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Correspondenzen. 217. A. P i n n e r : Die Chemie auf der 45. Versammlung dentscher Naturforscher und Aerzte (12. - 18. August). Die Wandergesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte, welcbe in diesem Jahre das Jubilhm ihres funfzigjahrigen Bestehens feierte, war nach Leipzig berufen worden, wo 1822 eine kleiue Zshl von Fach- genossen urn 0 k e n sich vereinigte, um in alljahrlich wiederkehren- den Zusammenkiinften personlicbe Bekannkschaft und sonlit directesten Gedankenaustausch unter einander zu ermiiglichen. Kein Wunder also, wenn die JubilLumsfeier und das irn Herzen Deutschlands so giiostig gelegene und gerade jetzt wissenschaftlicb machtig aufbliihende Leip- zig zusarnmenwirkten, um eine so stattliche Versarnrnlung von Natur- forschern herbeizuziehen, dass dieselbe nur einmal (ron der Wiener Ver- sarnmlung 1856) an Mitgliederzahl iibertrofferi worden ist. Auch die chemische Section war so zahlreich besucht, dass schon in der ersten Sitzung, welcher der Einfiihrende, Hr. Prof. Kol be, prasidirte, der Beschluss gefasst wurde, die Sectionsversammlungen aus dem UIIS an- gewiesenen Auditorium des Universitiitsgebaudes in den grossen H6r- saal des Laboratoriums zu verlegen. Ausser seiner grosseren Ebaurn- lichkeit aber gawlhrte dieser Horsaal fur die rnit Experimenten ver- bundenen Vortrhge grossen Vortheil und bot den mit den vortrefflichen Einrichtungen des Leipziger Laboratoriums nicht vertrauten Theilneh- mern Gelegenheit, nach den Sitzungen sich eingeheud rnit der wahr- haft genialen Anlage und Ausstattung aller zu chemischen Studien dienenden Rlume bekannt zu rnachen. Dabei wurde der Eifer und die Wisshegier der Fremden durch die liebenswiirdige Zuvorkornrnen- heit des Hm. Prof. Kolbe nicht nur unterstctzt, sondern angefeuert. Erst in der zweiten Sitziing, fiir welche Hr. Prof. Fresenius zum Prasidenten erwahlt wurde, begann die wissenschaftliche Thiitig- keit der Section. Der Reigen wurde erijffnet durch einen Vortrag des Hrn. Dr. MichaElis iiber die Constitution der Phosphorver- bindungen. Dieselhe Arbcit ist inzwischen von Hrn. MichaGlis in den Annalen der Chemie (164. 9.) ausfiihrlich veroffentlicht worden, und wir beschriinlic~n uns deshalb darauf, zu erwahnen, dass Redner naeh einer llngeren theoretiscbeu Einleitung uber die Werthigkeit des Phosphors die yon ihm dargestellten Verbindungen P, S, Br4, P, S, (O€I), und P, S, (OC, H,),, endlich PS2Br und PSBr3 vor- fuhrte. Nacb ihm berichtete Hr. Dr. R a t h k e iiber die Fortsetzung seiner Uutersuchung iiber das Perchlormethylniercaptan CCI, S (diese Ber. 111. 858). Man erhllt diesen Rijrper leicht durcb Einleiten von trockenem Cblor in mit etwas Jod versetzten Scbwefelkohlenstoff.

Die Chemie auf der 45. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte (12.—18. August)

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Correspondenzen. 217. A. P inner : Die Chemie auf der 45. Versammlung dentscher

Naturforscher und Aerzte (12. - 18. August). Die Wandergesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte, welcbe

in diesem Jahre das J u b i l h m ihres funfzigjahrigen Bestehens feierte, war nach Leipzig berufen worden, wo 1822 eine kleiue Zshl von Fach- genossen urn 0 k e n sich vereinigte, um in alljahrlich wiederkehren- den Zusammenkiinften personlicbe Bekannkschaft und sonlit directesten Gedankenaustausch unter einander zu ermiiglichen. Kein Wunder also, wenn die JubilLumsfeier und das irn Herzen Deutschlands so giiostig gelegene und gerade jetzt wissenschaftlicb machtig aufbliihende Leip- zig zusarnmenwirkten, um eine so stattliche Versarnrnlung von Natur- forschern herbeizuziehen, dass dieselbe nur einmal (ron der Wiener Ver- sarnmlung 1856) a n Mitgliederzahl iibertrofferi worden ist. Auch die chemische Section war so zahlreich besucht, dass schon in der ersten Sitzung, welcher der Einfiihrende, Hr. Prof. K o l be , prasidirte, der Beschluss gefasst wurde, die Sectionsversammlungen aus dem UIIS an- gewiesenen Auditorium des Universitiitsgebaudes in den grossen H6r- saal des Laboratoriums zu verlegen. Ausser seiner grosseren Ebaurn- lichkeit aber gawlhrte dieser Horsaal fur die rnit Experimenten ver- bundenen Vortrhge grossen Vortheil und bot den mit den vortrefflichen Einrichtungen des Leipziger Laboratoriums nicht vertrauten Theilneh- mern Gelegenheit, nach den Sitzungen sich eingeheud rnit der wahr- haft genialen Anlage und Ausstattung aller zu chemischen Studien dienenden Rlume bekannt zu rnachen. Dabei wurde der Eifer und die Wisshegier der Fremden durch die liebenswiirdige Zuvorkornrnen- heit des Hm. Prof. K o l b e nicht nur unterstctzt, sondern angefeuert.

Ers t in der zweiten Sitziing, fiir welche Hr. Prof. F r e s e n i u s zum Prasidenten erwahlt wurde, begann die wissenschaftliche Thiitig- keit der Section. Der Reigen wurde erijffnet durch einen Vortrag des Hrn. Dr. M i c h a E l i s i i b e r d i e C o n s t i t u t i o n d e r P h o s p h o r v e r - b i n d u n g e n . Dieselhe Arbcit ist inzwischen von Hrn. MichaGl is in den Annalen der Chemie (164. 9.) ausfiihrlich veroffentlicht worden, und wir beschriinlic~n uns deshalb darauf, zu erwahnen, dass Redner naeh einer llngeren theoretiscbeu Einleitung uber die Werthigkeit des Phosphors die yon ihm dargestellten Verbindungen P, S, Br4, P, S, (O€I), und P, S, (OC, H,),, endlich PS2Br und PSBr3 vor- fuhrte.

