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MIKR()MSM()S Zeitsch rift für Mikroskopie Herousgegeben von Klous Housmonn (Berlin) und Bruno P Kremer (Köln) Sonderd ruck §E ry GUSTAV @v= * FISCHER

Die Chinesenmütze (Aspidisca turrita) - ein seltsames ... · 175 Die Chines enmütze (Aspidisco turrito) -Wilhelm Foissner Wqrum Ehrenberg, der dieses Ciliot im Johre 183'l qls Ersler

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MIKR()MSM()SZeitsch rift für Mikroskopie

Herousgegeben vonKlous Housmonn (Berlin)undBruno P Kremer (Köln)

Sonderd ruck

§E ry GUSTAV@v= * FISCHER

J

175

Die Chines enmütze (Aspidisco turrito) -

Wilhelm Foissner

Wqrum Ehrenberg, der dieses Ciliot im Johre 183'l qls Ersler soh, es ,,Chinesen-mülze" nqnnle, ist im Rqstereleklronenmikroskop leicht nqchvollziehbqr. Vonder leicht gewölbten Dorsqlseile der rundlichen Zelle enlspringl ein krä{tigerDorn, wodurch ein Gebilde enlslehl, dos sehr der troditionellen Kopfbedek-kung der Chinesen öhnelt. Im folgenden Beitrog werden die Morphologie undÖkologie der drei bei uns vorkommenden Aspidisco-Arlen kurz vorgeslellt.Ausführlich behondelt sind diese in der Soprobiologie qls Bioindikotorenverwendelen Arlen, besonders A. cicodo und A. lynceus, im Ciliqten-Arlos(Foissner et ol., l99l).

ein selfsomes Wimpertierchen

ffi ie Gattung Aspidisca (Schildtierchen)

ffi ffi Ehrenberg gehört zu den hypotrichenW Ciliaten. Es sind 25-50 pm große,rundliche, ventral und dorsal abgeflachte Infu-sorien, bei denen die adorale Membranellenzo-ne zweigeteilt ist, in drei unscheinbare Frontal-membranellen am Vorderende und 10-15 star-ke Mundmembranellen in einer tiefen Grubeam linken hinteren Körperrand (Abb.2,4, 6,11, 14). Die §üimpern sind auf der Ventralseitezu 12 kräftigen Griffeln (Cirren) verklebt, aufder Dorsalseite stehen sie einzeln und sind bor-stenartig verkürzt (Abb. 2, 11,13,17). Der Ma-kronucleus ist C-förmig und liegt in der Peri-pherie der Zelle (Abb. 2,8,1.5). Die kontraktileVakuole und ihr Exkretionsporus befinden sichrechts hinten auf der Ventralseite (Abb. 2, 6).Ökologisch sind die Schildtierchen §üeidegän-ger, die mit ihren Cirren behende auf Detritus-Flocken und festen Unterlagen umherkletternund mit den adoralen Membranellen vorwie-gend Bakterien abweiden (Abb. 1, 9, 18). DieUnterscheidung der drei im Süßwasser vorkom-menden Arten erfolgt hauptsächlich nach derAusbildung der Dorsalseite. Alle übrigenMerkmale (2.8. Größe, Anordnung der Cirren,Form des Makronucleus) sind sehr ähnlichund daher bei der Identifikation keine großeHilfe.

Aspidisca turrito (Ehrenberg, 1831) Claparöde6c Lachmann, 1858Das wesentliche Merkmal dieses 35-50 pmgroßen Ciliats ist der Dorn, den schon Ehren-

