106
Universität Duisburg – Essen Fachbereich Bildungswissenschaften Masterthesis im Studiengang Soziale Arbeit: Beratung und Management vorgelegt von Caroline Häußler Die Entstehung und Dynamik von Widerständen in organisationalen Veränderungsprozessen: Ein Blickwinkel aus chaostheoretischer, konstruktivistischer und systemischer Perspektive Erstgutachter: Prof. Dr. Wolfgang Stark Zweitgutachter: Dr. Hans-Jürgen Knorn Bearbeitungszeit: 05.06.2008 – 18.09.2008 Caroline Häußler - Hohenstaufenstrasse 19 - 47058 Duisburg Matrikelnummer 0122954700 [email protected]

Die Entstehung und Dynamik von Widerständen in ... · Caroline Häußler Die Entstehung und Dynamik von Widerständen in ... Change Management ist also ein Prozess, der sowohl die

  • Upload
    buihanh

  • View
    217

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Universität Duisburg – Essen

Fachbereich Bildungswissenschaften

Masterthesis im Studiengang

Soziale Arbeit: Beratung und Management

vorgelegt von

Caroline Häußler

Die Entstehung und Dynamik von Widerständen in

organisationalen Veränderungsprozessen:

Ein Blickwinkel aus chaostheoretischer, konstruktivistischer und

systemischer Perspektive

Erstgutachter: Prof. Dr. Wolfgang Stark

Zweitgutachter: Dr. Hans-Jürgen Knorn

Bearbeitungszeit: 05.06.2008 – 18.09.2008

Caroline Häußler - Hohenstaufenstrasse 19 - 47058 Duisburg

Matrikelnummer 0122954700 [email protected]

Gliederung 1 Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik 1.2 Inhalt und Zielsetzung der Arbeit

2 Veränderungen in Organisationen

2.1 Was bedeutet Change Management 2.2 Widerstand im Change Management

3 Die Theorie komplexer Systeme

3.1 Chaos und Ordnung 3.2 Selbstorganisation in komplexen Systemen 3.3 Das menschliche Gehirn als ein selbstorganisierendes System

4 Der soziale Konstruktivismus 4.1 Die Grundannahmen des sozialen Konstruktivismus 4.2 Die Wirklichkeit unserer Alltagswelt 4.3 Die Bedeutung der Wirklichkeit unserer Alltagswelt im Arbeitsleben 4.4 Die menschliche Persönlichkeit und ihr Einfluss auf den Umgang mit

Veränderungen 4.4.1 Die Entstehung der menschlichen Persönlichkeit aus

konstruktivistischer Perspektive 44.2 Persönlichkeitskonstrukte und ihr Einfluss auf die

Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitern 4.4.2.1 Kontrollüberzeugung 4.4.2.2 Ambiguitätstoleranz 4.4.2.3 Offenheit für neue Erfahrungen

4.4.3 Der individuelle Umgang mit Veränderungen 5 Systemtheorie

5.1 System und Umwelt 5.2 Autopoiesis und Selbstorganisation 5.3 Strukturelle Kopplung 5.4 Kommunikation 5.5 Personen als Elemente sozialer Systeme

6 Das Team und seine Bedeutung für die Entstehung von Widerstand

6.1 Die Entstehung einer Gruppe 6.2 Teamrollen und Teamnormen 6.3 Der gruppendynamische Raum

6.3.1 Die Dimension der Zugehörigkeit 6.3.2 Die Dimension der Macht 6.3.3 Die Dimension der Intimität

6.4 Gruppendynamik im Veränderungsmanagement

7 Management von komplexen Systemen

7.1 Management von Instabilität 7.2 Management auf der Basis von Chaostheorie und Synergetik

7.2.1 Der Stellenwert von Führung 7.2.2 Führung und Widerstand 7.2.3 Die Bewertung von Widerstand 7.2.4 Widerstand und Emotionen 7.2.5 Der Nutzen von Widerstand

7.3 Die Aufgaben von Führung im Veränderungsmanagement

8 Fazit

1 Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik

Fast alles um uns herum verändert sich ständig. Unser Wissensstand vergrößert sich

täglich. Wir gewinnen mehr Lebenserfahrung. Wir werden älter. Unser Denken

verändert sich. Dieser stetige ist Wandel unwiderlegbar und dennoch glauben wir

weiterhin an die Beständigkeit unserer gewohnten Umgebung. Denn viele von diesen

Veränderungen an uns selbst nehmen wir überhaupt nicht wahr, da sie aufgrund ihrer

langsamen Entwicklung für uns nicht erkennbar sind. 1

Auch Organisationen befinden sich immer wieder in Veränderungsprozessen. Ihr

Durchlaufen von Wandel ist eine Notwendigkeit, um im Wettbewerb des Marktes

weiter bestehen zu können. Auffallend ist jedoch, dass diese Veränderungen immer

häufiger, immer schneller und insgesamt immer radikaler anstehen.2 Man kann sogar

sagen, dass „eine Unternehmung (...) auf Dauer nur überleben [wird; C.H.], wenn ihre

Lern- und Änderungsgeschwindigkeit mindestens so groß ist wie das Tempo der

Veränderung ihres Umfelds.“3 Es ist jedoch festzustellen, dass Organisationen,

insbesondere bei der Umsetzung von größeren Veränderungsvorhaben, häufig

scheitern. Scheitern bedeutet das Versäumnis eines Unternehmens, sich an sich

verändernden externe und interne Bedingungen anpassen zu können und steht damit in

einer engen Verbindung zu finanziellen Verlusten. Dem Thema Veränderung kommt

also eine wachsende Bedeutung zu und Unternehmen müssen sich verstärkt damit

beschäftigen, ihren Betrieb so zu gestalten, dass er ständige Veränderungsprozesse nicht

nur aushält, sondern erfolgreich vollzieht. Dies gilt nicht nur für

Wirtschaftsunternehmen, sondern ebenfalls für Unternehmen aus dem sozialen Sektor.

Wenn man allerdings von Veränderungen in einer Organisation spricht, ist festzustellen,

dass Mitarbeiter sich häufig nicht problemlos auf sich verändernde Strukturen,

Rahmenbedingungen, Prozesse oder neue Arbeitsfelder einstellen und

Veränderungsvorhaben im Unternehmen durch Widerstand blockieren. Doch die

Mitarbeiter eines Unternehmens sind für eine erfolgreiche Implementierung von

Veränderungen von großer Bedeutung, denn letztlich sind sie es, die sie umsetzen und

1 Kraus, G.; Becker-Kolle, C. [u.a.] (2004): 11 f. 2 Doppler, K.; Fuhrmann, H. (2002): 11 3 Doppler, K.; Fuhrmann, H. (2002): 19

mittragen müssen.4 Widerstand der Mitarbeiterschaft gegenüber organisationalen

Veränderungsprozessen ist eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass Veränderungen

nicht erfolgreich vollzogen werden können. Dies hat für eine Organisation meist nicht

nur finanzielle, sondern häufig sogar existentielle Konsequenzen. Warum dieser

Widerstand entsteht, welche Dynamik er hervorbringen kann und welche Rolle

Management in diesem Zusammenhang spielt, ist Thema dieser Arbeit.

Die Motivation, mich mit dem Thema Veränderungsmanagement und Widerständen

näher zu beschäftigen, begründet sich in eigenen beruflichen Erfahrungen mit dieser

Thematik. Dadurch entstand ein persönliches Interesse an Ursachen und

Wechselwirkungen von Phänomenen, die immer wieder im Kontext organisationaler

Veränderung auftreten. Festzustellen war für mich, dass Veränderungsvorhaben nie

nahtlos verlaufen, viele Stolperfallen beinhalten, häufig schlechtgeredet werden und in

ihrem Ergebnis selten das hervorbringen, was ihr eigentliches Ziel war. Diese eigenen

Erfahrungen begründen sich allerdings auf den Non-Profit-Bereich und unterscheiden

sich somit möglicherweise von Unternehmen, die im Wirtschaftssektor tätig sind.

Beschäftigt man sich mit dem Thema Veränderungsmanagement, dann fällt auf, dass

einem in der Literatur zwar jede Menge Hilfestellung für die Durchführung von

Veränderungsmaßnahmen gegeben wird, allerdings wenig auf die Hintergründe

eingegangen wird, die die Entstehung und Dynamik von Widerstand erklären.

Die Fragen, die mich interessieren und die ich im Kontext dieser Arbeit beantworten

möchte sind: Was ist an Veränderungen so brisant, dass sie häufig nicht dorthin führen,

in welche Richtung man sie geplant hat? Warum machen Veränderungen Angst? Warum

haben viele Mitarbeiter Schwierigkeiten, sich auf Veränderungen und Neues

einzustellen? Woher kommt es, dass Menschen unterschiedlich auf Veränderungen

reagieren? Welchen Einfluss hat der Einzelne auf die Organisation in der er arbeitet?

Wie muss Management gestaltet sein, um möglichst wenig Widerstand entstehen zu

lassen? Die Beantwortung dieser Fragen bietet die Möglichkeit, die Hintergründe des

Phänomens Widerstand besser zu verstehen. Das bessere Verständnis wiederum, kann

zu einer anderen Attribution von Mitarbeiterverhalten und einem effektiveren Umgang

mit Veränderung und Widerstand beitragen.

4 Kraus, G.; Becker-Kolle, C. [u.a.]: (2004): 16 ff.

Allerdings sind Veränderungsprozesse in einem Unternehmen ein komplexes

Geschehen. Denn Organisationen sind Systeme, die aus einer Vielzahl von Perspektiven

betrachtet werden können. Und je nach Blickwinkel kommt man zu unterschiedlichen,

sich manchmal ergänzenden, wie auch manchmal widersprechenden Erklärungen über

die Strukturen und das Verhalten von Menschen in Organisationen.5 Auch in dieser

Arbeit können letztlich nur Ausschnitte bearbeitet werden. Denn um das Phänomen

Widerstand in Veränderungsprozessen zu verstehen, können unterschiedliche

Erklärungsansätze zu Rate gezogen werden. In dieser Arbeit werden die theoretische

Grundlagen der Chaostheorie, der Synergetik, des sozialen Konstruktivismus, der

Systemtheorie sowie der Gruppendynamik verwendet.

Ein besonderer Augenmerk ist darauf zu richten, dass Organisationen Systeme sind,

deren unterschiedlichen Elemente miteinander in Beziehung stehen und deren

Verknüpfung immer Wechselwirkungen hervorruft. Eine der Indikatorvariablen, die

einen großen Einfluss auf das Gesamtgefüge des Systems ausüben kann, ist der einzelne

Mitarbeiter mit seiner individuellen Persönlichkeit. Denn die Aspekte der menschlichen

Persönlichkeit bestimmen die Wahrnehmung der jeweiligen Realität eines Individuums.

Und die individuelle Wahrnehmung der Realität wiederum bestimmt das Verhalten eines

Menschen und somit auch das Verhalten eines Mitarbeiters in Zeiten des

organisationalen Wandels.

Das Verhalten des einzelnen Mitarbeiters beeinflusst jedoch ebenfalls das gesamte

organisationale System sowie seine Subsysteme und somit den Erfolg von

Veränderungsprozessen im Unternehmen. Natürlich sind Organisationen Systeme,

deren einzelnen Mitarbeiter austauschbar sind. In jeder Organisation gibt es eine eigene

Kultur und eigene Strukturen, in die jeder „Systemeinsteiger“ ungefragt integriert wird.

Wenn man jedoch Veränderungen in einem Unternehmen umsetzen möchte, benötigt

man die einzelnen Mitarbeiter, die diese mittragen. Somit ist das Individuum ein

wichtiger Anknüpfungspunkt für den Veränderungsmanager, um Widerstände im

Unternehmen besser bearbeiten zu können.

5 Malik, F. (1986): 169

1.2 Inhalt und Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der Arbeit ist es, nach Ursachen für die Entstehung und die Dynamik von

Widerständen gegenüber organisationalen Veränderungen zu suchen. Hierbei geht es

mir weder um das Finden der Wahrheit, noch um die Vollständigkeit des

Geschriebenen. Die erarbeiteten Ursachen bilden also eine Perspektive, die bei der

Betrachtung von Veränderungsvorhaben eingenommen werden kann. Diese Perspektive

ermöglicht es, Wandel und Widerstand als ein natürliches Phänomen zu bewerten und

durch diese Betrachtungsweise eine höhere Effektivität und Effizienz im Umgang mit

Wandel und Widerstand zu erwirken.

Der thematische Einstieg in die vorliegende Arbeit beinhaltet eine kurze Darstellung

dessen, was Veränderungsmanagement heisst und warum Veränderungen stattfinden

bzw. stattfinden müssen. Ebenfalls wird das Phänomen Widerstand gegen

Veränderungsprozesse beschrieben und es wird erläutert, welche Auswirkung

Widerstand für eine Organisation haben kann.

Um sich mit dem Thema Veränderungsmanagement und dem damit einhergehenden

Phänomen Widerstand auseinandersetzen zu können wird im Folgenden zunächst auf

die Frage eingegangen, wie Veränderung überhaupt entsteht. Denn

Veränderungsprozesse gehorchen bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Als wissenschaftliche

Erklärungsgrundlage für diese Gesetzmäßigkeiten wird die Theorie komplexer Systeme,

die Chaostheorie genutzt. Sie beschäftigt sich mit Struktur und Chaos und ihrer

Entstehung. Ebenfalls wird das Phänomen der Selbstorganisation erklärt, wobei hier auf

die Theorie der Synergetik zurückgegriffen wird. Das Phänomen der Selbstorganisation

findet sich in den unterschiedlichsten Bereichen wieder, zu denen nicht nur

Organisationen, sondern ebenfalls der Humanbereich gehört.

Im Anschluss wird dann die Entstehung von Widerstand näher betrachtet. Da die

Ursache für Widerstand immer im Individuum zu suchen ist, ist es wichtig zu verstehen,

warum sich Menschen häufig gegen Veränderungen wehren. Hierfür liefern Prozesse

der Selbstorganisation und die Ausbildung von Einstellungs- und Verhaltensmustern im

gesellschaftlichen Kontext, theoretisch fundiert durch den sozialen Konstruktivismus,

eine wichtige Erklärungsgrundlage. Ebenfalls kann im Kontext des sozialen

Konstruktivismus dargestellt werden, wie menschliche Persönlichkeit entsteht und wie

verschiedene Persönlichkeitskonzepte Einfluss auf den Umgang mit

Veränderungsprozessen nehmen können.

Da jedoch die einzelne Person niemals losgelöst aus dem organisationalen Kontext

betrachtet werden kann, wird im nachfolgenden Kapitel darauf eingegangen, in welchem

Zusammenhang der einzelne Mitarbeiter in seiner Organisation steht. Grundlage hierfür

bildet die Systemtheorie von Luhmann, auf deren theoretischer Basis deutlich gemacht

werden kann, wie Systeme funktionieren sowie Rückkopplungsprozesse entstehen.

Ebenfalls soll in diesem Kontext dargestellt werden, welche Auswirkungen der

Widerstand einzelner Mitarbeiter für das Gesamtsystem einer Organisation haben kann

und welche Bedeutung gruppendynamische Prozesse für die Entstehung von

Widerstandstrukturen einnehmen.

Im letzten Teil der Arbeit geht es auf der Basis der dargestellten Theorien noch einmal

darum zu beleuchten, wie das Verständnis von Veränderungsmanagement und

Widerstand in Veränderungsprozessen aussehen kann. Hier wird insbesondere auf das

Management und somit das Führungsverhalten in Veränderungsprozessen eingegangen.

Der Begriff des Verständnisses bezieht sich sowohl auf den strategische Aspekt der

Organisationsplanung hinsichtlich der immer häufiger anstehenden

Veränderungsprozesse. Hier wird wieder an die Theorie komplexer Systeme angeknüpft,

auf deren Basis Unternehmensführung neue Anstöße für den Umgang mit

Veränderungen gewinnen kann. Ebenfalls bezieht sich der Begriff des Verständnisses

auf den direkten Umgang mit Widerständen innerhalb der Mitarbeiterschaft und dem

Ausbau einer Veränderungskultur im Unternehmen.

2 Veränderungen in Organisationen

„Das wirtschaftliche, politische, und soziale Umfeld ist hochgradig instabil geworden.

Da gibt es zwar neue Chancen, aber auch neue Risiken. Ein Unternehmen, das in

diesem turbulenten Umfeld überleben will, muss rasch reagieren, sich kurzfristig sich

ändernden Bedingungen anpassen können. Dies bedeutet: rasche Produktinnovation,

immer kürzer werdende Produktlebenszyklen sowie – vor- und nachgelagert –

entsprechende betriebliche Umstellungen. Der Innovationsdruck ist enorm, der

Rhythmus, mit dem Veränderungen in das organisatorische und personelle Gefüge

eingesteuert werden, atemberaubend. Geschwindigkeit wird zum strategischen

Erfolgsfaktor.“6

2.1 Was bedeutet Change Management

Ein Arbeitsbereich, der sich mit der Planung und Umsetzung von

Veränderungsprozessen in Organisationen beschäftigt, ist das Change Management.

„Change Management ist die Strategie des geplanten und systematischen Wandels, der

durch die Beeinflussung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und

individuellem Verhalten zu Stande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung

der betroffenen Arbeitnehmer. Die gewählt ganzheitliche Perspektive berücksichtigt die

Wechselwirkung zwischen Individuen, Gruppen, Organisationen, Technologien,

Umwelt, Zeit sowie die Kommunikationsmuster, Wertestrukturen,

Machtkonstellationen etc., die in der jeweiligen Organisation real existieren.“7

Change Management ist also ein Prozess, der sowohl die Planung und Umsetzung, als

auch die Begleitung von Veränderungsvorhaben in einer Organisation umfasst. Hierbei

geht es nicht nur unbedingt um Veränderungsmaßnahmen, die ein gesamtes

Unternehmen betreffen. Auch die Einführung einer neuen Software in einer einzelnen

Abteilung wird als Change-Management bezeichnet. Es gibt unterschiedliche Konzepte

wie Krisenmanagement, Turnaroundmanagement, Organisationsentwicklung oder die

Lernende Organisation, die jeweils verschiedene Arten von Veränderungsprozessen

beschreiben. Sie unterscheiden sich in den Kerndimensionen „Veränderungsbedarf

einer Organisation“ sowie „Veränderunsgbereitschaft der Mitarbeiter“. Der im Falle

eines Krisenmanagements notwendige Veränderungsbedarf einer Organisation ist

6 Doppler, K.; Lauterburg, C. (2005): 26 7 Kraus, G.; Becker-Kolle, C. [u.a.] (2004): 15

weitaus höher, als wenn es lediglich um eine Verbesserung von Prozessen, ohne eine

anstehende Sanierung geht. Die hier zu ergreifenden Maßnahmen sind gleichzeitig

aggressiver und müssen innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden. Je mehr Zeit

gegeben ist und je größer die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter ist, desto

mitarbeiterzentrierter und intergativer kann vorgegangen werden.8

Die Gründe warum sich eine Organisation mit dem Thema Change Management

beschäftigt oder auch beschäftigen muss, sind vielfältig. Doppler beschreibt fünf

Ursachenbereiche, die Umgestaltungen in einer Organisation notwendig machen:

� Innovationssprünge in der Informatik und Telekommunikation

Mikroelektronik, Informatik und Telekommunikation sind nicht nur ein kaum mehr

wegzudenkender Teil unseres Lebens geworden, sondern sie entwickeln sich mit einer

atemberaubenden Geschwindigkeit. Dies führt zu immer schnelleren

Produktlebenszyklen, zu einer neuen Definition von Wertschöpfungsketten sowie einer

Neugestaltung von Geschäftsprozessen und somit zu immer schnelleren

Veränderungen. Zusätzlich bieten Fortschritte in der Produktionstechnologie die

Möglichkeit, immer schneller und kostengünstiger zu produzieren, was ebenfalls dazu

führt, dass Betriebe sich immer wieder umstellen müssen.

� Verknappung der Zeit

Die technologischen Entwicklungen führen zu einer großen Beschleunigung der

Geschäftsabläufe. Ebenfalls ist die Beschaffung von Informationen gleichzeitig sowohl

einfacher, als auch komplexer geworden. Durch die Möglichkeit, ohne jegliche

Zeitverzögerung mittels Internet mit der Welt kommunizieren zu können, müssen

immer mehr Informationen verarbeitet werden, muß immer schneller reagiert werden,

um mit dem Markt mithalten zu können. Bedingt durch kürzere Reaktionszeiten werden

die Planungsphasen verringert und „das wirtschaftliche, politische und soziale Umfeld

ist hochgradig instabil geworden“9.

8 Kraus, G.; Becker-Kolle, C. [u.a.] (2004): 21 ff. 9 Doppler, K.; Lauterburg, C. (2005): 26

� Interkulturelle Zusammenarbeit in einer globalen Ökonomie

Die neuen Informationstechnologien führen auch zu einer immer stärkeren Vernetzung,

die sich längst nicht mehr nur in nationalen Grenzen bewegt, sondern über die

Staatsgrenzen hinweg. Diese Verbindungen können zwar schnell aufgebaut, jedoch

ebenfalls schnell wieder gelöst werden. Auch hier müssen Organisationen in der Lage

sein, rasch zu reagieren und umzudenken. Internationale Fusionen und Kooperationen

und der Aufbau von globalen Netzwerken führen zu immer stärkeren Verflechtungen,

in denen Veränderungen immer mehr als nur einen Bereich betreffen und oftmals zu

unvorhersehbaren Entwicklungen führen.

