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232 | © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 232 – 248 Ob süß oder sauer, ob knallrot oder giftgrün – sie ist immer dabei: Die E-Klasse K LAUS ROTH | E RICH L ÜCK Warum mischt man in fast alle industriell hergestellten Nahrungsmittel aus dem Supermarkt so viele Zusatz- stoffe hinein, dass einem schon beim Lesen der Verpackungsrückseite Angst und Bange wird? Was verbirgt sich hinter diesen E-Nummern und was davon ist für den Verbraucher wirklich notwendig? DOI: 10.1002/ciuz.200900505

Die E-Klasse. Ob süß oder sauer, ob knallrot oder giftgrün – sie ist immer dabei

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Ob süß oder sauer, ob knallrot oder giftgrün –sie ist immer dabei:

Die E-KlasseKLAUS ROTH | ERICH LÜCK

Warum mischt man in fast alle industriell hergestellten Nahrungsmittel aus dem Supermarkt so viele Zusatz-stoffe hinein, dass einem schon beim Lesen der Verpackungsrückseite Angst und Bange wird? Was verbirgt sichhinter diesen E-Nummern und was davon ist für den Verbraucher wirklich notwendig?

DOI: 10.1002/ciuz.200900505

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L E B E N S M I T T E L Z U S A T Z S T O F F E | K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …

Lebensmittelzusatzstoffe tragen erheblich zum negativenAnsehen der Lebensmittelindustrie und der Chemie ins-

gesamt bei. Verwundern kann das kaum, denn die Zugabevon Stoffen aus der ominösen E-Klasse erscheint dem Ver-braucher völlig unnötig, schließlich kippt man am heimi-schen Herd auch kein E 260 ins Essen [1]. Durch zahllosenegative Medienberichte verunsichert, glauben tatsächlichviele Verbraucher, sie werden durch die Produkte der mo-dernen Lebensmittelindustrie systematisch vergiftet. Aberauch Menschen mit Chemiekenntnissen fragen sich, was E 250, E 300, E 301, E 330 und E 450 in einer 100g-Packung„Paprika-Lyoner“ machen und warum der Hersteller oben-drein noch Allergene wie Nüsse, Senf und Sellerie in denWurstteig eingeknetet hat. Da der Unwissenheit immer Un-sicherheit und Angst folgen, wollen wir die Lebensmittel-zusatzstoffe einmal vorurteilsfrei unter die Lupe nehmen,um in Zukunft unaufgeregter, kompetenter, aber auch kri-tischer deren Für und Wider abwägen zu können.

Die E-Klasse aus Brüsseler Sicht Die Grundidee war und ist vernünftig: Die EuropäischeKommission brachte 1985 zum Schutz der Verbraucher ei-ne gesetzliche Harmonisierung der in den Mitgliedsstaatenzugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe auf den Weg. Diesewurden 1994/95 durch Richtlinien über „Süßstoffe“, „Farb-stoffe“ und „Verschiedene weitere Zusatzstoffe“ konkreti-siert, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht um-gesetzt worden sind. Wie das schon früher üblich war, le-gen diese Zulassungen fest, welcher Zusatzstoff in welcherHöchstmenge für welches Lebensmittel u. U. unter wel-chen speziellen Bedingungen erlaubt ist. Für die wissen-schaftliche Bewertung der Zusatzstoffe ist die EuropäischeBehörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA, European FoodSafety Authority) mit Sitz in Parma zuständig. Nach Anhö-rung externer Experten über den aktuellen Wissensstandkann die Zulassung eines Zusatzstoffes empfohlen werden,dabei aber auf bestimmte Lebensmittel beschränkt werden.

Im Zulassungsverfahren spielt die Bestimmung des ADI-Wert (Accepted Daily Intake) des betreffenden Zusatzstof-fes eine zentrale Rolle, denn der gibt an, bei welcher täg-lich und lebenslang aufgenommenen Menge eines Zusatz-stoffes keine körperliche Schädigung zu erwarten ist. Die-ser Wert wird zunächst durch Tierversuche (meist an Na-gern) bestimmt, indem diejenige Dosis festgestellt wird, beider die Versuchstiere auch nach lebenslanger Aufnahmekeine Schäden davontrugen, der sogenannte NOEL-Wert(no effective level). Zur Umrechnung des NOEL-Wertes vonNagern auf den ADI-Wert am Menschen hat man einen Si-cherheitsfaktor von 1/100 festgelegt. Es gilt somit:

ADI = NOEL/100

Der große Sicherheitsfaktor deckt die Unsicherheitenund Bewertungsrisiken ab, die in der Übertragung von Tier-versuchen auf den Menschen liegen und berücksichtigtauch das besondere Stoffwechselverhalten von Kranken,Kindern und alten Menschen.

Eine detaillierte Untersuchung am Beispiel der Konser-vierungsstoffe hat ergeben, dass bei normaler Ernährungdie Tagesaufnahme eines Durchschnittsverbrauchers in derGrößenordnung von 0,2–5 % des ADI-Wertes liegt; dann istnoch der Sicherheitsfaktor von 1/100 zusätzlich einzukal-kulieren [2].

Bei einem großen Teil der Zusatzstoffe wurde kein ADI-Wert festgelegt, da alle verfügbaren Daten zeigten, dassselbst bei unvernünftiger Ernährung keine gesundheitlichenGefahren zu erwarten sind. In diesen Fällen wird an Stelledes ADI-Wertes die Angabe q.s. (quantum santis = ausrei-chende Menge) gemacht, d.h. die Hersteller eines Nah-rungsmittels dürfen „so viel wie nötig“ zugeben, aber ent-sprechend ihrer Verpflichtung zur „Good ManufacturingPractice“ auch nur „so wenig wie möglich“.

Zusatzstoffe werden von unserem Körper auf dreierleiWegen ausgeschieden: – Abbau über den normalen Stoffwechsel zu CO2 und

Wasser, z.B. Essig- oder Sorbinsäure,– unveränderte Ausscheidung über die Nieren, z.B. viele

Süßstoffe und– Ausscheidung über die Nieren und den Darm in che-

misch veränderter Form, z.B. Benzoesäure. Nur Borsäure und Borax (E 284 und E 285) sind Ausnah-men, sie reichern sich bei regelmäßiger Zufuhr im Körperan. Deshalb sind beide nicht allgemein, sondern aus-schließlich zur traditionellen Konservierung von echtemKaviar zugelassen, der nur gelegentlich und dann in kleinenMengen verzehrt wird. Nicht immer: Früher waren die größ-ten Verbraucher von echtem Kaviar die Fluggesellschaften,die ihren Passagieren in der ersten Klasse diesen lukulli-schen Luxus bieten wollten. Ein vornehmlich auf Langstre-cken tätiger Flugkapitän ließ sich regelmäßig den von denFirst-Class-Passagieren übrig gelassenen Kaviar servieren.Diese ungewöhnliche, einseitige Ernährung führte bei ihmzu einer Borsäureanreicherung mit den entsprechendenVergiftungserscheinungen. Es darf eben nicht immer Kavi-ar sein.

Ausgehend von den ADI-Werten und den europäischenEssgewohnheiten werden Höchstmengen für jeden Zusatz-stoff in jedem Lebensmittelprodukt vorgeschrieben. DieseHöchstwerte sind immer so gewählt, dass Verbraucherselbst bei einseitiger Ernährung den ADI-Wert nicht über-schreiten.

All diese zum Schutze des Verbrauchers regulierten Wer-te sind in einem Bündel von Verordnungen festgelegt [3],die im gesamten Bereich der Europäischen Union gelten.Für Nichtjuristen eine schwerverdauliche Kost, aber die Ge-setzgebung auf europäischer Ebene ist eben ein verwirrendkomplexer und zeitaufwendiger Prozess, bei dem die Ein-stimmigkeit erst mühsam errungen werden muss. So enthältder umfassende Text über Säuglings- und Kleinkindernah-rungsmittel nicht nur das generelle Verbot von Süß- undFarbstoffen in Kindernahrung, sondern legt die verschie-denen Höchstmengen der nur wenigen zugelassenen Zu-satzstoffe in Babybreien, Keksen und Puddingen von der

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Säuglingsanfangsnahrung, Säuglingsfolgenahrung über dieGetreidebeikost für Kleinkinder bis zur Nahrung für be-sondere medizinische Zwecke (Sondennahrung) fest. Auchfür Nichtjuristen ein in Hinblick auf Umfang, Detailreichtumund Sorgfalt beeindruckender Text.

Die EFSA überprüft und korrigiert gegebenenfalls be-reits getroffene Entscheidungen, wenn neue wissenschaft-liche Erkenntnisse auftauchen. In den letzten fünf Jahrenwurden z.B. dem Farbstoff E 128 und den Konservierungs-stoffen E 216 und E 217 wegen einer nicht mehr völlig ge-sicherten gesundheitlichen Unbedenklichkeit die Zulas-sungen entzogen.

Die E-Klasse aus Sicht des Verbrauchers Alle in verarbeiteten Lebensmitteln verwendeten Zusatz-stoffe müssen auf der Verpackung angegeben werden. Ent-weder der Name des Zusatzstoffes oder die ihm zugeord-

nete E-Nummer (E steht für Europa). So kann ein europäi-scher Verbraucher auf den ersten Blick und über alle Sprach-grenzen hinweg die Zusatzstoffe leicht identifizieren.

Ein erster Blick schockiert, denn es sind in der Euro-päischen Union über 300 Lebensmittelzusatzstoffe zugelas-sen (Tabelle unter www.chiuz.de, als Zusatzmaterial beimAufsatz abgelegt). Mancher Verbraucher wird bei der schie-ren Menge das Gefühl nicht loswerden, dass er im Super-markt systematisch vergiftet wird. Diesem Irrglauben mussentschieden entgegengetreten werden. Vor allem mussdeutlich gemacht werden, dass Zusatzstoffe in allen nichtverarbeiteten Lebensmitteln, also z.B. frischem Obst undGemüse, rohem Fleisch, Kaffee, Tee, Mineralwasser, Pflan-zenölen, Honig, Milch, etc. gänzlich verboten sind [4]. Auchviele verarbeitete Lebensmittel enthalten keine Zusatzstof-fe, allerdings muss dem Verbraucher klar sein, dass vieleLebensmittel ohne Zusatzstoffe nicht denkbar wären, z.B.

A B B . 1 | E 1 2 0 , E I N „ L AU S I G E R “ L E B E N S M I T T E L FA R B S TO F F

a) Cochenille ist der einzige zugelassene Lebensmittelfarbstofftierischer Herkunft [37]. Er wird aus den getrockneten Weibchender amerikanischen Cochenille-Laus (Dactylopius coccus) gewon-nen, wobei der Farbstoffgehalt der getrockneten Läuse 10-14 %beträgt. [Foto: F. Vincentz, wikimedia commons]

b) Die nur wenige Millimeter große und ursprünglich in Mittel-und Südamerika beheimatete Laus setzt sich nach dem Larven-stadium auf Opuntien fest (z.B. Opuntia coccinellifera), verbleibtdort für den Rest ihres Lebens und ernährt sich ausschließlichvom Pflanzensaft. Kommerzielle Hauptlieferanten sindheute Peru und die Kanaren, wo die Cochenille-Läuse vonihren wild oder auf Plantagen wachsenden Wirtspflanzenabgeerntet werden, wobei 150.000 Läuse auf ein Kilo-gramm kommen. [Foto: Frank Vincentz, wikimedia commons]

c) Die in der amerikanischen Cochenille-Laus enthaltenenFarbstoffe leiten sich vom Anthrachinon ab, mit Karmin-säure als Hauptkomponente (94–98 %) sowie Kermes- undLaccainsäure D als Nebenbestandteile [38].

d) Cochenille verlieh früher dem Campari ®

seine attraktive tiefrote Farbe. Heiko Fabianvon Campari-Deutschland lobte noch vor we-nigen Jahren die Qualität des Farbstoffs inden Himmel: “Ein reines Naturprodukt, völliggeschmacksneutral und von äußerst hoherFarbintensität“ [39]. Aber die Zeiten habensich geändert, seit 2006 wird der Campari ®

mit einer Mischung aus Tartrazin (E 102),Azorubin (E 122) und Brillantblau FCF (E 133)tiefrot gefärbt. Da Farbstoffe in Spirituosennicht im Einzelnen angegeben werden müs-sen, sondern nur mit dem Hinweis „mit Farb-stoff“, verschwand der „lausige“ Farbstofffür uns völlig unbemerkt aus dem Campari ®.Schade drum! [Foto: Campari Werbung von1921, www.campari.com]

O

O

COOH

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CH3 O

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CH3

Karminsäure Kermessäure Laccainsäure D

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COOH

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HO

CH3

Der scharlachrote Lebensmittelfarbstoff Cochenille (echtes Karmin, E 120) darf in der Europäischen Union in folgenden Lebensmitteln verwendet werden:

Rote Obstkonserven 200 mg/kgRot geäderter Käse 125 mg/kgMit Fruchtgeschmack aromatisierte Cerealien 200 mg/kg Konfitüren, Gelees, Marmeladen 100 mg/kgEnglische breakfast sausages 100 mg/kgChorizo-Wurst 200 mg/kg

a) b)

c)

d)

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Margarine, Eiscreme, viele Süßwaren und Getränke. Undschließlich: Es besteht in Europa kein Zusatzstoff-Verzehr-zwang!

