Die Chymische Hochzeit Des Christian Rosenkreutz Anno 1459

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    1Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz Anno 1459 Wolfgang Peter 2007

    Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz Anno 1459Die Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459[1] erschien 1616 in Straburg beiLazare Zetzner erstmals im Druck, nachdem sie zuvor schon einige Zeit als Handschrift im Umlaufwar. Entstanden ist sie zwischen 1603 und 1605. Geschildert werden darin in Form einesalchemistischen Romans die Einweihungserlebnisse des Christian Rosenkreutz, die schlielich zurBegrndung des Rosenkreuzer-Schulungswegsgefhrt haben.

    "Inhaltlich erweist sich diese Schrift als eine aus der Intuition heraus verfate. Solches kanngeschrieben werden von dazu veranlagten Menschen, auch wenn deren eigenes Urteilsvermgenund Lebenserfahrung nicht in das hineinsprechen, was niedergeschrieben wird. Und dasNiedergeschriebene kann trotzdem die Mitteilung von einem Wirklichen sein. Die ChymischeHochzeit als Mitteilung ber eine wirklich vorhandene Geistesstrmung in dem hier angedeutetenSinne aufzufassen, das gebietet ihr Inhalt. Die Annahme, da Valentin Andreae sie aus der Intuitionheraus geschrieben hat, wirft ein Licht auf die Stellung, die er spter zu dem Rosenkreuzertumeingenommen hat. Er war als junger Mann dazu veranlagt, von dieser Geistesstrmung heraus einBild derselben zu geben, ohne da seine eigene Erkenntnisart dabei mitsprach. Diese eigeneErkenntnisart aber ist in dem spteren pietistischen Theologen Andreae zur Entwickelunggekommen. Die fr Intuitionen zugngliche Geistesart trat in seiner Seele zurck." (Lit.: GA 35, S

    381)

    Inhalt

    Erster Tag

    Die Schilderung der Chymischen Hochzeitbeginnt am ersten Tag damit, dass derachtzigjhriger Christian Rosenkreutz (*1378; 1484), der um 1459 in einerEremitage am Abhang eines Berges lebte,ber ein selbsterlebtes Abenteuer zuberichten beginnt, das er am Vorabend desOstertages - gemeint ist damit nach

    protestantischer Auffassung derGrndonnerstag - erlebt hat. Die ganzeErzhlung erstreckt sich ber siebenseelische Tagewerke und beginnt damit,dass Christian Rosenkreutz, tief in dieMeditation versenkt, pltzlich einengrausamen Wind an seine Htteheranwehen sprt, ein Zeichen dafr, dasser mit seinem Bewusstsein in die rastlosbewegte therwelt eingetreten ist[2]. Da tittpltzlich ein herrliches Weib mit Flgelnvoller Augen in blauem Kleid und gldenenSternen

    [3]und einer Posaune in der Hand

    an ihn heran und berrreicht ihm einenBrief, der ihn mit goldener Schrift aufblauem Grund zu einer kniglichenHochzeit ldt. Der Brief ist versiegelt und das Siegel trgt das Zeichen des Kreuzes und die Worte: "Inhoc signo vinces"[4]. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, abernicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich pltzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvorangekndigt worden und nach eifriger Berechnung der Planetenbahnen als richtig erschienen[1]. Dasim Brief gleich zu Beginn erwhnte Bild derdrei Tempelauf dem Berg bleibt ihm vorerst rtselhaft [5].Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzhlige anderein Ketten gelegt der Befreiung harren. Da erscheint oben in der ffnung des Turms ein altereisgrauerMannzusammen mit seiner Mutter. Auf ihr Gehei wird sieben Mal ein Seil herabgelassen, an demmanche der Gefangenen - und schlielich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz -hochgezogen werden[6].

    Heut, Heut, Heut,Ist des Knigs Hochzeit,Bistu hierzu gebohren,Von Gott zu Frewd erkohren,Magst auff den Berge gehen,Darauff drey Tempel stehen,Daselbst die Geschichtbesehen.

    Halt Wacht,Dich selbst betracht,Wirst dich nit fleissig baden,Die Hochzeit kan dir schaden.Schad hat, wer hie verzecht,Het sich, wer ist zu Leicht.

    Sponsus et Sponsa.

    Das abgebildete Zeichen wurde als die sog. Monas-HieroglyphedesJohn Dee (1527-1608), eines englischen Philosophen,Mathematikers, Astrologen und Alchemisten, bekannt. Es sind darin

    die traditionellen Zeichen der sieben Planeten zu einem Zeichenvereinigt. (Lit.: John Dee, 1564)

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    Zweiter Tag

    Am zweiten Tag, dem Karfreitag, zieht nun Christian Rosenkreutz ein weies Gewand mit einem rotenGrtel und ber der Brust gekreuzten roten Bndern an und steckt auf seinen Hut vier rote Rosen. AlsZeichen der Gastfreundschaft nimmt er noch Brot, Salz und Wasser mit und macht sich auf den Weg.Als er bald darauf in den Wald kommt, bemerkt er an einem Baum ein Tfelchen, das ihm vier Wegezum Ziel zur Wahl stellt, von denen aber nur drei brigbleiben, denn den vierten kann kein Sterblicher

    wandeln. Durch die Imagination einer schneeweien Taube, mit der er sein Brot teilt, und einesschwarzen Raben[7], der ihr das Brot wieder entreien will, wird er, indem er unbedacht dem Rabennacheilt, auf den zweiten, den langsamen, Weg mehr "geschoben", als dass er ihn bewusst ergreift[8].Nach einiger Zeit, gerade noch bei Tageslicht, erreicht er eine Pforte, ein beraus schnes,knigliches Portal, ber der er die Worte lesen kann: "Weichet weit von hier, ihr Ungeweihten."Christian Rosenkreutz tritt ein und wird von dem Torhter im himmelblauen Kleid freundlichempfangen. Er weist seinen Einladungsbrief vor und nennt zum ersten Mal seinen vollen Namen: Ichbin der Bruder von dem Roten Rosen Creutz. Nachdem er dem Torhter sein Flschchen Wasser alsGegenleistung fr die erwiesene Freundlichkeit bergeben hat, erhlt er von ihm ein goldenesZeichen, auf dem die zwei Buchstaben SC[9] zu lesen sind und auerdem ein versiegeltes Brieflein frden zweiten Hter. Lange belehrt in der Hter und ist es mittlerweile schon tiefe Nacht, als ChristianRosenkreutz seinen Weg zum Schloss fortsetzt, der zu beiden Seiten mit Mauern eingeschlossen ist,wo auch beiderseits drei Bume mit Laternen stehen, die von einer Jungfrau im blauen Kleid mit einerherrlichen Fackel entzndet werden. Schlielich gelangt er an die zweite Pforte, ber der zu lesen ist:"Gebet und euch wird gegeben werden." Davor liegt, an eine Kette gebunden, ein grausamer Lwe [10],der sich mit Gebrll aufrichtet, aber von dem dadurch erwachten zweiten Hter zurckgehalten wird.Christian Rosenkreutz bergibt ihm sein Brieflein und wird danach von dem zweiten Hter mit groerEhrfurcht behandelt. Fr sein Salz als Gegengabe empfngt Christian Rosenkreutz wieder einZeichen, das die beiden Buchstaben SM[11] trgt. Als es im Schloss zu luten beginnt, mahnt ihn derHter zur Eile und schon beginnt die Jungfrau die Laternen zu lschen. Nur mit knapper Not kannChristian Rosenkreutz die Pforte des Schlosses erreichen und sie wird so schnell zugeschlagen, dasser einen Zipfel seines Rocks, der eingeklemmt worden war, zurcklassen muss. Neben demprchtigen Portal sieht er nun zwei Sulen; auf der einen, die ein frhliches Bild trgt, liest er:"Congratulor"[12]. Auf der anderen, die ein verhlltes Gesicht zeigt, steht: "Condoleo"[13]. Jetzt erst wirdihm das rechte Gastzeichen gegeben, auf dem die Buchstaben SPN[14] stehen. Dann wird er von zweiKnaben mit leuchtenden Fackeln in kleines Gemach gefhrt. Er hrt Gerusche, sieht aber nichts, undwird von etlichen Mnner festgehalten, die ihm mitten auf dem Kopf eine Tonsur schneiden und dasabgeschnittene Haar sorgfltig auflesen und mitnehmen. Die beiden Knaben lachen dabei herzhaftber seine ngstlichkeit. Ein kleines Glcklein ruft ihn zur Versammlung in einen groen Saal, wo erviele Bekannte antrifft. Darunter sind solche, von denen er schon frher nicht sehr viel gehalten hatteund die sich auch jetzt als rechte Maulhelden erweisen, und andere, die er viel hher eingeschtzthatte und die sich auch hier als edel, zurckhaltend und bescheiden erweisen und nicht mit ihremvorgeblichen Wissen prahlten[15]. Musik ertnt und bringt schlielich alle zum Schweigen und diebeiden Knaben mit den Fackeln geleiten eine schne Jungfrau[16] in den Saal, die auf einemvergoldeten Triumphsessel sitzt, der von allein gefahren kam. Es dnkt Christian Rosenkreutz, dasssie die gleiche sei, die zuvor am Weg die Lichter angezndet und dann wieder gelscht hatte, dochtrug sie nun ein schneeweies Kleid, das golden schimmerte. Hflich und mit holdseliger Stimmeverkndet sie, dass am nchsten Tag alle Gste auf der Waage geprft werden sollten. Wer sichdafr nicht bereit fhle, mge freiwillig heimkehren, jetzt sei dazu die letzte Gelegenheit. Diebermtigeren, die meinen, ihren geistigen Wert schon richtig einschtzen zu knnen, werden inseparate Gemcher geleitet. Christian Rosenkreutz und die anderen, die das noch nicht wagen undim Saal verbleiben, werden mit Stricken jeder an einen bestimmten Ort gebunden. In dieser Nachtsieht Christan Rosenkreutz sich im Traum auf einen Berg versetzt und beobachtet viele Menschen,die durch einen Faden am Kopf mit dem Himmel verbunden sind. Manche hingen hoch, andere tief.Ein alter Mann aber flogt in den Lften umher und schnitt die Fden durch. Wenn einer der Hohen fiel,erzitterte die Erde, und nur die nahe der Erde waren, landeten sanft und fast umbemerkt.

    Dritter Tag

    Am Morgen des dritten Tages, dem Karsamstag, nachdem die bermtigeren schon aus ihrenGemchern zurckgekehrt waren, erscheint die Jungfrau wieder, in roten Samt gekleidet, mit weiemBand umgrtet und einem grnen Lorbeerkranz auf dem Haupt, begeleitet von 200 geharnischten

    Mnnern, die ebenfalls in Rot und Wei gekleidet waren. Die Stricke der noch immer Gebundenenwerden gelst mit den Worten: "Es kann euch vielleicht besser ergehen als einem der Vermessenen,die hier noch frei stehen." Dann wird mitten im Saal die Waage aus lauterem Gold aufgehngt, mit derChristian Rosenkreutz und die anderen Gste geprft werden sollen. Sieben Gewichte, ein ziemlich

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    groes, dann vier kleine einzeln nebeneinander und schlielich zwei groe auch wieder fr sich,werden auf einen mit rotem Samt bedeckten Tisch gestellt, die vielfach als die 7 Tugenden gedeutetwerden. Rudolf Steinersieht in ihnen die Sieben Freien Knste[17]. Nach Stnden geordnet werden dieGste gewogen, zuerst die Kaiser und Knige, dann die Adeligen, Herrn und Gelehrte und schlielichdie Quacksalber und Scharlatane. Wer die Prfung nicht besteht, wird gefesselt. ChristianRosenkreutz besteht die Prfung nicht als Erster, nicht als Siebenter, sondern bemerkenswerterweise

    als Achter[18]

    und er hlt nicht nur allen sieben Gewichten stand, sondern bringt sogar noch einensolchen berschu mit, dass selbst drei Mann, die auf Gehei der Jungfrau mit allen Krften an deranderen Seite der Waage ziehen, ihn nicht in die Hhe bringen, worauf einer der Knaben begeistertausruft: Der ists!. Es wird nun Christian Rosenkreutz die Wahl gegeben, einen der Gefangenen zuerlsen und er whlt den ersten Knig, der nur ganz knapp am letzten Gewicht gescheitert war undder ihn schon lngst erbarmte.

