinen Häusern und wichtigsten Versorgungshalden. Einige der Jugendlichen waren zu ihnen zurückgekehrt und hatten sich in die Gemeinschaft einge­gliedert, andere würden folgen.

Aber nicht alle kamen. Eine Gruppe von etwa zwanzig Halb­

wüchsigen nistete sich in einer Lebensmit­telhalde ein, indem sie einen Gang ausräum­ten und so in ihrem Innern eine provisori­sche Unterkunft schaffte. Niemand aus der Siedlung hätte dagegen etwas einzuwenden gehabt, denn Lebensmittel gab es im Über­fluß.

Aber die Gruppe operierte von ihrer Be­hausung aus und terrorisierte jeden, der den sicheren Schutz des Siedlerwalls verließ. Man nahm ihn gefangen und verlangte als Lösegeld Dinge, die man sich von der näch­sten Halde hätte holen können.

Peragon versuchte, sich an Forgos' Worte zu erinnern. Er kam zu dem Schluß, daß die zweite Generation – oder zumindest ein Teil von ihr – aus purer Langeweile und Selbst­bestätigungsgelüsten handelte. Ihr Tun war sinnlos. Vielleicht mußte eine Gegenreakti­on ebenso sinnlos erscheinen, um sich posi­tiv auszuwirken.

Eine etwas weiter entfernte Halde bestand aus Kriegsmaterial. Sie enthielt nicht nur Energiestrahler und demontierte Geschütze, sondern auch große Vorräte von Gift- und Narkosegasen. Peragon stellte eine kleine Expedition zusammen und schickte sie mit einem noch aus der KANTORN stammen­den Transportgleiter, den man repariert hat­te, zu dieser Halde.

Drei Tage später erfolgte der Angriff auf die jugendliche Bande, die ohne Verluste überwältigt werden konnte. Als ihre Mitglie­der aus der Narkose erwachten, fanden sie sich gefesselt vor der Siedlerversammlung wieder und wurden vor die Wahl gestellt, sich der bestehenden Gemeinschaft anzu­schließen oder weiter in der Verbannung zu leben.

Noch am gleichen Tag verließ der größte Teil der Gruppe die Siedlung für immer. Diese Angehörigen der neuen Generation hatten sich entschlossen, ihr eigenes Leben aufzubauen und waren die Verpflichtung eingegangen, sich dem Dorf nie mehr als fünfzig Kilometer zu nähern.

»Ihr Weg ist markiert«, sagte Peragon, als die Ausgestoßenen zwischen den Halden

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verschwunden waren. »Jeder, der Lust dazu verspürt, kann ihnen folgen. Aber er muß wissen, daß es dann auch keine Rückkehr mehr für ihn gibt.«

Aber die anderen blieben.

5.

Atlan und Fartuloon hatten die Nacht in einer windgeschützten Mulde zwischen elektronischen Geräten und säuberlich auf­gestapelten Kisten mit funktechnischen Er­satzteilen verbracht. Es hätte wenig Sinn ge­habt, in der Dunkelheit weiterzugehen, denn sie wären von der ursprünglichen Richtung abgekommen.

Einige Rüsselnasen huschten davon, als Atlan sich erhob und ein Stück die Halde hochkletterte, um sich zu orientieren. Fartu­loon brach eine Kiste auf, deren Beschrif­tung teuerste Delikatessen verriet. Mit Ge­nuß stellte er das Frühstück zusammen.

Als er hinter sich ein Geräusch hörte, glaubte er, Atlan kehre zurück.

»Du hast wohl Hunger?« fragte er, ohne sich umzudrehen.

Eine fremde Stimme erwiderte: »Laß die Hände dort, wo sie jetzt sind,

Fettwanst! Du hast die Abmachung verletzt und bist in unser Gebiet eingedrungen. Du weißt, was wir mit solchen Typen wie dir machen!«

Fartuloon blieb sitzen und drehte den Kopf. Er sah vier junge Männer in funkelna­gelneuen Uniformen der Raumflotte, bis zu den Zähnen bewaffnet und mit entschlosse­nen, finsteren Gesichtern.

»Ihr scheint mich zu verwechseln«, sagte er langsam. »Wer seid ihr überhaupt? Wo kommt ihr her?«

Der Anführer der vier Arkoniden deutete auf Fartuloons Strahler.

»Nimm das Ding vorsichtig heraus und wirf es weg!« Eine bezeichnende Bewegung mit dem Lauf der eigenen Waffe unterstrich den Befehl. »Ja, so ist es brav. Nun rede schon! Warum bist du hier? Haben sie dich geschickt, um zu spionieren?«

Clark Darlton

Fartuloon war noch immer damit beschäf­tigt, sich das plötzliche Erscheinen von Ar­koniden auf dieser verlassenen Welt zu er­klären. Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht. Mich hat niemand geschickt. Gibt es denn noch andere außer euch hier?«

»Sag nur, du kommst nicht aus der Sied­lung …«

»Welche Siedlung? Hier gibt es eine Sied­lung? Wo?«

Der noch junge Anführer der vier Arkoni­den setzte sich auf eine Kiste, ohne Fartu­loon aus den Augen zu lassen. Sein Gesicht drückte Zweifel und Befremden aus.

»Der lügt doch!« meinte einer seiner Ge­fährten.

»Du bist doch einer von den Alten, die mit der KANTORN kamen?« vergewisserte sich der Anführer.

»KANTORN? Noch nie gehört! Mich hat ein Transmitter ausgespuckt, das ist die rei­ne Wahrheit. Und ihr? Schiffbrüchig?«

»Wir wurden hier geboren, aber unsere Eltern landeten hier und konnten nicht mehr weg. Die Roboter nahmen das Schiff ausein­ander.«

Nach und nach erfuhr Fartuloon, was ge­schehen war. Ein vorsichtiger Blick zur Hal­de empor verriet ihm, daß Atlan der Unter­haltung schon seit längerer Zeit in guter Deckung zuhörte. Er war also unterrichtet.

»Ich habe nichts mit der Siedlung zu tun«, sagte er, als die Verhandlung zu nichts führ­te. »Laßt mich in Ruhe, und ich werde mich auch nicht um euch kümmern. Eure Streitig­keiten gehen mich nichts an. Diese verrückte Welt bietet Platz für alle.«

»Du wirst mit uns kommen«, entschied der Anführer. »Gemeinsam werden wir dann beraten, was mit dir geschieht.«

Fartuloon warf sich blitzschnell zur Seite und rollte ein Stück weg, als er oben in der Halde das Energiebündel aufzucken sah. Das Narkosefeld erfaßte die vier Arkoniden und betäubte sie sofort, ehe sie ihre Überra­schung überwunden hatten.

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Atlan kam herabgeklettert. »Also sind wir nicht allein hier«, sagte er

und betrachtete die Bewußtlosen. »Aber auf solche Gesellschaft können wir leicht ver­zichten.«

Fartuloon kam zurück und deutete auf den provisorischen Tisch, den er aus Kisten zu­sammengestellt hatte.

»Dumm sind sie auch noch. Sie haben nicht einmal bemerkt, daß ich für zwei Per­sonen gedeckt habe.«

Nach dem Frühstück nahmen sie den Be­wußtlosen die Waffen ab und versteckten sie in der Halde. Sie würden sich wieder neue beschaffen, aber bis dahin vergingen noch einige Stunden.

»Es ist schwer für sie, unsere Spuren zu finden«, sagte Atlan und deutete nach Nor­den. »Es ist besser, wir gehen jetzt! Viel­leicht sind noch mehr von diesen Burschen in der Nähe, und ich verspüre keine Lust, auf Arkoniden schießen zu müssen.«

»Um die hier ist es kaum schade«, knurrte Fartuloon und setzte sich in Bewegung. »Hoffentlich finden wir die Station.«

»Wenn es eine ist!« Zwei Stunden später sahen sie das Gebäu­

de vor sich liegen.

*

Die Station lag zum größten Teil unter der Oberfläche und barg ganze Etagen mit Kon­trollanlagen und Schaltzentren. Atlan konnte sich nicht erinnern, derartige Konstruktionen schon einmal gesehen zu haben, und auch Fartuloon meinte nach einer ersten Besichti­gung:

»Fremd, völlig fremd! Das muß eine Zivi­lisation geschaffen haben, der wir noch nie begegnet sind. Und so etwas möchtest du umpolen?«

»Auch fremde Intelligenzen denken in ähnlich logischen Bahnen wie wir, Fartu­loon. Folglich gelangen sie auch zu ähnli­chen Erkenntnissen. Es gibt Parallelen, wir müssen sie nur finden.«

Mehrmals begegneten sie Robotern, die

wahrscheinlich Wartungsaufgaben erfüllten. Sie wurden kaum von ihnen beachtet. Fartu­loon unternahm den unsinnigen Versuch, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, aber wenn er nicht schnell zur Seite gesprungen wäre, hätten sie sich wahrscheinlich nicht davon abhalten lassen, mitten durch ihn hindurch­zumarschieren. Er schien nicht für sie zu existieren.

In der Kuppel neben der Station, durch diese mit einem Gang verbunden, entdeck­ten sie endlich etwas, das ihnen bekannt vor­kam. Es war eine zehn Meter hohe Halbku­gel, die auf ihrer Schnittfläche ruhte.

Atlan entsann sich, was auf dem Asteroi­den geschehen war. Er hatte in der Nähe der Halbkugel dort zaghafte Gedankenimpulse empfangen können. Da sie nirgendwo orga­nischen Intelligenzen begegnet waren, muß­ten es mechanisch gespeicherte und dann ab­gestrahlte Impulse gewesen sein.

War die Halbkugel ein Speicher für elek­tronisch gesteuerte Gedankenimpulse? Gab sie die Befehle ihrer Erbauer an die Roboter weiter?

Oder hatte sie eine andere Aufgabe? »Spürst du sie auch?« fragte Fartuloon

plötzlich. Atlan nickte zögernd. Wie auf dem Asteroiden, so versuchten

auch hier und jetzt die fremden Gedanken, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Offensicht­lich gleichzeitig auch mit Fartuloons Be­wußtsein.

»Die Murlen!« flüsterte Atlan, von einer unerklärlichen Scheu ergriffen. »Sie wollen Kontakt!«

Fartuloon nickte und setzte sich auf einen Generatorblock an der Kuppelwand. Er starrte konzentriert auf die Halbkugel und versuchte, den Sinn der von ihr abgestrahl­ten Impulse zu verstehen.

Zuerst waren es nur Bruchstücke, die At­lan und Fartuloon in ihrer Bedeutung erfaß­ten, aber nach und nach wurde der Strom der Gedanken, die in ihr Bewußtsein drangen, kräftiger und deutlicher.

Die beiden Arkoniden erfuhren die Ge­

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schichte der Murlen.

