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Die Eisfalle

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Nr. 168Die EisfalleSein Name ist in den Annalen der Geschichte nicht verzeichnet - doch seine Tat istbeispielhaft...von William Voltz

Wie wenig die Weiten der Galaxis mit ihren Myriaden Sonnen und Planeten im Grunde genommen erforschtsind, obwohl sich Tausende von Explorerschiffen seit Jahren der Forschungsaufgabe widmen, zeigen dieEreignisse der Jahre 2326 und 2327 besonders deutlich.Obwohl die Terraner unter Perry Rhodan nunmehr seit Jahrhunderten die Sternfahrt praktizieren - zuerst mitden Transitionsraumern, dann mit den Kalup-Schiffen, wurde erst im Jahre 2326 durch einen Zufall dieExistenz der Schreckwürmer und deren Nachkommenschaft, der Hornschrecken, entdeckt.Terranische Sonderkommandos - Wissenschaftler, Soldaten, Spezialisten und Mutanten - hatten bei demVersuch, die Geheimnisse der Schreckwürmer zu enträtseln, bereits schwere Schlappen hinnehmen müssen, bises schließlich vier Männern der USO, der von Lordadmiral Atlan geleiteten »galaktischen Feuerwehr«, gelingt,Kontakt mit dem jungen Schreckwurm vom Planeten Euhja herzustellen.Dieser Schreckwurm gab das Geheimnis seiner Spezies preis und schloss mit den Terranern ein Bündnis gegenseine Herren, die »Huldvollen«, die im Ostsektor der Milchstraße mit ihren unverwundbarenmolkexgepanzerten Raumflotten ein großes Sternenreich beherrschten. Es ist ein seltsames Bündnis, das dieTerraner mit den monströsen Intelligenzen eingegangen sind. Ein Bündnis mit einem großen Risiko.Doch Perry Rhodan weiß genau, was er tut! Er erkennt deutlich die riesengroße Gefahr, die von - den sichschnell ausbreitenden Blues - so werden die Fremden aus dem Osten der Galaxis ob ihres Aussehens genannt -ausgeht.Und diese Gefahr will Perry Rhodan bannen!Im Zuge der weiteren strategischen Maßnahmen wird die Eastside-Station einsatzbereit gemacht. Sie ist dasSprungbrett in DIE EISFALLE ...Alle bisher erschienenen Perry-Rhodan-Romane sind, falls im Zeitschriftenhandel bereits vergriffen, noch überder Verlag zu beziehen.

Die Hautpersonen des Romans:Don Kilmacthomas - Die Blues können ihn nicht fangen.Oberst Mos Hakru - Kommandant eines unglückseligen Schiffes.Sergeant Wallaby - Er hat einiges wiedergutzumachen.Perry Rhodan - Der Großadministrator setzt 3000 Raumschiffe für ein Ablenkungsmanöver ein.Oberst Joe Nomers - Seine Raumstation ist Ausgangspunkt und Endstation eines großangelegten Unternehmens.Leclerc - Anführer der Blues.

1.

Dies ist die Geschichte von Leutnant DonKilmacthomas.

Es ist gleichzeitig die Geschichte derEastside-Station Nummer 1 und des SchlachtkreuzersTRISTAN und der Männer, die auf ihnen ihre Pflichterfüllten.

Sucht man in den unzähligen Bänden derEnzyklopädie der Menschheit nach dem NamenKilmacthomas, dann wird man ihn trotz allerAnstrengung nicht finden. Es gibt zwar eineBeschreibung der TRISTAN und der ESS-1, es gibtauch eine ausführliche Schilderung einesheldenhaften Einsatzes, aber Namen werden darinnicht erwähnt, sieht man einmal von so bekanntenMännern wie Melbar Kasom, Mos Hakru und Joe

Nomers ab.Als Leutnant Don Kilmacthomas an Bord der

TRISTAN eintraf, wusste er nicht, daß er nur nochwenige Tage zu leben hatte. Er starb am 7. Juni 2327.Wahrscheinlich ist sein Körper auch heute noch sogut erhalten, daß ein Beobachter glauben könnte,Kilmacthomas sei nur bewusstlos.

Leutnant Don Kilmacthomas liegt unter einerEisdecke von 600 Metern Dicke begraben. Seinedunkelblauen Augen haben einen leicht erstauntenAusdruck, als könnte er nicht verstehen, was ringsum ihn geschah. Mit beiden Händen umklammert ereinen Thermostrahler.

Kilmacthomas war nicht der einzige Mann, der beidem Versuch, Verbindung zu dem geheimnisvollenSystem der Gataser aufzunehmen, sein Leben ließ.Aber sein Schicksal erscheint besonders tragisch.

Der Einsatz, bei dem Kilmacthomas den Tod fand,

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war sein erster.Unter halbgeöffneten Augen verfolgte Sergeant

Wallaby die Bemühungen des jungen Mannes, denschweren und übergroßen Koffer den Landesteghinaufzutragen.

Wallaby war ein breitschultriger Mann, mitkantigem Gesicht und an den Schläfen ergrautenHaaren.

Er hielt sich für feinfühlig, für intelligent,zurückhaltend, gebildet und erfahren.

Er war nichts von alledem.Seine einzige Fähigkeit bestand darin, die

Beladung eines Schiffes zu kontrollieren, fehlendeTeile schnell zu organisieren und Untergebene mitlautstarkem Gebrüll einzuschüchtern.

Als der junge Mann mit dem Koffer ungefähr dieHälfte des Weges zurückgelegt hatte, schob Wallabydie Dienstmütze in den Nacken und stemmte beideArme in die Hüften.

Der junge Mann lächelte erwartungsvoll zu ihmempor, voller Hoffnung, daß Wallabyherunterkommen und ihm helfen würde. Er hatte einrundes offenes Gesicht, mit dunkelblauen Augen undeinem ausgeprägten Grübchen im Kinn. Er war nichtsehr groß, aber schlank, und er hatteaußergewöhnlich große Arme. Bekleidet war er miteiner einfachen Kombination, so daß Wallaby nichtahnen konnte, daß er einen Leutnant vor sich hatte.

Wallabys Augen richteten sich durchdringend aufden Kofferträger, während sein Vermutung, eineneinfältige Kadetten vor sich zu haben, durch dasseltsame Verhalten des jungen Mannes bestätigtwurde. Der Sergeant fühlte Verachtung in sichaufsteigen. Was wollte dieser Knabe bei einemEinsatz wie diesem?

Doch darüber, erkannte Wallaby betrübt, hatte ernicht zu, entscheiden.

Das einzige, was unter seine Befehlsgewalt fiel,war dieser monströse Koffer aus gelbem Leder, dergegen die Verordnung verstieß, nach derBesatzungsmitglieder nur kleines Gepäck mit anBord bringen durften.

»He!« schrie Wallaby. Er wippte auf denFußspitzen, weil er herausgefunden hatte, daß ihmsolche Bewegungen ein großes Maß an Autoritätverliehen. Der junge Mann hingegen schien in keinerWeise beeindruckt. Er stellte den Koffer ab undwinkte Wallaby zu.

»Wollen Sie mir nicht helfen, dieses Ding zutransportieren?« erkundigte er sich freundlich.

Wallaby errötete bis hinter die Ohren. Hastigblickte er sich um, ob auch kein Mitglied derBesatzung diese öffentliche Demütigung gehört hatte.Dann richtete sich sein Zorn mit voller Energie gegenden jungen Fremden.

»Sie haben wohl Klapperschlangenmilch

gefrühstückt?« brüllte er los. »Wenn Sie schon mitzuviel Gepäck erscheinen, dann legen Sie wenigstensIhr flegelhaftes Benehmen gegenüber einemVorgesetzten ab.«

Der Ankömmling lächelte nachsichtig. SeineBlicke glitten suchend über den Landesteg.

»Welchen Vorgesetzten meinen Sie, Sarge?«fragte er.

»Dafür wird man Sie einlochen«, versicherteWallaby mit giftiger Stimme. »Auch als Kadettdürfen Sie nicht so naiv sein, die Rangabzeichennicht zu kennen.«

»Sarge«, sagte der junge Mann gedehnt. »StehenSie stramm!«

Wallabys Augen weiteten sich bestürzt, als dervermeintliche Kadett in die Brusttasche griff und dasRangabzeichen eines Leutnants an die Kombinationheftete.

»Ich ... äh ... ich konnte nicht wissen, Sir«, beganner.

»Mein Name ist Kilmacthomas«, sagte der jungeMann. »Don Kilmacthomas.«

Aus Wallabys Mund kam ein leises Stöhnen. Dawar er also, dieser Kilmacthomas, den alle Offizierean Bord der TRISTAN mit Spannung erwarteten.

Natürlich war der Junge Leutnant, aber er war einPlanetenkriecher, noch nie hatte sein Fuß eine fremdeWelt betreten. Für Wallaby war es rätselhaft, wie einsolcher Mann überhaupt Offizier werden konnte.

Wie hieß es doch gleich in dem Bericht überKilmacthomas, den Wallaby heimlich in der Zentralegelesen hatte?

»Er, der Leutnant, hat eine vollständigeAusbildung über das Verhalten auf Eisplanetenoberhalb und innerhalb des Eises mit großem Erfolgbeendet. Als Berater kann er bei diesem Einsatz vongroßem Nutzen sein.«

Wallaby knurrte spöttisch. Wie konnte ein Mann,der die Erde niemals verlassen hatte, etwas vonEiswelten verstehen? Kilmacthomas war einer diesertypischen Theoretiker, wie sie die Akademie immerwieder hervorbringen würde.

Wallaby nahm Haltung an.»Ich bitte Herrn Leutnant in aller Form um

Entschuldigung«, sagte er mit wiedergewonnenerFassung. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen,daß die Beschränkung des Gepäcks auch für dieOffiziere gilt.«

Kilmacthomas entblößte eine Reiheunregelmäßiger Zähne, als er den Sergeantenanlachte.

Er ist ja noch ein Junge, dachte Wallaby grimmig.»Dieser Koffer enthält private Geräte«, sagte der

Leutnant. »Ich habe eine Genehmigung, sie an Bordder TRISTAN bringen zu dürfen, da sie zu meinerAusrüstung gehören. Ohne diese Spezialausrüstung

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kann ich nicht arbeiten.«Im stillen dachte Wallaby sehr verächtlich, von

Spezialisten, die ihre Ausrüstung in einem Koffer mitsich herumschleppten.

»Warum haben Sie Ihre Ausrüstung nichtverladen, Sir, wie die anderen Spezialisten?«

Kilmacthomas hockte sich auf den Kofferrand,schlug die Beine übereinander und klopfte behutsamgegen den Deckel.

»Diese Geräte sind sehr empfindlich. Ich will siekeiner Verladeautomatik anvertrauen. Seien Sievorsichtig, wenn Sie den Koffer jetzt in meineKabine bringen.«

»Gewiss, Sir«, sagte Wallaby mürrisch.Betont langsam schritt er den Laufsteg hinunter. Er

würde diesem grünen Burschen einmal zeigen, wiesolches Gepäck getragen wurde.

Kilmacthomas stand auf, als Wallaby neben ihmankam. Lächelnd sah er zu, wie Wallaby nach demKoffer griff. Der Sergeant sah ein kitschig-buntesEtikett, des Kilmacthomas auf das Leder geklebthatte.

Außerdem war ein Warnschild daran geheftet, dasjeden anhielt, vorsichtig mit dieser Last umzugehen.

Wallabys knochige Finger umschlossen den Griffdes Koffers.

Entschlossen hob er an. Es kostete ihn alle Kraft,das Gepäck des Leutnants überhaupt hochzuheben.Stöhnend stellte er wieder ab.

»Was ist da drin, Sir, etwa Erzproben?« fragte er.»Soll ich helfen?« erkundigte sich Kilmacthomas

sarkastisch.»Ich habe schon ganz andere Sachen getragen«,

versicherte Wallaby und nahm den Koffer wiederauf. Ächzend und schwankend ging er voraus,während Kilmacthomas gemächlich folgte. Ab undzu gab er dem Sergeanten einen wohlgemeinten Rat.

So kam Don Kilmacthomas, der Theoretiker, anBord der TRISTAN.

Die Kugel aus Terkonitstahl, die den zweitenPlaneten der Sonne Lysso umkreiste, trug den NamenEastside. Station Nummer 1, kurz ESS-1 genannt. ImAugenblick war sie 58111 Lichtjahre vom SystemSol entfernt.

Aber diese Entfernung interessierte die Männer anBord weniger. Ein anderes, viel näher gelegenesSonnensystem nahm ihre Aufmerksamkeit voll inAnspruch.

ESS-1 war nur 9842 Lichtjahre von der SonneVerth entfernt.

Das Verth-System jedoch war die Heimat derBlues.

Oberst Joe Nomers, Kommandant der ESS-1verließ seine Kabine eine gute Stunde vor jenemZeitpunkt, da man den Kontaktimpuls der TRISTANerwartete.

Nomers war schon über fünfzig Jahre alt, einuntersetzter muskulöser Mann mit völligem Kahlkopfund dünnen, stets blau angelaufenen Lippen. DerOberst wirkte unauffällig, ein Eindruck, der durchseine Schweigsamkeit nur unterstrichen wurde.

Nomers ging ohne Hast in Richtung desKontrollraumes. Mit leichtem Unbehagen dachte erdaran, daß man die 800 Meter durchmessende ESS-1von allen überflüssigen Maschinenanlagen befreithatte. Auch schwere Waffen befanden sich nicht anBord.

Der riesige Ferntransmitter akonischer Bauart, denman in der Station untergebracht hatte, verschlangallen Platz. So war die ESS-1 eher eine im Raumschwebende Transmitterstation als ein Raumschiff.Da Nomers Raumschiffskommandant war, fühlte er,wie jeder Raumfahrer, eine heftige Abneigung gegenalle Schiffe mit unvollständiger Ausrüstung.

Der Planet, den die ESS-1 umkreiste, trug denEigennamen Griez. Er war eine Eiswelt vonüberdurchschnittlicher Größe, ohne Spuren vonLeben und Zivilisation.

Die kleine rote Sonne reichte nicht aus, um diebeiden Planeten dieses Systems so zu erwärmen, daßsich die zu Eis erstarrten Oberflächen veränderthätten.

Vielleicht, überlegte Nomers, waren irgendwo dortunter dem Eis die Spuren längst vergangenerZivilisationen, Spuren, die von intelligentenBewohnern berichteten. Gleich den Menschenmochten sie gehofft, geliebt und gelitten haben, bisdie erbarmungslose Natur einen Schlussstrich unterihre Entwicklung gesetzt hatte.

Nomers betrat die Zentrale der ESS-1. Im gleichenAugenblick fühlte er, wie die Spannung derBesatzung auf ihn übergriff. Es war, als übertrete ereine Schwelle zwischen zwei Räumen mit völligverschiedenen Atmosphären. Die langjährigeErfahrung hatte in Nomers ein eigenartiges Gefühlfür Veränderungen im menschlichen Verhaltengeschaffen. Aus den kleinsten Reaktionen einesMannes vermochte er dessen augenblicklicheVerfassung zu erkennen.

Vielleicht kam seine Schweigsamkeit daher, daß erfürchtete, seiner Umwelt ähnliche Hinweise zuliefern, daß er, es vermeiden wollte, durchschaut underkannt zu werden.

Nomers blickte zum Panoramabildschirm. DieESS-1 flog im Augenblick über der Tagseite desPlaneten Griez,so daß ein ziemlich deutliches Bildder Oberfläche übertragen werden konnte.

Der Oberst blickte sich schweigend um.Seine Blicke wanderten über jeden einzelnen

Mann. Gemächlich ging er zum Kommandopult. Vorihm, im Sessel, saß Leutnant Nashville, ein jungertemperamentvoller Offizier, das genaue Gegenteil zu

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Nomers.»Sie können jetzt frühstücken, Leutnant«, sagte

Nomers leise und klopfte Nashville auf die Schulter.»Danke, Sir«, sagte Nashville. Für sein Alter war

er zu dick, sein aufgeschwemmtes Gesicht wurde voneiner großporigen Nase verunziert, auf derSchweißtröpfchen glänzten. Erstaunlicherweisewirkte Nashville trotz seiner Fülle unglaublichbeweglich.

Er erhob sich und machte dem Oberst den Sesselfrei.

Für ihn stand es fest, daß Nomers während derKontaktaufnahme mit der TRISTAN die Stationpersönlich leiten wollte.

Da er genau wusste, daß Nomers kein weiteresWort verlieren würde, verschwand er mit kurzemKopfnicken aus der Zentrale. Nomers ließ sich imSessel nieder, der sich sofort seinem Körper anpasste.Da er wusste, daß kein Besatzungsmitglied inunmittelbarer Nähe war, gestattete er sich einentiefen Seufzer.

Nach seinen Begriffen war die ESS-1 Teil einesHimmelfahrtskommandos.

Zwar hatten sie den Vorteil, nicht unmittelbar indas Geschehen eingreifen zu müssen, aber das konnteeinen strategisch denkenden Mann wie Nomers nichtberuhigen.

Der Oberst sah den Plan in seiner Gesamtheit. Derschwache Punkt daran war die TRISTAN. Nichtetwa, daß dieses Schiff schlecht und unmodern, oderseine Besatzung unfähig war, sondern die Aufgabe,die man ihm zugedacht hatte, erschien Nomerseinfach undurchführbar.

Die TRISTAN sollte, das sah der Plan vor, in dasHerz des zweiten Imperiums vorstoßen - nach Verth!

Nomers dachte daran, wie gering die Chance war,daß ein fremdes Schiff in das Solsystem eindringenund auf Pluto landen konnte. Es war praktischunmöglich. Und doch sollte die TRISTAN dasUnmögliche schaffen. Perry Rhodan, der den Planausgearbeitet hatte, war bereit, für das Gelingeneinige hundert Schiffe während einesAblenkungsmanövers zu verlieren.

Ein hoher Preis, dachte Oberst Joe Nomers. Zuhoch, um nichts weiter zu erreichen, als einRaumschiff direkt in die Höhle des Löwen zubringen.

2.

Vor drei Monaten hatten schnelleErkundungskreuzer damit begonnen, die galaktischePosition der blauen Riesensonne Verthkoordinatenmäßig zu bestimmen. Die Daten, die denMännern dabei zur Verfügung gestanden hatten,waren alles andere als ausführlich. Zum größten Teil

musste man sich auf jene Ergebnisse beschränken,die Major Torav Drohner und seine Männer bei ihrerRückkehr mit der KOPENHAGEN an dasRechenzentrum auf Luna weitergegeben hatte.

Doch inzwischen hatte man nicht nurherausgefunden, wo das Heimatsystem der Gataserzu finden war. Man wusste, daß die Sonne Verth 14Planeten besaß, wovon die fünfte Welt, Gatas,gleichzeitig der Ursprungsplanet der Blues war. DerDurchmesser von Gatas betrug 14 221 Kilometer. Beieiner Bevölkerungsdichte von ungefähr 14 MilliardenBlues befand sich diese Welt im Zustandhoffnungsloser Überbevölkerung. Hier zeigte sichbesonders deutlich, daß der ungeheureExpansionsdrang dieser Wesen vor allem auf ihrerFruchtbarkeit beruhte.

Längst hatte Perry Rhodan herausgefunden, daßHerstellung friedlicher Kontakte zu den Bluesunmöglich war. Die Fremden schienen jeden zuhassen, der nicht ihrer Rasse angehörte. Das zeigtesich deutlich in der hemmungslosen Ausrottungehemaliger Kolonialvölker neuentdeckter Rassen.

Nur wer selbst ein Blue ist, kann mit Bluesverhandeln!

Diese lapidare Feststellung hatte Rhodan bewogen,neue Wege zu suchen, um mehr über den Gegner zuerfahren. In den ersten Junitagen des Jahres 2327hielt sich der Großadministrator an Bord desFlottenflaggschiffes ERIC MANOLI auf. Zusammenmit weiteren dreitausend Schiffen befand sich dieERIC MANOLI auf dem Flug in ein benachbartesSystem der Sonne Verth. Kommandant Kors Dantur,Epsalgeborener, einer der besten Piloten der Flotte,fragte sich seit einigen Stunden, warum PerryRhodan so schweigsam geworden war. In Gedankenversunken saß der Großadministrator in der Zentrale.Außer Rhodan hielten sich noch Reginald Bull undRegat Waynt, ein akonischer Spezialist, imKommandoraum auf. Hinzu kam natürlich dieübliche Besatzung. Von Regat Waynt, das hatteDantur längst herausgefunden, konnten keineImpulse kommen, die Rhodan aus den Grübeleien indie Wirklichkeit zurückholen würden. Waynt war einschweigsamer, schlanker, hohlwangiger Mann mitstechendem Blick und einem zynischen Ausdruck umdie Lippen. Nur Reginald Bull schien unter der Stilleebenso zu leiden wie Dantur. Schließlich war es auchder lebhafte Kommandant der ehemaligenarkonidischen Flotte, der das Schweigen brach.

»Ich wette, du denkst daran, das Unternehmen imletzten Augenblick noch abzubrechen«, sagte ergedehnt. »Auch ohne die telepathischen Fähigkeiteneines Mausbibers kann man dir das deutlichansehen.«

»Mach dir nur keine unnötigen Sorgen, Dicker«,sagte Rhodan ruhig.

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In einer verzweifelten Geste strich Bully die Jackeglatt, die bei ihm nie jenen strammen Sitz hatte, wieihn militärisch strenge Vorgesetzte in der Flottebevorzugten. Doch zum Glück hatte Bully praktischkeine Vorgesetzten, und Rhodan würde es nie in denSinn kommen, den Freund wegen des Aussehensseiner Uniform zu tadeln. »Keine Sorgen?«erkundigte sich Bully. »Es ist das Recht eines jedenMenschen, sich Sorgen zu machen, wann immer erwill. Ich will jetzt. Außerdem möchte ich nocheinmal vorschlagen, daß wir versuchen, über dieWiderstandsbewegungen in den Reihen der Bluesden erwünschten Kontakt aufzunehmen.«

Auf Rhodans Stirn erschien eine steile Falte.»Schließlich haben wir das schon praktiziert«,

sagte er. »Es ist doch sinnlos, wenn wir in dieserRichtung weitere Fehlschläge einhandeln. DieWiderstandsgruppen sind ebenso unzugänglich wiedie Gataser selbst. Wenn wir wichtige Ergebnisseüber das Imperium der Blues herausfinden wollen,dann müssen wir uns eben selbst darum bemühen.«

»Auch wenn wir dabei Gefahr laufen, den Kopf zuverlieren«, wandte Bully ein.

»In deinem speziellen Fall wäre das zwar keingroßer Verlust«, sinnierte Rhodan, »aber ich willdiese Gefahr nicht abstreiten.«

Bully betastete mit den Fingern ärgerlich seinenrothaarigen Schädel.

»Dein Widerwille gegen mein edles Köpfchenscheint auf Neid zu beruhen«, erklärte er würdevoll.»Schließlich kann man auch von anderen Leutennicht behaupten, daß ihr wertvollster Körperteiloberhalb des Rumpfes sitzt.«

Rhodan grinste, Dantur kicherte in sich hinein, undWaynts Lippen kräuselten sich spöttisch.

»Dreitausend Schiffe bieten wir auf, um derTRISTAN eine Landung auf dem vierzehntenPlaneten der Sönne Verth zu ermöglichen«, erinnerteReginald Bull. »Dreitausend Schiffe, um ein bisschenVerwirrung zu stiften.«

»Ein bisschen?« Rhodan schüttelte den Kopf.»Nein, Dicker, wir müssen die Blues dazu bringen,daß sie glauben, ein Großangriff sei im Gange. Ihregesamte Aufmerksamkeit muss auf das benachbarteSystem konzentriert sein, ihre Schiffe müssen dorthinabgelenkt werden. Bevor wir uns wieder absetzen,muss es der TRISTAN gelungen sein, unbemerkt zulanden und sich praktisch in das Eis jener Welt zubohren. Es ist vorgesehen, daß die TRISTANsechshundert Meter unter der Oberfläche anhält undein Kavernensystem ausbaut. Sie wird gegen optischeOrtungen vollkommen geschützt sein.«

»Der Gedanke daran läßt mich frieren«, gestandBully.

Rhodan lachte. Sie hatten keinen Anlass,anzunehmen, daß das Verth-System weniger

abgeschirmt war als das Solarsystem. Auch bei denBlues würde reger Schiffsverkehr herrschen.Wahrscheinlich gab es Raumund Wachstationen.Natürlich bestand auch die Möglichkeit, daß dieBlues während ihrer bisherigen Entwicklung nochnicht mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hauenund ihre Vorsicht deshalb nicht so ausgeprägt seinwürde wie die der Menschen.

Ebenso wie die Eastside-Station 1 war dieTRISTAN mit einem Großtransmitter akonischerKonstruktion ausgerüstet. Sobald es KommandantMos Hakru gelungen war, das Schiff unter dem Eisdes äußersten Planeten der Sonne Verth zu -verstecken, konnten von der ESS-1 aus Spezialistenins Verth-System einsickern. Sie mussten dazu nurdie Transmitter benutzen. Die größte Schwierigkeitbestand darin, einen Transmitter unentdeckt insHeimatsystem der Blues zu transportieren. Doch denführenden Männern des Vereinten Imperiums bliebkeine andere Wahl, als ein Risiko einzugehen. Siemussten mehr über den Gegner erfahren, bevor dieserentscheidend zuschlug.

Es war ein Kampf gegen die Zeit.

3.

»Stellen Sie ihn auf dem Bett ab, Sarge«, sagteKilmacthomas zu dem aufstöhnenden Wallaby.»Seien Sie vorsichtig.«

Sergeant Wallaby brachte den Koffer desLeutnants mit gemurmelten Flüchen an denangewiesenen Platz. Sein Gesicht war gerötet,entweder aus Zorn oder vor Anstrengung.Wahrscheinlich aus beiden Gründen.

Don Kilmacthomas sah sich in der Kabine um.»Bisschen eng hier, was, Sarge?« fragte er enttäuscht.»Die Unterkünfte der Mannschaft sind noch kleiner«,knurrte Wallaby. »Oberst Hakru begnügt sich miteiner ähnlichen Kabine wie Sie, Sir.« Wallaby hieltdas für eine äußerst diplomatische Äußerung, und erschnaubte zufrieden. Es sah nicht so aus, als würdeKilmacthomas ihm irgend etwas übel nehmen. »Siekönnen gehen, Sarge«, sagte der Leutnant.Unzufrieden wandte sich Wallaby um. Er hätte zugern gesehen, wie Kilmacthomas den Kofferauspackte. Er bezweifelte, daß der Offiziertatsächlich Geräte mitführte.

Er schlug die Tür hinter sich zu und blieb stehen.Hastig blickte er den Gang entlang. Niemand war zusehen. Noch waren nicht alle Offiziere eingetroffen.Hakru hielt sich wahrscheinlich in der Zentrale auf,um die Startvorbereitungen zu überwachen.