Nacb ihm berichtete Hr. Dr. R a t h k e iiber die Fortsetzung seiner Uutersuchung iiber das P e r c h l o r m e t h y l n i e r c a p t a n CCI, S (diese Ber. 111. 858). Man erhllt diesen Rijrper leicht durcb Einleiten von trockenem Cblor in mit etwas J o d versetzten Scbwefelkohlenstoff.

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Nebenher entsteht ahsser CCl, und SCl, wenigstens noch eine Ver- bindung, welche nach dem Abdestilliren der fliichtigeren Produkte und etwa der Halfte des CCI, S beim Erkalten auskrystallisirt, und durch Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt die Zusammensetzung C , C1, S ,

- - > S besitzt, farblose glanzende Prismen bildet und bei

versuchter Destillation sich in CSCI, und SC1, zersetzt. Die Verbin- dung CSC1, (das von K o l b e 1845 entdeckte S u l f o c a r b o n y l c h l o - r id) erhiilt man leichter als nach dem eben erwahnten Verfahren durch Behandeln des CCI, S mit pulverformigem Silber. Sie stellt eine gelbrothe, bei 66 - 68O eiedende Fliissigkeit dar. Redner hat auch, jedoch ohne Erfolg, versucht, die Chlorentziehung aus CCl, s zu Ende zu fiihwn, urn so zu C S zu gelangen; die angewandten Reductions- mittel bemlchtigten sich auch des Schwefels und fiihrten eine voll- standige ZerstSrung des CCl, S herbei.

Hr. R a t h k e hat endlich auch die Einwirkung des CSC1, und CSCI, auf Anilin untersucht. Bei nicht iiberschussigem Anilin ent- steht durch CSCl, P h e n y l s e n f o l , bei tiberscbiissigem Anilin D i - p h e n y l s u l f o h a r n s t o f f , welcher seinerseits durch CSCI, in P h e - n y l s e nf61 umgewandelt wird. Dagegen wird bei der Einwirkung des C S CI, (in atherischer Liisung) auf nicht iiberschiissiges Anilin (2 Mol.) die Verbindung CCl, S ( N H . C , H,) erzeugt, ein dickfliis- siges, leicht zersetzbares Oel, welches schon im Wasserbade unter Salzsaureentwickelung sich zersetzt. Durch alkoholische Kalilauge wird es in CHCI, S (0. C , H,) iibergefiihrt, einen in langen Prismen krystallisirenden Korper. Auf iiberschiissiges Anilin (mehr als zwei Mol.) wirkt CSCl, anfange in gleicher Weise ein; aber nach Ver- dunstung des Aethers erstarrt der Riickstand und es entsteht T r i - p h e n y 1 g ua n i d i n. Der Schwefel scheidet sich theils als solcher, theils in Form eines goldgelben amorphen kohlenstoffhaltigen KBr- pers aus.

Hieranf theilt Hr. Dr. Z i n c k e die Resnltate seiner fortgesetzten U n t e r s u c h u n g i iber d i e E i n w i r k u n g v o n B e n z y l c h l o r i d a u f ar o m a tis c h e K o h l e n w ass e r s t off e mi t. Redner hat Benzylchlorid auf I s o x y l o l und P a r a x y l o l (wie stets bei Gegenwart von Zink) einwirken lassen und so B e n z y l i s o x y l o l und B e n z y l p a r a x y l o l dargestellt, beide cl, HI, oder c6 H, . CH, . c, H, (CH,),. Das Benzylisoxylol ist eine farblose, schwach aromatisch riechende Fliis- aigkeit, welche bei 295-296O siedet. Das ihm ahnliche Benzylpara- xylol siedet bei 293.5-294.5O. Das Benzylisoxylol geht durch Oxy- dation mit chromsaurem Kalium und Schwefelsaure in Benzoy l i so - p h t a l s a u r e uber: c6 H, . C O . c6 H, ( C 0 2 H)2, eine in Wasser, Benzol und Chloroform schwer, in Alkohol, Aethar nnd Eisessig leich-

CC1, (SCl).

CCI, (SCI).

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ter 16sliche Saure, die bei 278-2800 schmilzt. Ihr Barium- und ihr Kalksalz sirid in kaltem \%-asser weit liislicher als in heissem. Diircb Rediction mit Zink und Salzslure liefert sie nicht, entsprechend der BenzoybeiizoGsBure, die Benzhydrylisophtalsaure

C, H, . CH (OH). C, H, (CO, H)2, sondern eine SLure C,, HI, o,, welche in langen, glanzenden, bei 206O schmelzenden Prismen krystallisirt und durch H J zersetzt wird. Der Vartragende fasst diese Saure vorlaufig als Aldehydsaure auf

C, H, . C O . C, 1-13< und erregt eine kurze Discussion, in

welcher Hr. Prof. C a r s t a n j e n die Vermuthung ausspricht, die S lure kijnne auch C , H , . C . C, H, (CO, H), constituirt sein, der Keton- sauerstoff d w Benzoylisophtalsaure sei demnach durch den nascirenden Wasserstoff ohne Ersatz eliminirt worden. Hr. Z i n c k e entgegnet, dass eine derartige Wirkung des Wasserstoffs an stat. nasc. bis jetzt mit Sicherheit nicht constatirt worderi sei.

Hr. Prof. N e u b a u e r spricht iiber den Saftdruck in der Rebe, der im Friihjahre eine Qnecksilbersiiule 40-60 Cm. zu heben vermag. Er kniipft daran eine kurze Mittheilung seiner Untersuchung iiber die Bestandtheile der Weinbliitter, nach welcher er Quercetin , Quercitrin, Gerbstoff, Inosit, Aepfelsaure, Weinsaure, OxalsBure, Zucker und Pro- tei'nkiirper riachgewiesen hat. Hr. Prof. H l a s i w e t z macht darauf aufmerksam, dass Qaercetin und Qukrcitrin schon verschiedenfach (von ihm in den Theebliittern, von R o c h l e d e r in den Blattern der Ross- kastanie) in Pflanzenblattern aufgefunden worderi und wahrscheinlich allgemein verbreitet seien und dass die Blattfarbung vielleicht zum Theil von ihnen herriihre.

