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Die Bilderwelten der Social Network Sites Short Cuts | Cross Media l 7 Bildzentrierte Darstellungsstrategien, Freundschaftskommunikation und Handlungsorientierungen von Jugendlichen auf Facebook und Co. Ulla Autenrieth

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Short Cuts | Cross Media l 7

Bildzentrierte Darstellungsstrategien, Freundschaftskommunikation und Handlungsorientierungen von Jugendlichen auf Facebook und Co.

ISBN 978-3-8487-0965-6

Ulla Autenrieth7

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Schriftenreihe „Short Cuts | Cross Media“

herausgegeben vonKlaus Neumann-Braun, Axel Schmidt und Henry Keazor

Band 7

Die Reihe „Short Cuts | Cross Media“ nimmt ‚mediale Abkürzungen‘ in den Blick: kurze, daher pointierte und häufig multimodal arbeitende Medien-formate und -genres wie etwa den Videoclip, den Werbespot oder Ange-bote der sog. Mobile Media. Insbesondere auch die von inzwischen radi-kaler Crossmedialität bzw. Multimodalität geprägten ‚Orte‘ resp. Medien ihrer Präsentation stehen im Mittelpunkt des Interesses – allen voran der radikalste crossmediale/multimodale Präsentationsort, die Website bzw. – kontextuell erweitert – Websites (also die unter einer URL zusammen-gefassten, multimodalen Angebote des Internet). Geklärt werden soll, ob und inwiefern die Parameter der Kürze und Pointiertheit mithin im Rah-men eines umfassenden Kommunikationsumfelds (crossmediality) zur Beschreibung bestimmter medialer Produkte bzw. Sinneinheiten einen Beitrag zu leisten vermögen und ob sich mit dieser Perspektivierung mit-unter ein modernes Produktions- wie Rezeptionsparadigma erkennen und beschreiben lässt, das – gewissermaßen – ‚quer‘ zu anderen, möglichen Be-schreibungsdimensionen liegt. Neben wissenschaftlichen – theoretisch wie method(olog)isch ausgerich-teten – Zugängen ist es erklärtes Ziel der Reihe, auch praxisorientierte Ar-beiten (etwa aus dem Bereich der Kunst oder Informatik) im Sinne eines Theorie-Praxis-Transfers aufzunehmen.

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Die Bilderwelten der Social Network Sites

Ulla Autenrieth

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Bildnachweis: © Titelbild: Ulla Autenrieth

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zugl.: Basel, Univ., Diss., 2013

ISBN 978-3-8487-0965-6 (Print)ISBN 978-3-8452-5098-4 (ePDF)

1. Auflage 2014© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2014. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Über-setzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort

Die vorliegende Dissertation entstand in den Jahren 2008 bis 2012 im Rahmen meiner Tätigkeiten als Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dok-toratsprogramms ProDoc „Intermediale Ästhetik. Spiel – Ritual – Perfor-manz“ im Forschungsmodul „Intermediale Inszenierungen“ sowie in dem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekt „Ju-gendbilder im Netz“ (Leitung: Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun) am Se-minar für Medienwissenschaft der Universität Basel unter der kontinuier-lichen Betreuung von Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun (Erstbetreuer) und PD Dr. Axel Schmidt (Koreferent).

Bedanken möchte ich mich daher ganz herzlich bei Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun für seine langjährige persönliche Förderung und fach- liche Unterstützung, die die vorliegende Arbeit ermöglicht haben, sowie bei PD Dr. Axel Schmidt für die fortwährende wissenschaftliche Beglei-tung meiner Dissertation.

Mein Dank gilt außerdem den MitarbeiterInnen aus dem SNF-Projekt „Jugendbilder im Netz“ für die fachlich stets anregenden Diskussionen, meinen KollegInnen aus dem ProDoc – insbesondere Susanna Parikka-Hug und Doris Gassert – für ihre freundschaftliche Begleitung, Maria und Rainer Autenrieth für ihre stetige Unterstützung sowie Marek Nübling für seine Geduld und sein Verständnis.

Des Weiteren danke ich dem Ressort Nachwuchsförderung der Univer-sität Basel für die finanzielle Förderung meines Forschungsaufenthalts an der University of California/Berkeley und meiner Publikation dieser Ar-beit.

Basel, im Juni 2014 Ulla Autenrieth

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Inhalt

Vorwort 5

1 Einleitung – Zur Relevanz von Bildern und bildzentrierter Kommunikation auf Social Network Sites 11

2 Der Forschungsstand – Ein Aufriss 20

2.1 Jugendliche und der Erfolg von Social Network Sites 20 2.2 Freundschaft und Peer-Gemeinschaft bei Jugendlichen 26 2.3 Die soziale Bilderpraxis von Jugendlichen 30

3 Methodische Vorgehensweise und empirischer Zugang 39

3.1 Das Forschungsprojekt „Jugendbilder im Netz“ 39 3.2 Virtuelle Bilder und ihre Nutzung als Forschungsgegenstand 41

3.2.1 Die spezifische Faszination von Bildern 41 3.2.2 Zur Definition von ‚Bildern‘ auf Social Network Sites 43 3.2.3 Anmerkungen zur Spezifität von Bildern auf SNS als

Forschungsgegenstand 45 3.3 Online-ethnografische Produktanalysen 50

3.3.1 Plattformanalysen 50 3.3.2 Bildkorpus und Bildanalysen 52

3.4 Repräsentative Telefonbefragung 57 3.5 Qualitative Befragungen 60

3.5.1 Gruppendiskussionen 61 3.5.2 Leitfadengestützte Fokusinterviews 69 3.5.3 Peergroup-Network-Exploration 71 3.5.4 Datenaufbereitung und Analyse 80

3.5.4.1 Anonymisierung der TeilnehmerInnen 80 3.5.4.2 Transkription der Daten 81 3.5.4.3 Codierung der Daten 82 3.5.4.4 Themenfokussierte Auswertung der Daten 83 3.5.4.5 Zusammenführung der Daten 84

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Inhaltsverzeichnis

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4 Bilder auf Social Network Sites 86

4.1 Social Network Sites und der Stellenwert der Bilder 86 4.1.1 Definition und Differenzierung von Social Network Sites 86 4.1.2. Freundschaftsnetzwerke und der Stellenwert der Bilder 89

4.1.2.1 Facebook.com 89 4.1.2.2 VZ-Netzwerke (StudiVZ/SchülerVZ) 96 4.1.2.3 Festzeit.ch 103

4.1.3 Stellenwert der Bilder auf SNS aus der Perspektive der UserInnen 109

4.2 Bildkategorien, -gestaltungsstrategien und -kommunikations-möglichkeiten auf SNS 114 4.2.1 Profilbilder 114

4.2.1.1 Spezifische Merkmale 114 4.2.1.2 Gestaltungsstrategien 119

4.2.2 Bilderalben 127 4.2.2.1 Spezifische Merkmale 127 4.2.2.2 Gestaltungsstrategien 130

4.2.3 Pinnwandbilder 145 4.2.3.1 Spezifische Merkmale 145 4.2.3.2 Gestaltungsstrategien 146

4.2.4 Bildkommunikation und -interaktion auf SNS 150 4.2.4.1 Bildbeschriftungen – Rahmung der Bilder 151 4.2.4.2 Bildkommentare – Bedeutungsaushandlung der Bilder 153 4.2.4.3 Klick-Kommunikation – Verlinkung und Bewertung als symbolische Bezugnahmen 155

4.3 Funktionen und altersabhängige Nutzungsweisen von Bildern auf SNS 160

4.3.1 Funktionen der Bilder(alben) auf SNS 160 4.3.2 Bilder auf SNS als visuell dokumentierte Sozialisations-

erfahrungen und altersabhängige Identitätsarbeit 165

5 Die bildzentrierte Aushandlung sozialer Beziehungen auf SNS – Zur Differenzierung von Freundschaft und Gemeinschaft 175

5.1 Herausbildung sozialer Ordnungsstrukturen auf SNS 175 5.1.1 Zur Konstitution von Freundschaft und Gemeinschaft auf SNS 175 5.1.2 Strategien zur Differenzierung und Artikulation von sozialen Beziehungen auf SNS 183