    Diejenigen, die bei der Wgung fr tugendhaft befunden wurden, drfen nun mit beraten, was mit denGefangenen zu geschehen habe. Um zwlf Uhr Mittag sollen die Urteile vollstreckt werden, dochzuvor werden alle zu einer festlichen Tafel geladen, die mit rotem Samt bedeckt und mit lautersilbernen und goldenen Trinkgefen versehen ist. Christian Rosenkreutz wird dabei ein ganzbesonders ehrenvoller Platz zugewiesen. Die bestanden haben, sind nun erwrdigt, einem vom Knigselbst gestifteten Orden anzugehren. Sie erhalten ein Goldenes Vlies mit einem geflgelten Lwendarauf, wie es auch die Jungfrau trgt, woraus Christian Rosenkreutz schliet, dass sie diePrsidentin des ganzen Ordens sei. Dann werden die Urteile verlesen und man man geht zurVollstreckung in den Garten hinaus. Der Garten ist zwar nicht besonders zierlich angelegt, doch sinddie Bume in guter Ordnung gepflanzt und ein kstlicher Brunnen fliet darin, der mit wundersamenBilder und Inschriften und seltenen Zeichen geschmckt ist. Im Garten war ein hlzernes Gerst mitvier Galerien bereinander aufgebaut. Die unterste, prchtigste Galerie ist mit weien Tchernverhangen, die zweite ist frei und die dritte und vierte ist mit roten bzw. blauen Tchern verdeckt. Dasich die Jungfrau voll tiefer Ehrfurcht verneigt, ahnt man die Gegenwart des Knigs und der Knigin.Christian Rosenkreutz und seine Begleiter werden ber eine Wendeltreppe auf die zweite Galeriegefhrt.

    Nun tritt jene Jungfrau hervor, die Christian Rosenkreutz am ersten Tag die Einladung berbrachthatte und lsst ihre Posaune erschallen zum Zeichen, dass die Urteilsvollstreckung beginnt. Einigeder nglckseligen Gescheiterten werden nun aus dem Schloss gewiesen, manche davon mit

    Schimpf und Spott, anderen wird dazu noch eine Bue auferlegt und einige erwartet sogar dasTodesurteil. Christian Rosenkreutz nennt nun auch die Zahl der Gescheiterten. 7 hatten nur bei einemGewicht bestanden, 21 hatten immerhin 2 aufgewogen, 35 drei Gewichte, ebenfalls 35 vier Gewichte,weitere 21 bestanden die Prfung bei fnf Gewichten und 7 bei sechs Gewichten, wovon der eineKnig, den Christian Rosenkreutz erlsen durfte, am siebenten Gewicht nur ganz knapp gescheitertwar. Insgesamt waren es also 126, von denen keiner dem anderen gleich war[19]. Dann gab es nochviele, die an allen Gewichten gescheitert waren und nur einige wenige Erwhlte hatten alle Prfungenbestanden.

    Nachdem die Exekutionen, die Christian Rosenkreutz die Trnen in die Augen treiben, vorber sind,leert sich der Garten schnell. Nachdem fnf Minuten lang vllige Stille geherrscht hat, kommt einschneeweies Einhorn mit einem gldenen Halsband mit etlichen Buchstaben darauf zum Brunnenund neigt sich vor dem Lwen, der unbeweglich auf dem Brunnen stand und der daraufhin das blanke

    Schwert, das er in seinen Klauen hielt in zwei Teile zerbricht, die im Brunnen versinken. Darauf brllter so lange, bis eine weie Taube mit einem lzweig im Schnabel kommt und vom Lwenverschlungen wird, worauf das Einhorn freudig abzieht.

    Die Verbliebenen werden nun im Schloss herumgefhrt, wo sie in mancherlei Rumen merkwrdigeund wundersame Dinge, Gegenstnde und Rumlichkeiten bestaunen drfen. So werden sie an dieGrabsttte der Knige gefhrt, wo Christian Rosenkreutz, wie er sagt, mehr gelernt habe, als in allenBchern geschrieben steht und wo auch der herrliche Phnix zu bewundern ist. Der Knabe, der dieGste geleitet, fhrt sie dann weiter in die frstliche Bibliothek, wird aber ganz bleich, als er von einemanderen Knaben, der gelaufen kommt, erfhrt, dass seine Majestt nicht erlaube, dass jemand dieBibliothek und die Grabsttte besichtige. ngstlich bittet er die Gste, nichts zu verraten, wenn ihnensein Leben lieb sei. Dann werden Wasserspiele, Terassen und andere Kunstfertigkeiten gezeigt, diehalbkreisfrmig um einen Turm angeordnet sind auf dem ein kostbares Uhrwerk den Lauf derPlaneten anzeigt. Schlielich kommt man in einen groen Saal, in dessen Mitte, halb versenkt in die

    Erde, ein 30 Fuss durchmessender Erdglobus steht. Der Globus ist hohl und von innen aus kann manden ganzen Sternenhimmel bewundern, was Christian Rosenkreutz so fasziniert, dass er als Letzterbei der abendlichen Tafel erscheint.

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    Abends bei der Tafel erzhlt man sich Geschichten mit durchaus auch leicht anzglich scheinendemInhalt. Als schlielich die Jungfrau nach ihrem Namen gefragt wird, antwortet sie mit einemZahlenrtsel, das allein Christian Rosenkreutz zu lsen vermag:

    Die Jungfraw lchlet meines Frwitz, lie sich doch nichts bewegen, sonder antwortet: Mein Nam heltfnff und fnfftzig, und hat doch nur acht Buchstaben, der dritte ist de fnfften drittertheil, kompt erdann zu dem sechsten, so wirt ein zahl deen Radix schon umb den ersten Buchstaben grsser wirt,

    dann der dritte selbst ist und ist de vierdten halbtheil. Nuhn seind der fnfft und siebent gleich, so istder letst dem ersten auch gleich, und machen mit dem anderen soviel als der sechste hat, der dochnuhr umb vier mehr als der dritte dreymal hatt: Nun sagt ihr mir mein Herr, wie hei Ich? Die Antwortwar mir krau gnug, noch lie ich nit nach: Sprach, Edle und Tugentsame Jungfraw, mochte ich niteinen einigen Buchstaben erlangen? Ja wol sprach sie, da ist wol zuthun, was mag dann, antwortetich wider, der Siebendt haben? Er hat, sprach sie, so viel als der Herren hie seind: Hiemit war ichContent, und fand ihren Namen leichtlich: deen sie wol zufrieden war, mit vermelden, es solte unsnoch wol mehrers unverborgen sein.

    Der Name der Jungfrau lautet ALCHIMIA. Da genau 9 Herrn anwesend sind, ergibt sich das wie folgt:

    1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

    A L C H I M I A

    1 12 3 8 9 13 9 1 = 55 + 1

    (der achte Buchstabe ist gleich dem ersten und wird in der Summe nicht mitgezhlt)

    Zuletzt werden die Gste nochmals eindringlich belehrt und drfen zu Bett gehen. ChristianRosenkreutz wird in dieser Nacht bis in die frhen Morgenstunden hin von einem Alptraum geqult, indem er an eine Tre kommt, die er lange nicht zu ffnen vermag, bis es ihm endlich doch nochgelingt.

    Vierter TagAm Morgen des vierten Tages erwacht Christan Rosenkreutz erst sehr spt, geweckt durch die lauteMusik von Blsern. Auch sein Knabe schreckt totenbleich vom Lager auf. Die Frhstckszeit ist schonvorbei und Christian Rosenkreutz eilt in den Garten, wo die anderen schon versammelt sind. DerLwe am Brunnen hlt nun eine Tafel, auf der auf Lateinisch geschrieben steht:

    HERMES PRINCEPS.POST TOT ILLATAGENERI HUMANO DAMNA,DEI CONSILIO:ARTISQUE ADMINICULO,MEDICINA SALUBRIS FACTUSHEIC FLUO.

    Bibat ex me qui potest,lavet, qui vult:turbet qui audet:BIBITE FRATRES, ET VIVITE

    Ich Hermes, der Frstnach so vielem dem menschlichenGeschlecht zugefgten Schadennach Gttlichem Ratschlussund mit Hilfe der Kunstzur heilsamen Arznei bereitet,fliee hier.

    Trinke aus mir, wer kann,wasche sich, wer will,trbe mich, wer es wagt:trinket Brder und lebet!

    Dem Spruch folgend waschen sich alle am Brunnen und nehmen aus einem goldenen Kelch einenTrunk. Dann folgen sie der Jungfrau wieder in den Saal und legen neue goldgewirkte und mit Blumenverzierte Gewnder an. Jeder erhlt ein neues Goldenes Vlies, ber und ber mit Edelsteinen besetzt,an dem ein schweres Stck Gold hngt, auf dem Sonne und Mond einander gegenberstehend

    abgebildet sind. Auf der Rckseite findet sich der Spruch: Des Mondes Schein wird sein wie derSonnen Schein und der Sonnen Schein wird siebenmal heller sein denn jetzt.

    [20] Begleitet von ihrerJungfrau und von Musikanten werden die Gste anschlieend gem ihrer Ordnung ber dieknigliche Wendeltreppe 365 Stufen hinaufgefhrt, wo sie schon von an die 60 kostbar gekleideten

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    Jungfrauen erwartet werden. Jeder erhlt einen Lorbeerkranz und die Jungfrau einen Zweig. Dannwird ein Vorhang beiseite gezogen und man sieht im Halbrund angeordnet drei knigliche Sthle, aufdenen jeweils zwei Personen saen. Auf dem ersten Stuhl sa ein alter Knig mit grauem Bart mitseiner jungen und schnen Gemahlin, auf dem dritten ein schwarzer Knig mittleren Alters mit einemfeinen alten verschleierten Mtterlein und auf dem mittleren zwei junge Menschen mit Lorbeerkrnzenund einer Krone ber ihren Huptern. Sie waren zwar nicht so schn, wie Christian Rosenkreutz sie

    sich vorgestellt hatte, doch das musste so sein. Hinter ihnen saen auf einer runden Bank groteilsalte Mnner. Auch der kleine Cupido flog munter herum. Vor der Knigin stand ein Altar mit einemschwarzsamtenen Buch, einem elfenbeinenen Leuchter, einer Sphren- oder Himmelskugel, einer Uhrmit Schlagwerk, einem kristallenen Brunnen mit blutrotem Wasser und einem Totenkopf, aus desseneiner Augenhhle eine weie Schlange kroch, sich um alle Gegenstnde schlngelte und bei deranderen wieder hineinschlpfte. Daneben waren berall wundersame Bilder, die sich bewegten, alsob sie lebten und als alle wieder ber die Wendeltreppe hinuntergefhrt werden ertnt ein sowundersamer Gesang, dass niemand sagen konnte, ob er von den Jungfrauen drinnen oder von denBildern selbst herrhrte.

    Unten gibt es nun ein Mittagsmahl, man vertreibt sich die Zeit mit schlpfrigen Gesprchen und eswird sogar die Frage diskutiert, welche der Jungfrauen sich welchen Herrn zum Schlafbuhlen fr dieseNacht erwhlen sollte. Christian Rosenkreutz wird damit aufgezogen, dass ihn wohl die edle Fhrerinder Jungfrauen selbst begleiten werde, doch soll schlielich das Los entscheiden. Die Wahl wird aberso listig ausgefhrt[21], dass am Ende alle Herrn leer ausgehen. Anschlieend wagt man ein munteresTnzchen mit den Jungfrauen. Zu Ehren seiner kniglichen Majestt wird schlielich noch einefrhliche Komdie in 7 Akten mit 5 Zwischenspielen aufgefhrt.

    Zum Abendessen werden alle wieder ber die Wendeltreppe hinauf geleitet. Die kniglichen Personentragen leuchtende, schneewie Gewnder. Nach Essen wird ein Buch gebracht und jeder mu sichdem Knig verschreiben und den Schweigetrunk nehmen. Dann lutet ein Glcklein, sechs Srgewerden gepracht. Die kniglichen Personen erbleichen und legen schwarze Gewnder an. Der ganzeSaal samt Boden und Decke wird mit schwarzem Samt verhangen. Dann schlgt ein Mohr mit einemscharfen Beil den kniglichen Paaren die Hupter ab, die sogleich in schwarze Tcher gehllt werden.Ihr Blut wird in einem Pokal gesammelt. Zuletzt wird auch der schwarze Mann enthauptet. Seinabgeschlagenes Haupt und das Beil werden in eine kleine Truhe gelegt. Alle sind erschrocken,manche weinen und sind verzagt und Christian Rosenkreutz dnkt die eine wahrlich blutigen

    Hochzeit, doch die Jungfrau besnftigt sie und spricht: Dieser Leben stehet nun in eurer Hand, undwenn ihr mir folgt, soll ein solcher Tod viel mehr lebendigmachen und schickt alle zu Bett. SchlagMitternacht bemerkt Christan Rosenkreutz, dessen Gemach nach dem groen See hinaus lag, aufdem See ein groes Feuer. Dann sieht er sieben Schiffe bers Wasser fahren, die ber und ber mitLichtern besteckt waren. ber jedem schwebt eine Flamme - der Geist des Enthaupteten. Die sechsSrge und ein Kstlein werden auf die Schiffe verladen, die Lichter bis auf je ein Licht zur Wachtgelscht, und die sechsFlammen fahren mit den Schiffen ber den See[22].

