4
Kultur + Gesellschaft GESCHICHTE Die Denker von al-Anda I us Vor rund 1 OOO Jahren herrschte reger Wissenschaftsbetrieb auf der lberischen Halbinsel. Die Protagonisten waren Juden, Christen und Muslime. D as Geschenk war ganz nach dem Geschmack des Kalifen: eine kunstvoll illustrierte Handschrift mit dem Titel ,,De Materia Medica". Das Buch ,,Uber die Heilmittel" war die um- fassendste Darstellung von Arzneimitteln, ihren Wirkungen und Anwendungen, die Mitte des 10. Jahrhunderts existierte. Verfasst hatte sie gut 800 Jahre zuvor Pedanius Dioskurides, ein griechischer Arzt im Dienst des romischen Heeres und der beriihmteste Pharmakologe des Altertums. Der byzantinische Kaiser Konstantin VIII. hatte das Werk in den auBersten Wes- ten der arabischen Welt ge- schickt: nach Cordoba, ins Zentrum des Kalifars von al-Andalus, das sich zu die- ser Zeit iiber den groBten Tei! der Iberischen Halb- insel erstreckte. Das Buch ging zu Handen von Kai if al- Hakam II. (915 bis 976), Herrscher iiber al-Andalus und Forderer von Kunst und Kultur. 400 OOO Schriften soil seine Biblio- thek umfasst haben. Damit stand Cordoba, im 10. Jahrhundert die grofSte Stadt Europas, den Bibliotheken in den islamischen Bildungshochburgen Bagdad oder Kairo in nichts nach. Dass das wertvolle Geschenk auf Grie- chisch verfasst war , schreckte den Kalifen nicht. Er stellte eine Gelehrtenkommis- sion zusammen, die den Text ins Ara- bische iibersetzen sollte. Mit dabei: sein jiidischer Wesir Chasdai ibn Schaprut, studierter Mediziner, Diplomat und hoher Wiirdentrager der Staatsverwaltung. 62 bild der wissenschaft 7-2015 von Manuela Lenzen Chasdai teilte die Liebe seines Herrn zu Biichern. Wahrend al-Hakam alles Ge- schriebene orderte, was er bekommen konnte, suchte sein Wesir vor allem nach Werken for die jiidischen Gemeinden Spa- niens. Der Grund: In Rechtsfragen und zur Berechnung der Feiertage mussren die ji.idischen Gelehrten in Bagdad konsul- Buchmalerei in der Handschrift .. De Materia Medica" aus dem Jahr 512. Im Mittelalter war das antike Arzneimittelbuch sehr gefragt. tiert werden. Anders als ihre Kollegen in al-Andalus konnten sie in ihrer Bibliothek leicht auf das antike Wissen in Astrono- mie, Mathemarik und Logik zuriickgrei- fen und galten in Glaubensfragen als maB- gebliche Autoritaten. Chasdai wollte sich den Umweg sparen - und forderte wichti- ge jiidische Denker in Cordoba . Al-Andalus - dieser Name steht for ein goldenes, aber oft auch verklartes und verkitschtes Zeitalter des toleranten Mit- einanders der Religionen, eine Bliitezeit von Wissenschaft und Kultur. ,,Der Be- griff Toleranz im modernen Sinne ist hier aber fehl am Platz", sagt Sarah Stroumsa, ,,, emeritierte Professorin for Arabische :1l " Sprache und Literatur sowie jiidische g;, ;; Philosophie an der Hebraischen Universitat in Jerusalem. Sie er- E forscht die Geistesgeschichte von al-Andalus. ,,Den Begriff J Toleranz gab es nicht, und 1! for die Menschen war es <( kein Ideal, andere Anschau- <i.: "' ungen zu dulden." J 3 I Dennoch war es eme Zeit, in der Juden und Christen als eine ma! mehr, ma! weniger geschiitzte Min- s derheit in der arabischen Ge- Jl sellschaft galten - und vie! bes- ser dran waren als J uden und E Muslime im christlichen Europa. Ji Und es war eine Zeit des intensiven intellektuellen Austauschs iiber die Reli- c.. gionsgrenzen hinweg. ,,Al-Andalus war ein Mikrokosmos der Vielfalt. Hier _ sich beispielhaft das Mosaik der Religio- nen, Ideen und ihrer Interaktion, wie sie for die islamisch beherrschte Welt dieser j Zeit typisch war ", so Stroumsa. Ob Philosoph, Jurist, Mediziner oder ] . ,, Theologe, ob Jude, Christ oder Muslim - i zwar stritten und verunglimpften sich die mittelalterlichen Forscher, doch sie lasen auch die Werke der anderen, diskutierten E!