Wallaby schluckte nervös. Dann beugte er sichhinab, um durch das kleine Loch unterhalb desMagnetschlosses zu blicken. Er konnte direkt zumBett sehen. Nach einer Weile geriet Kilmacthomas in

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sein Blickfeld. Der Grünschnabel hatte sich derKombination entledigt und trug jetzt - Wallaby sah esmit Schmerzen - einen knallroten Hausmantel. DerSergeant ächzte. Glaubte dieser unerfahrene Bursche,daß sie zu einer Party flogen? Irgendwo hinter ihmentstand ein Geräusch. Er fuhr hoch, aber es war nureine automatische Luftklappe, die sich geöffnet hatte.Wallaby nahm den Beobachtungsposten wieder ein.

Kilmacthomas hockte sich neben dem Koffer aufsBett. In seinem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck.Wallaby fühlte den kühlen Luftzug, der aus demLoch kam, aber er ließ sich jetzt nicht beirren.

Da öffnete Kilmacthomas den Koffer. Durch dasGewicht hatte sich dieser nach vorn geneigt, so daßWallaby ohne Schwierigkeiten in das Innere blickenkonnte. Das Kinn des Sergeanten fiel nach unten.Seine Augen weiteten sich. Kilmacthomas hatte nichtein einziges Gerät in die Kabine gebracht. In diesemKoffer, den er, Sergeant Wallaby, wie ein Idiotgeschleppt hatte, befanden sich unzählige Flaschenmit verschiedenen bunten Etiketten. Und in denFlaschen - daran zweifelte Wallaby keine Sekunde -konnte nichts anderes sein als Alkohol. Leutnant DonKilmacthomas hatte alkoholische Getränke an Bordder TRISTAN geschmuggelt. Er, Wallaby, wardarauf hereingefallen. Er hatte das verdächtigeGepäck auch noch getragen!

Der Sergeant hätte heulen können. Dieser Burschemachte sich jetzt wahrscheinlich noch über ihn lustig.Kalte Wut stieg in Wallaby auf. Jetzt hatte er eineChance, diesem Greenhorn alles heimzuzahlen, waser ihm auf dem Landesteg angetan hatte. Wallabyrichtete sich hastig auf. Mit schnellen Schritten eilteer über den Gang. Er überlegte, daß es vielleichtbesser war, wenn er sich im Laderaum überzeugte,daß die Geräte des Spezialisten bereits an Bordwaren. Und zwar dort, wo sich die Ausrüstungen deranderen Männer auch befanden. Wallaby benutzteden Hauptschacht zum Laderaum. Als er aus demSchacht trat, sah er Korporal Lessink auf einer Kistehocken und mit mürrischem Gesicht eine Liste mitvor ihm liegenden Material vergleichen. Wallabyräusperte sich. Lessink zuckte zusammen und wandteden Kopf. Als er Wallaby sah, sprang er auf undwartete ergeben auf die Predigt, die nun unweigerlichfolgen musste. Doch Wallaby blieb entgegen deinensonstigen Gewohnheiten ruhig.

»Ich hätte gern eine Auskunft, Dan«, sagte er.»Natürlich, Sarge«, beeilte sich Lessink zu sagen.»Worum geht es?« »Du führst doch die Listensämtlicher Sachen, die heute auf die TRISTANverladen wurden?«

»Ja, Sarge.« »Sehr gut, Dan. Jetzt wirst du einmalnachsehen, ob du Geräte und Ausrüstung einesgewissen Leutnant Don Kilmacthomas erhaltenhast.«

Lessink lächelte dünn. »Da muss ich nicht erstnachsehen, Sarge. Ich weiß noch genau, wie der,Junge zu mir kam und mich bat, mit seinen Gerätenbesonders vorsichtig zu sein. Sie liegen dort drüben,bei den Glaswollesäcken, damit ihnen nichtspassieren kann.« Er blickte Wallaby lauernd an.»Stimmt etwas nicht mit dem Leutnant? Er kam mirein bisschen, na ...«

Doch Wallaby war bereits wieder im Schachtverschwunden. Der Sergeant gab sich keine Mühe,die aufsteigenden Triumphgefühle zu unterdrücken.Seiner Intelligenz, seinem Spürsinn und seinerMenschenkenntnis hatte man zu verdanken daßKilmacthomas entlarvt wurde, bevor er mit seinerTrunksucht die Disziplin auf dem Schiff untergrabenkonnte.

Wallaby eilte zur Zentrale.Wie er gehofft hatte, fand er Oberst Mos Hakru

dort vor. Hakru war ein zierlicher Mann, fastschmächtig. Er war 38 Jahre alt, Kosmonaut undgehörte als Physiker dem von Rhodan gebildetenExperimentalkommando an. Wallaby erstarrte ineiner militärischen Ehrenbezeugung, als Hakru aufihn aufmerksam wurde.

»Was ist los, Sarge?« fragte der Oberst.Obwohl sich Wallaby auf dem Weg vom

Laderaum hierher genau überlegt hatte, was er sagenwollte, fehlte es ihm jetzt an Mut, sich klarauszudrücken. »Es handelt sich um einen neuenOffizier«, sagte er schwerfällig. »Ich habe einenVerdacht, Sir.«

Hakrus Blick trieb ihm das Blut ins Gesicht.»Also los, Sergeant Wallaby«, forderte Hakru.

»Ich habe keine Zeit für Nebensächlichkeiten.«»Es sind einige Dutzend Flaschen alkoholischer

Getränke an Bord, Sir«, entfuhr es Wallaby. »Ichhabe durch einen ... äh ... Zufall gesehen, wie sieausgepackt wurden.«

»Wer hat sie wo ausgepackt?« fragte Hakru.»Leutnant Kilmacthomas, Sir«, stieß Wallaby hervor.»In seiner Kabine.« »Kilmacthomas ist der neueOffizier«, erinnerte sich Hakru. »Also gut, Wallaby,sehen wir nach, ob Ihre Anschuldigung stimmt. DerLeutnant wird sofort von Bord gewiesen, wenn Sierecht haben.«

Wallaby nickte zufrieden. Der schwere Kofferwürde noch einmal über den Landesteg geschlepptwerden.

Nach unten! Von Leutnant Don Kilmacthomas!Unmittelbar vor der Kabine des Leutnants machteSergeant Wallaby halt. »Hier wurde er einquartiert,Sir«, sagte er zu Hakru.

»Klopfen Sie«, befahl der Oberst. Wallaby hieltdie Zurückhaltung des Kommandanten gegenübereinem Alkoholschmuggler zwar für übertrieben, aberer pochte mit dem Knöchel gegen die Tür.

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»Reinkommen, wer immer es ist!« rief einejugendliche Stimme aus dem Innern.

Sergeant Wallaby hätte sich am liebsten die Händegerieben. Bedächtig drückte er die Tür auf.

»Achtung!« rief er lautstark. »Der Kommandant!«»Lassen Sie das, Sarge«, befahl Hakru verärgert undtrat ein.

Kilmacthomas trug noch immer den rotenHausmantel. Seine dunkelblauen Augen richtetensich ohne Verwirrung, aber voller Interesse auf denOberst. »Wir wurden uns bereits vorgestellt, Sir«,sagte er zu Hakru. Enttäuscht registrierte Wallaby,daß Kilmacthomas in keiner Weise verlegen war.Aber das würde noch kommen. »Ich hätte mich beiIhnen gemeldet, sobald der offizielle Countdownbeginnt«, hörte er Kilmacthomas sagen. Hakrudurchmaß die Kabine mit raschen Schritten. »Um eskurz zu machen, Leutnant: Sergeant Wallabybezichtigt Sie des Alkoholschmuggels auf ein Schiffder Flotte, das kurz vor einem wichtigen Einsatzsteht.«

Für einen kurzen Augenblick verlor das Gesichtdes Leutnants jede Freundlichkeit. Mit einemmal sahes auch nicht mehr so jung aus, wie es Wallaby inErinnerung hatte. Doch dann tauchte wieder das alteLächeln darin auf. »Sie haben also spioniert unddenunziert, Sarge«, stellte Kilmacthomas sachlichfest.

Wallaby hob die Augenbrauen. »Glauben Sie, daßSie mich beleidigen können, nachdem Sie entlarvtwurden?« fragte er würdevoll. Kilmacthomas zucktedie Achseln und zog den gelben Lederkoffer unterdem Bett hervor. Er klappte den Deckel auf, undHakrus Blick fiel auf die unzähligen Flaschen, vondenen Wallaby gesprochen hatte. »Stellen Sie fest, obAlkohol darin ist«, befahl der Oberst dem vorErregung zitternden Wallaby.

»Mit Vergnügen, Sir«, beeilte sich der Sergeant zusagen. Auf diese Weise konnte er kostenlos und ohnein Konflikt mit den Vorgesetzten zu kommen, einenguten Schluck nehmen.

Mit einer lässigen Geste griff Kilmacthomas eineder Flaschen heraus und überreichte sie Wallaby.

»Nehmen Sie diese«, empfahl er. Wallaby stießseine Hand zur Seite. »Ich suche mir selbst eine aus«,knurrte er. »Sie können mich mit einer FlascheFruchtsaft nicht irreführen.« Er holte seinerseits eineFlasche, öffnete sie und roch daran. Sein Gesichtverzog sich. »Was ist los, Sarge?« fragte Hakruungeduldig. »Ist es Alkohol oder nicht?« »Natürlichist es Alkohol, Sir«, flüsterte Wallaby, währendSchweißtropfen auf seiner Stirn erschienen. Er setztedie Flasche an und nahm einen tiefen Schluck.Kilmacthomas sah interessiert zu.

Wallaby bekam einen Erstickungsanfall, und derLeutnant musste ihm die Flasche aus den Händen

nehmen, bevor er sie fallen ließ. Der Sergeant wurdekreideweiß, seine Knie gaben nach.

»Was ist los, Sarge?« wiederholte Hakru seineFrage.

»Gift«, stöhnte Wallaby schwerfällig. »Es istirgendein Gift.«

»Es sind Reagenzien für Eisanalysen, Sir«, erklärteKilmacthomas. »Jede dieser Flaschen ist ungeheuerwertvoll und außerdem gefährlich. Deshalb habe ichvorgezogen, sie in meine Kabine bringen zu lassen.«

»Gefährlich?« hauchte Wallaby entsetzt. »Werdeich sterben?«

»Ich glaube nicht«, sagte Kilmacthomas sanft.»Die Flasche, die ich Ihnen überreichen wollte, hättelediglich Haarausfall bewirkt. Jetzt werden Siejedoch einen Ausschlag bekommen, der Sie eineWoche an das Bett fesseln wird. Ihr eigener Bruderwird Sie in diesem Zustand nicht erkennen. Aber eswird sich wieder bessern.« Wallaby schlug beideHände vors Gesicht. Hakru unterdrückte einGrinsen.»Gehen Sie jetzt, Sarge«, befahl er Wallaby.Jammernd verließ Sergeant Wallaby den kleinenRaum. Als sie allein waren, betrachtete Mos Hakruden jungen Offizier nachdenklich. »Dies ist Ihr ersterEinsatz, Leutnant?« fragte er nach einer Weile. »Ja,Sir«, antwortete Kilmacthomas. Hakrus Blickerichteten sich auf den roten Hausmantel, »Daswerden Sie natürlich ablegen«, ordnete er an. »Ja,Sir«, sagte Kilmacthomas.

Hakru wandte sich zum Gehen, aber an der Türdrehte er sich noch einmal um. Ein feines Lächelnspielte um seine Lippen. »Ich schätze, wir werden gutmiteinander auskommen, Leutnant«, sagte er.

»Ja, Sir«, sagte Leutnant Don Kilmacthomas. Ergrinste den Oberst mit entwaffnender Freundlichkeitan.

4.

»Funkspruch vom Flaggschiff!« rief Mowegan, derCheffunker der ESS-1 und überreichte Oberst JoeNomers einen Zettel, auf dem er die eingetroffeneMeldung entschlüsselt hatte. Um die Völker desImperiums nicht zu verängstigen, hatte Perry Rhodanwährend des Einsatzes darauf bestanden, daß jederFunkverkehr verschlüsselt wurde. Es musste aufjeden Fall vermieden werden, daß die Unruheinnerhalb verschiedener Kolonien und Sternenreichenoch stärker anwuchs.

Gerade in der jetzigen Lage konnte sich dasVereinte Imperium keine inneren Unruhen leisten.

Nomers überflog die Meldung mit einem schnellenBlick. Sie besagte, daß der Flottenverband, an derSpitze die ERIC MANOLI, den Ausgangspunkterreicht hatte, von dem aus die Operation gesteuertwerden sollte.

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Die TRISTAN konnte kommen.Sobald das Transmitterschiff ins Verth-System

eindrang, würden dreitausend Schiffe derImperiumsflotte einen waghalsigen Angriff auf einSystem fliegen, das die Blues besetzt hielten. Dorthatten sie kleine Stationen errichtet. Die Planetenselbst waren Methan- und Eiswelten, also nur inSchutzräumen für die Blues bewohnbar. Dennochmussten sie Stützpunkte in relativer Nähe ihresSystems für wichtig genug halten, um sie mit allerMacht zu verteidigen. Darauf baute sich RhodansPlan auf. Während die Gataser mit den angreifendenSchiffen des Imperiums vollauf beschäftigt waren,sollte die TRISTAN den gewagten Versuch machen,auf dem ungastlichsten aller Verth-Planeten zulanden. Rhodan hatte den Flottenverband nun an eineStelle gebracht, von der aus er in kurzer Zeit denScheinangriff starten konnte.

Nomers blickte auf die Borduhr. Wenn alles nachWunsch verlief, musste die TRISTAN in weniger alszwanzig Minuten in der Nähe der ESS-1 auftauchen.

Danach lagen noch 9842. Lichtjahre zwischen ihrund der Heimat der Blues.

Auf ihrer Umlaufbahn war die ESS-1 jetzt in dieNachtseite von Griez eingetreten. Nomers hatte denBildschirm, der der Oberflächenbeobachtung diente,ausschalten lassen. Auch auf der Tagseite gab es dortunten nichts zu sehen, außer den alles bedeckendenEismassen.

Auf einer ähnlichen Eiswelt würde die TRISTANlanden. Oberst Mos Hakru, ihr Kommandant, würdeversuchen, das Schiff mindestens einen halbenKilometer unter das Eis zu bringen.

Der Versuch würde innerhalb der Flotte einNovum darstellen, doch die fähigstenWissenschaftler hatten sich den Kopf darüberzerbrochen, wie dieses Vorhaben erfolgreichauszuführen war. In gewissen Sinn war Nomersdankbar, daß er nicht zu jenen Männern gehörte, dieunter das Eis mussten. Viel leicht war es wirklichrelativ ungefährlich, wie die Forscher behaupteten,aber es war auch bestimmt kein angenehmes Gefühl,über sich nichts als tödliche Kälte zu wissen.

Einige Minuten später kehrte Leutnant Nasville inden Kommandoraum zurück. Nomers sah zu, wie derdicke Offizier sich geschickt zwischen denKontrollen auf, ihn zu bewegte. »Frühstück beendet,Sir«, sagte er zu Nomers. »Ich habe auch bei demTransmitter nachgesehen. Die Techniker behaupten,es sei alles in Ordnung. Auch die Akonen, die manihnen zugeteilt hat, sind zufrieden. Sie sagten, jetztmüssten wir nur noch die Gegenstation aufbauen,dann könnten wir alles durch den Transmitterschicken, was nur hindurchgeht.«

»In Ordnung«, sagte Nomers knapp.Nashville verschränkte die Arme über der Brust.

»Ich traue diesen Akonen nicht«, sagte ernachdenklich. »Was geschieht, wenn sich einWiderstandskämpfer darunter befindet, der Sabotagebegeht?«

Nomers fuhr mit der Hand über den kahlenSchädel, als wollte er einen Druck über seinem Kopfbeseitigen.

»Ihre Abneigung gegenüber den Akonen scheintsich ausschließlich auf die männlichen Mitgliederdieser Rasse zu beschränken«, sagte er leise.

Eine dunkle Röte überzog Nashvilles Gesicht. »Ichhätte mir denken können, daß man Ihnen von dieserGeschichte berichtete, bevor man mich auf die ESS-1versetzte.«

»Sie haben jetzt Gelegenheit, Ihr Majorspatentzurückzugewinnen, das man Ihnen genommen hat,Leutnant«, sagte Nomers mit zusammengekniffenenLippen.

»Ich hatte diese Frau geliebt«, murmelte Nashvilleausdruckslos. »Ich konnte nicht ahnen, daß sie michnur benutzte, um Informationen über gewisseVorgänge in der Flotte zu erhalten, die vor denAkonen geheim bleiben sollten.«

»Sie sind Offizier«, sagte Nomers. »Sie müsseneinmal damit anfangen, Ihre Gefühle dem Verstandunterzuordnen. Man schätzt Ihre Fähigkeiten, deshalbbietet man Ihnen hier eine neue Chance. Unternormalen Umständen hätte ich Ihnen nichts davonsagen dürfen, aber Sie sollen wissen, woran Siesind.«

»Danke, Sir«, sagte Nashville.Nomers versuchte das Verhalten Nashvilles zu

verstehen, er fragte sich, ob auch ihm ein solcherFehler unterlaufen konnte? Er gestand sich ein, daßdiese Frage nur zu beantworten war, wenn man eineähnliche Situation hinter sich hatte. Es war nichtrichtig, Nashville wegen seiner Vergangenheit zumisstrauen oder gar zu verurteilen. In seiner,langjährigen Laufbahn hatte Nomers viele Offizierekennen gelernt, Nashville war bestimmt nicht derschlechteste unter ihnen.

»Ortung, Sir!« rief da Benton, der Chefkontroller.»Unbekanntes Flugobjekt nähert sich diesemSystem.«

Die TRISTAN!Nomers fühlte die Spannung von sich abfallen.

Jetzt endlich geschah etwas. Die Zeit des Abwartenswar vorüber. »Erkennungssignal anfordern!« befahler. Wenige Minuten später standen die ESS-1 und dieTRISTAN in Funkkontakt. Nomers meldete demSchiff, daß Rhodan mit dreitausend Schiffenbereitstand. Alles war bisher planmäßig verlaufen.Auch von der TRISTAN wurden keine Zwischenfällegemeldet.

In dem Augenblick, als die TRISTAN dasFunkgespräch mit der ESS-1 unterbrach, befand sich

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das Schiff noch genau 9842 Lichtjahre vom Herz deszweiten Imperiums entfernt.

Von nun an begann sich diese Entfernung sehrschnell zu verringern.

5.

Ein boshafter Mensch könnte einenWissenschaftler dadurch in Verwirrung bringen, daßer von ihm verlangt, er solle die Existenz einesRaumschiffes während eines Linearflugesnachweisen. Der Wissenschaftler sähe sich vor eineunlösbare Aufgabe gestellt, es sei denn, er befändesich an Bord des Schiffes. Tatsächlich ist einRaumschiff innerhalb der Librationszone nichtexistent, jedenfalls für Beobachter innerhalb desEinsteinuniversums und für solche, die sich aufirgendwelchen theoretischen n-dimensionalenEbenen aufhalten.

Ein Schiff im Linearflug hält sich praktisch ineinem selbstgeschaffenen Medium, in einem Raum,der weder von unserem Universum, noch vonübergelagerten Dimensionen zu beeinflussen ist. Beider Erschaffung der sogenannten Halbraumzonenutzt die mächtige Antriebskraft einesKalupKonverters die Labilität zwischen Normalraumund einem angenommenen Hyperraum (es gilt alssicher, daß es deren unzählige gibt) dadurch aus, daßsie in der Zwischenzone eigene physikalischeGesetze schafft.

Die Stabilität unseres Raum-Zeit-Kontinuums istbei weitem nicht so sicher wie wir glauben. DieGefahr, daß äußere Einflüsse Veränderungenhervorrufen, ist immer gegeben. Allein derZwischenfall mit dem DruufUniversum war einBeweis dafür. Für die Raumfahrt jedoch bietet dieseSchwäche zwischen den Normal und Hyperräumenden unschätzbaren Vorteil, unendlich erscheinendeStrecken in unglaublich kurzer Zeit zurücklegen zukönnen. Allein die Tatsache, daß die TRISTAN sichim Linearflug dem Sonnensystem der Blues näherte,bewahrte sie vor einer vorzeitigen Entdeckung.Leutnant Don Kilmacthomas war gerade dabei, demZweiten Offizier der TRISTAN, Leutnant Zang, eineNiederlage im Schachspiel beizubringen, als dieLautsprecher des Interkoms knackten, und dieStimme von Oberst Mos Hakru hörbar wurde.

»Alle Offiziere sofort in die Zentrale!« befahlHakru. »Wir tauchen jetzt kurz aus demLinearraum.«

Zang gab seinem König einen leichten Stoß, sodaß dieser umkippte und auf die andere Seite desBrettes hinüberrollte.

»Ich bin zwar Bordmeister«, grollte er, »abergegen Sie sehe ich wie ein Anfänger aus.«

Kilmacthomas stand auf und sammelte die Figuren

in einen Kasten. »Sie haben gute Anlagen«, sagte er.»Wenn Sie eifrig üben, können Sie vielleicht ineinigen Jahren ein Remis gegen mich herausholen.«

Zang grinste und schloss die Uniformjacke. Ohnebesondere Eile verstaute Kilmacthomas das Spiel imSchrank. »Gehen wir«, sagte er. Die beidenLeutnants traten auf den Gang hinaus. Die TRISTANdurchmaß 500 Meter, wie auf der ESS-1 hatte manden größten Raum für den Transmitter benötigt. Zwarwar die TRISTAN besser bewaffnet als die ESS-1,aber niemand an Bord war so kühn zu glauben, daßdas Schiff einem massierten Angriff standhaltenkönnte.

Die Besatzung war sich darüber im klaren, daß siesich durch ihre Verletzung der Grenzen desBluesImperiums einer tödlichen Gefahr aussetzte.Perry Rhodan hatte darauf geachtet, keineFamilienväter an Bord der TRISTAN zukommandieren.

Als Zang und Kilmacthomas den Kommandoraumbetraten, waren bereits alle Offiziere versammelt.Oberst Hakru hatte den Kommandosessel fürChefpilot Nortruk geräumt. Seine zierliche Gestaltstand gegen den Kartentisch gelehnt. »Wir werdennur wenige Augenblicke ins Einsteinuniversumzurückkehren, denn die Gefahr einer Entdeckung istgroß. Während dieser Zeit geben wir einenKurzimpuls an die ERIC MANOLI ab. Perry Rhodanwird dann den Scheinangriff auf das benachbarteSystem starten.« Hakru hustete. »Wir können nichtsagen, wie lange der Chef sich halten kann, aber umgroße Verluste zu vermeiden, müssen wir uns nachAbstrahlung des Impulses beeilen, den vierzehntenPlaneten der Sonne Verth zu erreichen und uns dortzu tarnen.« »Eine Frage, Sir!« rief Major Lassalle,der Erste Offizier des Schiffs. »Wir können nichtständig im Linearflug verweilen, bis wir die Eiswelterreichen und dort landen. Auch während derAnnäherung an den Planeten müssen wir aus demSchutz der Halbraumzone heraus.«

»Das stimmt«, nickte Hakru. »Wir werden inregelmäßigen Abständen ins Normaluniversumzurückkehren. Während der Landung können wir nurhoffen, daß der angreifende Flottenverband die Bluesso verwirrt, daß sie keine Zeit mehr haben, sich umden äußersten Planeten ihres Systems zu kümmern.«

Chefpilot Nortruk rief von seinem Platz aus:»Schiff fällt in Normalraum zurück, Sir!«

Bei einem so kleinen Mann wie Hakru wirkteunerschütterliche Ruhe beinahe beängstigend.

»Raumortung«, durchbrach seine Stimme dieaufkommende Stille. Bildschirme flammten auf,Ortungsgeräte schalteten sich ein. Die elektronischenund positronischen »Augen« der TRISTAN richtetensich in den Raum. Empfindliche Geräte fingen jedenenergetischen Stoß auf, der auf andere Schiffe

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hindeutete.»Raumortung läuft, Sir!« gab Chefkontroller

Brunner bekannt.»Schiff im Normaluniversum!« kam es von

Nortruk.Die Augen der versammelten Männer richteten

sich auf die Bildschirme. Man hatte ihnen gesagt, daßsie auf Schiffe stoßen würden. Ulan hatte ihnen auchgesagt, daß es viele sein würden.

Aber niemand hatte ihnen gesagt, daß die Zahl derFremdkörperortungen so groß sein würde, daß es füreinen Mann unmöglich war, sie zu zählen. Da konntenur noch die Positronik helfen. Auf Hakrus Gesichtspiegelte sich der Widerschein der Kontrolllichter. Esblieb maskenhaft starr. »Kurzimpuls an dasFlaggschiff!« ordnete er an. »Impuls ab!« rief derFunker vom Hyperkom.

Hakru drehte sich um. Er hob beide Arme, alswollte er sprechen, die Bewegung wirkte fast hilflos.

Aber er sagte nur: »Nortruk, zurück zumLinearflug.«

Die Bildschirme erloschen, die Nadeln derAnzeigetafeln fielen in Nullstellung zurück. Mitzunehmender Geschwindigkeit brach die TRISTANin die Librationszone ein.

Major Lasalle sprach zuerst. »Sir, das ist weitausschlimmer als wir erwartet hatten.«

»Ja«, sagte Hakru langsam. »DerRaumschiffsverkehr zwischen den einzelnenSystemen ist stark. Es sieht fast so aus, als hätte sichdie Fruchtbarkeit der Blues auch auf ihreRaumschiffe übertragen.«

Niemand lachte. Die Gedanken der Männerbeschäftigten sich nur mit einer Frage: Wie konnte esder TRISTAN gelingen, unentdeckt durch dieseUnzahl von Schiffen zu gelangen?

Die ersten Auswertungen des positronischenBordgehirns trugen nicht dazu bei, die Stimmung derBesatzung zu heben. Die Daten ergaben, daß es hierRaumstationen von überdurchschnittlicher Größe -gab. Sie dienten bestimmt dazu, die anderen Schiffeabzuschirmen und zu schützen. Dort gab es mitgroßer Wahrscheinlichkeit Ortungsgeräte, die ständigin den Raum hinaus »lauschten«, um jedenEindringling sofort zu erkennen.

»Wir müssen umkehren«, sagte Zang. Es waroffensichtlich, daß er nur das aussprach, was fast alleanderen dachten. »Leutnant Zang hat recht, Sir«,bekräftigte Major Lasalle. »Die Landung schaffenwir nie.«

»Sind Sie alle dieser Ansicht?« erkundigte sichHakru.

»Nein!« sagte eine feste Stimme.Die Köpfe der Offiziere fuhren herum, ihre Blicke

kreuzten sich mit denen Leutnant Kilmacthomas', derdieses entschiedene Nein gesprochen hatte.