Damn schliesst Hr. H l a s i w e t z zuglcich einen Vortrag iiber die Ergebnisse de r yon ihm niit Hrn. H a b e r m a n n gemeinschaftlich fort- gesetzten Untei suchung iiber die Zersetzungsprodukte der Proteinstoffe (s. Ann. 159. 304), aus welchem wir nur kurz hervorheben wollen, dass es beiden Forschern gelungen ist, durch Zersetzung thierischer Eiweissstoffe (Casei'n und Albumin) durch Salzsaure und nocb besser durch fjdzs!iure unter ZuSatz von Zinnchloriir, also durch reduci- rende Mittrl, die von R i t t h a u s r n (Journ. f. pr. Ch. 99. 454) unter dell Zersetzungsprodukten des Klebers entdeckte G l u t a m i n s a u r e C , H, N 0, , vine der Aspnragins2ure homologe Saure, aufzufinden, welclie von K r e u s s l e r (Journ. f. pr. Cb. 107. 244) vergebens linter den durch Schwefelsiiure erzeugtcn Zersetzungsprodukten der thieri- schen Protrinstoffe gesucht worden war. Neben der Glutaminsiiure eritsteht bei der Behandlung der Protei'nstoffe mit Salzsaure und Zinn- cliloriir nur noch Tyrosin und Leucin, es scheint demnach diese Um- Setzong von allen bisher angefiihrten die glafteste und der Zahl der

.CHO

\ C O O H

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auftretenden Produkte nach einfachste zu sein, so dass sie nach dern Vortragenden fiir die Auffassung der Zusanimensetzurig der Eiwriss- korper einen grossen Werth erlangen diirfte.

Hr. Dr. T o l l e n s giebt darauf eine Notiz iiber eine zweckmassige Methode zur Daist'ellung der Parabansaure. Harnsiiure wird mit we- nigstens der doppelten Menge Salpetersiiure abgedampft, bis am Rande rothe Krystalle erscheinen. Er berichtet auch iiber ein schijn kry- stallisirendes Hydrat der Pnratansaure C, H, N, 0, + Ha 0.

Damit ist das Material fiir diese Sitzung erschopft, und nian schreitet zur Wahl- eines Prlsidenten fiir die nlichste Sitzung. Hr. Prof. K o l b e wird vorgeschlagen, lehnt jedoch a b , worauf Hr. Prof. H e i n t z gewahlt wird.

Die zweite Zusanimenkunft der Chemiker, am 14. August,. begann rnit einem Vortrag des Hrn. Dr S c h e i b l e r iiber' P h o s p h o r w o l - f r a m s a u r e n . Redner hebt zuerst hervor, dass seine friihere Vermu- thung, die Fabigkeit der niit Phosphorsiiure gekochten Lijsungen der gewohnlichert wolframsauren Salzc, aus s a u r e n Fliissigkeiten o r g a - n i sc h e B a s e n nikderzuschlagen, beruhe nuf der Bildung von Meta- wolfranisaure, sich nicl t bestatigt habe, daes vielmehr in diesem Falle neue Sauren entstanden, welche Phosphorsiiure utid Wolfrarnsiiure ent- halten und sich zur Fallung organischer Basen noch weit besser eig- neten, als die Metawolframsaure selbst. Lost man das sog. zweifach wolframsaure Natrium (Na, H , W, O,, -t 12H2 0) unter Zusatz der Halfte seines Gewichts Phosphorsdure in kochendeni Wasser und Iasst es kurze Zeit sieden, so krystallisirt nach einiger Zeit ein Natriumsalz i n schijnen Krystallen aus, dessen Zusammensetzung Redner unter Vorbehalt als Na, HI1 P, Ws 0,, -+ 1 3 H , 0 angiebt. Die durch Zersetzung des entspreehenden schwerliislichen Bariumsalzes erhaltene freie Saure, welche in prachtvollen diarnantglanzenden, an der Luft leicht verwitternden Octagdern krystallisirt, sol1 die Zusammensetzung H, P W, , O , , + 18 H, 0 bcsitzen.

Geht man dagegen von dem kauflichen einfach saiiren wolfram- sauren Natriutn a u s , i d e m man dasselbe mit Phosphorsaure kocht, die alkalisch reagirende Fliissigkeit niit Salzsaure neutralisirt, aus der- selben das Bariumsalz f d l t und dieses zerlegt, so erhalt man eine scheinbar in Wiirfeln krystallisireride Saure von der Zusammensetzung H I , PW, , 0,, + S H , 0. Redner vergleicht die beiden von ihm er- haltenen Phobphorwolframsarirrn mit den von M a r i g n a c beschriebenen S i l i c o w o l f r a m s l u r e n H , Si W I z 0,, + 29H, 0 und Si W,, O i a + xH, 0. Die Phosphorwolframsauren, besonders die in Wiirfeln krystallisirende, erscheinen wichtig wegen ihres ausgezeichneten Ver- haltens gegen organische Basen. So werden aus Fliissigkeiten, welche z. B. m&(T Strychnin oder rT&Ta Chinin enthalten, die Basen noch niedergeschlagen. Die Niederschldge sind flockig, voluminos, werden

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nach Iangerem Verweilen unter der Fliissigkeit etwas dichter und kijnnen bequem filtrirt und mit angesauertem Wasser ausgewaschen werdcn. Zur Reindarstellung der Basen eignet sich diese Methode nicht, da Parbstoffe, leim- und peptonartige KBrper und etwas Kali- salze mitgefiillt werden. Man kann jedoch durch frnctionirte Fallung die Basen ziemlich rein erhalten, da die ersten Niederschlage alle Farb- stoffe etc. entlialten. Aus diesen Niederschlagen gewinnt man die Basen durch Zersetzung derselben mit Aetzkalk oder Aetzbaryt, welche mit der Phosphorwolframsaure unlijsliche Verbindungen bilden und die Basen frei machen. Redner, welcher mit der Untersuchung der Salze dieser Sauren noch beschaftigt ist, legt der Phosphorwolframsaure fiir gerichtlich chemische Untersuchungen , vielleicht sogar als Gegengift in Vergiftungsfallen mit organischen Hasen hohen Werth bei. Zugleich zeigt e r das von ihm aus Rubenzuckertnelasse durch Fallen rnit Phos- phorwolframsaure erhaltene Retai'n und Praparate daraus in den pracht- vollsten Krystallen der Versammlnng vor.