Mikrokosmos 83, Heft 3, I 994

berg (1838) so treffend abgebildet hat (Abb. 1).Er entspringt von der ebenen bis leicht gewölb-ten und manchmal auch flach gerippten Dor-salseite. Der Dorn, dessen Funktion nicht be-kannt ist, variiert in Form und Größe auch in-nerhalb einer Population sehr stark (Abb. 4, 5,9,10, 12-14) und soll manchmal sogar fehlen,weshalb einige Autoren Synonymie mit A. lyn-ceus yermvten. Das ist meiner Meinung nachnicht der Fall; vielmehr ist A. turrita oft mitA. lynceus vergesellschaftet, wodurch dornen-Iose Individuen vorgetäuscht werden. In dervon mir untersuchten reinen Population hattenjedenfalls alle Exemplare über mehrere'§Tochenhindurch den typischen Dorn. Außerdem be-sitzt A. twrrita einen bisher übersehenenMunddorn (Abb. 4, 9,11.), der A. lynceus fehh.Aspidisca twrrita ist viel seltener als A. cicadaund Ä. lynceus. Es sind nur etwa 50 Nachweiseaus Europa, Amerika, Asien und Neuseelandbekannt; auch ich habe sie nur ein halbes dut-zendmal gefunden. Angeblich kommt A. twr-rita atch an Meeresküsten vor, die meistenNachweise stammen aber aus dem Süßwasser,wo sie in Flüssen, Seen, Teichen und im Belebt-schlamm kommunaler Kläranlagen beobachtetwurde. Die abgebildete Population fand ich ineinem winzigen, stark verockerten §faldtümpelneben der Röslau in Bayern (Fichtelgebirge).Sie entwickelte sich reichlich im Standortwas-ser, dem zur Förderung des Bakterienwachs-tums ein zerdrücktes '§Teizenkorn beigegebenwurde. In stark saprobem Milieu überlebte sienicht.

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178 W. Foissner

i.;r I

(Abb. 15-17). Die Anzahl und Höhe der Rip-pen variiert stark, ähnlich wie der Dorn von A.twrrita; bei 95 "/" der Populationen sind sieaber sehr deutlich und die Artbestimmung da-her leicht.Aspidisca cicada ist ein Kosmopolit und in denverschiedensten stehenden und fließenden Ge-

wässern regelmäßig anzutreffen. Sie ist ein ty-pisches Mitglied der Spbaerotilus-Zotte (ernFadenbakterium, das in stark verschmutztenFließgewässern zottenartige Beläge bildet, diein der Freiwelle dann als ,,Pilztreiben" sehr auf-fallend werden) und eine der häufigsten Hypo-trichen-Arten im Belebtschlamm, wo sie Häu-

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PROTOZOA AS BIOINDICATORS INWilhelm FOISSNER, UniversitätHellbrunnerstrasse 34, A-5020

AGROECOSYSTEMS \Salzburg, fnstitut für Zoologie,

Salzburg (Austria)

Protozoa are an essential- component of soil ecosystems,

Chinesenmülze 179

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Abb. lI-I4: Aspidisco lurrila im Rosterelek-tronenmikroskop (Originole). - Abb. ll:Ventrolqnsichr mit Munddorn (Pfeil) undMundeingong (Pfeilspitzen). Die Cirren sinddurch die Pröporotion etwos oufgelöst, wo-durch ihr Aufbqu qus vielen Cilien ersichrlichwird. - Abb. 12: Seitenonsichl eines slqrkobgeflochten Exemplors. - Abb. 13: Dorsql-onsicht eines slork obgeflochten, schildförmi-gen Exemplors mil relqliv kurzem, hqkenför-migem Dorn. Die Pfeile weisen ouf die kurzenDorsolcilien. - Abb. 14: Stork obgeflochteslndividuum mil oroßem dorsqlem Dorn. DieAhnlichkeit mit äiner Chinesenmütze isl un-verkennbqr. Moßstriche = I0 pm. FM Frontql-membronellen, M Mundeingong, TC Tronsver-solcirren, VC Ventrqlcirren.Abb. 15-17: Aspidisco cicodo ('15, 16, in vivo;17, Prolorgolsilberimprögnolion; nqch meh-reren Auloren ous Foissner el ql. l99l). -Abb. 15: Ventrol- und Lqterolonsicht einesExemplors mit flügelortigen Rippen (R) oufder Dorsolseire. - Abb. 16, 17: Coudql- undFrontolonsichten. Die Höhe der dorsolenRippen ist sehr vqriqbel. - Abb. 18, 19: Aspi-disco lynceus (18, in vivo; 19, Protorgolsilber-imprögnotion; noch mehreren Auloren ousFoissner er ol. l99l). - Abb. 18: Kletternd qufeiner Delritus-Flocke. Die Zelle ist slorkobgeflocht und ouf der Dorsolseite glotl. -Abb. 19: Fronlolonsicht. Die Dorsqlseite istgloll, wöhrend sie bei A. cicodo gerippt ist(Abb. 17) und bei A.turriro einen Dorn hql(Abb.8).