� Verknappung der Ressourcen

Sowohl Bürgern, als auch Unternehmen stehen immer weniger Ressourcen zur

Verfügung, da viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen bezahlt werden

müssen. Beispielhaft zu nennen sind hier die Folgekosten von gesellschaftlichen

Fehlentwicklungen wie beispielsweise der Überalterung der Bevölkerung, das

Zuneigegehen natürlicher Ressourcen und der drohende Öko-Kollaps mit der

Konsequenz steigender Kosten für Rohstoffe und Entsorgung oder die kontinuierlich

sinkende Zahl der Arbeitsplätze. Dies sind nur einige Entwicklungen, die letztlich von

der Gemeinschaft mitgetragen werden müssen. Das bedeutet sowohl für den einzelnen

Bürger, als auch die Unternehmen, dass sie für die gleichen Leistungen immer weniger

Geld erhalten, gleichzeitig jedoch immer mehr Steuern zahlen müssen.

� Dramatische Steigerung der Komplexität

Bedingt durch den rasanten gesellschaftlichen und strukturellen Wandel wird Planung

immer schwieriger. Dies gilt auch für das Management einer Organisation. Durch die

Schnelllebigkeit und die immer stärkeren Vernetzungen, ist Wandel zum einen

notwendig, um weiter bestehen zu können, zum anderen entwickelt Wandel häufig eine

Eigendynamik, die in ihrer Komplexität nicht mehr vorhersehbar und somit nicht zu

steuern ist. Management ist gefordert, sich auf diese neuen Entwicklungen einzustellen.

Der Schwerpunkt von Management verlagert sich stärker auf die Führung eines

Unternehmens in den Zeiten von organisationalen Veränderungen und verlässt dafür

tendenziell mehr die Aufgabe, den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten und zu leiten.10

In Abhängigkeit von den jeweiligen Gründen steht ebenfalls der Veränderungsumfang.

Veränderungen, die in einer Organisation vollzogen werden, können in ihrem Fokus

entweder die gesamte Organisation, bestimmte Teams oder einzelne Individuen in

ihrem jeweiligen Arbeitsbereich betreffen. Es gibt Veränderungen, die lediglich einen

geringen Raum einnehmen und eine Organisation und ihre Mitarbeiter nur punktuell

berühren. Andere wiederum gestalten sich als radikale Umbruchslawinen, die alles mit

sich reißen und darauf abzielen, einen gesamten Betrieb quasi neu zusammenzusetzen.

Man kann bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen zwischen einer

Funktionsoptimierung einer Organisation und einem Musterwechsel unterscheiden. Bei

einer Funktionsoptimierung wird versucht, eine Leistungssteigerung durch eine

Verbesserung bestehender Verhaltensmuster zu erzielen. Diese Form der

Leistungssteigerung hat jedoch ihre Grenzen, denn die alten Verhaltensmuster bergen in

sich nur einen gewissen Möglichkeitsraum, innerhalb dessen Verbesserungen erzielt

werden können. Wenn eine Organisation jedoch größere Leistungsverbesserungen

geplant hat oder mit völlig neuen Anforderungen konfrontiert wird, kann Erfolg nur

damit erlangt werden, dass bestehende Verhaltensmuster verlassen werden. Man kann

hier von einem Prozessmusterwechsel sprechen.11

Der Change Manager muss, wenn er Innovationen in einem Betrieb umsetzen will, an

drei unterschiedlichen Ebenen ansetzten. Diese müssen im Rahmen von

Veränderungsprozessen in einem Unternehmen immer beachtet werden, damit eine

Chance auf eine erfolgreiche Implementierung von Veränderungsmaßnahmen besteht.

Hierzu gehört

� die Ebene der Strategie,

also die Frage nach der Richtung, in die ein Unternehmen gehen will,

� die Ebene der Struktur,

also die Gestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation

� die Ebene der Kultur,

also die Einbindung der Mitarbeiter in die Veränderungen.

10 Doppler, K.; Lauterburg, C. (2005): 21 ff. 11 Kruse, P. (2004): 20 f.

Man kann erkennen, dass sich zwei der Ebenen, die Ebene der Strategie und die Ebene

der Struktur eher mit den harten Faktoren einer Organisation beschäftigen. Die Ebene

der Kultur ist ein weicher Faktor, der allerdings für die Umsetzung von

Veränderungsprozessen eine erhebliche Bedeutung einnimmt. Denn Veränderungen

werden immer von Mensch zu Mensch vollzogen und nur mit der Bereitschaft der

Mitarbeiter sich dem Wandlungsprozess zu stellen, steht und fällt der Erfolg des

gesamten Vorhabens. Besonders dann, wenn es sich um komplexe

Veränderungsprozesse handelt, kann nur durch Beachtung und Einbeziehung aller drei

Ebenen eine erfolgreiche betriebliche Umstrukturierung stattfinden.12 Doch auch dann

bekommt man noch lange keine Garantie dafür, dass der Veränderungsprozess den Weg

einschlägt, der vom Management geplant wurde.

Die Unternehmensberatung McKinsey hat sich in den 90iger Jahren in einer

Untersuchung mit dem Erfolg von Veränderungsmaßnahmen in den beratenen

Organisationen befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nur etwa 30% der

Veränderungsvorhaben das vorgegebene oder angestrebte Ziel erreichen. Die Ursache

für die mangelnde Zielerreichung seien nicht Mängel in den Analysen oder den

vorgeschlagenen Maßnahmen, sondern läge an der mangelnden Umsetzung der

vorgeschlagenen Maßnahmen in den jeweiligen Organisationen.13 Auch Maus schreibt

von Untersuchungen wie beispielsweise von LaClaire & Rao aus dem Jahr 2002, dass

58% der untersuchten Unternehmen nach der Implementierung einer Veränderung

keines der erwarteten Ziele erreichten und 20% der Unternehmen lediglich ein Drittel

oder weniger der geplanten Ziele realisieren konnten.14 Kruse schreibt von

Untersuchungen, die sich mit dem Erfolg bei Veränderungsprozessen von brachen- und

länderübergeifenden Unternehmen beschäftigten.15 Auch hier wurden die „mit der

Veränderung angestrebten Ziele, wie zum Beispiel kürzere Durchlaufzeiten, effizientere

Geschäftsprozesse, Senkung der Betriebskosten, Qualitätsverbesserungen oder bessere

Kundennähe“16 häufig gar nicht oder nur teilweise erreicht. Auf der Basis, dass etwa

70% Prozent aller initiierten Change Prozesse in Unternehmen fehlschlagen, lässt sich

natürlich die Frage formulieren, ob sich Veränderungsprozesse in Organisationen

überhaupt managen lassen und wo die Ursachen für die Fehlschläge zu suchen sind.

12 Kraus, G.; Becker-Kolle, C. [u.a.] (2004): 16 f. 13 Fisch, R.; Beck, D. (2006): 6 f. 14 Maus, J. (2007): 4 15 Kruse, P. (2005): 17 16 Kruse, P. (2005): 17

Dass Organisationen nicht passgenau auf die veränderten Nachfragen und

Herausforderungen ihrer Umwelt reagieren, an überholten Zielen und Zwecken

festhalten und einleuchtend konzipierte Modelle nicht umgesetzt werden, wirft

Fragestellungen auf. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Um eine Effizienzsteigerung

und Produktverbesserung in einem Unternehmen erreichen zu können, müssen die

„gewachsenen Organisationsstrukturen aufgebrochen, die funktionalen

Abteilungsgrenzen eingerissen und im Sinne von Geschäftsprozessen radikal neu

gestaltet werden“17. Bestehende Hierarchiesysteme müssen überdacht und

Verantwortung im Sinne einer höheren Eigenverantwortung an Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter delegiert werden.18

Doch Veränderungsprozesse in einer Organisation haben nicht nur einen sachlichen

Aspekt, sondern ebenfalls einen psychologischen, also die Einstellungen und das

Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier scheint die rationale Logik zu

versagen und nicht mehr die Prozesse zu erfassen, die im Hintergrund, zwischen

Organigrammen, Flussdiagrammen und Projektplänen ablaufen. Es entwickeln sich

plötzlich Strukturen, wie beispielsweise in Form von Widerstand gegen die geplanten

Veränderungen, die von keinem gewollt und erst recht nicht durch das Management

geplant waren.

2.2 Widerstand im Change Management

Wie in der Einleitung beschrieben, ist der Widerstand von Mitarbeitern gegenüber

Veränderungsvorhaben einer Organisation eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass

Veränderungen nicht erfolgreich vollzogen werden können. Und das besitzt für eine

Organisation meist nicht nur finanzielle, sondern oft sogar existentielle Konsequenzen,

da der weitere Bestand einer Organisation mittlerweile erheblich an ihre

Veränderungsfähigkeit gekoppelt ist. Widerstand gegen Veränderung entsteht

insbesondere dort, wo Mitarbeiter nicht genügend eingebunden werden und Change-

Prozesse mit der Brechstange angegangen werden. Das heißt, verändern sich Mitarbeiter

aus sich selbst heraus bzw. werden Veränderungen von ihnen angestossen, wird kaum

von Widerstand gegen diesen Wandel auszugehen sein. Erst wenn Veränderung Top-

Down initiiert wird, kann es zu Schwierigkeiten in der Umsetzung kommen.

17 Doppler, K; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 20 18 Doppler, K; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 20

Natürlich gehen Veränderungen in einer Organisation immer auch mit Konsequenzen

für die in ihr tätigen Mitarbeiter einher, denn wo verändert wird, kann es Gewinner und

Verlierer geben. Für die Mitarbeiter ist die Klarheit und Vorhersehbarkeit von

Prozessen nicht gegeben, sie sind mit mehrdeutigen und unklaren Rollen und

Aufgabenbereichen konfrontiert, es ist schwierig an Informationen zu kommen und

vertraute Strukturen und Rahmenbedingungen werden aufgebrochen und neu gestaltet.

Insgesamt bedeutet das, dass alte Verhaltens- und Reaktionsmuster nicht mehr

angewendet werden können.19 Der damit einhergehende Widerstand innerhalb der

Mitarbeiterschaft begründet sich im wesentlichen auf zwei Bereiche, die häufig bei der

Planung und Durchführung von Veränderungsprozessen vergessen werden, da sie sich

nicht in das rationale Gefüge der beschlossenen Strategie integrieren lassen:

„Emotionen und scheinbar nicht kalkulierbare gruppendynamische Prozesse.“20 Und

genau das sind Themenkomplexe, die in der Geschäftswelt häufig keinen Platz finden,

deren Hintergründe jedoch im Rahmen dieser Arbeit etwas näher beleuchtet werden

sollen.

Doch zunächst zum Begriff Widerstand und was darunter verstanden wird. „Widerstand

umfasst passive oder aktive Verhaltensweisen von betroffenen Mitarbeitern, Gruppen

oder der ganzen Belegschaft, die die Veränderungsziele blockieren, ablehnen, infrage

stellen, unterlaufen oder nicht unterstützen.“21 Grundsätzlich kann man sagen, dass

Widerstand zu einer Reduzierung der Arbeitsleistung, einer Zunahme von

Schlechtleistung, einer Bildung von sich abkapselnden Untergruppen, einer erhöhten

Fluktuation sowie einer erhöhten Abwesenheits- bzw. Krankheitsrate führt.22

Widerstand drückt sich auf unterschiedlichsten Ebenen aus. Er kann sowohl aktiv wie

auch passiv sein sowie verbal oder non-verbal geäußert werden. Meist jedoch wird

Widerstand gegen Veränderungsprozesse von Mitarbeitern nicht offen und direkt

formuliert, sondern ist an den unterschiedlichsten Symptomen zu erkennen, die

beispielhaft in Abb. 1 aufgeführt sind.

Ebenfalls ist Widerstand ein fester Bestandteil des Veränderungsprozesses und kann

nicht vermieden werden. Es kommt also nicht darauf an, Strategien zu entwickeln, wie

man den Widerstand der Mitarbeiterschaft verhindern kann, sondern es kommt darauf

19 Kahn, Robert L. [u.a.] (1964): 72 ff. 20 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 63 21 Doppler, K.; Lauterburg, C. zit. in Kraus, G.; Becker-Kolle, C.; Fischer, T. (2004): 62 22 Wöhrle, A. (2002): 73

an, effizient damit umzugehen. Für einen effizienten Umgang ist es wichtig zu wissen,

warum Widerstand entsteht und welche Dynamik er entwickeln kann.

Abb. 1: Widerstandssymptome in Veränderungsprozessen

Typische Widerstandssymptome in Change-Prozessen

Verbal/Reden Nonverbal/Verhalten

Aktiv/Angriff Widerspruch Gegenargumente Vorwürfe Abwertungen Gerüchte Streit Drohungen Polemik

Aufregung Abwertende Gestik und Mimik Aktive Verhinderung einer Umsetzung Intrigen Cliquenbildung

Passiv/Flucht Ausweichen Schweigen Bagatellisieren Blödeln Ins Lächerliche ziehen Nebensächliches debattieren

Lustlosigkeit Unaufmerksamkeit Müdigkeit Innere Kündigung Fernbleiben Krankheit

Quelle: Kraus, G.; Becker-Kolle, C.; Fischer, T. (2004): 62

Ein Veränderungsprozess durchläuft immer unterschiedliche Phasen, die durch den

Change Agent steuernd begleitet werden müssen. Wenn auf die Phase des Widerstands

nicht entsprechend reagiert wird, kann sich schnell eine Dynamik entwickeln, die nur

mit viel Aufwand wieder einzufangen ist. In der folgenden Graphik sind die Phasen zu

erkennen, die ein Veränderungsprozess durchlaufen muss.

Abb. 2: Phasen von Veränderungsprozessen

Quelle: Keuper, F.; Groten, H. (2007): 281

5. Lernen

1. Schock

7. Integration

6. Erkenntnis

4 . Emotionale

2. Ablehnung

3. rationale Einsicht

Zeit

Wahrgenommene eigene Kompetenz

Warum normal intelligente und nicht verhaltensgestörte Menschen Maßnahmen

bekämpfen, die notwendig und sinnvoll sind, lässt sich, wie schon bemerkt, nicht mit

sachlichen Überlegungen und logischen Argumenten fassen.23 Widerstand gegenüber

Veränderungen wird durch die unterschiedlichen Zielbündel von Unternehmen und

Mitarbeitern hervorgerufen. Denn Entwicklungen, die für ein Unternehmen postiv sein

können, gestalten sich nicht unbedingt auch positiv für den einzelnen Mitarbeiter.

Besonders der Anstoß von größeren Veränderungsprozessen, also

Prozessmusterwechseln, bewirken die Entstehung von Stress bei den Arbeitnehmern, da

sie diese Veränderungen mit Arbeitsplatz- und Statusverlusten, Versetzungen, einer

Gefahr für die eigene Karriere und sogar mit familiären Konflikten in Verbindung

bringen.24 Callan publiziert in seiner Studie unterschiedlichste Forschungsergebnisse, die

beispielsweise belegen, dass eine anstehende Fusion häufig mit wachsender Angst

innerhalb der Mitarbeiterschaft einhergeht. Ebenfalls genannt wird das Gefühl von

Kontrollverlust und Verunsicherung, die Befürchtung, dass zwischenmenschliche

Beziehungen verloren gehen sowie gut funktionierende Arbeitsteams und Arbeitsmoral

zerschlagen werden.25

Diese aufkeimenden Gefühle werden selten offen thematisiert, denn ihre Herkunft ist

dem Einzelnen oft selber nicht bewusst und ihre Ursachen häufig unangenehm oder

peinlich zu benennen und zuzugeben. Kaum ein Mitarbeiter spricht gegenüber seinem

Vorgesetzten aufrichtig von Verlust- und Versagensängsten, Unsicherheit und Angst

mit Hinblick auf die Zukunft oder die Befürchtung vor entstehender

Gewinnermentalität und Machtkämpfen. Doch auch wenn Emotionen nicht offen

gemacht werden, beeinflussen sie den Veränderungsprozess, meist in Form von

Widerstand.

Die Ungewissheit zukünftiger Entwicklungen und die damit einhergehende Instabilität

und Unsicherheit in Veränderungsprozessen gestaltet sich für viele Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter als scheinbar so problematisch, dass sie mit Emotionen wie Angst reagieren.

Das heißt, machmal „verbieten und untersagen wir uns das Neue und verzichten lieber

auf eine mögliche Weiterentwicklung, als uns durch den Übergang [vom Alten zum

Neuen; C.H.] verunsichern zu lassen“26. Dieser Zusammenhang lässt sich u.a. dadurch

23 Doppler, K.; Lauterburg, C. (2005): 325 24 Callan, V. J. (1993): 64 f. 25 Callan, V. J. (1993): 64 f. 26 Kruse, P. (2005): 24

erklären, dass Systeme, also auch der Mensch, eine ausgeprägte Tendenz haben,

bestehende Stabilitäten zu erhalten.27 Menschen verändern sich nicht gerne. Die

Tendenz an stabilen Mustern festzuhalten wurde in der Psychologie vielfach untersucht

und nachgewiesen.28 Und das zu Zeiten von Wandel notwendige Loslassen von stabilen

Verhaltensmuster geht bei den Menschen eben mit Emotionen einher, die wiederum zu

einem bestimmten Verhalten führen. Denn menschliche Gefühle sind maßgeblich an

der Verhaltensplanung- und Verhaltenssteuerung beteiligt, wirken also bei der

Handlungsauswahl mit und fördern bestimmte Verhaltensweisen.29

Festgestellt wurde literaturübergreifend, dass es verschiedene Typen von Menschen gibt,

die in unterschiedlichen Verhaltensmustern auf Veränderungen reagieren. Je nach

Persönlichkeitskonzept des Einzelnen sind die mit der Veränderung einhergehenden

Emotionen eher postiver oder eben eher negativer Natur. Auch die Stärke der erlebten

Emotionen unterscheidet sich. Die subjektive Wahrnehmung und die Persönlichkeit des

Einzelnen bilden also eine wichtige Grundlage zum Verständnis von Widerständen

gegenüber Veränderungen in einer Organisation.

Um die Entstehung von Widerstand gegenüber Veränderungen erklären zu können,

müssen im Folgenden zunächst zwei Fragestellungen weiter bearbeitet werden: Warum

versuchen Menschen bestehende Stabilitäten zu erhalten und möchten einmal

herausgebildete Ordnungen und Mustern nur ungern wieder verlassen? Und wie

entsteht subjektive Wahrnehmung, Persönlichkeit und Musterbildung eines Menschen

und wie kann dessen Persönlichkeit einen Einfluss auf das Verhalten in Zeiten der

Veränderung nehmen?

Doch bevor auf diese beiden Fragestellungen weiter eingegangen wird, muss zunächst

einmal grundlegend geklärt werden, um was es sich bei Veränderung eigentlich handelt.

27 Kruse, P. (2004): 54 28 Kruse, P. (2004): 54

3 Die Theorie komplexer Systeme

In diesem Abschnitt geht es zunächst darum darzustellen, wie Veränderung, sowie

Ordnung und Struktur eigentlich entstehen. Denn es wird immer noch in vielen

Bereichen, so auch im Management, daran geglaubt, dass Veränderungen kontinuierlich

von statten gehen und ihre Dynamiken, dass heißt ihre Entwicklungen in der Zeit,

genau berechnet werden können, wenn man die dahinterstehenden Kräfte kennt.

Diesen Glauben findet man auch häufig in der gängigen Literatur, die sich mit

Veränderungsmanagement in Organisationen beschäftigt. Der zu beschreitende Weg

scheint klar: Ein Veränderungsfahrplan muss entwickelt werden, in dem die einzelnen

vom Management zu gehenden Schritte festgelegt werden. Wichtig hierbei ist lediglich,

dass man keinen der relevanten Faktoren vergisst. „Die besondere Herausforderung für

das Change Management ist es, alle Faktoren zu berücksichtigen und verschiedene

Methoden zur Qualitäts- und Produktivitätssteigerung miteinander zu verbinden und in

Balance zu halten, so dass alle Beteiligten mit dem Ertrag zufrieden sind.“30 Ob dieser

Anspruch zu halten und in seiner Umsetzung realistisch ist, wird in dem folgenden

Kapitel weiter untersucht. Denn wie Doppler und Lauterburg passend formulieren:

„Dies ist ein genereller Befund: Es passiert heute ständig zu viel gleichzeitig. Ob als

Politiker, Manager oder Chefbeamter: Man überblickt nicht mehr alles, was gerade

passiert. Man versteht nicht mehr bei allem, warum es passiert – dann, wenn es passiert.

Man hat nicht mehr alles einfach „im Griff“. Man kann nicht immer steuern, wenn man

meint, es müsste gesteuert werden. Und oft genug ist man Entwicklungen ausgesetzt,

deren Verlauf man überhaupt nicht zu prognostizieren vermag. Vor allem aber: Alles ist

zunehmend mit allem vernetzt. Was man an einem Ort tut, kann an einem anderen

unvorhergesehene Konsequenzen zeitigen. Technische, ökonomische, politische und

gesellschaftliche Prozesse beeinflussen sich gegenseitig und entwickeln ihre

Eigendynamik. Es kommt zu „Kipp-Effekten“ – und von heute auf morgen hat sich ein

bisher realistische Szenario in sein Gegenteil verwandelt.“31

29 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 81 30 Kostka, C.; Mönch, A. (2006): 21 31 Doppler, K.; Lauterburg, C. (2005): 36

3.1 Chaos und Ordnung

Die Theorie komplexer Systeme, die sogenannte Chaostheorie, beschäftigt sich mit den

Phänomenen von Struktur und Chaos und ihrer Entstehung. Die systemische Weltsicht,

die mit der Chaostheorie eng verbunden ist, geht von zwei grundlegenden Annahmen

aus: Der Prozesshaftigkeit der Welt sowie der Ganzheit allen Geschehens.