    Fnfter Tag

    Am Morgen des fnften Tages steht Christian Rosenkreutz frh auf, begierig zu erfahren, wasgeschehen sei. Doch es ist so frh, dass er noch niemand im Saal antrifft. So lsst er sich von seinemKnaben im Schloss herumfhren, um vielleicht Besonderes zu entdecken. Der Knabe fhrt ihn alsbaldetliche Stufen unter die Erde an eine eiserne Tr, auf der seltsame groe kupferne Buchstaben

    angebracht waren:

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    Hier liegt begrabenVenus

    die schne Frau, die manchenhohen Mann

    um Glck, Ehre, Segen und Wohlfahrtgebracht hat.

    Dahinter liegt ihn einem Gewlbe ohne natrlichen Licht das Grab der Venus [23]. Es war dreieckig undhatte in der Mitte einen polierten kupfernen Kessel, der von drei Tieren getragen wurde, einem Adler,einem Ochsen und einem Lwen. Alles andere war aus lauter Gold und Edelsteinen, und in demKessel stand ein Engel, der einen unbekannten Baum im Arm trugt, von dem es stetig in den Kesseltropfte. Sobald eine Frucht in den Kessel fiel, wurde sie auch zu Wasser und floss weiter in dreigoldene Nebenkesselchen.

    Eine kupferne Tr im Boden des Grabes fhrt hinunter zu Frau Venus. Der Knabe leuchtet ihm miteinem ewigen Lichtlein, das er aus einem kleinen Kstlein genommen hatte. Christian Rosenkreutzlftet den Schleier des Himmelbettes und betrachtet Frau Venus, die hier ganz blo in solcher Zierund Schnheit daliegt, dass er wie erstarrt da stand. Zu berhren wagt er sie nicht. Hinter dem Bettaber war eine Tafel auf der mit merkwrdigen Buchstaben geschrieben stand:

    Wenn die Frucht meinesBaumes wird vollends

    verschmelzen, werde ichaufwachen und eine

    Mutter sein einesKnigs.

    Das Geheimnis, wer der Vater dieses Knigs ist, wird am Ende der "Chymischen Hochzeit" nochberraschend gelftet werden: es ist Christian Rosenkreutz selbst. Beim Hinausgehen betracht er

    noch alle Trlein genauer und bemerkt, wie in jeder Ecke ein Lichtlein wie Pyrit so feurig glhte, dassdavon der Baum im Kessel dahinschmelzen musste und dennoch immer neue Frchte hervorbrachte.

    Kaum haben Christian Rosenkreutz und sein Knabe das Grab verlassen, werden sie von Cupidoentdeckt, der sehr besorgt dreinschaut, weil niemand das Grab seiner Mutter betreten drfe. Dochhatte er zum Glck nicht entdeckt, woher sie kamen. Sicherheitshalber versieht er aber die kupferneTr mit einem starken Schloss. Dann taucht er einen seiner Pfeile in ein glhendes Lichtlein und stupftdamit Christian Rosenkreutz auf die Hand.

    Inzwischen haben sich auch die anderen Gste im Saal versammelt und auch die Jungfrau erscheint,ganz in schwarzen Samt gekleidet, mit ihrem Lorbeerzweig in der Hand. Christian Rosenkreutz mussnoch rasch Cupido, der ganz und gar nicht traurig scheint, seine Hand vorweisen und dieser lachtherzlich, als er dort noch ein Trpfchen Blut bemerkt und daraufhin lautstark verkndet, dass er nunbald seine Jahre ablegen, d.h. sich verjngen werde. Die anderen Gste werden von Cupido nochkurz ermahnt, dass sie auf Christian Rosenkreutz acht geben sollten, dann geht man in den Hof, wosechs Srge aufgestellt sind und neben jedem stehen acht vermummte Mnner. Alle - auer ChristianRosenkreutz, der es besser wei - sind berzeugt, dass in den Srgen die Leichen der kniglichen

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    Personen liegen. Ein pathetischer Trauermarsch erkling und mit vielen Zeremonien werden die Srgein die Erde versenkt. Dann hlt die Jungfrau eine kurze Ansprache und nimmt allen Gsten dasVersprechen ab, mit allen Krften daran zu arbeiten, die soeben begrabenen Personen wieder zumLeben zu erwecken. Dazu msse man sich zum Olympischen Turm begeben, um von dort dienotwendige Arznei zu holen. Am Ufer des Sees liegen schon die 7 Schiffe bereit. Jedes hat nur zweiMann Besatzung und trgt ein besonderes Zeichen. Fnf haben als Zeichen je einen der

    regelmigen platonischen Krper. Das Schiff, das Christian Rosenkreutz und die Jungfrau trgt, hateinen Globus zum Zeichen. In ganz bestimmter Ordnung machen sich die Schiffe auf die Reise. Diebeiden mittleren Schiffe waren die stattlichsten und fuhren ohne Menschen und ihre Fahnen trugenSonne und Mond als Zeichen[24]. Durch einen engen Arm gelangt man auf das Meer hinaus, wo siealle Sirenen, Nymphen und Meergttinen schon erwarten und als Hochzeitsgabe eine groe, wertvollePerle berbringen. Sie bitten, dass man fr eine kurze Weile innehalten wolle, was die Jungfrau auchgewhrt und zu diesem Zweck anordnet, dass sich die beiden groen Schiffe in der Mitte halten unddie anderen ein Pentagon um sie herum bilden sollten. Dann begannen die Nymphen mit lieblicherStimme ein Loblied derLiebe zu singen[25][26].

    Nach etlichen Stunden kommt der Olympische Turm in Sicht, der inmitten einer viereckigen Inselsteht, die von einem festen Mauerwall umgeben ist. Dahinter liegt eine schne Wiese mit zahlreichenGrten. Der Turm selber sieht von auen so aus, als habe man sieben runde Trme aneinandergebaut, doch ist der mittlere etwas hher. Innwendig gehen alle ineinander ber. Der Turm hat siebenStockwerke. Nachdem, wie Christian Rosenkreutz wohl erkannt hatte, unbemerkt von den anderen dieSrge in den Turm gebracht worden waren, werden alle in das unterte Gescho gefhrt. Hier mssensie Kruter, Edelsteine und dergleichen stoen und Sfte und Essenzen daraus gewinnen und inGlser fllen. Indessen wurden unbemerkt in einem Nebenzimmer die Leichname von drei Jungfrauengewaschen.

    Abends gibt es nur Suppe und etwas Wein und als Schlafstatt wird fr jeden eine Decke auf die Erdegelegt. Da Christian Rosenkreutz nicht einschlafen kann, streift er noch durch die Grten und kommtdabei bis an den Wall. Er betrachtet den Sternenhimmel und erkennt mit groer Freude eine ganzeinzigartige Konstellation der Planeten[27]. Schlag Mitternacht sieht ersiebenFlammen ber das Meerherannahen und sich auf die Spitze des Turmes zubewegen. Sobald die Flammen sich auf der Spitze

    niedergelassen haben, beginnen die Winde das Meer aufzuwhlen und der Mond wird von Wolkenverhllt. Von Furcht erfllt eilt Christian Rosenkreutz in den Turm zurck und legt sich, eingelullt vomsanften Rauschen eines kleinen Brnnleins im Laboratorium, schlafen.

    Sechster Tag

    Am sechsten Tag soll sich alles entscheiden[28]. Innerhalb des Turmes erleben die Gste vom erstenStock an, in dem sich das Laboratorium befindet, einen stufenweisen Aufstieg, bei dem sie analchemistischen Operationen teilnehmen, die durch einen Greis und eine Frau gefhrt werden. Siemssen dabei auf sehr sonderbare Weise von Stockwerk zu Stockwerk hinaufsteigen. Es werdenihnen nmlich Leitern, Seile und Flgel gebracht, die per Los zugeteilt werden. Die mit den Flgelnkonnten schnell aufsteigen, doch die mit den Seilen waren bel dran. Christian Rosencreutz erhltglcklicherweise eine Leiter.

    Im zweiten Stock bringen zwlf Personen, die zuvor die Musikanten gewesen waren, ein lnglichesDing, das die anderen nur fr einen Brunnen halten. Doch Christian Rosenkreutz erkennt, dass es inWahrheit ein ovaler Sarg mit den sechs Leichen ist. Die zwlf Musikanten geleiten mit lieblicher Musikdie Jungfrau mit ihren Dienerinnen in den Saal und alle mssen sich in einer besonderen Ordnung um

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    den Brunnen herum aufstellen. Eine merkwrdige Prozedur mit dem Brunnen und vier Rhrenbeginnt, bei der das Wasser die Leichname vllig auflst. Das Wasser frbt sich rot und wird unterdem Brunnen in einer goldenen Kugel gesammelt, die am Ende des ganzen Prozesseshinausgebracht wird.

    Man steigt in den dritten Stock auf, der viele Fenster und zwischen je zwei Fenster eine Tr miteinem dahinter befindlichen polierten Spiegel hat, und findet die Kugel mitten im Saal an einer Kette

    hngend wieder. Von den Sonnenstrahlen wird die goldene Kugel mit Hilfe der Spiegel eine Zeit langerhitzt. Dann lsst man sie abgekhlen und geht frhstcken. Das war gerade um sieben Uhr. Danachwird die Kugel mit einem Diamanten auseinandergeschnitten und man findet darinnen nichts Rotesmehr, sondern ein schneeweies Ei, das die Jungfrau alsbald hinaustragen lsst.

    Im vierten Stock findet man einen viereckigen kupfernen Kessel mit gelbem Sand, in dem das Eiausgebrtet wird. Auf der einen Seite des Kessels fand man folgende Inschrift:

    O.BLI.TO.BIT.MI.LI.KANT.I.VOLT.BIT.TO.GOLT.

    (Ungelst. Nur Alfons Rosenberg (Stuttgart 1957) hat die Buchstaben zu lateinischen Worten ergnzt)

    Auf der zweiten Seite standen diese drei Worte:

    SANITAS. NIX. HASTA.

    (Gesundheit. Schnee. Lanze.)

    Die dritte Seite trug nur dieses Wort:

    F.I.A.T.

    (Es werde)

    Aber auf der Rckseite stand eine ganze Inschrift, die lautete:

    QUODIgnis: Aer: Aqua: Terra:

    SANCTIS REGUM ET REGINARUM NOSTR.Cineribus. Eripere non potuerunt.

    Fidelis Chymicorum TurbaIN HANC URNAMContulit.

    Ao*)

    WasFeuer, Luft, Wasser, Erde

    unserer Knig und Kniginnen heiligenAschen nicht entreien konnten,

    hat die treue Schar der Alchemisten

    in diese Urnegesammelt.

    *) = 1459, nach R. Kienast. Auch: = Paracelsus, h = Hohenheimensis, m = Medicinae, d = Doctor.

    Alsbald schlpft ein Vogel heraus, der angebunden und mit dem Blut der Enthaupteten gemstet wird.Er wchst sehr rasch und beit und kratz recht bsartig und war jetzt ganz schwarz und wild.Nachdem man ihm neue Speise, vielleicht das Blut einer anderen kniglichen Person, gebracht hat,verliert er seine schwarzen Feder und es wachsen ihm neue, die schneewei sind. Eine dritte Speiseverleiht ihm schlielich ein wunderschnes buntgefrbtes Gefieder und er war jetzt auch so zahm undzutraulich, dass er gefahrlos losgebunden werden konnte. Dann wird mit Freuden das Mittagsmahleingenommen.

    Danach bereitet man im fnften Stock dem Vogel ein Bad mit einem weiem Pulver, das wie Milch

    aussieht. Da verliert er alle Federn, wird am ganzen Krper blau, nur der Kopf bleibt wei.Im sechsten Stock wird nun ein Altar aufgestellt mit den sechs Dingen darauf, die man am viertenTag auch im kniglichen Gemach des Schlosses gesehen hatte. Der Vogel gesellte sich als siebenterdazu. Nachdem er aus dem Brnnlein einen guten Trunk genommen hatte, pickt er die weie

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    Schlange, bis sie heftig blutete. Das Blut wird in einer goldenen Schale aufgefangen und dem sichheftig strubenden Vogel in den Hals geschttet. Dann steckt man den Kopf der Schlange in dasBrnnlein, worauf sie wieder lebendig wird und rasch durch die Augenhhle in den Totenschdelhineinkriecht und lange nicht mehr gesehen wird. Indessen drehte sich die Himmelskugel immerweiter, bis die erwnschte Konjunktion eintrat. Da schlgt die Uhr eins. Eine zweite Konjunktion trittein und es schlgt zwei. Als bei der dritten Konjunktion die Uhr wieder schlgt, legt der Vogel demtig

    seinen Hals auf das Buch und lsst sich gutwillig von einem, den das Los bestimmt hat, den Kopfabschlagen. Es kommt aber kein Blut; erst als seine Brust geffnet wird, springt es so frisch und hellhervor, als wre es ein rubinrotes Brnnlein. Auf Gehei der Jungfrau wird mit dem Lichtlein am Altarein Feuer entzndet und der Leib des Vogels zu Asche verbrannt, die sorgfltig in einer Lade ausZypressenholz gesammelt wird.