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Inhaltsverzeichnis

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5.2 Bildzentrierte Strategien zur Differenzierung und Artikulation von Gemeinschaft 189 5.2.1 Die exponierte Darstellung enger Freundschaft 190 5.2.2 Die Artikulation und Konstitution von Freundschafts-

gruppen anhand der bildzentrierten Aushandlung gemeinsamer Erlebnisse 200

5.2.3 Bildzentrierte Kommunikation formaler Gemein- schaften auf SNS 210

5.2.4 Bildzentrierte Kommunikation als Medium der Zuordnung zu Jugendszenen und Konsummilieus 215

5.3 Zwischenfazit: Stellenwert von Bildern und bildzentrierter Kommunikation auf SNS für Aspekte der Vergemeinschaftung innerhalb jugendlicher Peergroups 233

6 Bildzentrierte Strategien jugendlicher Peergroups auf SNS zur Aushandlung von Authentizität, Status und dem Umgang mit Bildrisiken 238

6.1 Die Peer-reviewte Inszenierung von Authentizität 238 6.2 Die bildzentrierte Aushandlung von Image, Status und Anerkennung 254

7 Fazit und Diskussion – Jugendliche Bilderwelten auf SNS als Peer-reviewte Bühnen der Beziehungsaushandlung und Imagearbeit 292

Literatur 301

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1 Einleitung – Zur Relevanz von Bildern und bildzentrierter Kommunikation auf Social Network Sites

Im November 2013 wurde der Begriff ‚Selfie‘ zum Oxford Dictionary Word of the Year gewählt. Verstanden wird hierunter „a photograph that one has taken of oneself, typically one taken with a smartphone or webcam and uploaded to a social media website”.1 Spätestens seit diesem Moment ist das Phänomen, dass insbesondere Jugendliche und junge Er-wachsene in grossem Maße selbst produzierte Fotografien auf Social Me-dia Plattformen teilen, zwar weithin bekannt, die dieser Praxis zugrunde liegenden Darstellungsstrategien und Handlungsorientierungen wurden bislang jedoch noch kaum beleuchet. Hierzu einen Beitrag zu leisten, ist Ziel des vorliegenden Bandes.

In der Mediennutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen voll-zog sich in den vergangenen Jahren ein wichtiger Wandel: Das Internet hat das Fernsehen als wichtigstes Freizeitmedium überholt und liegt in der Bewertung als unverzichtbarstes Medium zusammen mit dem Mobiltele-fon inzwischen deutlich vorne. So haben inzwischen 97 Prozent aller Ju-gendlichen in Deutschland im Alter zwischen 12 und 19 Jahren Zugriff auf einen Internetzugang im Haushalt, in der Folge nutzen 89 Prozent On-line-Angebote mindestens mehrmals pro Woche, 73 Prozent sogar täglich (vgl. MPFS 2013: 28). Als derzeit bedeutendstes Online-Phänomen kris-tallisierten sich Social Network Sites (SNS) heraus, allen voran der unan-gefochtene Weltmarktführer Facebook. Dieser hat zielstrebig den Meilen-stein von einer Milliarde registrierten NutzerInnen passiert und lässt damit sämtliche konkurrierenden Angebote weit hinter sich. Im Sommer 2012 waren in Deutschland knapp 24 Millionen NutzerInnen allein bei Face-book angemeldet, in der Schweiz und in Österreich jeweils fast drei Milli-onen UserInnen (vgl. Allfacebook.de 2012). Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene stellen SNS das zentrale Kommunikationsmedium im Internet dar. In Deutschland gaben 92 Prozent der InternetnutzerInnen

                                                            

1 Siehe hierzu http://blog.oxforddictionaries.com/press-releases/oxford-dictionar ies-word-of-the-year-2013/.

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Kapitel 1

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zwischen 14 und 29 Jahren an, auf mindestens einer entsprechenden Platt-form ein Profil zu besitzen, und 85 Prozent sind regelmäßig innerhalb die-ser Online-Community aktiv (vgl. Bitkom 2011: 6). Durchschnittlich be-sitzt jeder jugendliche Internetnutzer in Deutschland in 1,2 Online-Communitys eine Mitgliedschaft (vgl. MPFS 2013: 38). Nahezu identisch sind die Zahlen für die Schweiz, hier sind 88 Prozent der 14- bis 29-jährigen InternetnutzerInnen Mitglied mindestens einer Social-Network-Plattform (vgl. Latzer et al. 2012: 21). In Reaktion auf diese massiven Nutzungszahlen befürchtete Reichert (2008: 13) bereits eine „soziale Inexistenz“ für alle, die sich nicht in den sozialen Netzwerken vernetzen.

Zwar ist Facebook bereits nahezu ein Synonym und damit gattungsprä-gend für Social-Network-Angebote, jedoch erfreuen sich sowohl im deutschsprachigen Raum als auch global noch weitere Plattformen bedeut-samer UserInnenzahlen.2 In Deutschland insbesondere beliebt waren und sind die VZ-Netzwerke (SchülerVZ, StudiVZ, MeinVZ), wobei vor allem SchülerVZ als explizite Schülerplattform für verhältnismäßig junge User- Innen einen hohen Stellenwert hatte (vgl. MPFS 2011: 48). In der Schweiz und in Österreich erfreut sich die Online-Community Netlog vergleichs-weise großer Beliebtheit, sowie besonders stark lokal geprägte Angebote, wie beispielsweise die Plattform Festzeit für den Agglomerationsraum Ba-sel.

Das rasante Wachstum der NutzerInnenzahlen und Angebote führte zu einem verstärkten wissenschaftlichen Interesse in der medien- und kom-munikationswissenschaftlichen Forschungslandschaft. Daher existieren mittlerweile eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien und Publikationen zum Phänomen der Social Network Sites und ihrer UserInnen (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2012; Autenrieth et al. 2011; boyd 2008a; Buse-mann et al. 2012; Busemann/Gscheidle 2009; Lenhart/Madden 2007; Ofcom 2008; Prommer et al. 2009; Schmidt et al. 2009a; Wächter et al. 2011; Wagner et al. 2009), die je nach Perspektive und Fokussierung als „Net Generation“ (Tapscott 2008), „Digital Natives“ (Palfrey/Gasser 2008; Prensky 2001) oder „Millenials“ (Taylor/Keeter 2010) bezeichnet

                                                            

2 In Indien und Brasilien ist das von Google betriebene Netzwerk Orkut sehr beliebt, welches täglich von über 51 Millionen UserInnen besucht wird. Vor al-lem in China wird die Plattform Qzone von immerhin noch 37 Millionen User- Innen pro Tag aufgesucht. Siehe hierzu: http://t3n.de/news/social-networks-ubersicht-weltweit-grosten-netzwerke-304488/.

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Einleitung

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werden. Doch bislang konzentrierten sich diese Untersuchungen zumeist auf allgemeine und textzentrierte Aspekte der Nutzung von Social Net-work Sites. Das Phänomen der Bilder und der bildzentrierten Kommuni-kation erschien keiner genaueren Betrachtung wert. Wie jedoch im Fol-genden ausgeführt werden wird, sind es insbesondere Bilder bzw. Fotogra-fien, die das Interesse und die Nutzungsmotivation der UserInnen wecken und damit zu einem wesentlichen Teil den Reiz der Online-Plattformen ausmachen – die vorliegende Untersuchung steht daher unter dem Leitge-danken: „When you think Facebook, think: photos“ (Sloan 2012).

Jeden Tag werden allein auf Facebook ca. 350 Millionen Bilder von den UserInnen online gestellt. Zwischenzeitlich befinden sich mehr als 250 Milliarden Bilder auf den Servern der Plattform (Stand September 2013).3 Zum Vergleich: Auf der populären Foto-Sharing-Plattform Flickr sind derzeit lediglich rund fünf Milliarden Fotos gespeichert (vgl. Pixable 2011). Es zeigt sich also deutlich, dass die meisten Bilder im Rahmen von Social Network Sites online gestellt werden und dass diese in der Nutz- ungspraxis der UserInnen eine bedeutsame Rolle spielen. Denn wie aktu-elle Studien dokumentieren, ist das Posten und Betrachten von Bildern die mit Abstand beliebteste Online-Aktivität von InternetnutzerInnen. 59 Pro-zent aller InternetanwenderInnen in der Schweiz (vgl. Latzer et al. 2012: 17) und 57 Prozent der deutschen UserInnen (vgl. Bitkom 2011: 13) geben an, regelmäßig Bilder von sich zu posten. Damit ist Facebook neben sei-nen Social-Network-Funktionen vor allem die weltgrößte Foto-Sharing-Plattform.4

In diesen Zahlen spiegelt sich außerdem ein Mentalitätswandel im foto-grafischen Handeln vieler Menschen, der sich durch die Ubiquität des Mediums Fotografie auszeichnet. Nicht mehr einzelne Bilder zur Verewi-gung besonderer Ereignisse werden angefertigt, sondern hergestellt wird ein dokumentarischer Bilderstrom des eigenen Lebens: „So wie nicht mehr nur zu herausragenden biografischen Ereignissen das Leben narrativ                                                             

3 Die Zahlen stammen aus einem von Facebook im September 2013 mitpublizier-ten Dokument. Online abrufbar unter: https://fbcdn-dragon-a.akamaihd.net/ hphotos-ak-prn1/851575_520797877991079_393255490_n.pdf.