Wenn die Welt als Prozess verstanden wird, bedeutet das, dass alles der Veränderung

unterworfen und ständig in Bewegung ist. Auf dieser Basis können auch Struktur und

Ordnung nicht mehr als etwas Zeitloses, Statisches dargestellt werden, sondern erklären

sich als dynamische Prozesse. Diese dynamischen Prozesse, die in der Welt stattfinden,

sind aus der Perspektive der Ganzheitlichkeit alle miteinander vernetzt, was bedeutet,

dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Um dies analytisch fassbar zu machen, werden

Systeme und Systemebenen von dem „Gesamtsystem Welt“ abgetrennt, um sie als

kleinere Systemeinheiten analytisch betrachten zu können.32

Unterschieden werden kann zwischen zwei verschiedenen Aspekten von Prozessen. Die

einen können als reversible Prozesse beschrieben werden, die durch ein stabil-

periodisches Verhalten gekennzeichnet sind (bspw. Herzschlag, Pendelbewegungen)

und somit eine phänomenale Stabilität aufweisen. Zum anderen gibt es irreversible

Prozesse, die durch instabiles, nicht-periodisches und chaotisches Verhalten

gekennzeichnet sind (bspw. Wetter, Turbulenzen in Flüssigkeiten oder Gasen) und

dadurch ausschlaggebend für phänomenale Veränderung sind. In jedem Geschehen

lassen sich beide Komponenten ausmachen, also Stabilität und Instabilität sind

miteinander verknüpft und setzen durch diese Verknüpfung jedem stabilen-

periodischen Prozess eine zeitliche Grenze. Und genau das ist ein entscheidendes

Kennzeichen von Leben. Das bedeutet, dass immer ein Wechsel zwischen stabilen

Phasen, also den für einen gewissen Zeitraum stabilen Strukturen und den

Phasenübergängen, also den Zerfall ins Chaos, stattfindet. Ohne die Phasenübergänge,

also den Zerfall einer Struktur, gibt es keine Entwicklung und die Welt würde erstarren.

Abb. 3: Stabiles und instabiles Gleichgewicht

Quelle: Kriz, J. (1992): 38

Eine Voraussetzung dafür, dass Strukturen entstehen und diese wieder zu Chaos

zerfallen können, ist, dass diese analytisch abgegrenzten Systeme offen gegenüber ihrer

Umwelt sind, um mit dieser Energie, Materie oder Informationen austauschen zu

können. Ebenso wichtig ist es jedoch, dass diese Systeme von ihrer Umwelt

abzugrenzen sind, damit die Voraussetzungen für das Phänomen der Selbstorganisation,

also der Entstehung einer Struktur, gegeben sind.33 Bei der Entstehung von

Selbstorganisation kann schon die Veränderung einer unspezifischen Größe zu einer

hochspezifischen Struktur des jeweiligen Systems führt. Diese Veränderung ist Ursache

für die Strukturbildung innerhalb eines Systems, wobei die Strukturbildung in dieser

Form nicht gleichzeitig von außen vorgegeben wurde. Das heißt, dass sich die

Entwicklung einer Struktur niemals auf eine ganz bestimmte Ursache zurückführen

lässt, sondern in einem komplexen Zusammenwirken entsteht.34

Schon scheinbar ganz simple Prozesse, deren formale Darstellung an Einfachheit kaum

zu übertreffen ist (z.B. z -> z² +c), erweisen sich in ihrem Langzeitverhalten als

unberechenbar.35 Das bedeutet, dass selbst diese Prozesse unter bestimmten

Bedingungen eine unglaublich große Anzahl unterschiedlichster Phänomene erzeugen

können, die letztlich in ihrer Ausgestaltung nicht vorherzusehen sind. Das begründet

sich darin, dass die Sensibilität des Systems gegenüber kleinster Abweichungen äußerst

hoch ist und schon eine Veränderung des Ausgangswertes beispielsweise um ein

Millionstel innerhalb kürzester Zeit zu einem anderen Prozessverlauf führen kann.

32 Kriz, J. (1992): 20 33 Kriz, J. (1992): 19 ff. 34 Kriz, J. (1992): 18 35 Kriz, J. (1992): 16

Wenn schon eine minimale Veränderung der Ausgangsbedingungen zu einem anderen

Prozessverlauf führt, bedeutet dies zwangsläufig, dass ein solcher Prozess langfristig

nicht zu berechnen ist. Denn das Ergebnis jedes einzelnen Schrittes in der Zeit stellt

wiederum einen wesentlichen Ausgangspunkt für die Berechnung weiterer folgender

Ergebnisse dar und muss somit in seiner kleinsten Abweichung berechnet werden. Nach

einigem Zeitverlauf müssten die Abweichungen selbst simpelster Rückkopplungen

allerdings mit unendlicher Genauigkeit berechnet werden. Denn das Runden von

Zahlen würde ja eine Veränderung der Ausgangsbedingungen zur Folge haben und

diese wiederum zu verfälschten Ergebnissen führen.

Da jedoch keine Rechnung die Anzahl von unendlich vielen Stellen berücksichtigen

kann und selbst die minimalste Abweichung in ihrer Dynamik eine Veränderung im

Prozessverlauf bewirkt, ist unser weitverbreiteter Glaube an die Berechenbarkeit der

Welt aus dem Blickwinkel der Theorie komplexer Systeme nur bedingt haltbar.36 Das

heißt, dass die aus unserem Alltagshandeln häufig resultierende Annahme „kleine

Ursachen haben nur kleine Wirkungen“ durch die Erkenntnisse der Chaostheorie

deutlich infrage gestellt werden. In Abb. 4 ist graphisch dargestellt, wie die Abhängigkeit

von den Anfangsbedingungen aussehen kann. Stellt man sich vor, wie eine Stahlkugel

auf eine Rasierklinge trifft, hängt der weitere Verlauf der Bahnkurve empfindlich von

dem Auftreffpunkt der Kugel ab.

Abb. 4: Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 93

36 Kriz, J. (1992): 30 ff.

Genau auf dieser Grundlage basiert das alte Glücksspiel am Galton-Brett oder das

System eines Flipperautomaten. Der Verlauf der Kugel steht in starker Abhängigkeit zu

den Anfangsbedingungen und kann nicht vorausgesagt werden.37

Abb. 5: Galton-Brett als Beispiel einer urtümlichen Glücksspielmaschine

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 93

Ebenfalls ist jedes System mit Störungen unterschiedlicher Art konfrontiert. Hierzu

gehören zum einen Störungen, die von außen an das System herangetragen werden, zum

anderen Störungen, die sich innerhalb des Systems entwickeln. Der Begriff Störung

kann hierbei als Veränderung der jeweiligen Bedingungen verstanden werden. Befindet

sich das System gerade in einem stabilen Zustand, kann es Störungen ausgleichen, das

heißt, dass der vorherige Zustand eines Systems selbstorganisiert, sprich eigenständig,

wieder hergestellt wird. Diesen Zustand einer stabilen periodischen Dynamik, auf die

sich das System nach Einfluss einer Störung wieder hinbewegt, nennt man einen

Attraktor. Man kann also sagen ein Attraktor lässt sich als ein wahrnehmbarer Zustand,

eine wahrnehmbare Struktur oder Form eines dynamischen Systems begreifen. Wird das

System allerdings mit einer Störung konfrontiert während es sich in der Nähe von

Instabilität befindet, führt diese Störung zu einem Phasenübergang, also dem Zerfall in

Chaos. Dieser Phasenübergang bietet die Basis für das System sich in eine andere

Prozessstruktur zu bewegen, das heißt einen neuen Attraktor aufzusuchen.38

37 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 93 38 Kriz, J. (1992): 19 ff.

Für das Thema Veränderungsmanagement ist insbesondere interessant, wie ein Systems

auf Störungen reagiert. Denn für die Dynamik eines Systems ist seine Reaktion auf

Eingriffe, Einflüsse und Veränderungen von großer Bedeutung. Auf der Basis der

Entwicklung eines ungestörten Systems „Referenzdynamik“ lassen sich die folgenden

Möglichkeiten beschreiben.

1. Die Abweichung von der Referenzdynamik bewegt sich innerhalb fester Grenzen

innerhalb derer sie sich auf unbestimmte Zeit bestehen bleibt (Abb. 6).

Abb. 6: Bahnstabilität und der Verlauf der Dynamik nach einer Störung

(gestrichelte Linie)

Quelle: Kriz, J. (1992): 122

2. Die Abweichung von der Referenzdynamik wird immer geringer, bis sie schließlich

gegen Null geht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Referenzdynamik auf einen

Punktattraktor zuläuft (Abb. 7).

Abb. 7: Schematische Darstellung asymptotischer Stabilität

Quelle: Quelle: Kriz, J. (1992): 123

3. Die Abweichung von der Referenzdynamik bleibt nicht innerhalb fester Schranken.

Man kann hier von instabilen Systemen sprechen, wie einem System im

Phasenübergang, also bei einem System im Chaos (Abb. 8).

Abb. 8: Schematisierung von Instabilität

Quelle: Kriz, J. (1992): 124

4. Die Abweichung von der Referenzdynamik bleibt innerhalb einer festen Grenze,

solange die Störung keinen bestimmten Schwellenwert überschreitet (Abb. 9). Wenn

jedoch dieser Schwellenwert überschritten wird, verhält sich das System wie in Fall

drei.

Abb. 9: Lokale Instabilität

Quelle: Kriz, J. (1992): 122

Für die Durchführung von Veränderungsprozessen in einer Organisation, also der

Entstehung einer neuen Struktur, ist es also notwendig die Organisation zunächst in die

Nähe von Instabilität, also Chaos zu führen. Um dies zu ermöglichen, muss die

bestehende Ordnung mittels einer Störung dazu angeregt werden ihren Zustand zu

verlassen. Denn erst der Zerfall von bisherigen Strukturen ebnet die Möglichkeit neue

Strukturen und Ordnungen entstehen zu lassen. Wie in Abb. 3 zu erkennen war, wird

die Kugel in einem stabilen Gleichgewicht immer wieder in ihre Ausgangslage

zurückrollen, wobei die Kugel in einem instabilen Gleichgewicht durch den kleinsten

Stoß aus dieser Lage entfernt werden kann und die Möglichkeit hat, sich auf einen

neuen Attraktor zu zubewegen.

3.2 Selbstorganisation in komplexen Systemen

In unserem Alltagsdenken wird Ordnung als etwas angesehen, hinter dem zwangsläufig

eine ordnende Instanz stehen muss. Lediglich Unordnung kann spontan und

selbstständig entstehen und dass ein System eigenständig von einem ungeordneten in

einen geordneten Zustand übergeht, widerspricht zunächst jeglicher Intuition.39 Dem

hält die Chaostheorie jedoch entgegen. Das Phänomen von spontanen

Ordnungsprozessen, die ohne jegliche von außen einwirkenden Kräften aus einem

System heraus entstehen, lässt sich immer wieder beobachten. Ein häufig angeführtes

Beispiel ist die sogenannte Bénard-Instabilität. Erhitzt man eine Flüssigkeit von unten,

entsteht ein Temperaturunterschied zwischen der heißeren Unter- und der kühleren

Oberseite der Flüssigkeit. Wenn der Temperaturunterschied groß genug ist, gerät die

Flüssigkeit in Bewegung und die Flüssigkeitsmoleküle bewegen sich in einer turbulenten

Strömung ungeordnet durcheinander. Bei einer weiteren Erhöhung der Temperatur

entsteht jedoch plötzlich makroskopisch ein Ordnungsmuster, die Moleküle bilden

Wabenstrukturen aus oder gehen in Walzformation vor.40

Abb. 10: Bénard-Instabilität

Quelle: Kruse, P.(2004): 52

39 Kruse, P.(2004): 50 40 Kruse, P.(2004): 52

Beispiele wie diese gibt es viele. Sie kommen aus der Biologie, der Physik, der Chemie

oder der Neurowissenschaft. Doch ebenfalls ist eine große Vielfalt an physiologischen,

psychologischen und sozialen Phänomenen existent, die sich durch eine kohärente

Musterbildung auszeichnen.41 Dieses Phänomen der Selbstorganisation wird von der

Theorie der Synergetik „der Lehre vom Zusammenwirken“ erforscht. Synergetik

untersucht „Systeme, die aus sehr vielen einzelnen Teilen bestehen, die miteinander

wechselwirken und dann auf makroskopischer Ebene Strukturen und Funktionen

hervorbringen. Es handelt sich also um die Erforschung der Emergenz neuer Qualitäten

durch Selbstorganisation in komplexen Systemen“ 42.

Wie kann also makroskopische Ordnung aus mikroskopischem Chaos entstehen?

Hierfür muss zunächst noch mal an das vorangegangene Kapitel zur Chaostheorie

angeknüpft werden. Die Störung eines Systems ist eine notwendige Voraussetzung

dafür, dass eine neue Ordnung, also die Hinwendung zu einem neuen Attraktor,

überhaupt entstehen kann. Denn erst durch eine Störung kann das System in eine Phase

der Instabilität geführt werden, die wiederum die Grundlage für die Entstehung neuer

Ordnungsmuster bildet. Haken benennt diese Störung als ein oder mehrere

Kontrollparameter, die die Einwirkung der Umgebung auf das jeweilige System

beschreiben. Kontrollparameter steuern die Zustände eines Systems indirekt und

können in kritische und unkritische Bereiche unterteilt werden. Solange ein System

stabil ist, passiert nichts weiter, denn das System kann Einflüsse von außen abfedern

und wird im Anschluss wieder in seinen alten Zustand zurückfallen. Doch was passiert

dann, wenn sich die Kontrollparameter einem kritischen Wert annähern und das System

in die Nähe von Instabilität gerät? Wird ein Kontrollparameter geändert, kann das zu

einer sofortigen, qualitativen Veränderung des Systemverhaltens führen. Um im Bild der

Kugel zu bleiben, welches bereits im Kapitel über die Chaostheorie verwendet wurde,

bedeutet Instabilität, dass der Boden auf dem die Kugel liegt (der Attraktor) immer

breiter wird und die Wände immer flacher.43 Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit

eines Attraktorenzustands verringert wird.44

41 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 64 42 Haken, H. (2007): 20 43 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 80 f.

Abb. 11: System in der Instabilität

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 81

Bedingt durch auftretende innere und äußere Schwankungen kommt es zu kritische

Fluktuationen. Im Bild der Kugel gesprochen kann diese, bedingt durch die

Schwankungen, sehr weit ausgelenkt werden. In der Folge kommt es bei dem System zu

einem Phasenübergang, der von Haken als das Phänomen des kritischen

Langsamerwerdens beschrieben wird. Man kann sich vorstellen, dass ein System

während eines Phasenübergangs mögliche Zustände austestet, in die es nach

Überschreitung der Instabilitätswelle übergehen kann. Diese unterschiedlichen Zustände

stehen in einer Art Konkurrenzkampf zueinander, wobei letztlich einer der möglichen

Zustände diesen Konkurrenzkampf gewinnt und als Ordnungsparameter auftritt. Im

weiteren Verlauf kommt es dann zu folgendem Effekt. Das sich auf der Basis von

äußeren und inneren Schwankungen chaotisch bewegende System formiert sich in

Richtung einer Konfiguration, die immer mehr anwächst, während alle anderen

Konfigurationen, also möglichen Zustände, wieder aussterben. Ein Ordnungsparameter

ist hergestellt. Die einzelnen, häufig sehr zahlreichen Systemelemente, aus denen ein

System besteht, werden von dem entstandenen Ordnungsparameter gezwungen, sich

mit ihrem Verhalten an dieses anzupassen. Der Vorgang, dass viele einzelnen Teile in

ihrer Dynamik durch einen, oder manchmal auch mehrere Ordner, festgelegt werden

benennt Haken als Versklavungsprinzip.45 Man kann also sagen, dass komplexe

dynamische Systeme durch kritische Werte von Kontrollparameter bestimmt sind, an

denen die Wechselwirkung ihrer Elemente zu einer Strukturbildung führt.

44 Kruse, P. (2005): 55 45 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 82

Abb. 12: Versklavungsprinzip

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 83

Dies führt letztlich zum Konzept der zirkulären Kausalität. Denn zum einen wird durch

das Versklavungsprinzip der Ordner das Verhalten der Teile bestimmt, zum anderen

jedoch wird erst durch das Zusammenwirken der Teile die Entstehung von Ordnern

ermöglicht.

Abb. 13: Zirkuläre Kausalität

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 83

Ebenfalls in Abb. 13 ist zu erkennen, dass es, wenn man den Zirkel einmal herum

wandert, zwei Möglichkeiten gibt. Geht man von den Ordnern aus, wird der Eindruck

erzeugt, als ob die Ordner auf sich selber wirken würden. Durch die Existenz von nur

wenigen Ordnern, kann selbst das Verhalten eines komplexen Systems mittels eines

geringen Informationsaufwandes beschrieben werden. Man kann hier von einer

Informationskompression sprechen. Beginnt man bei den einzelnen Teilen und geht

über die Ordner wieder zu den einzelnen Teilen zurück, scheint es, als hätten sich die

einzelnen Teile auf der Basis von Wechselwirkungen alleine geordnet. Man kann sagen,

dass man es hier mit einer Konsensusfindung zu tun hat.46

46 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 69 ff.

In den vorangegangenen beiden Abschnitten wurde das Prinzip von Veränderung und

das Phänomen von Ordnungsbildung nun recht abstrakt dargestellt. Auf das

Veränderungsmanagement übertragen kann man auf dieser theoretischen Basis zunächst

einmal sagen, dass organisationaler Wandel immer mit Instabilität einhergeht. Das ist

wichtig, um zu verstehen, warum Menschen häufig nicht gut mit Veränderung umgehen

können. Bestehende Strukturen müssen destabilisiert werden, damit neue Strukturen

aufgebaut werden können. An einem simplen Beispiel dargestellt: möchte ich ein neues

Computersystem in einem Betrieb einführen, muss das Alte aufgegeben werden, bevor

mit dem Neuen gearbeitet werden kann. In den Übergangszeiten wird es immer wieder

zu chaotischen Situationen kommen.

Ausserdem kann festgehalten werden, dass organisationale Veränderungen nicht linear

planbar und in allen ihren Auswirkungen berechnet werden können. Systeme, und somit

auch Organisationen, haben zwar die Fähigkeit selbstständig Ordnungen

herauszubilden, es ist jedoch nie hundertprozentig vorhersehbar, welche Ordnung

letztlich entsteht. Ein Beispiel für dieses Phänomen ist eben der Widerstand, der bei

einer angestossenen Veränderung innerhalb der Mitarbeiterschaft entstehen kann.

Widerstand kann eine so starke Struktur entwickeln, dass eine Organisation gezwungen

ist, das geplante Veränderungsvorhaben zurückzunehmen, weil sie nicht in der Lage ist,

dasselbe umzusetzen.

Das Prinzip der Selbstorganisation hat für diese Arbeit eine recht hohe Bedeutung, da es

sich auf alle möglichen komplexen Systeme übertragen lässt. Das heißt, es bietet nicht

nur eine Erklärungsgrundlage für physikalische und chemische Prozesse, sondern läßt

sich ebenfalls auf psychische und soziale Phänomene anwenden. Da Widerstand

innerhalb der Mitarbeiterschaft eines Unternehmens entsteht, bietet der Blickwinkel auf

Selbstorganisation im Humanbereich die Möglichkeit, die Entstehung und Dynamik von

Widerstand näher erklären zu können. Da sich diese Arbeit u.a. mit der Frage

beschäftigt, warum es Menschen schwer fällt, sich auf Veränderungen einzustellen, wird

es in dem jetzt folgenden Kapitel um ein sich selbstorganisierendes System gehen, dass

letztlich den Menschen als Individuum ausmacht: das menschliche Gehirn.

3.3 Das menschliche Gehirn als ein selbstorganisierendes System

Übergänge von Unordnung zu Ordnung lassen sich also auch im Humanbereich finden

und Selbstorganisation, Ordnungsbildung und Phasenübergänge in Form von Chaos

lassen sich auch in unserem Alltag immer wieder erfahren. Dabei geht die Entstehung

von Ordnung meistens eher unauffällig von statten, „nicht zuletzt, weil wir organisch,

physiologisch, sozial und sprachlich in eine Vielzahl vorgeformter, evolutionär, familiär

und kulturell tradierter Ordnungen hineingeboren werden“47. Der Übergang von einer

Ordnung zu einer anderen fällt meist weit deutlicher aus und es kostet eine gehörige

Portion Mühe, alte Denk- und Verhaltensstrukturen zu verlassen.

Die Tendenz, Ordnungen selbstorganisiert herzustellen und Bestehendes beizubehalten

gilt für alle selbstorganisierten Systeme, zu denen auch das menschliche Gehirn zählt.

Eine Beschreibung dessen, wie ein menschliches Gehirn genau funktioniert, würde den

Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch sollen hier einige typische Funktionsweisen

skizziert werden, da sie erklären können, warum Widerstand gegenüber Veränderungen

bei einem Mitarbeiter entstehen kann.

Das menschliche Gehirn ist eines der Organe, das in unserem Körper mit am meisten

Energie benötigt, um ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Dies ist einer der Gründe dafür,

dass das Gehirn versucht, möglichst effizient zu arbeiten und die einströmende

Informationsmenge soweit wie möglich zu reduzieren. Um diese Reduzierung erreichen

zu können, arbeitet es auf der Basis von Musterbildungs- und

Mustererkennungsprozessen. Das heißt, es nutzt bereits gemachte Vorerfahrungen und

Gestaltprinzipien, verformt quasi die komplexen Eindrücke, um sie besser in bereits

bestehende Schemata integrieren zu können.48 Man kann sagen, es schafft Ordnungen.

Diese vom Gehirn geschaffenen Ordnungen sind neuronale Verknüpfungen in Form

von Netzwerken zwischen verschiedenen Erfahrungen, die auch als Assoziationen

bezeichnet werden können. Auf der Basis dieser Netzwerke kann „ein gesamtes

Erinnerungsbild auf der Grundlage einzelner Hinweisreize oder Teilmerkmale“49

aufgebaut werden. Hierzu gehört beispielsweise das Erkennen von Gesichtern oder das

Vervollständigen von Wörtern und Bildern. Es werden also Erfahrungen

unterschiedlichster Art und Modalität zu Gedächtniseindrücken (Mustern)

zusammengefügt. Informationen werden insbesondere dann bevorzugt gespeichert,

47 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 24 48 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 202

wenn sie in bereits bestehende Schemata hineinpassen. Das heißt, sie werden inhaltlich

in Assoziationsnetzen abgelegt, durch die sie ebenfalls wieder aktiviert werden können.