    Unter dem Vorwand, dass sie faule und trge Laboranten seien, werden Christian Rosenkreutz unddrei seiner Begleiter von den anderen abgesondert und heimlich in den siebenten Stock geleitet.Tatschlich sind sie dazu berufen, das groe Werk zu vollenden. Oben empfngt sie der alte Mannbei einem kleinen fchen. Die Jungfrau bringt das Kstchen mit der Asche, leer sie in ein anderesGef und fllt das ihrige mit anderer Materie. Sie sagt, dass sie nun den anderen Knstlern einenblauen Dunst vormachen msse und eilt rasch wieder hinunter um die dort Verbliebenen mit imGrunde sinnlosen Arbeiten zu beschftigen. Oben im siebenten Stock wird nun die Asche mit zuvorprpariertem Wasser zu einem Teig verrhrt auf dem Feuer hei gemacht [29]. Dann wird die Masse inzwei Formen gegossen. Als man schlielich die winzigen Formen ffnet, liegen da zwei schne, helle,fast durchscheinende Figuren: ein Knblein und ein Mgdlein, jedes nur vier Zoll lang. Sie waren nichthart, sondern weich und aus Fleisch, wie ein Mensch, doch war kein Leben in ihnen. Man legt sie aufzwei Atlaskissen und lsst tropfenweise das Blut des Vogels in ihre Mnder fallen, worauf sie sehrschnell wachsen und endlich die Gre von erwachsenen Menschen erreichen. Sie hattengoldgelocktes Haar und waren so wunderschn, dass selbst die Venusgestalt an ihnen gemessen einNichts war. Der Alte lss sie mit Tchern bedecken und stellt rundherum Fackeln auf, die aber, wieChristian Rosenkreutz als einziger bemerkt, nur dazu da sind, damit niemand merken zu lassen, wanndie Seele in die Gestalten fhre. Auch Christian Rosenkreutz htte nichts bemerkt, wenn er nichtzuvor schon zweimal die Seelenflmmchen gesehen htte. Die Jungfrau kommt nun mit Musik undihrem ganzen Gefolge und bringt zwei prachtvolle weie Gewnder mit, die aus reinem Kristall zuseinen scheinen und doch weich und undurchsichtig sind. Das alles geschah unter dem Dach, dasaus sieben Kuppeln bestand, von denen die mittlere etwas hher war und zuoberst ein kleines, rundesLoch hatte. Nach vielen Zeremonien kommen sechs Jungfrauen herein, deren jede eine groePosaune trgt, die mit einer grnen, leicht brennbaren Materie umwunden ist. Der Alte setzt eine derPosaunen einer der Figuren so an den Mund, dass die andere ffnung genau auf das Loch in derobersten Kuppel gerichtet ist. Whrend der Blick aller anderen fest auf die Figuren gerichtet ist, blickteinzig Christian Rosenkreutz unverwandt zu der Kuppelffnung hin. Daraufhin wird, wieder zurAblenkung, das Laubwerk um die Posaune herum entzndet und ein heller Feuerstreifen fhrt, nurvon Christian Rosenkreutz bemerkt, durch das Loch in der Kuppel durch die Posaune in die lebloseFigur hinein. Dann nimmt der Alte die zweite Posaune und verfhrt mit ihr in gleicher Weise und sogeht es weiter, bis jede der beiden Figuren die ganze Prozedur dreimal durchgemacht hat. Dannwerden die beiden in ein Reisebett gelegt, wo sie hinter zugezogenen Vorhngen fr eine Weileschlafen. Die Jungfrau eilt indessen wieder hinunter zu den anderen Knstlern, die recht wohlgemutwaren, denn sie durften, wie die Jungfrau spter erzhlte, Gold herstellen, welches, wie ChristianRosenkreutz knapp bemerkt, wol auch ein stuck dieser Kunst, aber nit das frnembst, nttigst undbeste ist.

    Nach etwa einer halben Stunde stellt sich der mutwillige Cupido wieder ein und neckt die hinter demVorhang Schlafenden solange, bis sie ganz verwundert erwachten, denn sie vermeinten, dass sie vonder Stunde ihrer Enthauptung bis jetzt geschlafen htten. Sie setzen sich in zwei bereitgestellteSessel und werden ehrerbietig begrt. Da es schon auf fnf Uhr zuging, durfte man nicht sumen.Rasch wird das junge knigliche Paar hinunter zum Schiff geleitet und sie fahren so schnell davon,dass man sie bald aus den Augen verliert. Dann werden die vielen Gerte auf die anderen Schiffeverladen und man versammelt sich zum Abendessen, wo Christian Rosenkreutz und seine dreiBegleiter wieder mit den anderen Knstlern zusammentreffen. Auch der Alte nimmt an der Tafel teilund von ihm hat Christian Rosenkreutz, wie er sagt, am meisten gelernt. Nach dem Abendessen fhrtder Alte alle in seine Kunstkammer, wo man viele wundersame Dinge, die die Vernunft der Naturnachbebildet hatte, bestaunen konnte. Dann geht man schlafen. Von dem leisen Rauschen des

    Meeres in den Schlaf gewiegt, fllt Christian Rosenkreutz in einen sanften, traumlosen Schlaf, der vonelf Uhr bis morgens um acht anhielt.

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    Siebenter Tag

    Am Morgen des siebenten Tages erhalten alle gelbe Kutten und legen ihr Goldenes Vlie an und dieJungfrau verkndet ihnen, dass sie zu Rittern vom Goldenen Stein[30] geschlagen werden sollen. DerAlte aber berreicht jedem einen goldenen Stein [31], auf dessen Vorderseite zu lesen war:

    AR. NAT. MI.

    (Ars Naturae Ministra = Die Kunst ist die Dienerin der Natur)

    Auf der Rckseite stand:

    TEM. NA. F.

    (Temporis Natura Filia = Die Natur ist die Tochter der Zeit)

    Auf zwlf Schiffen kehrt man nun zum Schloss zurck. Sechs der Schiffe waren jene, mit denen mangekommen war, sechs gehrten dem Alten, der ebenfalls mitfuhr. Die Fahnen der Schiffe tragenjeweils ein Tierkreiszeichen, das des Christian Rosenkreutz fhrt unter dem Zeichen derWaage. DieSchiffe kommen schnell voran und werden schon von etwa 500 anderen Schiffen erwartet. Auf einemdavon, das ganz von Gold und Edelsteinen schimmert, sitzen Knig und Knigin und anderehochgeborene Herren, Frauen und Jungfrauen. An Land werden alle freudig empfangen und ChristianRosenkreutz und der Alte, die nun beide eine schneeweie Fahne mit rotem Kreuz tragen, drfenneben dem Knig reiten. Christian Rosenkreutz hatte sich aber auch die Zeichen auf den Hutgesteckt, die er am zweiten Tag am Tor gegen Wasser und Salz hatte einlsen knnen, was der jungeKnig alsbald bemerkt und daraufhin freudig lachend sagt, dass Christian Rosenkreutz sein Vatersei[32].

    Am Tor werden sie von dem Torhter empfangen, der dem Knig eine Bittschrift berrreicht, diediesen ziemlich erschreckt. Nach einer festlichen Tafel werden alle wie angekndigt zu Rittern desGoldenen Steins geschlagen und mssen folgendes auf das Zepter des Knigs schwren:

    I. Ihr Herren Ritter sollt schwren, da ihr euren Orden keinem Teufel oder Geist, sondern euch alleinGott, eurem Schpfer und dessen Dienerin der Natur verschreibt.

    II. Da ihr alle Hurerei, Unzucht, Unreinigkeit verabscheut und mit solchen Lastern euren Orden nichtbeschmutzt.

    III. Da ihr mit euren Gaben jedem, der es wert und bedrftig ist, helft.

    IV. Da ihr diese Ehre nicht zu weltlicher Pracht und hherem Ansehen anwendet.

    V. Da ihr nicht lnger leben werdet als es Gott haben will.[33]

    ber den letzten Punkt mssen alle herzlich lachen und er mag auch wohl nur, wie ChristianRosenkreutz bemerkt, zum Scherz hinzugefgt worden sein. Danach werden alle zu einer kleinenKapelle gefhrt, wo Christian Rosenkreutz Gott zu Ehren sein Goldenes Vlie und seinen Hutaufhngt und zum ewigen Gedchtnis dalsst. Und da auch jeder seinen Namen einntragen muss,schreibt er:

    Summa scientia nihil scire.Fr. C H R I S T I A N U S R O S E N C R E T Z,

    Eques aurei Lapidis:Anno 1459.

    Hchstes Wissen ist, nichts zu wissen.Bruder Christian Rosenkreutz

    Ritter vom Goldenen SteinAnno 1459.

    Christian Rosenkreutz spielt noch eine weitere besondere Rolle, die mit der Bittschrift desTorwchters, der ehemals ein hochgeachteter Astrologe gewesen war, zusammenhngt. Da ChristianRosenkreutz in das Mausoleum der Venus eingedrungen war und dies nun auch voll Scham bekennt,wird ihm schweren Herzens vom Knig auferlegt, im Schloss zu verbleiben und das Amt desTorwchters zu bernehmen, um so den alten Torhter von seiner Pflicht zu erlsen, die dieserwegen des gleichen Vergehens hatte annehmen mssen.

    Die Geschichte endet berraschend aber schlielich doch wieder in der Eremitage des ChristianRosenkreutz, womit deutlich wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine ueren Erlebnisse,

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    sondern um innere geistige Erfahrungen handelt. Wie es aber Christian Rosenkreutz doch nochgelungen ist, das Schloss zu verlassen, wird verschwiegen[32]. Am Ende heit es nur lapidar:

    Hie manglen ungefehr zwey quart Bletlin, und ist er (Autor huius), da er vermeinet, er muste morgensThorhter sein, heim kommen.

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    Geisteswissenschaftliche Erluterungen

    1,01,1Die Jahreszahl 1459: "Bedeutungsvoll fr ihn ist, da er sich sagen darf, diese Verfassung inseiner Menschen-Wesenheit stehe im Einklang mit den Verhltnissen im Weltall. Er hat in fleiigerNachrechnung und Kalkulation seiner annotierten Planeten gefunden, da diese Verfassung beiihm in dem Zeitpunkte eintreten darf, in dem sie nunmehr stattfindet. Wer das hier in Betracht

    Kommende im Sinne der Torheiten mancher Astrologen ansieht, der wird es miverstehen,gleichgltig ob er sich als Glubiger zustimmend oder als Aufgeklrter hohnlchelnd dazu verhlt.Der Darsteller der Chymischen Hochzeit hat aus guten Grnden dem Titel seines Buches dieJahreszahl 1459 hinzugefgt. Er war sich bewut, da die Seelenverfassung des Trgers derErlebnisse zusammenstimmen mu mit der Verfassung, bei der in einem bestimmten Zeitpunkte dasWeltwerden angelangt ist, wenn innere Seelenverfassung und uerer Weltinhalt nicht eineDisharmonie ergeben sollen. Der von der gewhnlichen Sinneswahrnehmung unabhngigen Seelemu der uere bersinnliche Weltinhalt in Harmonie begegnen, wenn durch den Zusammenklangder beiden derjenige Bewutseinszustand entstehen soll, welcher die Chymische Hochzeitausmacht. Wer glaubt, da die Konstellation der annotierten Planeten eine geheimnisvolle Kraftenthlt, welche den Erlebniszustand des Menschen bestimmt, der gliche demjenigen, welcher derMeinung wre, die Zeigerstellungen seiner Uhr htten die Kraft, ihn zu einem Ausgang zuveranlassen, den er aus seinen Lebensverhltnissen heraus zu einer bestimmten Stunde hat

    unternehmen mssen." (Lit.: GA 35, S 345)Der Sturm: "In einer Zeit gehobener Seelenstimmung, am Vorabend des Osterfestes, tritt dieseserneute Erleben ein. Der Trger der Erlebnisse fhlt sich wie von Sturm umbraust. So kndigt sich ihman, da er eine Wirklichkeit erlebt, deren Wahrnehmung nicht durch den physischen Leib vermittelt ist.Er ist aus dem Gleichgewichtszustande gegenber den Weltenkrften herausgehoben, in den derMensch durch seinen physischen Leib versetzt ist. Seine Seele lebt nicht das Leben diesesphysischen Leibes mit; sie fhlt sich nur verbunden mit dem (therischen) Bildekrfteleib, der denphysischen durchsetzt. Dieser Bildekrfteleib ist aber nicht in das Gleichgewicht der Weltenkrfteeingeschaltet, sondern in die Beweglichkeit derjenigen bersinnlichen Welt, welche der physischenzunchst steht, und die von dem Menschen zuerst wahrgenommen wird, wenn er sich die Pforten desgeistigen Schauens erffnet hat. Nur in der physischen Welt erstarren die Krfte zu festen, inGleichgewichtszustnden sich auslebenden Formen; in der geistigen Welt herrscht fortdauernde