*

Mit allem hatten die Murlen gerechnet, nur nicht damit, daß der Überfluß sie er­stickte und zum Aussterben verurteilte. Fort­schritt und Erkenntnishunger kamen zum Stillstand, denn niemand sah noch einen Sinn darin, mehr zu tun, als unbedingt not­wendig war. Als die erste Seuche ausbrach, gab es keinen mehr, der ihre Ursache er­kannt und bekämpft hätte.

Die Transmitterstationen arbeiteten voll­automatisch, und die Wartungsroboter wa­ren für alle Ewigkeit programmiert. Immer noch kamen die robotgesteuerten Transport­schiffe zu dem Beuteplaneten und wurden vollbeladen wieder gestartet. Sie brachten den Nachschub zur Heimatwelt, deren einst blühende Oberfläche mehr und mehr mit Halden bedeckt wurde.

Zwischen ihnen vegetierten die Murlen dahin, ohne etwas gegen den drohenden Un­tergang zu tun. Es gab keine nächste Gene­ration mehr, denn sie waren unfruchtbar ge­worden.

Die energetische Vergangenheit war ver­gessen.

Sie starben aus. Es gab einige Wissenschaftler, die dem

drohenden Untergang nicht tatenlos zusehen wollten, aber sie waren zu wenige, um wirk­lich etwas unternehmen zu können. So be­schlossen sie, wenigstens eine Warnung an jene zu hinterlassen, die eines Tages das Er­be der Murlen finden würden.

Sie speicherten eine Gedankenbotschaft in den Robotgehirnen.

Atlan und Fartuloon nahmen sie auf.

*

Ais sich der Impulsstrom zu wiederholen begann, verließen die beiden Männer die Kuppel. Sofort versiegte die telepathische Sendung. Sie wurde nur durch optischen und direkten Kontakt abgerufen.

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»Es gibt also keine Murlen mehr«, mur­melte Fartuloon. »Das erklärt eine ganze Menge, besonders die Halden. Die Trans­mitterfallen werden bis in alle Ewigkeit ar­beiten.«

»Die Wissenschaftler der Murlen hinter­ließen uns eine Nachricht«, erinnerte ihn At­lan. »Sie muß verschlüsselte Informationen darüber enthalten, wie die Transmitter lahm­zulegen sind. Wir wissen nicht, warum sie es nicht selbst taten, bevor sie starben. Viel­leicht hätten sie damit gegen ein Gesetz ver­stoßen, das wir nicht kennen. Für uns aber gilt dieses Gesetz nicht.«

»Aber für die Roboter, Atlan! Wie willst du sie umprogrammieren?«

»Das weiß ich noch nicht. Aber ich bin si­cher, daß sie von der Station aus gesteuert werden. Von dieser hier oder von einer an­deren.«

»Wir müssen die Zentrale finden, Atlan. Die Zentralstation! Diese hier ist nur eine Nebenstelle zur regionalen Kontrolle.«

»Die Arkoniden!« Atlan ging zum Aus­gang und sah der sinkenden Sonne nach. »Sie wurden auf diese Welt verschlagen und kennen sie besser als wir. Sollen wir sie fra­gen?«

»Das wird wenig Zweck haben, ganz da­von abgesehen, daß sie ja vom Erbe der Murlen leben. Wer im Überfluß lebt, kann nie genug davon haben. Außerdem sind die­se Arkoniden Parasiten, dazu noch ganz ge­fährliche. Wir haben keine Unterstützung von ihnen zu erwarten.«

»Ich meinte nicht die vier, die uns über­fielen, sondern die Alten, von denen sie sprachen. Jene also, die mit dem Schiff einst kamen. Sie werden Transportmittel gerettet haben, vielleicht sogar einen Gleiter.«

»Die gibt es auch auf oder unter den Hal­den, nur finden müßte man sie.«

Atlan schien von einem plötzlichen Eifer gepackt zu werden.

»Wir müssen los, ehe es dunkel wird. Die Halde nebenan wird aus Maschinen gebildet, vielleicht finden wir etwas Brauchbares.« Fartuloon war nicht sehr begeistert von At­

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lans Plan, aber er widersprach auch nicht. Als sie schließlich einen leichten Elektrowa­gen entdeckten und freilegten, wurde auch er zuversichtlicher.

»Besser als nichts«, stellte er fest. Sie legten vor Anbruch der Dunkelheit

fast vierzig Kilometer zurück, schliefen auf einem flachen Grashügel und sahen am an­deren Vormittag die Häuser der von einem Wall umgebenen Siedlung vor sich liegen.

Langsam fuhren sie weiter, bis drüben beim Wall ein Energiegeschütz aufblitzte und das Lichtbündel dicht vor dem Wagen den Sand zerschmolz.

Atlan hielt an, stieg aus und winkte mit beiden Händen.

Dann kam er auf die Idee, den kleinen Te­lekom einzuschalten, den er am linken Arm­gelenk trug.

»Nicht schießen, wir kommen in friedli­cher Absicht.«

»Das kennen wir!« kam es prompt zu­rück. »Ihr habt euch freiwillig von uns ge­trennt, also bleibt auch, wo ihr seid.«

»Sie befinden sich im Irrtum, denn wir haben nichts mit den jungen Hitzköpfen zu tun. Allerdings sind wir ihnen einmal begeg­net und hatten Ärger mit ihnen. Durch sie erfuhren wir von der Existenz dieser Sied­lung. Dürfen wir näherkommen?«

»Wartet noch, ich muß erst Peragon fra­gen, er bestimmt hier.«

»Schön, wir warten und bleiben auf Emp­fang.«

Fartuloon äußerte die Vermutung, daß man sie aus lauter Mißtrauen wohl erst gar nicht durch den Wall ließe, der aus Kisten, Maschinenteilen und Gerümpel bestand. Er blieb im Fahrzeug sitzen und stillte den wie­der aufkommenden Appetit.

»Beim nächsten Kontakt klären wir sie auf. Wir wollen abwarten, was dieser Pera­gon anordnet.«

»Sonst suchen wir uns selbst einen Gleiter aus den Halden.«

»Die Roboter haben alle größeren Gegen­stände auseinandergenommen«, erinnerte ihn Atlan. »Wir können von Glück reden,

diesen kleinen Wagen noch intakt vorgefun­den zu haben.«

Die Sonne kletterte langsam auf Mittags­höhe, als im Telekom eine Stimme zu hören war. Es mußte die von Peragon sein.

»Wer seid ihr?« kam seine erste Frage. »Gehört ihr nicht zur zweiten Generation, die sich von uns lossagte?«

»Wir gehören überhaupt nicht zu euch, sondern trafen vor einigen Tagen per Trans­mitter hier ein. Nun benötigen wir Hilfe, da­mit der Spuk hier ein Ende hat.«

»Uns stört er nicht, wir sind schon lange hier.«

»Darum bitten wir euch um Hilfe, ihr kennt euch besser aus. Dürfen wir näher­kommen?«

»Seid ihr bewaffnet?« »Handstrahler, das ist alles.« »Also gut, ich erwarte euch hier am Tor.

Und vergeßt nicht, unser Geschütz ist auf euch gerichtet.«

»Keine Sorge.« Atlan kletterte hinter die Kontrollen. »Wir sind nicht lebensmüde.«

Peragon erwartete sie am Tor und muster­te sie mißtrauisch. Dann erhellten sich seine Züge.

»Ihr seid zu alt, um zu den Hitzköpfen zu gehören. Seid willkommen. Ich bin Pera­gon.«

Fartuloon blieb bei seinem Namen, Atlan nannte einen anderen, der ihm gerade ein­fiel. Das geschah nicht, weil er befürchten mußte, daß die Siedler ihn kannten, sondern aus anderen Gründen. Vielleicht landete ei­nes Tages ein Schiff des Imperiums hier, und die Häscher waren für jeden Hinweis dankbar.

Bei einem Krug besten Weines erfuhren Atlan und Fartuloon die abenteuerliche Ge­schichte der Siedler, dann stellte Peragon seine Fragen und erhielt alle Informationen, die er wollte – und haben durfte.

»Uns geht es darum, die Transmitter ab­zuschalten. Die Asteroidenfallen der ausge­storbenen Murlen bedeuten eine Gefahr für die Galaxis. Wenn ihr wirklich hierbleiben wollt, so werden wir euch nicht überreden,

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mit uns in einen umgepolten Transmitter zu gehen. Die hier lagernden Bestände an Ma­terial und Lebensmittel dürften Jahrhunderte ausreichen, es macht euch also nichts aus, wenn der Nachschub ausbleibt. Wir aber müssen hier fort, unter allen Umständen. Wenn wir die Zentralstation finden, ist das Problem gelöst.«

Peragon und die Männer, die der Unter­haltung beiwohnten, nickten zustimmend.

»Wir werden euch helfen und euch unse­ren Gleiter zur Verfügung stellen. Ein Pilot wird euch begleiten, denn … denn wir brau­chen den Gleiter.«

Atlan lächelte. »Ich verstehe. Aber es ist wahrscheinlich,

daß wir ohnehin noch einmal zur Siedlung zurückkehren, auch wenn wir Erfolg haben. Wir möchten euch informieren, falls ihr ei­nes Tages nachkommen wollt.«

Peragon schüttelte den Kopf. »Wir bleiben, das steht fest! Selbst wenn

es euch gelingen sollte, einen oder gar alle Transmitter umzupolen und Sendestationen aus ihnen zu machen, so wäre das Ziel zu ungewiß. Was sollten wir wohl auf einem künstlichen Asteroiden anfangen?«

Es stellte sich im Lauf der Unterredung heraus, daß es mehrere Kontrollstationen auf diesem Kontinent gab, die sich im Aufbau alle ähnelten, so daß keiner die Funktionen einer zentralen Leitstelle zugebilligt werden konnte. Obwohl Atlan immer mehr davon überzeugt war, daß es eine derartige Zentra­le vielleicht überhaupt nicht gab, wollte er auf einen Inspektionsflug nicht verzichten. Der Gleiter war in guter Verfassung und startbereit.

Kor, der sich freiwillig als Pilot zur Ver­fügung stellte, war auf dem namenlosen Pla­neten geboren worden und in der Siedlung geblieben, weil seine Eltern noch lebten. Er war etwa 35 Jahre alt.

Er nahm hinter den Kontrollen Platz, ne­ben ihm Atlan. Fartuloon zog es vor, die bei­den hinteren Sitze für sich allein zu bean­spruchen. Ohne jedes Geräusch erhob sich der Gleiter, von seinen Antigravfeldern ge-

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tragen, und überflog in geringer Höhe den Wall. Kor nahm Kurs auf die nächste Stati­on, die weit im Westen lag.