Viele Experimente deuten darauf hin, dass besagte Assoziationsnetze von dem

menschlichen Gehirn zunächst auf der Basis von Erfahrungen gebildet, also gelernt

werden müssen.50 Der Mensch muss also die notwendigen Ordnungsmuster zunächst

einmal selber schaffen.

Das menschliche Gehirn erlernt also Ordnungsmuster auf deren Basis es

Wahrnehmungen einsortiert. Für die Nutzung der Ordnungsmuster ist Aufmerksamkeit

eine grundlegende Voraussetzung. Denn wenn die Aufmerksamkeit bezüglich eines

Ordnungsmusters nicht vorhanden ist, kann es entsprechend nicht auftreten. Hat das

Gehirn ein Ordnungsmuster erkannt, verschwindet die entsprechende Aufmerksamkeit

wieder und es wird Raum für den Blick auf ein neues Ordnungsmuster geschaffen. Man

kann hier von einer neuronalen Ermüdung sprechen. Dies ist der Prozess, welcher

abläuft, wenn das Gehirn komplexe Szenen erfassen möchte. Es widmet sich einem Teil

der Szene, wendet sich dann der nächsten zu usw. Ein anschauliches Beispiel für dieses

Phänomen sind die sogenannten „Kippbilder“.51

Abb. 14: Beispiel für Kippbilder

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 195

49 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 205 50 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 186 51 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 194 ff.

Welches der dargestellten Bilder von uns zuerst wahrgenommen wird, richtet sich

zusätzlich nach dem Parameter der Voreingenommenheit. Voreingenommenheit

bedeutet in diesem Kontext, dass es bei mehrdeutigem Bildmaterial in der

Wahrnehmung des Einzelnen ein bevorzugtes Bild gibt. Beispielsweise nehmen bei

Abb. 14 „ca. 80% der Männer die junge Frau zuerst ins Auge, während 60% der

weiblichen Betrachterinnen die alte Frau zuerst auffällt“52.53

Ein Musterwechsel von einem Ordnungsmuster zu einem anderen ist nur dann möglich,

wenn der bestehende Ordnungszustand aktiv destabilisiert wird. Denn wie bereits

gesagt, haben Systeme die Tendenz, an stabilen Mustern festzuhalten. Diese Tendenz

zur Stabilität kann gut anhand des in Abb. 15 dargestellten Bildes gezeigt werden.

Betrachtet man die Bildreihe von links nach rechts, behält unser Gehirn relativ lange das

Bild eines Männergesichtes und erkennt erst gegen Schluss der Bildreihe die kniende

Frau. Bei der Betrachtung von rechts nach links ist der Prozess umgekehrt. Diesen

Vorgang bezeichnet man als Hysterese.54

Abb. 15: Hystereseschleife

Quelle: Kruse, P. (2004): 54

Man kann anhand der hier kurz skizzierten Funktionsweisen des menschlichen Gehirns

behaupten, dass die Prozesse der Mustererkennung sich als ein Wettbewerb zwischen

unterschiedlichen Ordnern darstellen. Dieser Wettbewerb wird von „früher gelernten

Mustern, von Aufmerksamkeitsparametern und von Voreingenommenheiten

52 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 197 53 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 197 f. 54 Kruse, P. (2004): 54 ff.

kontrolliert“55. Welchen Vorteile diese Musterbildungsprozessen im Gehirn haben, ist

relativ klar. Systembedingtes Rauschen kann vermindert werden, Inputs besser

selektiert, irritierendes und unpassendes Material kann entfernt werden und die

Kategorisierung von Informationen wird erleichtert. Hierdurch wird eine

zusammenhängende und wirksame Konstruktion der Welt sowie ebenso die Selbstwert-

und Identitätsregulation ermöglicht.56 Der Nachteil ist jedoch, dass es uns aufgrund

dieser bestehenden Muster meist alles andere als leicht fällt sie wieder zu verlassen.

Wahrnehmung gestaltet sich also als eine aktive Konstruktionsleistung des Gehirns.

Zusätzlich wird die Wahrnehmung noch durch Gefühle geschärft, gedämpft oder

gefärbt.57 Unsere Aufmerksamkeit steigert sich beispielsweise dann, wenn wir etwas mit

starken Emotionen verbinden. Dadurch, dass wir auf der Basis unserer Wahrnehmung

handeln, wirken unsere Gefühle entsprechend auf unsere Handlungen ein. Gefühle und

ihre körperlichen Begleiterscheinungen bilden sogar einen wesentlichen Anteil von

Entscheidungsprozessen und sind somit für ein rationales Verhalten nicht

wegzudenken.58 Ebenfalls können impulsive Gefühle rationales Handeln verdrängen,

man spricht dann von einem Automatismus. In diesem Fall kommt der sogenannte

Mandelkern des Gehirns ins Spiel, der Menschen zum Handeln bewegen kann, bevor

diese überhaupt einen logisch begründeten Plan für eine Reaktion aufgestellt haben. Mit

anderen Worten ein Mensch kann auf der Basis von Emotionen reagieren, ohne dabei

bewusst und kognitiv zu handeln.59

Ziel dieses Kapitels war es, einen Erklärungsansatz zu bieten, warum Menschen

versuchen bestehende Stabilitäten zu erhalten. Festzustellen ist: der Umgang mit

Störungen sowie Phasen der Instabilität fallen den Menschen offenkundig alles andere

als leicht.60 Dieses Phänomen lässt sich scheinbar u.a. dadurch begründen, dass das

menschliche Gehirn, also unsere „Antriebsmaschine“ schon in Form von

Ordnungsbildungsprozessen agiert. Der Mensch scheint von seiner Natur aus also quasi

dazu zu neigen, sich von Strukturen regelrecht anziehen zu lassen und möchte sie umso

weniger wieder verlassen, je eindeutiger sie werden. Man könnte im Sinne der Theorie

55 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 198 56 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 207 57 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 179 58 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 59 59 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 58 60 Kruse, P. (2005): 50

komplexer Systeme sogar formulieren, dass hier eine Orientierung auf einen Punkt-

Attraktor stattfindet.61

Die Assoziationsnetze oder Ordnungsmuster von denen in diesem Kapitel die Rede

war, müssen erwiesenermaßen von dem menschlichen Gehirn zunächst erlernt werden.

Das wurde bereits erwähnt. Doch das Lernen eines Menschen findet nie losgelöst von

anderen Menschen statt. Möchte man also wissen, wie sich Assoziationsnetze bilden,

muss die das Individuum umgebenden Gesellschaft mit in den Blick genommen

werden. Denn die Gesellschaft in der sich ein Mensch bewegt, trägt einen wesentlichen

Teil zum Herausbilden von Ordnungs- und Verhaltensmustern bei. Doch auch für die

Entstehung der menschlichen Persönlichkeit ist die jeweilige Gesellschaft, in der man

lebt, von essentieller Bedeutung. Aus diesem Grund wird in dem folgenden Kapitel

zunächst einmal auf das Phänomen der Musterbildung aus gesellschaftlicher Perspektive

eingegangenen. In diesem Kontext kann auch die Frage danach beantwortet werden, wie

subjektive Wahrnehmung und die Persönlichkeit eines Menschen entsteht.

61 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 33

4 Der soziale Konstruktivismus

Die gesellschaftliche Komponente bei der Ausbildung von Verhaltens- und

Denkmustern lässt sich mittels der Theorie des sozialen Konstruktivismus genauer

herleiten. Das ist wichtig für ein tieferes Verständnis darüber, warum Menschen

Widerstand gegenüber Veränderungsbestrebungen leisten. Denn wenn Ursachen für

Einstellungen und Verhaltensmuster bekannt sind, kann man sie entsprechend

bearbeiten. Attributionen, also Ursachenzuschreibungen werden auf der Grundlage

dieses Wissens verändert und ermöglichen einen effektiveren und somit auch

effizienteren Umgang mit Widerständen im Unternehmen.

Der soziale Konstruktivismus bildet eine wichtige theoretische Basis zur Erklärung von

sozialer Wirklichkeit und einzelnen sozialen Phänomenen. Er beschreibt, wie soziale

Phänomene von Menschen konstruiert werden und wie subjektive Wirklichkeiten und

Musterbildungen zu einem Handlungsmotor für den einzelnen Menschen werden. Um

dies erklären zu können, wird in dem folgenden Kapitel auf die Entstehung und

Bedeutung unserer Wirklichkeit der Alltagswelt und der Ausbildung unserer

Persönlichkeit mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeitskonstrukten auf der

Grundlage der konstruktivistischen Weltsicht eingegangen. Wichtig ist hierbei im Blick

zu behalten, dass es sich auch bei der menschlichen Gesellschaft und ihrer gesamten

Organisation um Resultate eines Selbstorganisationsprozesses handelt. Die

Ordnungsmuster des sozialen Verhaltens sind hierbei das Ergebnis menschlichen

Handelns, wobei das entstandene Ergebnis nicht vom Menschen geplant und gestaltet

wurde.62

Der Konstruktivismus ist auf die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Theorien

zurückzuführen und nimmt auf die unterschiedlichsten Wissenschaftsbereiche Einfluss.

Ebenen sind hier u.a. philosophischer, soziologischer, naturwissenschaftlicher und

psychologischer Natur. Ohne weiter auf die wissenschaftliche Herleitung des sozialen

Konstruktivismus einzugehen, werde ich mich bei meiner Darstellung hauptsächlich auf

die gesellschaftliche Konstruktion unserer Wirklichkeit der Alltagswelt konzentrieren.

Der soziale Konstruktivismus geht von der folgenden Grundannahme aus: „Was uns

selbstverständlich und naturgegeben erscheint, ist konstruiert und beruht auf sozialen

Konventionen“63. Menschliche Verhaltensweisen, Meinungen und Gefühle können also

62 Malik, F. (1993): 223 63 Steins, G. (2003): 53

als sozial vereinbarte Konstruktionen verstanden werden, die keinen absoluten

Wahrheitsanspruch haben, sondern je nach gesellschaftlicher Umgebung unterschiedlich

wahrgenommen werden können.64 Sie sind innerhalb einer Gesellschaft konstruiert

worden, werden von uns übernommen und bestimmen dadurch nicht nur unsere

Wahrnehmung, sondern gleichzeitig unser Handeln.

4.1 Die Grundannahmen des sozialen Konstruktivismus

Grundsätzlich gehen wir meist davon aus, dass wir in der Lage sind, die Welt um uns zu

sehen, wie sie ist. Wir glauben, dass wir uns ein bestimmtes Wissen sowie

Lebenserfahrung angeeignet haben, die uns eine objektive Basis bietet, auf deren

Grundlage wir unsere Meinung bilden. Ebenfalls sind wir davon überzeugt, dass wir in

der Lage sind, die Welt um uns herum zu erfassen und objektiv wissenschaftlich zu

erklären, wenn wir uns nur genug Mühe geben, das Gegebene wissenschaftlich zu

erforschen und zu untersuchen. Der soziale Konstruktivismus geht hier allerdings von

einer gänzlich anderen Annahme aus. Er besagt, dass es keine Wahrheit gibt, die wir in

der Lage wären herauszufinden, sondern wir im Gegenteil diejenigen sind, die die Welt

auf der Grundlage unserer subjektiven Wahrnehmungen zu dem machen, was sie ist, sie

also konstruieren.

Gergen beschreibt den sozialen Konstruktivismus als aus vier Grundannahmen

bestehend. Diese werden im Folgenden kurz beschrieben:

� Die Begriffe, mit denen wir die Welt und uns selber verstehen, ergeben sich nicht zwangsläufig aus

„dem, was ist“.

Das bedeutet, dass die von uns genutzte Sprache keine objektive Welt erschaffen kann.

All die Begriffe und Darstellungsformen, die wir in unserem Handeln verwenden,

können keine Objektivität beanspruchen, da sie von den Menschen im Laufe der Zeit

konstruiert wurden. Die dadurch resultierende Konsequenz ist, dass alles, was wir an

Tatsachen benennen, die unsere Welt darstellen, auch anders sein könnte. Der Mensch

ist also dazu in der Lage Worten wie Liebe, Nation, Religion, Intelligenz etc. eine völlig

andere Bedeutung zuzuschreiben und hat somit die Freiheit, nicht an eine bestimmte

Art des Verstehens gebunden zu sein.

64 Steins, G. (2003): 58 f.

� Wie wir beschreiben, erklären und darstellen, leitet sich aus Beziehungen ab.

Das bedeutet, dass nichts von dem, was wir als Sprache, Symboliken oder andere

Darstellungen kennen, auf der Grundlage eines einzelnen Individuums Sinn und

Bedeutung erlangen kann. Sinn und Bedeutung kann nur dann erschaffen werden, wenn

Menschen in Interaktion miteinander treten und durch Gespräche oder Diskussionen

die Bedeutung vereinbaren. Die Sprache an sich wird erst dadurch sinnvoll, dass eine

Gruppe von Menschen ihre Symbolik versteht und sie anwenden kann, dafür jedoch

bildet die Interaktion eine notwendige Basis.

� So, wie wir beschreiben, erklären oder anderweitig darstellen, so gestalten wir unserer Zukunft.

Die von uns verwendete Sprache mit ihren sozial vereinbarten Bedeutungen, beeinflusst

jedoch ebenfalls das gesamte Verhalten innerhalb einer Gesellschaft. Sie ist die

Grundlage für die Herausbildung von Ritualen oder Traditionen, die wiederum

Bestandteile von bestehenden Institutionen und Organisationen sind. Denn ohne die

Sprache als die von Menschen geteilte Beschreibungs- und Erklärungsform „hätten

diese Institutionen nicht ihre gegenwärtige Form“65. Unsere gesamte Gesellschaft ist

„auf einen kontinuierliche Prozess der gemeinsamen Herstellung von Sinn und

Bedeutung angewiesen“66, da ohne ihn sämtliche Institutionen zusammenbrechen

würden. Gibt es keine für alle gültigen Bedeutungszuschreibungen und Sinnstrukturen,

kann eine Gesellschaft nicht existieren. Der Konstruktivismus allerdings kann dazu

ermuntern, die althergebrachten Bedeutungszuschreibungen kritisch zu hinterfragen und

umzudeuten. Das wiederum heißt, dass der Mensch dazu in der Lage ist, seine Zukunft

umzugestalten - denn nichts von dem so wie es ist, ist richtig und wahr und somit ist es

veränderbar.

� Das Nachdenken über unsere Formen des Verstehens ist für unser zukünftiges Wohlergehen von

entscheidender Bedeutung.

Der Konstruktivismus beschreibt die Wirklichkeit als etwas nicht statisches und somit

veränderbares, je nach Sichtweise, aus der man sie betrachten möchte. Somit ist es

wichtig, die Bedeutungen, die den unterschiedlichen Traditionen zugeschrieben werden

immer wieder zu reflektieren und zu hinterfragen. Denn jede gelebte Tradition

verhindert auch immer das Vorhandensein einer anderen - gleichzeitig führt eine jede

Neuerung zum Verschwinden einer Tradition. Ebenfalls stellt die konstruktivistische

65 Gergen, K. J. (2002): 68 66 Gergen, K. J. (2002): 68

Sichtweise die allgemein übliche Praxis der wissenschaftlichen Beweisführung in Frage,

da der Konstruktivismus beinhaltet, dass sich jede Tradition, und natürlich auch jede

Wissenschaft immer auf der Ebene von einer bereits gesellschaftlich konstruierten

Wirklichkeit bewegt und somit keine objektive Wahrheit für sich beanspruchen kann.

Was wahr und gut ist steht also immer auch im Kontext eines gesellschaftlichen

Zusammenhangs.67

4.2 Die Wirklichkeit unserer Alltagswelt

Beschäftigt man sich mit dem sozialen Konstruktivismus kann es schnell passieren, dass

man in den Glauben gerät, es gäbe keine Wahrheit, keine Wirklichkeit auf dieser Welt.

Doch diese Annahme ist so nicht richtig. Der Konstruktivismus besagt lediglich, dass es

keine allgemeingültige und objektive Wahrheit und Wirklichkeit gibt. Wahrheit und

Wirklichkeit existiert durchaus, allerdings immer eingegrenzt in die Regeln und

Konstrukte einer bestimmten, abgegrenzten Gesellschaft, die eben ihre eigenen,

gemeinsamen Bedeutungszuschreibungen kreiert hat, auf deren Fundamenten sie

besteht.68 Doch wie entsteht die Wirklichkeit unserer Alltagswelt, in der wir uns

tagtäglich bewegen und welche Bedeutung hat sie für unser Handeln?

Die Alltagswelt, in der wir leben und handeln „breitet sich vor uns aus als Wirklichkeit,

die von Menschen begriffen und gedeutet wird und ihnen subjektiv sinnhaft

erscheint“69. Diese Wirklichkeit der Alltagswelt kann gegenüber jeder anderen

Wirklichkeit als für uns oberste Wirklichkeit bezeichnet werden. Sie beschreibt unsere

konkrete Lebenswelt, die in Schule, Uni, mit Freunden, in der Partnerschaft, im Beruf

für uns täglich greifbar ist und an der wir uns mit unserem Denken und Handeln

orientieren. Wir erleben diese Wirklichkeit der Alltagswelt als selbstverständlich und

normal und erfahren sie als auf einer bestimmten Ordnung basierend. Diese Ordnung

scheint für jeden einzelnen von uns eine objektive Ordnung zu sein, da es sich hierbei

um eine bereits angelegte Ordnung handelt, die lange vor unserer eigenen Existenz

entstanden ist. Sie gibt der Gesellschaft in der wir leben einen strukturellen Rahmen, in

dem wir uns bewegen können. Die Sprache, die Institutionen, die Strukturen, die

Objekte, die Traditionen, die Rollen, die wir innerhalb unseres alltäglichen Handelns

67 Gergen, K. J. (2002): 66 ff. 68 Gergen, K. J. (2002): 50 f. 69 Berger. P. L.; Luckmann, T. (2004): 21

verwenden, besitzen die durch die Gesellschaft unterschiedlichsten

Bedeutungszuschreibungen und erfüllen dadurch einen für uns klar erkennbaren Sinn.

Das einzelne Individuum unterteilt diese Wirklichkeit der Alltagswelt noch einmal in

unterschiedliche Zonen, die für es verschiedene Bedeutungen einnehmen. Es gibt zum

einen Zonen, die für die Einzelne in ihrem täglichen Erleben von großer Bedeutung

sind, da sie in einem ständigen Kontakt mit ihr steht. Ist jemand beispielsweise

Marketing Director in der Automobilindustrie, sind das für ihn das Design von

Fahrzeugen oder das Verhältnis zwischen Kosten und Erreichbarkeit potenzieller

Kunden durch verschiedene Werbekampagnen. Dies ist dann ein Wissen, das notwendig

zur Bewältigung der Alltagswelt ist. Neben dem notwendigem Wissen gibt es noch

persönliche Interessen der einzelnen Menschen - ist jemand begeistertere

Rennradsportler, sind für ihn vielleicht unterschiedliche Fahrtechniken und die Tour de

France von Bedeutung. Jenseits dieser Zonen, die sich im engeren Handlungsumfeld

einer Person befinden, ist das Interesse meist weniger intensiv.

Ein anderer wichtiger Bereich der Alltagswelt ist der intersubjektive Bereich derselben.

Man weiß, dass die eigene Wahrnehmung der Alltagswirklichkeit der Wahrnehmung von

anderen Menschen entspricht. Diese gemeinsame Auffassung von Wirklichkeit wird

zwar von verschiedenen Menschen aus vielleicht unterschiedlichen Perspektiven

gesehen, ist jedoch letztlich eine aus der Interaktion entwickelte gemeinsame

Lebenswirklichkeit. Die Wirklichkeit der Alltagswelt wird von der Allgemeinheit

hingenommen und als etwas Selbstverständliches angesehen, das nicht weiter auf seinen

Wahrheitsgehalt hin untersucht werden muss. Sie ist jeden Zweifels erhaben, da durch

ein Anzweifeln ihrer, die gesamte Routinewelt eines Menschen, einer ganzen

Gesellschaft zusammenbricht. Ist man jedoch gezwungen, sich mit Problematiken

auseinander zusetzen, die nicht mehr den Bereich der Alltagswirklichkeit fallen und sich

nicht durch diese erklären lassen, ist man gezwungen, die Grenzen der

Alltagswirklichkeit hin zu einer gänzlich anderen Wirklichkeit zu überschreiten.70

Wie bereits erwähnt, beruht unser gemeinsames Erleben unserer Alltagswelt auf der

Interaktion mit anderen. Die intensivste Interaktion besteht hier aus der direkten

Interaktion zweier, oder mehrerer Individuen von Angesicht zu Angesicht. In der

Interaktion findet ein ständiger Austausch von vereinbarten Symboliken und

Handlungsschablonen statt. Man hat beispielsweise von klein auf gelernt, welche Mimik,

Gestik und Sprache man verwenden muss, wenn sich einem jemand gegenüber als das

verhält, was man in der eigenen Gesellschaft als unhöflich bezeichnet, wie ich mich als

Angestellter meinem Chef gegenüber verhalte, oder wie ich mit einer Person umgehe,

die ich liebe. Um den Umgang miteinander zu vereinfachen haben sich Typisierungen

herausgebildet, wie der typische Deutsche, die typische Frau, der typische Manager. Man

interagiert auf der Basis dieser Typisierungen mit anderen, die natürlich ebenfalls auf der

Basis von Typisierungen mit einem selber interagieren. Dieses Schauspiel funktioniert

natürlich nur so lange, wie es allgemeingültige Typisierungen gibt und mein Gegenüber

sich so verhält, wie ich es von ihm erwarte bzw. umgekehrt.71

Um jedoch den Kontakt mit anderen herstellen zu können und Typisierungen oder

Schablonen zu erarbeiten, benötigt der Mensch eine grundlegende Eigenschaft. Er

muss, um diese Dinge entstehen lassen zu können den Inhalt seines Geistes mit anderen

Menschen teilen, sprich kommunizieren, denn erst so ist er in der Lage sich seine

Alltagswelt zu erschaffen. Und das tut er mittels eines Zeichensystems, wobei die

Sprache als vokales Zeichensystem das wichtigste darstellt. Die Interaktion und

Kommunikation mit anderen Menschen ermöglicht es, sich auf Bedeutungen von

unterschiedlichsten Dingen zu einigen, denn erst durch diese von mehreren Menschen

getroffene Vereinbarung kann eine Bedeutung entstehen. Die Sprache erlaubt es uns,

nicht nur die Dinge aus einer gegenwärtigen Situation, sondern ebenfalls aus der

Zukunft oder Vergangenheit und jeder fiktiv gedachten Situation auszudrücken. Mittels

Sprache kann man sich in räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Dimensionen

bewegen und Übergänge zwischen den unterschiedlichen Zonen der Alltagswelt

schaffen. Mittels der Interaktion mit anderen Menschen kann man nicht nur Kategorien

und Typisierungen entwickeln, sondern ebenfalls ganze Symbolsysteme erschaffen, wie

sie beispielsweise in der Kunst oder Religion zu finden sind.72

4.3 Die Bedeutung der Wirklichkeit unserer Alltagswelt im Arbeitsleben

Doch was bedeutet die Wirklichkeit unserer Alltagswelt nun für unser Arbeitsleben und

welchen Stellenwert nimmt sie für das Fühlen und Erleben in Zeiten des Wandels ein?