    Beweglichkeit. Das Hingenommen-Werden von dieser Beweglichkeit kommt dem Trger derErlebnisse als die Wahrnehmung des brausenden Sturmes zum Bewutsein." (Lit.: GA 35, S 334)

    Das Weib im blauen Kleid: "Aus dem Unbestimmten dieser Wahrnehmung lst sich heraus dieOffenbarung eines Geistwesens. Diese Offenbarung geschieht durch eine bestimmt gestalteteImagination. Das Geistwesen erscheint in blauem, sternbesetztem Kleide. Man mu von derSchilderung dieses Wesens alles fernhalten, was an symbolischen Ausdeutungen dilettantischeEsoteriker gerne zur Erklrung herbeitragen. Man hat es zu tun mit einem nicht-sinnlichen Erlebnis,das der Erlebende durch ein Bild fr sich und andere zum Ausdrucke bringt. Das blaue, sternbesetzteKleid ist so wenig Sinnbild etwa fr den blauen Nachthimmel oder hnliches, wie die Vorstellung desRosenstockes im gewhnlichen Bewutsein Sinnbild fr die Abendrte ist. Beim bersinnlichenWahrnehmen ist eine viel regere, bewutere Bettigung der Seele vorhanden als beim sinnlichen. In dem Falle des Wanderers zur Chymischen Hochzeit wird diese Bettigung durch denBildekrfteleib ausgebt, wie im Falle des physischen Sehens durch den sinnlichen Leib vermittels der

    Augen. Diese Ttigkeit des Bildekrfteleibes lt sich vergleichen mit der Erregung vonausstrahlendem Licht. Solches Licht trifft auf das sich offenbarende Geistwesen. Es wird von diesemzurckgestrahlt. Der Schauende sieht also sein eigenes ausgestrahltes Licht, und hinter dessenGrenze wird er das begrenzende Wesen gewahr. Durch dieses Verhltnis des Geistwesens zu demGeisteslicht des Bildekrfteleibes tritt das Blau auf; die Sterne sind die nicht rckstrahlenden,sondern von dem Wesen aufgenommenen Teile des Geisteslichtes. Das Geistwesen hat objektiveWirklichkeit; das Bild, durch das es sich offenbart, ist eine durch das Wesen bewirkte Modifikation inder Ausstrahlung des Bildekrfteleibes. " (Lit.: GA 35, S 335)

    In diesem Zeichen wirst du siegen. "Der Trger der Erlebnisse, die in der Chymischen Hochzeitgeschildert sind, ist als Alchimist sich bewut, da er auf seinem Wege ein erstarktesUnterscheidungsvermgen fr Wahrheit und Tuschung braucht. Nach den Lebensverhltnissen, ausdenen heraus er seinen alchymistischen Pfad antritt, sucht er seine Sttze aus der christlichen

    Wahrheit zu gewinnen. Er wei: was ihn mit Christus verbindet, hat schon innerhalb seines Lebens inder Sinnen weit eine zur Wahrheit fhrende Kraft in seiner Seele zur Entfaltung gebracht, welche derSinnesgrundlage nicht bedarf, die sich also auch bewhren kann, wenn diese Sinnesgrundlage nichtda ist. Mit dieser Gesinnung steht seine Seele vor dem Wesen im blauen Kleide, das ihn auf den Weg

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    zur Chymischen Hochzeit weist. Dieses Wesen knnte zunchst ebensogut der Welt derTuschung und des Irrtums wie derjenigen der Wahrheit angehren. Der Wanderer zur ChymischenHochzeit mu unterscheiden. Aber sein Unterscheidungsvermgen wre verloren, der Irrtum mteihn berwltigen, knnte er nicht im bersinnlichen Erleben erinnern, was ihn in der sinnlichen miteiner inneren Kraft an die Wahrheit bindet. Aus der eigenen Seele steigt auf, was in dieser durchChristus geworden ist. Und so wie sein briges Licht, so strahlt der Bildekrfteleib dieses Christuslicht

    nach dem sich offenbarenden Wesen hin. Es bildet sich die rechte Imagination. Der Brief, der ihn aufden Weg zur Chymischen Hochzeit weist, enthlt das Christuszeichen und die Worte: in hoc signovinces. Der Wanderer wei: er ist durch eine Kraft, die nach der Wahrheit weist, mit demerscheinenden Wesen verbunden. Wre die Kraft, die ihn in die bersinnliche Welt gefhrt hat, einezur Tuschung neigende gewesen, so stnde er vor einer Wesenheit, die sein Erinnerungsvermgenfr den in ihm lebenden Christusimpuls gelhmt htte. Er wrde dann nur der verfhrerischen Machtgefolgt sein, welche den Menschen auch dann anzieht, wenn die bersinnliche Welt ihm Krfteentgegenfhrt, die seinem Wesen und Wollen verderblich sind. " (Lit.: GA 35, S 344f)

    Die unverstandene Imagination der drei Tempel: "In dem Briefe wird auf drei Tempel verwiesen.Was mit diesen gemeint ist, wird von dem Trger der Erlebnisse in dem Zeitpunkte noch nichtverstanden, in dem er den Hinweis erhlt. Wer in der geistigen Welt wahrnimmt, mu wissen, da ihmzuweilen Imaginationen zuteil werden, auf deren Verstndnis er zunchst verzichten mu. Er mu sieals Imaginationen hinnehmen und als solche in der Seele ausreifen lassen. Whrend dieser Reifungbringen sie im Menschen-Innern die Kraft hervor, welche das Verstndnis bewirken kann. Wollte sieder Beobachter in dem Augenblicke sich erklren, in dem sie sich ihm offenbaren, so wrde er diesesmit einer dazu noch ungeeigneten Verstandeskraft tun und Ungereimtes denken. In der geistigenErfahrung hngt vieles davon ab, da man die Geduld hat, Beobachtungen zu machen, sie zunchsteinfach hinzunehmen und mit dem Verstehen bis zu dem geeigneten Zeitpunkte zu warten. Was derWanderer zur Chymischen Hochzeit am ersten Tage seiner Geist-Erlebnisse erfhrt, bezeichnet erals ihm vor sieben Jahren angekndigt. Er durfte in dieser Zeit nicht ber sein damaliges Gesichteine verstandesmige Meinung sich bilden, sondern mute warten, bis das Gesicht in seinerSeele so lange nachgewirkt habe, da er weiteres mit Verstndnis erfahren konnte. " (Lit.: GA 35, S346f)

    Der Traum vom Turm und dem eisgrauen Mann: "Die Erscheinung des Geistwesens im blauen,sternbesetzten Kleide und die berreichung des Briefes sind Erlebnisse, welche der Wanderer zur

    Chymischen Hochzeit macht, ohne da ein eigener freier Entschlu seiner Seele dazu fhrt. Ergeht im weiteren dazu ber, durch einen solchen freien Entschlu Erlebnisse herbeizufhren. Er tritt ineinen schlafhnlichen Zustand ein; in einen solchen, der ihm Traumerfahrungen bringt, deren InhaltWirklichkeitswert besitzt. Er kann dieses, weil er nach den Erlebnissen, die er hinter sich hat, durchden Schlaf zustand in ein anderes Verhltnis zur geistigen Welt tritt, als das gewhnliche ist. DieSeele des Menschen ist im gewhnlichen Erleben whrend des Schlafzustandes nicht durch Bandean die geistige Welt geknpft, die ihr Vorstellungen mit Wirklichkeitswert geben knnen. Die Seele desWanderers zur Chymischen Hochzeit ist aber verwandelt. Sie ist innerlich so erkrftigt, da sie indie Traumerfahrung aufnehmen kann, was in ihrem Erleben Zusammenhang hat mit der geistigenWelt, in der sie sich befindet. Und sie erlebt durch eine solche Erfahrung zunchst ihr eigenes, neugewonnenes Verhltnis zu dem Sinnenleibe. Sie erlebt dieses Verhltnis durch die Imagination desTurmes, in dem der Trumende eingeschlossen ist, und aus dem er befreit wird. Sie erlebt bewut,was unbewut im gewhnlichen Dasein erlebt wird, wenn die Seele einschlafend aus dem Gebiet der

    Sinneserfahrung in dasjenige bersinnlicher Daseinsform bergeht. Die Beengungen und Nte in demTurm sind der Ausdruck fr die Sinneserlebnisse nach dem Seelen-Inneren zu, wenn dieses sich demGebiet solcher Erlebnisse entwindet. Was die Seele in der Art an den Leib bindet, da das Ergebnisdieser Bindung die Sinneserfahrung ist, dies sind die wachstumfrdernden Lebenskrfte. Unter demalleinigen Einflu dieser Krfte knnte nie Bewutsein entstehen. Das blo Lebendige bleibtunbewut. Zur Entstehung des Bewutseins fhren im Verein mit der Tuschung diejenigen Krfte,welche das Leben vernichten. Trge der Mensch nicht in sich, was ihn dem physischen Todeentgegenfhrt: er knnte zwar im physischen Leibe leben, aber in demselben nicht Bewutseinentwickeln. Fr das gewhnliche Bewutsein bleibt der Zusammenhang zwischen den tod-bringendenKrften und diesem Bewutsein verborgen. Wer wie der Trger der Erlebnisse in der ChymischenHochzeit ein Bewutsein fr die geistige Welt entwickeln soll, dem mu dieser Zusammenhang vordas Geistesauge treten. Er mu erfahren, da mit seinem Dasein der eisgraue Mann verbundenist, das Wesen, das seiner Natur nach die Kraft des Alterns in sich trgt. Das Schauen im Geistgebiet

    kann nur derjenigen Seele zuteil werden, welche, whrend sie in diesem Gebiete weilt, die Kraft aufsich wirken sieht, die im gewhnlichen Leben hinter dem Altern steht. Diese Kraft ist imstande, dieSeele dem Gebiet der Sinneserfahrung zu entreien. Der Wirklichkeitswert des Traumerlebnissesliegt darin, da der Wanderer zur Chymischen Hochzeit durch dasselbe sich bewut ist, er kann

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    nunmehr der Natur und der Menschen weit mit einer Seelenverfassung entgegentreten, die ihnschauen lt, was in beiden dem gewhnlichen Bewutsein verborgen ist. Dadurch ist er gereift frdie Erfahrungen der nchsten Tage." (Lit.: GA 35, S 347ff)

    Die drei typischen alchemistischen Farben, Wei, Rot und Schwarz, werden hier genannt, indenen sich der jeweilige Zustand des groen alchemistischen Werks ausdrckt. Die sogenannteNigredo, die Schwrzung, bezeichnet den Anfangszustand des Werkes. Um sein Werk zu beginnen,

    muss Christian Rosenkreutz zunchst dem Raben folgen. Auf die Schwrzung folgt die Weiung, dieAlbedo. Das ist ein Zwischenzustand, in dem aber schon ein inneres Licht entzndet ist und von demdie Alchemisten sagen: Wenn die Materie wei wird, hat unser Knig den Tod besiegt. Das Ziel desWerkes aber ist die Rtung, die Rubedo, die die geistige Wiedergeburt ankndigt und anzeigt, dassdie Materie nun von jeder Schlacke, allem Gift und jeglicher Unvollkommenheit befreit ist. Derrotgekleidete Knig symbolisiert das Feuer des Geistes, die Macht und die Kraft; er ist der wahreHerrscher.