*

Soweit es die Bauweise und die installier­ten Kontrollgeräte betraf, war sie mit der er­sten Station identisch. Auch die Halbkugel war vorhanden, und sie strahlte die gleiche telepathische Botschaft ab.

Als der Gleiter wieder startete, deutete Fartuloon auf den Blauen Lichtkreis eines Transmitters, der über einer Halde schwebte.

»Diese Station ist für diesen Transmitter verantwortlich. Jeder Transmitter hat somit seine eigene Station. Es ist zwecklos, wenn wir nach einer gemeinsamen Steuerzentrale suchen.«

»Wenn schon, dann setzen wir alle außer Betrieb!« sagte Atlan entschlossen. »Zumindest müssen wir es versuchen.«

Insgesamt entdeckten sie zwölf Stationen auf dem großen Kontinent. Und auch zwölf Transmitter. Eine dreizehnte Station gab es nicht. Auch nicht auf den anderen beiden Kontinenten, die frei von Transmittern und Halden geblieben war.

»Vielleicht können wir sie nicht sehen, weil sie unter der Oberfläche liegt«, meinte Kor, der regen Anteil an der Suche nahm. »Und die Massetaster des Gleiters taugen nicht viel, weil die Halden zu sehr reflektie­ren. Wir könnten jahrelang suchen.«

»Zurück zur Siedlung!« Atlan war nichts von seiner Enttäuschung anzumerken. »Ich möchte noch einmal mit Peragon sprechen. Außerdem beginne ich mir allmählich Sor­gen um die Mannschaft der NEKOR zu ma­chen. Wenn sie noch immer narkotisiert ist …«

»In einem solchen Zustand können sie ei­ne Woche ohne Nahrungsaufnahme aushal­ten, ohne Schaden zu nehmen«, erinnerte ihn Fartuloon.

»Sie tragen geschlossene Raumanzüge, Fartuloon. Beim kleinsten Defekt der Lufter­neuerung muß der Betreffende ersticken.«

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Fartuloon schwieg. Kor flog mit direktem Kurs zur Siedlung

zurück und landete innerhalb des Walles. Schon von der Luft her hatte Atlan einige Veränderungen bemerkt, und als er Kor von der Seite her einen Blick zuwarf, sah er des­sen Verwirrung. Sie hatten sporadisch Funk­kontakt mit Peragon gehabt, ohne daß dieser etwas von einem Angriff erwähnt hätte.

Ein Teil des Walles war zusammenge­schmolzen und hatte sich fast in eine massi­ve Mauer verwandelt. Materialien unter­schiedlichster Art hatten sich zu einer festen Masse verbunden, was hinsichtlich der Ver­teidigung keinen Nachteil bedeutete. Aber hinter dem Wall, innerhalb der Siedlung, waren einige Häuser bis auf die Grundmau­ern niedergebrannt.

Peragon und einige der älteren Männer kamen herbei, als der Gleiter landete. Sie begrüßten die drei Zurückgekehrten mit freundschaftlichem Handschlag und fragten nach dem Erfolg der Expedition.

Während Atlan kurz von dem Fehlschlag berichtete, wartete Kor den Gleiter und lief dann zu seinen Eltern, um von ihnen zu er­fahren, was inzwischen geschehen war.

»Die Roboter griffen uns an«, bequemte sich Peragon endlich zu einer ersten Stel­lungnahme, als er Atlans Blicke nicht mehr ignorieren konnte. »Es ist das erste Mal, daß sie das tun, seit sie die KANTORN zerlegten und wir sie daran hindern wollten. Sie ka­men gestern früh, einige Stunden nach eu­rem Start. Einigen gelang es, den Wall zu übersteigen und die Häuser in Brand zu set­zen, ehe wir sie erledigen konnte. Die ande­ren wurden schon vorher zurückgeschlagen. Gut, daß wir ein Energiegeschütz haben.«

»Was mag sie dazu veranlaßt haben …?« Atlan schüttelte ratlos den Kopf. »Sie müs­sen doch einen Grund gehabt haben! Es ist niemand da, der sie umprogrammieren könnte. Oder doch …?«

»Wer denn?« »Außer euch und uns leben noch andere

auf dieser Welt, oder habt ihr die zweite Ge­neration vergessen?«

»Die Jungen?« Peragon ging unruhig auf und ab, winkte dann den anderen zu und schlug die Richtung zu seinem unversehrten Haus ein. »Das glaube ich nicht. Das will ich nicht glauben!«

Sie folgten ihm. »Was meinst du wirklich?« fragte Fartu­

loon. »Es kann sein, daß wir selbst es waren,

die ungewollt eine Art Neuprogrammierung vornahmen, als wir die Stationen betraten«, gab Atlan flüsternd zurück. »Aber wenn schon, dann käme dafür nur die erste Station in Frage, denn die anderen würden sich nicht mit dem Zeitplan decken. Außerdem fand der Angriff im Befehlsbereich dieser ersten Station statt. Die zweite Station ist dafür – wenn unsere Theorie stimmen sollte – nicht zuständig.«

Sie versammelten sich im Garten vor dem Haus. Eine erregte Debatte begann. Das. Für und Wider fand Gegner und Anhänger, zu einem befriedigenden Ergebnis kam jedoch niemand. Schließlich verschaffte Peragon sich durch eine energische Handbewegung Gehör.

»Geht nach Hause, Freunde, es ist schon spät. Denkt an die Wachen und die Ablö­sung! Die Roboter dürfen uns nicht noch einmal überraschen. Morgen setzen wir die Diskussion fort. Die beiden Fremden können bei mir übernachten, ich habe Platz genug.«

Einzeln und in Gruppen gingen sie davon. Peragon nahm Atlan beim Arm. »Ich wollte Ihnen noch etwas sagen, das

die anderen nicht zu hören brauchen. Ich ha­be es eben verschwiegen, und keiner von ih­nen scheint es gestern früh gesehen zu ha­ben. Ich hatte aber auch vom Hügel aus eine bessere Aussicht.«

»Wovon reden Sie?« fragte Fartuloon, neugierig geworden.

»Von dem Angriff, wovon sonst? Ich stand auf dem Hügel und leitete über Tele­kom die Verteidigung. Ich sah die Roboter heranmarschieren und dann später den Rückzug antreten. Transporter kamen und sammelten die zerstörten ein und brachten

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sie fort. Da ich hoch stand, etwa auf halber Höhe der vor dem Wall liegenden Halde, sah ich an ihrem Hang vorbei und entdeckte acht oder zehn der Abtrünnigen.«

»Angehörige der zweiten Generation?« vergewisserte sich Atlan.

»Ja, richtig! Ich schäme mich, diese Ver­mutung auszusprechen. Ich habe auch jeder­mann gegenüber bisher geschwiegen, aber ich bin davon überzeugt, daß unsere eigenen Kinder diesen Angriff auf die Siedlung ver­anlaßten und im Hintergrund kommandier­ten.«

»Sie können durch Zufall dort gewesen sein.«

»Nein, das war kein Zufall. Die Roboter zogen bei ihrem Rückmarsch an ihrem Ver­steck vorbei, ohne sie anzugreifen. Sie müs­sen sie aber gesehen haben.«

»Sie sind demnach zu beeinflussen …«, murmelte Atlan und unterdrückte seine Erre­gung.

In die entstehende Gesprächspause hinein sagte Peragon:

»Ich entsinne mich da an ein Vorkommnis vor dreißig oder mehr Jahren, als wir den Wall bauten. Die Transportroboter tauchten auf und wollten das Material wieder zurück zu den Halden schaffen. Ich sprach sie an – und sie reagierten darauf. Sie gingen fort und kamen nie mehr wieder.«

»Sie sprachen sie an, einfach so?« verge­wisserte sich Atlan.

»Ja, einfach so. Es war mehr eine Reflex­handlung, verstehen Sie? Ich bat sie, uns den Wall zu lassen, weil er uns gegen Angriffe schützen sollte. Sie schienen es zu akzeptie­ren. Jedenfalls ließen sie von ihrer Arbeit ab und gingen.«

Atlan fragte, warum er es nicht auch beim Angriff der Kampfroboter versucht habe und erhielt zur Antwort, daß dazu keine Zeit ge­wesen sei. Außerdem war Peragon gar nicht erst auf den Gedanken gekommen.

Später auf ihrem Zimmer unter dem Dach sagte Fartuloon:

»Sie besitzen einen eingebauten Transla­tor auf Telepathiebasis, das ist klar. Das

Clark Darlton

macht sie zum Teil unabhängig von ihrer Kontrollstation. Atlan, wir sind einen Schritt weiter gekommen.«

»Einen sehr kleinen«, schränkte Atlan ein. »Immerhin!« knurrte Fartuloon und wälz­

te sich auf die andere Seite, wobei das Bett Geräusche von sich gab, als wolle es jeden Augenblick unter der ungewohnten Last zu­sammenbrechen.

Atlan brauchte lange, bis er endlich ein­schlief.

6.

Leise summte der Antrieb des Elektrowa­gens, als sie zwischen den Halden hindurch­fuhren und die Siedlung ihren Blicken ent­schwand. Der Abschied von Peragon und seinen Leuten hatte nicht den Eindruck ent­stehen lassen, daß man sich zum letzten Mal sah. Die Siedler waren davon überzeugt, daß es Atlan und Fartuloon nicht gelingen wür­de, den Transmitterempfänger in einen Sen­der umzupolen.

»Notfalls müssen wir uns mit den jungen Rebellen in Verbindung setzen«, meinte At­lan, als sie die Halde mit Kriegsmaterial er­reichten und anhielten. »Um dieses Treffen nach unseren Bedingungen zu gestalten, müssen wir gut bewaffnet sein.«

Sie fanden genug Handstrahler und ein kleines Geschütz, das sie mitsamt Generator auf den Wagen montierten. Ein Probeschuß überzeugte sie, daß sie damit auch einen An­griff der Kampfroboter erfolgreich abwehren konnten.

»Mir wäre es lieber, wir kämen ohne das da aus«, sagte Fartuloon.

»Vielleicht schaffen wir es …« Sie erreichten die letzte Halde vor »ihrer«

Station. In der Ferne war der Leuchtring des Transmitters zu erkennen. Der zweite, weit hinter ihnen, gehörte zur zweiten Station.

Drei Transportroboter luden Materialki­sten auf. Atlan hielt den Wagen an.

»Machen wir doch eine Probe aufs Exem­pel«, schlug er vor.

Die Transportroboter waren nicht bewaff­

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net, bedeuteten also keine direkte Gefahr. Kampfmaschinen waren nicht in Sicht, konnten wahrscheinlich jedoch jederzeit her­beigerufen werden. Atlan schaltete den An­trieb des Wagens nicht ab, als er ausstieg. Fartuloon folgte ihm neugierig und ge­spannt.