»Wie denken Sie darüber, Leutnant?« fragte derOberst.

Kilmacthomas lächelte, als habe er nur dieAufgabe, auf einem Seminar zu sprechen, als gingees nicht um Leben und Tod. »Selbst wenn wirannehmen, daß die Blues viele Schiffe haben«,begann er, »kann die Zahl nicht so hoch sein, wie wirim Augenblick glauben. Ich vermute, daß eszwischen den einzelnen Systemen festgelegte Routengibt, auf denen ganze Flotten verkehren und Handelbetreiben. Wir hatten das Pech, ausgerechnet an einersolchen Stelle aufzutauchen, wo sich im Augenblickeine größere Zahl von Schiffen konzentrierte. MitSicherheit können wir annehmen, daß dies nichtüberall so ist.«

»Woher nehmen Sie diese Sicherheit, Leutnant?«fragte Major Lasalle. »Wie mir bekannt ist, haben Siekeine praktische Erfahrung mit Raumflügen.«Kilmacthomas schien den Spott zu überhören. SeinGesicht blieb freundlich. »Die Geschichte schufgenügend Präzedenzfälle, die beweisen, daß aucherfahrene Männer Fehler begehen«, sagte erungerührt. »Ich möchte Sie noch daran erinnern, daßdiese Schiffe in kurzer Zeit wie ein aufgescheuchterWespenschwarm durcheinanderfliegen werden - dannnämlich, wenn der Großadministrator denScheinangriff fliegt.«

Lasalle hatte eine ärgerliche Antwort auf denLippen, aber Hakru unterbrach die Diskussion miteiner knappen Handbewegung.

»Das genügt, meine Herren«, sagte er scharf. »Esgibt für die TRISTAN nur ein einziges Ziel: dasSystem der blauen Riesensonne Verth!«

6.

Wie von einer Geisterhand heraufbeschworen,stießen dreitausend terranischen Schiffe aus derHalbraumzone hervor und rasten in das kleineSonnensystem hinein. An der Spitze der Formationdie 1500 Meter durchmessende Kugel der ERICMANOLI. Nur drei Planeten besaß die Sonne, die sieanflogen, drei erstarrte Welten, die ihren Stern ingroßer Entfernung umkreisten. Hier hatten die Bluesnur kleine Stationen errichtet.

Zwei winzige Diskusschiffe ohneMolkexpanzerung unternahmen den todesmutigenVersuch, den Verband aufzuhalten. Es widerstrebteRhodan, mit einer solchen Übermacht über zweiSchiffe herzufallen, aber die Blues mussten glauben,daß es um alles ging. Sicher war bereits eineWarnmeldung im Verth-System eingelaufen.

»Zerstört sie nicht vollkommen«, befahl er denMännern in der Feuerleitzentrale. »Gebt ihnenGelegenheit zum Entkommen.«

Innerhalb von Sekunden waren die Diskusschiffe

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zu Wracks geschossen. Wie Rhodan vorausgesagthatte, suchten sie ihr Heil in wilder Flucht.

Rhodan ließ die Schiffe den ersten Angriff auf eineBodenstation fliegen. Kernabbrandbomben, diegenügt hätten, wesentlich größere Ansiedlungen zuzerstören, fielen auf die Oberfläche hinab, rissenKrater in Methan- und Ammoniakschnee.

Neutrinotorpedos schossen durch den Raum,wurden von den Männern an den Kontrollen anungefährlichen Punkten zur Explosion gebracht, umden Blues, wenn sie mit ihrer Kampfflotte eintrafen,ein möglichst echtes Feuerwerk zu bieten. Innerhalbdes kleinen Systems brach die Hölle los. Die Schiffefeuerten mit ihrer gesamten Waffenstärke aufpraktisch unwichtige Ziele. Doch dieHauptaufmerksamkeit der Männer war auf dieOrtungsgeräte gerichtet. In gespannter Erwartungblickten Rhodan, Bull und Dantur auf dieBildschirme. Würden die Blues auf ihrenstrategischen Trick hereinfallen? Ihre sinnloseZerstörungswut gegenüber allen Fremden musste siedazu bewegen, hier aufzutauchen. Lediglich RegatWaynt schien durch diese Geschehnisse nicht berührtzu werden. Uninteressiert hatte er sich an denKartentisch zurückgezogen.

Eine knappe halbe Stunde war vergangen, als einesder von Rhodan außerhalb des Systems stationiertenWachschiffe den ersten Alarm gab. Rhodan richtetesich auf. Sein hageres Gesicht blieb ausdruckslos.

»Sie kommen«, sagte er nur.

7.

Oberst Mos Hakru spürte, wie jemand hinter ihntrat. Als er sich umblickte, schaute er in dasjungenhafte Gesicht von Leutnant Kilmacthomas. Imersten Augenblick fühlte Hakru Verärgerung.

»Lachen Sie eigentlich immer, Leutnant?« fragteer. »Meistens, Sir«, gestand Kilmacthomas. Einerseiner langen Arme glitt an Oberst Hakru vorbei undwies auf den Bildschirm.

»Man könnte fast von einem Wunder sprechen«,sagte Kilmacthomas. » Die ganze Zeit über hatte ichbefürchtet, daß wir es nicht schaffen würden.«

Hakrus Ärger verflog. Kilmacthomas hatte recht -es war ein Wunder, daß sie diesen Planeten erreichthatten. Die vierzehnte Welt der Sonne Verth, ein über6000 Kilometer durchmessender Eisbrocken nichtgrößer als Pluto, zeigte sich auf den Bildschirmen derTRISTAN, die bereits zur Landung ansetzte.Chefpilot Nortruk bediente die Steueranlage. ImFalle der TRISTAN war nicht die eigentlicheLandung schwierig, sondern der geplante Versuch,das Schiff möglichst tief in das Eis zu versenken.

Leistungsstarke Thermostrahler sollten dieEisschicht verflüssigen, so daß die TRISTAN

einsinken konnte. Das Schmelzwasser würde nachoben verdrängt werden und über dem Schiff wiederzufrieren.

So stellte man sich jedenfalls den Ablauf einergelungenen Landung vor. Trotzdem würde sich einTrichter bilden, denn unter der Einwirkung derStrahler würde ein großer Teil des zu Flüssigkeitgewordenen Eises einfach verdampfen.

Mit gemischten Gefühlen starrte Kilmacthomasauf das sich ihnen bietende Bild. Theoretisch wussteer eine ganze Menge über Eiswelten, er konntebuchfüllende Abhandlungen über das Verhalten desEises in seinen verschiedenen chemischenZusammensetzungen schreiben. Aber da war dochein Unterschied, ob man am Schreibtisch saß oder ineinem Raumschiff war, das im Begriff stand, einenhalben Kilometer unter das Eis eines fremdenPlaneten zu dringen.

Wahrscheinlich erging es der übrigen Besatzungnicht viel besser.

Kilmacthomas war froh, daß Hakru einKommandant war, der keine Unklarheiten duldete. Erverstand es, die Männer zu führen. Auch MajorLasalle ließ sich bei seinen Bedenken keineswegsvon egoistischen Gefühlen leiten, hatteKilmacthomas festgestellt. Der Erste Offizier wolltelediglich unkontrollierbare Risiken vermeiden, eineTatsache, die man ihm nicht als nachteiligeEigenschaft anrechnen konnte.

Die TRISTAN ging unmittelbar über dieÄquatorlinie nieder. Die Ortungsgeräte zeigten keinfeindliches Schiff in gefährlicher Nähe. Sie hattenfeststellen können, daß mehrere Raumer der Bluesihren Kurs geändert hatten. Mos Hakru führte diesauf den inzwischen laufenden Scheinangriff Rhodanszurück. Verwirrung war unter den Gatasernausgebrochen. Sie mussten die ihnen zur Verfügungstehende Zeit nutzen, denn früher oder später würdeman unter den gatasischen Führern feststellen, daßsie auf einen Trick hereingefallen waren.

Die TRISTAN war eigens dafür umgebaut worden,nicht nur extreme Temperaturen, sondern auchüberdurchschnittliche Druckbelastungen auszuhalten.Mit Hilfe der Antigravfelder konnte man zwar volleSicherheit unter dem Eis garantieren, aber dieMöglichkeit bestand, daß die Generatoren ausfielen,dann musste man sich auf die Stabilität der Hülleverlassen können.

Mit ruhiger Stimme gab Nortruk die geringerwerdenden Höhen bekannt. Immer wieder wandertenKilmacthomas Blicke zu den Bildschirmen derRaumortung. Er rechnete ständig damit, daß sieangegriffen wurden, aber bisher war alles glattverlaufen.

Mit der Gelassenheit eines erfahrenen Pilotenbrachten Nortruk und seine Helfer das Schiff auf das

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Eis.»Gelandet, Sir«, gab er bekannt.Hakru erwachte aus seiner Bewegungslosigkeit.

Eine kurze Untersuchung ergab, daß das Schiff ineiner flachen Senke niedergegangen war. Um dieTRISTAN herum gab es nichts als Eis. Verth, dieblaue Riesensonne, war so weit entfernt, daß ihrLicht kaum ausreichte, dort draußen etwas sichtbarzu machen. Kilmacthomas glaubte zu erkennen, daßdas Land von schroffen Bergen zerrissen war,gefrorene Stoffe hatten groteske Figuren gebildet.

Die Thermostrahler waren wie ein Ring um dieTRISTAN herum angebracht worden. Sobald sie inTätigkeit traten, konnten sie praktisch jeden Punktinnerhalb eines 600 Meter durchmessenden Kreiseserreichen. Sie würden der TRISTAN eine Bahn in dieTiefe freischmelzen.

Kilmacthomas' Gesichtsmuskeln verkrampftensich. Es war möglich, daß sie sich ein riesiges kühlesGrab schufen, aus dem es keine Rückkehr gab.

»Thermostrahler abfeuern!« befahl Hakru,nachdem er sich noch einmal überzeugt hatte, daßkeine unbekannten Schiffe in der Nähe des Planetenaufgetaucht waren.

Die Männer innerhalb des Schiffes bekamen nichtviel von dem im Freien ausbrechenden Feuerwerk zusehen. Die Stabilisationskontrollen der TRISTANgerieten in Unruhe, als Nortruk die sinnlosgewordenen Landestützen einfahren ließ. Gemessenzur Landeebene kippte die TRISTAN in einemWinkel von knapp zehn Grad ab, aber dieThermostrahler pendelten diese Unregelmäßigkeitsofort aus, so daß der entstehende Schacht weiterdirekt nach unten führte.

Kilmacthomas bemerkte, daß Hakru es vermied,einen der Offiziere anzusehen. Die Augen des Majorswichen nicht von den Stabilisationskontrollen. Einezu starke Abweichung, das wusste Kilmacthomas,würde ihr Vorhaben zum Scheitern bringen: Beieinem derartigen Zwischenfall mussten sie froh sein,wenn sie sich in einem raschen Start retten konnten.

»Schiff sinkt, Sir«, sagte Nortruk, der anscheinendein Mann ohne Nerven war, solange er an denSteueranlagen saß.

Kilmacthomas blickte zu dem sehnigen,schwarzhaarigen Piloten hinüber. Eigentlich sahNortruk wie ein Durchschnittsmann aus, aber das warer wohl nicht.

Nortruk, ein fremdartiger Name, ÜberlegteKilmacthomas. Wer mochten die Vorfahren diesesMannes sein?

»Einhundert Meter, Sir!« rief Nortruk.Die TRISTAN sank weiter. Kilmacthomas

versuchte sich vorzustellen, was außerhalb desSchiffes vor sich ging. Die Thermostrahlerschmolzen eine riesige Öffnung in das Eis. Der

Leutnant bezweifelte, daß die Eisdecke tiefer alseinige Kilometer reichte. Wie die eigentlicheOberfläche des Planeten beschaffen war, konnte mannur erraten.

»Neigung fünfzehn Grad!« rief Lasalle mitheiserer Stimme eine Warnung an Nortruk.

Für Kilmacthomas war es unvorstellbar, wie einPilot in einer solchen Situation, die für ihn eine niezuvor gestellte Aufgabe darstellte, doch so reagierenkonnte, wie er die auf minimaler Stärke laufendenTriebwerke so einsetzen konnte, daß das Schiff einehalbwegs normale Lage einnahm.

Doch Nortruk schaffte es.»Acht Grad«, sagte Lasalle erleichtert.

Kilmacthomas hörte sich aufatmen.»Zweihundert Meter«, gab Nortruk bekannt. Mit

diesen Tiefenangaben war der Schiffsmittelpunktgemeint, so daß noch immer ein Teil der TRISTANüber das Eis ragte.

Die Abwärtsbewegung ging jetzt zusehendslangsamer vor sich. Kilmacthomas ahnte, daß sichabgeschmolzenes Eis und Millionen kleiner Brockenim Grund der Höhlung stauten. Da immer wenigernach oben abgestrahlt wurden, benötigten dieThermostrahler längere Zeit, um dem Schiff den Wegweiterhin freizuhalten.

»Dreihundert Meter, Sir«, sagte Nortruk.Kilmacthomas musste den intensiver werdenden

Wunsch unterdrücken, etwas gegen das Einsinken zuunternehmen. Er fühlte keine direkte Angst, aber dasUnbehagen wuchs in ihm. Seine Hände wurdenfeucht vor Aufregung. Oberst Hakru, musstenähnliche Gefühle empfinden. Gerade für Hakru wares schwierig, die Vernunft vor den blinden Drang zustellen, das Unternehmen abzubrechen.

»Starke Erhöhung der Temperatur im Abschnittsieben«, meldete sich Lasalle, der unentwegt dieKontrollen beobachtete.

Hakru und die Offiziere warfen sich fragendeBlicke zu.

»Wir beginnen im eigenen Saft zu schmoren, Sir«,bemerkte Nortruk trocken.

»Temperatur steigt schnell weiter, Sir«, riefLasalle. Seine Stimme klang schrill.

»Vierhundert Meter, Sir!« gab Nortruk bekannt.Hakru versuchte eine schnelle Entscheidung zu

treffen. Um vollständig gesichert zu sein, mussten sienoch mindestens hundert Meter tiefer. Aber dasSchiff war im Augenblick stark gefährdet. Solltet eres riskieren, noch tiefer zu gehen? »Um Himmelswillen, Sir, wir müssen anhalten«, stöhnte Lasalleverzweifelt.

Hakru ließ sich die eingehenden Werte geben. DieHitze hatte an einer Stelle der Hülle fast die kritischeGrenze erreicht, obwohl sämtliche Anlagenarbeiteten, die die Temperatur in Grenzen halten

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sollten.»Thermostrahler in Sektor sieben abschalten«,

befahl Hakru.Nortruk fuhr herum. »Sir, das wirft uns um«, kam

Hakrus bedenken.»Tiefe?« kam Hakrus Frage.»Vierhundertfünfzig, Sir.«Kilmacthomas ertappte sich dabei, wie seine

Hände den Kartentisch umklammerten. Die Männeratmeten in kurzen Zügen, als hätten sie einenschnellen Lauf hinter sich.

»Temperatur sinkt, Sir. Neigungswinkel bereitssechzehn Grad.«

»Thermostrahler wieder in Tätigkeit setzen«,ordnete Hakru an.

Nortruk sagte: »Fünfhundert Meter, Sir.«Bei einem Neigungswinkel von fast zwanzig Grad

erreichte die TRISTAN eine Tiefe von 570 Metern.Dann ließ Hakru die Thermostrahler abschalten. DieTemperatur in Abschnitt sieben lag unwesentlichüber der Höchstgrenze und sank ständig.

Nortruk war von seinem Platz aufgestanden. DieReaktion der Nerven ließ ihn erschauern. Ohne Hastschob Hakru seinen zierlichen Körper an MajorLasalle vorbei auf Nortruk zu. Er klopfte dem Pilotenauf die Schulter.

»Wir haben es geschafft«, sagte er aufatmend.Nortruks Stimme hatte einen aggressiven Klang,

als er heftig erwiderte: »Noch einmal würde ich dasnicht tun, hören Sie, Sir. Ich würde es nicht wiedertun.«

»Ich verstehe Sie, Leutnant Nortruk«, sagte Hakru.Der Pilot wandte sich um und verließ mit steifen

Schritten den Kontrollraum. Kilmacthomas hattegeglaubt, daß er Erleichterung fühlen würde, wennsie erst unten angelangt waren.

Doch das war nicht so.Gewiss, sie hatten es fertiggebracht, mit diesem

Schiff einen halben Kilometer tief in das Eisvorzustoßen.

Aber das, ahnte Don Kilmacthomas, war erst derAnfang.

8.

Es war ein sinnloses Beginnen, die Schiffe derGataser zählen zu wollen, die von allen Richtungenin das System eindrangen, das von Rhodan als Zieldes Ablenkungsmanövers ausgesucht worden war.Innerhalb kurzer Zeit sah sich der Flottenverband desVereinigten Imperiums einer großen Übermachtgegenüber. Die meisten Kampfschiffe der Bluesverfügten über die schützenden Molkexpanzer, sodaß sie praktisch nicht zu vernichten waren. Dereinzige Vorteil der terranischen Schiffe lag in ihrerBeweglichkeit. Das Beschleunigungsvermögen der

Kugelraumer lag weit über dem der Diskusschiffe.In tollkühnen Manövern steuerte Oberst Kors

Dantur die ERIC MANOLI durch die Schlacht.Rhodan beobachtete den Kampf auf denBildschirmen. Es blieb den Offizieren in denFeuerleitzentralen nichts anderes übrig, als ihreAufmerksamkeit den Feindschiffen ohneMolkexüberzug zu widmen. Nur dort konnten sieentscheidende Treffer landen.

Rhodan wandte sich an Waynt, den Akonen.»Nun haben Sie Gelegenheit, diese Schiffe zu

sehen«, sagte er. »Ich glaube zwar nicht, daß Siemehr über das Molkex erfahren, aber Sie können esimmerhin versuchen.«

»Natürlich«, sagte Regat Waynt, den diekosmische Auseinandersetzung anscheinend völligunberührt ließ.

Innerhalb des terranischen Verbandes gab es dieersten Verluste. Herbeieilenden Eingreifreservengelang es trotz erbitterten Angriffen der Blues, einenTeil der Schiffbrüchigen zu retten. Kleine Beibootehuschten aus den zerschossenen Schiffen undbrachten sich in den Hangars anderer Kugelraumer inSicherheit.

Ohne ihre überlegene Schnelligkeit hätte es für dieSchlachtschiffe des Imperiums schlecht ausgesehen.Rhodan erkannte, daß sich ihre Position inzunehmendem Maße verschlechterte.

Aber der Funkimpuls der TRISTAN, der einegelungene Landung bestätigte, war bisher noch nichteingetroffen. Rhodan blickte zur Uhr. Sie konntennur hoffen, daß im Verth-System alles nach Planverlief.

Die ERIC MANOLI raste durch einen Verbandfeindlicher Schiffe, ihre mächtigen Waffen trugenTod und Verderben in die Reihen der ungeschütztengegnerischen Diskusraumer. Auch dort, wo dieverheerenden Strahlen auf Molkex trafen, genügteihre Kraft, Verwirrung zu stiften.

Ein terranischer Kreuzer der Städteklasseexplodierte in unmittelbarer Nähe des Flaggschiffes.Rhodan biß die Zähne aufeinander. Hatte es nocheinen Sinn, hier auszuharren? Warum meldete sichdie TRISTAN nicht?

»Es wird allmählich ernst für uns«, bemerkteBully, der neben Rhodan stand. »Ich schlage vor, daßwir uns bald zurückziehen.«

Perry Rhodan warf einen kurzen Blick auf dieBorduhr. Er musste Oberst Mos Hakru und derübrigen Besatzung der TRISTAN noch eine Chancegeben.

»Zehn Minuten können wir uns noch ohne großeVerluste halten«, antwortete er. »Ich hätte nichtgedacht, daß unser Angriff auf dieses unbedeutendeSystem eine derartige Reaktion unter den Bluesauslösen würde. Wir konnten zwar mit einem

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Eingreifen rechnen, aber nicht damit, daß sie eineganze Flotte mobilisieren.«

»Das kann Hakru nur recht sein«, meinte Bullylakonisch und strich über sein kurzgeschorenes Haar.

Kors Dantur steuerte das Flaggschiff in die Näheeiniger stark bedrängter Kreuzer. Die Abwehrschirmedes 1500 Meter durchmessendenSuperschlachtschiffes erbebten, als gleichzeitig vierGegner die ERIC MANOLI angriffen. Geschicktdrehte Dantur den Kugelriesen aus demGefahrenbereich.

Rhodan, der in Funkverbindung mit allen Schiffenstand, gab den Befehl, sich allmählichzurückzuziehen.

»Noch nicht in den Linearraum flüchten«, ordneteer an. »Es muss so aussehen, als könnten wir uns nurschwer entschließen, von hier zu verschwinden.«Sofort stießen die Diskusschiffe der Gataser nach, alssich die Angreifer allmählich aus dem Systemzurückzogen. Rhodan konnte sich vorstellen, daßman an Bord der Molkexraumer vor Siegesgewißheitfieberte.

Acht Minuten waren verstrichen, als sich dieTRISTAN mit dem verabredeten Kurzimpulsmeldete. Bully stieß einen zufriedenen Knurrlaut aus.Rhodan, der schon nicht mehr an einen Erfolggeglaubt hatte, gab erleichtert den Befehl zurallgemeinen Flucht.

Die Schiffe des Flottenverbandes beschleunigtenund drangen in die schützende Halbraumzone ein.Die Blues stießen ins Leere. Wütend rasten dieDiskusraumer durch das System, um noch den einenoder anderen Gegner zu fassen.

Doch so schnell sie aufgetaucht waren, so schnellverschwanden die Kugelschiffe auch wieder.

An Bord der ERIC MANOLI schränkte Rhodandie siegesgewissen Worte Danturs mit derBemerkung ein: »Gewiß, die TRISTAN hat denvorgesehenen Platz erreicht, aber damit beginnt ihrProblem erst.«

Niemand ahnte, wie recht er hatte.

9.

Zwei Stunden nach ihrem geglückten Vorstoßunter das Eis gelang es Leutnant Don Kilmacthomas,mit einem Gravitationsbohrer bis an die eigentlicheOberfläche des Planeten vorzustoßen. Kilmacthomasleitete die Arbeiten mit dieser Spezialmaschine vonder großen Luftschleuse der TRISTAN aus. Siehatten jetzt einen vier Meter durchmessenden Kanalzur Verfügung, durch den sie alles abgeschmolzeneEis an die Oberfläche abstrahlen konnten. Außerdemwaren sie jetzt in der Lage, selbst nach oben zugehen, wenn es die Lage erforderte.

Danach begannen Kilmacthomas und seine Helfer

mit einer systematischen Aushöhlung des Eises rundum die TRISTAN. Sie schufen verzweigte Gängeund große Höhlen, in denen die Spezialisten, diespäter durch den Transmitter eintreffen sollten, ihreLager aufschlagen konnten.

Kilmacthomas nahm ständig Proben des Eises mitins Schiffslabor, um es dort zu untersuchen.Schließlich glaubte er, alles Notwendige zu wissen.Er verließ das Labor und erstattete Oberst HakruBericht. Inzwischen trieben die Männer unterFührung des Technikers Masterson einen neuenSchacht ins Eis.

»Vorerst wird es nicht möglich sein, ohneSchutzanzug in die Höhlen zu gehen«, sagteKilmacthomas. »Selbst wenn wir Sauerstoffhineinpumpen, müssen wir noch einige Zeit warten.Ich habe eine Menge giftiger Stoffe entdeckt, diewährend des Schmelzprozesses losgelöst werden.«»Ich werde eine Meldung zur ESS-1 geben«,kündigte Hakru an. »Die Spezialisten sollen sichdementsprechend ausrüsten.« Bevor Kilmacthomasantworten konnte, sprach die Alarmanlage an. »Wirwerden angegriffen«, stieß Hakru hervor.

»Nein, Sir«, widersprach Kilmacthomas, bereitsnach seinem Schutzanzug greifend. »Ich habe mirerlaubt, die Hauptwarnanlage während unserer,Arbeit umzuschalten. Dieses Signal kommt vonMasterson. Es muss etwas schiefgegangen sein.«Hakru warf dem Leutnant einen schwer zu deutendenBlick zu. Kilmacthomas verschloß den Helm.»Ichmuss zu Masterson, Sir«, sagte er. Schnellentschlossen sagte Hakru: »Ich komme mit.«Kilmacthomas verließ das Labor, ohne auf denOberst zu warten. In der Luftschleuse traf er aufeinen Trupp verstörter Männer. Major Lasalle warbei ihnen.

»Der Schacht, in dem Masterson arbeitete, isteingestürzt«, rief er Kilmacthomas entgegen.

»Eingestürzt?« wiederholte Kilmacthomasgrimmig. »Nein, Sir, da irren Sie sich.« Dasjungenhafte Lächeln war aus seine Gesichtverschwunden. Seine Blicke überflogen die Gruppe.

»Wer bedient die Abstrahlanlage?« erkundigte ersich.

»Sergeant Wallaby«, erwiderte Lasalle.Kilmacthomas schob den Major einfach zur Seite,

um schneller weiterzukommen. Außerhalb derLuftschleuse fand er den Sergeanten mit auf derBrust verschränkten Armen vor den Kontrollen derkleinen Kraftstation stehen. »Wir müssen Mastersonherausholen, Sir«, sagte er zu Kilmacthomas.

Mit einem Blick übersah Kilmacthomas dieMaschine. »Wer hat den Befehl gegeben, dieAbstrahlanlage abzuschalten?« fragte er scharf.Wallaby wurde unruhig. Er fühlte das Unheil auf sichzukommen und wusste nicht, wie er ihm ausweichen

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konnte.Er deutete mit dem Daumen hinter sich. »Ich

merkte, daß etwas nicht stimmte, Sir«, sagte er. »DieKontrollen zeigten an, daß wir viel wenigerSchmelzwasser ausstießen als normal. Schließlichsanken die Zeiger auf Nullwert.« Wallaby zuckte dieAchseln. »Da habe ich vorsichtshalber abgeschaltet.«

Oberst Hakru sprang aus der Schleuse und kam aufdie beiden Männer zu. Kilmacthomas beachtete ihnnicht. Selbst über den Helmfunk klang seine Stimmegefährlich ruhig, als er zu Wallaby sagte: »Wenn Sienicht sofort mit der Wahrheit herausrücken, Sergeant,dann sorge ich dafür, daß Sie wegen Sabotage undzwölffachen Mordes vor Gericht gestellt werden.«

Unter der Sichtscheibe des Helmes verdunkeltesich Wallabys Gesicht. Die Arme des Sergeantensanken nach unten. Hilfesuchend wandte er sich anHakru.