4 In diesem Zusammenhang erweisen sich der Erwerb der Foto-App Instagram sowie die Entwicklung der eigenen Foto-Software Facebook Camera als strate-gisch bedeutsam für Facebook, um so die Vormachtstellung als Foto-Sharing-Plattform weiter auszubauen. Siehe hierzu: http://www.heise.de/newstick er/meldung/Facebook-veroeffentlicht-Kamera-App-1584145.html.

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Kapitel 1

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bilanziert wird, sondern kleinste Anlässe genügen, um eine Selbstthemati-sierung in Gang zu bringen, so gibt es jetzt auch nicht mehr nur das insze-nierte Foto anlässlich der entscheidenden biografischen Übergänge (Ge-burt, erster Schultag, Kommunion, die erste Freundin, Abiturfeier, Hoch-zeit usw.). Möglich wird vielmehr eine nahezu lückenlose filmische Erfas-sung unseres Lebens“ (Schroer 2006: 61). Diese Entwicklung beruht we-sentlich auf der Verbreitung digitaler Fototechnik, durch die Bilder allzeit, ohne größeren Zeitverlust oder finanziellen Aufwand produziert und dis-tribuiert werden können. Doch wie Susan Sontag bereits unabhängig von der Erfindung digitaler Kameratechnik und virtueller Fotoalben feststellte: Leben bedeutet, fotografiert zu werden und Aufzeichnungen vom eigenen Leben zu besitzen (vgl. Sontag 2004). Das Aufnehmen und Präsentieren von Bildern aus dem persönlichen Lebenskontext erweist sich in der Folge als zentrales Bedürfnis. Somit ist ein weiterer Grund für die rapide Zu-nahme fotografischer Aktivitäten in den neuen virtuellen Möglichkeiten des bildzentrierten Interagierens und Kommunizierens zu suchen. Denn erst durch das Zeigen und das kommunikative Aushandeln der Bilder ent-falten diese ihr volles Potenzial für ihre BesitzerInnen und werden von ei-nem Medium der Erinnerung zu einem Medium der Kommunikation. Die Wahl von ‚Selfie‘ zum Wort des Jahres ist somit nur der bisherige Höhe-punkt einer bereits längere Zeit andauernden Entwicklung zu einer zu-nehmenden Visualisierung der Alltagskommunikation, die noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Fortwährend drängen neue bildzentrierte So- cial Media Angebote wie Instagram, WhatsApp und Snapchat auf den Markt, in deren durchschlagendem Erfolg sich diese Tendenzen eindrück-lich dokumentieren.

Damit wissen wir zwar um den hohen Stellenwert der Bilder für das In-teragieren und Kommunizieren der UserInnen auf SNS, besitzen jedoch kaum Erkenntnisse zum Umgang mit ihnen. Zunächst existierten vorwie-gend populär-journalistische Publikationen zur fotografischen Praxis von Jugendlichen innerhalb der Online-Communitys, die mit Hilfe reißerischer Überschriften eine nahezu ausschließlich negative Perspektive aufzeigten (vgl. Blech et al. 2009; Kutter 2008; von Bredow et al. 2010). Das Bilder-Handeln auf SNS musste daher bislang in weiten Teilen noch als For-schungsdesiderat bezeichnet werden. Eine erste umfassende wissenschaft-liche Auseinandersetzung mit dem Fokus auf der fotografischen Praxis der

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Einleitung

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UserInnen in diesem spezifischen medialen Umfeld erfolgte im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekts „Jugendbilder im Netz“ unter der Leitung von Professor Klaus Neumann-Braun.5 Die Schwerpunkte der bisher veröffentlichten Publikationen des Forschungsprojekts bildeten insbesondere die erstmalige Erhebung reprä-sentativer Daten zur Social Media Nutzung in der Schweiz, inklusive eines internationalen Vergleichs (vgl. Autenrieth et al. 2011; Wächter et al. 2011), die Party- und Nightlife-Fotografie (vgl. Neumann-Braun/ Astheimer 2010a), die Typisierung von Bildern auf SNS (vgl. Autenrieth 2011a; Astheimer et al. 2011), deren netzwerkstrukturierende Funktion (vgl. Pfeffer et al. 2011) sowie die Themen Datenschutz und Datensicher-heit (vgl. Astheimer 2011)6. Mit dem vorliegenden Band soll nun ein nächster Schritt in diese Richtung unternommen werden. Ziel ist es, einen objektivierten Einblick in das bildzentrierte Handeln von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in sozialen Online-Netzwerken zu erhalten. Da-mit soll dem Umstand entgegengetreten werden, dass die Kommunikation mit und über Bilder auf Social Network Sites bislang nur als untergeord-netes Motiv bei der Nutzung der Portale betrachtet wurde.

Der vorliegende Text entstand als Promotionsarbeit an der Universität Basel innerhalb des Forschungsprojekts „Jugendbilder im Netz“. Einige Teile des Manuskripts wurden bereits innerhalb anderer Publikationen veröffentlicht (vgl. Autenrieth 2010a; Autenrieth 2010b; Autenrieth 2011a; Autenrieth 2011b). Mit diesem Band werden die Bedeutungszu-weisung und die Nutzung von Bildern auf Social Network Sites durch Ju-gendliche und junge Erwachsene anhand verschiedener relevanter Facet-ten nun systematisch untersucht, d.h. die empirischen Erhebungen und analytischen Auswertungen werden vertieft, erweitert und theoretisch ver-ankert. Von zentralem Stellenwert sind hierbei die quantitativen wie quali-tativen Gebrauchsweisen und Kommunikationszusammenhänge, innerhalb derer die Bilder in den jugendlichen Peergroups verhandelt werden. Damit ist bereits die grundsätzliche Methodik der Arbeit skizziert: Ziel ist weni-ger eine Feinanalyse einzelner fotografischer Werke, als vielmehr eine Analyse typischer Abläufe bzw. Handlungsweisen der Bilder(alben)-

                                                            

5 Für weitere Informationen zum Forschungsprojekt „Jugendbilder im Netz“ siehe www.netzbilder.net.

6 Für den englischsprachigen Raum sind Teile der Ergebnisse zugänglich in Au-tenrieth/Neumann-Braun 2011.

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Kapitel 1

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gestaltung und -rezeption sowie deren kommunikativer Funktionen für die Identitäts- und Beziehungsaushandlungen jugendlicher Userinnen und Us- er. Die hier diskutierten Fotos sind zum einen private Bilder, d.h. Fotos, die von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst produziert wur-den oder aus deren persönlichem Umfeld stammen, und zum anderen Bil-der, die kulturell-kommerziellen Kontexten entstammen, aber ebenso in den Online-Profilen der UserInnen aufzufinden sind. Zu berücksichtigen ist des Weiteren die spezielle Gebrauchssituation der Bilder, die in einem spannungsvollen und viel diskutierten Umfeld situiert sind. Wurden pri-vate Fotos früher zumeist nur einem relativ überschaubaren Betrachter-kreis im Rahmen von Fotoalben oder Dia-Abenden zugänglich gemacht, so sind sie nun durch ihre Online-Präsenz für ein häufig deutlich erweiter-tes Publikum verfügbar. Durch ihre digitale Form ergeben sich darüber hinaus neue Möglichkeiten der Distribution, jedoch gleichzeitig neue Problematiken der Zugangsbeschränkung und damit eine potenzielle Be-drohung der eigenen Privatsphäre bzw. des persönlichen Images. Durch ihre zumindest teilöffentliche Sichtbarkeit und Verfügbarkeit haben Fotos bzw. Bilder, die online gestellt wurden, über ihre Erinnerungsfunktion hinaus für die BesitzerInnen immer noch weitere Funktionen. Im Rahmen des jeweiligen Userprofils sind sie stets auch Repräsentant des Profilinha-bers in kommunikativen Interaktionen bzw. werden in unterschiedlichen Konstellationen als Werkzeug der Identitätsarbeit genutzt. Auch innerhalb der Freundeskreise auf SNS besteht Aushandlungsbedarf: Das reine Onli-nestellen von Bildern genügt nur selten, stellt es doch zunächst lediglich ein Deutungsangebot an das eigene online präsente Beziehungsnetzwerk dar, welches es näher zu spezifizieren gilt. Aus der Perspektive des Profil-besitzers bieten Albentitel und Bildunterschriften Möglichkeiten der nähe-ren Spezifikation und Kontextualisierung der Bilder, aus Sicht der anderen UserInnen ergibt sich diese Chance vor allem mittels der Kommentarfunk-tionen. Die Motive der Fotos und Bilder selbst sind häufig lediglich Aus-gangspunkte eines kommunikativen Aushandlungs- und Deutungsprozes-ses, der sich auf den Plattformen zwischen den UserInnen abspielt. Da im Gegensatz zum früheren gemeinsamen Betrachten von Fotos heute in vir-tuellen Umgebungen zumeist keine körperliche Kopräsenz der beteiligten Personen gegeben ist, sind diese virtuellen kommunikativen Möglichkei-ten der Aushandlung von zentraler Bedeutung für die UserInnen. Aus die-sem Grund werden in der vorliegenden Arbeit neben Statements aus Inter-views ebenso Daten aus den Profilen in Form von Bildbeschreibungen und