Die Denker von al-Anda I us - geschkult.fu-berlin.de · al-Andalus diskutierten Gelehrte unterschiedlicher Konfessionen leidenschaftlich miteinander. Basis der gegenseitigen Rezeption

Embed Size (px)

Citation preview

Kultur + Gesellschaft GESCHICHTE

Die Denker von al-Anda I us

Vor rund 1 OOO Jahren herrschte reger Wissenschaftsbetrieb auf der lberischen Halbinsel. Die Protagonisten waren Juden, Christen und Muslime.

D as Geschenk war ganz nach dem Geschmack des Kalifen: eine kunstvoll illustrierte Handschrift

mit dem Titel ,,De Materia Medica". Das Buch ,,Uber die Heilmittel" war die um­fassendste Darstellung von Arzneimitteln, ihren Wirkungen und Anwendungen, die Mitte des 10. Jahrhunderts existierte. Verfasst hatte sie gut 800 Jahre zuvor Pedanius Dioskurides, ein griechischer Arzt im Dienst des romischen Heeres und der beriihmteste Pharmakologe des Altertums.

Der byzantinische Kaiser Konstantin VIII. hatte das Werk in den auBersten Wes­ten der arabischen Welt ge­schickt: nach Cordoba, ins Zentrum des Kalifars von al-Andalus, das sich zu die­ser Zeit iiber den groBten Tei! der Iberischen Halb­insel erstreckte. Das Buch ging zu Handen von Kai if al­Hakam II. (915 bis 976), Herrscher iiber al-Andalus und Forderer von Kunst und Kultur. 400 OOO Schriften soil seine Biblio-thek umfasst haben. Damit stand Cordoba, im 10. Jahrhundert die grofSte Stadt Europas, den Bibliotheken in den islamischen Bildungshochburgen Bagdad oder Kairo in nichts nach.

Dass das wertvolle Geschenk auf Grie­chisch verfasst war, schreckte den Kalifen nicht. Er stellte eine Gelehrtenkommis­sion zusammen, die den Text ins Ara­bische iibersetzen sollte. Mit dabei: sein jiidischer Wesir Chasdai ibn Schaprut, studierter Mediziner, Diplomat und hoher Wiirdentrager der Staatsverwaltung.

62 bild der wissenschaft 7-2015

von Manuela Lenzen

Chasdai teilte die Liebe seines Herrn zu Biichern. Wahrend al-Hakam alles Ge­schriebene orderte, was er bekommen konnte, suchte sein Wesir vor allem nach Werken for die jiidischen Gemeinden Spa­niens. Der Grund: In Rechtsfragen und zur Berechnung der Feiertage mussren die ji.idischen Gelehrten in Bagdad konsul-

Buchmalerei in der Handschrift .. De Materia

Medica" aus dem Jahr 512. Im Mittelalter war

das antike Arzneimittelbuch sehr gefragt.

tiert werden. Anders als ihre Kollegen in al-Andalus konnten sie in ihrer Bibliothek leicht auf das antike Wissen in Astrono­mie, Mathemarik und Logik zuriickgrei­fen und galten in Glaubensfragen als maB-

gebliche Autoritaten. Chasdai wollte sich den Umweg sparen - und forderte wichti­ge jiidische Denker in Cordoba.

Al-Andalus - dieser Name steht for ein goldenes, aber oft auch verklartes und verkitschtes Zeitalter des toleranten Mit­einanders der Religionen, eine Bliitezeit von Wissenschaft und Kultur. ,,Der Be­griff Toleranz im modernen Sinne ist hier aber fehl am Platz", sagt Sarah Stroumsa, ,,, emeritierte Professorin for Arabische :1l

" Sprache und Literatur sowie jiidische g;, ;;

Philosophie an der Hebraischen ~

Universitat in Jerusalem. Sie er- ~ E

forscht die Geistesgeschichte ~

von al-Andalus. ,,Den Begriff J Toleranz gab es nicht, und 1! for die Menschen war es ~

<(

kein Ideal, andere Anschau- ~ <i.:

"' ~ ungen zu dulden."