»Los«, sagte der Oberst kühl. »Reden Sie,Wallaby.«

»Masterson teilte mir über Funk mit, daß er einekurze Pause einlegen wollte«, begann Wallaby, undseine Stimme war vor Angst unsicher. »Da dachte ichmir, daß es wohl besser sei, die Anlage einenAugenblick abzuschalten, um sie zu schonen, dennMastersons Truppe schmolz ja im Augenblick keinEis ab.«

»Weiter«, drängte Kilmacthomas den Sergeanten.»Nach einer Weile meldete sich Masterson wieder

und fragte, warum das Schmelzwasser plötzlich soschlecht abfließe. Da schaltete ich die Anlage wiederein, aber sie funktionierte nicht.«

Leutnant Kilmacthomas stieß hörbar die Luft aus.»Wir müssen etwas unternehmen, um Masterson

zu befreien«, sagte Hakru.»Sie sind der Fachmann, Leutnant. Was tun wir

jetzt?«»Die wenigen Minuten, während der die Anlage

nicht arbeitete, genügten, um den Kanal an derOberfläche zufrieren zu lassen. Das Schmelzwasserbildete schnell eine harte Kruste. Als Masterson mitseinen Begleitern die mitgeführten Thermostrahlerwieder einsetzte, konnte das Schmelzwasser nichtnach Oben entweichen. Es staute sich im Gang hinterMasterson und fror die Gruppe ein.«

»Um Himmels willen«, stöhnte Hakru. »Wallaby,wenn den Männern etwas passiert ist, lasse ich Sieohne Schutzanzug auf der Oberfläche aussetzen, Sieeinfältiger Narr.«

Der Sergeant schluckte, wagte aber nicht, etwas zusagen. »Was nun?« fragte Hakru. »Leben die Männernoch?« »Wenn sie rechtzeitig die Strahler abgestellthaben, können sie noch am Leben sein«, meinteKilmacthomas. »Allerdings spricht die Tatsache, daßsie sich nicht mehr melden, gegen diese Hoffnung.«

»Wallaby, lassen Sie Thermostrahler

herbeischaffen. Wir werden die Gruppe Mastersonsuchen«, ordnete Hakru an. Der Sergeant war froh,daß er sich zurückziehen konnte.

»Wir müssen noch damit warten, Sir«, schränkteKilmacthomas ein. »Es muss vor allem der Kanalwieder freigebrannt werden.« »Aber es geht umMenschenleben!«

Kilmacthomas sagte: »Sir, ich habe Erfahrung mitdem Eis. Glauben Sie nicht, daß ich zögern würde,sofort mit der Befreiungsaktion zu beginnen. Aberwir gefährden nur weitere Männer, wenn wir keinenAbgang für das Schmelzwasser schaffen.«

»Also gut«, resignierte Hakru. » Übernehmen Siedie Leitung der Rettungsaktion.«

»Danke, Sir«, nickte Kilmacthomas. Er hastetedavon, um den Gravitationsbohrer bereit zu machen.Diesmal ging es erheblich schneller, da praktisch nurdie Schicht an der Oberfläche zu durchstoßen war.Ungeduldig wartete Kilmacthomas, bis der Bohrerwieder im Kanal auftauchte.

»Abstrahlanlage einschalten!« rief er KorporalLessink zu, der die Bedienung übernommen hatte.

Kaum arbeitete die Spezialmaschine, alsKilmacthomas bereits einen Thermostrahler in denHänden hielt.

»Los!« befahl er. »Holen wir Masterson heraus.«Zwei Techniker rüsteten sich ebenfalls mit

Strahlern aus, und sie drangen in den Schacht ein, indem Mastersons Gruppe festgehalten wurde. Baldstießen sie auf die Barriere des Eises, das nichtschnell genug abgeflossen war.

Kilmacthomas verteilte die Strahler über die Breitedes Schachtes, und sie begannen damit, sich einenWeg zu bahnen. Die Abstrahlanlage arbeiteteeinwandfrei.

Kilmacthomas befahl den Männern, die Strahlerjetzt vorsichtiger einzusetzen, damit eventuelleÜberlebende nicht verletzt wurden. Dadurch kamensie nur langsam voran.

Nach einiger Zeit bildete sich das erste Loch imEis.

»Halt!« befahl Kilmacthomas.Er schickte die Männer einige Schritte in den

Schacht zurück und ließ sie ihre Strahler abschalten.Dann schnitt er vorsichtig eine größere Öffnung indas Eis, so daß er hindurchblicken konnte.

Fast zögernd näherte er sich dem Einschnitt.Masterson und die elf anderen Männer lagen in

einer Eishöhle von nur zehn Quadratmetern amBoden. Bei einem Teil von ihnen waren Beine oderArme im Eis festgefroren. Kilmacthomas sah an dengeöffneten Helmen zweier Männer, daß eine Panikausgebrochen war.

Es gab keine Überlebenden.Erschüttert wandte sich Kilmacthomas von der

Öffnung ab. Hakru kam in den Schacht gestürmt.

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»Sie haben sie gefunden?« fragte er.Kilmacthomas schien durch ihn zu sehen.»Sie sind dort drinnen«, erwiderte er tonlos.

»Lassen Sie einige Männer mit Bahren kommen,damit wir ihre Leichen ins Schiff bringen können.«

Das Gesicht des Obersten verhärtete sich.»Keine Bahren«, befahl er. »Diese Männer bleiben

hier. Der Schacht wird geschlossen, wir beginnen miteinem anderen. Major Lasalle wird die Beerdigungvorbereiten.« Er wandte sich ab.

»Sergeant Wallaby steht ab sofort unter Arrest.«Mit dem Tod der zwölf Männer hatte das Unheil

der TRISTAN begonnen.Es wich nicht mehr von ihr.

10.

Wie Oberst Mos Hakru angekündigt hatte, ließensie die zwölf Verunglückten in ihrem Eisgrab. Hakrulas einige Sätze aus der Bibel und wies darauf hin,daß die Männer im Einsatz für die gesamteMenschheit und der mit ihr verbündeten Rassengestorben seien. Danach schmolzen sie die Höhlewieder zu, und Hakru ließ den Schacht schließen.

Der Zwischenfall hatte unter der Besatzung tiefeDepression ausgelöst. Ein paar Männer verlangten,daß Wallaby vor ein Schnellgericht gestellt werde,doch Hakru lehnte das Ansinnen ohne Kommentarab.

»Wir müssen unter allen Umständen eine ständigeBeschäftigung für die Männer haben«, sagte er zuLasalle und Kilmacthomas in einer Lagebesprechungkurz nach der Beerdigung. »Die Arbeiten müssennoch schneller vorangetrieben werden, damit derTransmitter in Betrieb genommen werden kann.

Wenn erst einmal die Spezialisten von der ESS-1hier angekommen sind, wird sich die Stimmung raschgebessert haben.«

Lasalle und Kilmacthomas teilten die Ansicht desOberst. Der Leutnant übernahm die Leitunginnerhalb der Hauptschächte persönlich. Nach siebenweiteren Stunden kehrte Kilmacthomas in dieTRISTAN zurück.

»Gut, Oberst«, sagte er zu Hakru. »Jetzt haben wirachtzehn miteinander verbundene Gänge mit fünfHaupthöhlen. Außerdem wurden an mehreren StellenNischen in das Eis geschmolzen. Das müsstegenügen.«

»Ruhen Sie sich ein wenig aus, Kilmacthomas«,sagte Hakru. »Wir haben die Hauptarbeit geleistet.Nun werden wir die ESS-1 benachrichtigen, damitdie Transmitterstationen arbeiten können. Ich denke,daß innerhalb der nächsten Stunde bereits der ersteSpezialist unter uns sein wird.« Zum erstenmal seitStunden lächelte Kilmacthomas wieder. Trotzdemfühlte er sich niedergeschlagen. Auch Masterson und

die anderen Toten konnten nicht der alleinige Grundsein. Der Leutnant fragte sich, warum er sichunnötige Gedanken machte. Sie hatten die Arbeitenohne weiteren Zwischenfall beendet. Es sah nicht soaus, als seien sie von den Blues entdeckt worden.Kilmacthomas stand auf. »Ich werde in meine Kabinegehen, Sir«, sagte er zur Hakru. »Sie können michdort finden.« Er verließ den Kommandoraum. Aufdem Hauptgang stieß er auf Nortruk, der ihn verlegenanlächelte. Kilmacthomas fiel ein, daß er den Pilotenseit dem Eindringen ins Eis nicht mehr gesehen hatte.

»Ich glaube, meine Nerven spielten mir einenStreich«, sagte der schwarzhaarige Mann. »Ich werdemit dem Oberst darüber reden und meinen Rücktritteinreichen. Es gibt schließlich andere Arbeit als dieeines Piloten.«

Kilmacthomas hörte die Trauer aus dieser Stimme.Er überlegte, wie er den Mann von seinen Sorgenbefreien konnte.

»Sie sind ein guter Pilot«, sagte er nicht besondersdiplomatisch. »Hakru wird Sie nicht aufgeben.«

Nortruk lächelte schwach und ging weiter.Kilmacthomas blickte nachdenklich hinter ihm her.Früher hatte er Männer überzeugen können, doch seitMastersons Unfall fehlte ihm jede innereÜberzeugungskraft. Er gestand sich ein, daß er nochnicht einmal die Arbeit in den Schächten mitÜberzeugung getan hatte.

Als er die Tür zur Kabine öffnete, hockte LeutnantZang auf dem Bett. Er hatte auf dem Tisch einSchachspiel aufgestellt.

»Königbauer E2 nach E4«, begrüßte erKilmacthomas.

»Warum so konventionell?« fragte der Leutnantund machte einen sinnlosen Eröffnungszug.

Zang grinste und setzte Kilmacthomas matt.

11.

Der große Hauptraum vor dem akonischenTransmitter in der ESS-1 glich einem Heerlager, alsOberst Joe Nomers zusammen mit LeutnantNashville dort eintraf. Sie kamen vomKommandoraum. Vor wenigen Minuten hatteNomers von Rhodan erfahren, daß die TRISTAN ihrZiel erreicht hatte. Der Großadministrator hatte denFlottenverband aus dem Bereich des zweitenImperiums zurückgezogen.

An Bord der ESS-1 trafen ständig weitereSpezialisten, Agenten und Wissenschaftler ein. Jedertrug Ausrüstung bei sich. Es dauerte nicht lange, bisdie ESS-1 hoffnungslos überfüllt war. Auch MelbarKasom, einer der bekanntesten USO-Spezialisten,war auf der ESS-1 eingetroffen, um durch denTransmitter ins Verth-System zu gelangen. ModerneRaumjäger sollten ebenfalls zur TRISTAN geschickt

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werden. Rhodans Plan sah vor, mit diesem kleinenSpezialschiffen tiefer ins Verth-System einzudringen.Mit Hilfe von Kleinsttransmittern und Mutantensollte schließlich die Landung einiger Agenten aufGatas gelingen.

Nashville blickte in den Transmittervorraum undrümpfte die Nase.

»Ich glaube, wir müssen aufpassen, daß wirniemand auf die Zehen treten, Sir«, sagte ersarkastisch. »Oder sehen Sie zufällig ein StückBoden, worauf wir unsere Füße setzen können?«

Nomers grinste. Sie unterhielten sich mit einigenMännern, die zur TRISTAN gehen würden.

»Die Besatzung der TRISTAN hat unterhalb desEises Höhlen angelegt«, berichtete Nomers denAgenten. »Dort kann alles untergebracht werden, wasSie an Ausrüstung mitnehmen.«

Sie setzten ihren Rundgang fort. Wiederholtwurden Fragen an sie gerichtet, aber bei keinem derMänner war Unruhe festzustellen. Sie schienen dieGefahr nicht zu erkennen, die sie heraufbeschworen,indem sie sich anschickten, in das Herz eines anderenImperiums vorzustoßen.Nomers sagte sich, daß dieseMänner gewohnt waren, unter dem Einsatz ihresLebens Dienst zu tun. Für sie war jeder Auftraggefahrvoll.

Der Transmitter der ESS-1 war bereit. Es bedurftenur noch einer kurzen Nachricht von der TRISTAN,und die ersten Männer würden durch das akonischeGerät gehen.

Nomers dachte daran, daß es trotz intensiverAnstrengungen bisher noch nicht gelungen war,Fiktivtransmitter zu bauen, wie sie der Menschheiteinmal von dem Geistwesen auf Wanderer zumGeschenk gemacht worden waren. Seit derVernichtung dieser beiden unersetzlichen Gerätehatte man versucht, etwas Ähnliches zu schaffen,doch ohne Erfolg. Nomers und Nashville kehrten zurZentrale zurück. Es war klar, daß die Männer imTransmittervorraum genau wussten, was sie zu tunhatten. Wenige Stunden später kam die erwarteteNachricht von der TRISTAN. Der Transmitter aufdem vierzehnten Planeten der Sonne Verth standbereit. Nomers schaltete den Interkom ein.

»Hier spricht der Kommandant derEastside-Station Nummer Eins«, sagte er. »Ich habeeine Nachricht für die Mannschaften, die durch denTransmitter gehen werden. Die TRISTAN ist jetztbereit, das Übersetzen kann beginnen. UnsereTechniker werden dafür sorgen, daß alles reibungslosfunktioniert. Sie werden sich auch um die Raumjägerund anderen Ausrüstungen kümmern. Offiziere undBesatzung der ESS-1 wünschen Ihnen bei diesemUnternehmen viel Erfolg.«

Gleich darauf kam die Bestätigung, daß derTransmitter eingeschaltet sei. Die ersten Spezialisten

machten sich zum Sprung zur TRISTAN fertig.»Die Blues werden sich wundern«, sagte Nashville

triumphierend.Aber er irrte sich. Oberst Hos Hakru sah zu, wie

die ersten Männer aus dem Torbogen desTransmitters kamen und ihn begrüßten.Besatzungsmitglieder der TRISTAN nahmen dieAusrüstungen entgegen, um sie sofort in dieEishöhlen zu schaffen.

Hakru hatte Major Lasalle die Routinearbeit anBord übertragen, da er sich persönlich mit denAnkommenden beschäftigen wollte. Alles verliefbesser als erwartet. Es schien, als hätten dieSpezialisten nie etwas anderes getan, als solcheTransmittersprünge zu machen. Ohne zu zögern,gingen sie an die angewiesenen Plätze im Schiff.Hakru sah Melbar Kasom unter denUSO-Spezialisten. Die Anwesenheit des Etruserszeigte, wie ernst Rhodan diesen Einsatz nahm.

Praktisch alle Abteilungen des Imperiums warenmit zahlenmäßig starken Gruppen vertreten.

Es dauerte keine Stunde, bis es an Bord derTRISTAN von Menschen wimmelte. Die meistenwaren Terraner, aber Hakru erblickte immer wiederGesichter, die bewiesen, daß der Betreffende keinErdgeborener war.

Kilmacthomas erschien mit verschlafenem Gesichtneben Hakru.

»Hallo. Leutnant«, nickte der Oberst. »Man ist mitden von Ihnen geschaffenen Löchern zufrieden.«

»Danke, Sir«, sagte Kilmacthomas. »Denken Siedaran, daß keiner der Ankömmlinge ohneSchutzanzug dort hinausgeht.«

»Die entsprechenden Anweisungen wurden bereitsgegeben«, beruhigte ihn Hakru. »Wir werden denKanal vergrößern müssen, damit wir die Raumjägervon hier aus starten können.«

»Soll ich sofort damit beginnen?«»Warten Sie, bis alle Männer hier eingetroffen

sind, damit wir uns nicht gegenseitig behindern«,bestimmte Hakru. »Ein bisschen Geduld müssen wirmit der Eroberung der Verth-Systems noch haben.«

Kilmacthomas lächelte. Er beobachtete eineGruppe von Wissenschaftlern, die gerade aus demTransmitter kamen. Die Gesichter der Männerzeigten ihre Gedanken nicht. »Hoffentlich sind sieoptimistischer als ich«, dachte Kilmacthomas.

Er warf einen kurzen Blick auf Hakru undverschwand in Richtung zur Luftschleuse. Währendder Transmitter arbeitete, wollte er sich mit demGravitationsbohrer beschäftigen. Seine Aufgabe wares, sich um das Eis zu kümmern. Es war ein Fehler,wenn er sich um die anderen Sorgen machte.Achselzuckend zwängte er sich in einenSchutzanzug. Vielleicht lag seine anhaltendeNervosität in den Strapazen des ersten Raumfluges

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begründet.Er sprang aus der Schleuse. Korporal Lessink

hockte müde an der Abstrahlanlage. Kilmacthomaswinkte ihm zu.

»Bald gibt es wieder Arbeit für uns, Korporal«,rief er ihm über den Heimfunk zu.

Lessink blickte mürrisch drein. »Ich wollte geradefragen, wann ich abgelöst werde, Sir«, sagte er.

12.

Das Wesen war vom ästhetischen Standpunkt ausschön. Sein Körper war schlank, mit kurzen Beinenund Füßen mit sieben Zehen. Eigentlich ähnelte dasWesen einem aufrecht gehenden Bären, aber seinKörper war viel graziler, die Bewegungen verfeinert,ohne jede Unbeholfenheit. Überhaupt schien es andiesem Wesen nichts Schwerfälliges zu geben. Auchder diskusförmige Kopf, der auf einem dünnen,schlauchähnlichen Hals von zwanzig ZentimeternLänge saß, wirkte nicht hässlich.

Trotzdem musste der Anblick des Wesens ineinem Menschen feindliche Gefühle erwecken. Unddas lag an den Augen. Das Wesen besaß vier davon,zwei vorne, zwei hinten am Rande des Diskuskopfesangeordnet. Die Augen waren nicht rund, sondernellipsoid, und die Pupillen waren geschlitzt wie dieeiner Katze.

Das Wesen kpnnte weder lächeln noch irgendeinenanderen Gefühlsausdruck zeigen. Das war der Grund,warum es auf einen Menschen abstoßend wirkenmusste. Das Wesen war ein Blue. Es befehligte eingroßes Diskuskampfschiff mit Molkexschutzmantel.Der Name des Blue-Kommandanten war schwerwiederzugeben. Für das menschliche Gehör wärennur die beiden Silben »Leclerc« hörbar gewesen.Kommandant Leclerc hatte sich an dem Angriff aufden feindlichen Schiffsverband beteiligt, den man ausdem benachbarten Sonnensystem verjagt hatte.Leclerc war nicht in der Lage, ein Gefühl zuempfinden, das dem menschlichen Hasses entsprach.Das, was er in diesem Augenblick spürte, ließ sichnoch am besten mit dumpfen Zorn vergleichen. DennLeclerc begann zu ahnen, daß es den Fremden nichtum die Eroberung dieser armseligen Planetengegangen war. Sie mussten erkannt haben, daß esdort nur unbedeutende Stützpunktegab, daß sie miteinem Angriff nicht viel erreichen konnten. Alsomusste der Grund für das Auftauchen des Feindes einanderer sein. Leclerc maß 1,92 Meter, selbst füreinen Gataser eine ungewöhnliche Größe. So konnteer, ohne sich von seinem Spezialsitz zu erheben, dieZentrale des Diskusschiffes überblicken.

Leclerc beobachtete die anderen Mitglieder derBesatzung. Sie waren unruhig, ein sicheres Zeichen,daß auch sie sich Gedanken machten. Leclerc trug

eine Uniform, so daß der blaue Pelzflaum, mit demsein Körper bedeckt war, nicht sichtbar wurde. DerKommandant schätzte, daß der Feind mit mindestensdreitausend Schiffen angegriffen hatte. Keine Rasse,die es fertiggebracht hatte, mit überlichtschnellenRaumschiffen durch das All zu reisen, konnte sodumm sein, wichtiges militärisches Potential anstrategisch unwichtigen Punkten zu konzentrieren. Essei denn, überlegte Leclerc, sie wollte mit dieserAktion von einem anderen Unternehmen ablenken.Von welchem Unternehmen? So sehr Leclerc darübernachgrübelte, es fiel ihm nicht ein, was die Fremdenmit diesem Angriff bezweckt haben konnten.Vielleicht handelte es sich nur um einen Test, der dieStärke der gatasischen Flotte erproben sollte. Nun,dann hatten sie herausgefunden, daß ein gatasischesSchiff, das mit einem Molkexpanzer umgeben war,kaum zu zerstören war. Aber das wussten sie bereits.Ein anderes Imperium, dachte der Kommandant.Mindestens ebenso groß wie ihr eigenes. Früher oderspäter würde es zum Kampf kommen, denn dasGatasische Reich dehnte sich immer weiter undimmer schneller aus. Sie brauchten Raum.Wahrscheinlich waren sich beide Imperien in ihrenäußersten Regionen bereits gefährlich nahegekommen.

Leclercs beinahe menschliche Mentalität kannteden Begriff Frieden nur als abstrakten Begriff, alseinen Zustand, den man bestenfalls nützen, nicht aberfortwährend aufrechterhalten konnte.

Deshalb dachte er im Zusammenhang mit denFremden nur an Krieg und Vernichtung. KeineSekunde glaubte er, daß die Feinde anders dächten,daß sie vielleicht keine Auseinandersetzungwünschten.Das Volk der Gataser vermehrte sichrasch und brauchte neuen Lebensraum. Bei denFremden konnte das nicht anders sein, schlossLeclerc. Also ergab sich nur eine Alternative: Krieg.Eine solche Einstellung war schlecht undverwerflich. Sie zeugte von einem machtbesessenenCharakter, von mangelnder Toleranz und wenigWeitblick. Es wäre jedoch ungerecht gewesen, dieseBewertung auf Leclerc anzuwenden.

Der Kommandant war vom gatasischenStandpunkt aus nicht schlecht, im Gegenteil: Manhatte ihn für dieses hohe Amt ausgewählt, weil erehrlich, tapfer und aufrecht war, weil er sich mit allerKraft für die Belange seines Volkes einsetzte. Kriegmit fremden Rassen war für die Gataser nur in derMethode etwas anderes als für die Menschen.Leclercs Schiff befand sich in diesem Augenblicknicht im Linearflug, da es noch keinen weiterenBefehl erhalten hatte, kreuzte es in den äußerenRegionen des Verth-Systems. Die Fremden hatten sieüberlistet, überlegte Leclerc erneut. Je länger erdarüber nachdachte, desto sicherer wurde er. Sie

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hatten mit diesem sinnlosen Angriff etwas anderes zuverbergen versucht. Das war ihnen sogar gelungen.Der Kommandant konnte keine direkte Furchtempfinden, aber seine Gefühle ließen sich noch ambesten mit dem Ausdruck Entsetzen beschreiben.Leclerc empfand Entsetzen, wenn er an dieMöglichkeiten dachte, was alles geschehen seinkonnte. Er unterdrückte aufsteigende Panik. Ankeiner Stelle waren fremde Schiffe während desScheinangriffs aufgetaucht. Nirgendwo war es zuVerwicklungen gekommen. Das Verth-System warruhig. Leclerc stand auf und ging durch die Zentrale.Durch die Anordnung seiner Augen vermochte erjeden Punkt innerhalb des Raumes zu sehen. Da er esnicht anders gewohnt war, erschien es ihm nicht alsungewöhnlich. Vermutlich hätte er bei dem Anblickeines sich herumdrehenden Menschen Mitleidempfunden, falls er in der Lage war, solche Gefühlezu hegen. Ein Gataser musste sich niemals umdrehen,wenn er feststellen wollte, was in seinem Rückenvorging.

Die Anordnung der Ortungs- undBildübertragungsgeräte an Bord des Diskusschiffeswar dementsprechend. Ein Terraner hätte sie alsunpraktisch bezeichnet, für einen Blue waren sieideal angebracht.

So kam es, daß alle Augen Leclercs das plötzlichaufleuchtende Warnzeichen zu seinem Gehirnweitergaben.

Alle Ortungsgeräte sprachen gleichzeitig an.Leclercs Starre dauerte nur Sekunden, dann begriff

er, daß etwas Außergewöhnliches vorging. DerAusschlag war so stark, daß man an einen ganzenFlottenverband glauben konnte.

Doch Leclercs geschulte Augen sahen noch mehr.Sie sahen, daß kein einziges Schiff in der Nähe

war.Weder ein eigenes noch ein fremdes. Und sie

sahen noch etwas anderes, etwas, was nacktesEntsetzen in ihm verbreitete. Der Molkex-Panzer umdas Diskusschiff begann zu wallen und zu wogen, alssei er im Begriff sich aufzulösen.

13.

Kilmacthomas war so mit der Arbeit beschäftigt,den Gravitationsbohrer in eine neue Grundstellung zulenken, daß er das Knacken im Helmlautsprechervöllig überhörte. Erst als Hakrus Stimme aufklang,reagierte er und schaltete das Gerät aus. DieMaschine sank auf den Boden zurück und sprühteabgeschmolzenes Eis über Kilmacthomas'Schutzanzug.

»Alle Offiziere sofort in die Zentrale!« befahlOberst Hakru.

Kilmacthomas gab Lessink einen kurzen Wink,

daß dieser die Abstrahlanlage in Betrieb halten sollte.Dann eilte er zur Luftschleuse. Er musste an denTechnikern vorüber, die die Ausrüstungen derSpezialisten in die Eishöhlen schafften.

In der Nähe des Hangars wurde gerade einRaumjäger aus der TRISTAN gehoben. Der Arm desSchwenkkrans senkte das torpedoförmigeEinmannschiff sicher auf den Boden.

Kilmacthomas drückte sich an einigen Männernvorbei und gelangte in die innere Schleusenkammer.Sobald der Druckausgleich beendet war, entledigte ersich des Anzuges und hastete zur Zentrale. Er hatteden Unterton in Hakrus Stimme herausgehört, mehrals nur Unruhe hatte darin mitgeschwungen.

Als er die Zentrale betrat, waren bereits alleOffiziere anwesend. Hakru nickte ihm mit ernstemGesicht zu. Die Männer sahen verwirrt aus, es schien,als habe Hakru sie schon über verschiedene Dingeinformiert.

Über unangenehme Dinge, konstatierteKilmacthomas.

Er arbeitete sich neben Leutnant Zang und fragteim Flüsterton:

»Was ist geschehen?«»Funkspruch von Rhodan«, gab Zang leise zurück.

»Wir bekommen Besuch.«»Vom Chef?« fragte Kilmacthomas verwirrt, »aber

wie ...«Hakrus Stimme unterbrach ihn.»Offensichtlich handelt es sich um ein Schiff der

Blues«, sagte der Oberst.»Da es sich im direkten Anflug hierher befindet,

gibt es nur eine Deutung: Man hat uns entdeckt.«Kilmacthomas schluckte. So war das also. Hakru

sprach weiter, aber Kilmacthomas hörte nicht zu.Fieberhaft überlegte er, was geschehen würde, wenndie Blues ihren unterirdischen Stützpunkt angriffen.

Kilmacthomas' Gedankengänge wurdenunterbrochen, als der Funker aus der Kabine stürzteund dem Oberst eine weitere Funkmeldungüberreichte.