    Die vier Wege: "Der Alchimist strebt nach einem Naturwissen, das fr ihn Grundlage wahrhaftigerMenschenkenntnis werden soll. Den Weg zu einem solchen Wissen mu der Wanderer zurChymischen Hochzeit suchen. Doch nicht ein solcher Weg, sondern mehrere werden ihm gezeigt.Der erste fhrt in ein Gebiet, in welchem die in der Sinneswahrnehmung gewonnenenverstandesmigen Vorstellungen des gewhnlichen Bewutseins in den Gang der bersinnlichen

    Erfahrung einwirken, so da durch das Zusammenwirken der beiden Erfahrungskreise die Einsicht indie Wirklichkeit erttet wird. Der zweite stellt in Aussicht, da der Seele die Geduld verloren gehenkann, wenn sie nach geistigen Offenbarungen sich langen Wartezeiten unterwerfen mu, um stetsausreifen zu lassen, was zunchst nur als unverstandene Offenbarung hingenommen werden darf.Der dritte fordert Menschen, welche durch ihre bereits unbewut erlangte Entwickelungsreife in kurzerZeit schauen drfen, was andere in langem Ringen erwerben mssen. Der vierte bringt denMenschen zur Begegnung mit all den Krften, die aus der bersinnlichen Welt heraus seinBewutsein umnebeln und verngstigen, wenn dieses sich der Sinneserfahrung entreien will. -Welcher Weg fr die eine oder die andere Menschenseele zu nehmen ist, das hngt ab von derVerfassung, in welche sie durch die Erfahrungen des gewhnlichen Bewutseins gebracht ist, bevorsie die geistige Wanderung antritt. Whlen im gewhnlichen Sinne kann sie nicht, denn ihre Wahlwrde aus dem sinnlichen Bewutsein hervorgehen, dem eine Entscheidung in bersinnlichen Dingennicht zusteht. Die Unmglichkeit einer solchen Wahl sieht der Wanderer nach der Chymischen

    Hochzeit ein. Er wei aber auch, da seine Seele fr ein Verhalten in einer bersinnlichen Weltgengend erstarkt ist, um zum Rechten veranlat zu werden, wenn eine solche Veranlassung aus dergeistigen Welt selbst kommt. Die Imagination seiner Befreiung aus dem Turm gibt ihm diesesWissen. Die Imagination des schwarzen Raben, welcher der weien Taube die ihr geschenkteSpeise entreit, ruft in der Seele des Wanderers ein gewisses Gefhl hervor; und dieses ausbersinnlichem, imaginativem Wahrnehmen erzeugte Gefhl fhrt auf den Weg, auf den die Wahl desgewhnlichen Bewutseins nicht htte leiten drfen." (Lit.: GA 35 S 350f)

    SC: Sanctitate Constantia; Sponsus Carus; Spes Caritas; Signum Crucis = Bestndigkeit inHeiligkeit; geliebter Brutigam; Hoffnung, Liebe; Zeichen des Kreuzes.

    Der Lwe: "Die Begegnung mit dem grausamen Lwen bei der zweiten Pforte ist ein Glied in derSelbsterkenntnis des Geistsuchers. Der Bruder vom Rosenkreuz durchlebt sie so, da sie alsImagination auf seine tieferen Gemtskrfte wirkt, da ihm aber unbekannt bleibt, was sie fr seine

    Stellung innerhalb der geistigen Welt bedeutet. Dieses ihm unbekannte Urteil fllt der Hter, dersich bei dem Lwen befindet, diesen beruhigt und zu dem Eintretenden gem dem Inhalt einesBriefes, der diesem Eintretenden auch unbekannt ist, die Worte spricht: Nun sei mir Gottwillkommen, der Mensch, den ich lngst gern gesehen htte. Der geistige Anblick des grausamenLwen ist das Ergebnis der Seelenverfassung des Bruders vom Rosenkreuz. DieseSeelenverfassung spiegelt sich in dem Bildekrfteteil der geistigen Welt und gibt die Imagination desLwen. In dieser Spiegelung ist ein Bild des eigenen Selbstes des Beschauers gegeben. Dieser ist imFelde der geistigen Wirklichkeit ein anderes Wesen als im Gebiete des sinnenflligen Daseins. Die imBereiche der Sinneswelt wirksamen Krfte formen ihn zum sinnlichen Menschenbilde. Im Umkreis desGeistigen ist er noch nicht Mensch; er ist ein Wesen, das sich imaginativ durch die Tierformausdrcken lt. Was im sinnenflligen Dasein des Menschen an Trieben, an Affekten, an Gefhls-und Willensimpulsen lebt, das ist innerhalb dieses Daseins in Fesseln gehalten durch das an denSinnesleib gebundene Vorstellungs- und Wahrnehmungsleben, die selbst ein Ergebnis der Sinneswelt

    sind. Will der Mensch aus der Sinneswelt heraustreten, so mu er sich bewut werden, was an ihmauer dieser Welt nicht mehr durch die Gaben der Sinneswelt gefesselt ist und durch neue Gaben ausder Geisteswelt auf den rechten Weg gebracht werden mu. Der Mensch mu sich schauen vor dersinnenflligen Menschwerdung. Dieses Schauen wird dem Bruder vom Rosenkreuz durch die

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    15Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz Anno 1459 Wolfgang Peter 2007

    Begegnung mit dem Lwen, dem Bilde seines eigenen Wesens vor der Menschwerdung, zuteil. - Nurum nicht Miverstndnisse hervorzurufen, mag hier angemerkt werden, da die Daseinsform, in dersich die dem Menschen zugrunde liegende Wesenheit vor der Menschwerdung auf geistige Arterblickt, nichts zu tun hat mit der Tierheit, mit welcher der landlufige Darwinismus die Menschenartdurch Abstammung verknpft denkt. Denn die Tierform des geistigen Anblickes ist eine solche, diedurch ihre Wesenheit nur der Bildekrftewelt angehren kann. Innerhalb der Sinneswelt kann sie nur

    als unterbewutes Glied der Menschennatur ein Dasein haben. - Da er mit dem Teil seinerWesenheit, der durch den Sinnesleib in Fesseln gehalten ist, noch vor der Menschwerdung steht, dasdrckt sich in der Seelenstimmung aus, in der sich der Bruder vom Rosenkreuz beim Eintritte in dasSchlo befindet. Was er zu erwarten hat, dem stellt er sich unbefangen gegenber und trbt es sichnicht durch Urteile, die noch von dem an die Sinneswelt gebundenen Verstand herstammen. SolcheTrbung mu er spter an denjenigen bemerken, die nicht mit einer rechtmigen Seelenstimmunggekommen sind. Auch sie sind an dem grausamen Lwen vorbeigekommen und haben ihngesehen, denn dies hngt nur davon ab, da sie die entsprechenden Gedankenrichtungen undEmpfindungsweisen in ihre Seele aufgenommen haben. Aber die Wirkung dieses geistigen Anblickeskonnte bei ihnen nicht stark genug sein, um sie zum Ablegen der Urteilsart zu bewegen, an die sie frdie Sinneswelt gewohnt waren. Ihre Art zu urteilen erscheint dem Geistesauge des Bruders vomRosenkreuz innerhalb der Geisteswelt als eitel Prahlerei. Sie wollen Platos Ideen sehen, DemokritsAtome zhlen, geben vor, das Unsichtbare zu sehen, whrend sie in Wahrheit nichts sehen. An

    diesen Dingen zeigt sich, da sie die inneren Seelenkrfte nicht verbinden knnen mit der Welt, diesie umfangen hat. Ihnen fehlt das Bewutsein von den wahren Anforderungen, welche die Geistweltan den Menschen stellt, der sie schauen will. Der Bruder vom Rosenkreuz kann in den folgendenTagen seine Seelenkrfte mit der geistigen Welt deswegen verbinden, weil er sich am zweiten Tageder Wahrheit gem eingesteht, das alles nicht zu sehen und nicht zu knnen, was die andernEindringlinge vor sich oder andern behaupten, zu sehen oder zu knnen. Das Erfhlen seinerOhnmacht wird ihm spter zur Macht des geistigen Erlebens. Er mu sich am Ende des zweitenTages fesseln lassen, weil er die Fesseln der seelischen Ohnmacht gegenber der Geisteswelt fhlensoll, bis diese Ohnmacht als solche so lange dem Lichte des Bewutseins ausgesetzt war, als sientig hat, um sich selbst in Macht umzuwandeln." (Lit.: GA 35, S 355ff)

    SM: Studio Merentis; Sponso Mittendus; Sal Mineralis; Sal Menstrualis = Zum Studium desWrdigen; dem Brutigam mitzubringen; Mineralsalz; Salz der Reinigung.

    Congratulor: Ich beglckwnsche dich.Condoleo: Ich leide mit dir.

    SPN: Salus per naturam; Sponsi praesentandus nuptiis - Heil durch die Natur; Der Hochzeit desBrutigams darzubringen.

    Falsche Geistessucher: "Das zweite seelische Tagewerk bringt den Geistsucher, dessenErfahrungen Johann Valentin Andreae schildert, zu Erlebnissen, durch die es sich entscheidet, ob erdie Fhigkeit des wahren geistigen Schauens erlangen kann, oder ob eine Welt geistigen Irrtumsseine Seele umfangen soll. Diese Erlebnisse kleiden sich fr sein Wahrnehmungsvermgen in dieImaginationen des Eintrittes in ein Schlo, in dem die Welt der geistigen Erfahrung verwaltet wird.Solche Imaginationen kann nicht nur der echte, sondern auch der unechte Geistsucher haben. DieSeele gelangt zu ihnen, wenn sie gewissen Gedankenrichtungen und Empfindungsweisen folgt, durch

    die sie eine Umgebung vorzustellen vermag, die ihr nicht durch sinnliche Eindrcke vermittelt ist. - Ander Art, wie Andreae die Gesellschaft unechter Geistsucher darstellt, innerhalb welcher der Brudervom roten Rosenkreuz sich am zweiten Tage noch befindet, erkennt man, da ihm das Geheimnisvom Unterschied des echten und des unechten Geistsuchers wohl bewut ist. Wer die Mglichkeithat, solche innere Zeugnisse von der geistigen Einsicht des Verfassers der Chymischen Hochzeitrichtig zu beurteilen, der wird ber den wahren Charakter dieser Schrift und ber die Absicht Andreaesnicht im Zweifel sein knnen. Sie ist ganz offenbar geschrieben, um ernst strebenden MenschenAufklrung zu geben ber das Verhltnis der sinnenflligen Welt zur geistigen und ber die Krfte,welche der Menschenseele fr das soziale und sittliche Leben aus der Erkenntnis der Geisteswelterwachsen knnen. Die unsentimentale, humoristisch-satirische Darstellungsart Andreaes sprichtnicht gegen, sondern fr die tiefernste Absicht. Nicht nur kann man innerhalb der scheinbar leichtwiegenden Szenen den Ernst wohl durchempfinden; man hat auch das Gefhl, Andreae schildert wie jemand, der das Gemt seines Lesers nicht durch Sentimentalitt gegenber den Geheimnissen der

    Geistwelt umnebeln, sondern der bei dem Leser ein seelisch freies, selbstbewut-vernnftigesVerhalten zu dieser Welt als Stimmung erzeugen will.

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    Hat sich jemand durch Gedankenverrichtungen und Empfindungsweisen in die Lage versetzt, inImaginationen eine bersinnliche Welt vorstellen zu knnen, so ist mit einer solchen Fhigkeit nochkeineswegs die Gewhr verbunden, da die Imaginationen dazu geeignet sind, ihn in ein wirklichesVerhltnis zur Geisteswelt zu bringen. Der Bruder vom Rosenkreuz sieht sich auf dem Felde desimaginativen Erlebens umgeben von zahlreichen Seelen, die zwar in Vorstellungen ber die geistigeWelt leben, die aber durch ihre innere Verfassung in eine wirkliche Berhrung mit dieser Welt nicht

    kommen knnen. Die Mglichkeit dieser wirklichen Berhrung hngt davon ab, wie der Geistsucherseine Seele gegenber der sinnenflligen Welt einstellt, bevor er an die Schwelle zur geistigen Weltherantritt. Diese Einstellung bringt in der Seele eine Verfassung hervor, die ber die Schwellegetragen wird und sich innerhalb der Geisteswelt so offenbart, da diese den Suchenden aufnimmtoder zurckweist. Die rechtmige Seelenverfassung kann nur dadurch erlangt werden, da derSuchende bereit ist, alles vor der Schwelle abzulegen, das sein Verhltnis zur Welt innerhalb dersinnenflligen Wirklichkeit bestimmt. Diejenigen Gemtsimpulse mssen fr das Verweilen in derGeisteswelt unwirksam werden, durch die der Mensch aus der ueren Lebenslage und dem uerenLebensschicksale heraus den Charakter und die Geltung - das Gewicht - seiner Persnlichkeitempfindet. Ist schon diese Notwendigkeit, durch die sich der Mensch in eine Art seelischer Kindheitversetzt fhlt, schwierig zu erfllen, so widerstrebt dem gewhnlichen Empfinden noch mehr dieandere, auch die Art des Urteilens zu unterdrcken, durch die man sich innerhalb der Sinnesweltorientiert. Man mu zu der Einsicht kommen, da diese Urteilsart an der Sinneswelt gewonnen ist,

    da sie nur innerhalb dieser Geltung haben kann, und da man bereit sein mu, die Art, wie man inder Geisteswelt zu urteilen hat, aus dieser selbst erst zu erfahren. Der Bruder vom Rosenkreuzentwickelt bei seinem Eintritte in das Schlo eine Seelenstimmung, die aus dem Gefhle von diesenNotwendigkeiten herrhrt. Er lt sich nicht zum Verbringen der ersten Nacht im Schlosse in einGemach fhren, sondern verbleibt in dem Saal, bis zu dem er durch seine Teilnahme an denVorgngen des zweiten Tages gelangt ist. Auf diese Art bewahrt er sich davor, seine Seele in einGebiet der geistigen Welt zu tragen, mit der sich die in seinem Innern wirksamen Krfte noch nichtwrdig verbinden knnen. Diejenige Seelenstimmung, die ihn davon abhlt, weiter in den Geistesorteinzudringen, als ihn der zweite Tag gebracht hat, ist in seiner Seele die Nacht hindurch wirksam undrstet ihn mit einem Wahr-nehmungs- und Willensvermgen aus, die er am folgenden Tage braucht.Solche Eindringlinge, die mit ihm gekommen sind ohne die Fhigkeit derartiger Seelenstimmung,mssen am folgenden Tage von der geistigen Welt wieder ausgestoen werden, da sie die Fruchtdieser Stimmung nicht entwickeln knnen. Ohne diese Frucht ist es ihnen unmglich, die Seele durch

    wirkliche Innenkrfte mit derjenigen Welt zu verbinden, von der sie gewissermaen nur uerlichumfangen werden." (Lit.: GA 35, S 352ff)