Bei einigen der Zusatzstoffe kommen Zweifel auf, obhinter deren Zulassung naturwissenschaftlicher Sachver-stand steckte. Man muss aber schon genauer hinsehen: – Eine Mischung aus E 941, E 948 und etwas E 290 klingt

zwar gefährlich, in Wirklichkeit ist es nur „heiße Luft“aus Sauerstoff, Stickstoff und ein bisschen Kohlendi-oxid. Aus juristischer Sicht ist Luft aber tatsächlich einLebensmittelzusatzstoff, da Getreide und Mehl mit Hil-fe von Druckluft gefördert werden und so in engstemKontakt mit einer Zutat kommt [5].

– Argon (E 938), Helium (E 939) und Stickstoff (E 941)werden als Schutzgase verwendet und müssen daherals Zusatzstoffe zugelassen werden. Das Gleiche gilt fürSilber (E 174) und Gold (E 175), die in geringsten Men-gen zum Färben von Süßwaren und Getränken (Danzi-ger Goldwasser) dienen. Antoine de Rivarol, der fran-zösische Satiriker des späten 18. Jahrhunderts, könnteheute eine seiner scharfzüngigen Pointen sogar nochprägnanter formulieren: „Reden ist E 174 und Schwei-gen ist E 175“.

Für den Verbraucher sind solche Fachsimpeleien uninte-ressant; wichtig ist allein die Frage, ob und welche der Zu-satzstoffe für ihn schädlich sein könnten. Da die Liste ausrein chemischer Sicht ein buntes Sammelsurium von Stof-fen darstellt – vom Edelgas bis zum Polymeren, von ge-mahlenen Mineralien bis zu Enzymen und von Extrakten ausObst bis Insekten – muss die Frage nach der Unbedenk-lichkeit jedes der über 300 Zusatzstoffe einzeln beantwor-tet werden. Eine Aufgabe, die den Rahmen dieses Artikelssprengen würde, darum sei auf weiterführende Literaturverwiesen [6]. Hier können nur an Einzelbeispielen diegrundlegenden Probleme einer abschließenden gesund-heitlichen Bewertung aufgezeigt werden.

Ausgangspunkt für eine Bewertung des gesundheitli-chen Risikos eines Zusatzstoffes ist zunächst der oben be-schriebene ADI-Wert. Er ist als toxikologischer Wert alleinwenig aussagekräftig, da viele Zusatzstoffe Lebensmittelnnur bis zu vorgegebenen Höchstmengen (in mg/kg bzw.mg/l) zugesetzt werden dürfen [7]. In die Abschätzung ei-ner möglichen gesundheitlichen Gefährdung müssen ADI-Wert und zugelassene Höchstmenge einfließen. Dazu eineinfaches Beispiel: Der ADI-Wert des Farbstoffs E 161g(Canthaxanthin) beträgt 0,03 mg/kg, d.h. ein erwachsenerMann (70 kg) sollte davon täglich höchstens 2,1 mg auf-nehmen. Das (natürliche!!) Canthaxanthin ist der am we-nigsten verträgliche in der EU zugelassene Lebensmittel-farbstoff. Aber keine Sorge, mit Canthaxanthin darf nur eineinziges Lebensmittel mit bis zu 15 mg/kg gefärbt werden,die „Saucisses de Strasbourg“. Ein erwachsener Mann könn-te demnach sein ganzes Leben lang völlig unbedenklich je-den Tag ein dickes Straßburger Würstchen essen, was al-lerdings selbst eingefleischten Elsass-Liebhabern schwer-fallen dürfte.

So wie E 160g (Canthaxanthin) allein Straßburger Würst-chen färbt, sind einige andere Farbstoffe nur für ein oderwenige Lebensmittel zugelassen, z.B. E 154 (Braun FK) fürenglische Kipper (Bücklinge) und E 127 (Erythrosin) fürCocktailkirschen.

Eine seriöse Risikobewertung muss das gesamte Ess-verhalten einbeziehen. Dazu ein drastisches Beispiel: DerADI-Wert des natürlichen Cochenille (E 120) beträgt 5 mg/kg, d.h. ein 70 kg Mann könnte sorglos jeden Tag 350 mg dieses Farbstoffs aufnehmen. Würde ein Menschsich ausschließlich mit Lebensmitteln ernähren, in denen E 120 zugelassen ist (Abbildung 1), könnte der ADI-Wert aufDauer überschritten werden. Dies wäre allerdings eine offensichtlich ungesunde, einseitige Ernährung.

Wenn sich das Ess- und Trinkverhalten ganzer Verbrau-chergruppen ändert und dadurch die Gefahr einer ständi-gen Überschreitung des ADI-Werts eines Zusatzstoffes be-steht, müssen die zugelassenen Höchstmengen nach untenkorrigiert werden. Die EFSA legte 2008 einen Bericht überdie veränderte Aufnahme von Lycopin (E 160d) in der Be-völkerung vor [8]. Dieser rote Farbstoff der Tomate ist In-begriff eines gesunden natürlichen Farbstoffs und wird inPillenform z.B. vorbeugend gegen Prostatakrebs konsu-miert, obwohl eine aktuelle Studie des National Cancer In-stitutes eine positive Wirkung nicht belegen konnte [9]. AnRatten wurde bei Langzeitversuchen ein NOEL-Wert von 50 mg/kg ermittelt, woraus sich mit dem Sicherheitsfaktorvon 100 ein ADI-Wert von 0,5 mg/kg ergibt. EuropäischeVerbraucher nehmen heute im Durchschnitt 2–6 mg Lyco-

TAB. 1 Z U SA M M E N S E T Z U N G VO N M AYO N N A I S E & CO.

Fett Eigelb Nährwert Verdickungsmittel% % kcal/100ml

nach Paul Bocuse 89 8 780

Delikatess-Mayonnaise 82 8 698(Thomy)

Salat-Mayonnaise 52 8 521 modifizierte Stärke, delikato (Aldi) Guarkernmehl,

Johannisbrotkernmehl

Miracle Whip 23 1 255 modifizierte Stärke, (Kraft) Guarkernmehl,

Johannisbrotkernmehl

Miracle Whip 10 0,4 140 modifizierte Stärke, Balance (Kraft) Xanthan

légère 5 0,9 103 modifizierte Stärke, (Thomy) Stärke,

Johannisbrotkernmehl,Guarkernmehl

Eine Mayonnaise kann nach dem Rezept des am höchsten dekorierten französischenKochs Paul Bocuse leicht selbst gemacht werden [40]. Die im Supermarkt von ver-schiedenen Herstellern erhältlichen Delikatess-Mayonnaisen (Ölgehalt > 80 %) sindhinsichtlich der Zutaten und der Zusammensetzung dem hausgemachten Produktähnlich und auch ohne Zusatzstoffe hergestellt. Fettreduzierte Öl/Wasser-Emulsio-nen dürfen bei Ölgehalten von 50–79 % als Salat-Mayonnaisen, aber unterhalb von50 % nicht mehr als Mayonnaisen bezeichnet werden.

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400–E 404, Alginsäure und ihre Salze werden aus verschiedenenBraunalgen gewonnen. Chemischer Aufbau: Kette aus β -verknüpften Einheiten von D-Man-nurosäure und L-Guluronsäure, wobei das Verhältnis zwischen denbeiden Bausteinen je nach Algenart zwischen 0,4 und 1,9 schwankt. [Foto: Laminaria spec. Nikemoto2511, wikimedia commons]

E 406, Agar Agar wird durch Auskochen einiger Rotalgenarten gewonnen. Chemischer Aufbau: Kette aus β -verknüpften Einheiten von D-Galaktose und 3,6-Anhydro-L-galaktose. [Foto: Sphaerococcus coronopifolius, Gronk, wikimedia commons]

E 407, Carageen wird aus Rotalgen, z.B. Chondrus crispus gewon-nen. Carageen ist der Handelsname für verschiedene Polysacchari-de, deren genaue Zusammensetzung von der Algenart abhängt. Chemischer Aufbau: Ähnlich zum Agar Agar, eine Hauptkette ausPolysaccharid aus β -verknüpften D-Galaktose und 3,6-Anhydro-L-galaktose, einige Hydroxygruppen mit Schwefelsäure verestert.[Foto: Chondrus crispus J. Wüest, F. Sinniger, Université de Genève,Département de Zoologie et de Biologie animale]

E 410, Johannisbrotkernmehl wird aus den Kernen des Johannis-brotbaums (Ceratonia siliqua) durch Vermahlung gewonnen. Chemischer Aufbau: Hauptkette aus β -verknüpften Mannose-Einheiten, teilweise verzweigt mit Galaktose [Foto: Ceratonia siliqua, Julio Reis, wikimedia commons]

400–E 404

E 407

E 406

E 410

Abb. 2 Herkunft und Strukturen zugelassener Verdickungsmittel. Alle in unseren Lebensmitteln als Zusatzstoffe zugelasse-nen Verdickungsmittel sind Polysaccharide und leitensich von Stärke oder Cellulose ab [41]. In beiden sindTausende von Glucose (= Traubenzucker)-Bausteine mit-einander zu einer Kette verknüpft. Nur die Art der Ver-knüpfung ist unterschiedlich: In der Stärke stehen dievom C1 ausgehenden verknüpfenden Bindungen senk-recht auf der Ebene des Sechsrings (β -Verknüpfung, imFormelbild blau gestrichelt) und bei der Cellulose liegt siein der Ebene (β -Verknüpfung, im Formelbild roter Keil-strich) [42]. Dieser scheinbar kleine strukturelle Unter-schied macht viel aus: Stärke können wir leicht und voll-ständig verdauen, Cellulose dagegen überhaupt nicht.Uns fehlt das entsprechende Enzym (β -Glycosidase).Wenn Stärke nur geringfügig an der Peripherie chemischvariiert wird und dabei die Verknüpfungen in der Haupt-kette unverändert bleibt, können diese als modifizierteStärken bezeichneten Zusatzstoffe E 1404–E 1451 vonuns abgebaut werden, d.h. sie sind so kalorienreich wieStärke selbst. Anders die Verdickungsmittel, in denen dieZuckerbausteine der Hauptkette über eine β -Verknüp-fung verbunden sind. Egal ob die Polymerbausteine Glu-cose oder Mannose (ein mit Glucose eng verwandter Zu-cker) sind, eine β -Verknüpfung zwischen ihnen kann vonuns nur schwer gespalten werden. Diese Verdickungsmit-tel sind daher praktisch unverdaulich und machen nichtdick. Zusätzlich erschweren die großen Verzweigungenjeden enzymatischen Angriff auf die Hauptkette. Die na-türlichen Rohstoffe, aus denen die Verdickungsmittel ge-wonnen werden, sind sehr unterschiedlich und belegenden enormen Findungsreichtum des Menschen. Von ihrerHerkunft her könnte man die als Zusatzstoffe zugelasse-nen Verdickungsmittel grob in Algenextrakte (Alginate,Agar Agar und Carageen), Bohnenmehle (Johannisbrot-kernmehl, Guarkernmehl und Tarakernmehl), Bakterien-schleime (Xanthan) und Baumharze (Gummi arabicum)einteilen.