Hakru warf einen kurzen Blick darauf, dannrichtete er seine Augen wieder auf die Versammelten.

»Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, daß man unsentdeckt hat«, gab er bekannt. »Die Beobachtungenvon der ERIC MANOLI aus haben ergeben, daß sichweitere Schiffe dieser Welt nähern.«

Kilmacthomas fühlte Bitterkeit in sich aufsteigen.Ihr so sorgfältig geplantes Unternehmen warfehlgeschlagen.

»Ich vermute, daß die fünfdimensionaleStrukturerschütterungen des Transmitters von denBlues geortet wurde«, meinte Hakru. »Jetzt bleibt unsnur der Weg einer sofortigen Flucht durch denTransmitter zur ESS-1 zurück. Die Robotautomatikwird die TRISTAN in einen wertlosen Stahlklumpen

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verwandeln, mit dem die Gataser nichts anfangenkönnen.«

Kilmacthomas dachte an die Höhlen und Gänge,die er dort draußen geschaffen hatte. Er dachte an diewertvollen Ausrüstungen, die verloren waren, wennman sie nicht rettete.

»Sir!« rief er.»Leutnant Kilmacthomas?« fragte Hakru förmlich.»Ich bitte um Genehmigung, mit fünfzig

Freiwilligen die Höhlen räumen zu dürfen.«»Gut, Leutnant«, stimmte Hakru zu. »Beeilen Sie

sich aber. Sie müssen durch den Transmitter geflohensein, bevor die Automatik das Schiff zerstört.«

Schnell hatte Kilmacthomas Helfer gefunden.Auch Melbar. Kasom war darunter. Hakru stellte dieVernichtungsautomatik ein und schickte die erstenMänner durch den Transmitter zur ESS-1 zurück. Dafielen die ersten Bomben auf die Oberfläche. Das Eisbegann zu vibrieren, als sei es ein riesiger Körper,der bisher geschlafen hatte. Alarmsirenen heultendurch das Schiff.

In der Luftschleuse stand Leutnant DonKilmacthomas und schlüpfte in den Schutzanzug. Inseinen dunkelblauen Augen lag ein seltsamer Glanz.Er hörte die schweren Atemzüge der anderenFreiwilligen über den Helmlautsprecher. Einigefluchten, als wollten sie damit ihre Angst verdecken.

»Leutnant Kilmacthomas!« klang Hakrus Stimmeim Helmfunk auf.

»Sir?«»Sie haben eine Stunde Zeit, Leutnant, dann knallt

es hier.«»In Ordnung, Sir«, sagte. Kilmacthomas grimmig.

Zusammen mit den anderen verließ er die Schleuse.Das Bombardement nahm an Heftigkeit zu. Manspürte die Erschütterungen des Bodens durch diedicken Stiefel.

Kilmacthomas fand Korporal Lessink noch immeran der Abstrahlanlage sitzen.

»Verschwinden Sie hier!« befahl er dem Mann.»Los, ins Schiff mit Ihnen.«

Man sah Lessink an, daß er froh war, diesen Platzverlassen zu können. Der Korporal rannte auf dieoffene Luftschleuse der TRISTAN zu.

Direkt neben Kilmacthomas tauchte ein Mann auf.Als der Leutnant zu ihm hinsah, erkannte er dasGesicht Sergeant Wallabys unter der Sichtscheibe.

»Wallaby!« stieß er hervor. »Ich dachte, Siestünden unter Arrest?«

»Der Oberst hat mich beurlaubt, Sir« sagte derSergeant ernst. »Ich glaube, ich habe hier nocheiniges gutzumachen.« Kilmacthomas grinste, undsie rannten nebeneinander her in den ersten Schachthinein. Weitere Männer waren um sie herum.

Wir werden diesen Burschen nichts zurücklassen,dachte Kilmacthomas heftig.

Doch er täuschte sich. Er selbst würdezurückbleiben.

Und roch weitere Männer.

14.

Reginald Bull hieb mit der geballten Faust auf denKartentisch, daß es krachte.

»Umsonst«, knirschte er zwischen den Zähnenhervor. »Alles umsonst.«

Sie hatten versucht, mit einem blitzschnellenVorstoß ins Verth-System die Schiffe der Blues nocheinmal vom vierzehnten Planeten abzulenken. Dochdiesmal waren die Gataser nicht auf den Trickhereingefallen.

Ihre Angriffe gegen eine Welt des eigenenSystems rollten weiter.

Es war Rhodan nichts anderes übriggeblieben, alsden Verband zurückzuziehen und Oberst Hakru denBefehl zur Flucht durch den Transmitter zu geben.

»Wir werden andere Wege finden«, versicherteRhodan. Er wandte sich an Regat Waynt, denAkonen. »Wie können sie die TRISTAN entdeckthaben?«

»Die freiwerdende Energie während einesTransmittersprunges ist sehr groß. Wir wissen nicht,ob und wie ihre Geräte darauf reagieren«, sagteWaynt ausdruckslos. »Auf jeden Fall sieht es so aus,als sei es der arbeitende Transmitter gewesen, der dieGataser auf die Spur der TRISTAN gebracht hat.«

»Ich denke, daß Sie recht haben.« Rhodanwanderte ziellos durch die Zentrale.

Kors Dantur hockte mit grimmiger Miene vor denSteueranlagen und starrte auf denPanoramabildschirm, als sei dort die Lösung für ihreFragen zu finden.

»Das bedeutet, daß wir keinen Transmitter mehrim Verth-System einsetzen können, ohne entdeckt zuwerden«, sagte Waynt.

Bull meinte bekümmert: »Wie sollen wirüberhaupt noch nach Gatas vorstoßen?«

Rhodan wusste, daß der Freund eine berechtigteFrage gestellt hatte. Gab es noch eine Möglichkeit,mehr Informationen über die Blues zur sammeln?Hatten sie jetzt nicht die letzte Chance verspielt?

Das zweite Imperium erwies sich immer mehr alsharter Brocken. Es war mindestens so stark wie dasder Terraner und ihrer Verbündeten. Und das, dachteRhodan mit leichter Ironie, wollte schon etwasheißen.

15.

Leclerc spürte Erleichterung, als er feststellte, daßes bei diesem unerklärlichen Wallen desMolkex-Panzers blieb. Der Schutzmantel wurde nicht

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zerstört und fiel auch nicht ab. Trotzdem war dieEntwicklung beunruhigend. Rasche Peilversucheergaben, daß die Energieentwicklungen, die dieVeränderung des Molkex verursachten, ihrenUrsprung auf dem äußersten Planeten der SonneVerth hatten. Mit einem Male wusste Leclerc, warumdie Fremden den Scheinangriff gestartet hatten.Während sie, die Gataser, blindlings losgeflogenwaren, hatte der Feind auf der Eiswelt ein geheimesKommando gelandet. Auf diesem Planeten musstensich also interessante wie gefährliche Dingeabspielen. Leclerc gab der Mannschaft Befehle. DieGruppe der Eindringlinge konnte nicht groß sein -was gleichbedeutend mit ihrer Schwäche war. Dergatasische Befehlshaber erkannte die großeGelegenheit, die sich hier bot. Vielleicht konnten sieGefangene machen, um mehr über diese Rasse zuerfahren. Leclerc gab eine Meldung über dieZwischenfälle nach Gatas ab. Wie er erwartet hatte,erhielt er sofort die Genehmigung zum Angriff.Weitere Diskusschiffe wurden zu seinerUnterstützung herbeibeordert. Leclerc konnte keinTriumphgefühl entwickeln, nur eine gatasischeVersion tiefer Zufriedenheit. Und von diesem Gefühlließ er sich einhüllen, bis sie die Stelle ausgemachthatten, an der das fremde Schiff gelandet war.Sorgfältige Ortungen ergaben, daß sich derEindringling im Eis verborgen hatte. Die erstenBilder zeigten einen Trichter, etwas tiefer gelegen alsdas übrige Land. Er konnte nicht natürlichenUrsprungs sein.

Dort steckte der Feind.Leclercs Katzenaugen richteten sich auf die

Bildschirme. Seine Hand umschloß den Ansatz derSprechverbindung, die er mit den Gatasern an denGeschützen aufrechterhielt.

Leclerc stieß nur ein einziges Wort hervor.In Interkosmo hieß es soviel wie:»Feuer!«

16.

»Da kommen sie zurück«, sagte LeutnantNashville.

Wie gewöhnlich hatte Oberst Joe Nomens keinenKommentar. Seine blauen Lippen waren festzusammengekniffen. Sie beobachteten, wie Agentenund Spezialisten an Bord der ESS-1 durch denTransmitter zurückkehrten. Jetzt waren auchBesatzungsmitglieder der TRISTAN dabei.

Einer der Männer kam auf Nomens zu undsalutierte.

»Major Lasalle, Sir!« sagte er. »Ich bin ErsterOffizier der TRISTAN. Ich habe einen Bericht vonOberst Hakru für Sie.«

»Wo ist der Oberst, Major?« erkundigte er sich.

»Er wartet auf ein Freiwilligenkommando, dasnach einmal in die Eishöhlen zurück ist, umwertvolle Ausrüstungen zu bergen. Sie sollen denTransmitter in Betrieb halten, bis die TRISTANexplodiert ist.«

»Gut, Major. Lassen Sie sich jetzt einen Platzinnerhalb der Station anweisen. Rhodan hat bereitsSchiffe hierher beordert, die Sie und die anderenMänner abholen sollen.«

Lasalle grüßte und ging hinaus.Nashville blicktenachdenklich hinter ihm her. »An Bord derTRISTAN scheint es noch ein paar lebensmüdeNarren zu geben«, meinte er.

»Vielleicht können sie verhindern, daß die Bluesgeheime Ausrüstungen erbeuten«, sagte Nomers.

Allmählich kamen alle Männer von der TRISTANzurück. Dann gab es eine Unterbrechung, obwohl derTransmitter lief. Nomers ließ Lasalle rufen.

»Es fehlen noch fünfzig Mann«, sagte er zu demMajor. »Wie lange kann es noch dauern, bis siekommen?«

Lasalle schaute auf die Uhr.»Die TRISTAN wird sich in zwanzig Minuten

selbst vernichten«, erklärte er. »Wenn sie bis zudiesem Zeitpunkt nicht hier sind, gibt es keineRettung mehr für sie ... Aber sie werden schonkommen.«

Zwanzig Minuten später drang ein eigenartigesFlimmern aus dem Torbogen des Transmitters.Nomers erkannte die Gefahr und ließ sofortabschalten. Nashville an seiner Seite wurde blass.

»Sir«, stammelte er. »Die Gegenstation scheintexplodiert zu sein.«

»Ich wünschte, Sie täuschten sich«, murmelteNomers.

Nach einer Weile setzten sie den Transmitterwieder in Betrieb. Stille senkte sich über die ESS-1.Alle Männer, die sich an Bord befanden, wartetendarauf, daß jemand aus dem Torbogen desTransmitters trat.

Doch dort rührte sich nichts.Mit einem Blick auf die Uhr bemerkte Major

Lasalle: »Die TRISTAN ist längst explodiert. Eskann niemand mehr kommen.« Er schüttelte heftigden Kopf. »Ich verstehe nicht, warum Oberst Hakrusich nicht rettete. Er hielt sich an Bord der TRISTANauf und wollte auf die Freiwilligen warten.«

»Vielleicht werden wir das nie erfahren«; meinteHomers düster.

Der hohe Torbogen des Transmitters - wirktegespenstisch.

Der Hauch des Todes schien aus ihm zu dringen.An der Spitze der Freiwilligen drang Leutnant

Kilmacthomas in die größte Höhle ein. Hier hattendie USOSpezialisten ihr Lager errichtet. WertvolleGeräte und Spezialausrüstungen waren hierher

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gebracht worden. Es war nicht nötig, den Männern zusagen, worauf es ankam. Jeder belud sich mit einerschweren Last. Kilmacthomas sah den riesigenMelbar Kasom, der die Aufgabe von mehrerenMännern allein übernahm.

Kilmacthomas bückte sich, um ebenfalls etwas ausder Höhle zu schaffen.

Da gellte ein Warnschrei im Helmlautsprecher desLeutnant auf. Kilmacthomas fuhr hoch. Er stand amhintersten Ende der Höhle. Sie hatten hier eine ArtPodium ins Eis geschmolzen. So konnteKilmacthomas alles überblicken.

Er sah, daß die Männer ihre Pakete von sichwarfen und auf ihn zurannten. Dann sah er auch denGrund.

Am Höhlenausgang begann der Schacht in sichzusammenzufallen, der zur TRISTAN führte. Einmeterbreiter Riß hatte sich im Eis gebildet. Dieständigen Erschütterungen der Bombenexplosionenhatten das Eis unruhig werden lassen.

Jetzt stürzten die Gänge und Höhlen ein.Kilmacthomas hatte diesen Gedanken noch nicht

zu Ende gedacht, als eine Woge von Eis amHöhlenausgang niederging. Die Lawine rollte nochbis in die Hälfte der unterirdischen Kammer hinein.Die Männer drängten sich auf das Podium, um diefragwürdige Sicherheit dieses Platzes in Anspruch zunehmen.

Kilmacthomas erwartete jeden Augenblick, daß dieHöhle selbst zusammenbrechen würde. Das hätte ihrsicheres Ende bedeutet, denn die Schutzanzügehätten den herabstürzenden Eismassen nichtwiderstehen können. Doch da hörten die Explosionenan der Oberfläche auf. Das Zittern des Bodens ließnach. Kilmacthomas atmete auf. »Achtung!« rief erüber Helmfunk. »Hier ist die Gruppe Kilmacthomas.Wir rufen die TRISTAN. Befindet sich noch jemandan Bord, der uns hören kann?«

Er lauschte atemlos, und er wusste, daß alleanderen jetzt auf jedes Geräusch achteten. DerLautsprecher knackte. Hakrus vertraute Stimmewurde hörbar.

»Verdammt, Kilmacthomas«, sagte der Oberstheftig. »Was ist geschehen? Die TRISTAN ist zurSeite gekippt. Es hat schwere Erschütterungengegeben.« Kilmacthomas gab sich Mühe, ruhig undgefaßt zu sprechen.

»Wir sitzen fest, Sir. Der Schacht zur Haupthöhleist durch die Erschütterungen eingestürzt. Es kannjeden Augenblicke neue Eisrutsche geben.«

Wie zur Bestätigung seiner Worte bildete sichdirekt über ihnen ein weiterer, armdicker Riß. DieMänner drängten sich panikartig bis an dieRückwand der Höhle zurück. Aber die Decke schiennoch zu halten.

»In zwanzig Minuten explodiert die TRISTAN«

sagte Hakru aufgeregt. »Ich glaube, die Schiffe derBlues landen jetzt. Sie werden Untersuchungenanstellen. Auf jeden Fall werden sie dieunterirdischen Lager entdecken.«

»Sind Sie allein an Bord?« fragte Kilmacthomas.»Alle anderen sind bereits zur ESS-1 gesprungen«,

erwiderte Hakru.»Folgen Sie ihnen, Sir«, bat Kilmacthomas

eindringlich. »Sie können uns hier nicht mehrhelfen.«

»Ich will verdammt sein, wenn ich das tue«,knurrte Hakru. »Sie lausiger Grünschnabel werdenmich nicht davon abhalten, mit einem Thermostrahlerden Gang freizulegen.«

»Das dürfen Sie nicht, Oberst«, wider sprachKilmacthomas. »Wir haben Thermostrahler hier inder Höhle, können sie aber wegen der Einsturzgefahrnicht einsetzen. Sie haben kein Gerät zurVerfügung.«

»Doch«, sagte Hakru. »Ich beschaffe mir einenStrahler. Schließlich hängen mehr als genug davon inder TRISTAN. Die Abstrahlanlage arbeitet noch. Dasbedeutet, daß der Kanal zur Oberfläche frei ist.«

Kilmacthomas rutschte vom Eispodium ins Innereder Höhle. Er watete durch dicke Eisbrocken bisdicht an den Schacht. Was er sah, war nicht geradeermutigend. Überall hatten sich Risse gebildet. Eswar fraglich, ob sie den Ausgang noch jemalsfreilegen konnten.

»Die Zeit ist zu knapp«, sagte er über Helmfunk.»Bevor Sie nur den ersten Strahlschuß abgegebenhaben, wird das Schiff explodieren.«

»Ich versuche es jedenfalls«, erklärte Hakru. SeineStimme klang keuchend, als leiste er schwere Arbeit.

Der Leutnant überlegte, wie er den Vorgesetztenvon seinem Vorhaben abbringen konnte. Aber Hakruschien nicht gewillt, sich auch nur in eine Diskussiondarüber einzulassen.

Kilmacthomas wandte sich an die übrigen Männer.»Oberst Hakru wird versuchen, den Schacht von

der TRISTAN aus freizulegen«, gab er bekannt. »Wirhaben nichts mehr zu verlieren, deshalb werden wirmit unseren eigenen Strahlern ebenfalls an derBeseitigung der Trümmer arbeiten. Es kann sein, daßwir dabei umkommen, aber das ist immer nochbesser, als hier untätig zu warten.«

Zustimmende Rufe wurden im Helmfunk laut. DieMänner brannten darauf, etwas zu ihrer Rettung zutun. Das Bewußtsein, daß Hakru auf der anderenSeite entgegenkam, gab ihnen neuen Mut.

Kilmacthomas wollte ihnen nicht sagen, wiegering ihre Aussicht zum Überleben war. Sie solltendie Hoffnung nicht verlieren.

Er hob den Strahler und begann vorsichtig mit demAbschmelzen. Er war sich darüber im klaren, daß dasWasser keine Möglichkeit zum Abfließen hatte.

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Durch die Tätigkeit der Thermostrahler wurde es inder Höhle so warm, daß es nicht wieder fror. Daskonnte bedeuten, daß sie bis zum Hals im Wasserstanden, bevor sie ein Loch in den eingestürztenSchacht gebrannt hatten.

Auch das wussten die anderen nicht.Bedächtig zielte Kilmacthomas auf die

Hindernisse.Er war noch sehr jung, und er wollte nicht sterben.

Aber er wusste auch, daß er nicht über den Zeitpunktseines Todes zu bestimmen hatte. Das gab ihm Kraft.Er arbeitete ruhig und sicher an der Spitze desStrahlkommandos.

Bald standen sie bis zu den Knien im Wasser.Der Boden wurde so glitschig, daß ständig einige

Männer ausrutschten und ins Wasser fielen. Nur dieSchutzanzüge retteten ihnen das Leben.

Sein ganzes kurzes Leben hatte Kilmacthomas dasVerhalten des Eises studiert. Er wusste mehr überEisplaneten als die meisten anderen Menschen.

Fast konnte man sagen, daß er mit dem Eis gelebthatte.

Und nun schien es, als sollte er darin sterben.Zehn Minuten, bevor die Robotautomatik die

TRISTAN vernichten würde, hatte Oberst MosHakru endlich den Thermostrahler abmontiert undeinsatzbereit gemacht. Sein Gesicht war vorAnstrengung schweißüberströmt. Er nahm sich nichtdie Zeit, auf die Uhr zu blicken, da er auf jeden Fallnicht rechtzeitig genug fertig werden konnte. Er liefüber den Hauptgang zur Schleuse. Er sprang hinaus.Mit einem Seitenblick überzeugte er sich, daß dieAbstrahlanlage nach wie vor funktionierte. Sobalddas Schiff explodierte, war sie äußerst gefährdet.

Hakru hob den Strahler und stürmte in denzugeschütteten Gang hinein.

Sollte es diesen fünfzig Männern ebenso ergehenwie Masterson und seinen Begleitern?

Hakru erreichte die verschüttete Stelle.»Kilmacthomas!« rief er in das Helmmikrophon.

»Hören Sie mich noch?«»Alles in Ordnung, Sir«, ertönte die Stimme des

Leutnants. »Gehen Sie durch den Transmitter,solange Sie noch Zeit dazu haben.«

»Ich bin jetzt im Gang und trenne einenDurchbruch«, sagte Hakru, ohne auf die Einwändedes Leutnants einzugehen. »Sie müssen von deranderen Seite vorstoßen.«

»Das tun wir bereits, Sir«, gab Kilmacthomasbekannt.

Verbissen arbeitete sich Hakru vor. Er wusste, daßer ein ziemlich großes Loch brennen musste, dennfünfzig Männer benötigten viel Platz, umdurchzukommen.

Automatisch blickte er auf die Uhr.Noch sechs Minuten!

Er spürte, wie ihm der Schweiß durch dieAugenbrauen rann und die Augen ätzte. DieSichtscheibe seines Helmes beschlug sich mitFeuchtigkeit.

Das Wasser floss hinter ihm aus dem Schacht, intrüben Bächen rann es bis zur Abstrahlanlage, wo esan die Oberfläche geblasen wurde.

Noch vier Minuten!Hakru sah ein, daß er es nicht schaffen würde. Er

hatte es die ganze Zeit über gewusst. Trotzdemmusste er weiterarbeiten. Die Männer mussten befreitwerden. Vielleicht gelang es Rhodan, einRettungsschiff abzusetzen.

Er fragte sich, ob er die Selbstzerstörung derTRISTAN überleben werde. Die Explosion dientenur zur Auslösung eines Schmelzprozesses, der dieTRISTAN in einen formlosen Stahlklumpenverwandeln würde. Doch dieser Vorgang würdeungeheure Hitze erzeugen. Das Eis würde hier untenzu schmelzen beginnen.

Wasser würde in alle Gänge und Schächte dringen.Es war fraglich, ob die Abstrahlanlage die Flutenschnell genug beseitigen konnte, sofern sie dieExplosion überhaupt überstand. Noch zwei Minuten!

Ein Lächeln flog über Hakrus Gesicht. An Bordder ESS-1 würde man jetzt vergeblich auf ihn warten.Hoffentlich beging keiner der Männer die Dummheitzurückzukehren, um ihn zu suchen. Hakru schwenkteden Strahler in die Höhe und verbreiterte denentstehen den Gang. »Kilmacthomas!« ächzte er.

»Sir?« Die Stimme des Leutnants klang besorgt.»Die Explosion«, murmelte Hakru. »In wenigenSekunden.«

Er schaltete den Strahler ab, um sich bei der zuerwartenden Druckwelle nicht selbst zu verletzen.»Oberst«, sagte Kilmacthomas rauh. Dann sagte ernoch etwas, aber das hörte Hakru bereits nicht mehr.Von einer Sekunde zur anderen schien er schwereloszu werden. Er hob sich vom Boden ab, eineurwüchsige Kraft trieb ihn nach vor, stieß ihn auf dasEis zu. Er wollte schreien, aber es entrang sich keinLaut seiner wie ausgedorrten Kehle. Im gleichenAugenblick, als er erwartete, gegen das Eis geworfenund zerschmettert zu werden, wich die weißeBarriere vor ihm zurück. Er prallte gegen irgendetwas, wurde herumgerissen. Seine Arme wirbeltendurch die Luft. Er glaubte dunkle Punkte vor sich zusehen. Er spürte, daß unzählige große und kleineEisbrocken seine Bewegung mitmachten, daß siegleich ihm davon gerissen wurden. In seinen Ohrenwar ein Donnern und Brausen, als stünde er untereinem Wasserfall. Doch da er noch Luft bekam,konnte der Helm nicht zerstört sein. Dann prallte ergegen einen riesigen Eisklotz. Die Luft wurde ausseinen Lungen gequetscht, und er verlor dasBewusstsein.

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17.

Das Eis barst direkt vor Kilmacthomasauseinander. Ein Aufschrei aus über einem DutzendKehlen begleitete diesen Vorgang. Kilmacthomas rißdie Sicherung des Thermostrahlers herunter und warfsich zu Boden. Dann brach das Eis über sie herein.Ein Regen aus kleinen und kleinsten Teilchen ergoßsich über die Männer. Ihm folgte die Druckwelle. Siewar noch stark genug, um den sich verzweifeltfestklammernden Kilmacthomas mehrere Meterdavon schlittern zu lassen. Die Welt um ihn herumschien nur noch aus weißer Materie zu bestehen. Erhob den Kopf. Die Explosion hatte den Gangfreigelegt. Wie durch ein Wunder war er nichteingestürzt. Doch nicht allein das Eis war in dieHöhle gespült worden.

In unmittelbarer Nähe von Kilmacthomas lag einekleine Gestalt am Boden.

Das war Oberst Mos Hakru. Seine Händeumklammerten noch den Thermostrahler.Kilmacthomas erhob sich. Von allen Seiten kamendie Männer auf ihn zugelaufen.

Der Leutnant humpelte auf Hakru zu. Als er ihnerreicht hatte, beugte er sich zu ihm hinab und drehteihn auf den Rücken. Da schlug Hakru die Augen aufund grinste. Drei Minuten später kam die Flutwelle.

Die Ortungsgeräte zeigten einwandfrei, daß dieGeheimstation der Fremden direkt unter ihnen lag.Als die Blues jedoch nach heftigem Bombardementkeine Anzeichen einer Gegenwehr erkannten, ließLeclerc das Feuer einstellen. Während ihrer Angriffeauf diese Welt hatte sich der feindliche Verband kurzim Verth-System gezeigt, aber diesmal war Leclercnicht auf den Trick hereingefallen.

Von allen benachbarten Flottenstützpunkten warenriesige Flottenverbände aufgestiegen, so daß sich derGegner rasch zurückgezogen hatte. Doch Leclerchatte sich darum nicht gekümmert. Das kurzeErscheinen der Fremden bewies ihm nur, daß dortunten gefährliche Dinge vor sich gingen - gefährlichfür alle Gataser.

Der Kommandant ließ das Diskusschiff einige Zeitüber der beschossenen Stelle mit dem eigentümlichenTrichter kreisen. Die Molkexmasse war wieder injene normale Starre übergegangen, die das Materialauszeichnete.

Leclerc ahnte, daß das Verhalten des Molkexetwas mit der gegnerischen Station dort unten zu tunhatte. Es war bedenklich, wenn der Feind bereits überMittel verfügte, die das Molkex wallen ließen.Vielleicht war er etwas auf der Spur, das denSchutzmantel ihrer Raumer vernichten konnte.

Diese Vorstellung war für jeden Gataserungeheuerlich. Das Molkex galt als unzerstörbar, die

Blues hatten sich praktisch von ihm abhängiggemacht.

Deshalb musste auch unter allen Umständen ihrerecht einseitige Partnerschaft mit denSchreckwürmern erhalten werden.

Leclerc empfand keine Gewissensbisse, wenn erdaran dachte, wie sie sich die körperlichenEigenschaften der Schreckwürmer zunutze machten.

Obwohl das Molkex von Lecleres Schiff jetztwieder im Normalzustand war, bewiesen dieOrtungsgeräte, daß noch etwas unter ihnen im Eiswar.