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Einleitung

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Kommentaren genutzt, um so eine fundierte Analyse gewährleisten zu können. Die Eigeninterpretationen der Fotobesitzer und Fotobetrachter werden durch theoretische Überlegungen und empirische Überprüfungen in eine Gesamtkonstruktion überführt. Dabei ist nicht die künstlerische Qualität oder technische Umsetzung der Bilder von Interesse, sondern de-ren Rolle für die Identitäts- und Beziehungsaushandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bilder und Fotografien stehen damit nicht in ih-rer kognitiven Relevanz für das Individuum im Zentrum der Untersuchung (siehe hierzu Guschker 2002), sondern vor allem in ihrer Verwendung zur Konstitution von Freundschaft und Gemeinschaft auf SNS. Zu erwähnen sind hier die Erwägungen in Bezug auf die ethischen Aspekte zur Auswahl der gezeigten Beispielbilder aus dem Bilderkorpus des Forschungsprojekts „Jugendbilder im Netz“. Grundsätzlich vorwegzunehmen ist, dass die Bil-der ausschliesslich zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden und im Sinne von Zitaten die beschriebenen Perspektiven verdeutlichen sollen. Zu betonen ist weiterhin die restriktive Bildauswahl. Es wurde darauf Wert gelegt, Bildbeispiele möglichst sparsam und nur dort einzusetzen, wo diese für das unmittelbare Verständnis des Textes notwendig erschie-nen. Dabei steht nie der/die einzelne NutzerIn als Individuum im Fokus, sondern von Interesse sind die anhand der jeweiligen Bildpraxis aufzeig-baren verallgemeinerbaren Vorgehensweisen der bildzentrierten Kommu-nikation. Sämtliche persönlichen Bezüge wurden anonymisiert und perso-nenspezifische Bildausschnitte verpixelt, so dass eine mögliche Identifika-tion der Abgebildeten ausgeschlossen werden kann. Abschliessend anzu-merken ist des Weiteren die Intention der Bildverwendung. In keinem Fall soll eine despektierliche Darstellung der abgebildeten Personen bzw. de-ren Abwertung vorgenommen werden. Ziel und Zweck der Darstellung ist ausschliesslich eine wissenschaftliche Aufbereitung der jeweiligen be-schriebenen Zusammenhänge und Phänomene.

Zwischenzeitlich wurde bereits vielfach beschrieben, dass Jugendliche online meist mit denselben Personen interagieren wie offline, Offline-Strukturen also online reproduziert und verfestigt werden. Der vorliegende Band möchte nun aufzeigen, welch herausragende Rolle Bilder hierbei spielen.

Um einen Überblick über die gegenwärtig geführten Diskussionen zu erhalten, wird in Kapitel 2 zunächst eine Zusammenfassung der derzeiti-gen Forschungsperspektiven gegeben. Hierbei erfolgt eine Darstellung der bislang unternommenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zur Nut-

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Kapitel 1

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zung von Social Network Sites durch Jugendliche und junge Erwachsene. Ebenso wird die Bedeutung Peergroup-basierter Vergemeinschaftungs-formen im Leben von Jugendlichen thematisiert sowie deren vielfältige spezifische soziale Bilderpraxis in On- und Offline-Kontexten mitsamt ih-rer historischen Entwicklung betrachtet.

In Kapitel 3 werden die grundsätzlichen methodischen Überlegungen und Herangehensweisen sowie der empirische Zugang beschrieben. Die hier präsentierten Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojekts „Jugend-bilder im Netz“, in dessen Rahmen sowohl quantitative als auch qualitati-ve Methoden eingesetzt wurden, um dem Untersuchungsgegenstand in möglichst umfassender Weise gerecht zu werden. Neben einer repräsenta-tiven Telefonbefragung mit 650 TeilnehmerInnen aus der deutschsprachi-gen Schweiz wurden insgesamt über 200 weitere Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 24 Jahren in Form von Gruppendiskussio-nen, Fokusinterviews und Peergroup-Untersuchungen zu ihrer Nutzung von Bildern und bildzentrierter Kommunikation auf SNS befragt. Des Weiteren wurde mit der Unterstützung durch die BefragungsteilnehmerIn-nen ein Bilderkorpus angelegt, basierend auf deren Online-Fotoalben, von denen einige innerhalb der folgenden Kapitel exemplarisch analysiert werden. Zunächst wird jedoch dem Spezifikum „Bild“ nachgegangen. Hierfür wird aufgezeigt, welchen besonderen Reiz bildzentrierte Kommu-nikate gegenüber schriftzentrierten Darstellungen haben und welche Ei-genheiten sich aus der virtuellen Umgebung für die Rezeption und Inter-aktion sowie für den Forschungsprozess in Bezug auf Bilder ergeben.

Im Anschluss widmet sich Kapitel 4 den grundlegenden bildzentrierten Kommunikations- und Interaktionsfunktionen auf SNS. Hierfür werden zunächst die drei im Zentrum der Untersuchung stehenden Social Network Sites7 gemäß ihrer historischen Entwicklung und ihren Bildfunktionen dargestellt. Es folgt eine Beschreibung und Typisierung der zentralen Bildkategorien (Profilbilder, Bilderalben, Pinnwandbilder) sowie der we-sentlichen bildzentrierten Kommunikations- und Interaktionsmöglichkei-ten (Beschriften, Kommentieren, Verlinken, Liken). Abschließend wird den Fragen nachgegangen, welche Funktionen die Bilder auf SNS für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfüllen und inwieweit sich Unter-

                                                            

7 Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die Social-Network-Plattformen Face-book, die VZ-Netzwerke sowie Festzeit eingehend analysiert.

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Einleitung

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schiede bzw. Entwicklungen in Bezug auf das Alter von SNS-UserInnen differenzieren lassen.

Im Fokus von Kapitel 5 stehen Aspekte der Beziehungsaushandlung mit und über Bilder auf SNS. Wie werden Freundschafts- und Gemeinschafts-verhältnisse über Bilder differenziert, artikuliert und validiert? Nach einer grundsätzlichen Diskussion der verschiedenen Formen von Vergemein-schaftung innerhalb von SNS wird der Frage nachgegangen, welchen Stel-lenwert und welche Spezifitäten die Interaktion mit und über Bilder für Peergroup-basierte Beziehungsformen aufweist. Differenziert wird hierfür zwischen engsten FreundInnen, Freundschaftscliquen, formalen Gemein-schaften (beispielsweise Schulklassen) und deterritorialen Gemeinschaften wie Jugendszenen und Konsummilieus.

Daraufhin werden in Kapitel 6 die bildzentrierten Strategien jugendli-cher Peergroups zur Aushandlung von Authentizität, Status und sozialer Anerkennung aufgezeigt. Zunächst wird hierfür die Suche nach authenti-scher Selbstdarstellung und deren Limitationen thematisiert, welche letzt-lich in einer Peer-reviewten Inszenierung von Authentizität mündet. Es folgt eine Analyse der bildzentrierten Aushandlung von Image, Status und Anerkennung, in deren Rahmen dargelegt wird, welche Handlungsstrate-gien, Regeln und Normen für das bildbezogene Handeln auf SNS für Ju-gendliche und junge Erwachsene von Relevanz sind.