Hr. Dr. Sc h e i b l e r empfiehlt demnachst die schijn krystallisi- rende , luftbestandige, weder verwitternde noch hygroscopische Trau- benzucker- Chlornatium-Verbindung 2 C, HI a 0, . N a C l + Ha 0 zur Titrestellung der F e h l i n g ' s c h e n L o s u n g . Man erhalt diese Verbin- dung leicht, wenn man die concentrirte (aber mijglichst dextrinfreie) Kochsalz-Traubenzuckerlijsung lange Zeit stehen lasst. Es bildet sich eine Schimmeldecke und zum Theil an Pilzfaden schwebend und nach allen Seiteri ausgebildet, zum Theil a n die Wande des Gefasses sich ansetzend, schon, wenn auch nicht allseitig ausgebildet, krystallisirt die Verbindung in den glanzendsten Krystallen aus.

Im Anschluss daran theilt Hr. Prof. Sc h w a r z eine einfache Me- tbode zur Darstellung chemisch reinen und zur Titrestellung geeig- neten Traubenzuckers mit. Man lost Rohrzucker in Weingeist von 80 pCt., zu dem man etwas Salzsaure gesetzt hat. Der Zucker 16st sich allmalig auf, und nach einiger Zeit scheidet sich chemisch rei- ner Traubenzucker aus.

Hr. Prof. H l a s i w e t z berichtet i i b e r e i n i g e A b k i j m m l i n g e d e r S u l f o c a r b a m i n s a u r e , welche cr in Gemeinschaft mit Hrn. J. K a c h 1 e r dargestellt hat. Uurch gegenseitige Einwirkung von Am- moniak und Schwefelkohlenstoff auf einander bei Gegenwart eines dritten Kiirpers (Campher, Phenol etc.), welcher nach dem Vortragen- den nur eine katalytische Wirkung aussern kann , entstehen grosse, fast farblose, leicht zersetzbare Krystalle, welche die Zusammensetzung Ca HI, N, S, ( A ) besitzen:

2 C S a + 4 N H 3 = C, HI, N, S, i- H, S. Metalllosungen erzeugen mit dieser Verbindung weisse, schnell schwarz werdende Niederschlage; nur mit Kupfer entsteht eine baltbare gelbe Verbindung von der Formel C, Ha Na 53 CU (B) , SO dass die ur- spriingliche Verbindung ein Ammoniumsalz ist :

Durch daraus

kaltem Per c2

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c 2 H 2 N 2 s3 (NH4)2. schwache Oxydationsmittel (am besten Eisenchlorid) entsteht neben Eisenchlorur , Salmiak und Rhodanammonium ein Kiir- H4 N, S4 (G), welcher in glanzenden Schuppen krystallisirt, in Wasser fast unlaslich ist, durch Kochen mit Wasser aber in

Rhodanammonium, Schwefelkohlenstoff und Schwefel zersetzt wird. Vermischt man Anilin mit Schwefelkohlenstoff und Ammoniak, so enteteht ein der ersten Verbindung entsprechendes Anilinsalz

Durch Kochen mit Wasser wird es zersetzt in Sulfucarbanilid, Schwe- felkohlenstoff und Ammoniak.

I n ihrer Constitution schliessen sich diese Verbindungen nach dem Vortragenden der Sulfocarbaminsaure a n , u n d wenn c r auch die der Ammonium-, Kupfer- und Phenylammoninmverbindung zu Grunde lie- gende Wasserstoffverbindung noch nicht isolirt hat, so nimmt er doch mit vollem Recht dieselbe zum Ausgangspunkt seiner Betrachtun- gen. Dieselbe ( C , H, N, S,) verhalt sicii zur Carbaminsaure wie das Aethylsulfid zum Mercaptan. Um nun einen gemeinschaftlichen Na- men fur alle diese Verbindungen zu gewinnen, sclilagt Redner fur den Rest der Sulfocarbaminsaure N H, - - C S - . - die Bezeichnung ,Thiu- ram" v'or. Alsdann ware

c,4 HI , N, s, = c2 H, N, s3 ( H . c, H, N)2 (a.

N H , - - - C S ,

H' N H , - - C S , ,

:S Thiuramsulthydrat (Carbarninslure).

>S Thiuramsulfid (nicht isolirt). N H 2 - -CS"

N H , NH, - - CS,,

N H . N H , - - - C S ' :S Ammoniumthiuramsulfid (A) .

. N H - - - C S , cu: ':S Kupferthiuramsulfid (B) .

' N H - -CS' NH(NH, .CgHg) - -CS,

> S Plienylammoniumthiuramsulfid (D). N H (N H3 . C, H5) ~ - C S/'

N H 2 CS'

N H y -CS , , >S, Thiuramdisulfid (2).

N H , - . - C S - . - NH, Thiuramamin (Schwefelharnstoff). 'In entfernterer 'Beziehung zu diesen Verbindungen standen noch

N H y - G O , . ;NH Biuret.

NH,- . -CO' ' N H , CS,, ,CH, Thiuramcarbomethyl, C a r b o -

I , :C:: t h i a l d i n (aus CSa, N H B und N H , - - - C & ' \CH, Aldehy d).

Hr. Prof. W e b e r theilte darauf kurz die Resultate seiner Unter- suchunghber d i e D a r s t e l l u n g d e s S a l p e t e r s a u r e a n h y d r i d s mit. In auf Oo abgekiihlte mijglichst concentrirte und von Untersalpetersaure fr eie Salpetersaure wird Phosphorst'iureanhydrid in kleinen Portionen eingetragen und das erhaltene Produkt vorsichtig destillirt. Es gehen zwei nicht mischbare Fliissigkeiten iiber, von denen die obere im Wesentlichen aus Anhydrid besteht, die untere aus einem, wie der Vortragende meint , neuen Hydrat der Salpeterstinre mit halb so vie1 Wassergehalt, a19 H N O , besitzt (also 2 H N 0 , + N, 0,). Aus der oberen Schicht scheidet sich das Anhydrid beim Erkalten in Krystal- len aus. Es greift Metalle nicht an , oxydirt aber Schwefel, Phos- phor etc. mit grosser Energie. Das Anhydrid ldst sich in bestimmter Menge in concentrirtester Salpetersaure auf. Beim Erkalten krystallisirt dnraus die schon oben erwahnteVerbindung ( 2 H N 0 , -+ N2 0,) aus.

Ausserdem zeigte der Vortragende krystallisirtes Phosphorsaure- anhydrid , wcdches durch Sublimation in einer Glasrdhre dargestellt worden war.