Leclerc nahm Verbindung mit den anderenSchiffen in ihrer Nähe auf. Er beorderte sie in eineKreisbahn um die Eiswelt. Sein eigenes Schiff würdelanden. So verschaffte er sich Rückendeckung, fallsdort unten noch jemand in der Lage sein sollte,ernsthaften Widerstand zu leisten. In sichererEntfernung zu dem Trichter ließ Leclerc das Schiffniedergehen. Die Geschütze des Raumersschwenkten herum und zeigten in die Richtung, woman die Fremden unterhalb der Oberflächevermutete.

Leclerc teilte die Besatzung in drei Gruppen auf.Ein Teil blieb im Schiff zurück, um dieses feuer- undstartbereit zu halten. Eine zweite Mannschaftverteilte sich, mit schweren Handwaffen undSchutzanzügen ausgerüstet, um das Schiff.

Die dritte Gruppe wurde von Leclerc angeführt.Auch sie trugen Schutzkleidung und warenbewaffnet. Der Kommandant verteilte seine Begleiterrings um den Trichter. Er befahl ihnen, nach einemAbstieg unter das Eis Ausschau zu halten. Er ahnte,daß es irgendwo einen Weg in die Tiefe gab.

Allmählich setzte sich in ihm die Erkenntnis durch,daß es sich bei dem Trichter um eine zugefroreneÖffnung handelte, durch die ein Raumschiff ins Eiseingedrungen war. Leclerc sagte sich, daß dies dielogischste Erklärung war. Er kam nicht auf denGedanken, diese Leistung des Gegners zubewundern, aber seine Ansicht, daß die Fremden inihrer Raumfahrttechnik sehr weit fortgeschrittenwaren - weiter als die Blues -, wurde wiederumbestätigt.

Das Schutzmaterial aus Molkex war ihr einzigerVorsprung gegenüber dem Feind.

Auf der anderen Seite des Trichters stießenLeclercs Männer auf einen kleinen Schacht, der indie Tiefe führte. Sie alarmierten den Kommandanten,und Leclerc beeilte sich, zu ihnen zu gelangen.

Respektvoll machten die gatasischen RaumfahrerPlatz, als ihr Anführer die Öffnung besichtigte.Leclerc erblickte ein relativ kleines Loch. Das Eis umes herum hatte eigenartige Formen, es zeigte nichtseine natürliche Schroffheit, sondern war glatt unddehnte sich nach allen Seiten aus, als bestünde es aus

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dicken gefrorenen Adern. Sorgfältig leuchteteLeclerc die Umgebung ab.

»Durch diesen Schacht bringen sie Schmelzwasseran die Oberfläche«, vermutete er schließlich.»Wahrscheinlich haben sie dort unten Maschinen, diedie Flüssigkeit nach oben pumpen.«

Leclerc konnte nicht wissen, daß dasAbstrahlsystem der Terraner weitaus besser war alsjede Pumpanlage, bei der man Zwischenstationenerrichten musste.

Trotzdem war es erstaunlich, daß er die Bedeutungdes Kanals sofort erkannt hatte.

»Es scheint, als arbeiteten ihre Maschinen nichtmehr«, meinte Leclerc.

Er war ein vorsichtiger Mann, aber in diesem Falleging er ein Risiko ein. Er ließ zwei Antigrav-Plattenvom Schiff an den Schacht bringen. Zwei Gataserwurden ausgewählt, in den Kanal einzufliegen.

»Sobald ihr wißt, was dort unten vorgeht, kehrt ihrum«, befahl Leclerc. Er leuchtete ihnen mit demScheinwerfer, während sie auf die Platte stiegen undsich festschnallten. Leclerc wartete, bis das Fluggerätarbeitete, dann schaltete er das Licht aus.

»Es geht los!« ordnete er an.Die Antigrav-Platte hob sich vom Boden ab und

schwebte auf das Loch zu. Leclerc ließ die zweitebereithalten, um bei einem Zwischenfall soforteingreifen zu können. Wenn die beiden Gataser nichtauf Schwierigkeiten stießen, würde er weitereFluggeräte anfordern. Zusammen mit den anderenwürde er dann ebenfalls unter das Eis gleiten.Sekunden nachdem die Flugscheibe im Kanalverschwunden war, glaubte Leclerc eine schwacheVibration des Bodens zu fühlen, als wollte der Planetdie lästigen Besucher von sich abschütteln. Einesofortige Rückfrage beim Schiff bestätigte dieVermutung des Kommandanten.

Die Geräte im Diskusschiff zeigten einen starkenEnergieausbruch in unmittelbarer Nähe an.

»Sie haben ihre unterirdische Station gesprengt,damit wir sie nicht in die Hände bekommen«, sagteLeclerc enttäuscht.

Im nächsten Augenblick fiel ihm ein, daß diebeiden Raumfahrer, die in den Schacht eingedrungenwaren, sich jetzt in großer Gefahr befanden. Er riefsie über Funk an und forderte sie zur sofortigenUmkehr auf.

Doch es war schon zu spät. Zwar kamen die beidenBlues zurück, aber nicht mit der Antigrav-Platte.

Sie wurden an der Spitze einer Fontäne aus demKanal geschleudert, zwei dunkle,durcheinanderwirbelnde Punkte. Die Trümmer derFlugscheibe folgten.

Wie gebannt starrte Leclerc auf das phantastischeBild. Im schwachen Licht der Sonne Verth und demihrer eigenen Scheinwerfer zeigte sich eine

grausigschöne Szenerie. Da prasselte dasSchmelzwasser auf sie nieder. Leclerc begann zulaufen.

18.

Kilmacthomas half Oberst Hakru auf die Beine.Die Druckwelle hatte die letzten Hindernisse aus demeingestürzten Schacht gefegt. Der Weg war frei.Doch der Leutnant wusste, daß sie die Höhle unterkeinen Umständen jetzt schon verlassen durften.Wenn es überhaupt eine Chance gab, der Überflutungzu entgehen dann hier in diese Höhle.

Hakru schüttelte sich.»In Ordnung, Leutnant«, sagte er. »Ich bin wieder

auf den Beinen.«Kilmacthomas ließ ihn los. Einer der Männer war

so unglücklich von einem Eisbrocken getroffenworden, daß sein Anzug aufgeschlitzt wurde. Er warsofort tot gewesen.

Damit hatte sich ihre Zahl auf neunundvierzigMänner vermindert.

»Das Schiff ist zerstört und damit unsere Aussicht,mit dem Transmitter zur ESS-1 zurückzukehren«,sagte Hakru. »Aber irgendwie müssen wir hierheraus.«

Kilmacthomas nickte zustimmend.»Zunächst müssen wir die mit Sicherheit

kommende Flutwelle abwarten, Sir«, sagte er. »Wennwir diese überleben - und diese Chance haben wirnur, wenn die Abstrahlanlage weiterarbeitet -, könnenwir uns noch immer Gedanken darüber machen, wiewir an die Oberfläche gelangen.«

Kilmacthomas Gedanken glitten zu rück, zu jenemTag, als er an Bord der TRISTAN angekommen war.Dieser Zeitpunkt schien weit in der Vergangenheit zuliegen, er hatte schon beinahe unwirklichenCharakter. Es schien dem Leutnant, als habe seinZusammenstoß mit Wallaby überhaupt niestattgefunden.

Seine Augen suchten den Sergeant unter denMännern, aber da ihm viele den Rücken zudrehten,konnte er ihn nicht entdecken.

Im Augenblick blieb ihnen nichts anderes übrig,als zu warten.

Kilmacthomas fragte sich, was die Blues imAugenblick unternahmen?

Versuchten sie bereits, unter das Eis einzudringen,um den Feind aufzuspüren?

Der junge Leutnant verzog grimmig das Gesicht.War der Tod im Eis nicht besser als der unter denverbrennenden Strahlen gatasischer Waffen? Es wardurchaus möglich, daß man versuchen würde, sie allein Gefangenschaft zu bringen, denn ein Studium ihrerKörper würde den Blues wertvolles Wissen über siegeben.

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Die Anwesenheit der vielen Spezialisten gabKilmacthomas Zuversicht. So schnell gaben dieseMänner nicht auf. Sie wussten auch nicht inscheinbar aussichtslosen Situationen zu wehren.

Oberst Hakru hatte damit begonnen, mit Hilfeeiniger Männer große Pakete unmittelbar vor demSchacht aufzustapeln. Doch er hatte diese Arbeitnoch nicht richtig begonnen, als die Flutwelle kam.

»Alles festhalten, damit keiner aus der Höhlegespült wird!« schrie Kilmacthomas.

Das Wasser toste durch den offenen Schacht zuihnen herein, eine quirlende schäumende Masse, aufderen Oberfläche scheinbar schwerelos dieEisbrocken tanzten. Kilmacthomas warf sich zuBoden und krallte sich an einer Maschine fest. DieFlut spülte über ihn hinweg und zerrte mit mächtigenKräften an seinem Körper.

Trotzdem war es nicht so schlimm, wie derLeutnant erwartet hatte. Das konnte nur bedeuten,daß die Abstrahlanlage noch arbeitete und jetztbereits große Mengen abgetauten Eises an dieOberfläche strahlte.

Die Flutwelle brach sich an der Rückwand derHöhle, schwappte wie ein Riesenmaul zurück undwarf sich erneut über die Männer.

Kilmacthomas fühlte den Sog der Wassermassen,aber er hielt sich eisern fest. Dann war die Wucht desAnsturms durch die Höhlenwand gebrochen.Kilmacthomas stand auf. Das Wasser reichte ihm bisan die Brust. Es wurde wieder hell, als immer mehrMänner auftauchten und das Licht ihrer Scheinwerferdie Höhle beleuchtete. Kilmacthomas atmeteerleichtert auf, als die triefende Gestalt OberstHakrus auf ihn zuwatete. Bei einer kurzen Zählungstellten sie fest, daß es keinen weiteren Totengegeben hatte.

Es schien, als würde sich das Glück wieder aufihre Seite schlagen.

»Diese verteufelte Maschine scheint noch zuarbeiten, Leutnant«, rief Hakru. »Man müßte ihremHersteller eine Medaille überreichen.«

»Tun Sie das bei unserer Rückkehr zur Erde, Sir«,schlug Kilmacthomas vor.

Es sah Melbar Kasom, den riesenhaften Ertruser,wie ein urweltliches Tier durch das Wasser stampfen.Kasom hatte mehreren Männer als Halt gedient, alsdie Flutwelle in die Höhle gedrungen war.

Kilmacthomas hatte schon viel über diekörperlichen Kräfte des USO-Spezialisten gehört,aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht an die Wahrheitdieser Geschichten geglaubt. Jetzt musste er seineMeinung ändern.

»Wir werden warten, bis das Wasser so weitgesunken ist, daß wir ohne Gefahr aus der Höhlekönnen, Sir«, sagte er zu Hakru.

Der Schutzanzug des Kommandanten der

TRISTAN glänzte vor Nässe. Unter der Sichtscheibewar Hakrus Gesicht bleich, aber nicht angespannt. Esschien, als seien die Männer von neuem Optimismusbeseelt.

Das Wasser fiel nicht schnell, aber stetig. Eingroßer Teil der in der Höhle gelagerten Ausrüstungwar zerstört oder zumindest unbrauchbar. Der Bodenwar glatt, so daß jede Bewegung einen Sturz auslösenkonnte.

»In einer der Höhlen befindet sich einHyperkomgerät«, erinnerte sich Hakru. »Wenn es unsgelingt, es zu finden, können wir einen Funkspruchabsetzen.«

»Die Höhle kann eingestürzt sein, Sir«, wandteeiner der Spezialisten ein. »Oder das Gerät kannzerstört sein.«

»Richtig«, bestätigte Hakru. »Trotzdem müssenwir es versuchen.«

Kilmacthomas pflichtete dem Oberst im stillen bei.Es war eine Nervenprobe, hier in der Höhle zu stehenund nichts anderes zu tun als auf das Absinken desWassers zu warten. Sie mussten ständig damitrechnen, daß der Schacht wieder einstürzte, oder dieDecke über ihnen nachgab.

Sie schwebten in unmittelbarer Lebensgefahr, aberdaran dachte wohl kaum einer unter ihnen.

Kilmacthomas watete bis zum Schacht, um zuuntersuchen, ob ein Ausgang freigeblieben war. Bisauf einige Eisbrocken, die sich dort verklemmthatten, gab es keine Hindernisse. Da ihreThermostrahler unempfindlich gegen extremeTemperaturen oder Nässe waren, bildeten die Sperrenkeine unüberwindlichen Hindernisse. Sie konnten sieleicht zerstrahlen.

Kilmacthomas' nächster Gedanke galt demGravitationsbohrer. Wenn er noch arbeitete, war erihre einzige Möglichkeit, an die Oberfläche zugelangen.

Hakru tauchte neben ihm auf.»Wie sieht es aus?« fragte er. Kilmacthomas

leuchtete auf die Stellen, an denen sie sich gewaltsameinen Weg bahnen mussten. »Sonst ist alles inOrdnung«, erklärte er ruhig. »Sobald das Wassergefallen ist, können wir losmarschieren.«

19.

Die Fontäne fiel in sich zusammen, als habe sienur Kraft für diesen einzigen, wilden Ausbruchbesessen. Trotzdem quoll der Strom nach wie vor ausder Öffnung im Eis. Leclerc überwand das Entsetzenund blieb stehen. Die ausströmende Flüssigkeitbildete keine Gefahr mehr - sie war nie gefährlichgewesen, nur für die beiden Blues, die sich in denSchacht gewagt hatten, gab es keine Rettung:

Außerhalb des Kanals war nichts zu befürchten.

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Leclerc sammelte seine Gedanken und begannintensiv zu überlegen. Die Menge des ausströmendenWassers wurde allmählich weniger. Früher oderspäter würde die wieder frei sein, dann konnten sieweitere Antigravscheiben in die Tiefe schicken.

Leclerc glaubte nicht, daß sich der verhängnisvolleZwischenfall wiederholen würde. Er beruhigte dieMänner im Schiff und forderte weitereAntigravplatten an. Außerdem ließ er seine Begleitermit Vibratorstrahlern ausrüsten. Falls es dort untennoch Überlebende gab, dann wollte er sie lebend inseine Gewalt bringen. Die einmalige Chance, denGegner zu studieren, würde sich so rasch nichtwieder bieten.

Der Kommandant war ehrgeizig, nicht zuletztdachte er an Ruhm und Beförderung, die ihm zuteilwerden würden, wenn ihm die Gefangennahmeeiniger Feinde gelang. Doch für solche Überlegungenwar jetzt keine Zeit. Er musste sich voll und ganz derbevorstehenden Aufgabe widmen.

Er wählte siebzig Männer aus, die mitVibratorstrahlern ausgerüstet wurden. IhreSchutzanzüge waren zusätzlich mit einemMolkexschutz umgeben, so daß ihre Träger vorfeindlichen Waffen sicher waren.

»Sobald dieser Kanal frei ist, werden wir in dieTiefe vorstoßen«, gab er bekannt.

Er wusste, daß sich viele scheuten, ihm auf diesemgefahrvollen Weg zu folgen, aber er warKommandant und hielt es nicht für richtig, seineAnordnungen mit Untergebenen zu diskutieren.

Sie bildeten einen Ring um die Öffnung im Eisund warteten.

Warteten auf jenen Moment, da das Wasserversiegen und der Weg abwärts für sie frei seinwürde.

Darin unterschieden sie sich nicht von denMenschen in sechshundert Metern Tiefe. Nur, daßdiese nach oben wollten. Als ihm das Wasser nochbis zu den Knöcheln reichte, begann Kilmacthomasdamit, die im Weg liegenden Eisklötze zuzerstrahlen. Er ging dabei vorsichtig zu Werke, umzu verhindern, daß die Decke nachrutschte und sieerneut gefangen waren.

Schweigend sahen ihm die Männer zu. Er warExperte für Eiswelten, deshalb unternahm niemandden Versuch, ihn zu beeinflussen auch ranghöhereOffiziere nicht. Über dem Leutnant bröckelte Eis ab,und er hielt sofort inne. Atemlos starrten unzähligeAugen auf die gefährdete Stelle. Dann, als es sicherwar, daß sich der Riß nicht vergrößern würde, setzteKilmacthomas sein riskantes Unternehmen fort.

Auf diese Weise gelang es ihm, den Schacht sofreizulegen, daß sie die Höhle verlassen konnten. DasSchmelzwasser war jetzt vollkommen abgeflossen,nur noch kleine Lachen bedeckten den Boden, die

jedoch rasch gefroren.Kilmacthomas befestigte den Thermostrahler am

Gürtel des Schutzanzuges und schaltete denScheinwerfer ein. Behutsam kroch er durch diegeschaffene Öffnung in den Schacht. Er leuchtetejeden Zentimeter der Decke ab, da er wusste, daß dasEis nach der Explosion unruhig war. Ein Einsturz derDecke würde jetzt das Ende bringen. Er sah Risse,die Unbehagen in ihm erzeugten, aber es blieb ihnennichts anderes übrig, als unter Mißachtung derGefahr durch den Gang zu kriechen. Er gab denanderen mit dem Scheinwerfer ein Zeichen. »Wiesieht es aus, Leutnant?« erkundigte sich OberstHakru.

Der Lautsprecher von KilmacthomasHelmempfänger arbeitete undeutlich, aber er hattejetzt keine Zeit, sich darüber Sorgen zu machen.

»Wenn wir Glück haben, kommen wir durch denGang zum Kanal«, gab er Hakru zu verstehen. »DieMänner sollen nach und nach durch den Schachtkommen.« Er leuchtete den Boden vor sich ab.»Niemand darf einen Thermostrahler benutzen ohnemeinen ausdrücklichen Befehl.«

Einer nach dem anderen folgten die. Raumfahrerund Agenten dem Eisspezialisten. Kilmacthomashatte ein trocken Gefühl im Hals. Im erstenAugenblick führte er das auf Sauerstoffmangelzurück, doch dann sagte er sich, daß die Reserven desSauerstoffaggregates noch auf Stunden hinausausreichen würden.

Dann stieß Kilmacthomas auf einen seitlichenEinbruch.

»Halt!« befahl er.»Was ist passiert?« fragte Hakru im Flüsterton.

Der Oberst befand sich unmittelbar hinterKilmacthomas. Er leuchtete an dem Leutnant vorbeiund sah das Hindernis. Für einen kleinen Mann gabes keine Schwierigkeiten, hier vorbeizukommen -aber sie hatten auch breitschultrige große Männerdabei, und Melbar Kasom brauchte ein doppelt sogroßes Loch.

Hakru stieß einen scharfen Pfiff aus, der ebensoÜberraschung wie Furcht ausdrücken konnte.

Die Männer, die ganz hinten waren, zum Teil nochin der Höhle, wurden unruhig. Fragen ertönten aufder Helmfrequenz.

»Ruhe!« befahl der Oberst scharf. »Es geht gleichweiter.« Kilmacthomas schnitt eine Grimasse, denner hielt den Optimismus des Kommandanten fürreichlich verfrüht. Er räumte einige Eisbrocken zurSeite und zwängte sich an dem Einbruch vorbei Indie offene Hälfte des Ganges. Hakru hatte dankseines zierlichen Körpers keine Schwierigkeiten, ihmzu folgen. Doch der nächste Mann, ein vollschlankerSpezialist, streckte in offensichtlicher Verwirrungden Kopf durch die viel zu kleine Lücke.

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»Wenn Sie das Zeug lange genug bewunderthaben, fällt Ihnen vielleicht sogar etwas ein«, sagteHakru mit sanftem Spott zu dem Leutnant.

Kilmacthomas lächelte, aber da er Hakru denRücken zuwandte, konnte dieser das nicht sehen.

»Nun?« fragte Hakru.»Es ist zu gefährlich, wenn wir hier den Strahler

einsetzen«, sagte Kilmacthomas langsam. »Es wirdam besten sein, wenn wir beide von dieser Seite aussoviel Eis wegräumen, daß die Nachfolgendengenügend Platz bekommen.«

Schweigend begannen sie zu arbeiten.Kilmacthomas nahm Eisklötze vom Einbruch wegund reichte sie Hakru, der sie in den Ganghineinwarf, so daß sie sich verteilten. Plötzlich gabder Eisberg nach, als Kilmacthomas einen größerenBrocken herauszog. Mit einem Fluch sprang erzurück.

Sofort bestürmten sie die Männer auf der anderenSeite mit Fragen.

»Nichts passiert«, knurrte Kilmacthomas mürrisch.»Es wird nur ein paar Minuten länger dauern.«

Endlich hatten sie das Loch so verbreitert, daßjeder hindurch kriechen konnte.

Sie gaben den Befehl zum Weitergehen. Der Ganghatte hier seine ursprüngliche Breite, so daßKilmacthomas und Hakru nebeneinander gehenkonnten.

Bald darauf stießen sie auf den großen Vorraumund auf das, was einmal die TRISTAN gewesen war,jetzt aber nur noch einen ausgeglühten Metallklumpen darstellte. Jetzt erwies sich die eisigeTemperatur als ihr Verbündeter, denn sie hatte dasglühende Metall schnell zur Abkühlung gebracht. Eiswar von allen Seiten in die Vorhöhle gelaufen, so daßalles verändert aussah. Trotzdem stand ihnen jetztmehr Platz zur Verfügung.

Nach und nach versammelten sich alle Männer umHakru und Kilmacthomas.

Als erstes begab sich Kilmacthomas zu derKraftstation, mit der das Schmelzwasser an dieOberfläche gestrahlt wurde. Obwohl die äußere Hülleder Maschine mit einem dichten Eismantel umgebenwar, arbeitete sie noch einwandfrei. Kilmacthomasseufzte erleichtert, taute das Eis an gefährdetenStellen ab und kehrte zu den Männern zurück.

»So«, sagte er befriedigt. »Jetzt werden wir denGravitationsbohrer suchen und feststellen, ob er nocheinsatzfähig ist.«

»Wir müssen auch an den Hyperkom denken«,erinnerte Hakru. »Ich halte es für wichtig, eineNachricht an die ESS-1 zu senden.«

»Wir dürfen nicht vergessen ...«, begannKilmacthomas, aber nie erfuhr man, was er nicht inVergessenheit geraten zu lassen beabsichtigte.

Denn in hundert Metern Entfernung, unmittelbar

am Eintritt des Abstrahlkanals, schwebte ein Ding indie unterirdische Höhle. Es sah aus wie eine rundeScheibe mit einer Verdickung in der Mitte unterhalbder Bodenfläche.

Auf der Scheibe standen sechs Blues inSchutzanzügen, und ihre Waffen waren auf dieTerraner gerichtet.

Bevor überhaupt einer der überraschten Männerreagieren konnte, kam eine weitere Scheibe aus demSchacht, dann noch eine und eine ...

Als die Eiswasser-Fontäne versiegte, wurdeLeclerc in seinem gefassten Entschluss schwankend.Doch dann wurde ihm bewusst, daß er sich eine niewieder gutzumachende Blöße gab, wenn er jetzt dieAnordnungen widerrief, die er der Mannschaftgegeben hatte.

Er straffte sich und bestieg mit fünf weiterenGatasern die Antigravplatte, die zuerst in den Kanalgleiten würde. Leclerc fühlte sich keineswegsheroisch, aber eine Spur von Stolz regte sich in ihm.Er war ein Kommandant, der sich an die Spitze derMannschaft stellte, der nicht im Hintergrund wartete,bis die Frage nach Sieg oder Niederlage geklärt war.

Er gab dem Raumfahrer, der die Scheibe steuerte,die letzten Anweisungen. Der Molkexüberzug seinesSchutzanzuges verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit.Er wusste, daß ihm kaum etwas geschehen konnte, essei denn, eine zweite Fontäne würde aus dem Schachtblasen.

»Los!« befahl Leclare, ohne seine Stimme zuheben. Seine vier Augen sahen alle Dinge derUmgebung gleichzeitig: die dunkle Silhouette desDiskusraumers im Hintergrund, das schmutziggraueEis, die anderen Blues und das Loch, in dem sie inwenigen Augenblicken verschwinden würden.

Die Scheibe hob sich vom Boden ab, getragen vonkontrollierten magnetischen Feldern. Der Pilot warsehr nervös, Leclerc spürte es an derUnregelmäßigkeit des Fluges, aber er schwieg.

Als sie genau über dem Kanal schwebten, zogLeclerc den Vibratorstrahler und befahl den anderen,seinem Beispiel zu folgen. Dann sank das Fluggerätlangsam, aber stetig hinab.

Die Wände des Kanals huschten vorbei, ihreFormen und Farben änderten sich ständig, imScheinwerferlicht sah es wie ein Glitzern vonMillionen Kristallen aus, die von einer unbekanntenMacht in Bewegung gehalten wurden. Doch es wardie Platte, die sich bewegte.

Leclerc wusste nicht, wie tief sie ins Eiseindringen mussten, aber er sagte sich, daß sie baldam Ziel sein mussten. Der Gegner konnte keineWunder voll bringen und sich mit einem Raumschiffin größere Tiefen bohren.»Licht!« rief da der Pilot.

Leclerc spähte über den Rand der Scheibe. Er sahjetzt ebenfalls den Lichtschimmer von unten in den

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Kanal dringen. Befriedigung erfüllte ihn. Dort untenwar also noch nicht alles zerstört. Es schien ihm, alsverändere das Licht seine Intensität, fast konnte manglauben, daß dort unten jemand mit Scheinwerfernauf und ab ging.

Leclerc war plötzlich sehr erregt.Sollte ihm das Glück tatsächlich Gefangene in die

Hände geben?Er befahl dem Piloten, jetzt etwas langsamer

abzusinken und dann blitzschnell aus dem Schachthervorzustoßen. Leclerc wollte dasÜberraschungsmoment auf seiner Seite haben.

Er versuchte sich ein Bild dessen zu machen, wasihnen dort unten bevorstand, aber ihre Kenntnisseüber den Gegner waren viel zu gering, so daß alleGedanken nur Ausgeburt seiner Phantasie, nicht aberProdukte realer Überlegung waren.

Leclercs siebenfingrige Hand umklammerte denVibrator fester.

Der Pilot fragte: »Jetzt?«Die nächsten Sekunden konnten über Leben und

Tod entscheiden, dachte Leclerc, und er wundertesich über die Trägheit dieses Gedankens, der nichtsein Inneres berühren konnte.

»Ja«, sagte er, »jetzt!«Obwohl der Pilot sehr nervös war, brachte er die

Antigravplatte mit meisterlichem Geschick aus demSchacht. Er ließ sie plötzlich absacken und warf siemit einem seitlichen Steuerdruck nach vorn, so daßsie wie ein welkes Blatt in die Höhle gefegt wurde,die sich an den Schacht anschloß.

Leclercs Katzenaugen zuckten einen Augenblickvon der unverhofften Helligkeit zurück, doch dannsah er Gestalten - fremde Gestalten -, die sich in demLicht bewegten-, und er hob den Vibrator und begannzu feuern.