J 3

I

Dennoch war es eme Zeit, in der Juden und Christen als eine ma! mehr,

ma! weniger geschiitzte Min- s derheit in der arabischen Ge- Jl

sellschaft galten - und vie! bes- ~

ser dran waren als J uden und ~ E

Muslime im christlichen Europa. Ji Und es war eine Zeit des intensiven ~

intellektuellen Austauschs iiber die Reli- ~ c..

gionsgrenzen hinweg. ,,Al-Andalus war ~

ein Mikrokosmos der Vielfalt. Hier zeigtec..~ _ sich beispielhaft das Mosaik der Religio- ~

nen, Ideen und ihrer Interaktion, wie sie ~ for die islamisch beherrschte Welt dieser j Zeit typisch war" , so Stroumsa. ~

Ob Philosoph, Jurist, Mediziner oder ] .,, Theologe, ob Jude, Christ oder Muslim - i zwar stritten und verunglimpften sich die . ~

mittelalterlichen Forscher, doch sie lasen ·~ auch die Werke der anderen, diskutierten E!

miteinander und lernten bei Lehrern der anderen Konfession. Das gait nicht nur in den Zentren der arabischen Welt wie Kairo und Bagdad, sondern auch an ihrem westlichen Rand, in al-Andalus .

Hungrig nach Wissen

Erst nach und nach fordern Forscher heu­te zutage, wie intensiv dieser Austausch gewesen ist. ,,Es ist unglaublich, wie vie! unerschlossenes Material es noch gibt", sagt Sabine Schmidtke, Professorin for Islamische Ideengeschichte am Institute for Advanced Study in Princeton. Sie be­tont auch die politische Dimension dieser Arbeit: ,,Heute vertreten viele - Muslime und Nicht-Muslime - aus ideologischen Grunden die Vorstellung, man miisse sich immer mehr abgrenzen. Dern gilt es ent­gegenzuhalten, wie normal der fruchtbare intellektuelle Austausch iiber Jahrhun­derte gewesen i~t. Das schafft eine andere Perspektive."

Christ, Jude, Muslim - im mittelalterlichen al-Andalus diskutierten Gelehrte unterschiedlicher

Konfessionen leidenschaftlich miteinander.

Basis der gegenseitigen Rezeption war die gemeinsame Sprache. ,,Das Arabische war nicht nur die Lingua Franca der Ge­bildeten, wie heute das Englische, es war auch die gemein.same Muttersprache von Christen, J uden und Muslimen", so Strournsa. Zahlreiche Dbersetzer sorgten dafor, class moglichst viele Texte ihren Weg ins Arabische fanden. ,,Was die Ge­lehrten von al-Andalus verband, war der Hunger nach Wissen", erklart Stroumsa. ,,Tauchte ein neues Buch auf, haben es al­le rezipiert."

Alie, das heiJSt: die zahlenmaJSig recht kleine Schicht der Gebildeten. ,,Ich kann schwer schatzen, von wie vielen Gelehrten wir zu bestimmten Zeiten in al-Andalus oder einer Stadt wie Cordoba sprechen", sagt Stroumsa, ,, vielleicht 100, vielleicht 50, vielleicht nur 20."

Diese kleine Elite las, was sie bekom­men konnte. ,,Lest alles!", soil der in Cor­doba geborene jiidische Richter, Arzt und Philosoph Mosche ben Maimon (1138 bis

1204 ), im Westen bekannt als Maimoni­des, seinen Studenten geraten haben. Und: ,,Hort auf die Wahrheit, wer immer sie ausspricht!"

Bei den Realwissenschaften - Medizin, Ackerbaumethoden, Architektur, Astro­nomie und sogar Rechtsmethodologie -spielte der religiose Hintergrund der

Kompakt:

Varn 10. bi s zum 12. Jahrhundert

erlebte das muslimische al-Andalus

einen kulturellen Aufschwung - jenseits

der religiii sen Grenzen .

Dara us entstand zwar kein e tolerante Gesell schaft, aber ein intensiver Aus­

tausch uber Philosophie und Theologie.

Trotzdem stand fiir jeden Gelehrten damals lest: .. Meine Religion ist die einzig

Richtige ."

bild der w issenschaft 7-2015 63

Kultur + Gesellschaft GESCHICHTE

Autoren ohnehin keine groRe Rolle. Auch philosophische Texte, vor allem uber die Logik, waren allseits gefragt. Warum, das erscheint ebenso logisch wie berechnend: Man brauchte sie als Waffe in Auseinan­dersetzungen mit den Andersgla u bigen.