α- Glucose

O

OH

OHHO

HO

HOH2C

O

OH

OHHO

HO

HOH2C

α-Glc

β-ManE 410

Johannisbrotkernmehl

O

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OHHO

O

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

CH2

β-Man

O

O

OHHO

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

CH2

β-Man

O

O

OH

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

CH2

β-Man

O

O

HO

HO

OH

CH2OH

O

O

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HO

OH

CH2OH

α-Galα-Gal

E 412

Guaran

O

O

HO

HO

OH

CH2OH

α-Gal

O

O

OHHO

O

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

CH2

β-Man

O

O

OHHO

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

HOH2C

β-Man

O

O

OHHO

CH2

β-Man

O

O

HO

HO

OH

CH2OH

α-GalO

O

HO

HO

OH

CH2OH

α-Gal

O

O

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O

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β-Glc

O

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β-Glc

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β-Glc

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β-Glc

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β-Glc

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O

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HOH2C

β-Glc

O

OH

OH

OOC

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H3CCOOH2C

β-Glc

E 415

Xanthan

β-ManO

OOH

OH

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C

OOCCH3

O

α-Man

O

OH

OH

OOC

O

O

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H3CH2COOH2C

β-Glc

β-ManO

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OH2C

C

OOCCH3

O

α-Man

O

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OH

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O

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H3CCOOH2C

β-Glc

β-ManO

OOH

OH

OH2C

C

OOCCH3

O

α-Man

O

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O

R

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O

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α-Glc

O

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R

O

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R

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O

R

O

O

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R

E 1404 - E 1451

modifizierteStärken

α-Glc α-Glc α-Glc α-Glcα-Glc

β−Mannose

O

O

OHHO

O

R

O

O

OHHO

HOH2C

α-Glc

O

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HOH2C

O

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O

O

OHHO

O

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O

O

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HOH2C

Stärke(Amylose)

α-Glc α-Glc α-Glc α-Glcα-Glc

O

O

OHHO

O

HOH2C

O

O

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HOH2C

β-Glc

O

O

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HOH2C

O

OHHO

HOH2C

O

O

OHHO

O

HOH2C

O

O

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HOH2C

β-Glc β-Glc β-Glc β-Glcβ-Glc Cellulose

β-Glucose

O

OH

OHHO

HO

HOH2C

α-Glc

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E 412, Guarkernmehl wird aus den Samen des ursprünglich in Indien beheimateten Guarstrauchs (Cyamposis tetragonoloba) gewonnen. Chemischer Aufbau: Hauptkette aus β -verknüpften Mannoseeinheiten, teilweise ver-zweigt mit Galaktose (siehe Formelbild).[Foto: Cyamposis tetragonoloba, Texas A&M University, Agricultural Research Center]

E 413, Traganth wird aus dem Pflanzensaft der in Asien beheimateten Sträucher der Gattung Astragalus gummifer gewonnen, wie A. gummifer und A. tragantha. Chemischer Aufbau: Komplex aufgebautes Polysaccharid aus D-Galacturonsäure, D-Galactose, L-Fructose, D-Xylose und L-Arabinose. [Foto: Astragalus tragacantha, www.summagallicana.it/lessico/lessico]

E 414, Gummi arabicum ist das getrocknete Harz einigen Akazienarten (vor allem Acacia senegal). Chemischer Aufbau: Hauptkette aus D-Galaktose, L-Arabinose, L-Thamnose und D-Glucuronsäure im Verhältnis 3:3:1:1. Die Struktur iststark verzweigt und die Hauptkette besteht aus β -1,3 verknüpften D-Galaktosen. [Foto: Acacia senegal, minerva.unito.it , Supplementi al Dizionario di Chimica e Chimica Industriale]

E 415, Xanthan ist ein Stoffwechselprodukt der Bakterie Xanthomonas campestris. Diese Bakterie ist ein Pflanzenschädling und befälltWeißkohl und Blumenkohl und Broccoli. Xanthan wird biotechnologisch durch Fermentation aus Glucose mit Reinkulturen des Bakteriumshergestellt. Chemischer Aufbau: Hauptkette aus β -verknüpften Glucoseeinheiten, die mit Trisacchariden stark verzweigt sind (Siehe Formelbild).[Foto: Von X. campestris befallenes Blumenkohlfeld, Dr. J. Kreiselmaier, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, Rheinpfalz]

E 416, Karayagummi wird aus dem Harz des indischen Baumes Sterculia urens gewonnen. Chemischer Aufbau: Hauptkette aus β -verknüpften Galacturonsäure und L-Rhamnose und β -Verzweigungen mit teilweise acteylierte D-Galaktose [Foto: Sterculia urens, dinesh valke, flickr.com]

E 417, Tarakernmehl wird aus den Samen des in Peru beheimateten Tarabuschs (Caesalpinia spinosum) gewonnen. Chemischer Aufbau: Ähnlich dem Johannisbrotkernmehl aufgebautes Galaktomannan, allerdings mit unterschiedlichem Verhältnis zwischen Mannose und Galaktose und im Substitutionsgrad der Seitenketten.[Foto: Caesalpinia spinosa, valérie, wikimedia commons]

E 418, Gellan wird durch Fermentation von Glucose mit Sphingomonas elodea gewonnen. Chemischer Aufbau: Hauptkette besteht aus β -verknüpfter Rhamnose, Glucuronsäure und Glucose, wobei einige Hydroxylgruppen mit Essigsäure bzw. Gycerinsäure verestert sind. [Foto: Sphingomonas elodea, Tashior, MicrobeWiki]

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L E B E N S M I T T E L Z U S A T Z S T O F F E | K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …

E 412 E 414

E 416

E 413

E 415 E 417

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pin aus gefärbten Lebensmitteln und Getränken täglich auf.Bei Erwachsenen ist bei diesen Mengen eine chronischenÜberschreitung des ADI-Wertes nicht zu befürchten, aberVorschul- und Schulkinder nehmen Lycopin zu 90 % aus li-terweise konsumierter, gefärbter Limonade (Höchstmenge:100 mg/l) auf, so dass eine häufige Überschreitung des ADI-Wertes von 0,5 mg/kg Körpergewicht für diesen Perso-nenkreis nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Hierdenkt die EFSA über einen Vorschlag zur Senkung der in Li-monaden zulässigen Höchstmengen an Lycopin nach [10].

Insgesamt muss aber beruhigend festgestellt werden,dass viele der Zusatzstoffe wie z.B. das von Liebig 1840 er-fundene Backpulver (mit Natron E 500) und Essig (E 260)auch in großen Mengen völlig unbedenklich sind. Auch vonden als Säureregulatoren eingesetzten Natrium-, Kalium-,Ammonium- und Calciumsalzen der natürlichen Carbon-säuren (Milch-, Zitronen-, Essig-, Propion-, Äpfel- und Fu-marsäure) geht nach Verzehr vernünftiger Mengen keineGefahr aus. Schließlich sind einige Zusatzstoffe sogar ge-sundheitsfördernd, wie E 153 (Pflanzenkohle), das als car-bo medicinalis vegetabilis bei Durchfall verabreicht wird.Auch Vitamin B (E 101), Vitamin C (E 300–E 302), und Vi-tamin E (Tocopherole E 306–E 309) sowie das ProvitaminA (E 160a) verbessern die Qualität der Lebensmittel, wobeisie nicht deswegen, sondern als Farbstoffe oder Antioxida-tionsmittel zugegeben werden und teilweise bei der Verar-beitung verbraucht werden. Im Folgenden richten wir un-

ser Hauptaugenmerk auf die vom Verbraucher besonderskritisch gesehenen Verdickungsmittel, Süßstoffe, Ge-schmacksverstärker, Farbstoffe und Antioxidationsmittel.

VerdickungsmittelSämige Saucen und leckere Süßspeisen erhalten ihre himm-lische Konsistenz durch Eigelb, Gelatine oder Stärke. Warumalso Verdickungsmittel? Die Antwort ist ganz einfach: DerVerbraucher fordert es, wie das Beispiel der Mayonnaise be-legt.

Eine köstliche Mayonnaise kann jedermann aus Pflan-zenöl, Eigelb und ein wenig Weinessig oder Zitronensaftam heimischen Herd herstellen [11]. Meist sieht der Kü-chenalltag aber anders aus: Berufstätigen und Eltern fehlendie Zeit und Muße, tägliche Mahlzeiten aus Rohproduktenselbst zuzubereiten und so wird auf „convenience food“, al-so vor- oder fertigverarbeiteter „Bequemnahrung“ in Tü-ten, Dosen, Gläsern und Tiefkühlpackungen zurückgegrif-fen. Bei Mayonnaise bietet die Lebensmittelindustrie einvon der Zusammensetzung her gleichwertiges Produkt inGläsern an, das dank einer Hitzesterilisation keinerlei Zu-satzstoffe enthält. Doch der Verbraucher möchte mehr. Dadie meisten Europäer übergewichtig sind und an den ent-sprechenden Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Be-schwerden oder Bluthochdruck leiden [12], verlangt derVerbraucher nach einer kalorienarmen Fertigmayonnaise.Da eine Mayonnaise nur mit Ölgehalten über 80 % so herr-

TAB. 2 E I G E N S C H A F T E N D E R I N D E R E U Z U G E L A S S E N E N S Ü ß U N G S M I T T E L

Lebensmittel E 420 E 421 E 953 E 965 E 966 E 967 E 950 E 951 E 952 E 954 E 955 E 957 E 959 E 962Sorbit Mannit Isomalt Maltit Lactit Xylit Ace- Aspar- Cycla- Saccha- Sucra- Thau Neo- Acesul-

sulfam tam mat rin lose matin hespe- fam-ridin Aspar-

tam-Salz

rel. Süßkraft 0,55 0,6 0,4 0,85 0,35 1,0 200 200 30 500 600 3000 400 200Rohrzucker = 1Fructose = 1,2

ADI-Wert q.s q.s q.s q.s q.s q.s 15 40 7 5 15 q.s q.s 15(mg/kg/d)

Zulässige Höchstwerte im jeweilgen Lebensmittel [mg/kg bzw. mg/l]

Erfrischungs- 250 600 250 80 300 30getränke

Kaugummi 2000 5500 1200 3000 50 400

Desserts 350 1000 250 100 400 50

Speiseeis 800 800 100 320 50 50

Marmeladen, 1000 1000 1000 200 400 50Gelees

Obstkonserven 350 1000 1000 200 400 50

Süßwaren 500 1000 500 1000 50 100

Feinkostsalate 350 1350 160 140 50

Saucen 350 350 160 450 50

Senf 350 350 320 140 50

Entspre-

chend den

Einzelwer-

ten von

Acesulfam

und

Aspartam

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lich cremig werden kann, müssen die Hersteller bei gerin-geren Ölgehalten andere, möglichst kalorienarme Verdi-ckungsmittel einsetzen (Tabelle 1).

Als Verdickungsmittel auf Polysaccharidbasis eignet sichdie natürliche Pflanzenstärke, die schon seit Jahrhundertenz.B. zum Andicken von Soßen verwendet wird, sowie che-misch modifizierte Stärken. Während natürliche Stärke inLebensmitteln als Zutat gilt, gehören die modifizierten Stär-ken zu den Zusatzstoffen. Durch physikalische und chemi-sche Modifikationen kann die Quellbarkeit, Löslichkeit, Hit-zebeständigkeit und pH-Stabilität der modifizierten Stärkendem jeweiligen Verwendungszweck angepasst werden, in-dem die Hydroxylgruppen an den Glucosebausteinen mitSchwefel-, Phosphor- oder Essigsäure verestert oder mit kur-zen Seitenketten verlängert werden. Daraus wurde eine gan-ze Produktgruppe entwickelt (E 1400–E 1451). Alle modi-fizierten Stärken werden im Körper wie natürliche Stärkeoxidativ abgebaut und haben den gleichen kalorischenNährwert.

Für kalorienreduzierte Nahrungsmittel geht man zunicht abbaubaren, natürlichen Polysacchariden als Verdi-ckungsmitteln über. Im Folgenden werden die Eigenschaf-ten der wichtigsten Verdickungsmittel vorgestellt (Abbil-dung 2) [13].

E 400–E 405, Alginsäure und Alginate werden durchExtraktion aus Braunalgen gewonnen und vor allem in Formder Salze in Lebensmitteln als unverdaulicher Zusatzstoffverwendet. Alginate werden als Gelier-, Überzugs- oder Ver-dickungsmittel eingesetzt. Bereits 1- bis 2-prozentige Lö-sungen sind hochviskos und gelieren schlagartig nach Zu-gabe von Calcium-Ionen.

E 406, Agar-Agar wird aus asiatischen Braunalgen ge-wonnen. Agar bildet oberhalb von 95 °C in Wasser eine kla-re Lösung, die erst bei Temperaturen unterhalb von 45 °Cerstarrt, so dass auch temperaturempfindliche Zusätze zu ei-nem stabilen Gel verarbeitet werden können. In der vege-tarischen Küche ersetzt ein Teelöffel Agar vier Blätter Ge-latine.