Abschließend erfolgen in Kapitel 7 eine Zusammenfassung der zentra-len Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchung, die in ei-nem breiteren gesellschaftlichen Kontext diskutiert werden, sowie ein Ausblick auf zukünftig weiter zu bearbeitende Forschungsfragen.

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2 Der Forschungsstand – Ein Aufriss

2.1 Jugendliche und der Erfolg von Social Network Sites

Social Network Sites wie die VZ-Netzwerke oder Facebook sind innerhalb nur weniger Jahre zu einem der bedeutendsten Kommunikationsmedien unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen geworden (vgl. boyd/Ellison 2007). Wie die 2013 erhobene JIM-Studie dokumentiert, haben mittler-weile nahezu alle Jugendlichen in Deutschland im Alter zwischen 12 und 19 Jahren zu Hause Zugang zu einem Computer bzw. dem Internet (98 Prozent). Die meisten von ihnen besitzen einen eigenen Rechner (80 Pro-zent), und 88 Prozent verfügen sogar über einen Internetzugang im eige-nen Zimmer. Hierbei bestehen inzwischen kaum mehr Unterschiede in Bezug auf den Bildungshintergrund. Selbst die jüngsten der befragten Ju-gendlichen im Alter von 12 bis 13 Jahren geben in über drei von fünf Fäl-len an, einen eigenen Rechner zu besitzen, und verfügen überwiegend über einen Internetanschluss in ihrem Zimmer. Im Alter von 14 Jahren ha-ben sich die Verhältnisse bereits nahezu vollständig angeglichen. Auch zwischen Jungen und Mädchen gibt es keinerlei Unterschiede mehr in der Nutzungshäufigkeit. Entsprechend ist das Internet inzwischen zu einem der bedeutendsten Medien geworden: 89 Prozent der Befragten geben an, täglich oder zumindest mehrmals pro Woche online zu gehen. Von ver-gleichbarer Bedeutung ist nur noch das Handy als ständiger Alltagsbeglei-ter (vgl. MPFS 2013: 13), demgemäß geben 88 Prozent der Jugendlichen an, dass das Internet wichtig oder sehr wichtig für sie ist. Damit hat das Internet inzwischen sogar das Fernsehen als ehemals wichtigste mediale Freizeitbeschäftigung eindeutig abgelöst. An einem durchschnittlichen Werktag verbringen Jugendliche 179 Minuten online, während sie ledig-lich 111 Minuten fernsehen (vgl. MPFS 2013: 21).

Neben dem Anschauen von Clips auf Videoportalen wie YouTube zählt das Stöbern in Online-Communitys zu den beliebtesten Online-Aktivitäten: 75 Prozent der Jugendlichen sind laut eigenen Angaben täg-lich oder mehrmals wöchentlich auf Social Network Sites aktiv, der größte Sprung findet von den 12- bis 13-Jährigen (51 Prozent) zu den ab 14-Jährigen (zwischen 78 und 86 Prozent) statt. Damit sind Social Network

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Der Forschungsstand – Ein Aufriss

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Sites bei Jugendlichen die meistgenutzte Kommunikationsform im Inter-net und sie haben inzwischen selbst die vor wenigen Jahren noch sehr be-liebten „Instant Messaging“-Dienste wie Skype oder ICQ verdrängt, bzw. es wurden vergleichbare Funktionen innerhalb der jeweiligen Plattformen etabliert, wie etwa der Facebook Chat. Durchschnittlich sind die Jugendli-chen Mitglied von 1,2 Communitys, hier allen voran Facebook, bis vor wenigen Jahren gefolgt von den VZ-Netzwerken, wobei sich die Nut-zungszahlen innerhalb der letzten Jahre deutlich zugunsten von Facebook verändert haben (vgl. MPFS 2011: 48; MPFS 2013: 38).

Mit dem Begriff des „digital native“, also des „digitalen Eingeborenen“ (Prensky 2001; Palfrey/Gasser 2008), wird die Generation bezeichnet, die ab den 1980er Jahren geboren wurde und damit von Geburt an mit Inter-net-Technologien und den ‚Neuen Medien‘ aufgewachsen ist. Dies im Kontrast zu ihrer Elterngeneration, die sich deren Funktionen erst im Er-wachsenenalter aneignen konnte. In der Kritik steht die Umschreibung je-doch, weil sie verkennt, dass auch diese Jugendlichen, selbst wenn sie zu-nächst unbefangen mit den entsprechenden Technologien umgehen, sich hierfür erforderliche Kompetenzen in der Nutzung und insbesondere in der Bewertung von neuen digitalen Medien ebenfalls erst aneignen müssen, d.h. keine angeborene Medienkompetenz mitbringen (vgl. MPFS 2011: 3; Hargittai 2010; Waters 2011).

Im Zuge ihrer schnellen und globalen Verbreitung insbesondere bei jungen InternetnutzerInnen stieg das Interesse für Social Network Sites auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Seit 2003, dem Grün-dungsjahr der Plattform MySpace, hat das Thema stetig wachsende Auf-merksamkeit in kommunikationswissenschaftlichen Fachjournalen erhal-ten wie Weissensteiner/Leiner (2011) umfassend dokumentieren und zu-sammenfassen. An diese anlehnend und ergänzend sollen im Folgenden die Erkenntnisse der bisherigen Forschungsbestrebungen überblicksartig aufgezeigt werden.

Eine Reihe von Studien konnte inzwischen den Stellenwert von Social Network Sites im Medienportfolio von Jugendlichen und jungen Erwach-senen anhand von quantitativen und qualitativen Befragungen nachweisen. Dabei wurden vorrangig länderspezifische Daten erhoben – für Deutsch-land siehe Schmidt et al. (2009a), für die Schweiz siehe Autenrieth et al. (2011) und für Österreich siehe Wächter et al. (2011) – und einander ge-genübergestellt. danah boyd betonte bereits früh in ihren Arbeiten die Be-deutung der Präsenz auf Social Network Sites für Jugendliche und junge

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Kapitel 2

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Erwachsene für die Interaktion innerhalb der jeweiligen Peergroup, illus-triert durch das folgende Zitat eines amerikanischen Jugendlichen: „If you’re not on MySpace, you don’t exist“ (boyd 2008a: 170). Damit wird deutlich, dass SNS insbesondere für Adoleszente wichtige Orte darstellen, um die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Freundschaften mit Gleichaltrigen zu gewährleisten und ungezwungen, ohne die Beobachtung durch Erwachsene, miteinander zu interagieren (vgl. boyd 2007; boyd 2009). Mit dem Übergang vom Kind zum Jugendlichen und zum jungen Erwachsenen verändern sich jedoch auch die jeweiligen altersspezifischen Nutzungsgewohnheiten (vgl. Horst 2010; Paus-Hasebrink 2010; Prommer et al. 2009; Schmidt et al. 2009b).

Eine Reihe von Untersuchungen widmete sich dem Zusammenhang zwischen bestimmten individuellen Merkmalen und der Nutzung von SNS. So konnte Hargittai (2007) geschlechtsspezifische, ethnische und sozioökonomische Unterschiede herausarbeiten, die einen Einfluss auf die potenzielle Nutzung von SNS haben. Hingegen untersuchten Ross et al. (2009), in wie fern sich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale von UserIn-nen auf deren Nutzung von Social Network Sites auswirken und konnten hiedurch nachweisen, dass deren determinierende Rolle (zumindest für die Nutzung von Facebook) häufig überwertet wird. Wie herausfordernd und schwierig eine Untersuchung solcher Faktoren jedoch ist, dokumentierten Amichai-Hamburger/Vinitzky (2010) mit ihrer an Ross et al. (2009) an-knüpfenden Studie, die zu abweichenden Ergebnissen kam. Andere For-schungsarbeiten widmeten sich spezifischen Charaktermerkmalen und de-ren Rolle in der Kommunikation auf Social Network Sites, wie beispiels-weise dem Einfluss von Narzissmus auf die Gestaltung und Wahrnehmung von Profilseiten (vgl. Buffardi/Campbell 2008; Mara 2009) oder der Rolle von Introversion bzw. Extraversion im Nutzungsverhalten. Die Ergebnisse dokumentieren, dass UserInnen, die im Online-Kontext von SNS viel kommunizieren, ebenso ein reichhaltigeres Offline-Kommunikations-verhalten in Face-to-Face-Situationen zeigen und relativieren damit die vielfach geäusserte These, vor allem Menschen mit sozialen Ängsten wür-den Online-Plattformen nutzen, um neue Kontakte zu knüpfen (vgl. Shel-don 2008a).