Bei theologischen Texten sah das an­ders aus. ,,Wenn ein Jude etwa ein Werk eines muslimischen Theologen abschrieb, liefs er das Kapitel iiber den Propheten Mohammed oft weg oder formulierte ein eigenes an <lessen Stelle", erklart Schmidt­ke. Nur weil die Gelehrten dieselben Bu­cher lasen, herrschte noch lange keine

ttm'tdtittptt ltiolttttt um tr"''l_~tutl» nr.~~ti· ' ltttutttttt tta>

~

~ Einigkeit. Fiir jeden von ihnen stand ganz klar fest: ,,Meine Religion ist richtig, und

0 c eure ist falsch. " ~ ~ Doch in den abstrakten Hohen der :ii" ~ Philosophie und der rationalen Theo-~ logie spielten die Unterschiede zwischen ~ den Religionen ka um eine Rolle, denn es r ging um grundsatzliche Fragen. Zurn f Beispiel: Existiert die Welt schon ewig ~ oder wurde sie irgendwann erschaffen? j Kann der Mensch die Wahrheit erken­g nen? Fiir Ibn Ruschd (1126 bis 1198), ~ den beruhmtesten Philosophen des anda­~ lusischen Spaniens und im lateinischen ii' Mittelalter als Averroes bekannt, war die

64 bild der wissenschaft 7-2015

Welt ewig - ganz so, wie es bei Aristote­les zu lesen war. Maimonides war mit dieser Antwort nicht gliicklich. Er behalf sich mit der Idee, die Gesetze der Physik und Logik seien zwar ewig, dennoch hat­ten sie vor der Erschaffung der Welt noch nicht existiert.

Vertrauen auf die Vernunft

Im Vertrauen auf die Kraft der Vernunft waren sich die an Aristoteles orientierten Denker von al-Andalus einig: Vernunft­erkenntnis und religiose Offenbarung

sollten einander nicht widersprechen. Der Mensch sei in der Lage, das Wahre in sei­nem Denken zu erkennen.

Der muslimische Universalgelehrte Ibn Baddscha (1095 bis 1138) verscharfte diese Position: Die Funktion der Religion sei weniger die Erkenntnis von Dingen als die Aufforderung, nach Wissen zu stre­ben. Aristoteles, die grolSe Autoritat der mittelalterlichen Philosophie, hatte ge­sagt, Erkenntnis sei, wenn sich Erkanntes und Erkennender entsprechen. Also, fol­gerte Ibn Baddscha: Wer die Erkenntnis des Ewigen erringt, wird selbst ewig - und erlangt Unsterblichkeit.

Auch Averroes war der Ansicht, <lass sich Offenbarung und Vernunft nicht wi­dersprechen. Sein jiidischer Zeitgenosse Maimonides fasste es einmal so zusam­men: Die Andalusier unter den judischen Denkern haben sich alle der Philosophie verschrieben - solange ihre Thesen nicht den religiosen Gesetzen widersprechen. Denn auch ihm wares ein Anliegen, reli­giose Wahrheit, Vernunft und Aristoteles unter einen Hut zu bringen. In seinem ,,Fuhrer der Unschlussigen" wollte er zei­gen, <lass in den Lehrsatzen der Religio­nen die Philosophie schon enthalten sei.

Multikulti in al-Andalus: links eine

lateinische Bibel. oben eine Abschrift

aus einem Werk des muslimischen

Denkers Averroes (1126 bis 1198) und

rechts eine Seite aus dem .. Fuhrer der Unschliissigen" von Maimonides

(1138 bis 1204). Der jiidische Gelehr­te erlautert darin, wie der Glaube an

Gott mit philosophischer Erkenntnis­

lehre vereinbar ist.

,,Philosophie", das war for ihn die grie­chische, arabisch kommentierte Philoso­phie - und eben auch die des Averroes, un­abhiingig davon, class er selbst Jude und Averroes Muslim war.