Zuni Schluss zeigte und erlluterte Hr. Prof. L o t h a r M e y e r einen Apparat zur Regulirung des Luftdruckes bei Destillationen (unter ver- mindertem Druck). Ohne Zeichnung lasst sich dieser schdne, aher etwas complicirte Apparat nicht beschreiben, und wir miissen daher auf die hoffentlich binnen Kurzem erscheinende Abhandlung des Vor- tragenden verweisen.

Damit schliesst die Sitzung, um am folgenden Tage unter dem PrLsidium des Hrn. Prof. H 1 a s i w e t z fortgesetzt zu werden.

Zuerst spricht Hr. Prof. S c h m i t t iiber d i e E i n w i r k u n g v o n C h l o r k a l k l G s u n g a u f e i n e w a s s e r i g e L B s u n g v o n s a l z s a u - r e m O r t h o a m i d o p h e n o l . Dieses (aus nicht fliichtigem Mononitro- phenol dargestellt) wird durch Chlorkalkldsung in Dichlorazophenol C I 2 H, Clz (0 H ) 2 N, iibergefuhrt. Ebenso gelingt es, Anilin in Di- chlorazobenzol zu verwandeln.

Sodann berichtet Hr. Dr. G r i i n e b e r g i i b e r d e n D e a c o n ' s c h e n C h l o r p r o c e s s (Ann. Chem. Pharm. 162. 343), welchen er gemein- schaftlich mit Hrn. H a s e n c l e v e r in zwei englischen Fabriken in Aus- fiihrung gesehen hat. Es sei dabei wesentlich massgehend die genaue Innehaltung einer Temperatur von etws 385O und die vollstandige Austrocknung des Chlors fiir Bereitung des Chlorkalks, weil die Hoch- gradigkeit des Chlorkalks davon abhange. Zur Zeit der Besichtigung sei ein Chlorcalciumapparat zur Trockenen des Gases angewendet, spater aber, wie Hr. H a s e n c l e v e r bemerkt, durch einen Schwefel- slureapparat ersetzt und Chlorkalk mit 30 pCt. Chlorgehalt erzielt worden. Hr. Dr. G r i i n e b e r g machte am Schlusse seines Vortrags auf die hohe Wichtigkeit des D eacon 'schen Processes in national- oconomischer und in gesundheitlicher Beziehung aufmerksam , da j a

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die Verwendung von Braunstein bei der Chlorkalkdarstellung nicht mehr nijthig sei und ausserdem das Entweichen von SalzsLure- und Chlorgas in die Luft umgangen werden kiinne. Er empfiehlt ibn daher zur Einfiihrung in Deutschland. Hr. H a s e n c l e v e r erwahnte darauf, dass die Sdeutschen Chlorkalkfabrikanten durch die hiichst kostspielige Anlage von der Einfiihrung des Deacon’schen Verfahrens sich ab- halten liessen; denn die in den Fabriken vorhandenen Einrichtungen seien vollstandig unbrauchbar, sowohl die Trijge fiir die Chlorent- wickelung seien werthlos, als auch die Kalkkammern, welche wrgen der Absorption von verdiinntem Chlor eine zehnmal grijssere Ober- flache haben miissten. Tndessen sei dieser Process in England bereits in grossartigem Maassstabe idurchgefuhrt und habe sich bis jetzt be- wiihrt. Hr. Dr. K e m p f bemerkt, dass in der K u h n h e i m ’ s c h e n Fa- brik in Berlin bereits eine Anlage fur den D e a c o n ’ s c h e n Process zur Darstellung yon chlorsaurem Kalium im Bau begriffen sei. Je- doch macht Hr. Dr. G l a s e r darauf aufmerksam, dass die Einfiihrung des D e a c o n ’schen Processes fiir Deutschland kaum empfehlenswerth sei, weil neben der grossen Complication der Apparate, der Schwie- rigkeit der Temperaturregulirung auch der grosse Kohlenverbrauch ihr im Wege stehe. Es miisste ja auch bei einer Stiirung des Chlor- betriebs der Sulfat- und rnit ihm der Sodabetrieb unterbrochen werden. Trotzdem halt Hr. H a s e n c l e v e r die Einfiihruug dieses Processes fiir vortheilhaft, denn dem grossen Kohlenverbrauch (200 Klgr. auf 100 Klgr. Chlorkalk) stehe die Ersparniss fur Braunstein entgegen, und dann sei der Arbeitslohn bei diesern Process sehr gering.

Hr. Dr. T o l l e n s berichtet iiber die A c r y l s a i u r e und einige Aetber derselben, welehe e r in Gemeinschaft mit Hrn. C a s p a r y dar- gestellt hat. (Eine Notiz dariiber haben beide Herren schon in diesen Berichten [V. 5601 gegeben.) Die Acrylsaure wurde, wie dort ha- schrieben , durch Bromirung des Allylalkohols, Oxydation des so ge- wonnenen Bibrompropylalkohols und Entbromung der Bibrompropion- s lure bereitet und ist eine bei 1400 siedende, bei sehr niederer Temperatur erstarrende Fliissigkeit. Durch Behandeln der Bibrompro- pionsaure-Aether mit Zink und Schwefelsaure wurden die verschiede- nen Acrylsaure - Aether dargestellt. Sie sind alle durchdringend rie- chende Fliissigkeiten. Der Methylather siedet bei 87-90°, der Aethyl- Lther bei 100-1010, der Allylather bei 117-125O. Der Allylather verwandelt sich beim Destilliren in eine Gallerte, welche in hoher Temperatur wieder den fliissigen Aether giebt. Redner weist auf die Bedeutung dieser Thatsachen fiir die der AcrylsRure zuertheilte Formel CH, = C H - . - C O O H hin. Gleichwohl, giebt er an, hatten seine Versuche, den Allylalkohol direct zu oxydiren, keine geriiigenden Re- sultate geliefert. Die Frage des Hrn. Dr. Z i n c k e , ob Redner auch Silberoxyd oder Platinrnohr zur Oxydation des Allylalkohols (vergl.

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iibrigens diese Ber. IV. 806) versucht habe, verneint derselbe, ebenso verneint e r die Frage des Hrn . Prof. G e u t h e r , ob e r aus seiner ArrylsSure auch Salze dargestellt und dieselben mit den bekannten Salzen der hcrylsaure verglichen habe, um so jeden Zweifel an der ldentitat der von ihm dargestellten und der aus Acrolei'n entstehen- den Acrylsaure zu beseitigen.