E 407, Carrageen wird als Gelier- und Verdickungs-mittel in vielen Lebensmitteln eingesetzt. Carrageen ist einGemisch verschiedener Polysaccharide, die durch fraktio-niertes Fällen voneinander getrennt werden können. DieWHO (World Health Organization) sowie die amerikani-sche FDA (Food & Drug Administration) haben es als völ-lig harmlos bewertet und keinen ADI-Wert festgelegt [14].

E 410, Johannisbrotkernmehl wird aus den Samendes in Südeuropa und im Vorderen Orient beheimateten Jo-hannisbrotbaums gewonnen. Das Mehl der Kerne ist ge-schmacksneutral und kann von Menschen nicht verdautwerden ist. E 410 ist in warmem Wasser löslich, äußerstquellfähig und kann das Hundertfache seines Eigengewichtsan Wasser aufnehmen.

E 412, Guarkernmehl, wird aus den Samen des Gu-arstrauchs gewonnen, der ursprünglich auf dem indischenSubkontinent beheimatet war, aber heute in vielen subtro-pischen Gebieten angebaut wird. Das Mehl ist wie Johan-

nisbrotkernmehl unverdaulich, geschmacksneutral und be-sitzt eine extrem hohe Quellfähigkeit.

E 415, Xanthan wird durch Fermentation von Gluco-selösungen mit Reinkulturen des Bakteriums Xanthomo-nas campestris gewonnen. Auch dieses Polysaccharid ist füruns unverdaulich. Xanthan erhöht bereits in sehr geringenKonzentrationen die Viskosität von Wasser, wobei die Vis-kosität nahezu unabhängig von Temperatur, pH-Wert undSalzkonzentration ist.

Alle zugelassenen Verdickungsmittel sind als Poly-saccharide chemisch miteinander verwandt. Es wundert da-her nicht, dass Lösungen einiger ihrer Mischungen häufigviskoser sind als die Summe der Einzelkomponenten. Die-se synergistische Viskositätszunahme basiert auf einer in-termolekularen Vernetzung von polymeren Ketten ver-schiedener Hydrokolloide.

Süßungsmittel Zuckeraustauschstoffe

Durch katalytische Hydrierung können Glucose und ande-re einfache Zucker zu Zuckeralkoholen reduziert werden(Tabelle 2). Diese Zuckeralkohole verändern nicht den Glu-cosespiegel im Blut und eignen sich deshalb für eine Dia-betikerdiät. Sie liefern weniger Kalorien als Zucker und kön-nen in kalorienreduzierten Diäten eingesetzt werden. Da Mi-kroorganismen sie im Mund nicht abbauen können, fördernZuckeraustauschstoffe keine Karies und werden in „zu-ckerfreien“ Kaugummis verwendet. Bei Tagesdosen vonüber 20 g kann es zu Blähungen und Durchfällen kommen.

SüßstoffeIm Gegensatz zu Zucker und Zuckeraustauschstoffen sindSüßstoffe praktisch ohne Nährwert und eignen sich zur Her-stellung stark kalorienreduzierter Lebensmittelprodukte,vor allem für alkoholfreie Erfrischungsgetränke (Tabelle 2).Wegen des zunehmend hohen Verbrauchs wurden und wer-den die Diskussionen um eine mögliche gesundheitlicheSchädigung besonders intensiv und medienwirksam ge-führt. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dassauf der einen Seite die bei normalem Verbrauch vom Ver-braucher täglich aufgenommenen Mengen ganz weit unterden ADI-Werten liegen. Eine Überdosierung von Süßstof-fen durch den Hersteller kann ausgeschlossen werden, dadie Produkte ungenießbar wären. Unter Abwägung allervorliegenden wissenschaftlichen Studien kam die DeutscheGesellschaft für Ernährung 2007 deswegen zu dem Schluss[15]: „Beim üblichen Gebrauch von Süßstoffen lauern kei-ne gesundheitliche Gefahren.“

E 950, Acesulfam K wird im Körper nicht abgebaut,ist demnach völlig nährwertfrei und fördert keine Karies.Acesulfam K zeigt eine schnell spürbare und geschmacklichreine Süße. Acesulfam K wirkt vor allem mit Aspartam sy-nergistisch, d.h. die Mischung ist süßer als die Summe derEinzelkomponenten. Acesulfam K ist gut wasserlöslich so-wie hitze- und lagerstabil stabil. Es kann deswegen auch beiBackwaren eingesetzt werden.

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TAB. 3 C H E M I S C H E E I G E N S C H A F T E N D E R I N D E R E U Z U G E L A S S E N E N L E B E N S M I T T E L FA R B S TO F F E

E-Nr. Farbe Farbstoff Chemische Struktur und Eigenschaften ADI-Wert *(mg/kg/d)

100 zitronengelb Kurkumin Naturstoff aus Curcuma longa, Hauptbestandteil von Curry, stabil bei Hitze 3und über einen breiten pH-Bereich, empfindlich gegen Licht und SO2

101 zitronengelb Riboflavin Ribo- Synthetisches naturidentisches Vitamin B2 stabil bei Hitze 0,5flavin-5’-phosphat und niedrigen pH-Werten, bitterer Beigeschmack

102 zitronengelb Tartrazin Synthetischer farbintensiver Azofarbstoff 7,5hitze- und lichtstabil, empfindlich gegen SO2 und Ascorbinsäure

104 grüngelb Chinolingelb Synthetischer Chinophthalonfarbstoff hitze- und lichtstabil, 10stabil im Sauren, instabil im Alkalischen, in den USA nicht zugelassen

110 orange Gelborange S Synthetischer Azofarbstoff, licht- und hitzestabil, 2,5empfindlich gegenüber Benzoesäure und SO2

120 erdbeerrot Cochenille, Natürlicher Farbstoff aus der Scharlach-Schildlaus, stabil gegen SO2, 5echtes Karmin Licht, Hitze und oberhalb von pH=3,5

122 blaurot Azorubin Synthetischer Azofarbstoff, besonders lichtstabil 4

123 blaurot Amaranth Synthetischer Azofarbstoff, nur zugelassen für Fischrogen, Apértifweine 0,8und Spirituosen, in den USA nicht zugelassen

124 erdbeerrot Cochenillerot A Synthetischer Azofarbstoff , sehr licht- und hitzestabil 4

127 hellrot Erythrosin Synthetischer. iodhaltiger Xanthenfarbstoff, fällt in Gegenwart von Fruchtsäuren aus, zugelassen nur für Cocktailkirschen, die nicht ausbluten 0,1

129 orangerot Allurarot AC Synthetischer Azofarbstoff, wird leicht oxidiert und reduziert, 7relativ wenig stabil

131 tiefblau Patentblau V Synthetischer Triphenylmethan-Farbstoff, sehr hitze- und lichtstabil, 15empfindlich gegenüber Fruchtsäuren

132 dunkelblaurot Indigotin I Synthetisches Indigoderivat, wenig stabiler Farbstoff, Entfärbung im Alkalischen 5

133 grünblau Brillantblau FCF Synthetischer Triphenylmethanfarbstoff, sehr stabil gegenüber Licht und Hitze 12,5

140 olivgrün Chlorophylle Naturstoff aus Blättern quantum satis

141 grünblau Kupferkomplexe Aus E 140 hergestellt, wesentlich farbintensiver und lichtbeständiger von E 140 als E 140 15

142 blaugrün Grün S Synthetischer Triphenylmethan-Farbstoff 5

150 rot über braun Zuckerkulöre Kontrolliertes Erhitzen von Trauben-, Frucht- oder Rohrzucker ohne oder quantum satisa–d bis schwarz mit Zusätzen wie Alkalien, Ammoniak, Ammonimsalze oder Sulfite

151 schwarz Brillantschwarz BN Synthetischer Azofarbstoff, nur mäßig licht- und hitzestabil, empfindlich 1gegenüber SO2 und Fruchtsäuren

153 schwarz Pflanzenkohle Inertes, unlösliches, geschmacks- und geruchsneutrales Pigment quantum satis

154 rotbraun Braun FK Synthetisches Gemisch von Azofarbstoffen, nur zugelassen bei Nicht mehr in geräucherten Heringen (Bücklingen), bindet fest an Proteine Nutzung

155 rotbraun Braun HT Synthetischer Azofarbstoff, zum Färben von Backwaren, sehr hitzestabil 1,5(HT = high temperature)

160a gelborange gemischte Carotine Naturstoffgemisch aus Pflanzen, Hauptbestandteil β-Carotin (Provitamin A) 5auch durch Synthese oder Fermentation mit Blakeslea trispora

160b orange Annatto (Bixin) Naturstoff aus Bixa orellana 0,065

160c rot Paprikaextrakt Naturstoffgemisch aus Paprika, Gemisch aus Capsanthin und Capsorubin quantum satis(Capsanthin)

160d orangerot Lycopin Naturstoff aus Tomate, hitzestabil in großem pH-Bereich quantum satis

160e gelborange β-Apo-8’-carotinal Synthetisches naturidentisches Provitamin, hitze- und pH-stabil 5

160f gelborange β-Apo-8’-carotin Synthetisches naturidentisches Provitamin, hitze- und pH-stabil 5säure-ethylester

161b gelb Lutein Naturstoffgemisch (vor allem Lutein) aus Früchten, Pflanzen und Blüten, 2hitze- und pH-stabil

161g rotviolett Canthaxanthin Synthetischer naturidentischer Farbstoff, zugelassen nur für 0,03„Saucisses de Strasbourg“

161h gelb Zeaxanthin Synthetischer naturidentischer Farbstoff, hitzestabil bei Lichteinwirkung 2sind alle obigen Carotinoide sehr oxidationsempfindlich

162 rosa Beetenrot (Betanin) Naturstoff aus Rote Beete, instabil gegenüber Licht, Hitze und SO2 quantum satis

163 rot Anthocyane Naturstoffgemisch aus Beeren- und Weintraubenschalen, Farbton variiert mit pH quantum satis

*quantum satis = so viel nötig (und so wenig wie möglich)

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E 951, Aspartam ist chemisch betrachtet ein Dipeptidaus Asparaginsäure und Phenylalanin, das mit Methanol ver-estert ist. Im Stoffwechsel wird dieses Dipeptid zu den bei-den natürlichen Aminosäuren abgebaut und die Estergrup-pe unter Methanolabspaltung hydrolisiert.

Wegen des Abbaus von Aspartam zu Phenylalanin müs-sen Lebensmittel für Menschen mit der seltenen Stoff-wechselerkrankung Phenylketonurie mit dem Warnhinweis„enthält eine Phenylalaninquelle“ versehen werden. As-partam eignet sich nicht zur Verwendung in Backwaren, daes bei höheren pH-Werten und vor allem höheren Tempe-raturen abgebaut wird.

E 952, Cyclamat kommt als Kalium- oder Calciumsalzin den Handel. Der süße Geschmackseindruck baut sichlangsam auf und ist sehr nachhaltig, allerdings hat Cyclamateine vergleichsweise geringe Süßkraft. Eine Mischung vonCyclamat und Saccharin (10:1) ergibt einen preiswertenund geschmacklich akzeptablen Süßstoff. Cyclamat ist au-ßerordentlich stabil gegenüber niedrigen pH-Werten, Hitzeund Licht.

E 954, Saccharin ist der älteste Süßstoff und wurde1879 durch Zufall von Wissenschaftlern an der Johns Hop-kins University hergestellt. Die in den 70er Jahren des letz-ten Jahrhunderts aufgekommene Diskussion über ein er-höhtes Blasenkrebsrisiko bei täglichem Saccharinverzehrhaben sich inzwischen erledigt. Die modernen Süßstoffesind dem Saccharin aus geschmacklichen Gründen weitüberlegen, so dass dieser Süßstoff stark an Bedeutung ver-loren hat. Zu Saccharin werden meist andere Süßstoffe zu-gemischt, um den leicht bitteren, metallischen Nachge-schmack zu überdecken.

E 955, Sucralose zeigt eine hohe Temperaturstabilitätund eine hervorragende Langzeitstabilität bei niedrigen pH-Werten. Deswegen eignet sich Sucralose für Backwaren undsaure Erfrischungsgetränke.

E 957, Thaumatin ist ein natürlich vorkommendes Pro-tein und wird aus den Früchten des westafrikanischen Bau-mes Thaumatococcus danielli durch Extraktion gewon-nen. Thaumatin wird in geringen Dosierungen auch als Ge-schmacksverstärker genutzt und kann den bitteren oder un-angenehmen Nachgeschmack von Soja und anderen Süß-stoffen und Vitaminen maskieren.