Ob beide sich je getroffen haben, ist nicht i.iberliefert. Sicher ist nur, class Mai­monides Texte von Averroes gelesen hat. Doch in vielen Punkten hatten die beiden mit ihren Glaubensbri.idern, die anderen Denkschulen angehorten, mehr Probleme gehabt a!s miteinander. ,,Uber die Einheit Gottes dachten beide so ziemlich dassel­be", meint Stroumsa, etwa in ihrer str ik-

ten Ablehnung der menschlichen Gestalt von Gott, <lessen Eigenschaften sich nicht von denen des Menschen ableiten lieBen.

Doch das produktive Nebeneinander der Religionen in al-Andalus war nicht von !anger Dauer. Mit der Eroberung <lurch die Almohaden verschlechterte sich die Lage for Nicht-Muslime. Maimonides musste Cordoba schon als ] unge 1148 verlassen. Bis 1165 lebte er in Fes, im Herrschaftsbereich der Almohaden in Nordafrika - unbemerkt, da sich die

~ Familie als muslimisch ausgab. 1165 ver­f lieB Maimonides die Region und zog nach .W Agypten. Dennoch trug er Zeit Lebens

den Beinamen ,,ha-Sefaradi" - ,,der aus Sefarad stammt", die ji.idische Bezeich­nung for al-Andalus.

Jeder dart anders sein

Den komplexen intellekruellen Austausch in al-Andalus zu erforschen, bringt Wis­senschafder im heutigen spezialisierten Universitatsbetrieb an ihre Grenzen: ,,Man muss schnell publizieren und sich dazu noch spezialisieren - entweder ist man Spezialist for islamische Belange oder for christliche oder ji.idische Stu-

dien ", beklagt Stroumsa. Entsprechend erziihlen die Forscher meist drei Geschich­ten der Denker von al-Andalus: eine chrisdiche, eine muslimische und eine ji.idische - statt eine einzige, andalusische. ,,Die gegenseitige Rezeption ging in alle Richtungen. Da hat es keinen Sinn, wenn wir uns nur auf eine Religionsgrup­pe konzentrieren", konstatiert Schmidt­ke. Die aktuelle politische Situation macht das Unterfangen nicht leichter: Sarah Stroumsa kann ihre arabischen Kollegen oft nur in Europa oder den USA treffen, nicht aber in Jerusalem oder gar in Aleppo.

Und wie im Mittelalter arbeiten nur einige wenige an einschlagigen Projekten zusammen. Etwa in dem einjahrigen MA-Programm ,,Intellectual Encounters of the Islamicate World" an der Freien Universitat Berlin. Hier studieren junge Menschen aus a ller Welt gemeinsam die Ideengeschichte der arabischsprachigen Welt des Mittelalters. Und die Erfahrun­gen sind durchweg gut. ,,Zu sehen, wie diese jungen Menschen zusammenarbei­ten, ist eine groBe Freude angesichts der Reibereien der Gegenwart", sagt Sarah Stroumsa. ,,Wenn ich sehe, was in al­Andalus moglich war, setze ich groBe H offnung darauf, was Einzelne bewir­ken konnen."

Dass die mittelalterlichen Denker sich austauschen konnten, auch ohne sich zu einigen, daraus !asst sich etwas for heute lernen: ,, Grenzen zwischen Religionen zu verwischen bedeutet immer einen Identi­tiitsverlust for den Einzelnen", sagt Sabi­ne Schmidtke. Denn gerade unterschied­liche Ansichten machen eine Diskussion oder Debatte ergiebig und produktiv. Schmidtkes Pliidoyer: ,,Jeder darf anders sein, solange dies nicht in Gewalt um­

schliigt." •

MANUELA LENZEN kampft seit Jahren damit. Arabisch zu lernen, um alte Texte im Original lesen zu kbnnen.

Mehr zum Thema

INTERNET

Zurn MA-Programm .. Intel lectual Encounters of the lslamicate World" der Freien Universitat Berlin: www.ihiw.de/master

.. Rationale Theologie" van Sabine Schmidtke: www.academia.edu/1882589/ _prepubl._ Rationale_ Theologie

LES EN

Sarah Stroumsa Maimonides in his World: Portrait of a Mediterranean Thinker Princeton University Press. Princeton 2011. € 21,95

Sarah Stroumsa Thinkers of ,This Peninsula': An Integrative Approach to the Study of Philosophy in al-Andalus in: David M. Friedenreich, Miriam Goldstein (Hg.). Beyond Religious Borders: Interaction and Intel­lectual Exchange in the Medieval Islamic World University of Pennsylvania Press, 2012, S. 44-53

bild der wissenschaft 7-2015 65