20.

Einer der Männer schrie vor Wut undEnttäuschung auf, es war wie der Schrei eines wildenTieres, das in die Enge getrieben wurde. Doch derAusbruch löste die Terraner aus ihrer Starre, er ließsie in Sekundenschnelle begreifen, was geschah.

Die Blues drangen in die unterirdischen Räumeein, große, grazile Gestalten in Schutzanzügen, diemit einem eigentümlichen Belag überzogen waren.

Trotzdem kam die Reaktion zu spät. Bereits dieersten Schüsse der Gataser zeigten verheerendeWirkung. Über die Hälfte der Menschen fielbewußtlos zu Boden, bevor überhaupt noch eineinziger Schuß aus einem Thermostrahler abgegebenwar.

Oberst Hakru, der nicht unter den Getroffenen war,erkannte voller Entsetzen, daß es die Absicht derBlues war, hier unten Gefangene zu machen.

»In die Gänge!« schrie er. »Wir müssen hier weg!«Sie stürzten nach allen Richtungen davon. Es blieb

ihnen nichts anderes übrig, als die Paralysiertenzurückzulassen. Rasch drangen die Blues vor. Siesprangen von den Flugscheiben herunter und nahmendie Verfolgung auf.

An der Spitze von sieben Männern rannte OberstHakru in den Gang hinein, den sie gerade verlassenhatten. Er stellte fest, daß sie zwei Thermostrahler beisich hatten.

Er befahl den Männern, sich hinter dem seitlichenEinbruch zu verschanzen.

»Wir werden sie gebührend empfangen«, knurrteer. »Sobald sie dort vorne im Schacht auftauchen,feuern wir die beiden Strahler auf sie ab.«Verzweifelt fragte sich Hakru, wo die anderengeblieben waren. Es war im Augenblick sinnlos, sieüber Helmfunk anzurufen, denn jede geflüchteteGruppe hatte ihre eigenen Sorgen.

Die Männer fluchten und schimpften, einAusdruck ihrer Hilflosigkeit. Hakru wünschte, daßwenigstens einige Agenten in jene Höhle geflohenwaren, wo der Hyperkom aufbewahrt wurde. Nur sowar es möglich, Hilfe zu erhalten.

Gegen einen Eisklotz gelehnt, wartete der Oberst,daß die Blues im Gang auftauchen würden. Seitlichvon ihm standen die zwei Bewaffneten. Mitzusammengekniffenen Augen starrte Hakru durch dieÖffnung. Wahrscheinlich waren die Blues damitbeschäftigt, die Bewußtlosen im Vorraumhinauszutragen und an die Oberfläche zu schaffen.

In einem kosmischen Krieg bedeuteten Gefangenemehr als eine gewonnene Raumschlacht. Durch sieerfuhr man eine Menge über den Gegner, man lernteihn besser kennen, seine Stärken, seine Schwächenund seine körperlichen Beschaffenheiten. Wenn manklug war und geschickt vorging, konnte man sogaretwas über den Mentalität des Feindes erfahren.

Hakru biß die Zähne aufeinander. Er machte essich zum Vorwurf, daß dies passiert war. Sie hättenweitaus vorsichtiger sein müssen. Hakru gestand sichein, daß er zumindest eine Wache am Kanal hätteaufstellen müssen.

Doch nun war es für solche Überlegungen zu spät.Die Blues waren da, und sie mussten zusehen, wie siemit ihnen fertig wurden. Hakru war sich darüber imklaren, daß sie den Blues gegenüber benachteiligtwaren. Ihre Bewaffnung war nicht ausreichend, siehatten keinen Nachschub. Vor allem aberzahlenmäßig waren sie den Wesen des zweitenImperiums unterlegen.

Mindestens zwanzig Männer waren bereitsausgeschaltet. Der Rest war blindlings in die nichtzusammengefallenen Höhlen und Gänge geflüchtet.

»Es scheint, als hätten sie das Interesse an unsverloren«, sagte einer der Männer, der einen Strahler

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trug. »Es bleibt alles ruhig.«»Warten Sie nur ab«, murmelte Hakru düster. »Die

Blues kommen schneller, als es uns recht ist.«Er dachte daran, daß er in gatasische

Gefangenschaft geraten konnte. Die Blues würdeneinen Offizier besonders intensiv verhören. EineGefangennahme konnte tagelange, wochenlangeQual bedeuten.

Hakru war entschlossen, lieber zu sterben, als sichlebend aus diesem Gang tragen zu lassen.

Seine Begleiter wurden immer unruhiger.Schließlich machte einer von ihnen den Vorschlag,auf den der Oberst die ganze Zeit über bereitsgewartet hatte.

»Warum gehen wir nicht hinaus und sehen nach,was dort gespielt wird, Sir?«

»Wir haben hier bessereVerteidigungsmöglichkeiten«, erwiderte Hakruknapp.

Dabei fragte er sich spöttisch, was sie überhauptverteidigten? Diesen halb eingestürzten Gang im Eis?Warum gab er nicht den Befehl, den Schacht zuverlassen und in der Vorhöhle entschlossen zukämpfen?

Hakru war dazu erzogen worden, die Vernunft vordie Gefühle zu stellen, und genau das tat er jetzt. - Erwollte die Männer nicht unnötig opfern.

Ihre Scheinwerfer leuchteten in den Gang. DasLicht reflektierte an glatten Stellen im Eis und warflange Schatten an den Stellen, wo größere Eisbrockenlagen.

Die Ungeduld der Männer wuchs. Sie begannenhinter dem Einbruch auf und ab zu gehen, leise vorsich hinzufluchen und kleine Eisstückedavonzutreten.

Hakru ließ sie gewähren, er achtete nur darauf, daßdie beiden Bewaffneten bereit waren. »Da, SiC«,dröhnte eine Stimme im Helmlautsprecher.

Hakru fuhr herum und preßte seinen Körper an dieSeite des Loches.

Vier Blues näherten sich dort vorn, die Waffen imAnschlag. Hakrus Herz schlug bis zum Hals. DieGegner vermuteten zwar, daß sie hier auf Widerstandstoßen würden, aber sie ahnten nicht, daß sie direkt ineine Falle liefen.

»Laßt sie schön dicht herankommen«, flüsterteHakru.

Sein Magen verkrampfte sich vor Aufregung zueinem kleinen Knoten. Die vier Gataser näherten sichrasch. Bald mussten sie das Schimmern derImpulswaffenmündungen erkennen. Doch soweitwollte der Oberst es nicht kommen lassen.

»Feuer!« rief er. Im gleichen Augenblick wich alleSpannung von ihm, er fühlte Kampfleidenschaft anihre Stelle treten. Die Thermostrahler rissen glühendeBahnen in den Gang, das Eis an den Decken

erwärmte sich rasch und tropfte herunter. Unter dergesammelten Wucht des Beschusses hätten die Blueseinfach zerglühen müssen. Mit zu Schlitzengewordenen Augen starrte Hakru in die Feuerglut,versuchte etwas in dieser lodernden Helligkeit zuerkennen. Das erste, was er sah, waren die vier Blues,die aus der Energiewand schritten, als sei dies für sieüberhaupt kein Hindernis. Hakrus Kehle zog sichzusammen. Blitzschnell überlegte er.

»Molkex!« schrie einer der Männer. »Sie habenMolkexanzüge, Sir.«

Hakru fühlte, wie Tränen ohnmächtigen Zorns inseine Augen traten. Er sah die vier Gatasernäherkommen, mit unerschütterlicher Sicherheit. Eslag fast Arroganz in der Art, wie sie sich ohneVorsicht den Menschen näherten. Hakru ballte dieHände zu Fäusten. Plötzlich fühlte er, daß er alleinwar. Die Männer hatten sich weiter in die Höhlezurückgezogen. Doch das würde ihnen nicht helfen.Die nutzlosen Thermostrahler lagen am Boden. Mitwildem Lachen packte Hakru den einen und sprangdurch das Loch auf die andere Seite des Ganges,direkt vor die Blues. Ihn würden sie nicht lebendbekommen. Er drückte ab, die Blues wurden förmlichin Energie gebadet, ohne Schaden zu nehmen. Dannschossen sie zurück. Hakru verhielt, als sei er gegeneine Mauer gelaufen. Die Finger, die den Abzugdurchdrückten, wurden starr. Der kleine Offizier fielnach hinten, noch immer im Vollbesitz der geistigenKräfte.

>Ich muss den Helm öffnen<, dachte er, als erganz ruhig dalag. >Ich muss ihn öffnen, damit ichsterbe.<

Denn Hakru wollte nicht in Gefangenschaft, erwollte sich diesen erniedrigenden Zustand ersparen.Doch es war ihm unmöglich, den Arm zu bewegen.Er konnte überhaupt nichts mehr tun.

>Sie haben mich<, dachte er schmerzlich.Da waren die Blues heran, aber sie hielten nicht

an. Sie schritten einfach über ihn hinweg, tiefer in dieHöhle hinein, um auch die anderen Männer zuerledigen.

>Sie holen uns alle<, dachte Hakru hoffnungslos.>Sie erwischen einen nach dem anderen.<

Er starrte zur Decke, die von seinem Scheinwerferangestrahlt wurde. Ein paar Tropfen waren zuEiszapfen gefroren. Hakru sah fingerdicke Risse übersich. Er wünschte, die Decke würde einstürzen.

Allmählich wurden die Gedanken immerverworrener, und als die Blues kamen, um ihnhinauszutragen, war er bereits ohne Bewußtsein. DasSchicksal hatte Leutnant Don Kilmacthomas in dasWrack der TRISTAN geführt, als er vor deneindringenden Blues geflüchtet war.

Die Luftschleuse war einzusammengeschmolzenes Loch, kaum noch groß

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genug, um Kilmacthomas durchzulassen. Atemloszwängte er sich hinein. Sofort schaltete er denScheinwerfer aus, um nicht entdeckt zu werden. Erzwang sich zum Stehenbleiben und blickte hinaus indie Vorhöhle. Keiner der Männer, die den erstenBeschuß überstanden hatten, war noch zu sehen.

Doch auf dem Boden lagen über zwanzigBewußtlose. In hilflosen Entsetzen musste derLeutnant zusehen, wie die Blues zwischen denBewegungslosen umhergingen. Andere Gataserdrangen in die Gänge ein, um die Verfolgung derFlüchtlinge aufzunehmen.

Vorerst schien ihn der Gegner nicht hier zuvermuten. Früher oder später würden sie jedoch auchhier nachsehen. Kilmacthomas ahnte, daß er dereinzige war, dem es vielleicht noch gelingen konnte,einen Funkspruch abzusetzen. Er musste währendeiner günstigen Gelegenheit in die Höhle gelangen, inder der Hyperkom stand. Da diese Höhle ziemlich inder Nähe des Abstrahlkanals lag, hatte keiner derMänner in sie eindringen können, als die Bluesplötzlich aufgetaucht waren.

Vorerst jedoch, erkannte Kilmacthomas innüchterner Einschätzung der Lage, wäre ein solcherVersuch glattem Selbstmord gleichzukommen. AmKanalausgang wimmelte es von Gatasern, die dortnoch immer hereinkamen. Der Leutnant schätzte, daßsich mindestens sechzig Gegner hier untenaufhielten. Ein Teil von ihnen war bereits damitbeschäftigt, die Bewußtlosen auf die Flugscheiben zuladen. Die Blues gingen nicht gerade sanft mit denGefangenen um. Zum Glück spürten diese imAugenblick nichts davon.

Kilmacthomas, der den Thermostrahler währendder Flucht nicht losgelassen hatte, hob diesenjederzeit als Waffe verwendbaren Apparatnachdenklich hoch. Sollte er diesen Platz verlassen,um hinauszugehen?

Hatte es überhaupt einen Sinn, wenn er denVersuch unternahm, die Gefangennahme der Männerzu verhindern? Nein, sagte er sich, er würde nur einweiteres Opfer des Gegners abgeben. Er konnte mehrfür diese armen Burschen tun, wenn er auf eineChance wartete, die ESS-1 zu rufen.

Kilmacthomas zählte sechsundzwanzig Gefangene.Zweifellos würde sich diese Zahl noch erhöhen.Kilmacthomas wagte es nicht, sich noch weiter in

das Wrack zurückzuziehen. Da im Innern alleszusammengeschmolzen war, gab es weder Gängenoch Schächte. Jeder Schritt konnte den Todbedeuten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als hierzu warten.

Bisher hatten die Blues der TRISTAN kaumAufmerksamkeit entgegengebracht. Kein Wunder,dachte Kilmacthomas sarkastisch, selbst ein Narr sah,was mit diesem Schiff los war. Aber, so sagte er sich,

selbst ein Narr würde früher oder später eineRoutineuntersuchung des Wracks beginnen. Bis zudiesem Zeitpunkt durfte er nicht mehr an dieser Stelleweilen.

Wütend beobachtete der Leutnant, wie einigeBlues weitere Bewußtlose aus einem Gangschleppten. Eine kleine, unscheinbare Gestalt wardabei: Oberst Mos Hakru.

»Ihn haben diese Teufel also auch erwischt«,murmelte Kilmacthomas vor sich hin.

Er sah zu, wie insgesamt acht Männer aus demGang gebracht wurden, aus dem ihnen erst vorkurzem noch der Ausbruch gelungen war. Einausgesprochen großer Gataser, es schien derKommandant zu sein, denn auch der Schutzanzug,den er trug, war auffällig gearbeitet, näherte sich demSchacht. Er schien sich mit den anderen zuunterhalten. Kilmacthomas glaubte den knappenGesten entnehmen zu können, daß sich niemandmehr dort aufhielt. Damit stieg die Zahl derGefangenen auf vierunddreißig.

Fünfzehn Männer hatten noch das zweifelhafteVergnügen, in Freiheit zu sein. Kilmacthomas fragtesich, ob auch die Blues Verluste erlitten hatten. Einesolche Frage war jedoch allgemeiner Natur, denn fürihn war es vollkommen gleichgültig, ob sich einigeBlues mehr oder weniger hier unten aufhielten.

So stand Kilmacthomas gegen dieSchleusenöffnung gelehnt und blickte mitbrennenden Augen auf das tragische Geschehenhinaus. Plötzlich überkam ihn das sichere Gefühl,daß er diese Welt nicht mehr verlassen würde. Eingelöstes Lächeln glitt über sein Gesicht. Er spürteweder Bitterkeit noch Angst. Er war einfach einjunger Mann, der noch eine Aufgabe zu erfüllenhatte, bevor er starb.

21.

Die Leichtigkeit, mit der sie die Gegnerüberwältigen konnten, setzte Leclerc in Erstaunen. Erhatte damit gerechnet, daß es zu einem verlustreichenKampf käme, aber die Molkexschutzanzüge hieltenden Angriffen der Feinde stand. Die Befürchtung,daß die Fremden Waffen gegen das Molkex erfundenhätten, erwies sich als falsch. Leclerc verteilte nundie einzelnen Kampfgruppen in die verschiedenenGänge, die hier unten in das Eis geschmolzen waren.Auf diese Weise würden sie früher oder später jedenGegner als Gefangenen an Bord des Diskusschiffesbringen können, der sich hier aufhielt.

Sobald dies erledigt war, musste er sich um dasfremde Raumschiff kümmern, das man offensichtlichmit Absicht zu einem Wrack verschmolzen hatte.

Mit ruhiger Stimme gab Leclerc Befehle. Nunkonnte nichts mehr passieren. Es war nur noch eine

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Frage der Zeit, bis sich das von ihm kommandierteSchiff von der Eiswelt abheben und in RichtungGatas starten würde.

Kommandant Leclerc, der erste Gataser, dem esgelungen war, Gefangene zu machen.

Ein stolzer Gedanke. Zufrieden beobachteteLeclerc, wie drei weitere Feinde, die man mit denVibratorwaffen außer Gefecht gesetzt hatte, auseinem Gang getragen und auf eine Scheibe gepacktwurden.

Der Gataser gab eine Nachricht an das Schiff,damit man sich dort zur Aufnahme der Gefangenenvorbereiten konnte. Gleichzeitig beruhigte er diezurückgebliebenen Raumfahrer, die voller Ungeduldauf seine Rückkehr warteten.

Leclerc ging zur anderen Seite der Höhle. Seitihrem Eindringen hatte er die Waffe in seinenHänden nicht mehr benutzt. Trotzdem war er bereit,jeden unverhofften Angriff abzuwehren. Dank seinervier Augen konnte er fast jeden Punkt der Höhlebeobachten, der auf dieser Seite des Schiffes lag.

»Wir haben vier erwischt, Kommandant«, wurdeihm gemeldet. Befriedigt wartete Leclerc, bis dieBetreffenden aus einem Gang getragen wurden.

Einer der Unterführer trat neben ihn.»Es können nicht mehr viele hier unten sein,

Kommandant«, sagte der Gataser. »Ich schätze, daßwir sie alle gefangen haben.«

Leclerc fühlte Ärger in sich aufsteigen. »Ichbefehle, wann wir Schluß machen«, sagte er scharf.

Er schickte sie wieder auf die Suche. Er durftenicht den Fehler machen, die Fremden - zuunterschätzen, nur weil sie keine Waffen zurVernichtung des Molkex besaßen. Das besagteüberhaupt nichts. Während sie bereits ihren Siegfeierten, konnte sich eine versprengte Gruppe desGegners zusammenrotten und einen gewaltsamenAusbruch versuchen.

Leclerc beschloß, weiterhin große Vorsicht waltenzu lassen. Die ganze Zeit über wusste er nicht, daßzwei dunkelblaue Augen jede seiner Bewegungenverfolgten. Sergeant Wallaby spähte durch dieKanzel nach oben und versuchte festzustellen, ob ersich noch allein in dieser Höhle aufhielt. DerRaumjäger, in den er sich verkrochen hatte, war keinbesonders gutes Versteck, aber in dieser Hinsichtwaren die Möglichkeiten derart gering, daß Wallabykeine andere Möglichkeit geblieben war, als sich indas Kleinstraumschiff zurückzuziehen.

Seitdem er sich zu den Freiwilligen gemeldet hatte,war mit Sergeant Wallaby eine Veränderung vor sichgegangen. Er hatte, das wusste er jetzt, in seinemLeben viele Fehler begangen. Der größte jedoch war,daß er sich selbst etwas vorgemacht hatte. Jetztgestand er sich ein, daß er kein Mann von großerIntelligenz war. Er verfügte auch nicht über einen

Bildungsgrad, der es ihm erlaubt hätte, seineUntergebenen so zu behandeln, dass, man es objektivals richtig hätte bezeichnen können.

Wallaby fühlte sich bereits als alter Mann, und erwar immer noch Sergeant. Diese Tatsache hätte ihmschon längst zeigen müssen, daß etwas mit ihm nichtstimmte. Doch er hatte immer den anderen dieSchuld zugeschoben, wenn etwas schiefgegangenwar.

Der Sergeant nickte bekümmert. Wenn er jemalshier herauskam, dann hatte er eine Mengenachzuholen. Er stellte sich vor, wie es sein könnte,wenn er an warmen Tagen auf der Veranda seinesHauses saß, unter halbgeschlossenen Augen dieMädchen beobachtend, die auf der Straßevorüberschritten.

Wallaby musste grinsen. Ausgerechnet jetzt fielihm etwas so Verrücktes ein.

Aber er saß nicht auf der Veranda, keine Fliegenumschwirrten ihn, kein Hund aus den benachbartenZwingern kläffte seinen Ärger in die blaueMittagsluft. Mrs. Morene hing im Garten gegenüberkeine Wäsche auf, in der Luft zogen keineRaumschiffe silberne Spuren in den Himmel. Der alteTesko Patton kam nicht die Straße heraufgeschlurft -betrunken wie fast immer um diese Tageszeit.

Diese Bilder existierten nur in WallabysGedanken, sie waren die Erinnerung an die kleineStadt auf Terra, wo er gelebt hatte. All diese Dinge,die ihm einfielen, waren ihm früher unwichtig undlächerlich vorgekommen.

Wallaby hatte sich gegenüber diesen Dingenabgeschlossen, ja, er hatte sie verachtet und sichspöttisch darüber geäußert. Jetzt erschien es ihm, daßder Trunkenbold Tesko Patton unendlich mehr davonwusste als er, Sergeant Wallaby.

Die kleine Stadt zerplatzte in seinen Gedanken wieeine Seifenblase. Da war das harte Metall desRaumjägers, der Thermostrahler in seinen Händenund die dunkle Höhle um ihn herum - dunkel, weil erseinen Scheinwerfer ausgeschaltet hatte.

Das Licht huschte so plötzlich über dieHöhlendecke, daß der Sergeant zusammenfuhr. Errichtete sich auf, während es immer heller wurde, undspähte aus der Kanzel hinaus.

Sie kamen zu zehnt. Ihre hageren Gestalten warfenflackernde Schatten gegen die Höhlenwände. Sieverteilten sich gleichmäßig über den Raum, mitvorgehaltenen Waffen in den Händen.

Zwei von ihnen kamen auf den Raumjäger zu.Wallaby klappte die Kanzel des kleinen Schiffesnach hinten, als sei dies eine selbstverständlicheSache. Er richtete sich auf und legte mit demThermostrahler auf die sich nähernden Blues an.Doch es gelang ihm nicht, auch nur einen einzigenSchuß abzugeben. Sie hatten vier Augen und sahen

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ihn sofort. Ihre Vibrationsstrahler traten in Tätigkeit.Wallaby hatte ein Gefühl, als würde daß Blut in

seinen Adern gefrieren. Die Kälte des Eises schienplötzlich durch den Anzug in sein Inneres zugelangen. »Meine Augen sehen jetzt aus wie dieTesko Pattons«, dachte er sarkastisch. »Warummusste er immer wieder an den Trinker denken?«fragte er sich verwundert, während er langsam nachvorn aus der Kanzel kippte. Bevor er hart auf denBoden schlagen konnte, waren sie bei ihm undzerrten ihn vollständig heraus. Da verlor Wallaby dasBewußtsein.

Er war der Gefangene Nummer achtundvierzig.Jetzt gab es nur noch einen, der in Freiheit war:

Leutnant Don Kilmaethomas.

22.

Der Fremde, den die Gataser aus einer der Höhlenhervorbrachten, war von außergewöhnlicher Statur.Leclerc ließ sich dazu hinreißen, diesen Mann näherzu betrachten, der gegenüber seinen Rassegenossenein wahrer Riese an Gestalt war.

Leclerc konnte nicht ahnen, daß es USO-SpezialistMelbar Kasom war, den er vor sich hatte. Persönlichüberwachte er, wie der Gigant auf eine Flugscheibegebracht wurde. Wahrscheinlich war dies derKommandant der Fremden, vermutete Leclerc.

Eine weitere Antigravplatte war vollbesetzt.Leclerc gab den Befehl, sie aus dem Kanal an dieOberfläche zu bringen. Dann rief er einenUnterführer zu sich. »Sind alle Höhlen und Gängesorgfältig abgesucht?« erkundigte er sich. »Ja«,erwiderte der Mann. »Es halten sich keine Feindemehr hier auf.« Leclerc spürte, daß der Mann nochetwas sagen wollte, aber den Mut dazu gegenüberdem Vorgesetzten nicht aufbrachte.

»Was wollen Sie noch?« wollte er wissen. »In denHöhlen liegen Ausrüstungen«, meinte derUnterführer. »Ich schlage vor, daß wir uns darumkümmern.« »Natürlich«, nickte Leclerc. »Gehen Sienur, das wird erledigt. Auch die Überreste desSchiffes werden noch durchsucht.« Beruhigt zog derBlue von dannen. Leclerc bestieg eine derAntigravplatten. Zehn Männer ließ er als Wachezurück. Sobald die Gefangenen im Schiffuntergebracht waren, wollte er zurückkehren.

Die Fluggeräte hoben sich vom Boden der Höhleab und verschwanden nacheinander im Kanal. DieHelligkeit ließ sichtbar nach, denn nur noch dieScheinwerfer der Zurückgebliebenen sorgten fürLicht.

Nichts deutete darauf hin, daß in weniger alszwanzig Minuten noch einmal der Aufruhr unter demEis losbrechen würde.

Kilmacthomas Beobachtungen waren nicht ohne

Erfolg geblieben. Er wusste jetzt mit Sicherheit, daßdie Schutzanzüge der Blues mit Molkex überzogenwaren. Deshalb hatten sie keine Verluste erlitten. DieThermostrahler vermochten ihnen keinen Schadenzuzufügen.

Daran musste er denken, sobald er in die Höhleeingedrungen war, in der sich der Hyperkom befand.

Erleichtert sah Kilmacthomas, wie nach und nachalle Flugscheiben verschwanden. Doch seineHoffnung, daß sich alle Blues zurückziehen würden,erwies sich als trügerisch.

Zehn Gataser waren zurückgeblieben, siepatrouillierten auf und ab, offensichtlich vollerNervosität. Kilmacthomas konnte sich vorstellen, daßes den Wesen nicht gerade angenehm war, hier alsWache aufzupassen.

Eine Weile verfolgte er jede Bewegung derWächter. Das Schlimme war, daß sie ihre Rundgängewillkürlich durchführten, sie gingen nicht nach einembestimmten System vor, das Kilmacthomasermöglicht hätte, seinen Standort zu verlassen. Esblieb ihm nichts anderes übrig, als auf eine günstigeGelegenheit zu warten.

Die Wache bewies, daß die anderen Blues nocheinmal in die Tiefe kommen würden, er hatte alsokeine unbeschränkte Zeit zur Verfügung.

Alle übrigen Männer waren gefangen worden, sodaß die Blues achtundvierzig Bürger des VereintenImperiums in ihrer Gewalt hatten.

Wenn er nicht vorsichtig war, würde er Nummerneunundvierzig sein.

Sechs der Gataser verschwanden auf der anderenSeite der TRISTAN. Lauernd beugte sich derLeutnant aus der zerstörten Schleuse. Er mussteimmer daran denken, daß diese Blues über vierAugen verfügten, ihn also sehen konnten, auch wennsie ihm den Rücken zuwandten.

Nur noch von wenigen Scheinwerfern erhellt,erstreckte sich die Höhle im Halbdunkel vonKilmacthomas. Ein weiterer Gataser verschwand umdie Rundung der TRISTAN.

Eine solche Gelegenheit würde so schnell nichtwiederkehren. Bis zur Höhle, wo er den Hyperkomfinden würde, musste er über zweihundert Meterzurücklegen.

Der Leutnant blickte hinaus und sah sich nachgeeigneten Deckungen um, denn er konnte dieEntfernung nicht in einem Stück überwinden. DieKraftstation der Abstrahlanlage konnte ihn einigeAugenblicke vor den wachsamen Augen der Feindeschützen. Dazwischen lagen einige größereEisbrocken herum, hinter denen er sich notfallsverkriechen konnte.