Als Atlan den ersten Transporter erreich­te, deutete er auf die Halde und sagte:

»Nicht dieses Material! Lade es wieder ab!«

Für einen kurzen Augenblick war es Atlan so, als melde sich sein Extrahirn mit einem gerafften Impuls, dann lenkte ihn die Reakti­on des Transportroboters ab. Der Greifarm schwenkte herum und ergriff die Ladung, die er gerade von der Halde genommen hat­te. Er beförderte sie, ohne zu zögern, wieder dorthin zurück und wiederholte die Aktion, bis der Laderaum leer war. Dann setzte er sich langsam in Bewegung und fuhr an der Halde entlang.

Fartuloon stieß einen Seufzer aus. »Na, wer sagt es denn? Es funktioniert

…« »Nicht ganz«, unterbrach ihn Atlan. »Sieh

nur!« Der Transporter war stehengeblieben und

begann erneut mit seiner Ladetätigkeit. Er schien den Befehl vergessen zu haben.

»Von seinem Standpunkt aus hat er recht«, verteidigte ihn Fartuloon. »Nicht die­ses Material, hast du ihm befohlen, und er nimmt jetzt ein anderes. Du kannst ihm kei­nen Vorwurf machen.«

»Immerhin gehorcht er«, murmelte Atlan und versuchte, die Motivierung eines po­sitronischen Gehirns zu ergründen. »Ich werde ihm einen eindeutigeren Befehl ge­ben. Komm!«

Gehorsam entlud der Roboter wieder, als Atlan es anordnete. Aber kaum war der La­deraum geleert, wollte der Greifarm wieder mit der gewohnten Tätigkeit beginnen.

»Kein Material mehr von dieser Halde«, befahl Atlan. »Sortiere nur noch Lebensmit­tel!«

Gespannt sahen die beiden Männer zu,

wie der Transporter wendete und quer über die Ebene zur übernächsten Halde fuhr. Dort hielt er an und begann mit seiner Suche. Die Halde war noch nicht aussortiert und enthielt wahllos alles, was der Transmitter herbeige­schafft hatte. Aus der Ferne war zu erken­nen, daß sich der Laderaum des Roboters nur mit Lebensmittelkisten füllte.

Er hatte verstanden und gehorchte dem Befehl.

Atlan atmete erleichtert auf. »Ich glaube, wir werden die Rebellen

nicht brauchen. Nur wird das gleiche Expe­riment mit einem Kampfroboter wesentlich gefährlicher werden.«

»Wenn sie nicht parieren, knallen wir ih­nen eine Ladung vor ihr Positronengehirn«, rief Fartuloon und kletterte in den Wagen.

*

Es schien nur sehr wenig Kampfroboter zu geben, denn sie fanden keinen, so sehr sie auch herumfuhren und danach suchten. Viel­leicht gab es einen unterirdischen Hangar, den sie nur bei Alarm verlassen durften. At­lan wagte es nicht, einen Transportroboter zu vernichten, um diesen Alarm auszulösen, der vielleicht fatal werden konnte.

Sie erreichten die Station gegen Mittag. Auch hier war keiner der Kampfroboter

zugegen, dafür ein gutes Dutzend Wartungs­personal, deren Äußeres ihren unterschiedli­chen Aufgaben entsprach. Die Murlen muß­ten äußerst nüchtern und zweckgebunden gedacht und entsprechend konstruiert haben.

Außerhalb der Station entdeckten sie einen Arbeitsroboter, der in seinem Ausse­hen an einen arkonidischen Elektronenpflug erinnerte, was Atlans These von einer lo­gisch parallel laufenden technischen Ent­wicklung aller Intelligenzen entsprach. Mit seinen Schaufelarmen ebnete er das Gelände ein und entfernte jeden Stein, der auch nur mit einer winzigen Ecke aus dem Gras ragte.

Atlan ging auf ihn zu und blieb zwei Me­ter vor ihm stehen. Mit lauter Stimme befahl er ihm, seine Tätigkeit einzustellen.

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Der Roboter gehorchte. Damit stand fest, daß er die Anordnung

begriff – und auch befolgte. »Wir kommen im Auftrag der Murlen«,

sagte Atlan. »Wir müssen mit dem Kom­mandanten dieser Station sprechen, um neue Anordnungen zu überbringen. Kannst du uns zu ihm bringen?«

Ohne ein Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung setzte sich der Arbeitsroboter in Bewegung und glitt auf seinen jedem Gelän­de angepaßten Rollschienen dem Eingang der Station zu.

Atlan gab Fartuloon einen Wink, ihm zu folgen.

Jetzt würde sich alles entscheiden. Sie begegneten anderen Robotern, von de­

nen sie ignoriert wurden. Atlan verzichtete auch darauf, sie anzusprechen. Jeder neue Versuch barg auch neue Risiken.

Der Robot führte sie durch verschiedene Gänge, die sie vom ersten Besuch her kann­ten, und allmählich begann Atlan zu ahnen, wo der Spaziergang enden würde.

Dann standen sie in der Kuppel mit der Halbkugel.

»Bleibe!« befahl er dem Roboter, als die­ser wieder davongleiten wollte. »Wir brau­chen dich noch.«

Der Roboter blieb stehen und wartete. Fartuloon starrte auf die mächtige Halb­

kugel. »Und was nun?« fragte er ratlos und vol­

ler Skepsis. Atlan winkte ab und blieb stumm. Er war­

tete, bis die schwachen Gedankenimpulse wieder spürbar wurden. Als er die ersten Be­griffe aufnahm und erkennen mußte, daß sich die Informationssendung zu wiederho­len begann, die er schon einmal vernommen hatte, wußte er, daß lediglich der vorhande­ne Speicher abgespult wurde.

»Wir haben einen Auftrag und sind infor­miert«, sagte er laut und wartete auf eine Reaktion.

Die einströmenden Impulse versiegten jäh.

Das Robotgehirn, der Kommandant der

Clark Darlton

Station, hatte verstanden.

*

»Sie sind in der Station«, sagte Mantor-Re, der Anführer der Bande. »Was haben sie vor? Ob sie dahintergekommen sind, daß die Roboter gehorchen, wenn man sie konzen­triert anspricht?«

Zehn junge Arkoniden in fabrikneuer Kleidung, zum Teil Uniformen der Flotte, waren es, die in der Haldenmulde hockten und zur Station hinabblickten. Alle waren sie schwer bewaffnet. Hinter ihnen standen drei Kampfroboter mit schußbereiten Strah­lern.

»Vielleicht durch Zufall, Mantor-Re. Was machen wir mit ihnen?«

»Sie gehören nicht zur Siedlung, Sren. Wir werden sie töten.«

»Warum? Sie haben uns nichts getan.« »Sie stören mich«, gab Mantor-Re brutal

zurück. Mantor-Re war der erste der Rebellen, der

herausgefunden hatte, daß sich auch die Kampfroboter lenken ließen, wenn man sie ansprach und sich dabei gedanklich konzen­trierte. Reden allein oder denken allein ge­nügte nicht. Beides zusammen war notwen­dig.

»Was hast du vor?« »Wir greifen sie an, sobald sie die Station

verlassen, Sren. In der Station sind sie si­cher. Also warten wir.«

»Vielleicht machst du einen Fehler. Sie könnten wertvolle Verbündete sein. Sie sind klüger und älter als wir.«

»Eben!« sagte Mantor-Re nur.

*

»Wie lauten Informationen und Auftrag?« Die telepathische Frage war so klar und

deutlich, als sei sie laut gesprochen worden. Atlan warf Fartuloon einen fragenden Blick zu. Der Bauchaufschneider nickte. Er hatte also auch verstanden.

»Die Murlen haben uns beauftragt«, wie­

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derholte Atlan. »Unsere Schöpfer sind nicht mehr«, kam

es prompt zurück. »Wir verwalten ihr Erbe. Unwiderruflich!«

Atlan zerbiß sich fast die Unterlippe. Na­türlich wußte das Robotgehirn vom Ende der Murlen, es hatte es ihm und Fartuloon ja selbst berichtet. Ein Königreich für eine lo­gische Ausrede!

»Sie hinterließen Anweisungen auf der Heimatwelt, bevor der letzte von ihnen starb. Zu welchem Zeitpunkt wurdest du programmiert?«

»Vorher.« Roboter lügen nie, dachte Atlan erleich­

tert. »Meine Informationen sind daher aktuel­

ler und absolut verpflichtend. Sie erfolgten später.«

»Wie lauten sie?« fragte das Robotgehirn ohne Kommentar.

Es dauerte einige Sekunden, ehe Atlan er­widerte:

»Es hat eine totale Umprogrammierung zu erfolgen, da die auf dieser Welt eintref­fenden Güter nicht mehr benötigt werden. Sie müssen an ihren Ausgangspunkt zurück­geschickt werden. Ist das eine klare und ein­deutige Anordnung?«

»Sie ist klar und eindeutig.« »Sie wird also ausgeführt?« »Ja.« »Sofort?« »Und das gilt für alle Transmitter?« »Nur für den, für den ich zuständig bin.« Atlan zögerte, aber dann sah er ein, daß er

den Bogen nicht überspannen durfte. »Dann führe den letzten Befehl deiner

Herren aus«, sagte er nur. Bevor er den Kon­takt abbrach, fielen ihm noch die Ereignisse bei der Siedlung ein. »Die Kampfroboter sind sofort zu desaktivieren!«

»Umprogrammierung beginnt«, lautete die Antwort.

Atlan sagte zu dem Arbeitsroboter: »Bring uns wieder aus der Station.« Der Roboter glitt ihnen voran.

*

Sie entsicherten ihre Strahler, als Atlan und Fartuloon die Station verließen und ins Freie traten. Mantor-Re zögerte mit dem Feuerbefehl, als er sah, daß der Arbeitsrobo­ter sie begleitete.

»Worauf wartest du?« fragte Sren. »Du warst doch oben noch so entschlossen, nicht zu verhandeln.«

»Der Roboter hat sie hineingebracht, nun bringt er sie wieder heraus. Es muß also eine Art Kontakt vorhanden sein.«

»Na und?« Als Mantor-Re nicht reagierte, fügte Sren hinzu: »Wir haben doch auch Kontakt zu den Kampfrobotern.«

Mantor-Re blickte kurz hinter sich. »Eben!« sagte er unentschlossen. »Das ist

es ja!« »Sie gehen zum Fahrzeug«, sagte jemand

aus der Gruppe. »Worauf warten wir noch?« Es war Mantor-Re nicht möglich, seine

plötzlichen Bedenken zu überwinden. Auf der anderen Seite wollte er den Gefährten gegenüber sein Gesicht nicht verlieren. Sie hätten ihn genauso verjagt wie Kaitor, der die Gruppe bis vor zwei Wochen führte. Die Kampfroboter, nur auf Verteidigung pro­grammiert, mußten erst angegriffen werden, um in Aktion treten zu können.