figkeiten bis 40 000 Individuen/ml erreicht undniedrige bis normale Belastungsverhältnisseund eine ausreichende Sauerstoffuersorgunganzeigt. So wie die anderen Arten der Gattungernährt sich A. cicada vorwiegend von Bakte-rien, gelegentlich werden auch kleine Algen,heterotrophe Flagellaten und Detritus inge-stiert. Die Generationszeit beträgt 13 h bei20'C. '§Tassertemperaturen über 30 'C werdengemieden, 37'C sind letal. Untere pH-Tole-ranzgrefize : 4,2 obere 10,2, Freies Ammoniakist a6 3 mg/I, NO2 -N ab 15 mg/l letal. Ahnlichweite Grenzen bestehen hinsichtlich Sauerstoffund abbaubaren organischen Stoffen. Aspidis-ca cicada ist also ziemlich euryök, häufig wirdsie aber meist nur in der Beta- bis Alphameso-

saprobie, also bei mittelstarker Verschmut-zwg: a-b;b : 4, a: 5, p : 1,1 : 2, Sl : 2.7Polysaprobie wird gemieden.

Aspidisca lynceus (Müller, 1773) Ehrenberg,1830Diese Art ist so wie A. turrita 35-50 x 30-45pm groß, hat aber keine Dornen oder Rippenauf der Dorsalseite, ist also glatt (Abb. 18,19).Vereinzelt findet man Populationen, deren Dor-salseite sehr zarte Rippen zeigt; sie sind nichtimmer leicht von niedrig gerippten (Hunger)-Populationen von A. cicada zu trennen (Grö-ße !).Vorkommen, Verbreitung und Ökologie von A.lynceus decken sich weitgehend mit A. cicada;der Schwerpunkt ist etwas in Richtung Betame-sosaprobie verschoben: b-a; o : l,b:4,a:4,P:1, I:1,SI:2.5.Die drei Aspidisca-Arten werden also wie folgtunterschieden: Dorsalseite mit Dorn (4. twrri-ta), mit 6-8 deutlichen Rippen (A. cicada),glatt oder mit wenigen sehr flachen Rippen (4.lynceus). Alle drei Arten sind ziemlich euryök.In Fließgewässern indizieren sie bei reichlichenVorkommen mittelstarke Verschmutzung mitabbaubaren organischen Stoffen, in biologi-schen Kläranlagen weisen sie bei mäßig hoherbis sehr hoher Abund anz auf ausreichende Sau-erstoffversorgung des Belebtschlamms und gu-te Klärleistung.

Donk

Für technische Assistenz danke ich Frau Dr. EvaHerzog und Herrn Andreas Zankl. Der AbteilungElektrönenmikroskopie (Doz. Dr. Peter Simonsber-ger, Dr. §TolfdietrictrKrautgartner) danke ich für dieW'artung des Gerätes.

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Liferoturhinweise

Alle im Text zitierte und/oder verwendete Literaturisr ausführlich diskutiert und angeführt beiFoissner, W, Blattercr, H., Bergei. H., Kohmann. F.:

Täxonomische und ökologische Revision der Cilia'ten des Saprobiensystems - Band l: Cyrtophorida,Oligorrichlda, Hyporrichia, Colpodea. lniorma-tionsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasser-wirtschaft, 1.191, 478 Seiten (1991).

Verfasser: Prof. Dr. Vilhelm Foissner, UniversitätSalzburg, lnstitut für Zoologie, Hellbrunnerstr. 34,A-5020 Salzburg

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