    Die Knaben und die Jungfrau: "Alles, was an Christian Rosenkreutz als sich offenbarendes Wissenherantritt, zu dem sein eigener Wille nicht mitwirkt, lt er durch Krfte herankommen, die in Bilderndes Weiblichen ihre Reprsentation finden. Wozu der eigene Wille des Geistsuchers sich den Wegbahnt, das wird durch Bilder von geleitenden Knaben, durch Mnnliches veranschaulicht. ImMenschen walten, gleichgltig ob er als Sinneswesen Mann oder Weib ist, das Mnnliche und dasWeibliche als polarische Gegenstze. Aus dieser Anschauung heraus charakterisiert Andreae. DasVorstellungsgeme wird zu dem Willensartigen in das rechte Verhltnis gebracht, wenn diesesVerhltnis sich in Bildern darstellt, die an den Bezug des Mnnlichen und Weiblichen in derSinneswelt erinnern. - Wieder soll, um Miverstndnissen vorzubeugen, angemerkt werden, da dieImagination des Mnnlichen und Weiblichen mit den Beziehungen von Mann und Weib in derSinnenwelt selbst nicht verwechselt werden darf; so wenig, wie die Imagination der Tierform, die sichdem schauenden Bewutsein ergibt, zu tun hat mit der tierischen Natur, auf welche der landlufigeDarwinismus die Menschheit bezieht. In der Gegenwart glaubt so mancher, durch die Sexual-Physiologie in verborgene Geheimnisse des Daseins eindringen zu knnen. Eine flchtigeBekanntschaft mit echter Geisteswissenschaft knnte ihn berzeugen, da dieses Bestreben nicht zuden Geheimnissen des Daseins hin-, sondern von ihnen weit wegfhrt. Und jedenfalls ist es Unfug,die Meinung solcher Persnlichkeiten, wie Andreae eine ist, in irgendwelche Beziehung zuVorstellungen zu bringen, die mit Sexual-Physiologie etwas zu tun haben.

    In deutlicher Art weist Andreae auf Wichtiges, das er in seine Chymische Hochzeithineingeheimnissen will, da, wo er die Jungfrau charakterisiert, welche er zu dem Geistsucher inbesonders nahe Beziehung bringt. Diese Jungfrau ist die imaginative Reprsentation einesbersinnlichen Wissens, das im Gegensatze zu den sieben freien Knsten, die auf sinnlichemFelde erworben werden, aus dem Geistgebiete geholt werden mu. Diese Jungfrau gibt in etwas

    rtselvoller Art ihren Namen, der Alchimie ist. Andreae will also sagen, da wahre Alchimie inandrer Art eine Wissenschaft ist als die aus dem gewhnlichen Bewutsein entsprungenen. Nachseiner Meinung vollzieht der Alchimist seine Verrichtungen mit sinnenflligen Stoffen und Krften nichtdeshalb, weil er die Wirkung dieser Stoffe und Krfte im Bereich der Sinnes weit kennenlernen will,

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    sondern darum, weil er durch den sinnlichen Vorgang sich ein bersinnliches offenbaren lassen will.Er will durch den sinnlichen Proze auf einen bersinnlichen hindurchschauen. Was er verrichtet, istvon der Untersuchung des gewhnlichen Naturforschers durch die Art verschieden, wie er denVorgang anschaut." (Lit.: GA 35, S 365f)

    Eine hnliche Bedeutung haben die drei Damenund die drei Knabenin MozartsZauberflte.

    Die sieben Gewichte und die Sieben Freien Knste: "Andreae will zeigen, wie die siebenWissenschaften und freien Knste, in die man im Mittelalter die innerhalb der Sinneswelt zugewinnenden Erkenntnisse gliederte, als Vorbereitung zur Geist-Erkenntnis wirken sollen. Als diesesieben Erkenntnisglieder waren gewhnlich angesehen: Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik,Geometrie, Musik und Astronomie. Aus der Schilderung in der Chymischen Hochzeit erkennt man,da Andreae sowohl den Bruder vom Rosenkreuz und seine rechtmigen Genossen wie auch dieunrechtmigen Eindringlinge ausgerstet denkt mit dem Wissen, das aus diesen Erkenntnisgliedernzu gewinnen ist. Allein der Besitz dieses Wissens ist bei den Ankmmlingen ein verschiedenartiger.Die rechtmigen, vor allen der Bruder vom Rosenkreuz, dessen Erlebnisse geschildert werden,haben sich dieses Wissen so angeeignet, da sie durch dessen Besitz in der Seele die Kraftentwickelt haben, das Unbekannte, das fr diese freien Knste noch verborgen bleiben mu, ausder Geisteswelt zu empfangen. Ihre Seele ist durch diese Knste so vorbereitet, da sie nicht nurwei, was durch sie gewut werden kann, sondem da dieses Wissen ihr das Gewicht gibt, durch das

    sie Erfahrungen in der Geistwelt machen kann. Den unrechtmigen Ankmmlingen ist das Gewichtdieser Knste nicht zum Seelengewicht geworden. Sie haben in ihrer Seele nicht dasjenige, was anwahrem Weltgehalt diese sieben freien Knste enthalten. Am dritten Tage nimmt der Bruder vomRosenkreuz an der Wgung der Seelen teil. Diese wird durch die Imagination einer Waagegeschildert, durch welche die Seelen gewogen werden, um zu finden, ob sie sich zu ihrem eigenenMenschengewicht auch noch dasjenige hinzuerworben haben, das sieben anderen Gewichtengleichkommt. Diese sieben Gewichte sind die imaginativen Reprsentanten der sieben freienKnste.

    Der Bruder vom Rosenkreuz hat in seiner Seele nicht nur den Gehalt, der den sieben Gewichtengewachsen ist, sondern auch noch einen berschu. Dieser kommt einer andern Persnlichkeitzugute, die fr sich selbst nicht gengend befunden wird, die aber durch den wahren Geistsucher vorder Ausstoung aus der Geistwelt bewahrt wird. Durch die Anfhrung dieses Vorganges zeigt

    Andreae, wie gut er mit den Geheimnissen der geistigen Welt vertraut ist. Von all den Krften derSeele, die sich schon in der Sinneswelt entwickeln, ist die Liebe die einzige, die unverwandelt bleibenkann beim bergange der Seele in die Geistwelt. Den schwcheren Menschen helfen nach der Kraft,die man selbst besitzt, das kann geschehen innerhalb der Sinneswelt, und es kann sich auch ingleicher Art vollziehen mit dem Besitze, der dem Menschen im Bereich des Geistigen wird.

    Durch die Art, wie Andreae die Vertreibung der unrechtmigen Eindringlinge aus der Geistweltschildert, ist ersichtlich, da er durch seine Schrift seinen Zeitgenossen zum Bewutsein bringen will,wie weit entfernt von dieser Geistwelt und somit von der wahren Wirklichkeit ein Mensch sein kann,der sich zwar bekannt gemacht hat mit allerlei Schilderungen des Weges nach dieser Welt, dem aberdas Bewutsein von einer wirklichen inneren Seelen-Umwandlung fremd geblieben ist. Einunbefangenes Lesen der Chymischen Hochzeit verrt als eines der Ziele ihres Verfassers, seinenZeitgenossen zu sagen, wie verderblich fr die wahre Menschheitsentwickelung diejenigen sind,

    welche in das Leben eingreifen mit Impulsen, die auf unrechtmige Art sich zu der Geistwelt inBeziehung setzen. Andreae erwartet gerade fr seine Zeit rechte soziale, sittliche und anderemenschliche Gemeinschaftsziele von einem rechtmigen Erkennen der geistigen Untergrnde desDaseins. Deshalb lt er in seiner Schilderung auf alles dasjenige ein deutliches Licht fallen, das demMenschheitsfort-schritt dadurch schdlich wird, da es solche Ziele aus einer unrechtmigenBeziehung zur Geistwelt holt." (Lit.: GA 35, S 358ff)

    Wir werden hier an die Kabiren, an die geheimnisvollen Gtter alles Werdens, erinnert, wie sieGoethe in seiner Faust-Tragdie in den Szenen der klassischen Walpurgisnacht schildert. "Sindeigentlich ihrer sieben!" erfhrt man dort, doch drei von ihnen "sind im Olymp zu erfragen", d.h. in dergeistigen Welt. Und weiter heit es dann: "Dort west auch wohl der achte, An den noch niemanddachte!"

    "Und das ist sich hoch zuverwundern, das unter allen denen, so etwas gewogen, keiner dem andern

    gleich gewesen. Dann ob schon unter den dreyen wie gesagt 35. gewesen, hat doch dieser den 1. 2.3. der ander den 3. 4. 5. der dritt den 5. 6. 7. und so fortan gewogen, da also zum hchsten wunder,unter 126 so etwas gewogen, keiner dem andern gleich gewesen: und die wolte ich alle, mit jedes

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    Gewicht wol nennen knnen, wann mir es nit noch der zeit verbotten were: Ich hoffe aber, es solleknfftig mit der interpretation an tag kommen."

    Vergleiche dazu Jes 30,26 LUT: Und des Mondes Schein wird sein wie der Sonne Schein, und derSonne Schein wird siebenmal heller sein zu der Zeit, wenn der HERR den Schaden seines Volksverbinden und seine Wunden heilen wird.

    Die Wahl der Schlafbuhlen: Nein sprach die Jungfraw, da soll noch nit sein, aber last sehen, wieuns das Glck gesellen wlle. Hierauff wurden wir von einander vertrennet: Nun erhub sich erst eindisputation, wie diese sachen anzugreiffen, es war aber di nur ein angelegtes Spiel, dann dieJungfraw thet bald den frschlag, wir sollten uns under einander in einem Ring vermischen: so woltesie an ihr anheben zu zehlen, und mute der Siebendt mit dem nachfolgenden siebenden fr gutnemen, es wer jetzt gleich ein Jungfraw oder Mann, wir versahen uns keines Lists, liessens dewegengeschehen, und da wir meineten, wir vermischten uns eben wol, waren die Jungfrawen doch soverschmitzt, das jede ihren ort schon vorhin wuste: die Jungfraw hub an zu zehlen, da traff es einJungfraw, nach ir war die siebent wider ein jungfraw, zum 3. wider ein jungfraw und di geschahe solang, bi alle jungfrawen mit unserer verwunderung herau kamen, und unser keiner getroffenworden, blieben also wir arme tropffen allein stehen, und muten noch unser darzu Spotten lassen,und bekennen, da wir ja redlich betrogen wren.

    Der Tod der Knige: "Christian Rosenkreutz schaut den Tod seiner Seelenknige, seinerErkenntniskrfte, wie sich diese aus der Metamorphose der stofflichen Krfte des Gesamtorganismusergeben, ohne da der Mensch von der Natur-Alchimie zu der Kunst-Alchimie bergeht. Diese mudarinnen bestehen, da der Mensch innerhalb des Seelischen seinen Erkenntniskrften einenCharakter verleiht, den sie durch die bloen organischen Entwickelungsvorgnge nicht haben. Was imaufsteigenden Wachstum wesenhaft ist, woran der Tod noch nicht genagt hat, das mu in denErkenntniskrften erweckt werden. Die Natur-Alchimie mu fortgesetzt werden." (Lit.: GA 35, S 375)Eine hnliche Bedeutung haben die Knige in Goethes Mrchen.