»Na gut, dann – Feuer frei!« Sie kamen aus ihrer sicheren Deckung

und gaben nur einen einzigen Energieschuß ab, nicht einmal sorgfältig gezielt, sondern nur mit der Absicht, eine Reaktion herauszu­fordern. Dann duckten sie sich und warteten.

Atlan und Fartuloon waren sofort hinter ihr Fahrzeug gesprungen und schossen zu­rück.

Die grellen Energiebündel zerschmolzen einen Teil der Deckung, hinter der die Re­bellen Schutz suchten. Einer der Kampfro­boter wurde gestreift, aber er rührte sich nicht. Auch die anderen zeigten keine Reak­tion.

»Feuer!« rief Mantor-Re ihnen wütend zu, aber er ahnte, daß seine schlimmste Vermu­

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tung stimmte. »Nun schießt doch endlich!« Die Roboter drehten sich um und gingen

davon. Halb wahnsinnig vor Enttäuschung schoß

Mantor-Re hinter ihnen her und brachte den bereits beschädigten zu Fall. Er blieb bewe­gungsunfähig liegen. Die anderen beiden kümmerten sich nicht um ihn. Sie ver­schwanden wenig später hinter einem Hal­denvorsprung.

»Was sollen wir tun?« fragte Sren und fingerte an seiner Waffe herum. »Die beiden Männer sind in den Wagen gestiegen. Sie haben ein Geschütz.«

»Wir tun nichts, Sren. Im Augenblick sind sie uns überlegen, aber wir erwischen sie noch. Es muß ihnen gelungen sein, die Kampfroboter zu beeinflussen. Kommt, wir ziehen uns zurück und beobachten sie.«

Fartuloon saß hinter dem montierten Energiegeschütz und suchte nach einem Ziel. Er hatte die beiden verbliebenen Robo­ter verschwinden sehen und wußte, daß ihre Anordnung von der Station befolgt worden war.

»Sie sind weg«, sagte Atlan, und er mein­te die Rebellen. »Sie greifen nicht mehr an. Wir fahren zum Transmitter.«

»Hoffentlich hat das Befehlsgehirn die Transporter instruiert.«

»Ich glaube schon – sieh nur!« Während sich das Fahrzeug in Bewegung

setzte, konnte Fartuloon beobachten, daß Dutzende von Transportrobotern damit be­schäftigt waren, sich vollzuladen. Der Un­terschied zu früher bestand darin, daß sie diesmal die bereits sortierten Halden bear­beiteten.

Atlan erhöhte die Geschwindigkeit. »Wir werden keine Gelegenheit mehr ha­

ben, die Siedlung aufzusuchen, fürchte ich. Abgesehen davon habe ich auch keine Lust, mich gegen die Rebellen wehren zu müs­sen.«

Fartuloon stellte keine Fragen. Er sah selbst, warum Atlan es plötzlich so eilig hat­te und keine Zeit mehr verschwenden woll­te.

Clark Darlton

Die Halde in der Ferne, über der noch im­mer der blauschimmernde Transmitterring schwebte, war erheblich kleiner geworden. Von allen Seiten kamen nun die vollgelade­nen Transportroboter, und ihr Ziel war ein­deutig diese Transmitterhalde.

Erst als sie näher herankamen, konnten sie besser sehen, was dort geschah.

Von dem Gipfel der Halde lösten sich die gestapelten Gegenstände, als seien sie plötz­lich schwerelos geworden. Sie schwebten langsam in die Höhe, dem Transmitterring entgegen, so als würden sie von ihm aufge­zogen. Wenn sie seine Höhe erreicht hatten, verschwanden sie in der lichtlosen, schwar­zen Ebene, die innerhalb des Ringes herrschte und die wie eine Bespannung wirkte.

»Das Ding funktioniert!« rief Fartuloon. »Und was nun?«

»Nun treten wir die Rückreise an«, verriet ihm Atlan lakonisch.

Die Transportroboter kamen und luden ih­re Lasten am Fuß der Halde ab. Ohne Auf­enthalt kehrten sie dann wieder um und fuh­ren zurück. Sie waren unermüdlich.

Atlan fuhr nahe genug an die Halde heran und hielt. Von den Rebellen hatten sie nichts mehr bemerkt. Vielleicht hätte man sie war­nen sollen, denn wenn sie ohne Raumanzug und geschlossenen Helm vom Sog des Transmitters erfaßt wurden, würden sie eine böse Überraschung im Innern des atmosphä­rischen Asteroiden erleben.

Überall verließen die Rüsselnasen ihre Verstecke in der kleiner werdenden Trans­mitterhalde. Sie huschten über das Gerumpel nach unten, bis sie die Ebene erreichten und entwickelten bei ihrer Flucht erstaunliche Geschwindigkeiten. Dabei stießen sie pfei­fende Protestgeräusche aus.

»Es wird genug für sie übrigbleiben«, meinte Fartuloon, als er ihnen nachsah. »Möchte wissen, wovon sie sich vor der Zeit der Murlen ernährt haben.«

Atlan stieg als erster aus dem Wagen. »Helm schließen und Luftzufuhr überprü­

fen. Es wird ernst.«

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Es war gar nicht so einfach, über die um­sortierten Beutestücke nach oben zu klettern. Alles lag noch so herum, wie es aus dem Transmitter gefallen war. Zum Glück mach­te sich eine geringere Schwerkraft bemerk­bar, je höher sie stiegen. Ein Gravitations­ausgleich durch die Anzugreaktoren war überflüssig.

Fartuloon konnte sich eines unangeneh­men Gefühls nicht erwehren, wenn er nach oben sah. Wie ein schwarzes Loch hing der Ring des Transmitters über ihnen, von dem Lichtschein eingerahmt. Er schluckte das ihm entgegenschwebende Material wie ein gefräßiges Ungeheuer.

Und in dieses Nichts sollten er und Atlan sich freiwillig begeben?

Aber Fartuloon wußte zugleich, daß sie keine andere Möglichkeit hatten, wollten sie nicht den Rest ihres Lebens auf dem Beute­planeten der ausgestorbenen Murlen been­den.

»Gleich ist es soweit«, hörte er Atlans Stimme über Telekom.

Sie blieben zusammen, um nicht getrennt zu werden, wenn der Sog sie ergriff. Unten in der Ebene schienen die Transportroboter ihren Eifer zu verdoppeln. Als ob sie froh wären, das Zeug loszuwerden, dachte Atlan verwundert.

Dann spürte er, wie er gewichtslos wurde. Fartuloon griff unwillkürlich nach seiner

Hand, als sie beide den Boden unter den Fü­ßen verloren. Zwischen Kisten und einer po­sitronischen Kücheneinrichtung für Siedler schwebten sie dem Transmitter entgegen. Ein schwerer Generator schien es besonders eilig zu haben, denn er überholte die beiden Arkoniden und verschwand dicht über ihnen in dem schwarzen Loch. Sie konnten sehen, wie er entmaterialisierte.

Dann wurde es dunkel um sie. Der Ent­zerrungsschmerz trat so plötzlich ein, daß sie das Bewußtsein verloren.

Und wieder eine Sekunde später – oder waren es Ewigkeiten? – spürten sie, wie sie fielen …

7.

Atlan blieb keine Zeit mehr, das Anti­gravfeld einzuschalten. Unwillkürlich zog er die Beine an und machte eine Rolle, als er zwischen Kisten, Ballen und Maschinentei­len aufschlug. Den Bruchteil einer Sekunde später wurde er unter dem Körper Fartuloon regelrecht begraben. Das verdoppelte Ge­wicht hatte immerhin den Vorteil, daß er den schrägen Hang, der aus den vom Transmit­terempfänger ausgespuckten Gegenständen gebildet wurde, schnell hinabrutschte und so dem Schicksal entging, von nachfolgenden Beutestücken erschlagen zu werden.

Die riesige Halde war bereits halb gefüllt. Die energetischen Wirbelroboter, von der neuen Lage überrascht, rotierten ratlos hin und her. Immer wieder versuchten sie, die Flut der durch den Lichtring stürzenden Massen einzudämmen, indem sie einzelne Teile ergriffen und zurückbefördern wollten, was natürlich ein aussichtsloses Beginnen war.

Fartuloon grub sich aus und folgte Atlan, der schon unten in der Halle stand. Zwei oder drei Energiewirbel schossen eilfertig herbei und wollten sie ergreifen. Doch dies­mal waren die beiden Arkoniden nicht ge­willt, sich noch einmal von den Robotern überlisten zu lassen. Mehrere Schüsse aus den Strahlern ließen sie zurückweichen.

»Zum Robotgehirn!« sagte Atlan und be­gann zu laufen. »Wir müssen die Wirbel au­ßer Gefecht setzen.«

Fartuloon rannte hinter ihm her. »Warum denn das? Wir müssen hier weg

und uns um die Mannschaft der NEKOR kümmern!«

Aber Atlan winkte nur ab. Hinter ihnen wurde die Halde immer grö­

ßer. Bald würde sie bis zum Transmitterring reichen, und was dann geschah, war nur zu erahnen.

Der Platz um die Halbkugel war noch frei. Noch während er sich dem Robotgehirn nä­herte, konnte Atlan die Gedankenimpulse

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auffangen, die jedoch keine neuen Erkennt­nisse vermittelten. Mit aller Konzentration, deren er in dieser Situation noch fähig war, befahl er dem positronischen Regenten über den Asteroiden, die energetischen Roboter sofort zu desaktivieren. Er befahl es im Na­men der Murlen, von dessen Ende die Halb­kugel mit Sicherheit nicht informiert war.

Fartuloon hatte sich halb umgedreht, um die herumwirbelnden Lichterscheinungen zu beobachten. Zu seiner unbeschreiblichen Er­leichterung sah er, daß sie sich von dem Transmitter zurückzogen und sammelten. Dann flossen sie regelrecht ineinander und bildeten eine leuchtende Kugel, die allmäh­lich verblaßte und dann erlosch.

»Es funktioniert!« teilte er mit. Atlan gab keine Antwort. Reglos stand er

vor dem Robotgehirn und überlegte, ob er diesem die Order geben sollte, den Trans­mitter umzupolen. In zwei oder drei Stunden höchstens würde die Halle im Innern des Asteroiden mit den zurückbeförderten Gü­tern angefüllt sein.

Was würde dann geschehen? Aber dann entschied er sich dagegen. Die

Transmitterfalle würde bestehen bleiben und so für alle Zeiten eine Gefahr für alle Schiffe bilden, die sich in ihre Nähe begaben.