In Bezug auf die Motivation zur Nutzung von SNS zeigten sich teilwei-se Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So nutzen Frauen entspre-chende Onlineangebote eher, um bereits bestehende Beziehungen auf-rechtzuerhalten und über die Plattformen mit diesen in Verbindung zu

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Der Forschungsstand – Ein Aufriss

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bleiben, während Männer dazu tendieren, darüber hinaus nach neuen Be-kanntschaften zu suchen (vgl. Prommer et al. 2009: 25f.; Sheldon 2008b). Insgesamt konnte jedoch festgestellt werden, dass SNS generell eher für die Aufrechterhaltung bereits vorhandener Bekanntschaften als für die Su-che nach neuen Kontakten verwendet werden (vgl. Lampe et al. 2006) und grundsätzlich eine hohe Übereinstimmung zwischen Online- und Offline-Kommunikationsverhalten und explizierten Persönlichkeitsmerkmalen be-steht (vgl. Buffardi/Campbell 2008). Urista et al. (2009) begründen die in-tensive Nutzung von SNS durch junge Erwachsene mit der schnellen und unkomplizierten Möglichkeit, über SNS Bestätigung und Beistand vonsei-ten ihres persönlichen Umfeldes zu generieren, ebenso hebt Barker (2009) den kontinuierlichen Austausch mit der Peergroup als die bedeutendste Nutzungsmotivation für Adoleszente hervor. Generell herrscht jedoch Ei-nigkeit darüber, dass SNS aus unterschiedlichen Beweggründen und für mehrere Funktionen genutzt werden. In Varianten beinhalten diese Motive und Gebrauchsweisen die Kernelemente Information, Selbstdarstellung bzw. Identitätsmanagement, Pflege sozialer Beziehungen und Unterhal-tung, die jedoch je nach Untersuchungsfokus unterschiedlich gewertet werden (siehe Autenrieth 2011a; Cheung et al. 2011; Schmidt 2009). Des Weiteren konnte aufgezeigt werden, wie sich die Perspketive in Bezug auf die Nutzung und das Publikum einer Social Network Site wie Facebook im Laufe der Zeit verändern und dies mit zunehmender Dauer sogar zu ei-ner positiveren Einstellung gegenüber der Plattform führt (vgl. Lampe et al. 2008).

Viel beachtet wurden Aspekte der Selbstdarstellung auf Social Network Sites. Das Einrichten eines eigenen Profils ist für Jugendliche eine Mög-lichkeit, sich im Zuge ihrer Adoleszenz mit der eigenen sozialen Identität auseinanderzusetzen (vgl. boyd 2007) und diese meist gemäß Peergroup-internen Normen auszudifferenzieren (vgl. Siibak 2010). Besondere Be-deutung erlangte hierbei die Frage, nach welchen Kriterien und Strategien die Inszenierungen des Selbst vorgenommen werden (vgl. Prommer et al. 2009; Wagner et al. 2009). Prommer et al. (2009) konzentrierten sich in ihrer Untersuchung auf den Stellenwert von Gruppen auf StudiVZ und konnten nachweisen, dass diese Möglichkeit der Selbstdarstellung vor al-lem von jungen Frauen genutzt wird. Jedoch stellten Back et al. (2010: 372) fest, dass dem weitverbreiteten Vorurteil von falschen Identitätsdar-stellungen und Hyperidealisierungen auf SNS, der sog. „idealized virtual-identity hypothesis“, nicht zuzustimmen ist, sondern UserInnen überwie-

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Kapitel 2

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gend ihre wahre Persönlichkeit und zutreffende Charaktereigenschaften zeigen, somit also keine idealisierte virtuelle Identität kreieren. Bedeutsam hierfür sind vor allem die Bilder, die in den Profilen gezeigt werden, die Profilbilder (vgl. Astheimer et al. 2011, Prommer et al. 2009) sowie die Fotoalben (vgl. Autenrieth 2011a), denn insbesondere diese haben einen enormen Einfluss darauf, wie die ProfilbesitzerInnen von anderen UserIn-nen wahrgenommen werden (vgl. Wang et al. 2010). In der Art und Weise der fotografischen Selbstdarstellung auf SNS dokumentieren sich die Spu-ren medialer Vorbilder (vgl. Astheimer 2010a; Astheimer 2010b; Brunazzi et al. 2010; Neumann-Braun/Astheimer 2010). Des Weiteren sind alters-bedingte Unterschiede in der bildzentrierten Inszenierung des ‚Ich‘ auf SNS zu beobachten (vgl. Autenrieth 2011a). Während jüngere UserInnen insgesamt viel Wert auf die Gestaltung und Dekorierung ihrer Profile le-gen, liegt der Fokus der älteren eher auf der Darstellung authentischer Freundschaftsbeziehungen (vgl. Livingstone 2008).

Grundsätzlich ist der Einfluss, den die Online-Freunde auf die Fremdwahrnehmung durch andere UserInnen haben, von großer Bedeu-tung. Utz (2010) zeigte auf, wie sich einerseits selbstgenerierte Informati-onen und andererseits von anderen (den Freunden) generierte Informatio-nen auf die Einschätzung der Beliebtheit von UserInnen auswirken. Hier-bei konnte sie nachweisen, dass die Wirkung der von anderen preisgege-benen Informationen in bedeutsamer Weise auf UserInnen zurückfällt und diese außerdem validierend im Hinblick auf die Informationen wirken, die die UserInnen selbst bereitstellten. Ebenso betonten Walther et al. die Be-deutung des Erscheingungsbilds und des Verhaltens der Online-Freunde für das von Dritten wahrgenommene eigene Image der Facebook-UserInnen (vgl. ebd. 2008) und welch übergeordneten Stellenwert durch Kontakte generierte Inhalte in Form von Kommentaren etc. für den Ein-druck bei Fremden besitzen (vgl. ebd. 2009). Jedoch ist aus der Perspekti-ve der UserInnen eine hohe Anzahl an Freunden auf SNS nicht automa-tisch mit sozialer Anerkennung gleichzusetzen. Gelegentlich ist das Ge-genteil der Fall: Eine als unangemessen erachtete Anzahl an Online-Kontakten kann dazu führen, dass der/die ProfilbesitzerIn als sozial unat-traktiv eingeschätzt wird, d.h. hierdurch sogar Ablehnung erfährt (vgl. Donath/boyd 2004; Tom Tong et al. 2008).

Sowohl in großen Printmedien (z.B. Spiegel, Zeit etc.) als auch in der Wissenschaft wurden die Aspekte des Datenschutzes und der Privatsphäre auf SNS vielfach aufgegriffen. Denn um überhaupt mit anderen in Kontakt

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treten zu können, müssen die UserInnen zunächst einmal Daten von sich selbst preisgeben, hierdurch machen sie sich aber (mehr oder minder) an-greifbar. Diese Grundangaben zur Erstellung eines Profils beinhalten überwiegend demografische Daten wie Name, Geburtsdatum, Ausbildung etc., aber zum Teil auch sehr persönliche Angaben wie den Familienstand, politische und religiöse Anschauungen oder Kontaktdaten wie E-Mail-Adresse, Wohnort und Telefonnummer (vgl. Weissensteiner/Leiner 2011: 534). Die hierbei bislang vorrangig diskutierten Fragen waren Weissen-steiner/Leiner (2011: 534) folgend: Wer gibt welche Daten preis (vgl. boyd/Hargittai 2010; Fogel/Nehmad 2009; Livingstone 2008; Nosko et al. 2010; Schenk et al. 2012), unter welchen sozialen Rahmenbedingungen (vgl. Astheimer 2011; Lewis et al. 2008) und inweit sind sich die UserIn-nen ihres Handelns bewusst (vgl. boyd 2008b; Lampe et al. 2008; Prom-mer et al. 2009; Schenk et al. 2012)?8 Dabei konnte nachgewiesen werden, dass jüngere UserInnen tendenziell mehr Daten von sich online stellen als ältere (vgl. Nosko et al. 2010; Prommer et al. 2009), und Männer eher mehr Kontaktdaten angeben als Frauen (vgl. Fogel/Nehmad 2009). Insge-samt zeigte sich jedoch, dass insbesondere die kritische Berichterstattung in der Presse nicht ohne Wirkung blieb. So war etwa zu Beginn des Jahres 2008 vor allem das Netzwerk StudiVZ wegen seiner Datenschutzrichtli-nien harscher Kritik ausgesetzt, woraufhin ca. sieben Prozent der UserIn-nen ihr Profil löschten (vgl. Prommer et al. 2009: 19). Inzwischen gehören verschiedene Möglichkeiten zum Schutz des eigenen Profils bei nahezu al-len größeren SNS-Anbietern zum Standard. Wie Preibusch (2011) jedoch darlegt, ist die Qualität der verfügbaren Sicherheitseinstellungen nur ein untergeordnetes Kriterium bei der Wahl einer Social Network Site. Aller-dings ist eine Veränderung im Nutzerverhalten zu beobachten: Während zu Beginn die UserInnen eher unbekümmert mit ihren Daten umgingen und weitreichende Informationen ungeschützt auf Facebook stellten (vgl. Lange/Lampe 2008), legen sie inzwischen eine deutlich restriktivere In-formationspolitik an den Tag, d.h., es werden weniger sensible Daten on-line gestellt und vermehrt Sicherheitseinstellungen vorgenommen (vgl. boyd/Hargittai 2010; MPFS 2011). Und insbesondere im Zusammenhang