Menschen benötigen sie, um die Komplexität der Welt um sich herum zu reduzieren

und dadurch handlungsfähig zu bleiben. Es werden Verhaltens- und Handlungsmuster

70 Berger. P. L.; Luckmann, T. (2004): 21 ff. 71 Berger. P. L.; Luckmann, T. (2004): 31 ff. 72 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 36 ff.

in Form von Assoziationsnetzen gebildet, die automatisiert ablaufen und uns dadurch

helfen, unserem Leben eine sinnhafte Struktur zu geben, die man nicht weiter

hinterfragen muss.

Der Umstand, dass wir morgens immer zur selben Zeit aufstehen, um an den selben Ort

zu fahren (Arbeit), wo wir immer auf dieselben Menschen treffen, mit denen wir

gemeinsam bestimmte Produkte herstellen, gehört beispielsweise dazu. Ebenfalls

selbstverständlich ist es für uns, dass wir an diesem Ort die Post im Sekretariat abgeben,

die Abrechnungen der Kollege A macht, Kollege B wiederum ein guter

Ansprechpartner bei rechtlichen Problemen ist und es eine Person auf der Arbeit gibt,

die mehr zu sagen hat, als andere (Chef) und die man bei genau festgelegten

Fragestellungen mit einbeziehen muss. Wir haben klare Aufgaben, die wir in einem

bestimmten Zeitrahmen zu erledigen haben, eine feste Stundenzahl, die wir pro Woche

im Betrieb bleiben müssen, meistens eine von allen mit Murren akzeptierte Anzahl von

Überstunden, die als normal gelten, festgelegte Riten von Kaffee- oder Raucherpausen

und ein „Ding mit vier Beinen“ (Tisch), den wir als unseren Arbeitsplatz benennen und

an dem kein anderer außer uns sitzen darf, ausgestattet mit einem Rechner an dem wir

schreiben, wobei wir bei letzterem nicht wissen, wie die Buchstaben eigentlich auf den

Bildschirm kommen, jedoch mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass sie

es tun. Das ist die Bühne, die wir als unsere Wirklichkeit wahrnehmen und auf der wir

uns mit einer großen Selbstverständigkeit bewegen.

Gleiches gilt auch für die Interaktionsformen, die wir in unserer Alltagswelt erwarten

und benutzen. Mit zunehmender Vertrautheit haben wir Typisierungen herausgebildet,

die die Interaktionen mit anderen Menschen wie Arbeitskollegen bestimmen. Den Chef

spricht man nach zehn Dienstjahren immer noch mit „Sie“ an und man weiß genau,

dass er bei Unpünktlichkeit einen cholerischen Anfall bekommt, somit versucht man,

diese zu vermeiden. Bei Kollegen A ist man am besten vorsichtig, wenn er im Stress ist,

denn dann reagiert er immer unfreundlich, mit dem Kollegen B kann man sich herrlich

gegenseitig necken und die Sekretärin beschwert sich immer lang und breit über zu viel

Arbeit, wenn man sie um etwas bittet, führt dann aber letztlich doch jeden Wunsch aus.

Diese Alltagswelt, in der wir uns bewegen, wird in der Regel als unproblematisch erlebt,

zumindest solange, wie die Konstruktion dieser Wirklichkeit funktioniert. Ebenfalls

bietet sie uns Sicherheit und Struktur und daneben haben wir noch viel Zeit und

Energie darin investiert, uns mit Arbeitstätigkeiten, Rollen und Kollegen zu

arrangieren.73 Die Alltagswelt wird also als wirklich hingenommen, sie ist einfach da und

eine zusätzliche Verifizierung ist nicht weiter nötig. Man weiß, dass sie wirklich ist und

obgleich man in der Lage wäre, dies in Frage zu stellen, werden etwaige Zweifel meist

schnell abgewehrt, um weiter in der Routinewelt existieren zu können.74 „Diese

Ausschaltung des Zweifels ist so zweifelsfrei, dass ich, wenn ich den Zweifel einmal

brauche (...), eine echte Grenze überschreiten muss.“75

Unser Erleben der Alltagswirklichkeit ist so konstruiert, dass sie in einem Automatismus

abläuft und somit als unproblematisch und unkompliziert erlebt wird. In dem

alltäglichem Handeln macht man sich im Regelfall keine Gedanke über Alternativen zu

diesem Automatismus. Befindet man sich jedoch plötzlich in einer Grenzsituation, also

in einer Situation, wo die Alltagswirklichkeit nicht mehr als logischer

Erklärungshintergrund nutzbar ist, wird die alltägliche Routine um uns gestört.

Beispielsweise, wenn keine Buchstaben auf unserem Rechnerbildschirm erscheinen oder

jemand morgens an unserem Arbeitsplatz sitzt. Dann erst nehmen wir überhaupt wahr,

dass die von uns als Wirklichkeit wahrgenommene Alltagswelt konstruiert ist.76

Es kann sogar auch passieren, dass unsere Konstruktion der Alltagswelt weit mehr als

nur gestört wird. Sie kann ernsthaft gefährdet erscheinen (man weiß nicht, ob man

vielleicht aus seinem Job entlassen wird) oder sogar zusammenbrechen (man wird

tatsächlich aus seinem Job entlassen). Dies wiederum gefährdet unsere Wirklichkeit der

Alltagswelt und führt zu Störungen, da man sich mit unerwarteten Rahmenbedingungen

konfrontiert sieht, für deren neue Bedingungen die eigenen Handlungsentwürfe nicht

geeignet sind. Also erst wenn plötzlich routiniertes Verhalten unterbrochen wird, und

man wieder gezwungen ist, die eigene Alltagswirklichkeit in Frage zu stellen, wird sie in

der Interaktion mit anderen Wirklichkeiten überarbeitet und neu konstruiert.77 Im Sinne

der Chaostheorie könnte man auch sagen, das System muss sich erst in einem instabilen

Zustand befinden, um von diesem Zustand des Chaos in einen neuen Ordnungszustand

übergehen zu können.

Das heißt, Veränderungen bedrohen auch immer die Wirklichkeit unserer Alltagswelt,

denn plötzlich funktionieren lang antrainierte und routinierte Muster und

Verhaltensweisen nicht mehr und man steht einer Komplexität gegenüber, mit der man

73 Steins, G. (2003): 58 f. 74 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 26 75 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 26 76 Steins, G. (2003): 58

zunächst nicht umzugehen weiß. Dies gilt natürlich auch für Veränderungsprozesse in

einer Organisation. Mitarbeiter haben liebgewonnene Gewohnheiten entwickelt und

sich einen vertrauten Rahmen geschaffen, der einem sicher hilft sich zu verhalten.

Umstrukturierungsprozesse jedoch bedeuten, dass neue Rahmenbedingungen

geschaffen werden. Man fusioniert mit einer anderen Firma, es werden Abteilungen

zusammengelegt, Aufgabenbereiche verändert und neu verteilt, es werden Stellen

abgebaut und Mitarbeiter versetzt. Dies führt dazu, dass Handlungsentwürfe nicht mehr

funktionieren, vertraute Haltegriffe und Orientierungspunkte entzogen und gewohnte

Reaktions- und Verhaltensmuster überdacht und überarbeitet werden müssen. Und das

führt zunächst zu einer Gefühlreaktion: Angst und Unsicherheit. Diese Gefühle

wiederum bewirken, dass zunächst einmal versucht wird, am bereits Bekannten und

Gewohnten festzuhalten und dadurch Veränderungen nicht mitzutragen, also

Widerstand zu leisten.78

Dass Beharrungstendenzen bei anstehenden Veränderungen auftreten, liegt also in der

Natur der Sache und begründet sich damit, dass einzelne Mitarbeiter sowie das

übergeordnete Sozialsystem der für Systeme üblichen Tendenz zur Stabilität folgen.79

Das heißt, für viele Menschen sind Veränderungen zunächst mit eher negativen

Gefühlen verbunden. Doch Menschen sind verschieden und so gibt es bestimmte

Aspekte der menschlichen Persönlichkeit, die es einem Menschen ermöglichen sich

besser, oder eben auch schlechter auf Veränderungen einzustellen. Das heißt mehr oder

weniger negative Gefühle hinsichtlich Veränderungen zu entwickeln. Darauf, wie die

menschliche Persönlichkeit entsteht und wie sich Aspekte der menschlichen

Persönlichkeit auf Veränderungen auswirken, soll nun im Folgenden weiter eingegangen

werden.

4.4 Die menschlichen Persönlichkeit und ihr Einfluss auf den Umgang mit

Veränderungen

Warum sind Menschen unterschiedlich in ihren Fähigkeiten, ihre gewohnten Muster zu

verlassen und warum ist es für manche leichter, sich auf Veränderungen einzustellen als

für andere? Es scheint einzigartige und individuelle Muster von Eigenschaften eines

Menschen zu geben, die dessen Wahrnehmung und somit auch sein Verhalten

77 Steins, G. (2003): 58 f. 78 Doppler, K; Fuhrmann, H. (2002): 126 ff. 79 Kruse, P. (2004): 60

bestimmen. Um sich auf betriebliche Umstrukturierungsprozesse einstellen zu können,

haben beispielsweise besonders die Menschen Vorteile, für die der Verzicht auf

Klarheit, Eindeutigkeit und Vorhersehbarkeit nicht als psychischer Stress

wahrgenommen wird, sondern als Möglichkeit der Weiterentwicklung, Verbesserung

und Befreiung von Abhängigkeiten und falschen Sicherheiten.80 Denn in Situationen der

Veränderung sind Dinge in ihrer Bedeutung oft unscharf, mehrere Aspekte und

Perspektiven spielen eine Rolle und sind nicht hundertprozentig planbar in ihrer

Auswirkung.

Es gibt unterschiedliche psychologische Ansätze, die sich mit der Entstehung

menschlicher Persönlichkeit beschäftigen und jeweils verschiedene Blickwinkel

einnehmen. Grundsätzlich ist bei der Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen

zwischen zwei Dingen zu unterscheiden. Den biologischen Voraussetzungen, also den

Anlagen, die durch unsere Gene beeinflusst werden und dem Bereich der

Persönlichkeit, der trotz identischer genetischer Veranlagungen von Mensch zu Mensch

verschieden ist. Persönlichkeit wird auch durch den Austausch mit der Umwelt

erzeugt.81 Das bedeutet, dass sie als Bedingung für ihre Entwicklung auch immer die

„Bedingungen der konkreten Gesellschaft mit den ihr eigenen Wesenszügen“82 benötigt.

Um individuelle Unterschiede in der Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu erklären,

bietet sich ebenfalls der soziale Konstruktivismus als eine Herleitung an.

4.4.1 Die Entstehung der menschlichen Persönlichkeit aus konstruktivistischer

Perspektive

Um an den vorangegangenen Abschnitt über die Entstehung der Wirklichkeit unserer

Alltagswelt anzuknüpfen, kann man sagen, dass Sprache nicht nur Typisierungen,

Kategorien und Symbolsysteme schafft, sondern ebenfalls ein entscheidender Faktor für

die Entwicklung der Persönlichkeit ist. Denn die Persönlichkeit eines Menschen kann

sich immer nur in der Interaktion zwischen dem Individuum und der Gesellschaft

entwickeln. Das individuelle Bewusstsein ist immer gesellschaftlich determiniert -

gleichzeitig kann eine Gesellschaft nur dann existieren, wenn es Individuen gibt, die sich

ihrer bewusst sind. Ein Individuum kann sich also niemals seiner Selbst bewusst werden

80 Doppler, K; Fuhrmann, H. (2002): 126 ff. 81 Simon, W. [Hrsg.] (2006): 9 ff. 82 Simon, W. [Hrsg.] (2006): 11

und somit eine Identität ausbilden, wenn es sich nicht im Kontakt zu anderen erfährt.83

Begrifflichkeiten wie „Eigenes“ und „Anderes“ würden also ohne einander nicht

existieren, denn „ohne das Andere ist das Eigene nicht erkennbar“84. Die bewusste

Kommunikation eines Individuums entwickelt sich also aus der unbewussten

Kommunikation innerhalb eines gesellschaftlichen Prozesses. Gleiches gilt für die

Entwicklung von Symbolen wie Sprache und Regelsystemen – auch hier werden

unbewusst verwendete Symbole zu bewussten mittels gesellschaftlicher Interaktion.

Denn unser Handeln löst eine bestimmte Reaktion bei unserem Gegenüber aus, dessen

Reaktion wiederum Auswirkungen auf unser eigenes Handeln hat, welches nun

aufgrund der Reaktion unseres Gegenübers abgewandelt wird.85

Die menschliche Persönlichkeit wird während der Sozialisation des Menschen

entwickelt. Die Sozialisation beginnt zunächst in der Form von Kontakten des Kindes

zu sogenannten signifikanten Anderen, also Personen, zu denen wir einen konkreten

Bezug herstellen können, wie den Eltern, den Großeltern oder später dem Erzieher oder

Lehrer. Welche Inhalte genau im Rahmen der Sozialisation erlernt werden, ist wiederum

abhängig davon, in welcher Gesellschaft wir geboren werden. Denn die von den Eltern

gelebte Wirklichkeit wird von dem Kind als gegeben und objektive Wirklichkeit

wahrgenommen und auf deren Basis konstruiert es die eigene Wirklichkeit der

Alltagswelt.86 Die sogenannte Wirklichkeit der Alltagswelt ist also für die Konstruktion

der Persönlichkeit von entscheidender Bedeutung.87 Zum einen lernt das Kind von

seinen Eltern oder anderen Bezugspersonen, wie „man sich benimmt“ - dass man

beispielsweise bestimmte Dinge nicht in den Mund nimmt, sich beim Niesen die Hand

vor den Mund hält und dass man mit Messer und Gabel zu essen hat.88

Zum anderen werden auch Emotionen und Rollen in dieser Zeit gelernt. Das heißt,

auch die menschlichen Emotionen werden quasi als Produkte aus sozialen Prozessen

hervorgebracht und sind somit ein Konstrukt der menschlichen Vorstellung. Es gibt,

ähnlich wie bei der Sprache, unterschiedliche „Emotionsmuster“, die sich aus sozialen

Praktiken ableiten und dadurch in Form eines Interpretationsschemata Bedeutung für

die einzelnen Menschen erlangen. Emotionen werden von uns im Rahmen des

83 Mead, G. H. (1998): 177, 183 84 Leifeld, U. (2002): 61 85 Mead, G.H. (1998): 222 86 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 145 87 Steins, G. (2003): 58 88 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 62 f.

Sozialisationsprozesses „in Form emotionaler Perspektiven, Verhaltensweisen oder

Identifikationen erworben und entwickelt“89.90 Hierzu gehört beispielsweise wann man

wütend wird und wie man seine Wut zum Ausdruck bringt, ob man sich bei Trauer eher

zurückzieht, oder Kontakt zu anderen Menschen sucht und eben auch, ob man

Veränderungen neugierig und aufgeschlossen gegenüber steht, oder ihnen mit Angst

und Unsicherheit begegnet. Für das emotionale Erleben des Einzelnen sind also immer

auch die sozialisierten Wahrnehmungen und Beurteilungen von Bedeutung.91 Man kann

sagen, dass sich das soziale Fundament einer Emotion in Form von Schemata und

Rollen äußert.92

Diese - zunächst in Beziehung zu den signifikanten Anderen erlernten -

Bedeutungszusammenhänge werden nach und nach ebenfalls in Beziehung zu den

unterschiedlichsten gesellschaftlichen Sinnzusammenhängen gesetzt, es werden also die

von den konkreten Bezugspersonen vermittelten Regeln generalisiert. Das heißt man

lernt im Laufe der Sozialisation die „objektive“ Wahrheit der Gesellschaft, in der man

lebt, und internalisiert sie letztlich als seine subjektive Wirklichkeit – übernimmt also

eine Welt in der Andere schon leben.

Die Entwicklung von Persönlichkeit kann allerdings nie als ein abgeschlossener Prozess

bezeichnet werden. Jedoch wird in den jungen Jahren der Grundstein für die Identität

einer Person gelegt und die in dieser Zeit entwickelte Identität „ist und bleibt die

„heimatliche Welt“, die wir noch in fernste Regionen des Lebens, wo wir keineswegs

heimisch sind, mit uns nehmen“93. Auch wenn der Sozialisationsprozess eines

Menschen nie abgeschlossen ist, da unsere verinnerlichte subjektive Wirklichkeit immer

„durch gesellschaftliche Beziehungen bewahrt, verändert oder sogar neu geformt“94

werden kann, wurde zu Beginn des Lebens die Grundlage gelegt, auf der man im

folgenden Leben aufbaut und die schwer veränderbar ist. Der Mensch konstruiert seine

Identität also vor dem Hintergrund seiner Lebenserfahrungen, die sich dann als Abbild

der Realität im Gehirn niederschlägt und auf deren Grundlage er handelt.

Auf der Basis von unterschiedlichsten Forschungen wurden im Laufe der Zeit mehr und

mehr Konzepte entwickelt, die bestimmte Persönlichkeitseigenschaften von Menschen

89 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 64 90 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 64 91 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 64 92 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 61 93 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 146 94 Berger, P. L.; Luckmann, T. (2004): 185

kategorisieren, also menschliches Verhalten erklären und Persönlichkeitseigenschaften

von Menschen in mentalen Schemata zusammenfassen. Diese Konzepte werden als

Persönlichkeitsmodelle oder als Persönlichkeitskonstrukte bezeichnet. Sie beschreiben

eine mentale Struktur von Individuen, die es dem einzelnen Menschen ermöglicht,

Informationen aus seiner Umgebung zu simplifizieren, wirksam zu bewältigen sowie

ihnen Sinn zu verleihen und Erkenntnisvermögen und Interpretationen von Ereignissen

und ihren Hintergründen zu verstehen und zu lenken.95 Da Menschen sich entweder

besser oder eben schlechter auf Veränderungen einstellen können, kann man vermuten,

dass die Persönlichkeit eines Menschen einen Einfluss auf sein Verhalten in einem

Veränderungsprozess hat. Es muss also bestimmte Aspekte der menschlichen

Persönlichkeit, sprich Persönlichkeitskonstrukte geben, die sich nachweislich auf das

Verhalten von Menschen in Veränderungssituationen auswirken.

4.4.2 Persönlichkeitskonstrukte und ihr Einfluss auf die

Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitern

Wie bereits im Kapitel über das menschliche Gehirn dargestellt wurde, ist der Mensch

dazu in der Lage, aufgrund einzelner Hinweisreize ein gesamtes Assoziationsnetzwerk

zu aktivieren. Man kann hier von einer Form eines Automatismus sprechen.

Beispielsweise konnte in verschiedensten Untersuchungen nachgewiesen werden, dass

Einstellung und soziale Wahrnehmung ohne eine bewusste Intention des Individuums

entsteht. Die Einstellung eines Menschen wird schon durch die reine Präsenz des

Einstellungsobjektes automatisch aktiviert und übt dann ihren Einfluss auf Gedanken,

Emotionen und Verhalten aus. Das bedeutet, dass der erste Verhaltensschritt eines

Menschen unbewusst auf der Basis von bestehenden Mustern verläuft und zunächst

nicht vom Individuum zu steuern ist. Diese vorbewussten Einflüsse spielen eine noch

stärkere Rolle im Verhalten, solange sich die handelnde Person nicht über bestehende,

das Verhalten steuernde Muster bewusst ist, da sie somit auch nicht korrigiert werden

können. Erst wenn Persönlichkeitsmuster und das dadurch resultierende Verhalten

bewusst werden, kann auch das Verhalten vom Menschen bewusster gesteuert werden.96

Das heisst, hat ein Mensch also ein bestimmtes Assoziationsnetz erst einmal gelernt,

wird er in der Regel auch danach denken, fühlen und handeln. Es haben sich in den

letzten Jahrezehnten viele Forschungsvorhaben mit der Entwicklung von Skalen

95 Lau, C.-M.; Woodman, R. W. (1995): 538

bezogen auf psychologische Reaktionen von Individuen beschäftigt. Hierzu gehören

ebenfalls Skalen, die menschliche Einstellung und menschliches Verhalten in Bezug auf

Veränderungen erfassen. Hierzu gehören beispielsweise die von Oreg entwickelte Skala

„Resistance to Change“97, die von Wanberg und Banas entwickelte Skala „Openess to

Change“98 oder die von Ashford entwickelte Skala„ Coping with Change“99. Ebenfalls

gibt es Skalen, die die Bereitschaft einer gesamten Organisation hinsichtlich

organisationaler Veränderung auf unterschiedlichsten Ebenen erfassen. Beispielhaft zu

nennen ist die von Holt und Armenakis entwickelte Skala „Readiness for Organizational

Change“100.