E 959, Neohesperidin-Dihydrochalcon (DC) wirdaus Abfallstoffen der Verarbeitung von Citrusfrüchten ge-

wonnen. Neben der Süße wirkt es in niedrigen Konzentra-tionen auch als Geschmacksverstärker und intensiviert be-sonders verschiedene Fruchtaromen. Neohesperidin ist beihöheren Temperaturen stabil, in Substanz oder wässrigerLösung langzeitstabil, hat aber einen deutlichen Beige-schmack.

E 962, Aspartam-Acesulfam-Salz (Salz aus E 950 undE 951) entsteht beim Erhitzen und Auskristallisieren einer2:1 Mischung von Aspartam und Acesulfam K bei niedrigenpH-Werten. Das Produkt ist stabiler als Aspartam allein. Al-le Produkte mit E 962 müssen mit dem Warnhinweis „Ent-hält eine Phenylalanin-Quelle“ versehen werden.

GeschmacksverstärkerGeschmacksverstärker sind Zusatzstoffe, die keinen ausge-prägten Eigengeschmack besitzen, jedoch bereits vorhan-denen Geschmack verstärken oder betonen. Die wichtigs-ten Geschmacksverstärker sind die Glutamate (E 620–E 625)und die Salze der Ribonukleinsäuren (E 627 und E 631).Die Verwendung von Geschmacksverstärkern wird in derÖffentlichkeit sehr heftig und kontrovers diskutiert. Zu-nächst muss darauf hingewiesen werden, dass sowohl dieGlutamate, als auch die Salze der Ribonukleinsäuren Na-turstoffe sind, die auch in unserem eigenen Körper in frei-er oder chemisch gebundener Form teilweise in großenMengen vorkommen. Im Folgenden soll vor allem das Na-triumsalz der Glutaminsäure (E 621, Mononatriumgluta-mat), näher betrachtet werden, da es der weitaus am häu-figsten eingesetzte Geschmacksverstärker ist.

Die Glutaminsäure ist eine der 20 in unserer Erbsub-stanz DNA kodierten Aminosäuren, von der wir täglich rund10 g mit proteinhaltiger Nahrung zu uns nehmen. Zusätz-lich nehmen wir etwa 1 g freie Glutaminsäure aus Gemü-se, Obst, Milch und Käse auf. Man könnte davon ausgehen,dass eine Aufnahme von einem oder zwei Gramm Glutamatals Geschmacksverstärker kein gesundheitliches Risiko dar-stellen kann, da die zusätzliche Glutaminsäure über ganznormale Stoffwechselwege abgebaut wird.

Die Höchstmenge von Glutamat in Nahrungsmittelpro-dukten ist auf 10 g/kg festgelegt [16], wobei einige unver-arbeitete, also nicht mit Glutamat versetzte Nahrungsmit-tel wie Parmesankäse mit 12 g/kg und japanischer Seetangmit 22 g/kg sogar höhere Mengen natürliches Glutamat ent-halten. Die Dosierung von Glutamat als Geschmacksver-

< Tabelle 3: Lebensmittelfarbstoffe dürfen in den folgenden Lebensmitteln verwendet werden:– Erfrischungsgetränke, Mixgetränke– Obstkonserven, Konfitüren und ähnliche Zubereitungen– Süßwaren, Dekorationen, kandierte Früchte– Dessertspeisen und Speiseeis– Feine Backwaren, ihre Füllungen und Überzüge– Spirituosen, Apéretif- und Obstweine– Margarine, Halbfettmargarine, Butter– Einzelne Käsesorten und bestimmte Wurstspezialitäten– Seelachs (Lachsersatz), Fischrogen, Räucherfisch– Soßen, Würzmittel, SenfIn vielen Fällen ist der Anwendungsbereich des Farbstoffs noch weiter eingeschränkt worden.

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stärker ist selbstbegrenzend, denn ab einer gewissen Men-ge intensiviert sich der Geschmack nicht mehr. Viele sehenin dem schwach süß-sauren Eigengeschmack von Glutamatneben süß, sauer, salzig und bitter die fünfte Geschmacks-qualitäten „umami“ (jap. köstlich).

Die Wirkung von Glutamat in Nahrungsmitteln wurdevom japanischen Chemiker Kikunae Ikeda 1908 entdeckt,als er nach der Ursache der geschmacksverstärkenden Wir-kung von „konbu“ (Laminaria japonica) suchte, einer inder japanischen Küche viel verwendeten Seetang-Art [17].

Glutamat wirkt synergistisch geschmacksverstärkendmit E 621 und E 637, schon eine geringe Zugabe von Glu-tamat zu Nahrungsmitteln, die beide Ribonukleotide ent-halten, verstärkt den „umami“-Charakter um das 6–8fache.Es überrascht daher nicht, dass Glutamat häufig zusammenmit geringen Mengen an Ribonukleotiden zugesetzt wird.

Ein Leserbrief von Dr. R. Kwok im renommierten „NewEngland Journal of Medicine“ entfachte 1968 die Fragenach der Verträglichkeit von Glutamat an [18]. Darin be-richtete der in die USA ausgewanderte chinesische Arztüber Unverträglichkeitssymptome, die reproduzierbar et-wa 20–30 Minuten nach Essensbeginn in amerikanischenChinarestaurants einsetzten und für etwa zwei Stunden an-hielten: Taubheit an der Rückseite des Halses, die langsamdie Arme und den Rücken erfasste, verbunden mit einemallgemeinem Schwächegefühl. Sojasoße konnte er aus-schließen, da er die gleiche Sorte zu Hause verwendete unddort keine Symptome auftraten. Er selbst konnte sich die Ursachen nicht erklären, verwies aber auf eine möglicheRolle von Glutamat oder dem hohen Salzgehalt der Gerich-te hin.

Der an die medizinische Fachöffentlichkeit gerichteteLeserbrief bekam von der Redaktion die Überschrift „Chi-nese Restaurant Syndrom“ vorangestellt und damit war einneues Syndrom geboren. Dieser Brief des chinesischen Arz-tes wird häufig zitiert, aber selten gelesen, denn ein ganzwesentlicher Faktor wird meist verschwiegen: Dr. Kwokhatte eine Aspirin-Allergie. Das bedeutet, dass er über Kreu-zallergien gegenüber anderen Auslösern allergieähnlicherReaktionen hochsensibel war.

Die Popularisierung des „Chinarestaurant-Syndroms“führte zu einer sprunghaften Zunahme entsprechender Pa-tienten. Doppelblindstudien zeigten, dass in den meistenFällen die Selbstdiagnostizierten nur „eingebildete“ Krankewaren [19].

Ein weiterer kontroverser Aspekt des Glutamats sollnicht verschwiegen werden. Einige Neurowissenschaftlervermuten, dass stoßartige, hohe Aufnahmen von freier Glu-taminsäure nicht ohne Auswirkungen auf unser Nerven-system bleiben. Nervenzellen übertragen ihre Aktivität aufdie nächste Nervenzelle über den kleinen Spalt (Synapsis)durch den Ausstoß eines Neurotransmitters, der dann an derEmpfängerzelle einen Reiz auslöst. Diese Bedenken müs-sen ernst genommen werden, allerdings konnten die Ver-mutungen wissenschaftlich nicht ausreichend abgesichertwerden, sondern tauchen eher in Form von knackigen Über-

schriften wie „Zu viel Glutamat bringt uns um den Ver-stand“ oder „Glutamat geht auf den Geist“ [20] in den Mas-senmedien auf.

Nach kritischer Auswertung unzähliger Studien gehendie zuständigen Deutschen und Europäischen Gesund-heitsbehörden nach wie vor von keiner Gefährdung aus.So erklärte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2003eindeutig:

„Die Glutamataufnahme über die Nahrung, insbe-sondere bei rationeller Verwendung von Glutamat zurWürzung, ist für die Allgemeinheit unbedenklich undsteht in keinem Widerspruch zu einer gesundheitsbe-wussten Ernährung.“

Diese Position wird keineswegs leichtfertig vertreten,denn mit hohen plötzlichen Megadosen von Glutamat lie-gen umfangreichen Erfahrungen auch an Menschen vor. Ei-ner Modeströmung folgend wurden in den Vierziger undFünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts Schulkindern zurangeblichen geistigen Leistungssteigerung über mehrereWochen bis zu 40 g Glutamat täglich verabreicht. Schlauersind sie davon nicht geworden, aber über Unverträglich-keiten oder negative Nebenwirkungen ist auch nichts be-kannt geworden.

LebensmittelfarbstoffeSeit Menschengedenken werden Lebensmittel „geschönt“.Man denke nur an die Jahrtausende währenden Verfäl-schungen von Wein. Der makabre Höhepunkt dürfte jedochmit den bunten Süßigkeiten in der Mitte des 19. Jahrhun-derts erreicht worden sein. Eine 1857 in England aufge-stellte Liste von damals für Süß- und Backwaren üblichen„Lebensmittelfarben“ lässt uns heute noch erschaudern: ro-ter Zinnober (Quecksilbersulfid), rotes Bleioxid (Mennige),gelbes Bleichromat und grünes Kupferarsenit. Erst 1887wurden die schwermetallhaltigen Farben endlich verboten,obwohl deren Giftigkeit schon länger bekannt war.

Das „Schönen“, also der Einsatz von Farbstoffen zumoptischen Vortäuschen eines nicht vorhandenen Frischzu-standes oder von nicht vorhandenen ernährungsphysiolo-gisch wichtigen Inhaltsstoffen oder Zutaten, wie z.B. Kakaooder Ei ist grundsätzlich verboten.

Die heute zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe sindwohl die toxikologisch am besten und gründlichsten un-tersuchten Stoffe überhaupt (Tabelle 3). Dabei stellte sichwieder einmal heraus, dass „natürlich“ und „synthetisch“nicht automatisch „gut“ und „schlecht“ bedeuten. Ein Bei-spiel: Mit dem natürlichen Farbstoff der Mohrrübe, demorangefarbenen Carotin (E 160a), wird Fanta Mandarinegefärbt. Sie steht im Supermarkt-Regal direkt neben FantaLemon, die ihre schöne Gelbfärbung dem synthetischenChinolingelb (E 104) verdankt. Natürliches Carotin hat ei-nen ADI-Wert von 5 mg/kg, der des synthetischen Chino-lingelb ist aber doppelt so groß. Lebensmittelfarbstoffe, na-türliche und synthetische, werden in einer Mischkost al-lerdings in so geringen Mengen aufgenommen, dass eine ge-sundheitliche Gefährdung ausgeschlossen ist.

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Antioxidationsmittel und Konservierungsstoffe

Um die tägliche Versorgung mit Nahrungsmitteln kontinu-ierlich und unabhängig von der Jahreszeit zu garantieren,nutzten die Menschen schon seit grauer Vorzeit allerlei Me-thoden zur Konservierung: Salzen, Pökeln, Einzuckern, Räu-chern, Trocknen und Vergären. Diese Konservierungstech-niken werden heute noch genutzt und viele der heute zu-sätzlich verwendeten konservierenden Zusatzstoffe wurdenbereits im 19. Jahrhundert entwickelt.

Verschiedene physikalisch, chemisch und biologisch be-dingte Veränderungen können Lebensmittel ungenießbarmachen. Diese Zerstörungen sind erheblich, schätzungs-weise 20 % aller Lebensmittel erreichen nicht den Ver-braucher, weil sie vorher ungenießbar geworden sind [21].Heute verlängern wir die Haltbarkeit von Lebensmitteln aufzweierlei Art: Verhinderung von Oxidationsprozessen durchAntioxidationsmittel und Bekämpfung von Mikroorganis-men durch Konservierungsstoffe.

Antioxidationsmittel bewahren Lebensmitteln vor un-erwünschten Oxidationsprozessen. Diese Aufgabe erfüllenindirekt auch Schutzgase (z.B. E 938–E 942), die bei derAbfüllung oder Verpackung den Sauerstoff verdrängen. Wir-kungsvoller ist aber der Zusatz von Antioxidationsmitteln,d.h. Reduktionsmitteln, die z.B. das Braunwerden von ge-schnittenem Obst oder das Ranzigwerden von Fetten ver-hindern. Allgemein zugelassen für Anwendungen in derwässrigen Phase sind Ascorbinsäure (Vitamin C, E 300) undihre Salze (E 301–E 302). Für lipophile Phasen werden be-vorzugt die Fettsäureester der Ascorbinsäure (E 304) unddie Gruppe der Tocopherole (Vitamin E, E 306–E 309) ver-wendet. Die synthetischen Antioxidationsmittel (E 310–E321) sind nur für einige Lebensmittel in begrenzten Men-gen zugelassen.