                                                            

8 Für einen ausführlichen theoretischen sowie empirischen Überblick zum Thema Privatsphäre im Social Web siehe Trepte/Reinecke 2011.

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Kapitel 2

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mit Bildern zeigt sich eine starke Tendenz zu neutralen, vergleichsweise wenig intimen Bildinhalten (vgl. Pscheida/Trültzsch 2011; Wirz 2012).

2.2 Freundschaft und Peer-Gemeinschaft bei Jugendlichen

Neben der Familie haben Freunde bzw. Freundescliquen einen zentralen Stellenwert im Leben von Jugendlichen (vgl. Harring et al. 2010). Gerade in der Adoleszenz, in der es zu einer verstärkten Abgrenzung von den Wertvorstellungen der Eltern kommt, spielen Freunde eine bedeutsame Rolle als emotionaler Rückzugsort (vgl. Gensicke 2011: 195ff.). Eine um-fassende Definition von Freundschaft erweist sich jedoch als schwierig und kann immer nur Facetten des Phänomens benennen. So gibt es zwar häufig einen unausgesprochenen Konsens, wenn das Thema diskutiert wird, eine tatsächliche Definition von „Freundschaft“ kann jedoch nur von den beteiligten Interaktionspartnern in einem reziproken Aushandlungs-prozess geleistet werden (vgl. Nötzoldt-Linden 1994: 23f.). Als die drei meist-genannten Differenzierungskriteri en zu anderen engen sozialen Bindungen können angeführt werden: (1) nicht (zumindest nicht näher) miteinander verwandt zu sein, (2) in keiner romantischen Beziehung zuei-nander zu stehen und (3) einander positiv gesonnen zu sein. Oder wie Fer-dinand Tönnies formulierte: „Freundschaft [ist, Anm. d. V.] von der Ver-wandtschaft und Nachbarschaft unabhängig als Bedingung und Wirkung einmütiger Arbeit und Denkungsart; daher durch Gleichheit und Aehn-lichkeit [sic] des Berufes oder der Kunst am ehesten gegeben“ (Tönnies 1991 [1887]: 15). Darüber hinaus wird zumeist ein höherer Grad an Ver-trautheit und Intimität in der Beziehung vorausgesetzt – tendenziell lässt sich hier eine Bevorzugung des eigenen Geschlechts beobachten (vgl. Alisch/Wagner 2006: 38ff.). Somit zeigt sich Freundschaft als eine Bezie-hung, die auf Freiwilligkeit und geistiger Verbundenheit beruht und nicht wie Nachbarschaft oder Verwandtschaft auf Geburt oder räumlicher Nähe basiert. Durch ihre Freiwilligkeit und emotionale Ausdrucksdimension ist sie als Beziehungsform jedoch besonders stark darauf angewiesen, regel-mäßig erneuert, bestätigt und damit konkretisiert zu werden: „Solches Band muss aber doch durch leichte und häufige Vereinigung geknüpft und erhalten werden [...]. Solcher guter Geist [...] wohnet im Gewissen seiner Verehrer und begleitet ihre Wanderung in fremde Lande [...] bildet [...] ei-ne Art von unsichtbarer Ortschaft, eine mystische Stadt und Versamm-

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lung“ (Tönnies 1991 [1887]: 15). Somit bleibt für Freundschaft als soziale Beziehung festzuhalten, „dass sie eine interaktional konzipierte Pri-vatsphäre darstellt, die dem Pol des gegenseitigen Kennens, d.h. des per-sönlichen Wissens, der Nähe und Bindung zustrebt« (Nötzoldt-Linden 1994: 153).

Selmans fünfgliedriges Stufenmodell zum Verständnis von Freund-schaft beschreibt einen strukturierten Entwicklungsverlauf. Mit zuneh-mendem Alter gelingt es Kindern und Jugendlichen zusehends, sich von der zunächst momentorientierten physischen Interaktion mit anderen Kin-dern aus dem direkten Umfeld zu lösen und sich verstärkt emotional mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen und dessen Bedürfnisse und Per-spektiven anzuerkennen. So werden immer engere, auf intimerem gegen-seitigem Austausch basierende Beziehungen eingegangen. In der fünften und letzten beschriebenen Stufe, die ca. im Alter von zwölf Jahren erreicht wird, besteht die Fähigkeit und Bereitschaft, enge Freundschaften einzu-gehen, in denen wechselseitig das Bedürfnis nach „Autonomie und Inter-dependenz“ ausbalanciert werden muss. Hierunter zu verstehen ist die Aushandlung bzw. Akzeptanz von emotionaler Abhängigkeit auf der einen Seite und persönlicher Autonomie auf der anderen Seite. Abhängigkeit bezieht sich hierbei auf das wechselseitige Vertrauen darauf, sich aufei-nander verlassen zu können. Gleichzeitig wird wechselseitige Unabhän-gigkeit zugestanden, die andere soziale Beziehungen zulässt, ohne damit der Freundschaft den Boden zu entziehen. Gegenseitige emotionale Unter-stützung bei Problemen wird eingefordert und gegeben (vgl. Selman 1980; Selman/Hickey Schultz 1990). In verschiedenen Studien aus Deutschland und den USA konnte nachgewiesen werden, dass Kinder und Jugendliche hier die gleichen Entwicklungsstufen in derselben sequenziellen Reihung absolvieren, ohne dabei einzelne Stufen auszulassen (vgl. Guruchar-ri/Selman 1982; Keller/Wood 1989; Krappmann 2010).

Während der Adoleszenz ergeben sich aus sozialisationstheoretischer Perspektive für Jugendliche wesentliche Entwicklungsaufgaben, die sie zu bewältigen haben. Eine der zentralen Herausforderungen hierbei ist die Loslösung vom Elternhaus, verbunden mit einer gleichzeitig zunehmen-den Bedeutung der Peergroup (vgl. Hurrelmann 2007; Schäfers/Scherr 2005). Mit dem Einsetzen der Pubertät verlieren die Eltern an Einfluss, es findet eine intensive Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld statt. Dabei kommt es zu einer starken Abgrenzung von den Idealen der Er-wachsenenwelt und gleichzeitig zu einer Integration in neue, Peergroup-

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Kapitel 2

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basierte Gemeinschaften wie Freundescliquen und jugendliche Subkultu-ren. Hier werden eigene, von der Lebenswelt der Erwachsenen relativ un-abhängige Wertvorstellungen und soziale Normen entwickelt (vgl. Hur-relmann 2007: 132). Zur Unterstützung dieses Entwicklungsprozesses sind für Jugendliche enge freundschaftliche Bindungen zu Gleichaltrigen von essenzieller Bedeutung (vgl. Alisch/Wagner 2006). Im Rahmen dieser Peergroups finden wesentliche Aushandlungsprozesse zur Herausbildung einer eigenen kohärenten Identität und zur persönlichen Positionierung im gesellschaftlichen Gefüge statt (vgl. Abels 2006; Schmidt 2004). Die je-weilige Position im Freundeskreis ermöglicht den Jugendlichen Rück-schlüsse auf die eigene Persönlichkeit. Es zeigt sich jedoch, dass auch über die engsten Freunde hinaus der Auseinandersetzung mit Gleichaltri-gen, d.h. der Peergroup, ein hoher Stellenwert für die Sozialisation von Jugendlichen eingeräumt werden muss (vgl. Harring et al. 2010). Dabei lassen sich folgende Unterscheidungen zwischen Peer-bezogenen Ge-meinschaftungsformen von Jugendlichen treffen: eine Dyade, d.h. eine enge, intime Freundschaft zwischen zwei Personen (vgl. Nötzoldt-Linden 1994), informelle Gruppen wie Freundescliquen (vgl. Neidhardt 1999; Scherr 2010; Schmidt 2004), formellere Gruppen wie Schulklassen und Vereine sowie jugendkulturelle Gruppierungen, die sich in spezifischen Szenen artikulieren (vgl. Hitzler/Niederbacher 2010a; Hitz-ler/Niederbacher 2010b).