Abrupt wandte er sich an Fartuloon. »Raus hier! Zurück in den Raum, in dem

wir Denc-Mons und seine Leute zurücklie­ßen! Wir haben nur zwei oder drei Stunden Zeit.«

Sie liefen an herumkollernden Kisten und anderen Behältern vorbei, bis sie den Gang erreichten. Vereinzelte Wirbelroboter irrten ziellos umher, so als habe sie der Befehl des Gehirns noch nicht erreicht, aber wenigstens hatten sie ihre sinnlose Tätigkeit eingestellt.

In der Halle herrschte ein graues Däm­merlicht. Die Mannschaft der NEKOR hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Die Männer lagen auf dem Boden, die Helme geschlos­sen. Eine sofortige Untersuchung brachte den Befund, daß sie noch immer bewußtlos waren.

»Du hättest dem Robotgehirn befehlen

Clark Darlton

sollen, die Beeinflussung abzubrechen«, warf Fartuloon Atlan vor. »Aber ich gebe zu, ich hätte auch nicht gedacht, daß sie so­lange anhält. Ich frage mich nur immer wie­der, warum wir davon verschont bleiben …«

»Wir werden es wohl nie erfahren. Los, an die Arbeit! Wir müssen die Leute so schnell wie möglich zum Schiff bringen. Vielleicht kommen sie dann wieder zu sich.«

»Schöne Arbeit«, knurrte Fartuloon. »Ein Glück, daß die Gravitation so gering ist.«

»Wir bringen sie hinauf zur Oberfläche und holen das Beiboot.«

Sie hätten leicht zwei Arkoniden auf ein­mal schleppen können, aber der Gang war an manchen Stellen zu eng. Der Transport bereitete einige Schwierigkeiten, aber end­lich hatten sie die ersten beiden Arkoniden auf das Plateau geschafft und niedergelegt.

In einiger Entfernung schwebte die NE­KOR, durch Traktorstrahlen mit dem Aste­roiden fest verbunden. Während Atlan in den Tunnel zurückkehrte, schaltete Fartu­loon sein Antigravfeld ein und schwebte an der Felswand entlang nach oben. Er wollte das Beiboot holen.

Die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden bot keine Anhaltspunkte. Ein Felsen sah wie der andere aus, und jede Schlucht ähnelte der anderen. Langsam trieb Fartuloon über die unwirkliche Landschaft dahin und suchte nach einer Stelle, die er wiedererkannte.

Allmählich wurde ihm klar, daß er sich schon viel zu weit von dem Tunnelplateau entfernt hatte. Er mußte das Beiboot überse­hen haben, das unter einem Felsvorsprung lag. Vorsichtig wendete er und kehrte zu­rück. Diesmal ließ er sich bis zur Oberfläche hinab, um nichts zu übersehen.

Sein Versuch, Kontakt mit Atlan aufzu­nehmen, schlug fehl. Wahrscheinlich blockierte das Material, das über den unter­irdischen Gängen und Räumen lag, die Fun­kimpulse.

Er brauchte fast eine halbe Stunde, bis er endlich die enge Schlucht fand, die an einer Stelle von dem Felsvorsprung halb abge­

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deckt wurde. Das Beiboot war verschwunden.

*

Atlan schaffte fünf weitere Arkoniden aus der Halle und begann sich zu wundern, daß Fartuloon noch immer nicht aufgetaucht war. Er rief ihn über Telekom, erhielt aber keine Antwort. Trotz seiner wachsenden Sorge um den Freund kehrte er in die Unter­welt zurück, denn im Innern des Asteroiden begann sich die bevorstehende Katastrophe bereits abzuzeichnen.

Atlan sah keine andere Möglichkeit, als dem Robotgehirn zu befehlen, die energeti­schen Roboter wieder zu aktivieren, damit sie einen Teil der sich anhäufenden Güter ins Freie schafften, um Platz für den uner­wünschten Nachschub zu machen. Auf den Gedanken hätte er schon früher kommen können …

Aber dann sah er den Weg versperrt. Der Gang zum Robotgehirn war blockiert. Entmutigt kehrte er in die Halle mit den

Arkoniden zurück, von denen sich einige schon zu rühren begannen. Aber es würde noch einige Zeit dauern, bis sie auf eigenen Füßen stehen konnten. Er schleppte den nächsten zum Plateau hinaus.

Fartuloon und das Beiboot waren noch immer nicht zu sehen.

*

Dem ersten Schreck wich die beruhigende Gewißheit, daß ja die NEKOR noch vorhan­den war. Das Beiboot war ohnehin so gut wie überflüssig. Immerhin blieb die Frage, wohin es geraten war.

Er wollte sich gerade dazu entschließen, zum Plateau zurückzukehren, um Atlan zu helfen, als mindestens zwei Dutzend wild rotierende Energieroboter auf ihn zuschweb­ten.

Also waren sie doch nicht ausnahmslos desaktiviert worden!

Das Robotgehirn erreichte sie hier drau­

ßen nicht … »Ich werde euch schon helfen!« kündigte

Fartuloon ihnen wütend an. »Wartet nur …!«

Er wurde noch wütender, als er sah, daß einer der Lichtwirbel eine Metallplatte fallen ließ, die ohne jeden Zweifel von dem aus­einandergenommenen Beiboot stammte. Sie hatten es also gefunden und demontiert.

Warum nicht auch die NEKOR? Er schoß auf sie, aber sie wichen nicht. Im

Gegenteil: sie schienen die Energien in sich aufzunehmen, die Fartuloon ihnen entgegen­schickte.

Sie benahmen sich überhaupt ganz anders als jene Roboter, die im Innern des Asteroi­den tätig gewesen waren. Standen sie nicht unter dem Programmierungszwang des Ro­botgehirns?

Fartuloon wurde von Panik ergriffen, als er feststellen mußte, daß sie ihn systema­tisch einzukreisen begannen.

Es gab nur einen einzigen Fluchtweg: nach oben!

Mit einer schnellen Handbewegung schal­tete er das Flugaggregat ein, das in dem schwachen Gravitationsfeld des Asteroiden eine wahre Höchstleistung erbrachte. Wie eine Rakete schoß Fartuloons gewichtiger Körper senkrecht in die Höhe, mitten aus dem enger werdenden Ring der Energiero­boter hinaus, und entfernte sich innerhalb von Sekunden um einige Dutzend Kilometer von der Oberfläche.

Die Energiewirbel machten keine Anstal­ten, ihm zu folgen.

Ein wenig erschrocken über die unerwar­tete Beschleunigung schaltete Fartuloon das Triebwerk ab. Die geringe Schwerkraft des Asteroiden verlangsamte zwar unmerklich seinen Flug, aber er hatte die Fluggeschwin­digkeit bereits überschritten. Von selbst würde er nicht mehr zur Oberfläche zurück­fallen. Doch das bedeutete weiter kein Pro­blem.

Der Asteroid war merklich geschrumpft und wurde kleiner.

»Atlan!« rief er in das Helmmikrophon

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des Telekoms. »Sie haben unser Beiboot de­montiert. Hörst du mich?«

Wieder hatte er das Pech, ausgerechnet dann Verbindung aufnehmen zu wollen, als Atlan sich unter der Oberfläche aufhielt. Da­für antwortete ihm eine unbekannte Stimme, die krächzend und ausgetrocknet klang:

»Hallo, können Sie mich aufnehmen?« Das mußte jemand von der Mannschaft

der NEKOR sein, der das Bewußtsein wie­dererlangt hatte.

»Sind Sie einer von Denc-Mons' Leuten?« »Ja, und Sie?« »Später, mein Freund, später. Im Augen­

blick unternehme ich eine unfreiwillige Rei­se, komme aber gleich zurück. Wie geht es den anderen?«

»Ich weiß es nicht, ich kam gerade erst wieder zu mir. Was ist nur geschehen?«

»Das ist eine lange Geschichte, die Sie noch erfahren werden. Haben Sie den Mann gesehen, der sie aus dem Asteroiden geholt hat?«

»Ich sagte doch, daß ich gerade erst … oh, da kommt er gerade, mit einem unserer Leute unter den Arm.«

»He, Atlan!« rief Fartuloon erleichtert. »Melde dich!«

»Endlich!« Die Erleichterung war unver­kennbar. »Wo hast du denn gesteckt? Hilf mir lieber, es wird höchste Zeit. Die Leute müssen in die NEKOR geschafft werden.«

»Bin schon unterwegs«, knurrte Fartuloon und sparte sich weitere Erklärungen.

Er wendete und schaltete für eine Sekun­de das Triebwerk ein. Der Anstoß genügte, ihn der Oberfläche des Asteroiden entgegen­schweben zu lassen. Bald erkannte er gewis­se Formationen und fand auch das Plateau wieder. Von den energetischen Robotern war nichts zu sehen.

Wohlbehalten landete er vor dem Höhlen­eingang zwischen den Arkoniden, von denen sich einer halb aufrichtete und fragte:

»Wo kommen Sie denn her?« »Direkt aus dem Himmel«, erwiderte Far­

tuloon und wartete, bis Atlan wieder erschi­en. »Das Beiboot ist verschwunden, wir

Clark Darlton

müssen die Männer einzeln zum Schiff brin­gen.«

»Dann fang damit an«, sagte Atlan nur und verschwand wieder.

»Ich bin Pangrenk, der Techniker«, sagte der Arkonide, der wieder aktionsfähig zu werden schien. »Ich helfe Ihnen.«

Fartuloon half dem Arkoniden beim Auf­stehen.

»Spüren Sie noch so etwas wie eine Be­einflussung, Pangrenk?«

»Beeinflussung? Sie meinen Narkose­strahlung oder so etwas?«

»Nein, eigentlich etwas anderes. Sind Sie völlig Herr über Ihren Willen? Ich meine, es versucht nicht jemand oder etwas, Sie daran zu hindern, mir zu helfen?«

»Natürlich nicht. Warum fragen Sie?« Fartuloon erkannte, daß der Techniker

keine Ahnung hatte, was wirklich geschehen war. Er konnte sich nur noch daran erinnern, bewußtlos geworden zu sein, und zwar noch am Bord des Schiffes.

»Später, Pangrenk, jetzt haben wir keine Zeit zu langen Erklärungen.«

Sie brachten die ersten beiden Arkoniden zur Schleuse der NEKOR, öffneten sie und legten die immer noch Bewußtlosen in die luftleere Kammer. Sie würden sich einiger­maßen wundern, wenn sie inzwischen das Bewußtsein zurückerlangten. Dann holten sie die nächsten.

*

Es dauerte fast zwei Stunden, bis der Asteroid evakuiert war. Außer Pangrenk wa­ren erst zwei weitere Arkoniden wieder bei Bewußtsein. Atlan wußte, daß sie zur Füh­rung der NEKOR nicht geeignet waren.