Konservierungsstoffe verlängern die Haltbarkeit von Le-bensmitteln durch Wachstumshemmung schädlicher Mi-kroorganismen. Bakterien, Hefen, Schimmelpilze etc. ma-chen Lebensmittel durch Farbveränderungen nicht nur un-ansehnlich, sondern auch gefährlich, denn einige Mikroor-ganismen geben Toxine ab, die für Menschen ein erhebli-ches Risiko darstellen. Das Bakterium Clostridium botuli-num gibt z.B. das Botulinumtoxin ab, die mit Abstandgiftigste Verbindung auf unserer Erde (LD50 = 0,0003 μg/kg,Maus) [22]. Schwere oder sogar tödliche Fleischvergiftun-gen waren früher bei uns keine Seltenheit, sind heute aberfast unbekannt. Im Sinne einer Vorsorgemaßnahme stelltdaher der Zusatz von Konservierungsstoffen selbst bei kri-tischstem Blick ein wesentlich geringeres Risiko dar, als ver-dorbene Lebensmittel zu verzehren.

Traditionelle Konservierungsstoffe wie Zucker (kan-diertes Obst), Salz (Salzheringe) und Essig (eingelegtes Ge-müse) gelten nach dem Gesetz als Zutaten. Die anderenKonservierungsstoffe sind Zusatzstoffe und dürfen nur be-stimmten Lebensmitteln in jeweils begrenzter Menge zu-gegeben werden. Darunter fallen auch in unserem Körpergebildete Stoffe wie Milchsäure (E 270), die Salze der Pro-

pionsäure (E 280–E 283) und der Essigsäure (E 261–E 263)und Sorbinsäure (E 200) und ihre Salze (E 202–E 203). Ins-gesamt sind die zulässigen Höchstgrenzen der Konservie-rungsstoffe so gering, dass bei keinem der ADI-Wert auchnur annähernd erreicht wird [2, 23].

Schwefeldioxid, unser Sorgenkind?In einer gemischten und vernünftigen Ernährung geht vonkeinem Zusatzstoff nach dem gegenwärtigen Kenntnisstandeine gesundheitliche Gefährdung aus [24]. Nur mit Schwe-feldioxid, SO2, können die ADI-Werte gelegentlich über-schritten werden. Der Zusatz von SO2 ist bei über 70 Le-bensmitteln zugelassen, und man muss nüchtern feststellen,dass es in vielen Fällen einfach keinen Ersatz gibt. Der ADI-Wert für Schwefeldioxid und Sulfite (E 220–E 228) [25] be-trägt 0,7 mg/kg/d und die zugelassenen Höchstmengen inder folgenden, kleinen Auswahl von Lebensmitteln zeigen,dass dieser Wert nur bei einer sehr einseitigen und eintö-nigen Ernährung überschritten werden kann.

gesalzener Trockenfisch 200 mg/kgBurgerfleisch mit einem Getreideanteil von über 4 % 450 mg/kg Chips und andere getrocknete Kartoffelerzeugnisse 50 mg/kg tiefgefrorene weiße Gemüsesorten 50 mg/kggetrocknete Tomaten 200 mg/kg Konfitüren 50 mg/kgSpeisesirup oder Melasse 70 mg/kgSenf (250 mg/kg), Dijon-Senf 500 mg/kg Trockenfrüchte, z.B. Aprikosen 2000 mg/kgFleisch-, Fisch- und Meerestier-ersatzprodukte 200 mg/kg Rotwein 160 mg/lWeißwein 210 mg/lSpätlesen, Auslesen etc. 300–400 mg/l

Der Grund, warum SO2 bzw. Sulfite in sehr vielen Le-bensmitteln verwendet werden, ist der hervorragendeSchutz gegen das Wachstum von Mikroorganismen, wobeidie Wirkung im niedrigen pH-Bereich am besten ist. Sulfitesind auch hervorragende Reduktionsmittel (= Antioxidati-onsmittel), die viele enzymatisch katalysierte Oxidationen(z.B. Ranzigwerden) unterbinden und die Bildung von un-erwünschten Aromanoten verhindern. Kurzum, die Grup-pe E 220–E 228 ist für die Verlängerung der Haltbarkeit vie-ler Lebensmitteln unersetzbar.

Der SO2-Gehalt des Weins ist ein kritisches Problem. Beieinem ADI-Wert von 0,7 mg/kg/d und der zulässigenHöchstmenge von 200 mg im Liter Wein dürfte ein 70 kgMensch bedenkenlos täglich 50 mg SO2 zu sich nehmen[26]. Bei einer gesetzlich zulässigen Höchstmenge von et-wa 200 mg/l [27] entspräche das genau einem Schoppen(0,25 l). Zur Beruhigung sei aber darauf hingewiesen, dassdie heutigen Weine im allgemeinen weniger als 100 mg SO2/kg enthalten, so dass ein halber Liter am Tag bedenkenlosgetrunken werden darf. Bei regelmäßigem Weingenuss in

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DA S D E U T S C H E Z U SAT Z S TO F F M U S E U M I N H A M B U RG |

Im Mai 2008 wurde das Deutsche Zusatzstoffmu-seum auf dem Gelände des Hamburger Groß-markts eröffnet, der Träger ist die Hamburger Le-bensmittelstiftung. Die Geldgeber dieser Stiftungsind vor allem die Kelterei Walther und die FirmaFRoSTA, die Obstsäfte bzw. Tiefkühlkost aus-schließlich ohne Zusatzstoffe herstellen. Der FRoSTA-Geschäftsführer Felix Ahlers begründetsein finanzielles Engagement wie folgt: „Wir unter-stützen das Deutsche Zusatzstoffmuseum, weil wir vor der Umstellung auf unser Reinheitsgebotselber nicht glaubten, auf Zusatzstoffe komplettverzichten zu können. Seit 2003 zeigen wir, dass es zwar teurer, aber möglich ist.“

Sowohl die Herstellung zusatzstofffreier Tiefkühl-produkte als auch das Engagement der FirmaFRoSTA beim Aufbau und Betrieb des Museumssind begrüßenswert, allerdings ist die finanzielleund juristische Verquickung zwischen Museumund FRoSTA eng.

Ein genauer Blick auf die Homepage des Museumsund vor allem ein Besuch mit einer Schulklasse zei-gen, dass eine differenzierte Gegenüberstellungdes Für und Wider von Zusatzstoffen nicht beab-sichtigt ist, wie man es von einem Zusatzstoffmu-seum erwarten würde. Schon im ersten Raum wirdman mit einem Chemikalienregal voller großerOriginalflaschen von Merck, Fluka & Co mit denZusatzstoffen konfrontiert. Chemiker denken dabei

nichts Böses, aber an den entsetzten Schülerge-sichtern kann man die erzielte Wirkung ablesen.Und das ist Absicht, denn der negative Tenor wirdwährend der ganzen Führung durchgehalten. Damit kein Missverständnis aufkommt, Lebens-mittelzusatzstoffe müssen ständig kritisch be-leuchtet werden, damit Verbraucher daraus fürsich Schlussfolgerungen ziehen und ein entspre-chendes Kaufverhalten entwickeln können. Aberwenn sich ein Museum, dass sich etwas sehr groß-spurig als „Deutsches Zusatzstoffmuseum“ be-zeichnet und mit der Titelwahl suggeriert, es seiein Ableger des „Deutschen Museums“ in Mün-chen, dann erwartet man die Einhaltung wenigs-tens der einfachsten wissenschaftlichen Standards.Dann müsste auch darauf hingewiesen werden,dass z.B. die EU-Öko-Verordnung zwar künstlicheFarbstoffe, Süßstoffe, Stabilisatoren und Ge-schmacksverstärker verbietet, aber jene Zusatz-stoffe ausdrücklich zulässt, ohne die bestimmteLebensmittel einfach nicht hergestellt oder haltbargemacht werden können. Dieses Prinzip wird auchin den noch strengeren Richtlinien der ökologi-schen Anbauverbände verfolgt. Man kann ebennicht alle Zusatzstoffe über einen Kamm scheren.Vor allem fehlt jegliche Kritik am Kaufverhaltender Verbraucher, d.h. der Museumsbesucher selbst.Wenn Menschen nicht mehr bereit oder in Lagesind, Bratkartoffeln oder Eierkuchen selbst in einerPfanne zuzubereiten, und statt dessen ungekühltewig haltbare und möglichst wie das Original

schmeckende Fertigpackungen verlangen, danngeht das nun mal nicht ohne Konservierungsstof-fe. Wenn nur nach light-Produkten verlangt wird,dann müssen die Hersteller, die sich natürlich anden Marktwünschen der Verbraucher orientieren,auf kalorienfreie Süßstoffe und Verdickungsmittelzurückgreifen.

Insgesamt stellt sich die Frage, was die wissen-schaftlichen Berater dieses Museums bei ihrer kon-zeptionellen Planung außer Polemik und Produkt-werbung im Sinn hatten. Von Udo Pollmer [44],der von seinen knackigen und vollmundigen Sprü-chen, die häufig weit an der Wahrheit vorbeirau-schen, gut leben kann, wird niemand Anderes er-wartet haben. Dass aber Prof. Georg Schwedt indieses Museumsprojekt zwar seinen guten Namen,aber nicht einmal ein Mindestmaß an Seriositäthat einbringen können, ist unverständlich.

Trotzdem, ein Besuch im Hamburger Zusatzstoff-museum lohnt allemal, allerdings nur, wenn mandie dortigen unausgewogenen Darstellungen mitkritischen Augen betrachtet.

Deutsches ZusatzstoffmuseumGroßmarkt, Bankstr. 28 20097 Hamburg Öffnungszeiten: Mi–Fr: 11–17:00 Uhr Sa, So: 10–17:00 Uhr

Mit diesem stimmungsvollen Stillleben wirbt das Deutsche Zusatzstoffmuseum im Internet um Besucher. In der ersten Reihe steht u.a. eine FlascheE 514 (Natriumsulfat, Glaubersalz). Ob die meisten der jungen Museumsbesucher wissen, dass Karlsbad und viele andere Kurorte gerade wegendes hohen E 514-Gehalts ihrer Heilquellen besucht werden und unsere Krankenkassen dies auch aus gutem Grund bezahlen?

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dieser Größenordnung fragt sich allerdings, ob nicht dochder Alkohol das größere „Gift“ ist.

Dass sowohl die EU-Ökoverordnung als auch die meistnoch strengeren Vorschriften der ökologischen Anbauver-bände die Zugabe von Sulfiten ausdrücklich zulassen, machteins deutlich: Ohne Sulfite ist Wein auf kommerzieller Ba-sis nicht herstellbar. Schauen wir genauer hin und fragenuns, was Sulfite im Wein tun. Einmal entfalten Sulfite ihregrößte antimikrobielle Wirkung im schwach Sauren, alsodem für Weine typischen pH-Wertbereich. Dabei wirkenSO2 und Sulfite gegen Bakterien, so dass bakteriell verur-sachte Weinkrankheiten verhindert werden, aber auch ge-gen Schimmelpilze und Hefen, so dass eine reintönige Gä-rung möglich wird. Weiterhin stabilisieren Sulfite die Wein-farbe, da oxidative Enzyme gehemmt werden. Obendreinverbessern Sulfite in Maßen den Geschmack und das Aro-ma des Weines, indem sie mit sensorisch unerwünschtenInhaltsstoffen reagieren. Das Oxidationsprodukt von Etha-nol, der Acetaldehyd (Ethanal), verleiht bei hohen Kon-zentrationen einem Sherry die dort gewünschte charakte-ristische Note, die aber in Trinkweinen als unerwünschtund überoxidiert empfunden wird. In jungen Weinen liegtdie Acetaldehydkonzentration unterhalb von 75 mg/l, steigtaber während der Reifung auf Werte bis zu 400 mg/l an.Durch Reaktion mit Sulfiten werden etwa 80 % des freienAcetaldehyds als Bisulfitaddukt entfernt und dadurch derGeruchsschwellenwert bei 100 mg/l unterschritten [28].Das Resultat: Der Wein wird „frischer“.

Unverträglichkeiten gegenüber LebensmittelnUnter Lebensmittelunverträglichkeit fasst man alle repro-duzierbaren Körperreaktionen auf ein bestimmtes Lebens-mittel zusammen. Man muss zwischen Allergien und Pseu-doallergien unterscheiden [29]. Im Auftrag des Bundesmi-nisteriums für Gesundheit wurden 13.000 Berliner auf ge-nerelle Lebensmittelunverträglichkeiten befragt [30]. In 35 % der über 4.000 Rückmeldungen wurden solche sub-jektiv empfundenen Unverträglichkeiten bestätigt. Dieserhohe Wert ließ sich allerdings nach genauer Befragung undUntersuchung nur in wenigen Fällen klinisch bestätigen.Auf die Bevölkerung hochgerechnet treten echte Allergiennur in 2,5 % und Pseudoallergien (gegen eine Mischung von23 Zusatzstoffen) nur in 1,1 % der Bevölkerung auf.