Hr. Prof. F i t t i g mscht Mittheilungen i i b e r e i n e n n e u e n K o h - l e n w a s s e r s t o f f aus dem Steinkohlentheer, der bei 98-99O schmilzt und bedeutend hiiher als Anthracen siedet. Die Zusammensetzung desselben ist C, , H12. Bei der Oxydation liefert er eine zweibasi- sche Saure C,, H,, O , , woraus der Vortragende den Schluss zieht, derKohlenwasserstoff sei P h e n y l - N a p h t a l i n C , H , . C, ,H, und die aus ihm dargestellte S lu t e Phenyl-Phtalsaure C, H i . C, H, ( C 0 2 H),. Zugleich zeigte er einige andere Abkiimmlinge dieses Kohlenwasser- stofls der Versammlung vor. Im Anschluss a n diesen Vortrag be- richtet er ferner iiber die Synthese des Allylbenzols, welches e r durch Einwirkung nascirenden Wasserstoffs auf Zimrntalkohol erhalten hat. Hr. Dr. T o l l e n s erwahnt, dass er in Gemeinschaft mit Hrn. W a - g n e r Versuche zur Synthese des Allylbenzols nach der gewohnlichen Methode, durch Einwirkung von Natrium auf Brombenzol und Brom- allyl, gemacht habe. Es sei ihrn bisher nicht gelungen, reines Allyl- berizol zu erhalten. Es zersetzt sich bei Gegenwart von Benzol das Gemenge von C, H, Br und C, H, Br leicht mit Na, und man erhZLlt neben styrolartig riechenden Fliissigkeiten, welche mit Brom sich ver- binden, bei der Destillation unter den fliichtigsten Produkten Diallyl, welches als Diallyltetrabromid nachgewiesen worden ist.

Hr. Dr. W e d d i g e macht sodann der Gesellschaft eine Mitthei- lung iiber den C y a n k o h l e n s a u r e a t h e r , welchen er durch Destil- lation von 2 Th. Oxamethan mit 3 Th. Phosphorsaureanbydrid dar- gestellt hat. Dieser Aether CO (OC, H5) C N ist eine in Wasser unlosliche, bei 115O ohne Zersetzung siedende, wasserhelle Fliissigkeit, die bei langerer Reriihrung mit Wasser in Blausaure, Kohlensaure nnd Alkohol zerfallt. Mit alkoholischern Ammoniak liefert er einen in grossen Prismen krystallisirenden Kiirper, welchen der Vortragende fiir das "Amid der Cyankohlensaure hal t , und aus welchem er durch

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N H C O CN Chlorkohlenoxyd den Kijrper GO 1 N H co C N zu erhalten hofft,

welcher seinerseits durch Wasserstoffaddition in einen mit der Harn- saure isomeren Korper iibergehen konnte.

Darauf theilt Hr. Dr. C l e m e n s W i n k l e r ein Verfahren zur technischen Untersuchung von Gasen mit, von welchem er hofft, dasa es fiir die in der Technik so nothwendige quantitative Bestimmung von Gasen das werden kijnnte, was die Maassanalyse fiir die Bestim- mung der festen and fliissigen Stoffe geworden ist. Er zeigt einen

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Apparat vor, welcher grosse Aehnlichkeit mit den von H o f r n a n n construirten U-Riihren besitzt. Die Riihre ist an der unteren Bie- gung zerschnitten und durch einen Kautschukschlauch verbundrn, 80

dass sie eigentlich aus zwei getrennten Theilen besteht. Der eine Theil besitzt ohen in den1 verjiingten Theile der Rohre einen einfa- chen Hahn zum Einlassen der Gase, dann unten an der Hiegung einen doppelt durchbohiten Hahn, der sowohl das vollstandige Ab- schliessen dieser Rijhre a19 auch ihre Communication mit dem andc- ren Theile der U -Riihre und (bei einer Drehung des Hahns um 900) rnit der Luft gestattet. Man k s s t , nachdem man beide Theile der Rohre mit einander verbunden hat, das zu untersuchende Gas hin- durchstromen, bis man sicher ist, dass die Rohre vollstandig damit gefullt ist; alsdann giesst man, nachdem man beide Hahne geschlos- sen, die zur Absorption eines Bestandtheils im Gasgemenge bestjmmte Fliissigkeit in den offenen Schenkel der Riihre, lasst sie bis an den unteren Hahn treten und offnet nun den unteren Hahn. Es steigt jetzt Flussigkeit hinein, die durch Absorption eines Theiles der Gase einen verdiinnten Raum schafft und neue Mengen nachtreten lasst. Durch Schutteln des Apparates bei geschlossenen Hahnen wird die Absorption beschleunigt. So hat er eine verdunnte Kalilauge fur CO, und SO,, Pyrogallussaure fur 0 etc. Der Vortheil des Apparates be- steht darin, dass Quecksilber unnothig ist, Rein Nachtheil in der grossen Zerbrechlichkeit (der Fabrikarbeiter sol1 damit umgehen) und in dem lastigen Reinmachen desselben. Vortrageuder verhehlt auch nicht, dass die vorgefihrte Methode noch in der Kindheit liege und des Ausbaues sehr bedurfe, und bittet die Vertreter der Wissenschaft, der Methode der technischen Gasbestimmung i h r Interesse zuzhwen- den. Hr. Dr. S c h e i b l e r erinnert bei dieser Gelegenheit a n einen von ihm schon vor Jahren construirten sehr einfachen Apparat zur Kohlensaurebestimmung in Gasgemengen.

Hierauf referirte Hr. Prof. K o l b e mit wenigen Worten uber einige in seinem Laboratorium ausgefiihrte Untersuchungen. Hr. P f a n k u c h hat C y a n o f o r m , wenn auch nicht in reinem Zustande, so doch in der Verbindung CH(CN), . IJgI,, erhalten und aus diesem C H (CO, H)3 dargestellt. Derselbe hat eine neue Bildungsweise von Kohlenwasser- stoffen und eine neue Wirkungsweise des Schwefels aufgefunden. Hr. S a y t z e f f hat die Wirkung des Palladiumwasserstoffs untersucht und Hr. Prof. K o l b e sein N i t r o c a r b o l (Nitromethan) weiter studirt.