Ebenfalls sind die verschiedenen Persönlichkeitskonstrukte der Menschen, also quasi

deren erlernten Assoziationsnetze, immer mehr erforscht worden. So gibt es bereits

unterschiedliche Persönlichkeitskonstrukte, die mit der Einstellung und dem Verhalten

von Menschen zu Zeiten von Veränderung in Zusammenhang gebracht werden. Man

kann also quasi von einem psychischen Konstrukt sprechen, dessen innewohnende

Dynamik bestimmte Verhaltensweisen zu Zeiten von Veränderung situativ unterstützt

und wiederum andere Verhaltensweisen unterdrückt.101 Es können im Rahmen dieser

Arbeit nicht alle dieser Persönlichkeitskonstrukte dargestellt werden. Um jedoch das

Verständnis für den Leser zu verbessern und ihm die Möglichkeit zu geben eine

Vorstellung davon zu bekommen, wie solche Persönlichkeitskonstrukte aussehen

können, werden im Folgenden beispielhaft drei dieser Persönlichkeitskonstrukte

skizziert (Kontrollüberzeugung, Ambiguitätstoleranz, Offenheit für Erfahrungen), die

in einer nachweislichen Beziehung zur organisationaler Veränderung stehen.

4.4.2.1 Kontrollüberzeugung

Das Persönlichkeitskonstrukt “Kontrollüberzeugung” wurde 1966 von Rotter

entwickelt und beschreibt den Grad des Glaubens eines Menschen darüber, in wie weit

er sein Leben und seine Umwelt selber kontrollieren kann. Unterschieden wird zwischen

der internalen Kontrollüberzeugung und der externalen Kontrollüberzeugung eines

Menschen. Personen mit einer eher internalen Kontrollüberzeugung glauben, dass sie

96 Bargh, J. A.; Chen, M.; Burrows, L. (1996): 230 ff. 97 Oreg, S. (2003): 680 ff. 98 Wanberg, C. R.; Banas, J. T. (2000): 132 ff. 99 Ashford, S. J. (1988): 19 ff 100 Holt, D. T.; Armenakis, A. A. [u.a] (2007): 232 ff. 101 Krohn, W.; Küppers, G. [Hrsg.] (1992): 147

selber einen großen Einfluss auf ihre Umwelt und ihren persönlichen Erfolg haben.

Menschen mit einer eher externalen Kontrollüberzeugung sehen ihr Leben durch

externe Faktoren gesteuert, wie beispielsweise durch machtvolle andere Menschen oder

eine Chance, die sich ergibt. Sie glauben daran, dass sie selber nur wenig Einfluss auf die

Entwicklungen in ihrem Leben nehmen können.102

4.4.2.2 Ambiguitätstoleranz

Die von Reis 1997 entwickelte Skala Ambiguitätstoleranz untersucht die Fähigkeit eines

Menschen, Urteile in der Schwebe zu halten bzw. zu nuancieren, und sich, wenn ein

Sachverhalt mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt, nicht vorschnell im Sinne von

Vorurteilen festlegen zu müssen. Ambiguitätstoleranz bedeutet „die Tendenz

unstrukturierte, unvollständige, erwartungswidrige, in sich widersprüchliche oder

mehrdeutige Informationen als Bedrohung oder als Ursache psychischen Unwohlseins

wahrzunehmen“103. Unterschieden wird hier zwischen Menschen, die mehrdeutige

Situationen als wünschenswert wahrnehmen und teilweise sogar aktiv suchen und

solchen, für die Unklarheit als Bedrohung wahrgenommen wird.

4.4.2.3 Offenheit für neue Erfahrungen

Die von Costa und McCrae 1989 entwicklte Skala „Offenheit für neue Erfahrungen“

misst das Interesse von Personen an neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken

und gibt an, wie stark sie sich mit diesen auseinandersetzen. Differenziert werden kann

zwischen Menschen, die neue Erfahrungen als positiv bewerten, also Abwechslung

bevorzugen, wissbegierig sind sowie sich durch Kreativität und Phantasie auszeichnen.

Ebenfalls sind sie bereit, bestehende Normen kritisch zu hinterfragen, andere

Wertvorstellungen anzunehmen und neue Handlungsweisen zu erproben. Dem

gegenüber stehen Menschen, die eher zu konventionellem Verhalten neigen,

konservative Einstellungen besitzen und Bekanntes und Bewährtes Neuem vorziehen.104

102 Judge, T. A.; Thoresen, C. J. [u.a.] (1999): 108 103 Reis, J. (1997): 7 104 Borkenau, P.; Ostendorf, F. (1993): 28

4.4.3 Der individuelle Umgang mit Veränderungen

Es konnte in den vergangenen Kapiteln gezeigt werden, dass das menschliche Gehirn

auf der Basis von Musterbildungs- und Mustererkennungsprozessen arbeitet und dass

diese Musterbildungsprozesse gesellschaftlich determiniert sind. Ebenfalls wurde

dargestellt, wie sich die menschliche Persönlichkeit bildet und dass es bestimmte

Persönlichkeitskonstrukte gibt, die es einem Menschen ermöglichen, sich besser oder

eben schlechter auf Veränderungen einstellen zu können. Auf der Basis der

vorangegangenen Kapitel konnte also die Frage beantwortet werden, warum Widerstand

gegenüber Veränderungen im Individuum entstehen kann. Doch wozu das Ganze?

Welchen Einfluss kann denn ein einzelner Mitarbeiter mit seinen individuellen

Einstellungen auf die Entwicklung einer gesamten Organisation haben?

Forschung, die sich mit organisationaler Veränderung beschäftigt, richtet ihren

Blickwinkel meist vermehrt auf eine makro- und systemorientierte Perspektive. Es wird

allerdings von einigen Autoren kritisiert, „dass sich die meisten Studien zu

organisationalen Veränderungen mit organisationalen Faktoren beschäftigen, und den

individuellen Level des Prozesses vernachlässigt haben“105. Denn mit diesem

Blickwinkel wird die Möglichkeit außer Acht lassen, dass die einzelnen Menschen in

Veränderungsprozessen einen Einfluss auf den Verlauf von Veränderungsvorhaben

nehmen können.

Dass Menschen dies können, lässt sich allerdings durch Forschungsergebnisse belegen.

In verschiedenen Untersuchungen wird die Wichtigkeit des individuellen Verhaltens für

den Erfolg einer Veränderung unterstrichen, wie beispielsweise bei Orth und Porras &

Robertson.106 Ebenfalls lieferten die Ergebnisse einer Studie von Lines das Ergebnis,

dass es eine negative Korrelation zwischen Widerstand gegen Veränderungsprozessen

und der Zielerreichung einer Organisation gibt. Das heißt, je mehr Widerstand es

innerhalb des Unternehmens gibt, desto weniger werden die von der

Unternehmensführung geplanten Ziele erreicht.107

Lau und Woodmann haben auf der Basis von qualitativen und quantitativen Methoden

untersucht, ob sich die Reaktionen auf organisationelle Veränderungen auf die

individuellen Veränderungsschemata von Menschen zurückführen lassen. „When an

105 Maus, J. (2007): 5 106 Maus, J. (2007): 8 107 Lines, R. (2004): 207 ff.

organization is undergoing changes, its members have some interpretation of and

expectations about these changes. The cognitive understanding of changes is guided by

a mental map representing the knowledge structures of change attributes and

relationships among different change events.”108 Ergebnis dieser Untersuchung war,

dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Veränderungsschemata und den

individuellen Reaktionen auf Veränderungen gibt und diese Veränderungsschemata,

ebenfalls signifikant, durch die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst werden.109

Judge und Thoresen konnten in einer Studie nachweisen, dass sich die Persönlichkeit

eines Menschen und die dadurch resultierende Wahrnehmung von Veränderungen auf

das Verhalten von Managern in Veränderungssituationen auswirken. Untersucht wurde

der Einfluss von sieben verschieden Persönlichkeitskonzepten („locus of control“,

„openess to experience“, „tolerance for ambiguity“, „generalized self-efficacy“, „self-

esteem“, „positive affectivity“ and „risk aversion“) auf Reaktionen von Managern

bezüglich organisationaler Veränderung. Es konnte zwischen allen der auserwählten

sieben Persönlichkeitskonzepten und dem erfolgreichen Umgang mit Veränderungen

ein signifikanter Zusammenhang aufgedeckt werden.110

Die aufgeführten Untersuchungen sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was

es an Forschungen auf dem Gebiet des Veränderungsmanagements gibt. Sie scheinen

allerdings zu belegen, dass die einzelnen Mitarbeiter einer Organisation durch ihre

Unterstützung oder eben ihren Widerstand gegen das geplante Veränderungsvorhaben

einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Erfolg bzw. Misserfolg desselben leisten.

Ebenfalls wird gezeigt, dass ein nachweislicher Zusammenhang zwischen der

Persönlichkeit eines Menschen und seinem Umgang mit Veränderungen besteht. Das

bedeutet, dass der Erfolg oder nicht Erfolg von Veränderungsprozessen sich auch auf

die Persönlichkeit eines Menschen zurückführen lässt.

Auf der Basis der hier exemplarisch skizzierten Studien lässt sich also formulieren, dass

eine Möglichkeit zur Verbesserung des Erfolges von Veränderungsvorhaben im

Individuum zu suchen ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass für den Erfolg von

Veränderungen nicht ebenfalls auf der Makro-Ebene eines Unternehmens angesetzt

werden muss. Denn es ist natürlich einseitig und unzureichend, Widerstand nur aus der

individuellen Perspektive zu betrachten. Doch Veränderungen werden immer noch von

108 Lau, C.-M.; Woodman, R. W. (1995): 538 109 Lau, C.-M.; Woodman, R. W. (1995): 537 ff.

Mensch zu Mensch vollzogen und nur mit der Bereitschaft der Mitarbeiter lassen sich

Veränderungsvorhaben realisieren. Was allerdings nicht vergessen werden darf, ist die

Tatsache, dass die einzelnen Mitarbeiter einer Organisation Teile eines

Organisationssystems sind. Somit wirken sich die Einstellung und das Verhalten eines

einzelnen Mitarbeiters in Form von Rückkopplungsprozessen auch immer auf das

Gesamtsystem aus und das Gesamtsystem wiederum auf die Individuen, die in ihm

agieren.

110 Judge, T. A.; Thoresen, C. J. (1999): 107 ff.

5 Systemtheorie

Bislang konnte anhand der Theorie komplexer Systeme erklärt werden, wie Chaos und

Ordnung entstehen und dass es notwendig ist, ein System zunächst in einen instabilen

Zustand zu bringen, um ein neues Ordnungssystem herzustellen, also Veränderung zu

bewirken. Ebenfalls konnte die Entstehung von Widerstand auf der Basis individueller

Musterbildungsprozessen, die wiederum zu bestimmten menschlichen

Verhaltensmustern führen, erklärt werden. Diese Arbeit hat sich also zunächst einmal

auf einer sehr komplexen Ebene mit dem Thema Veränderung beschäftigt und danach

einen Blick auf die Mikroebene des Individuums geworfen, um hier das Phänomen

Widerstand gegenüber Veränderungsprozessen erklären zu können. Um jedoch die

Dynamik von Widerstand innerhalb einer Organisation erfassen zu können, muss der

Blick nun auch mit auf die Organisation als Ganzes gerichtet werden.

In dem jetzt folgenden Abschnitt wird es darum gehen, darzustellen, welche Bedeutung

das Individuum für die erfolgreiche Implementierung von Veränderungsprozessen

einnimmt. Da es sich bei Organisationen um Systeme handelt, die bestimmten

Gesetzmäßigkeiten gehorchen, ist es zunächst einmal notwendig zumindest einige dieser

Gesetzmäßigkeiten näher zu beleuchten. Man muss also wissen, wie ein System

zusammengesetzt ist und wie es funktioniert. Die theoretische Grundlage hierfür bildet

die Systemtheorie, wobei bei den nachstehenden Erklärungen von Grundbegriffen im

wesentlichen auf die Systemtheorie von Luhmann zurückgegriffen wird.

5.1 System und Umwelt

Was ist also ein System und wie lässt es sich abgrenzen? Um ein einzelnes System

analytisch betrachten zu können, muss es zunächst von dem Gesamtsystem der Welt

abgetrennt werden. Man kann ein System als eine Gesamtheit von einzelnen Elementen

bezeichnen, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen, wobei ein System,

bestehend aus seinen einzelnen Elementen, nur über die Abgrenzung zu seiner Umwelt

definiert werden kann.111 Das heißt, dass „das System seine eigenen Elemente

einschließt und damit die Umwelt ausschließt“112. Umwelt existiert allerdings nicht an

sich, also als eigenes System, denn sie stellt sich für jedes System anders dar, das heißt,

ein System ist Gestalter seiner Umwelt.

111 Krieger, D. J. (1996): 12 f. 112 Krieger, D. J. (1996): 13

Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang zwischen zwei Komplexitätsstufen von

Umwelt, die ein System umgeben. Hierzu gehört einmal die Weltkomplexität, die als

Umwelt aller möglichen Systeme bezeichnet werden kann. Zum zweiten existiert eine

systemrelative Umwelt, die für jedes System seine eigene ist und von ihm selber

konstruiert wird.113 Systeme können nicht ohne ihre Umwelt bestehen, denn um sich

selber konstituieren zu können, müssen sie eine Differenz zu ihrer Umwelt erzeugen

und erhalten. Das System muss also eine Grenze herstellen, wobei die Grenzerhaltung

als Systemerhaltung bezeichnet werden kann. Gibt es diese Grenze nicht mehr, hört

auch das System auf zu existieren.114

Durch die Grenze zwischen System und seiner Umwelt enthält das System zwangsläufig

weniger Elemente, als die des Gesamtsystems der Welt. Ebenfalls wird ein System

dadurch bestimmt, dass die einzelnen, sich innerhalb des Systems befindlichen

Elemente, miteinander in Beziehung treten. Dieses in Beziehung miteinander treten

bezeichnet Luhmann als Operation. Ist eine Operation anschlussfähig, also findet

nachfolgend an eine Operation eine weitere Operation gleichen Typus statt, entsteht ein

System. Ein System wird also durch die Verkettung von Operationen gebildet.115 Durch

die Verbindung von einer endlichen Zahl an Elementen innerhalb der Systemgrenzen

bedeutet die Entstehung eines Systems die Reduktion von Komplexität. Und genau dies

ist der Sinn von Systemen, sie reduzieren die Komplexität des Gesamtsystems der Welt.

Neben der Tatsache, dass Systeme operieren und sich dadurch von ihrer Umwelt

abgrenzen, tun sie noch etwas anderes, sie beobachten. Denn das System muss ja

erkennen können, ob eine Operation zu dem System selber gehört oder eben zu seiner

Umwelt.116 Die Fähigkeit zu beobachten ist von grundlegender Bedeutung, wenn eine

Unterscheidung zwischen beispielsweise System/Umwelt getroffen werden soll, denn

nur so kann ein System die Grenze zwischen sich und seiner Umwelt definieren.

Gleichzeitig benötigt jede Beobachtung eine Unterscheidung, damit sie überhaupt

beobachten kann. Das System muss also entscheiden, ob eine Operation zu dem System

selber gehört, oder eben nicht. Diese Entscheidung wird aus der Perspektive des

jeweiligen Systems getroffen. Das bedeutet, jede Beobachtung wird von dem jeweilig

113 Krieger, D. J. (1996): 14 ff. 114 Krieger, D. J. (1996): 13 115 Luhmann, N. (2006): 77 116 Luhmann, N. (2006): 59

beobachtenden System konstruiert und was beobachtet wird, ist letztlich von der

Unterscheidung abhängig, die eine Beobachtung verwendet.117

Hier lässt sich Bezug nehmen auf den Konstruktivismus, der aussagt, dass es keine

allgemeingültige Wirklichkeit gibt, sondern jede Wirklichkeiten eine subjektive ist,

entsprechend auch jede eingenommene Perspektive eine subjektive darstellt. „Die

Systeme kopieren die System-Umwelt-Differenz, also eigentlich ihre Außengrenze, noch

einmal in sich hinein und benutzen diese Abgrenzung intern als Grundkategorie für ihr

sämtliches Unterscheiden, sämtliches Beobachten.“118 Diesen Widereintritt der

Außengrenze in das System wird von Luhmann als „Reentry“ bezeichnet.

5.2 Autopoiesis und Selbstorganisation

Auf der Basis der vorangegangenen Ausführungen lässt sich formulieren, dass einem

System immer nur die eigenen Operationen zur Verfügung stehen. Diese systemeigenen

Operationen bilden zum einen die Grundlage für den Aufbau von Strukturen innerhalb

des Systems. Zum anderen determinieren sie den historischen Zustand des Systems, also

„die Gegenwart, von der alles Weitere ausgehen muss“.119 Das heißt, was in einem

Moment passiert und in diesem Moment wahrgenommen wird, bildet den

Ausgangspunkt für die darauf folgende Handlung.

In diesem Zusammenhang lässt sich noch einmal auf eine der Aussagen der

Chaostheorie verweisen, die die hohe Bedeutung der jeweiligen Anfangsbedingungen

für die weiteren Entwicklungen eines Systems unterstreicht. Luhmann differenziert

zwischen den Begriffen „Selbstorganisation“, die er als die „Erzeugung einer Struktur

durch eigene Operationen“120 beschreibt und dem der „Autopoiesis“, die einen Zustand

determiniert, „von dem aus weitere Operationen möglich sind“121. Die Strukturen eines

Systems können also nur dann wirksam werden, wenn das System auch operiert, sie sind

entsprechend nur in der Gegenwart existent. Wie auch in der Chaostheorie wird hier der

klassischen Vorstellung widersprochen, in der Strukturen als etwas beständiges

angesehen werden und Prozesse oder Operationen als etwas vergängliches.122

117 Schuldt, C. (2006): 49 118 Berghaus, M. (2003): 44 119 Luhmann, N. (2006): 101 120 Luhmann, N. (2006): 101 121 Luhmann, N. (2006): 101 122 Luhmann, N. (2006): 101 f.

Doch die Gegenwart kann nur dann bestehen, wenn auch die Kopplung an die

Vergangenheit, also an ein Gedächtnis, erfolgt. Gedächtnis wird von Luhmann

allerdings nicht als gespeicherte Vergangenheit angesehen, sondern als eine „laufende

Konsistenzprüfung von unterschiedlichen Informationen im Hinblick auf bestimmte

Erwartungen“123. Es wird also überprüft in wie weit zu erwarten ist, dass eingefahrene

Gewohnheiten, man könnte auch sagen Muster oder Strukturen, für die Erreichung

eines zukünftigen Zustandes von Nutzen sind. „Strukturen sind Erwartungen in Bezug

auf die Anschlussfähigkeit von Operationen, sei es des bloßen Erlebens, sei es des

Handelns, und Erwartungen in einem Sinne, der nicht subjektiv gemeint sein muss.“124

Strukturbildung scheint also dadurch zu entstehen, dass eine Wiederholung stattfinden

und man eine Situation als die Wiederholung einer vorangegangenen erkennen muss.125

Man kann sagen, dass es sich hierbei um einen Musterausbildungs- und

Mustererkennungsprozess handelt.

Der Begriff der „Autopoiesis“ wurde von dem Biologen und Neurophysiologen

Humberto R. Maturana geprägt und von Luhmann übernommen. “Die autopoietische

Organisation wird als eine Einheit definiert durch ein Netzwerk der Produktion von

Bestandteilen, die 1. rekursiv an dem selben Netzwerk der Produktion von

Bestandteilen mitwirken, das auch diese Bestandteile produziert, und die 2. das

Netzwerk der Produktion als eine Einheit in dem Raum verwirklichen, in dem die

Bestandteile sich befinden.“126

Bei der Autopoiesis handelt es sich um ein Organisationsprinzip aller lebender Systeme.

Sie bedeutet, dass sich die Systeme selber erzeugen und erhalten können, indem sie die

Komponenten, aus denen sie bestehen, selber produzieren und herstellen. Ein zentrales

Kennzeichen autopoietischer Systeme ist ihre Geschlossenheit gegenüber ihrer

Umwelt.127 Das bedeutet, dass sie sich ausschließlich auf sich selber beziehen, wenn sie

operieren und sie besitzen keine informationelle Input/Output Schnittstelle, so dass

man sie entsprechend als autonom gegenüber ihrer Umwelt bezeichnen kann.

Umweltereignisse besitzen zunächst also keinen Informationswert für das

autopoietische System. Ereignisse in der Systemumwelt können als eine Form von

123 Luhmann, N. (2006): 103 124 Luhmann, N. (2006): 103 125 Luhmann, N. (2006): 107 126 Matura zit. in Krieger, D. J. (1996): 36 127 Schuldt, C. (2006): 24

Störung bezeichnet werden, die erst auf der Basis von systemeigenen

Organisationskonstruktionen zu Informationen für das System werden.128

Doch obwohl autopoietische Systeme eine Geschlossenheit gegenüber ihrer Umwelt

aufweisen, haben sie nicht nur Kontakt zu ihrer Umwelt, sondern sind sogar hochgradig

auf diese angewiesen. Das heißt es kommt zu einem ständigem Austausch von

Informationen zwischen System und Umwelt, wobei das System steuert, welche

Informationen es für sich annimmt und welche nicht. Autopoietische Systeme operieren

auf der Basis eigener Maßgaben, wobei sie gleichzeitig von einer Umwelt umgeben sind,

von der sie abhängig sind.129

Ein System besteht also ausschließlich aus Operationen und erschafft sich in einem

ständigen zielgerichteten, autokatalytischen Prozess mittels dieser Operationen quasi aus

sich selbst heraus selbst. Systeme entnehmen ihrer Umwelt immer das, was im Sinne der

bisherigen Operationen anschlussfähig ist, sie orientieren sich also an der Eigenlogik

systemeigener Strukturen und verfolgen das Ziel, Komplexität zu reduzieren.