Jedoch sind es vor allem enge Freunde, die von Jugendlichen in der Adoleszenz als wichtigste Bezugspersonen genannt werden, und entspre-chend sind diese gerade in der Freizeit als wichtigster Orientierungspunkt nicht wegzudenken: So geben 84 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren an, sich täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich mit Freunden zu verabreden (vgl. MPFS 2011: 7). Ein ähnliches Bild der heu-tigen Generation Jugendlicher vermittelt die jüngste Shell-Studie: Betrach-tet man deren aktuelle Ergebnisse, verstärkt sich noch einmal die Wahr-nehmung der Bedeutung, die der klassischen Freundschaft von Jugendli-chen zugeschrieben wird. Befragt nach ihrer Wertorientierung, gaben 94 Prozent der Jugendlichen „Gute Freunde haben, die einen anerkennen“ als ‚sehr wichtig‘ an, 97 Prozent mindestens als ‚wichtig‘. Damit steigerte sich die Wertschätzung von Freundschaft gegenüber den Ergebnissen aus dem Jahr 2002 sogar noch einmal um sieben Prozent und rangiert vor al-len anderen abgefragten Items. Sie liegt damit deutlich vor anderen mikro-sozialen Beziehungsformen wie dem Lebenspartner (für 90 Prozent der

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Befragten ‚sehr wichtig‘) oder der Familie (vgl. Gensicke 2011: 195ff.). Ebenso zeigen Jugendliche, befragt nach ihren Interessen, eindeutige Prä-ferenzen: So befinden 87 Prozent das Thema ‚Liebe und Freundschaft‘ für ‚sehr interessant‘ oder zumindest ‚interessant‘ und bewerten dieses damit als das für sie wichtigste Themengebiet (vgl. MPFS 2011: 9).

Mit der weitreichenden Verbreitung von Social Network Sites wie Fa-cebook, Netlog, StudiVZ und SchülerVZ finden Prozesse der Selbst- und Sozialauseinandersetzung zwischenzeitlich in weiten Teilen auch online statt (vgl. Schmidt et al. 2009b). Die Darstellung des eigenen Freundes-kreises ist dabei immer auch eine Selbstbeschreibung des jeweiligen Sub-jekts. Social Network Sites sind für Jugendliche inzwischen zu einem wichtigen Raum geworden, in dem sie sich ohne Überwachung und Kon-trolle durch Autoritätspersonen wie Eltern oder Lehrer mit ihren Freunden und Bekannten aufhalten und austauschen können (vgl. boyd 2008a: 170ff.). Als problematisch wird hier jedoch teilweise die Bezeichnung „Freund“ verstanden, da die Verwendung dieses Begriffs unabhängig von der tatsächlichen emotionalen Beziehung für alle Online-Kontakte auf Social Network Sites verwendet wird. Von Kritikern wird hierdurch eine Art „Verwässerung“ des Freundschaftsbegriffs befürchtet. Entsprechend wird das Wort „Freund“ in diesem Zusammenhang meist in Anführungs-zeichen gesetzt (vgl. Autenrieth 2010a; boyd 2006; Ellison et. al. 2007). Die Darstellung, Artikulation und Differenzierung von Freundschaftsbe-ziehungen sind dementsprechend auf Social Network Sites eines der zent-ralen Themen, das Jugendliche intensiv beschäftigt (vgl. Autenrieth 2010a). Jedoch geht die Kommunikation auf Social Network Sites weit über den engsten Freundeskreis hinaus und die Anzahl der durchschnittli-chen Kontakte von Jugendlichen steigt kontinuierlich. Waren in den Jah-ren 2008/2009 im Rahmen unterschiedlicher Studien im deutschsprachi-gen Raum durchschnittlich ca. 130 Freunde angegeben worden (vgl. Au-tenrieth et al. 2011; Schmidt et al. 2009a; Wächter et al. 2011), sind die Angaben in neueren Untersuchungen um durchschnittlich 160 Kontakte auf inzwischen durchschnittlich 290 ‚Freunde‘ angestiegen (vgl. MPFS 2013: 39). Beobachtet wurde darüber hinaus, dass jüngere UserInnen ten-denziell ein größeres Online-Netzwerk pflegen, d.h. mehr „Freunde“ auf ihrem Profil vereinen, als ältere UserInnen (vgl. Pfeil et al. 2009). Wie die hohe Anzahl bereits vermuten lässt, so sind dies nicht nur die wirklichen und besten Freunde im engen Sinne des Wortes, allerdings geben 96 Pro-zent der UserInnen an, alle Kontakte in ihrem Profil zumindest persönlich

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Kapitel 2

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zu kennen (vgl. MPFS 2011: 49), andere Studien kommen zu vergleichba-ren Ergebnissen (vgl. Schmidt 2009). Somit bleibt festzustellen: „SNS mirror, magnify, and extend everyday social worlds“ (boyd 2008a: 172). Es handelt sich folglich nicht um „alternative Welten“, sondern weitge-hend um eine virtuelle Abbildung des offline bestehenden erweiterten Freundes- und Bekanntenkreises (vgl. Hobi 2011) und damit um eine Ausdehnung der kommunikativen Online-Aktivitäten auf die erweiterte Peergroup bzw. Peer Culture (vgl. Brown 1990; Schmidt 2004).

2.3 Die soziale Bilderpraxis von Jugendlichen

Das Sammeln und Tauschen von Bildern, sowohl von Fotografien als auch von anderweitigen Abbildungen, hat insbesondere bei Jugendlichen eine lange Tradition. Bereits um 1840 begann die Firma Stollwerck kleine Schokoladentäfelchen zu verkaufen, denen Sammelbilder beigelegt waren. Diese sollten im Sinne einer Verkaufsförderung die Kunden dazu verfüh-ren, kontinuierlich Produkte der Firma Stollwerck zu erwerben. Regelmä-ßig wurden hierfür Künstlerwettbewerbe ausgeschrieben und Bildserien zu Themen wie Zirkus, ferne Länder oder Märchen aufgelegt. Die anvisierte junge Zielgruppe konnte bereits zu dieser Zeit Sammelalben erwerben, in die diese Bilder einsortiert werden sollten (vgl. Ciolina/Ciolina 2007: 111ff.). Einen wahren Boom lösten in den 1930er Jahren die in Zigaret-tenpackungen beigelegten Sammelbilder aus. Sie zogen insbesondere ju-gendliche Sammler in ihren Bann, die sich in den Schulpausen trafen, um fehlende Bilder zu tauschen und ihre Sammlungen zu vervollständigen (vgl. Ciolina/Ciolina 2007: 12). Die jugendliche Begeisterung für das Sammeln und Tauschen von Bildern hält bis heute an, jedoch sind die Bil-der inzwischen nicht mehr bloße Dreingabe, sondern selbst zum begehrten Produkt avanciert. Bekanntheit erlangte vor allem die Firma Panini, deren Sammelalben bereits Generationen von Jugendlichen begleitet und dabei bis heute nichts von ihrem Reiz verloren haben (vgl. Dambeck 2011). Zu-letzt sorgten die Zeichentrickserie Pokémon, die besonders Kinder bis et-wa zum Alter von 13 Jahren ansprach, und die mit ihr vertriebenen Sam-melkarten für Aufsehen (vgl. Neumann-Braun/Astheimer 2004: 117). Auch hier traf die Begeisterung für die gebotenen Bilderwelten auf die Sammelleidenschaft der Kinder, die sich im Akt des Tauschens auf den Schulhöfen in ihre eigenen Bilderwelten begaben.

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