Die folgende Sitzung, am 16. August, welcher Hr. Prof. F i t t i g prasidirte, begann rnit einem Vortrag des Hrn. Dr. M i c h a E l i s Gber Versuche, die e r in Betreff des Erstarrens verfliissigter Kiirper ange- stellt hat. Er seigte das Erstarren einer Mischung von PCI, und Rr beim Hineinbringen eines Krystalls der festen Verbindung P C l , Br,. Da dieses Erstarren nicht durch einen festen spitzen Kiirper, noch

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durch Hinzufiigen von P CI, oder I’ Br, xht r i t t , durch Erkalten auf -- 15‘ zwar ein Erstarren eintrift, die entstandenen Krystalle aber bei ;ew3:ri1iclier Teniperatur Fieder zerfliessen, so ist der Vertragende geneigt, die tliisaige Verbindung fiir isomer mit der festen PCI, Br, z n halten. E r zeigtc ferner das pliitzlichr Erstarren des gcschmolze- nen Phospborsulfobroniids Iwirn Mini:inbringen einer kleinen Menge der fester1 Verbindung urid cmpfatil diesen Versuch fiir Vorlesungeu. Mr. Prof. W e b e r benierkte d a m , dass auch das Glycerin nach G l a d - stone’y Ikwbachtungen iiber festeni Glycerin beim Abkiihlen bis - so lcicht eratarre, wiilrend sonst das fliissige Glycerin bekanntlich auch bei sehr niederer Teniperatur fliissig bleibe.

Hr. S a l o m o n zeigt darauf, nachdem er eine Uebersieht iiber die theoretisch miiglichen Sull‘okohlenslure~ther gegeben , den von ihm

dargestellten, noch nicht bekannten Aether CO, vor, wel-

chen er dnrclr Einwirkung von Clrlorkohlcnsaureather auf Natrium- mercaptid erhalten hat. Dieser Aethcr siedet bei 155- 156O, wah-

rcnd der niit ihm isomere CS: bei l G l O siedet. Durch alka-

holische Kalilauge wird der neue Aether in Kaliurncarbonat, Mercaptan und Alkohol zerlegr, der schon friiher bekannte C S (OC, H), in athylmonosulfocarbonsanres Kalium C S (0 C , H ,) 0 K und Alkohol zersetzt. Ebenso zerlegt, Ammoniak den neuen Aether in Urethan CO (OC, E15) NIT, u n d Mercaptan. Die Einwirkung von Ammoniak auf CS (OC, H,), ist noch nicht studirt. Zum Schluss giebt Redrier eine Uebersicht iiber die Siedepnnkte der Sulfokohlensliurelther und fiihrt die Lei denselben auftretenden kleinen Unregelmassigkeiten auf ungenaue Bestinirnungen zuriick.

Hr. Prof. L a n d o l t triigt iiber die R e f r a c t i o n s l q u i v ’ a l e n t e der Elemente C , H und 0 vor. Werden dieselben aus Verbindungen der Fettk6rperreihe berechnet, so ergeben sie sich bei Anwendung auf die aromatischen Substanzen als erheblich zu klein. Dagegen leiten sich aus vcrschiedenen Benzolderivaten fiir das Refractiopselement des Kcrnes C, ganz iibereinstimmende Zahlen ab, wenn den Berechnun- gen Constitutionsformeln zu Grunde gelegt werden und fir die durch eine Affinitat mit dem Kerne verbundenen C der Seitenkctten, sowie fur deren H und 0 die namlichen Werthe angenommen werden, wie fur die Fettkijrper. Redner weist auf die Wichtigkeit dieser Unter- suchungen fiir die Feststelluug der Constitution der Kijrper hin und bittet um leihweise Ueberlassung fliissiger aromatischer Verbindungen zur Eestimmung cler Brechungsindices und speciflschen Gewichte der- selben.

SC, H5

\ O C , H ,

.oc, €1,

,0c, H,

Eine Quantitiit von 5 C.C. geniigt hierzu.

Darauf beapricht Hr. Dr. H. B a l k o w s k i atlsfuhrlich d i e E i n - w i r k u n g d e e A m m o n i a k s a u f N i t r a n f s s g u r e rind B h n l i c b e K i i r p e r . Will rn69srn es uns jedoch versagen, e i h e h Auszug aus dieseni auch an theoretischen Betrachtungen reichen Voptruge z u ge- ben, dn der Vortragende dieselbe Arbeit, wenii aueh nap kurz, bereits in diesen Berictrtetl (8. 722) pubticitt hat.

Dareuf ruachte Hr. Prd. Hii b n e r einige Mittheilungen. Cfe- meinschaftlich mit Hrn. M a j e r t hat er durch E i n d r k u n g van Chlnr auf rnit Jod versetztes Toluol Pa ra - utld O r t h o c h l o r t o l t r o l erhal- ten. Das Gemisch der Cblortoluole gab bei der Oxydation Ptirachlor- benzoEslure. Redner theik k r n e r mit, dass et ifi der Fortsetcung seiner mit Hrn. S e h r e i b e r ausgefiihrten Versndhe iiber F u m i l r s a u r e und Male i 'ne i iure beobnchtet habe, Mrsleinsaureanirydrid gebe mit Wasserstoff gewBhnliche Bernsteinshure. Von den m6glichen geslit- tigten und ungesattigten Fnrmeln fur diese Slnren blieben drther mit Beriicksichtigung der Entstehung ron Ribramhernsteinbiluren aus den- selben nur entweder

C H - - C O O H CEI- - C O O H = C - - C O O € I I1 oder , und I

C H - -Coon - - C H - - C O O H & H , - -COOH. Es wiirde daher das Vorhandensein n e u e r ungesattigter Verbindun- gen nachgewiesen sein, 2. B.

= z C H und I

?Ha

C (COOH), b~ (COOHI,. I

Endlich bemerkt Hr. H i i b n e r , dass Hr. S p e z i a beobachtct habe, das salpetersaure Thalliumoxydul eigrie sich zu g e n a u e n T r e n n u n - g e n d e s J o d e s v o m C b l o r , wenn auch das eine von beiden in sehr grossem Ueberschuss vorhanden sei. Die Ausfiihrung des Ver- fabrens warde k d d in der Zeitsehr. f. a n d . Ch, mitgetheilt werden.

Zum Elchlu-e zeigte Hr. Dr. Q e i s l e r aus Bonn einige naue yon ihm construirte Apparete der Gerellschsft vor, von denen ein sehr ainnreich eingerkhtetea Baromete# hervorzuhebcn ist.