5.3 Strukturelle Kopplung

Die Beziehung, die ein System zur Umwelt und somit zu anderen Systemen eingehen

kann, wird von Luhmann als strukturelle Kopplung bezeichnet. Sie ermöglicht es einem

autopoietischen System, welches ja nur selbstreferenziell agiert und somit nicht

innerhalb anderer Systeme operieren kann, sich dennoch mit anderen Systemen aus

seiner Umwelt abzustimmen. Die strukturelle Kopplung mit seiner Umwelt ist eine

Notwendigkeit für ein System, um sich an seine Umwelt besser anpassen und letztlich

weiter bestehen zu können. Da ein System jedoch eine bestimmte Struktur, also einen

bestimmten Möglichkeitsraum besitzt, mit dem es Informationen aus seiner Umwelt

verarbeiten kann, ist es auch nur in der Lage bestimmte Informationen zu verstehen.

Das bedeutet, dass die Kopplungen zwischen System und Umwelt hochselektiv sind

und durch sie sowohl etwas eingeschlossen, als auch gleichzeitig etwas ausgeschlossen

wird. „Die Reduktion von Komplexität, das Ausschließen einer Masse von Ereignissen

in der Umwelt von möglichen Einwirkungen auf das System ist die Bedingung dafür,

dass das System mit dem Wenigem, was es zulässt, etwas anfangen kann.“130

128 Krieger, D. J. (1996): 38 129 Schuldt, C. (2006): 25 130 Luhmann, N. (2006): 121

Im Laufe der Zeit wird also ein System immer ausdifferenzierter, seine Komplexität

wächst. Warum dies geschieht, lässt sich wieder auf die Differenz zwischen dem System

und seiner Umwelt zurückführen. Denn die Veränderungen, die ein System und seine

Umwelt durchlaufen sind unterschiedlich, was zu einer gewissen Spannung führt, die

wiederum bewirkt, dass sich das System mittels struktureller Kopplungen neu an seine

Umwelt anpasst. Das System passt sich also den veränderten Rahmenbedingungen an.

Ein System kann sich jedoch nicht allein aus sich heraus verändern. Um sich

weiterzuentwickeln und zu verändern benötigt ein System die Störung aus seiner

Umwelt.131 Das heißt somit natürlich auch, dass die Strukturentwicklung eines Systems

davon abhängig ist, welchen strukturellen Kopplungen es mit der Umwelt ausgesetzt

ist.132 Ein System, wie beispielsweise eine Organisation, operiert in Abgrenzung zu ihrer

Umwelt, entnimmt ihr jedoch gleichzeitig Informationen und verändert sich so im

Rahmen ihrer Möglichkeiten, bildet also ein neues Verhalten aus.133

5.4 Kommunikation

Überall bestehen soziale Systeme, für die die Begriffe der allgemeinen Systemtheorie

gelten. Als umfassenstes soziale System kann die Gesellschaft bezeichnet werden, die

wiederum Teil- bzw. Subsysteme, wie beispielsweise die Wirtschaft oder die Politik

herausbildet. Auch eine Organisation ist ein soziales System. Ein grundlegendes

Kennzeichen sozialer Systeme ist die Kommunikation. Jedes System besitzt einen

Operationstypus, der für das System charakteristisch ist und die Möglichkeit birgt

wieder anschlussfähig zu sein. Und soziale Systeme operieren dadurch, dass sie

kommunizieren.134 „Ein Sozialsystem entsteht, wenn sich Kommunikation aus

Kommunikation entwickelt.“135 Wie bereits dargestellt, kann und muss sich ein System

von seiner Umwelt unterscheiden. Diese Differenz wird mittels Kommunikation

geschaffen, die wiederum Kommunikation erzeugt. Das heißt, es schließt sich eine

Kommunikation an eine andere an, es kommt eine dritte und vierte hinzu, es wird

thematisiert, was bisher gesagt wurde und so weiter. Dieser Vorgang läuft allerdings

systemintern ab, in der Systemumwelt passiert gleichzeitig etwas anderes oder vielleicht

auch gar nichts. Um diese Kopplungen zwischen den unterschiedlichen

131 Berghaus, M. (2003): 55 132 Luhmann, N. (2006): 116 133 Berghaus, M. (2003): 56 134 Berghaus, M. (2003): 61 135 Luhmann, N. (2006): 78

Kommunikationen herstellen zu können, muss ein System „ausmachen, beobachten,

festlegen können, was zu ihm passt und was nicht“136.137 Um diese Anschlussfähigkeit zu

kontrollieren, muss ein System, wie bereits im vorangegangenen Kapitel dargestellt, über

die Fähigkeit der Selbstbeobachtung verfügen.138 Da soziale Systeme aus nichts anderem

als Kommunikation bestehen, sind die Menschen nach Luhmann keine Teile oder

Elemente sozialer Systeme. Gesellschaft ist also ein Netzwerk bestehend aus

Kommunikation und nicht ein Netzwerk bestehend aus Individuen. Das bedeutet

natürlich auch, dass nicht die Menschen kommunizieren, sondern nur die

Kommunikation kommunizieren kann.139

Hier stellt sich natürlich die Frage, was Kommunikation eigentlich bedeutet? Luhmann

beschreibt Kommunikation als eine dreistellige Einheit, die in Information, Mitteilung

und Erfolgserwartung in Form von Verstehen differenziert wird. Wenn kommuniziert

wird, wird zunächst eine Information aus den vielen existierenden Möglichkeiten

ausgewählt. Wenn ich als Chef zu einem Arbeitnehmer sage „Diese Aufgabe haben sie

sehr gut erfüllt“, ist diese Aussage gleichzeitig eine Entscheidung gegen viele andere, wie

„Sie haben sich keinerlei Mühe mit dieser Aufgabe gegeben“, „Sie haben ganz

ordentlich gearbeitet“ oder „Die Aufgabe haben sie zügig erledigt“. Diese Auswahl aus

schier unendlichen Möglichkeiten, wird dadurch begrenzt, dass Kommunikation

versucht einen Sinn herzustellen. Diese ausgewählte Information wiederum kann mittels

einer Mitteilung überbracht werden. Auch die Mitteilung beruht auf einer Selektion,

denn eine Person besitzt weit mehr Informationen, als sie je mitteilen kann, sie muss

also wiederum eine Auswahl treffen. Der Sender muss sich für bestimmte inhaltliche

Sinnvorschläge und Darstellungsweisen entscheiden und trifft gleichzeitig eine

Entscheidung gegen andere.140

Im Anschluss auf die Selektion der Information und der Selektion einer Mitteilung

richtet sich das Augenmerk auf den Empfänger, man kann von einer Erfolgserwartung,

also „die Erwartung einer Annahmeselektion“141 sprechen.142 Erst das Verstehen erzeugt

letztlich Kommunikation, denn wenn auf eine kommunikative Handlung eine weitere

erfolgen soll, muss der Empfänger zunächst einmal verstehen, dass es sich um eine

136 Luhmann, N. (2006): 81 137 Luhmann, N. (2006): 81 138 Luhmann, N. (2006): 81 139 Berghaus, M. (2003): 63 ff. 140 Berghaus, M. (2003): 73 ff. 141 Luhmann, N. (1984): 196

Mitteilung handelt. Wenn dies verstanden wurde, wird mit einer

Anschlusskommunikation reagiert; wurde sie nicht verstanden, bietet sich die

Möglichkeit einer reflexiven Kommunikation, also einer Kommunikation über die

Kommunikation.143 Doch auch die Reaktion des Empfängers besteht wiederum aus

einer Selektion unterschiedlichster Möglichkeiten. Jedoch beinhaltet seine Handlung

bereits die beiden Selektionen des Senders. Kommunikation besteht immer aus der

Synthese dieser drei Handlungen.

Auch menschliches Bewusstsein, also psychische Systeme sind nach Luhmann kein

Bestandteil von sozialen Systemen. Psychische und soziale Systeme operieren

unterschiedlich in ihrer eigenen Autopoiesis, sind also jedes für sich operativ

geschlossen, wobei jedoch beide Systemarten sich gegenseitig beeinflussen und

ohneeinander nicht existieren können. Es besteht hier eine äußerst starke wechselseitige

Abhängigkeit. Diese enge strukturelle Kopplung wird von Luhmann als Interpenetration

bezeichnet. Sie wird dadurch ermöglicht, dass sowohl soziale, wie auch psychische

Systeme sinnvoll operieren, wobei sie in erster Linie die Sprache nutzen. Das heißt Sinn

und Sprache sind von Kommunikations- und Bewusstseinssystemen gleichermaßen in

Gebrauch, wobei dadurch die Interpenetration quasi nahezu unbemerkt und reibungslos

verläuft.

Doch warum ist die Abhängigkeit zwischen diesen beiden Systemen so stark? Die

Bewusstseinssysteme können die Welt sinnlich erfahren, soziale Systeme besitzen diese

Möglichkeit der Wahrnehmung nicht. Das bedeutet, dass sie auf die Wahrnehmung

psychischer Systeme angewiesen sind, wenn sie etwas über ihre physikalische Umwelt

erfahren möchten. Und dieser Weg der Wahrnehmung führt über das individuelle

Bewusstsein, welches seine Wahrnehmungen und Eindrücke hauptsächlich durch die

Sprache an das soziale System übermittelt. Das Bewusstsein ist also eine

Vermittlungsinstanz zwischen Außenwelt und Gesellschaft. Jedoch kann die

Gesellschaft nur das wahrnehmen, was das Bewusstseinssystem mittels seiner selektiven

Wahrnehmung herausfiltert. Das heißt das Bewusstseinssystem ist die einzige

Möglichkeit, Kommunikation zu beeinflussen.144

142 Luhmann, N. (1984): 196 f. 143 Luhmann, N. (1984): 198 144 Berghaus, M. (2003): 71

5.5 Personen als Elemente sozialer Systeme

Es wurde im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, dass Systeme in ihrer Ganzheit zu

betrachten sind, da ihre einzelnen Elemente miteinander in Beziehung stehen und sich

gegenseitig beeinflussen. Jetzt soll es noch einmal darum gehen, die Systemtheorie

konkret auf Organisationen und die in ihnen agierenden Individuen zu beziehen. Denn

in Luhmanns Theorie werden soziale Systeme aus der soziologischen Perspektive

betrachtet, bei der der handelnde Mensch nicht als Subjekt in den Blick kommt.145 Denn

Luhmann formuliert klar, dass der Mensch kein soziales System, also keine Organisation

bildet, sondern diese aus Kommunikation besteht. Aus dieser Perspektive verliert sich

jedoch der psychologische Aspekt. Im kommenden Abschnitt wird der Fokus mehr auf

die Individuen gerichtet, also die einzelnen Mitarbeiter eines Unternehmens. Denn wie

bereits in Abschnitt 4.4.3 gezeigt werden konnte, wirkt sich die individuelle

Persönlichkeit und Wirklichkeit der Alltagswelt eines Mitarbeiters auf dessen Umgang

mit Veränderungen und somit auf das System der Organisation als Ganzes aus. Um dies

beschreiben zu können, muss der Blickwinkel von der klassischen Systemtheorie auf

soziale Systeme in Form von Organisationen hingewendet werden, da sich hier gewisse

Besonderheiten finden lassen.

Eine wesentliche Besonderheit ergibt sich daraus, dass die Elemente sozialer Systeme

aus Personen und ihren Handlungen bestehen. Wer genau zu einem sozialen System

gehört, lässt sich oft nicht genau abgrenzen, sondern ergibt sich aus dem Blickwinkel

des Beobachters. Handlung oder Verhalten eines Menschen basieren jedoch nicht auf

dem einfachen Reagieren auf einen bestimmten Reiz, wie es beispielsweise bei einem

Molekül der Fall ist. „Der Handlungsbegriff impliziert, dass das Verhalten der Mitglieder

des Systems von ihren Gedanken, persönlichen Zielen, und Absichten sowie von ihren

Einstellungen und Empfindungen abhängt.“146 Wie bereits im Abschnitt über den

sozialen Konstruktivismus verdeutlicht wurde, liegen dem Verhalten der Menschen

subjektive Deutungen, Regeln, Gewohnheiten und Beziehungen zur Umwelt zugrunde,

deren Basis wiederum die individuell konstruierten Wirklichkeit jedes Einzelnen

bildet.147 Das heißt, Menschen machen sich ein Bild von ihrer jeweiligen Situation und

handeln auf der Grundlage dieses Bildes. Das Gedächtnis erzeugt also keine

photographischen Abbildungen von Sinneseindrücken, sondern nur dem Original

145 König, E.; Volmer, G. (2000): 31 146 Ellebracht, H.; Lenz, G. [u.a.] (2003): 19 147 Ellebracht, H.; Lenz, G. [u.a.] (2003): 19

ähnliche Eindrücke.148 „Dieses Prinzip (...) erinnert uns ganz allgemein daran, dass wir,

wenn wir an Kokosnüsse oder Schweine denken, keine Kokosnüsse oder Schweine im

Gehirn haben.“149 Vorerfahrungen, Hypothesen, Annahmen über die Wirklichkeit und

Emotionen prägen diese Abbildungen. Sinneseindrücke werden also nach individuellen

Mustern einsortiert.150 Unsere Wahrnehmung der Realität bestimmt auch, wie wir

miteinander kommunizieren.

Ebenfalls werden soziale Systeme wie Organisationen von sozialen Regeln bestimmt, die

beschreiben, wie wir uns innerhalb des Systems verhalten dürfen.151 Diese Regeln

beziehen sich auf das Zusammenleben und das Zusammenarbeiten. Sie können

differenziert werden in offizielle Regeln, beispielsweise dargestellt in einem

Organigramm einer Organisation oder in inoffizielle Regeln, die man in keinem

Organigramm findet, sondern die das Zusammenleben und –arbeiten informell

strukturieren und die sich jeder „Systemneueinsteiger“ in Interaktion mit anderen erst

einmal aneignen muss. Diese informellen Regeln bilden sich mit der Zeit aus und

bestimmen das Verhalten einzelner Mitarbeiter. Damit können sie für die

Weiterentwicklung der Organisation entweder unterstützend oder hinderlich sein.152

Genauso wie alle anderen Systeme befinden sich Organisationen in einem Prozess, das

heißt, sie entwickeln sich weiter. Dies geschieht angestoßen durch Einflüsse von außen,

oder durch Entwicklungen innerhalb der Organisation. Dadurch bedingt entwickeln

sich Menschen weiter, verändern ihre individuelle Konstruktion von Wirklichkeit.

Ebenfalls können offizielle und inoffizielle Regeln und Interaktionsstrukturen

umgeformt werden.153 Hierbei beeinflusst die Umwelt durch ihr Einwirken die

Organisation, wobei der Raum, den dieser Einfluss einnehmen kann, erst von den

Bedeutungszuschreibungen durch die Organisation selber festgelegt wird. So

bekommen beispielsweise Veränderungen sowie bestehenden Regeln und

Interaktionsstrukturen erst durch die subjektive Deutung des Mitarbeiters eine positive

oder negative Bewertung zugeschrieben.154

148 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 33 149 König, E.; Volmer, G. (2000): 32 150 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 33 151 König, E.; Volmer, G. (2000): 32 152 König, E.; Volmer, G. (2000): 38 f. 153 König, E.; Volmer, G. (2000): 41 f. 154 König, E.; Volmer, G. (2000): 40 f.

Wie bereits dargestellt, beeinflussen sich die einzelnen Systemelemente gegenseitig. Dies

gilt auch für die einzelnen Personen in Organisationen. Dadurch „entstehen immer

wiederkehrende Verhaltensmuster oder Interaktionsstrukturen, die den Regelkreisen

und Rückkopplungsprozessen in anderen Systemen entsprechen“155. Diese

Interaktionsstrukturen in Organisationen sind wiederum das Ergebnis von vorweg

abgelaufenen wechselseitigen Deutungen von Verhalten und somit Resultat auf der

Basis von individuell konstruierter Wirklichkeit.156

155 König, E.; Volmer, G. (2000): 39 156 König, E.; Volmer, G. (2000): 39 f.

6 Das Team und seine Bedeutung für die Entstehung von Widerstand

In welchem Zusammenhang stehen aber jetzt die Dynamik von Widerstand und die

Systemtheorie? Warum Widerstand entsteht wurde bereits erklärt. Vereinfacht

formuliert denkt und lebt der Mensch in „Ordnungsmustern“ und hat das

grundsätzliche Bestreben diese auch beizubehalten. Aus diesem Grund versucht er die

mit Veränderung einhergehenden instabilen Zustände zu vermeiden.

Jetzt geht es darum sich die Dynamik von Widerstand anzusehen. Denn widerstreben

einem Mitarbeiter die anstehenden Veränderungen in einer Organisation und trägt er

diese nicht mit, ist dies zunächst einmal, für sich betrachtet, völlig unproblematisch.

Doch der Mitarbeiter steht eben nicht für sich alleine, wie im vorangegangenen

Abschnitt über die Systemtheorie verdeutlicht werden konnte. Jeder Mitarbeiter ist Teil

des Organisationssystems und somit nimmt er mit seinem Verhalten zwangsläufig

Einfluss auf andere Elemente im System, also andere Mitarbeiter und somit auch auf die

Organisation als Ganzes. Eine Problematik ergibt sich also erst dann, wenn man den

Widerstand des Einzelnen in einen Zusammenhang zu dem gesamten

Organisationsgefüge setzt.

Diese Zusammenhänge zwischen einzelnen Systemelementen, hier also den

Mitarbeitern, wird aus systemischer Perspektive durch den Begriff der Rückkopplung

beschrieben. Rückkopplung bedeutet, dass die einzelnen Menschen innerhalb einer

Organisation miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Ein

grundlegendes Konzept bildet hierbei auch die Theorie des sozialen Konstruktivismus,

die ja ebenfalls von einer Selbstkonstitution und Abgrenzung von Systemen ausgeht.

Systeme werden nicht gemacht, sondern entstehen auf der Basis von rekursiven

Anschlüssen systeminterner Operationen.

In Form der positiven Rückkopplung kann das bedeuten, dass das Widerstandsverhalten

eines Mitarbeiters sich auf das Verhalten eines anderen auswirkt und dessen Verhalten

wieder positiv auf den ersten zurückwirkt. Nehmen wir das Beispiel, dass in einem

Betrieb ein neues Computersystem eingeführt werden soll. Mitarbeiter A kann nicht

besonders gut mit Computern umgehen und hat sich gerade erst recht gut in das

bestehende System eingearbeitet. Er hat große Angst, dass er mit dem neuen System

nicht zurechtkommen wird und erklärt Mitarbeiter B immer wieder die Nachteile des

neuen Computersystems. Nach einiger Zeit ist Mitarbeiter B überzeugt. Diese

Überzeugung von Mitarbeiter B bestärkt Mitarbeiter A von der Richtigkeit seiner

Meinung. Das heißt es findet eine Art Schaukelbewegung statt, die sich sowohl in eine

positive, als auch in eine negative Richtung bewegen kann. Diese Schaukelbewegung

kann sogar soweit führen, dass ein System zusammenbricht. Im Falle des Beispiels sähe

das vereinfacht formuliert so aus, dass immer mehr Mitarbeiter von den Nachteilen

eines neuen Computersystems überzeugt wären und alles daran legen würden zu

demonstrieren, dass man mit dem neuen System nicht arbeiten kann. Schlimmstenfalls

führt die erhöhte Fehlerquote dazu, dass die Kosten-Nutzen Relation des neuen

Systems nicht mehr gegeben ist.

Das Gegenstück zur positiven Rückkopplung ist die negative. Negative Rückkopplung

führt letztlich zu einer Stabilisierung des Systems. Eine Variable wirkt sich positiv auf

eine andere aus, wobei diese dann die erste Variable wieder negativ beeinflusst. Das

wohl bekannteste Beispiel kommt aus der Evolutionstheorie und ist das biologische

Gleichgewicht. Nehmen wir die Hasenpopulation auf einer Insel. Wächst diese an, gibt

es mehr Nahrung für die Feinde der Hasen, wie beispielsweise den Fuchs. Die

Verbesserung der Nahrungssituation führt dazu, dass die Füchse mehr Nachkommen

zeugen. Die steigende Zahl der Füchse jedoch führt zu einer sinkenden Zahl der

Hasenpopulation, denn es werden mehr getötet. Dadurch, dass es weniger Hasen gibt,

sinkt zwangsläufig die Fuchszahl auf der Insel, denn es gibt nicht mehr genug Nahrung

für alle usw.157

Positive und negative Rückkopplung beschreiben die Beeinflussungsstruktur in einem

System. „Sie geben jedoch nur die Richtung einer Systemzustandsveränderung an und

sagen noch nichts über die Dynamik oder die Zeitdauer aus, in der diese

Zustandsveränderung erfolgt.“158 Die Zusammenhänge zwischen den Variablen können

linear verlaufen, oder sie können exponentiell von statten gehen. Die Wahrscheinlichkeit

von exponentiellen Verknüpfungen steigt mit der Komplexität eines Systems.159 Da es

sich bei einer Organisation um ein komplexes System handelt, ist die Wahrscheinlichkeit

einer exponentiellen Verknüpfung, also einer „Selbstaufschauklung“, relativ hoch.