Der Begriff Lebensmittelallergie ist eindeutig definiert:eine durch Immunoglobulin-E (IgE)-Antikörper vermittelteSofortreaktion [31]. Hat man durch früheren Verzehr einesAllergens bereits Antikörper gebildet (Sensibilisierung),führt ein erneuter Verzehr selbst geringer Mengen zu dentypischen Symptomen wie laufende Nase, Atembeschwer-den, Hautjucken, Magen-Darm-Beschwerden bis zum Kreis-laufkollaps. Egal um welche Lebensmittelallergie es sichhandelt, auslösender Faktor ist immer ein im Nahrungs-mittel enthaltenes Protein oder Glykoprotein mit einer Mol-masse zwischen 10 und 80 kDa. Zum Schutz für betroffeneAllergiker muss die Verwendung von allergenhaltigen Zuta-ten [32] auf der Verpackung angegeben werden (Tabelle 4).

Die Deklarierungspflicht von allergenhaltigen Zutatenhat in Deutschland eine tragikomische Seite. Nach EU-Rechtmüssen die Hersteller die allergenhaltigen Zutaten ange-ben, unbeabsichtigte Kontaminationen mit anderen aller-genhaltigen Zutaten z.B. durch ungewollte, geringfügigeVermischung bei der Abfüllung, können logischerweisenicht deklariert werden, denn sie geschahen ja unwissent-lich. Nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz aber istein Hersteller schadensersatzpflichtig, wenn einem Aller-giker Schaden wegen eines nicht-deklarierten Allergens wi-derfährt. Das gilt auch für den Fall, dass das Allergen un-wissentlich in das Produkt gelangt ist. Daher warnen vieleHersteller auf jedem ihrer Produkte gegen alle in ihrer ge-samten Fabrikation verarbeiteten allergenen Zutaten. Da-mit sind sie zwar juristisch aus dem Schneider, wenn aberauf jeder Tafel Bitterschokolade vor Haselnussspuren ge-warnt wird, hat die Deklarierung völlig ihren Sinn verlo-ren. Einem schokophilen Nuss-Allergiker hilft das überhauptnicht, denn er weiß letztlich doch nicht, ob er die Schoko-lade nun essen darf oder nicht. Hier wäre eine mit Augen-maß gefundene Regelung dringend wünschenswert, die denHersteller genügend juristisch und den Allergiker genügendgesundheitlich schützt.

Unverträglichkeiten gegenüber Lebensmittel-zusatzstoffen

Echte Allergien: Da echte Allergien immer von einem Pro-tein ausgelöst werden, können nur zwei Zusatzstoffe eine

TAB. 4 A L L E RG E N K E N N Z E I C H N U N G

AU F V E R PAC K T E N L E B E N S M I T T E L N

Auf den Verpackungen von Lebensmittelprodukten müssendie folgenden, während der Produktion eingesetzten aller-genhaltigen oder andere Unverträglichkeitsreaktionen auslö-sende Zutaten deklariert werden [43]. Es sind aber vor allemdie Lebensmittel, die häufig Allergien auslösen, nicht die Le-bensmittelzusatzstoffe. Das in der letzten Zeile aufgeführteSO2 fällt daher als einziger Zusatzstoff heraus.

Glutenhaltiges Getreide und Getreideerzeugnisse

Krebstiere und Krebstiererzeugnisse

Eier und Eiererzeugnisse

Fisch und Fischerzeugnisse

Erdnüsse und Erdnusserzeugnisse

Soja und Sojaerzeugnisse

Milch und Milcherzeugnisse einschl. Laktose

Schalenfrüchte: Wal-, Kaschu-, Pecan-, Para- und Macadamia-nüsse, Mandeln und Pistazien sowie daraus hergestellte Erzeugnisse

Sellerie und Sellerieerzeugnisse

Senf und Senferzeugnisse

Sesamsamen und Sesamsamenerzeugnisse

Lupine und Lupinenerzeugnisse

Weichtiere und Weichtiererzeugnisse

Schwefeldioxid und Sulfite in Konzentrationen größer 10mg/kg SO2

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Allergie auslösen: Invertase (E 1103) und Lysozym (E 1105).Invertase wird zur beschleunigten Umwandlung von Rohr-zucker in ein honigartiges Gemisch aus Trauben- undFruchtzucker zugesetzt und kommt vor allem in Süßigkei-ten mit weicher Konsistenz vor, z.B. in Marzipan. Lysozymwird aus Hühnereiweiß isoliert und nur bei der Herstellungvon gereiftem Käse verwendet. Allergiker sollten auf denGenuss von Produkten mit diesen beiden Zusatzstoffen ver-zichten.

Pseuodallergien: Einige Menschen reagieren auch aufniedermolekulare Stoffe mit typisch allergischen Sympto-men, obwohl kein Protein beteiligt ist. Diese Reaktion wirdals Pseudoallergie bezeichnet. Während eine allergische Re-aktion selbst von geringsten Mengen ausgelöst wird, hängtdie Stärke einer pseudoallergischen Reaktion von der auf-genommenen Menge ab. Die sogenannte Aspirin-„Allergie“ist dafür ein typisches Beispiel. Aber nicht nur Medikamenteund Zusatzstoffe, sondern auch natürlich vorkommende In-haltsstoffe in Lebensmitteln wie Aromastoffe, Salicyl- undBenzoesäure in Tomaten, Beerenobst und Gewürzen kön-nen bei ca. 1 % der Erwachsenen und bis 2 % der KinderPseudoallergien auslösen. Dies ist deutlich weniger, als dieMedien vortäuschen.

Für den Betroffenen macht es keinen Unterschied, ob„pseudo“ oder nicht, denn ihm geht es in beiden Fällengleich schlecht. Der Unterschied liegt im physiologischenAblauf. Bei der echten Allergie werden nach dem Erstkon-takt mit dem auslösenden Protein (Allergen) die passendenAntikörper gebildet. Bei einem wiederholten Verzehr bin-den die Antikörper sofort an das Protein-Allergen und dergebildete Komplex bindet anschließend selektiv an Mast-zellen, die dann Histamin ausschütten. Bei den Pseudaoal-lergien bindet das niedermolekulare Pseudoallergen direktund unspezifisch an die Mastzellen. Auch dies führt letzt-lich zur Ausschüttung von Histamin. Das Resultat ist in bei-den Fällen gleich und die unangenehmen Symptome eben-falls.

Eine sichere Diagnostik einer Pseudoallergie ist schwie-riger als die einer echten Allergie, da ein Antikörpertestnicht möglich ist. Die auslösenden Allergene können nur immühseligen und zeitaufwendigen Ausschlussverfahren iden-tifiziert werden. In der letzten Spalte der Tabelle, die unterwww.chiuz.de als zusätzliches Material beim Aufsatz abge-legt ist, sind alle heute im Verdacht stehenden Zusatzstoffeaufgelistet, die Auslöser von pseudoallergischen Reaktio-nen sein können. So wird geschätzt, dass bei 0,01–0,1 % der Bevölkerung Tartrazin (E 102) pseudoallergischeReaktionen (Ekzeme und Asthma) auslöst, wobei viele derdavon Betroffenen kreuzallergisch gegen Salicylate und Ace-tylsalicylsäure sind [33].

Weitere Lebensmittelunverträglichkeiten: Schon seit ei-niger Zeit wird kontrovers diskutiert, ob die Aufnahme ei-niger Lebensmittelzusatzstoffe mit dem Auftreten des Auf-merksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndrom (ADHA, Zap-pelphilipp-Syndrom) bei Kindern im Zusammenhang steht.Im Verdacht stehen die Azofarbstoffe E 102, E 110, E 122,

E 124 und E 129, der Nicht-Azofarbstoff E 104 (Chinolin-gelb), der Konservierungsstoff E 211 (Natriumbenzoat) unddie Phosphate. Sowohl das Bundesinstitut für Risikobe-wertung 2007 [34], wie auch die EFSA 2008 [35] kamen zudem Schluss, dass keine ausreichenden wissenschaftlichenBeweise für einen Zusammenhang vorliegen. Die EU-Kom-mission und das Europäische Parlament setzten sich wohlaus politischen Gründen darüber hinweg und ab Juli 2010müssen Lebensmittel mit den genannten Zusatzstoffen denHinweis „kann die Aufmerksamkeit bei Kindern beein-trächtigen“ tragen.

In seltenen Fällen können Menschen durch eine gene-tische Veranlagung oder Stoffwechselstörungen durch Ab-bauprodukte einzelner Zusatzstoffe Schaden nehmen. Diesbetrifft die Süßstoffe Aspartam (E 951) und das Aspartam-Acesulfamsalz (E 962), die im Körper u.a. zu der für diemeisten Menschen völlig harmlosen natürlichen Amino-säure Phenylalanin abgebaut werden. Menschen, die an Phe-nylketonurie (PKU) leiden, können Phenylalanin nicht ab-bauen und diese Störung führt zu einer Anreicherung miternsten gesundheitlichen Folgen. Aus diesem Grund findensich auf den entsprechenden Produkten (z.B. kalorienarmeLimonaden wie Cola light) der Warnhinweis: „enthält einePhenylalanin-Quelle“.

Bei Menschen mit einem gestörten Harnsäureabbau la-gert sich Harnsäure in Gelenken und weichen Gewebetei-len kristallin ab. In Folge treten die typischen Krankheits-symptome der Gicht (Hyperurikämie) auf. Diese Menschensollten die Geschmacksverstärker E 626–E 635 meiden, diezu Harnsäure abgebaut werden können.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass von den heu-te zugelassenen Zusatzstoffen nach dem gegenwärtigenKenntnisstand keinerlei Gefahren ausgehen und dass wirheute die höchste Lebensmittelqualität seit Menschenge-denken auf unserem Tisch haben. Lebensmittelvergiftun-gen, die unsere Vorfahren über Jahrhunderte quälten undunzählige Menschen das Leben kosteten, gehören dank ei-niger der Zusatzstoffe in unseren Breiten praktisch der Ver-gangenheit an. Ziel der gesetzgeberischen Institutionen derEuropäischen Union ist es, die auf bestimmte Zusatzstoffemit Unverträglichkeit reagierenden Verbraucher durch ein-fache und aussagekräftige Deklarierungen so zu informie-ren, dass jeder sein für ihn optimales Kaufverhalten entwi-ckeln kann. Sachverstand über die hier dargestellten Zu-sammenhänge kann dabei nicht schaden.

ZusammenfassungIn der Europäischen Union dürfen über 300 Lebensmittelzu-satzstoffe verwendet werden. Die meisten davon sind völligharmlos und werden schon seit Jahrhunderten oder sogarJahrtausenden genutzt. Alle anderen sind gründlich unter-sucht worden und werden weiterhin durch nationale, euro-päische und Gesundheitsbehörden der Vereinten Nationenüberwacht. Lebensmittelzusatzstoffe verbessern das Erschei-nungsbild und verzögern den Verderb von Lebensmittelpro-dukten. Sie schützen uns auch vor Lebensmittelvergiftungen

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durch bakterielle Toxine z.B. in Wurstwaren oder sie verbes-sern sogar die geschmackliche Qualität wie beim Wein. Spre-chen wir es offen aus: Niemand liebt Lebensmittelzusatzstof-fe, aber ihre Vorteile sind unbestritten.

SummaryOver 300 additives may be legally used in the European Unionas food additives. Most of them are not harmful at all, as theyhave been already used for centuries or, in some cases, evenfor millennia. All of them have been studied very carefully andare closely watched by cooperating National, European andUnited Nations institutions. Food additives improve the ap-pearance and extend the shelf life of food products and avoidspoilage. They also protect us from food poisoning induced bybacterial toxins, i.e., in sausages and they can even improvefood quality as in wine. Let’s face it, nobody likes food addi-tives, but their usefulness cannot be denied.

DanksagungWir danken Dr. S. Streller und Dr. P. Winchester, Freie Uni-versität Berlin, und Dr. P. Kuhnert, Königswinter, für ihrewertvolle Hilfe.

Literatur und Anmerkungen[1] Von wegen! E 260 ist Essig und wird seit Menschengedenken in der

Küche verwendet, vom Salat bis zum Linseneintopf, von süß-saurenEiern bis zum Bismarckhering.