Und wenige Kilometer entfernt drohte der Asteroid aus den Nähten zu platzen.

Fartuloon kümmerte sich in erster Linie um den Kommandanten, aber Denc-Mons schien mehr von der Narkosestrahlung be­troffen worden zu sein, als sein hünenhafter Körperbau es hätte vermuten lassen. In der Krankenstation erhielt er einige Injektionen

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und belebend wirkende Antischockimpulse. Auch der Rest der Mannschaft wurde be­

handelt. Atlan, der längst den Raumanzug abgelegt

hatte, weil er sich in der Bordkombination leichter bewegen konnte, schloß die Außen­luke des Schiffes und sorgte für den Druck­ausgleich. Damit war die NEKOR startbe­reit.

Einige Lagerräume, die er auf dem Rück­weg zur Kommandozentrale entdeckte, wa­ren noch voll. Die ausgestorbenen Murlen hatten nur die Hälfte ihrer Beute durch ihre Falle ergaunern können.

Besorgt nahm Atlan dann vor dem Bild­schirm in der Zentrale Platz.

Lichtreflexe huschten über die Oberfläche des Asteroiden dahin. Einige der schim­mernden Wirbelroboter schossen mit erheb­licher Beschleunigung in den Raum hinaus, wo sie bald erloschen, als hätte es sie nie ge­geben. Wahrscheinlich verfügten sie über ei­ne automatisch wirksam werdende Sicher­heitsschaltung, die sie unter bestimmten Umständen in pure Energie verwandelte.

Sie hören auf zu existieren. An einigen Stellen der Asteroidenoberflä­

che wölbte sich der Fels zu halbrunden Hü­geln auf, die dann auseinanderbrachen. Her­vor kamen völlig demolierte Beutestücke der Murlen.

Es kann nur noch Sekunden dauern, dach­te Atlan besorgt.

Er entschloß sich, auch ohne den Kom­mandanten zu handeln.

Pangrenk erschien gerade im richtigen Augenblick in der Zentrale.

»Denc-Mons ist noch immer bewußtlos, atmet aber wieder regelmäßig«, berichtete er.

Atlan nickte ihm zu. »Gut, Pangrenk, setzen Sie sich neben

mich. Wir müssen die NEKOR aus dem Ge­fahrenbereich manövrieren.«

»Aber der Kommandant …« »Wir können nicht mehr länger warten,

glauben Sie mir. Sehen Sie sich den Asteroi­den an! Wenn er auseinanderbricht – und

das kann jeden Augenblick geschehen –, treffen uns die Trümmerstücke wie Ge­schosse. Kein Schutzschirm kann sie aufhal­ten.«

Pangrenk sah auf die Kontrollen. »Ich bin Techniker, aber kein Pilot.« »Sie brauchen nur zu tun, was ich Ihnen

sage. Je weiter wir im Moment der Katastro­phe vom Asteroiden entfernt sind, desto ge­ringer sind die Chancen eines direkten Tref­fers. Natürlich leiten wir keine Transition ein.«

Atlan kannte sich mit den Flugkontrollen eines Frachters aus, aber bei der NEKOR handelte es sich um ein älteres Modell ohne Automatik. Er hätte zehn Hände haben müs­sen, um das große Schiff steuern zu können. Wenn Pangrenk half, sah die Lage etwas besser aus.

Fartuloon meldete sich über Interkom: »Denc-Mons hat sich gerade zum ersten

Mal gerührt, Atlan. Nicht mehr lange, dann habe ich ihn auf den Beinen.«

»Bring ihn her, sobald es möglich ist. Was ist mit den anderen?«

»Dauert noch ein oder zwei Stunden.« »Gut, wir werden starten.« »Jetzt schon?« »Höchste Zeit!« sagte Atlan und schaltete

den Normalantrieb ein.

*

Der Asteroid fiel unendlich langsam zu­rück, denn Atlan wagte es nicht, eine höhere Beschleunigung einzuleiten. Pangrenk hatte ihm auf eine diesbezügliche Frage verraten, daß die NEKOR schon lange für einige Re­paraturen überfällig war.

Atlan sah gerade wieder auf den Bild­schirm, als es geschah.

Ohne jeden Feuerschein oder Explosions­blitz zerbarst der Asteroid lautlos in der Stil­le des Weltraums. Die gewaltigen Bruch­stücke flogen in alle Richtungen davon, ver­mischt mit den Ladungen unzähliger Fracht­schiffe.

Das halbkugelförmige Robotgehirn, aus

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seiner Verankerung gerissen, folgte durch Zufall der NEKOR und überholte sie in ge­ringer Distanz. Das Wunderwerk einer ver­gangenen Zivilisation drehte sich hilflos um sich selbst, ehe es für immer in den Tiefen des Raumes untertauchte.

Ein einziges Bruchstück des Asteroiden, fast so groß wie die NEKOR selbst, wurde vom Schutzschirm abgefangen und in eine andere Bahn gezwungen.

Dann war die Gefahr vorüber. »Was war das für eine Erschütterung?«

erkundigte sich Fartuloon besorgt aus der Krankenstation.

»Die Gefahr ist vorbei, der Asteroid exi­stiert nicht mehr. Wir haben Glück gehabt. Wie geht es dem Kommandanten? Jetzt kannst du dir übrigens Zeit lassen, es eilt nicht mehr sosehr …«

»Er kommt gerade zu sich. In zehn Minu­ten ist er soweit.«

Pangrenks Gesicht verriet Erleichterung. »Ich bin froh, wenn ich diesen Sessel räu­

men kann. Lieber schlage ich mich mit War­tungsrobotern herum und versuche, ihnen et­was beizubringen.«

*

Denc-Mons machte nicht viel Worte, um seinen Rettern zu danken. Sein Händedruck sagte mehr als alle Reden.

»Der Mannschaft geht es gut, Atlan. Wir alle fühlen uns geehrt, Sie an Bord der NE­KOR begrüßen zu dürfen.«

»Kaarfux verriet unsere Namen?« Der Kommandant justierte einige Kon­

trollen, ehe er antwortete: »Natürlich hat er das, sonst wäre ich nicht

bereit gewesen, das Risiko auf mich zu neh­men. Zumindest hätte ich gezögert.« Er sah Atlan an und lächelte. »Wissen Sie, ich hatte einmal das Pech, von Vertrauensmännern Orbanaschols geschnappt und vor Gericht gestellt zu werden. Sie werden es nicht glau­ben, aber Kaarfux hat mich freibekommen. Es war ein aufsehenerregender Prozeß, in dem ich rehabilitiert wurde. Seitdem muß

Clark Darlton

ich vorsichtig sein.« »Und trotzdem sind Sie zum Treffpunkt

gekommen?« Wieder lächelte der arkonidische Hüne. »Aus zwei Gründen. Erstens bin ich Kaar­

fux zu Dank verpflichtet, und wenn er mich um einen Gefallen bittet, kann ich schlecht ablehnen. Und zweitens erfuhr ich, wer zu retten und nach Arkon zu bringen sei. Das gab den Ausschlag.«

»Eine überflüssige Frage: Sie sind gegen Orbanaschol?«

»Sie haben recht: eine überflüssige Fra­ge.« Sein Gesicht wurde entschlossen und hart. »Ich werde alles, was in meinen Kräf­ten steht, tun, um diesen Verbrecher zu ent­larven. Aber leider kann ich nicht viel tun. Ich bringe Sie nach Arkon, das ist alles.«

»Es ist schon viel, Denc-Mons.« Inzwischen trafen der Pilot der NEKOR

und einige andere Mannschaften in der Kommandozentrale ein. Denc-Mons übergab die Führung des Schiffes und ord­nete drei Transitionen in Richtung Arkon an.

In der kleinen und bescheidenen Messe fanden sie Fartuloon. Der Bauchaufschnei­der genehmigte sich gerade ein großes Glas mit grünlicher Flüssigkeit, die einen schar­fen und angenehmen Geruch verbreitete. Denc-Mons verzog das Gesicht.

»Sie haben sich ausgerechnet diesen Vur­guzz ausgesucht? Wissen Sie, daß er die kräftigsten Männer zu Fall bringen kann?«

Fartuloon lachte und deutete auf die Ses­sel am Tisch.

»Mich nicht, Kommandant. Ich habe schon ganz andere Sachen in mich hineinge­gossen.«

»Andere gibt es überhaupt nicht, wenig­stens keine vergleichbaren.« Er wartete, bis Atlan Platz genommen hatte und setzte sich dann auch. »Das Zeug ist pure Stimulans.«

»Deshalb trinke ich es ja.« Er warf Atlan einen fragenden Blick zu. »Was ist mit den Murlen und ihrem Erbe?«

Die Frage kam so überraschend, daß At­lan ihn nur ansah. Auch der Kommandant schien verblüfft zu sein.

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Fartuloon nahm einen weiteren Schluck und sagte:

»Wir müssen wissen, was mit der NE­KOR und ihrer Mannschaft geschah, oder hast du die verbliebenen Transmitterfallen vergessen? Eines Tages werden wir sie aus­schalten müssen. Sie bedeuten eine große Gefahr.«

»Transmitterfallen?« Denc-Mons schüt­telte den Kopf. »Es wäre nett, wenn Sie mich aufklären würden.«

Atlan ergriff wieder die Initiative. Er mußte es tun, denn Fartuloon hatte schon zu­viel von dem grünen Stoff getrunken. Er gab ihm einen beruhigenden Wink und meinte:

»Kommandant, bevor wir Sie darüber auf­klären, benötigen wir einen genauen Bericht, was geschah. Sie sahen den Asteroiden und steuerten ihn an. Warum? Sie hatten Ihren Kurs.«

»Wir hatten die Koordinaten eines Treff­punkts«, korrigierte Denc-Mons ruhig. »Und genau die steuerten wir an.«

»Und der Asteroid?« »Er war einfach da! Er besaß eine geringe

Eigengeschwindigkeit und hätte uns sicher­lich nicht weiter gestört. Er wäre weiterge­zogen, während wir auf Sie und Ihr Beiboot gewartet hätten. Raumkoordinaten sind nie­mals so genau, daß sie hundertprozentig den Standort von der Großes eines Schiffes be­stimmen könnten.«

»Dafür gibt es exakt arbeitende Masseta­ster«, warf Atlan etwas ungeduldig ein. »Aber sie sagen: er hätte uns nicht gestört. Hat er Sie denn gestört?«

Denc-Mons wirkte plötzlich ein wenig verlegen. Er stand auf und holte eine Flasche aus der Bar, dazu zwei Gläser. Er schenkte ein. Dann setzte er sich wieder, sichtlich ent­schlossen, endgültig auszupacken.