Kilmacthomas gab sich einen Ruck. Er schwangsich aus der Schleuse und landete federnd auf demEis. Zwei Blues befanden sich jetzt in seinem

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Rücken, aber er hielt sich noch im Schatten derTRISTAN auf. Der dritte, der noch auf dieser Seitedes Schiffes war, stand vor einem Höhlengang.

Gebückt hastete Kilmacthomas weiter. Durch dieHitzeentwicklung während des Schmelzprozesseshatte sich um die TRISTAN herum eine tiefe Furchegebildet. Der Leutnant sprang in sie hinein und krochweiter. Er wusste, daß er auf diese Weise sein Zielnicht erreichen konnte, aber er würde ihm immerhinein gutes Stück näher kommen.

Schließlich erreichte er schweratmend die Stelle,wo er die Furche verlassen musste, wenn er sich nichtwieder von der betreffenden Höhle entfernen wollte.

Er blickte über den Rand des Grabens. Weiterhinten sah er vier Blues von ihrem Rundgangzurückkommen. Ihre Scheinwerfer bewegten sichruckartig, das Licht huschte über den Boden underzeugte gespenstische Reflexe an der Decke.

Kilmacthomas kletterte aus der Furche, flach anden Boden gepreßt robbte er über das Eis. JedeSekunde erwartete er einen Schuß. Er wagte nicht,sich umzublicken, die beiden Blues, die sich vor ihmbefanden, genügten ihm völlig. Sich dicht am Bodenhaltend, erreichte er einen Eisklotz. Aufatmendlehnte er sich mit dem Rücken dagegen.

Sein Herz schlug stark, denn er war solchekörperlichen Anstrengungen nicht gewohnt.Gewaltsam zwang er sich dazu, um den Eisbrockenzu kriechen, ständig darauf achtend, nicht in denBereich eines Scheinwerfers zu geraten.

Die Kraftstation war nur noch sechzig oder siebzigMeter von ihm entfernt, und von dort aus musste esverhältnismäßig leicht sein, die Höhle zu erreichen.

Aber zwischen der augenblicklichen Deckung undder Abstrahlanlage gab es nichts als glattes Eis, auchnicht die geringste Veränderung im Boden konnteihm Schutz bieten.

Kilmacthomas konnte diese Strecke nichtkriechend bewältigen. Er musste sie in schnellemLauf überwinden.

Er versuchte, die augenblickliche Position der zehnGataser auszumachen. Sie hielten sich an denkbarungünstigen Stellen auf, aber Kilmacthomas war sichdarüber im klaren, daß er hier nicht länger bleibenkonnte. Wie ein Schatten löste er sich von demEisbrocken und rannte los.

Mit dem Ende der Bewußtlosigkeit kamen dieSchmerzen. Oberst Mos Hakru wollte die Zähnezusammenbeißen, aber er stellte fest, daß seineGesichtsmuskeln dem Befehl des Gehirns nichtfolgten. Er konnte sich nicht bewegen, er warvollkommen gelähmt. Ein dumpfer Druck lag aufseiner Brust, als hätte man eine Last auf ihmabgestellt. Allmählich kehrte die Erinnerung in seineGedanken zurück - und damit das Entsetzen. Er warein Gefangener, die Blues hatten ihn in ihrer Gewalt.

Ein prickelnder Strom breitete sich von seinerKopfhaut aus, und es gelang ihm, die Augen zuöffnen.

Er blickte direkt gegen eine braune Decke auskünstlichem Material. Den Raum, in dem er sichbefand, konnte er nicht sehen, denn es war ihmunmöglich, den Kopf auch nur ein kleines Stück zubewegen.

Auf jeden Fall hielt er sich nicht mehr unter demEis auf. Die Blues hatten ihn weggebracht.

Dumpfe Ahnungen quälten ihn. War er etwabereits auf Gatas?

Oder hielt man ihn noch auf einem derDiskusschiffe gefangen? Die Geräusche, die in seineOhren drangen, deuteten auf die letzte Möglichkeithin.

Hakru fühlte sich erbärmlich. Es waren aber nichtso sehr die körperlichen Schmerzen, die ihnbehelligten, sondern die Enttäuschung und dieErbitterung.

Ihr Vorstoß ins Verth-System war gescheitert, ja,er war zu einem Triumph für den Feind geworden.Da er einer der Kommandanten des Projektes war,fühlte er sich verantwortlich für diesen Fehlschlag.

Und er lag hilflos am Boden, unfähig, auch nurden kleinen Finger zu rühren.

Hakru starrte mit brennenden Augen zur Decke.Wie lange würde es dauern, bis die Starre aus seinemKörper wich? Würden ihn die Blues gelähmt halten,bis das Ziel erreicht war?

Eine andere Frage begann den Oberst zubeschäftigen. Wo waren die anderen Männer, dieman gleich ihm gefangen hatte? Vielleicht lagen siein unmittelbarer Nähe, und er konnte sie nicht sehen,weil er den Kopf nicht bewegen konnte.

Plötzlich fiel ein Schatten über ihn.Hakrus Augen zuckten, die einzige Reaktion, zu

der er fähig war.Da beugte sich das ausdruckslose Gesicht eines

Gatasers über ihn. Katzenaugen blickten auf ihnherab. Hakru empfand Entsetzen, Widerwillen undHaß. Doch er konnte diesen Augen nicht ausweichen,sie hielten ihn in ihrem Bann.

Eine Weile starrten sie sich so an, der Mensch undder Blue, wahrscheinlich versuchten beide dieGedanken des anderen zu ergründen, ohne daß sie diegeringste Aussicht auf Erfolg hatten.

Vielleicht war es ein Anführer der Gataser, dersich um ihn kümmerte, überlegte Hakru, vielleichthatte auch der Blue mit einem natürlichen Abscheuzu kämpfen.

In seinem Nacken breitete sich ein eigenartigesZiehen aus, als wollte ihm jemand das Rückenmarkherausbohren. Hakru stöhnte. Starr sah der Fremdeauf ihn herab. Das Ziehen wurde stärker, dann konnteHakru plötzlich den Kopf bewegen.

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Da sah er etwas, was ihn tief erschütterte.Links von ihm lag eine ganze Reihe Männer in

Schutzanzügen. Wie tot lagen sie da.Unter unsagbarer Anstrengung konnte der Oberst

den Kopf anheben. Er wusste sofort, daß er alleFreiwilligen vor sich sah. Keiner war derGefangenschaft entronnen. Hakru ließ den Kopfzurücksinken und schloß die Augen. Er konnte nichtwissen, daß noch ein Mann in Freiheit war. Selbstwenn er es geahnt hätte, wäre seine Verzweiflungnicht geringer gewesen. Der Blue, der neben ihmstand, zog sich zurück.

Hakru erschauerte. Er wusste nicht, was ihm dieZukunft bringen würde, aber er wagte nicht aufBefreiung zu hoffen. Vor ihnen lag der Weg ingatasische Gefangenschaft.

Nach allem, was sie über die Blues wussten, wardas schlimmer als der Tod.

23.

Kilmacthomas hatte nie wirklich daran geglaubt,daß er unentdeckt bis zur Höhle gelangen könnte.Gebückt rannte er auf die Kraftstation zu.

Als er noch zehn Meter von der Abstrahlanlageentfernt war, entdeckten sie ihn.

Plötzlich wurde er im Licht mehrerer Scheinwerfergebadet. Unwillkürlich schrie er auf. Mit einemverzweifelten Sprung warf er sich nach vorn, auf dieKraftstation zu. Die Stelle, an der er sich soeben nochbefunden hatte, wurde förmlich von Vibratorstrahlenüberschüttet. Kilmacthomas linker Arm geriet in dasSchußfeld eines Strahlers, er hatte das Gefühl, alsfriere seine Hand völlig ein.

Er warf sich auf den Boden, geriet für Sekundenaus dem Bereich der Scheinwerfer und rollte auf dieKraftstation zu. Er spürte den Widerstand des Metallsund packte mit seiner unverletzten Hand zu.

An dieser Stelle war das Eis so glatt, daß ermühelos auf die andere Seite des Gerätes gelangenkonnte. Ein kurzer Blick um den geschlossenenBlock zeigte ihm sieben näher kommende Gataser.

Kilmacthomas versuchte erst gar nicht, auf sie zuschießen, da er genau wusste, daß es sinnlos war.

Ein kühner Gedanke durchzuckte sein Gehirn. Erbrachte den Thermostrahler in Anschlag und zielteauf die Höhlendecke über den Blues. Dann gab erDauerfeuer ab. Sofort begann das Eis zu schmelzen,und Wasser und Eisbrocken stürzten auf die Gataserherab. Verwirrung entstand in ihren Reihen.

Da war der Leutnant schon wieder auf den Beinenund stürmte auf den Höhleneingang zu. Als die Bluesbegriffen hatten, daß ihr Leben nicht in Gefahr war,hatte sich Kilmacthomas bereits außer Reichweitegebracht.

Keuchend rannte er durch den Gang, der ihn in die

Höhle führen musste. Er ließ den Scheinwerferkreisen, als er in der eigentlichen Höhle angelangte.

Erleichtert stellte er fest, daß der Hyperkom nochdort war, wo ihn die Spezialisten abgestellt hatten.Die Außenhülle war mit einer Eisschicht überzogen,eine Folge der Flutwelle, aber das Gerät war eigensfür diese Eiswelt konstruiert worden, so daß er nurdas Eis abtauen musste, wenn er es in Tätigkeitsetzen wollte.

Er hoffte, daß sein Vorsprung aus reichte.Er stellte den Thermostrahler auf maximale

Streuung und begann das Eis abzutauen.Da sah er Lichter im Gang auftauchen.Die Blues waren im Anmarsch. Kilmacthomas

stieß einen unsanften Fluch aus und fuhr herum. DasGerät war noch nicht einsatzbereit, und die Verfolgerwaren bereits heran.

Doch Kilmacthomas war entschlossen, denFunkspruch unter allen Umständen abzusetzen. Erwürde die Gataser irgendwie aufhalten.

Ein verzweifelter Plan begann in seinen GedankenGestalt anzunehmen, ein Plan, wie er nur im Gehirneines Mannes entstehen kann, der nichts mehr zuverlieren hat. Der Alarm traf Leclerc wie ein Schock,Er war gerade dabei, die Gefangenen zu besichtigen,als die Zeichen gegeben wurden. Der Kommandantzog sich hastig zurück. Auf dem Gang stürmte einUnterführer auf ihn zu.

»Alarm aus der Höhle, Kommandant«, verkündeteder Gataser. »Die Männer dort unten melden, daßsich noch ein Gegner in Freiheit befindet. Er hattesich die ganze Zeit über im Wrackverborgengehalten.«

Leclercs Stimme war voller Verachtung, als erfragte: »Nur einer?«

»Ja«, bestätigte des Raumfahrer. »Aber sie habenSchwierigkeiten mit ihm. Es sieht so aus, als hätteder Fremde einen bestimmten Plan. Die Männerberichten, daß er ein großes Risiko auf sich nahm,um in eine bestimmte Höhle zu gelangen.«

Leclerc verwünschte den Leichtsinn, der ihndiesen Fehler hatte begehen lassen. Er konnte sichdenken, Ywas den einsamen Fremden dort untengerade in diese eine Höhle trieb. Sicher war dort einFunkgerät aufgestellt, mit dessen Hilfe erVerstärkung anfordern oder wenigstens eineNachricht absetzen wollte.

»Meinen Schutzanzug«, befahl Leclerc. »Soforteine Flugscheibe startklar machen. Ich übernehmepersönlich den Befehl. Wir müssen diesen Mannunter allen Umständen fangen, bevor er seinen Plandurchführen kann. Die Höhle muss gestürmtwerden.« Er zog den Molkexanzug über. Dann gab erweitere Befehl. »Auf Impulse achten, die daraufhindeuten, daß ein Funkgerät in Tätigkeit ist«,ordnete er an. »Ich will auf keinen Fall, daß der

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Gegner von unseren Gefangenen erfährt. Man sollinnerhalb des anderen Imperiums ruhig annehmen,daß keiner unseren Angriff überlebt hat.«

Leclerc war bei den letzten Worten bereits zurLuftschleuse unterwegs. Eine mit sechs Mannbesetzte Antigravplatte wartete auf ihn. So schnell erkonnte, verließ er das Schiff.

»Los!« knurrte er, sobald er die Scheibe bestiegenhatte. Der Pilot beschleunigte tollkühn. Rascherreichten sie den Einflugkanal und sanken in dieTiefe.

In der Höhle erwartete Leclerc eine weitereÜberraschung. Alle zehn Blues, die er als Wachezurückgelassen hatte, standen in offensichtlicherVerwirrung vor einem Höhleneingang.

Leclerc sprang von der Scheibe, kaum daß dieseden Boden berührte.

»Was ist los?« erkundigte er sich schroff. »Wo istdieser Fremde? Habt ihr ihn getötet?«

Betreten schwiegen die Männer. Sie waren sichbewußt, daß sie einen Fehler gemacht hatten, der denZorn des Kommandanten auf sie lenkte.

»Heraus mit der Sprache!« forderte Leclerc.»Er ist dort drinnen«, sagte einer der Raumfahrer

und zeigte auf den Schacht.Leclerc murmelte einige unverständliche Worte,

dann sagte er: »Holt ihn heraus.«»Er muss verrückt sein, Kommandant«, erklärte

der Sprecher der Wache. »Wir können nicht bis zuihm durchdringen. Er ist wie ein Teufel.«

»Er ist allein«, meinte Leclerc höhnisch.Dann erfuhr er, was der Fremde getan hatte.Entschlossen wandte sich Kilmacthomas dem

Höhleneingang zu, wo in wenigen Augenblicken dieBlues auftauchen würden. Er musste sie unter allenUmständen aufhalten.

Er riß den Thermostrahler hoch und stellte ihn aufvolle Feuerstärke. Dann zielte er auf das Eis überdem Eingang. Innerhalb von Sekunden gab die Deckenach. Kilmactliomas gab einen triumphierenden Lautvon sich. Der Eingang stürzte zusammen, Wasserfloß in die Höhle, und kleine Eisstücke wälzten sicheiner Lawine gleich zu ihm herein. Wenn er Pechhatte, würde die gesamte Höhle einstürzen. Als derEingang völlig verschüttet war, hörte Kilmacthomaszu schießen auf. Das würde die Angreifer einige Zeitaufhalten, dachte er. Er wünschte, daß die Eismasseneinige von ihnen erwischt hätten.

Früher oder später würden sie sich einen Wegfreilegen, aber inzwischen hatte er Zeit, einenFunkspruch abzusetzen.

Mit fliegenden Fingern wandte er sich wieder demHyperkom zu. Das Wasser reichte ihm bis zu denKnöcheln, aber es gefror rasch. Kilmacthomas wateteum das Gerät herum, um die letzte Eisschicht davonzu entfernen.

Bald hatte er die einzelnen Schaltungen freigelegt.Er überprüfte, ob noch alles in Ordnung war.Beschädigungen waren nicht festzustellen, dieBatterien lieferten genügend Energie.

Er drückte den Hauptschalter nach unten undwartete, daß die Kontrolle für den Funkspruch freiwürde.

Plötzlich merkte er, daß das Wasser in der Höhlestieg und nicht mehr weiter einfror.

Er kannte sofort den Grund: die Blues hatten damitbegonnen, sich einen Weg freizuschmelzen.

Er wandte sich wieder dem Gerät zu und hoffte,daß er den Wettlauf mit der Zeit als Sieger beendenwürde.

»Er ist bestimmt tot«, sagte einer der Blues zuLeclerc. »Er liegt irgendwo unter dem Eisverschüttet.«

Der gatasische Befehlshaber war davon nichtüberzeugt. Er glaubte, daß der Fremde genau wusste,was er tat.

»Wir werden feststellen, ob er noch am Leben ist«,ordnete Leclerc an. Er ließ Hitzestrahlerherbeibringen und drang mit vier Gatasern in denGang ein. Es war genauso, wie man ihm berichtethatte. Der Gang war zum Teil eingestürzt, und dasEis verhinderte ein Weiterkommen.

»Wir schmelzen uns einen Weg durch das Eis«,sagte Leclerc und begann zu feuern.

Sie mussten vorsichtig arbeiten, denn dasWegschmelzen der Trümmer war nicht ungefährlich.Jederzeit konnten sich neue Eismassen auf sieherabstürzen. Der einzelne Gegner machte ihnengroße Schwierigkeiten.

Leclerc trieb seine Begleiter an, obwohl er genauwusste, daß die eingeschüchterten Männer ihrmöglichstes taten.

Allmählich schmolzen sie einen Durchgang, dergroß genug war, daß sie eindringen konnten. Leclercglaubte nicht, daß die Schicht des Eises besondersdick war.

Seine Erwartung wurde nicht enttäuscht.Plötzlich erschien ein Loch vor ihnen im Eis, das

sich rasch vergrößerte. Leclerc sagte befriedigt:»Feuer einstellen! Wenn er noch lebt, ist ergefährlich. Wir wollen feststellen, was er tut.«

Leclerc näherte sich dem Loch, um in die Höhle zublicken. Im nächsten Augenblick brach um sie herumdie Hölle los.

Zuerst ähnelte das Loch einem glühenden Auge,dann wurde es rasch größer, von seinen Ränderntropfte Schmelzwasser herunter. Mit einemSeitenblick auf das Hyperkomgerät überzeugte sichKilmacthomas, daß er noch wenige Sekunden wartenmusste, bis er es in Betrieb setzen konnte.

Inzwischen hatte das Loch die Größe einesFußballs erreicht. Der Leutnant stellte fest, daß die

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Blues auf der anderen Seite der Eismassen denBeschuß eingestellt hatten.

Da verdunkelte sich die Öffnung. Kilmacthomassah ein Katzenauge zu sich hereinstarren, vomübrigen Kopf war nicht viel zu erkennen, da dieserviel größer als das Loch war. Das Auge selbst wargeschützt von einem Helm, der den ganzen Kopfumschloß. Kilmacthomas hob den Thermostrahler.Sofort verschwand der Gataser von der Öffnung.Jetzt wussten sie, daß er noch lebte. Die Mündungeiner Waffe schob sich herein. Kilmacthomaslächelte grimmig, sprang zur Seite und feuerte denThermostrahler ab. Der Waffenlauf wurdezurückgezogen, aber der Schuß des Leutnants hattedie Öffnung vergrößert. Kilmacthomas sah dieschattenhaften Umrisse der Gegner. Sie nahmen ihnunter Feuer und trafen sein rechtes Bein, dasinnerhalb von Sekunden gelähmt war. Er hatte keineandere Wahl, als auf die Höhlendecke über demAusgang zu feuern. Wieder stürzten Eisbrocken undWasser herab. Im Augenblick drohte ihm keineGefahr, wenigstens nicht von den Blues. Viel stärkerwar die Bedrohung durch das Eis. In der Deckehatten sich weitere Risse gebildet. Seine Erfahrungsagte Kilmacthomas, daß es nur noch eine Frage derZeit war, bis die Höhle einstürzte. Der Eingang warjetzt vollkommen verschüttet. Die Blues würdenMinuten brauchen, um ein neues Loch zu schmelzen,wenn sie das Risiko überhaupt eingingen, erschlagenzu werden.

Kilmacthomas humpelte zum Funkgerät zurück.Das gelähmte Bein brannte wie Feuer. Erleichtert

sah er jedoch, daß der Hyperkorn jetzt einsatzbereitwar.

Er hockte sich davor nieder und drückte dieHaupttaste. Kein Gataser konnte ihn jetzt nochaufhalten.

Da gab die Decke über Kilmacthomas nach.Schwere Eisstücke regneten auf ihn herunter, erwurde zurückgeworfen und fiel schwer mit dem Kopfgegen den Boden. Der Helm fing den Aufprall ab.Verzweifelt kämpfte sich der Leutnant frei. Einkurzer Blick zur Decke ließ ihn das Verhängnis inseinem ganzen Ausmaß erkennen. Es war nur nocheine Frage der Zeit, bis die gesamte Höhle einstürzenwürde. Und der Eingang war blockiert. Damit hatteer sich jeden Fluchtweg abgeschnitten.

Einen Fluchtweg, der ihn nur in die Hände derBlues geführt hätte.

Kilmacthomas kroch über die Eisbrocken wiederauf das Funkgerät zu. Es war noch unbeschädigt.

Sein Körper war wie betäubt. Er fühlte nicht dengeringsten Schmerz. Seine Gedanken konzentriertensich ausschließlich auf den bevorstehendenFunkspruch. Wenn es überhaupt noch ein Gefühl inihm gab, dann war es Ausdruck seiner Befriedigung;

daß er die sich gestellte Aufgabe erfüllen würde.»Zurück!« schrie Leclerc.Er stieß mit einem der anderen Männer zusammen

und prallte gegen die Wand des Ganges. Vor ihmbegann das Eis zusammenzurutschen. Spaltenbildeten sich in unzähligen Verästelungen an derDecke.

»Die Höhle stürzt ein!« rief ein anderer Mann.Sie rannten um ihr Leben. Leclerc warf keinen

Blick zurück, als er, gefolgt von den Raumfahrern,aus dem Gang hinausstürmte. Der Fremde warverloren. Das Eis würde ihn einfach erdrücken.Leclerc bewunderte den Mut des Gegners, der denTod einer Gefangenschaft vorgezogen hatte.

»Es ist besser, wenn wir sofort an die Oberflächezurückkehren«, befahl Leclerc. »Der Einsturz derHöhle kann die Erschütterung der gesamten Stationnach sich ziehen, dann sitzen wir in der Falle.«DieBlues waren froh, daß sie die Flugscheibe besteigenkonnten. Ohne zu zögern befahl Leclerc denAufbruch. Der Pilot steuerte das Fluggerät aus demKanal heraus. Bald hatten sie das Diskusschifferreicht. Leclerc entledigte sich des Schutzanzugesund ging zur Kommandozentrale. Dort wartete eineüberraschende Nachricht auf ihn. Die beiden Männeran den Ortungsgeräten informierten ihn darüber, daßjemand einen Hyperimpuls abgestrahlt hatte. Jemand,der sich unter dem Eis dieses Planeten aufhaltenmusste. Wider Erwarten wurde Leclerc nicht zornig.Nachdenklich trat er zum Bildschirm.Wahrscheinlich war die Flotte des Gegners jetzt überdie Geschehnisse auf der Eiswelt informiert. Das ließsich nun nicht mehr ändern. Er glaubte nicht, daß sieeinen verzweifelten Angriff wagen würden. Aber inZukunft musste das Gatasische Reich gegenÜberraschungsaktionen besser geschützt werden.Diese Fremden waren gefährlich. Sie verfügten übergroßen Mut, und in einer größerenAuseinandersetzung waren sie nicht zuunterschätzende Gegner.

Beruhigt dachte Leclerc an die Gefangenen. Vonihnen würden sie viel über den Feind erfahren. Siekonnten ihre militärischen Operationen daraufeinstellen. Die Rasse der Blues brauchte neuenLebensraum.

Auf der Suche danach durften sie sich vonniemandem aufhalten lassen. Leclerc gab den Befehl,die Luftschleusen zu schließen. Die empfindlichenOrtungsgeräte registrierten eine Bewegung des Eisesunter der Oberfläche. Die Höhle ist eingestürzt,dachte Leclerc gleichmütig. Das Eis bedeckte nunalle Spuren der Station. Im Laufe der Zeit würde mantrotz intensiver Suche keine Anzeichen diesesStützpunktes mehr finden. Die Wunde, die der Feinddem Imperium der Blues geschlagen hatte, wargeschlossen.

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Mit fester Stimme gab Leclerc den Befehl zum Start.Gatas wartete auf die Gefangenen.

24.

Perry Rhodan beugte sich über den Streifen, auf demer die Funkmeldung lesen konnte, die man von derESS-1 aus an die ERIC MANOLI weitergegebenhatte. Bully las über die Schulter des Freundes mit.Der Funkspruch besagte, daß es den Blues gelungenwar, achtundvierzig Mann auf dem vierzehntenPlaneten ihres Sonnensystems gefangenzunehmen.Darunter befanden sich Oberst Mos Hakru undUSO-Spezialist Melbar Kasom. Der Absender desFunkspruches, Leutnant Don Kilmacthomas,vermutete, daß diese Männer nach Gatas, derHauptwelt des zweiten Imperiums, gebracht wurden.Kilmacthomas selbst war in einer Höhleeingeschlossen und erwartete den Tod. Rhodanzerknüllte den Streifen und sagte: »Wir könnenKilmacthomas nicht mehr helfen.« Gegen seineGewohnheit blieb Bully stumm. Er dachte intensivnach. »Nun haben die Blues Gefangene«, sagteRhodan. »Das gibt ihnen einen großen Vorteil. UnserVersuch, ins Vert-System einzudringen, ist kläglichgescheitert.« Kors Dantur räusperte sich lautstark.»Wir müssen diese Männer herausholen, Sir«, sagteer. Rhodans Hageres Gesicht zeigte keinen

Gefühlsausdruck. Natürlich mussten sie allesversuchen, um die Gefangenen zu befreien. Aber imAugenblick sah er nicht die geringste Möglichkeit,wie sie dabei vorgehen könnten. Die Blues würdenvon nun an mißtrauisch sein. Ihre Wachsamkeitwürde sich verdoppeln. Es war unwahrscheinlich,daß sich auch nur ein terranisches Schiff noch einmaldem Verth-System nähern konnte, ohne sofort geortetund angegriffen zu werden.Das Imperium der Menschheit hatte eine schwereSchlappe erlitten. Bully, der die Gedanken Rhodanszu erraten schien, bemerkte leise: »Es wird uns schonetwas einfallen, Alter.«Aber seine Worte klangen nicht überzeugt.Sucht man in den unzähligen Bänden derEnzyklopädie der Menschheit nach dem NamenKilmacthomas, dann wird man ihn nicht finden.Leutnant Don Klimacthomas liegt unter einerEisdecke von 600 Metern Dicke begraben. Seinedunkelblauen Augen haben einen leicht erstauntenAusdruck, als könnte er nicht verstehen, was ringsum ihn geschah.Der Einsatz, bei dem Kilmacthomas den Tod fand,war sein erster.Dies war seine Geschichte ...

E N D E

Bei vorangegangenen Unternehmen gelang es Terranern, Blues zu fangen und zu verhören. Jetzt aber habendie Blues einen großen Erfolg zu verzeichnen. Fast fünfzig Terraner sind ihnen in die Hände gefallen - unterihnen auch Melbar Kasom, der bekannte Spezialagent der USO!Dass Lemy Danger seinen riesenhaften Freund nicht im Stich lassen kann, ist klar. Lemy begibt sich also ander Spitze der KLEINEN MÄNNER VON SIGA direkt in die Höhle des Löwen ...DIE KLEINEN MÄNNER VON SIGA - so heißt auch der Titel des nächsten Perry-Rhodan-Bandes. Der Romanist von K. H. Scheer verfaßt und schildert den dritten Einsatz Lemy Dangers.

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