Dcr letateu Sitzung, welehe em Sonnabend den 17. August statt- f m d , ptbiclitte Hr, Praf, L i m p r i e h t . Zuerst Gbeilt Ha. Dr. Z i n c k e cinige Beobachtungen rnit, welche er in Bezug auf die Einwirkung von Zink auf ein Gemiscli von genzylchlorid und aromatischen Koh- lenwasserstoffen gemacht hat. Das Zink bussert bei dieser Reaction kei1,e chemisclie Wirkung, es bleibt unverhndert, dagegen leitet es die Reaction ein und kann, ohne dass die Reaction auch nur an Inten- sitiLt Einbuwe erlitte, nach begotonnener Salzslureentwickelung aus dem Gemiwh entfmnt werden.

Hr. Dr. L i e b e r n i a n n epricht sodann iiber die von ihm C 6 r u - Brrlehte <I. D. Ciaern. Desellacli i f 1 Jahrd V. 56

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l i g n o n grnannte blaue, krystallisirende Substanz, welche in diesern Hefte (S. 746f.) beschrieben ist.

Hr. Prof. C a r s t a n j e n referirt sodann fiber eine Arbeit des Hrn. Prof. S c h u l z e in Rostock iiber die T r a n s p i r a t i o n v o n S a l z - l o s u n g e n . Hr. S c h u l z e hat gefunden, dass die Verschiebbarkeit der Flussigkeitstheile gegen einander oder die Consistenz der Fliissig- keit in einem bestimmten Zusammenhange mit den Atomgewichten der gelosten Stoffe steht. Hr. Prof. S c h u l z e hat vorllufig die Ge- schwindigkeit des Stromlaufs in Capillarrohren untersucht. Lasst man K, Na, Li, ebenso Ba, Sr, Ca, Mg Liisungen bei gleicher Ternperatur und gleicheni Druck durch Capillarrhhren fliessen, so ist bei den Stof- fen der beiden Kategorien der Stromlauf urn so schneller, j e grosser das Atomgewicht des betreffenden Metalls ist, wahrend bei Haloi'd- salzen desselben Metalls es nur einen geringen Unterschied macht, ob das Metall mit C1, Br oder J verbunden ist. Hr. Dr. S c h e i b l e r be- schreibt im Anschluss an diesen Vortrag einen von ihm zu Transpi- rationsrersuchen construirten Apparat, Hr . Prof. F r e s e n i u s erinnert darari , dass iihnliche Unterschiede in der Transpirationsgeschwindig- keit von Na CI und KCl Losungen bereits von P o i s e u i l l e beobachtet wordrn seien. Hr. Prof. K o l b e glaubt, dass die nahere Untersu- chung der 'rranspirationsverhaltnisse von Wichtigkeit sein kiinne fur die Entscheidung der Frage, ob in einer gemischten Liisung zweier Salze v o ~ i verschiedenen Sauren und Basen 2 oder 4 Salze enthal- ten sind.

*In seinern eigenen Namen spricht darauf Hr. Prof. C a r s t a n j a n uber die Constitution des Allylalkohols, und schlagt dafiir die Ring- formel

H , C - . - ~ : H . O H

vor, welche der Bildong desselben aus Glycerin und Dichlorhydrin am besten Reclinung tragt, gleichzeitig auch die Entstehung von Croton- aldehyd aus Aldehyd erkliire. Einen Beweis fur diese neue Constitu- tionsformel glaubt Vortragender zu finden in einer von ihm beobach- teten Raactior!, nach welcher Epichlorhydrin , mit N a und Jodrnethyl behandelt, neben C H, Acrolei'n lieferte. Dadurch sei fur Letzteres die Forniel

CH, .". CH'- - C H

\O/'

sehr wahrscheinlich gemacht. Dagegen sei die von T o l l e n s bewirkte Ueberfuhlnng des Allylalkohols in Acrylshure (5. diese Ber. 1V. 806) kein 13cwt+ gegen diese Formel, da nur durch Hromirung dcs Allyl-

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alkohols , aber niemals durch directe Oxydation desselben Acrylsaure geworinen worden sei. Die Acrylsaure hl t te dann die Constitution

I \ C H ,

H C - . - G (OH) 0. \ I

\O/ Die weit vorgeschrittene Zeit verhindert eine langere Discussion iiber diesen Vortrag, nur Hr. Prof. F i t t i g und Hr. Dr. T o l l e n s machen einige kurze Bemerkungen gegen die Auffassung des Hrn. C a r - s t a n j e n .

Hr. Dr. C h r i s t o m a n o s aus Athen macht schbsslich noch eine kurze Bemerkung iiber die Darstellung von Diphenyl aus Chlorbenzol durch electrisch erregtes Natrium, und eine andere ubrr die Analyse von Chromeisenstein. Damit ist die Reihe der Vortrage geschlossen, und Hr. Prof. L i m p r i c h t spricht vor Aufhebung der Sitzung dem I-Irn. Prof. K o l b e den Dank der Versammlung aus fiir die Bereit- willigkeit, mit welcher derselbe sein Auditorium der chemischen Sec- tion zur Verfiigung gestellt habe.

Die wissenschaftlichen Sitzungen der chemischen Section, welche jeden Tag in den Vormittagsstunden abgehalten wurden , liessen den Theilnehmern fur den Nacbmittag vollauf Gelegenheit, in gemiith- lichen Zusammenkunften sich kennen zu lernen und in ungezwun- gener Unterbaltung die brennenden Tagesfragen ihrer Wissenschaft zu discutiren. Wohl mancher wird hier inter pocula Anregung zu neuen Versuchen heimgebracht und vielleicht schon inzwischen die brjahende oder verneinende Antwort der Natur auf seine Fragen erhalten haben.

Die Abende waren durch die Liberalitat der Stadt Leipzig, welche der Naturforscherversammlung zu Ehren T a g f i r Tag ein anderes Fest arrangirt hatte, dem Vergniigen geweiht. Da nun jeder Tag von Morgens bis spat in die Nacht hinein so vie1 des Nutzlichen und Angenehmen brachte , wird wohl kein Theilnehmer der diesjahrigen Versammlung unbefriedigt iiber die Woche, welche er in Leipzig ver- lebt hat, heimgekehrt sein. Den Meisten aber wird diese Woche als schiine Erinnerung dauernd im Gediichtnisse fortleben.