»Also gut, er hat uns gestört. Der errech­nete Standort, an dem wir auf Sie warten sollten, lag etwa eine halbe Lichtminute ent­fernt, aber wir waren überzeugt, daß eine so geringe Entfernung nicht viel ausmachen würde. Außerdem flog der Asteroid darauf zu. Eine Begegnung zwischen Ihnen und uns

war unvermeidlich.« »Und warum störte er Sie«, forschte Atlan

weiter, als Denc-Mons schwieg. »Es gab Leuchterscheinungen, die wir uns

nicht erklären konnten. Unsere Messungen ergaben, daß keine Atmosphäre und damit auch kein Leben vorhanden war, trotzdem gab es diese Leuchterscheinungen, und wir nahmen natürlich an, daß jemand Schiff­bruch erlitten habe und Notsignale gebe. Auf unsere Funksprüche allerdings erhielten wir keine Antwort. Na gut, vielleicht waren die Geräte bei der Landung oder bei dem Absturz zu Bruch gegangen. Also entschlos­sen wir uns, der Sache auf den Grund zu ge­hen. Wir flogen den Asteroiden an.«

»Und dann?« Denc-Mons nahm einen Schluck und

wirkte plötzlich sehr ratlos. »Ja – was dann geschah …« Er zuckte die

Schultern. »Ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern, aber einiges blieb doch in meinem Gedächtnis haften. Es sind eigentlich mehr Bruchstücke eines Traums, wenn ich es so ausdrücken darf. Als ich in der Krankenstation erwachte, hielt ich alles für einen Traum.«

Atlan lächelte nachsichtig. »Erzählen Sie mir den Traum«, bat er. Denc-Mons nahm einen weiteren

Schluck, während Fartuloon sich zurück­hielt. Die Warnung des Kommandanten schien ihn vorsichtig gemacht zu haben.

»Also, wir näherten uns dem Asteroiden und trafen alle Anstalten, eine Rettungs­mannschaft auszuschleusen. Einige meiner Männer hatten bereits die Raumanzüge an­gelegt. In der Funkzentrale war Hochbetrieb, aber wir erhielten auf keine unserer Anfra­gen eine Antwort.«

»Was war mit den Leuchtzeichen?« Atlan beugte sich vor. »Waren sie noch immer zu beobachten?«

»Nein, seltsamerweise nicht. Sie waren verschwunden. Aber das hatte nach meiner Ansicht nichts zu bedeuten. Die Schiffbrü­chigen konnten unsere Annäherung bemerkt und ihre Versuche, uns auf sich aufmerksam

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zu machen, aufgegeben haben. Vielleicht waren sie verletzt oder zu schwach für jede weitere Anstrengung. Die fehlenden Licht­zeichen konnten für mich kein Grund sein, das Rettungsunternehmen einfach abzubre­chen. Also ließ ich es anlaufen.«

»Wo waren Sie zu dieser Zeit?« Atlan ahnte es, aber er fragte trotzdem. »Erinnern Sie sich?«

»Ich habe, meiner Meinung nach, die Zentrale niemals verlassen, und trotzdem – so behaupten Sie – war ich auf dem Asteroi­den. Ich kann Ihnen nur erzählen, was ich weiß.«

»Mehr sollen Sie auch nicht«, beruhigte ihn Atlan.

»Ich war in der Zentrale und leitete die Aktion von dort aus. Das erste Kommando verließ die NEKOR und erreichte ohne Komplikationen den Asteroiden, wo es so­gleich mit der Suche begann. Ich verankerte inzwischen das Schiff und befahl der Orter­zentrale, auf dem Posten zu sein. Wir woll­ten die Ankunft Ihres Beiboots auf keinen Fall verpassen. Anscheinend ist das doch ge­schehen.«

»Nur bedingt, Kommandant. Bitte, be­richten Sie weiter. Es wird jetzt interessant und aufschlußreich.«

»Gut! Ich hielt also ständige Verbindung mit meinen Leuten, die auf dem Asteroiden gelandet waren. Er hatte einen beachtlichen Durchmesser, und ich konnte mir vorstellen, daß es eine schwierige Aufgabe sein mußte, die Schiffbrüchigen zu finden.«

Er wurde unterbrochen, als der Interkom pfiff. Ungehalten stand er auf und schaltete durch.

»Ja, was ist denn?« »Kommandant, wir haben festgestellt, daß

mehr als die Hälfte der Ladung fehlt. Nur die großen Container sind noch vorhanden und …«

»Was sagen Sie? Ein Teil der Ladung fehlt. Das ist doch …«

»Wir erklären das noch«, sagte Atlan und winkte ihm zu. »Es gehört auch zu Ihrer Ge­schichte.«

Clark Darlton

»Zu meiner …?« Denc-Mons hatte fast den Interkom vergessen. »Ja, ist schon gut, ich weiß Bescheid«, sagte er und schaltete ab. Er setzte sich wieder. »Gehört zu meiner Geschichte? Auf die bin ich aber gespannt.«

»Später. Berichten Sie zuerst mal weiter.« »Da gibt es nicht mehr viel zu berichten.

Ich saß vor dem Panoramaschirm in der Kommandozentrale und sah, wie die Männer landeten. Die Funkverbindung klappte ein­wandfrei. Sie begannen mit ihrer Suche. Und da sah ich wieder so ein Lichtzeichen. Was mich sofort merkwürdig berührte, war die Tatsache, daß es nicht stationär blieb, sondern von einer Stelle zur anderen husch­te, so als könne jener, der es hielt, fliegen. Da aber der Asteroid eine geringe Schwer­kraft hatte, wunderte ich mich nicht weiter darüber. Ich informierte meine Leute über Funk, und erhielt keine Antwort mehr. Noch während ich darüber nachdachte, verspürte ich ein plötzliches Unwohlsein. Mir wurde schlecht.«

»Nur Ihnen?« Fartuloon unterbrach sein langes Schweigen. Das grüne Gesöff schien ihn tatsächlich stimuliert zu haben. »Wurde es nur Ihnen schlecht?«

Denc-Mons schüttelte verwirrt den Kopf. »Nein, den anderen auch – glaube ich. So

genau weiß ich das nicht mehr, denn ich muß Sekunden später die Besinnung verlo­ren haben. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Bett. Ich weiß nur aus Andeutungen, was inzwischen geschah. Mehr kann ich Ih­nen nicht sagen, Atlan, so leid es mir tut.«

»Es genügt, Denc-Mons. Die Murlen ha­ben nicht nur die Transmitterfalle eingerich­tet, sondern auch für Anlockungsmittel ge­sorgt. Die Hilfsbereitschaft von Intelligen­zen, die in die Nähe einer solchen Falle kommen, wird ausgenutzt.« Er nickte grim­mig. »Es ist schade, daß wir niemals Kon­takt mit den Murlen erhielten, als sie noch existierten.«

Der Kommandant hielt den Kopf schief. »Als sie noch existierten …? Sie machen

mich neugierig!« Atlan lehnte sich zurück.

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»Fartuloon, du hast dich lange genug erholt. Berichte du!«

Fartuloon nahm sein Glas, stellte es aber wieder auf den Tisch zurück. Ein wenig um­ständlich, wie es manchmal seine Art war, erzählte er die ganze Geschichte von seiner und Atlans Warte aus. Als er endete, nahm er doch das Glas und leerte es demonstrativ.

Denc-Mons war so überrascht von der Wahrheit, daß er lange Zeit nichts sagen konnte. Er brütete vor sich hin. Endlich raff­te er sich auf.

»Als ob wir nicht genug Sorgen hätten! Da gibt es das technische Erbe einer längst ausgestorbenen Rasse, das unsere Handels­schiffe ausraubt. Da fällt mir ein, daß in ver­schiedenen Sektoren des Imperiums, und auch an seinem Rand und außerhalb, rätsel­hafte Vorgänge registriert wurden. Immer wieder erreichten Frachtraumer ihren Ziel­hafen ohne Ladung, und niemand der Mann­schaft vermochte zu erklären, wo sie abhan­den gekommen war. Wenn unser Bericht pu­blik wird, werden sich einige Zellentüren öffnen müssen.«

»Das Problem bleibt.« Atlan sagte es ernst und mit Nachdruck. »Es gibt wahr­scheinlich noch elf funktionierende Trans­mitterfallen. Sobald wir die Angelegenheit auf Arkon bereinigt haben, werden wir uns darum kümmern müssen.«

Denc-Mons lächelte. »Ich nehme an, dann werden Sie dafür

verantwortlich sein«, sagte er einfach und fügte hinzu: »Es wird Zeit für die erste Tran­sition.«

Er nickte ihnen zu und ging. Fartuloon sah ihm nach, bis die Tür ge­

schlossen war. Er schenkte sich wieder ein. Atlan schüttelte den Kopf. »Er hat dich gewarnt, sei vorsichtig mit

dem Zeug.« »Warum? Ich habe eine gemütliche Kabi­

ne und ein großartiges Bett. Außerdem

möchte ich mich ausschlafen. Du kannst ja inzwischen darüber nachdenken, wie und wo wir später mal die Transmitterfallen finden und ausschalten. Ich jedenfalls werde mich keinem Asteroiden mehr nähern, auf dem Leuchtzeichen zu sehen sind. Er könnte so ein verdammtes Ding der Murlen sein.«

»Ich bin nicht für halbe Lösungen, Fartu­loon.«

»Ich auch nicht, und darum werden wir uns in erster Linie um Arkon und seine Pro­bleme kümmern. Das wichtigste Problem ist Orbanaschol.« Er sah Atlan nachdenklich an. »Wirst du ihn töten, wenn du die Gele­genheit dazu haben solltest?«

Atlan wirkte überrascht und, schockiert. »Ich weiß es nicht, mein Freund. Ich hatte

nie einen sehnlicheren Wunsch, seit ich von allem wußte. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«

»Aber er muß sterben!« sagte Fartuloon grimmig und setzte das leere Glas hart auf den Tisch. »Und wenn ich es selbst tun müßte …!«

Der Interkom meldete sich. Dann kam die Stimme des Kommandan­

ten: »Erste Transition in dreißig Sekunden!

Zweite und dritte Transition im Abstand von jeweils zwei Stunden. Endziel: Arkon!«

Atlan erhob sich. »Endziel Arkon!« wiederholte er Denc-

Mons' Worte. »Vergiß das nicht!« Fartuloon erhob sich ebenfalls, allerdings

nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen. »Bis dahin schlafe ich mich aus«, versi­

cherte er und schob sich an Atlan vorbei auf den Korridor. »Solltest du auch tun.«

Atlan sah ihm nach und lächelte. Der Endspurt hatte begonnen …

E N D E

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52 Clark Darlton

Der Maahkfinder und die Meuterervon Marianne SydowBegegnungen auf dem Planeten Versank – Rebellen auf dem Weg nach Arkon