    Das Grab der Venus: "Diese Fortsetzung der Natur-Alchimie bildet das fnfte Tagewerk derChymischen Hochzeit. Der Geistsucher mu schauend eindringen in die Vorgnge, welche dieNatur bewirkt, indem sie das wachsende Leben hervorbringt. Und er mu dieses Naturschaffen in dieErkenntniskrfte einfhren, ohne da er beim bergange von den Wachstums- zu denSeelenvorgngen den Tod walten lt. Er empfngt die Erkenntniskrfte von der Natur als tote We-

    senheiten; er mu sie beleben, indem er ihnen gibt, was die Natur ihnen genommen hat, als sie mitihnen die alchimistische Umwandlung in Erkenntniskrfte vollzogen hat. Wenn er den Weg zu einemsolchen Vorhaben betritt, naht sich ihm eine Versuchung. Er mu hinuntersteigen in das Gebiet, aufdem die Natur wirkt, indem sie durch die Kraft der Liebe das Leben aus dem zaubert, das durch seinWesen nach dem Tode strebt. Er setzt sich dabei der Gefahr aus, da sein Schauen von den Triebenerfat wird, die im niederen Gebiete des Stofflichen walten. Er mu kennenlernen, wie im Stoffe, demder Tod eingeprgt ist, ein Liebe-verwandtes Element lebt, das jeder Erneuerung des Lebenszugrunde liegt. Dieser der Versuchung ausgesetzte Seelenvorgang wird von Andreae bedeutungsvollgeschildert, indem er Christian Rosenkreutz vor Venus treten und dabei Cupido sein Wesen treibenlt." (Lit.: GA 35, S 375f)

    Die Ordnung der sieben Schiffe: Da stunden obgemelte sieben Schiff alle leer da, dahin stecktenalle Jungfrawen ihre Lorberzweig, und nach dem sie uns in die sechs Schiff abgetheilet, liessen sie

    uns also im namen Gottes fahren, und sahen uns zu, so lang sie uns zu Gesicht haben kondten:darnach zogen sie mit allen Htern wider ins Schlo hinein. Unsere Schiff hat jedes ein grossenFahnen und sonderliches Zeichen. Die fnff zwar hatten die fnff Corpora Regularia. Jetlichs einbesonders, da meinig, darinnen auch die Jungfraw sa, fhret ein Globum.Wir fuhren also inbesonderer ordnung daher und hatte jetlichs nur zwen Schiffmnner. Erstlich zog vorher das Schifflina, darinnen meins bedunckens der Mohr lag, in diesem hielten sich zwlff Musicanten, die machtengut Arbeit, sein Zeichen war ein Pyramis. Darauff drey neben einander, b, c und d, darinnen wiraugetheilt wurden. Ich sa im c., im mitten fuhren die zwey schnsten und stattlichsten Schiffe e undf., darinnen fuhr kein Mensch, mit vielen Lorbeerzweigen besteckt, ihr Fahnen waren Sonnen undMond. Zu letst aber ein Schiff g. In diesem waren 40 Jungfrawen.

    Sirenengesang: "Christian Rosenkreutz soll mit seinem Geistesweg aus einer verflossenen Epochein eine anbrechende hinberweisen. Es sind die im Zeitenlauf ttigen Mchte, die ihm dazu verhelfen,da er sein Ich mit den Erkenntniskrften durchdringt, welche dem neuen Zeitabschnitt

    entsprechen. Dadurch kann er die Fahrt zu dem Turm antreten, in dem er sich an demalchimistischen Proze beteiligt, durch den die toten Erkenntniskrfte ihre Auferstehung erleben.Dadurch auch ist ihm auf dieser Fahrt die Kraft eigen, den Sirenengesang von der Liebe zu hren,

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    ohne seinen Verlockungen zu verfallen. Die geistige Urkraft der Liebe mu auf ihn wirken; von derenOffenbarungsweise auf dem sinnlichen Felde darf er sich auf seinem Wege nicht beirren lassen. ImTurm Olympi wird die Durchsetzung der toten Erkenntniskrfte mit den Impulsen vollzogen, die imgewhnlichen Menschenorganismus nur in den Wachstumsvorgngen walten." (Lit.: GA 35, S 376f)

    Das Loblied der Liebe:I.

    Nichts besser ist auff Erden,Dann die schn edel Lieb,Damit wir Gott gleich werden,da keins das ander trb.Darumb last dem Knig singen,da gantze Meer thu erklingen,Wir Fragen, Antwort ihr.II.Was hat uns bracht das Leben?Die Lieb.Was hat Gnad wider geben?Die Lieb.Waher seind wir gebohren?Au Lieb.Wie wren wir verlohren?Ohn LiebIII.Wer hat uns dann gezeget?Die Lieb.Warumb hat man uns gesuget?Au Lieb.Was seind wir den Eltern schuldig?Die Lieb.Warumb sein sie so dultig?Au Lieb.IV.Was thut di uberwinden?Die Lieb.Kan man auch Liebe finden?Durch Lieb.Wa lest man gut Werck scheinen?In Lieb.Wer kan noch zwey vereinen?Die Lieb.V.So singt nuhn alle,Mit groem Schalle,Der Lieb zu ehren,Die wll sich mehren,Bey unserm Herrn Knig und Knigin,Ihr Leib sein hier,die Seel ist hin.VI.So wir noch leben,So wirdt Gott geben,Das wir die Lieb und gro Huldschafft,Sie theilet hat mit grosser Krafft,Also wir auch durch Liebes Flamm,Mit Glck sie wider bringen zusamm.VII.Da soll di Leyd,

    In grosse Frewd,Wens noch viel tausent Junge geit,Verkert werden in Ewigkeit.

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    Planetenkonstellation : "Es wird darauf hingewiesen, wie Christian Rosenkreutz an diesemVorgang sich beteiligen darf, weil seine Seelenentwickelung im Sinne der sich wandelnden Zeitkrfteerfolgen soll. Er geht, whrend er schlafen sollte, in den Garten, schaut nach dem Sternenhimmel undsagt sich: Weil ich also gute Gelegenheit hatte, der Astronomie besser nachzudenken, befand ich,da auf gegenwrtige Nacht eine solche Konjunktion der Planeten geschehe, dergleichen nicht baldsonsten zu observieren." (Lit.: GA 35, S 377)

    Dersechste Tag: In der biblischen Schpfungsgeschichte wird bekanntlich am sechsten Tag derMensch geschaffen. Hier geht es um eine Erneuerung der Menschwerdung, bei der dieSchpfermchte durch die Krfte des vollbewussten individuellenIch wirken sollen. Auf der sechstenStufe einer Entwicklungsreihe fallen immer wichtige Entscheidungen, hier lauern aber zugleich auchgroe Gefahren, wie sie etwa durch die Symbolik der Zahl des Tieres (666) ausgedrckt werden.

    "In den Erlebnissen des sechsten Tages werden im einzelnen die Imaginationen beschrieben, welchein der Seele des Christian Rosenkreutz anschaulich machen, wie sich die toten Erkenntniskrfte, dieder Organismus auf dem gewhnlichen Wege seines Lebenslaufes ausbildet, in die bersinn-lichanschauenden umwandeln. Jede dieser Imaginationen entspricht einem Erlebnis, das die Seele inbezug auf ihre eigenen Krfte durchmacht, wenn sie erfhrt, wie dasjenige, was in ihr bisher sich nurmit dem Toten hat durchdringen knnen, fhig wird, Lebendiges erkennend in sich rege werden zulassen. Die einzelnen Bilder wrde ein anderer Geistsucher in anderer Art beschreiben als Andreae.Aber nicht auf den Inhalt der einzelnen Bilder kommt es dabei an, sondern darauf, da dieUmwandlung der Seelenkrfte im Menschen sich vollzieht, indem er den Verlauf solcher Bilder als dieSpiegelung dieser Umwandlung in einer Folge von Imaginationen vor sich hat." (Lit.: GA 35, S 377)

    Man kann in dieser Beschreibung leicht den Athanor erkennen, jenen alchemistischen Ofen also, indem der Stein der Weisen zubereitet wird.

    Die Ritter vom Goldenen Stein: "Nach der Vollfhrung des kunst-alchimistischen Vorganges wirdChristian Rosenkreutz zum Ritter des gldenen Steines ernannt. Man mte sehr ausfhrlich ineiner rein geschichtlichen Darstellung werden, wenn man aus der einschlgigen ernst zu nehmendenund der weit greren schwindelhaften Literatur den Namen gldener Stein aufzeigen und aufseinen Gebrauch hindeuten wollte. Das liegt nicht in der Absicht, die mit diesem Aufsatz verfolgt wird.Doch darf auf dasjenige hingewiesen werden, was sich aus einem Verfolgen dieser Literatur alsErgebnis ber diesen Gebrauch gewinnen lt. Diejenigen ernst zu nehmenden Persnlichkeiten, dieden Namen angewendet haben, wollten mit ihm auf etwas hindeuten, in dem die tote Steinnatur sichso anschauen lt, da man ihren Zusammenhang erkennt mit dem lebendigen Werden. Der ernst zunehmende Alchimist glaubte, da knstliche Naturvorgnge hervorgerufen werden knnen, zu denenTotes, Steinartiges verwendet wird, in denen sich aber, wenn sie recht angeschaut werden, etwas vondem erkennen lt, was vorgeht, wenn die Natur selbst das Tote in das lebendige Werden hineinwebt.Durch die Anschauung von ganz bestimmten Vorgngen am Toten wollte man die Spuren derschpferischen Naturttigkeit und damit das Wesen des in den Erscheinungen waltenden Geisteserfassen. Das Sinnbild fr das Tote, das als Offenbarung des Geistes erkannt wird, ist der gldeneStein. Wer einen Leichnam in seiner unmittelbar gegenwrtigen Wesenheit erforscht, der wirdgewahr, wie das Tote in den allgemeinen Naturproze eingeschaltet ist. Diesem allgemeinenNaturproze widerspricht aber die Gestaltung des Leichnams. Diese Gestaltung konnte nur einErgebnis des geistdurchsetzten Lebens sein. Der allgemeine Naturproze mu zerstren, was das

    geistdurchsetzte Leben gestaltet hat. Der Alchimist ist der Ansicht, da die gewhnliche menschlicheErkenntnis in der ganzen Natur etwas vor sich hat, wovon sie nur soviel erfat, als vom Menschen ineinem Leichnam ist. Eine hhere Erkenntnis soll fr die Naturerscheinungen finden, was sich zu ihnenverhlt wie das geistdurchsetzte Leben zum Leichnam. Solches Streben ist das nach dem gldenenStein. ndreae spricht von diesem Sinnbild so, da man bemerken kann, er meine, nur ein solcherknne erfassen, wie man mit dem gldenen Stein zu verfahren habe, der durch die Erlebnisse dervon ihm geschilderten sechs Tagewerke gegangen ist. Er will andeuten, da ein jeder, der von diesemSinnbild spricht, ohne zu wissen, was die Umwandlung der Erkenntniskrfte dem Wesen nach ist, nurein Trugbild im Auge haben kann. Er will in Christian Rosenkreutz eine Persnlichkeit zeichnen, die inberechtigter Art ber etwas sprechen kann, wovon viele ohne Berechtigung sprechen. Gegen dasIrrereden ber das Suchen nach der geistigen Welt will er die Wahrheit verteidigen." (Lit.: GA 35, S379ff)

    DerGoldene Stein: "Christian Rosenkreutz und seine Genossen erhalten, nachdem sie wirkliche

    Bearbeiter des gldenen Steines geworden sind, ein Denkzeichen mit den beiden Sprchen: DieKunst ist der Natur Dienerin und die Natur ist der Zeit Tochter. Im Sinne dieser Leitstze sollen sieaus ihrer Geisterkenntnis heraus wirken. Die Erlebnisse der sechs Tage lassen sich in diesen Stzenzusammenfassend charakterisieren. Die Natur enthllt dem ihre Geheimnisse, der sich in die Lage

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    versetzt, durch seine Kunst ihr Schaffen fortzusetzen. Aber diese Fortsetzung kann dem nichtgelingen, der fr seine Kunst ihr nicht zuerst den Sinn ihres Wollens abgelauscht hat, der nichterkannt hat, wie ihre Offenbarungen dadurch entstehen, da ihre unendlichenEntwickelungsmglichkeiten aus dem Schoe der Zeit in endlichen Gestaltungen geboren werden."(Lit.: GA 35, S 379)

    32,0 32,1 Die Erlsung des Torhters: "In dem Verhltnisse, in das am siebenten Tage Christian

    Rosenkreutz zum Knig gesetzt wird, ist gekennzeichnet, wie der Geistsucher nunmehr zu seinenumgewandelten Erkenntnisfhigkeiten steht. Es wird darauf verwiesen, wie er sie als Vater selbstgeboren hat. Und auch seine Beziehung zu dem ersten Pfrtner erscheint als eine solche zu einemTeile seines eigenen Selbstes, nmlich zu demjeni-gen, de