[2] E. Lück und K.-H. Remmert, Z. f .d. gesamte Lebensmittelrecht,11997766, 3, 115.

[3] Zulassungsverordnung: www.gesetze-im-internet.de/zzulv_1998/index.html; Kennzeichnungsverordnung: http://bundesrecht.juris.de/ bundesrecht/lmkv/gesamt.pdf; Verkehrsverordnung:http://bundesrecht.juris.de/zverkv_1998/.

[4] Einzelne Mitgliedsstaaten können Zusatzstoffe in traditionellenProdukten verbieten, z.B. darf das nach deutschem Reinheitsgebotgebraute Bier keine Zusatzstoffe enthalten.

[5] Umgekehrt könnten innovationsfreudige Molekularköchinnen und -köche lebensmittelrechtlich völlig korrekt mit E 939 gefüllte undim Raum dahinschwebende Windbeutel herstellen. Und warumnicht Sahne mit einem 2:1-Gemisch von E 949 und E 948 steifschlagen und damit eine Eisbombe krönen? Diese Sahne hätte denNamen Schlagsahne wirklich verdient und die nach der Explosionherumfliegenden Eis-Sahne-Portionen würden jedes Menu zu einemunvergesslichen Event machen.

[6] Zum Einstieg in dieses interessante Gebiet eignet sich das folgendeaktuelle Buch: Lexikon Lebensmittelzusatzstoffe, E. Lück, P.Kuhnert, 22000099, Behr’s Verlag, Hamburg.

[7] http://beck-online.beck.de/default.aspx?bcid=Y-100-G-ZZulV.[8] www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-

1178620753812_1178700117557.htm.[9] http://www.sciencedaily.com–/releases/2007/05/

070517063011.htm.[10] Bedenklich ist vor allem der mit den gewaltigen Limonadenmengen

aufgenommene Zucker und die daraus resultierende Gewichtszu-nahme bei Kindern. Siehe Nationale Verzehrstudie: www.bmelv.de.

[11] K. Roth, Chemie Unserer Zeit, 22000088, 42, 42.[12] Seit 2005 ermittelt der weltweit zweitgrößte Lebensmittelhersteller

Kraft Foods bei den europäischen Verbrauchern alle sechs Monatederen Kenntnisstand über einen ausgewogenen Lebensstil und diepraktische Umsetzung. Die Diskrepanzen sind erschütternd: Mehrals zwei Drittel der Befragten halten Bewegung und eine ausgewo-gene Ernährung für wichtig, aber nur jeder fünfte Deutsche treibt

regelmäßig Sport und rund 60 % sind übergewichtig. Trotzdemglauben 75 % der Befragten in guter oder sehr guter körperlichenVerfassung zu sein. Die Deutschen fürchten bei ihrer Gesundheit ammeisten Herzkreislauf- und Krebserkrankungen, ihr eigenesÜbergewicht rangiert nur auf Platz 4. Trotzdem wollen über dieHälfte abnehmen, aber sie tun es nicht. Siehe www.kraftfoods.de/kraft/downloads/dede1/Understanding_the_Health_Gap.pdf.

[13] Alle Verdickungsmittel sind gesundheitlich völlig unbedenklich undsowohl von den Gesundheitsbehörden der EU als auch der USA alsLebensmittel-Zusatzstoffe zugelassen. Einen leicht verständlichenÜberblick gibt: Der Mensch is(s)t misstrauisch, E. Lück, 22000077,Humboldt Verlag, Hannover.

[14] Durch längere Säurebehandlung bei hohen Temperaturen werdendie langen Carrageen-Ketten abgebaut. Diese teilabgebautenCarrageene zeigen in Tierversuchen eine fördernde Wirkung vonGeschwürbildungen und Änderungen im Immunsystem. Dasunveränderte Carrageen zeigt diese Veränderungen nicht. Vor-sichtshalber hat die EU die tägliche akzeptabel Dosis auf 75 mg/kgfestgelegt. Auf der anderen Seite zeigt eine neue Studie, dassCarrageen eine hemmende Wirkung auf Papillomviren hat, dieGebärmutterhalskrebs auslösen können (C.B. Buck et al., PLOSPathogens, 22000066, 2, 671).

[15] Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vom7.8.2007.

[16] www.zusatzstoffe.online.de.[17] Zur kommerziellen Herstellung von Glutamat siehe: A. Ault,

J.Chem.Educ. 22000044, 81, 347.[18] R.H.M. Kwok, New Engl. J. Med., 11996688, 278, 796.[19] R.S. Geha et al., J. Allergy Clin. Immunol. 22000000, 106, 973.[20] Die Zitate von K. Beyreuther und U. Grimm stammen aus B. vom

Lehn, Die Welt, 22000055,, Ausgabe 12.Januar.[21] Dies gilt nur für entwickelte Länder, in der Dritten Welt dürften die

Verluste noch wesentlich höher liegen.Antimicrobial Food Additives, (2 nd ed.), E. Lück and M. Jager, 11999977,Springer Verlag, Heidelberg.

[22] Mit rund 5 g reinem Botulinumtoxin könnte man die ganzeBundesrepublik menschenleer machen. Die giftigste synthetischeVerbindung ist das „Dioxin“ (genauer: 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-dioxin). Mit einem LD50 = 22 μg/kg ist es um den Faktor 100000weniger toxisch als „Botox“. siehe Chemie Rekorde, 2. Auflage, H.-J. Quadbeck-Seeger et al., 11999999, Wiley-VCH, Weinheim.

[23] Dem interessierten Leser sei zum weiteren Eindringen in dasinteressante Gebiet der Konservierungsstoffe die folgende Lektüreempfohlen: Chemische Lebensmittelkonservierung. Stoffe –Wirkungen – Methoden, E. Lück and M. Jager, 11999955, 3. Auflage,Springer Verlag, Heidelberg.

[24] Allergische und pseudoallergische Reaktionen und andere Unver-träglichkeiten sind hierbei natürlich ausgenommen.

[25] Das gasförmige Schwefeldioxid ist schwer dosierbar und wirdLebensmitteln in Form fester Sulfite zugesetzt. Da sich in wässrigerLösung immer ein Gleichgewicht zwischen gelöstem SO2, Hydro-gensulfit HSO3

- und Sulfit SO32- einstellt, werden diese drei Verbin-

dungen als lebensmittelrechtlich gleichwertig betrachtet und dieSulfitmengen immer auf mg SO2/l umgerechnet.

[26] Achtung, dieser Wert schließt nicht Unverträglichkeiten ein. Etwa 2–5 % der Asthmatiker haben eine Unverträglichkeit gegenüber SO2

und Sulfiten. Diese Personengruppe muss besonders vorsichtigsein, wobei bedacht werden sollte, dass Weißwein meist mehrSulfite enthält als Rotwein. Mengen von unter 10 mg/l werdenmeist gut vertragen, höhere Mengen müssen auf dem Etikettdeklariert werden.

[27] Heute liegt der SO2-Gehalt von Weinen meist deutlich unter 100 mg/l.

[28] The Chemistry and Biology of Winemaking, I. Hornsey, 22000077,The Royal Society of Chemistry, Cambridge.

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[29] Streng genommen müssen auch psychosomatische Reaktionen(z.B. Aversionen), Enzymdefekte und Lebensmittelvergiftungenberücksichtigt werden. A. Constien und I. Reese, Ernährungs-Umschau, 22000077, 3, 146.

[30] T. Zuberbier et al., Allergy, 22000044, 59, 338.[31] A. Paschke, Nachrichten aus der Chemie, 22000088,, 56, 1005.[32] Auch wenn allergenhaltige Stoffe nur aus technologischen Gründen

bei der Herstellung eingesetzt werden, also keine Zutaten imengeren Sinn sind, müssen diese deklariert werden, da eineKontamination nicht ausgeschlossen werden kann.

[33] Man darf bei dieser kritischen Bewertung von Allergien undPseudoallergien gegen Zusatzstoffe nicht den Maßstab verlieren.Allergien gegen Lebensmittel selbst sind um ein Vielfaches häufigerals gegen Lebensmittelzusatzstoffe. Hier eine auf klinischen Datenbasierende Hitliste der Lebensmittelallergien mit abnehmenderHäufigkeit: Apfel, Haselnuss, Kiwi, Sellerie, Getreidekörner, Gewür-ze, Zitrusfrüchte. C. Thiel in Chemie und Physik in Küche undErnährung (ed. D. Rohwedder und M. Hacks), 11999922, Wissenschafts-verlag Wellingsbüttel, Hamburg.

[34] BfR Stellungnahme 040/2007 vom 13. September 2007.[35] http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-

1178620753824_1178694648892.htm.[36] Essential Guide to Food Additives, V. Emerton und E. Choi, 3rd

edition, 22000088, Royal Society of Chemistry, Cambridge; Verbraucher-schutzinformationssystem des Bayrischen Staatsministeriums fürUmwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz; Bundesverband „DieVerbraucher Initiative e.V.“; www.bmelv.de/cae/servlet/content-blob/382688/publicationFile/21941/Lebensmittelzusatzstoffe.pdf;aid-Informationsidenst: www.aid.de/verbraucher/zusatzstoffe_gesundheit_allergien.php.

[37] Weil das Alte Testament (Leviticus 11:20) den Verzehr von Insektenverbietet, ist gläubigen Juden der Genuss von mit Cochenillegefärbten Nahrungsmitteln verboten. Lebensmittel, die mit demsynthetischen Farbstoffen gefärbt wurden, gelten als unbedenklich.Siehe K. Roth, Chemie Unserer Zeit, 22000088, 42, 42.

[38] Handbuch der Naturfarbstoffe, H. Schweppe, 11999933, ecomed,Landsberg.

[39] loc. cit. in Berliner Zeitung, 22000077, Ausgabe vom 24. Juli; H. Fabian,Campari Deutschland, private Mitteilung.

[40] K. Roth, Chemie Unserer Zeit, 22000088, 42,160; 226.[41] Gelatine als ein ausgezeichnetes Verdickungsmittel fehlt hier, da es

lebensmittelrechtlich kein Zusatzstoff, sondern eine Zutat ist. [42] Carbohydrate Chemistry and Biochemistry, M.L. Sinnott, 22000077,

Royal Society of Chemistry, Cambridge.[43] Richtlinie 2000/13/EG vom 6. Mai 2000; geändert durch Richtlinie

2003/89/EG vom 10. November 2003; ergänzt durch Richtlinie2006/142/EG vom 22. Dezember 2006.

[44] Udo Pollmer, das ist das „Europäische Institut für Lebensmittel- undErnährungswissenschaften e.V“, mit dessen anmaßenden Namen erlautstark durch die Medien „pollmert“. „Modifizierte Stärke hat mitnormaler Kartoffelstärke noch so viel zu tun, wie ein Tretroller miteinem Porsche.“, ist ein typisches Pollmersches Kleinod deroriginellen, aber völlig sinnfreien Art, denn kein Leser wird jeergründen können, was mit diesem Vergleich ausgedrückt werdensoll. „Schokolade haben die Food-Designer so optimiert, dass mangar nicht aufhören kann zu essen: Nach dem Schlucken hinterlässtdie Schokolade dank der Kakaobutter eine typische, leicht fettig-pelzige Mundauskleidung, die ein klein wenig unangenehm ist.Schnelle Abhilfe schafft das nächste Stück“, das ist ein flotterPollmer der abstrusen Art, der Chocolatiers unterstellt, sie erzeugenbewusst beim Verbraucher Suchtverhalten. Im übrigen ist UdoPollmer einer der wenigen Menschen, dem ein im Mund langsamdahin schmelzendes Stück Schokolade unangenehm ist. Er kanneinem Leid tun!

Die AutorenNach dem Studium der Pharmazie in Mainzpromovierte Erich Lück, Jahrgang 1929, in Frankfurtam Main im Fach Lebensmittelchemie. Dortbegründete er 1957 in den Farbwerken Hoechst dieForschungs- und Entwicklungsabteilung Lebensmit-teltechnik. Seine Spezialgebiete waren der Konser-vierungsstoff Sorbinsäure und der SüßstoffAcesulfam-K. Daneben leitete er viele Jahreeinschlägige nationale und internationale Fachgre-mien. Sein literarisches Werk umfasst nebenteilweise in fremde Sprachen übersetzte Monogra-phien über Konservierungsstoffe ein HandbuchLebensmittelzusatzstoffe und das in vier Auflagenerschienene, weltweit umfassendste englisch-deutsche Fachwörterbuch des Lebensmittelwesens.

Professor Klaus Roth von der Freien UniversitätBerlin ist ständiger Autor dieser Rubrik.E-Mail: [email protected]