Betrachtet man unbelebte Materie sind kausale Zusammenhänge, also die

Verknüpfungen zwischen Systemelementen, einfacher zu durchschauen. Bei der Frage

nach Beweggründen von Menschen für bestimmte Einstellungen, Emotionen und die

dadurch resultierenden Verhaltensweisen wird die Erklärung von Zusammenhängen viel

157 Wagner, R. H.. (2001): 14 f. 158 Wagner, R. H.. (2001): 17

schwieriger. Denn schon bei dem Informationsaustausch innerhalb einer Organisation,

somit der Kommunikation zwischen den Mitarbeitern über die anstehenden

Veränderungen, hängt die Verarbeitung der Information stark von dem Sender und dem

Empfänger der Information ab. Denn, wie im Abschnitt über die Systemtheorie erklärt,

findet während der Kommunikation immer ein Auswahlprozess aus verschiedenen

Informationen statt. Und dieser Auswahlprozess wird bedingt durch die individuellen

Ordnungsmuster der einzelnen Mitarbeiter. Diese Ordnungsmuster wurden wiederum

determiniert durch die jeweilige Gesellschaft in der man aufwächst und lebt.

Eine weitere wesentliche Komponente, die bei der Dynamik von Widerstandsprozessen

im Blick behalten werden muss, sind gruppendynamische Prozesse, die überall dort

stattfinden, wo Menschen über einen längeren Zeitraum zusammen sind.

Gruppendynamik wird in diesem Kontext verstanden als „das Geschehen in Gruppen,

die Dynamik von Veränderung und Kontinuität, mit anderen Worten: das Kräftespiel

einer Gruppe“160.

6.1 Die Entstehung einer Gruppe

Damit sich eine Gruppe bilden kann, ist das Vorhandensein von Zielen eine wesentliche

Voraussetzung. Eine Gruppe bildet sich erst dann, wenn es darum geht ein

gemeinsames Ziel zu erreichen. Im Falle eines Arbeitsteams sind dies die jeweiligen

Arbeitsziele, die es zu erfüllen gilt. Man muss jedoch zwischen dem persönlichen

Zielpool der einzelnen Gruppenmitglieder und dem Gruppenvertrag, also den

Gruppenzielen differenzieren. Jedes Mitglied eines Arbeitsteams bringt unterschiedliche

Zielvorstellungen mit. Inhaltlich geht es bei dem einzelnen Mitarbeiter beispielsweise

um Themen wie „gemocht werden“, „eine interessante Arbeit haben“, „Karriere

machen“ oder vielleicht auch „Freunde finden“. Der persönliche Zielpool jedes

Einzelnen wird dann quasi in einen „großen gemeinsamen Topf gegeben“, dem

Zielpool des Teams. Hier hinterlassen die Ziele ein unverwechselbares

Beziehungsgeflecht auf dessen Basis das Team eine gemeinsame Ausrichtung entwickeln

muss, es muss einen Gruppenvertrag schließen. Dieser Gruppenvertrag „entsteht auf

nachvollziehbaren, aber unkalkulierbaren Wechselwirkungen; die Gruppendynamik

159 Wagner, R. H.. (2001): 18 160 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 12

entzieht sich wegen der komplexen Wechselwirkungen zwischen den im Pool der

Gruppe schwimmenden Zielen der Formelbildung“161.162

Wie sich aus einer bloßen Menschenansammlung eine Gruppe mit einem

Gruppenvertrag entwickelt, lässt sich mittels des Prozesses der Selbstorganisation

erklären. Bei einer spontanen Ansammlung von Menschen kann man sagen, dass es sich

zu Beginn um eine Gruppe handelt, „in der zunächst keine Rollen und Positionen, keine

Erfahrungen und Aufgabenverteilungen, mit anderen Worten: keine Strukturen

bestehen“163. Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich die „spontane

Menschenansammlung“ zu einer Gruppe mit einem festgelegten Ordnungsmuster.

Dabei bedient sich die soziale Strukturbildung offenbar sozialer und kultureller

Stereotypien, deren Bildung wiederum schon im Sozialisationsprozess, also quasi mit der

Geburt, begonnen hat.164 Das heißt, dass auch bei der Ausbildung von Gruppen die

Existenz von bestehenden Ordnungsmustern eine hohe Bedeutung einnimmt. Die

einzelnen Menschen innerhalb einer Gruppe verhalten sich auf der Basis ihrer

individuellen Ordnungsmuster und bilden damit eine wesentliche Grundlage für den

weiteren Verlauf einer Strukturbildung. Das kennen wir bereits aus der Chaostheorie.

Und so schaffen kleine Verhaltenselemente von einzelnen Menschen die

Voraussetzungen für weitere Verhaltensweisen, wobei Aktion und Reaktion wiederum

rekursiv wirken, sich also wechselseitig beeinflussen. Systemtheoretisch formuliert

spricht man hier von der Rückkopplung. So formen sich die Konturen einer Gruppe,

wobei durch die Entstehung von Ordnung und Struktur den einzelnen Menschen

Orientierung und Identität geboten wird. Natürlich schränken Struktur und Ordnung

innerhalb einer Gruppe die Verhaltensspielräume einzelner Menschen ein, das heißt die

Existenz einer Ordnung geht auch immer mit der Reduktion von Freiheitsgraden des

Einzelnen einher.165 Es entstehen also verschiedene Ordner in Form von Regeln,

Normen und Verhaltensweisen, denen sich die einzelnen Elemente des Systems, also die

Gruppenmitglieder, versklaven. Das bedeutet, dass der Einzelne zwar das Team mit

lebensnotwendigem Elementen versorgt (seinen persönlichen Zielen), die

Herausbildung einer Struktur ist allerdings wiederum die Leistung der gesamten Teams

161 Stahl, E. (2007): 13 162 Stahl, E. (2007): 2 ff. 163 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 30 164 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 30 165 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 31

und kann nicht durch einen Einzelnen erbracht werden.166 Hier passt dann der

altbekannte Satz: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Dieser Prozess der Selbstorganisation, also die Hinwendung zu einem Ordnungsmuster,

einer Gruppenstruktur, geht auch immer mit Gruppendynamik einher. Diese findet

immer innerhalb einer Gruppe statt und lässt sich nicht aufhalten. „Niemand, der in und

mit Gruppen zu tun hat, kann sozusagen autark entscheiden, ob Gruppendynamik

stattfinden soll oder nicht. Gruppendynamik ist wie das Wetter oder andere

Naturelemente: grundsätzlich immer vorhanden und in ihrer elementaren Wirkung nicht

steuerbar.“167 Erforscht worden ist allerdings, welche Elemente eine wichtigen

Bedeutungsraum für die Gruppendynamik einnehmen.

6.2 Teamrollen und Teamnormen

In Gruppen und Teams finden immer auch Normbildungsprozesse statt, die definieren,

was innerhalb eines Teams als wünschenswertes Verhalten bewertet wird. Teamnormen

können als Standards verstanden werden, die entweder von außen, oder durch die

einzelnen Teammitglieder in das Team hineingetragen wurden. Sie werden in

Interaktion der einzelnen Gruppenmitglieder herausgebildet und liefern die Möglichkeit

der Orientierung. Erst durch die Entwicklung von Teamnormen ist das

Zusammenarbeiten innerhalb eines Teams überhaupt erst möglich. Häufig gibt es einen

Widerspruch zwischen den expliziten, also offenen, oder von der Umwelt vorgegebenen

Normen und den impliziten, also unausgesprochenen oder im Gruppenprozess

entstandenen Normen. Die Teammitglieder passen sich dabei in der Regel den

impliziten Normen an.168

Ebenfalls existieren in allen Teams unterschiedlichste Rollenkonstellationen. Für die

Charakterisierung der unterschiedlichen Rollentypen stehen verschiedene Modelle zur

Verfügung. Die Gruppendynamik geht davon aus, dass in jedem Arbeitsteam eine

bestimmtes Repertoire an Rollentypen vorhanden sein muss, damit es arbeitsfähig ist.

Diese Rollentypen sind nicht unbedingt mit den persönlichkeitspsychologischen

Typologien gleichzusetzten, da sie nicht an bestimmte Personen gebunden sind, sondern

166 Stahl, E. (2007): 17 167 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 122 168 König, O.; Schattenhofer, K. (2007): 44 f.

sogar situativ unter den Mitgliedern eines Arbeitsteams aufgeteilt werden können.169 Ein

Modell ist das von Raoul Schindler entwickelte rangdynamische Modell.

Abb. 16: Rangdynamisches Modell nach Raoul Schindler

Quelle: König, O.; Schattenhofer, K. (2007): 51

Ausgangspunkt des Modells ist, dass sich ein Gruppe immer in Auseinandersetzung mit

einem Gegenüber befindet. Dieses Gegenüber „G“ kann sowohl eine Person, eine

andere Gruppe oder ein an die Gruppe herangetragener Auftrag wie beispielsweise ein

Veränderungsvorhaben sein. Die Beziehung, die die Gruppe zu „G“ einnimmt, ist

meistens nicht eindeutig, sondern ambivalent. In der Auseinandersetzung mit „G“ bildet

sich letztlich eine Rangstruktur mit unterschiedlichen Rollentypen aus: Von Alpha wird

eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit „G“ erwartet. Denn die Alphaposition führt

die Gruppe an, tritt aktiv für deren Ziele ein und verspricht Erfolg. Alpha steht für

Identität und Kontinuität und somit für die Sicherheit der Gruppe. Die Personen auf

der Gammaposition identifzieren sich mit dem Inhaber dieser Alphaposition. Solange

die Aktivitäten von Alpha erfolgversprechend sind, unterstützen die Gammas diese

Position und folgen ihr. Die Omegaposition repräsentiert die Position, die sich am

weitesten von Alpha entfernt hat, sich allerdings noch immer innerhalb der Gruppe

befindet. Omega steht hierbei für Verunsicherung, Veränderung und Neues und wird

sowohl als ein abzuwehrendes, wie auch als faszinierendes Gruppenmitglied betrachtet.

Inhaber der Omegaposition stellen den momentanen Zustand in der Gruppe in Frage

und geraten dadurch schnell in Gefahr von dieser ausgeschlossen oder

Anziehungspunkt ihrer Aggressionen zu werden. Die Betaposition beschreibt eine eher

unabhängigere Rolle, die sich nicht direkt in den Konflikt zwischen Alpha und Omega

169 König, O.; Schattenhofer, K. (2007): 47 f.

einbinden lässt. Somit hat der Inhaber dieser Rolle die Möglichkeit beratend und

fachlich unterstützend zur Konfliktbearbeitung beizutragen.170

Verhaltensweisen von einzelnen Mitarbeitern müssen also immer auch auf der Basis

eines gesamten Teams bewertet werden, um verständlich zu sein. Denn Rollen sind

komplementär und bedingen sich gegenseitig. „Damit eine Gruppe ihre Möglichkeiten

und personalen Ressourcen optimal nutzen kann, um ihre (selbst) gesetzten Ziele besser

zu erreichen, braucht es jemanden, der initiativ wird, neue Ideen anstößt, bisheriges in

Frage stellt und neue Konzepte einfordert. Es braucht Leute, die mitmachen,

Gefolgschaft leisten und die Initiative loyal und engagiert unterstützen. Und es braucht

jemanden, der dagegenhält, kritisch gegenübersteht, sich nicht anschließt, sondern

kompetent opponiert und die Antreiber dazu bringt, ihre Konzepte zu überprüfen.“171

6.3 Der gruppendynamische Raum

In Arbeitsteams gibt es unterschiedliche Ebenen, auf denen das Geschehen stattfindet.

Grob unterteilen kann man diese Ebenen in eine Sachebene, man kann sagen den

offiziellen Auftrag eines Teams und die Ebene der psychosozialen Dynamik. Diese

Trennung der Ebenen kann mit dem Bild eines Eisberges veranschaulicht werden.

Hierbei gestaltet sich die verhältnismäßig kleine Spitze des Eisberges, die sich überhalb

des Wassers befindet, als die Sachebene eines Teams. Diese Ebene ist für alle zu sehen

und sie beinhaltet beispielsweise die Arbeitsziele einer Abteilung. Der Teil des

Eisberges, der sich unterhalb des Wassers befindet ist nicht mehr für alle sichtbar. Hier

geht es um die psychosoziale Dynamik wie beispielsweise Konflikte, Spannungen oder

zwischenmenschliche Beziehungen innerhalb eines Arbeitsteams. 172 Das heisst durch

die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander entstehen intrasystemische

Wechselwirkungen, durch die wiederum systemische Eigenschaften in Form von

emergenten Qualitäten erwachsen. Denn auch für die notwendige Dynamik der

Kontrollparameter als Bedingung für einen Übergang in ein neues Ordnungsmuster in

einem Arbeitsteam ist gesorgt. Soziale Situationen haben für die Menschen immer eine

Relevanz. Motive wie der Wunsch nach Zugehörigkeit, Einfluss und Anerkennung

erlangen schon in scheinbar unbedeutenden Kommunikationssituationen eine hohe

170 König, O.; Schattenhofer, K. (2007): 51 f. 171 König, O.; Schattenhofer, K. (2007): 53 172 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 23 ff.

Bedeutung und können als Kontrollparameter fungieren.173 Um diese Dynamik

innerhalb von Gruppen und somit auch Arbeitsteams beschreiben zu können, wird,

neben Teamrollen und Teamnormen, zwischen drei verschiedenen Dimensionen

unterschieden: Zugehörigkeit, Macht und Intimität.

6.3.1 Die Dimension der Zugehörigkeit

Ähnlich, wie sich Systeme von ihrer Umwelt abgrenzen müssen, um zu klären, was zu

dem System gehört und was eben nicht, müssen auch Gruppen definieren, wer sich

innerhalb und wer sich außerhalb einer Gruppe befindet. Denn letzlich bilden ja auch

sie ein System. Auch bei Arbeitsteams, denen es ja das oberste Ziel sein sollte, ein

gemeinsames Sachziel zu erreichen, ist Zugehörigkeit ein wichtiges Thema. In jedem

Gruppenzusammenhang besteht bei jedem Menschen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit

und die Angst vor Ausschluss. Auch wenn jemand formal durch beispielsweise einen

Arbeitsvertrag oder eine betriebliche Versetzung in eine Gruppe aufgenommen wird, ist

noch nicht abgeklärt, ob er auch wirklich in dieser Gruppe integriert ist. Von den

Mitgliedern der Gruppe selber wird bestimmt, wer dazu gehört und wer nicht. Dies

orientiert sich an bestimmten Verhaltensweisen und Regeln, die sich in jeder Gruppe

anders gestalten. Da es immer mehrere Gruppen gibt, denen man angehört, kann es

durchaus zu Loyalitätskonflikten kommen. Diese Loyalitätskonflikte bewegen sich nicht

nur zwischen dem privaten und dem beruflichen Bereich. Es kann auch sein, dass ein

Arbeitnehmer in einen Zugehörigkeitskonflikt kommt, weil er neben seinem

Kernarbeitsteam noch Mitglied in ein oder zwei Projektteams ist und er sich hier die

Frage stellen muss, wem er sich mehr verpflichtet fühlt. Das Thema Zugehörigkeit zu

einer Gruppe geht für jeden mit einer gewissen emotionalen Spannung einher. Denn

Menschen brauchen aneinander und sind aufeinander angewiesen. Hat sich ein

Arbeitnehmer in seiner Abteilung gut integriert und fühlt er sich dort wohl, birgt die

Vorstellung diese Abteilung, beispielsweise bedingt durch betriebliche

Umstrukturierungen zu verlassen, das Risiko, in einer anderen Gruppe nicht mehr

dieselbe Position und Zugehörigkeit einnehmen zu können.174

173 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 530

6.3.2 Die Dimension der Macht

Macht ist immer eingebettet in das Netz sozialer Beziehungen und hat somit immer

einen relativen Charakter. Die Herausbildung von Machtstrukturen ist bereits in kleinen

Gruppen notwendig, um effektiv an Zielen arbeiten zu können. Beispielsweise ist eine

Teamsitzung, die nicht von einem „Gruppensprecher“ moderiert wird, häufig dazu

verdammt, ohne jedes Ergebnis wieder beendet zu werden. Doch das Streben nach

Macht und Einfluss kann dann kontraproduktiv sein, wenn es Gruppenressourcen

blockiert und Rivalität und Konkurrenz nicht mehr der Sache dienlich sind, sondern

allein zur Verfolgung persönlicher Ziele verwendet werden. Für den Umgang mit

solchen Machtbalancen stehen einer Gruppe zwei Möglichkeiten zur Verfügung, die

sich sowohl auf formeller, wie auch auf informeller Ebene ansiedeln lassen: Hierarchie

und Normen. Formale Hierarchiestrukturen gibt es in jedem Betrieb. Parallel dazu

existieren immer auch informelle Hierarchien innerhalb einer Abteilung, die bestenfalls

die offizielle Führungskraft unterstützen, oder eben deren Macht und Einfluss

untergraben. Gleiche Unterteilung gilt auch für Normen und Regeln innerhalb einer

Gruppe. Interessant für das Thema Gruppendynamik sind allerdings nicht die

Hierarchien, Regeln und Normen, die für jeden ersichtlich sind. Gruppendynamik findet

insbesondere auf der Hinterbühne statt, dort wo nicht mehr jeder Zuschauer Zugang

hat. Der Umgang mit Macht und Einfluss innerhalb einer Gruppe wird also bestimmt

von äußeren Bedingungen sowie den einzelnen Menschen mit den ihnen eigenen

Bedürfnissen nach Macht und Einfluss und ihren gelernten Verhaltensweisen bezogen

auf dieselben.175

Die Methoden mit denen innerhalb von Organisationen Macht aufgebaut und eingesetzt

wird, werden auch als Mikropolitik zusammengefasst. Mikropolitische Engagement

findet immer innerhalb einer Organisation statt und es nutzt dafür Freiräume und

Widersprüche. Im positiven Sinne schafft mikropolitische Aktivität beispielsweise mehr

Flexibilität und Raum für Innovation und Entwicklung. Allerdings werden insbesondere

in Zeiten von Umstrukturierungen mikropolitische Aktivitäten häufig nicht mehr dazu

genutzt, um Organisationsziele schneller und besser zu erreichen, sondern um eigene

Interessen und Ziele durchzusetzen. Häufig geht es hier um den Erhalt oder die

Ausweitung des eigenen Machtbereiches oder das Vorantreiben der eigenen Karriere.176

174 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 35 f. 175 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 37 f. 176 Doppler, K.; Fuhrmann [u.a.] (2002): 42 ff.

6.3.3 Die Dimension der Intimität

Die dritte Dimension befasst sich mit der Nähe und Distanz, die innerhalb einer

Gruppe gelebt wird.177 Intimität bezieht sich dabei auf das ernsthafte Interesse an dem

einzelnen Menschen, losgelöst von der Maske seiner beruflichen Rolle.178 Sie kann so

gestaltet werden, dass man Abstand zueinander hält und der Umgang innerhalb der

Gruppe einen eher sachbezogenen Aspekt einnimmt. Es gibt aber beispielsweise auch

Arbeitsteams, wo viel über das Privatleben erzählt wird oder sogar ein reges informelles

Treiben außerhalb der Arbeitszeiten stattfindet. Grundsätzlich geht es in dieser

Dimension um die Fragen nach Sympathie und Antipathie zwischen den einzelnen

Gruppenmitgliedern und die daraus resultierende Gestaltung von Annäherungs- und

Abstoßungsprozessen. Häufig gibt es auch bestimmte Personen innerhalb einer Gruppe

zu denen Nähe ein gewisses Privileg darstellt und als attraktiv angesehen wird.

Machtzentren ordnen sich häufig um diese Personen herum an und deshalb ist deren

Meinung für alle anderen Teammitglieder häufig von großer Bedeutung. Dies kann sich

natürlich ebenfalls auf deren Meinung zu anstehenden Veränderungsvorhaben beziehen.

Die Dimension von Nähe und Distanz ist also auch mit den anderen beiden

Dimensionen Macht und Zugehörigkeit eng verknüpft.179

Das heißt die Einflussnahme der sozialen Gruppe auf den einzelnen Mitarbeiter ist

ebenso gegeben, wie der Einfluss des Einzelnen auf die Gruppe. Dabei zeigt der

Einfluss der Gruppe Wirkung in Bezug auf „Menge und Qualität seiner Arbeit, auf die

Motivation und die Attitüden, auf seine Loyalität, auf seine Forderungen gegenüber der

Organisation, auf sein Fernbleiben von der Arbeit, auf Krankenstand und

Kündigungshäufigkeit, auf sein Risiko- und Entscheidungsverhalten, aber auch auf

Initiative und Verantwortlichkeit“180. Somit sind Gruppendynamische Prozesse und

Rollen innerhalb von Arbeitsteams zu einem wichtigen Faktor für die Planung und

Durchführung von Veränderungsvorhaben zu bewerten.

177 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 38 178 Senge, P. M.; Kleiner, A. [u.a.] (1997): 81 179 König, O.; Schattenhofer, K. (2006): 38 ff. 180 Weinert, Ansfried B. (1992): 375

6.4 Gruppendynamik im Veränderungsmanagement

Differenziert werden muss also zwischen der Vorderbühne und der Hinterbühne einer

Organisation. Auffallend ist, dass bei der Planung von Veränderungen häufig nur die

Vorderbühne mit einbezogen wird. Das heißt es werden Strukturen und Organigramme

verändert, Arbeitsprozesse umgewandelt und Mitarbeiter versetzt. Vergessen wird dabei,

dass das Organigramm nun mal nicht enthält, wie sich die Zusammenarbeit wirklich

gestaltet, wie das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Abteilungen aussieht, wer

tatsächlich über ein bestimmtes Wissen und bestimmte Erfahrungen verfügt und wer

weiß, welche Wege man beschreiten muss, um bestimmte Dinge zu erreichen. Vorder-

und Hinterbühne gibt es auch bei dem Informationsfluss innerhalb einer Organisation.

Die offiziell herausgegebenen Informationen werden immer noch ergänzt um eigene

Meinungen und Vermutungen, es werden Gerüchte kreiert und es gibt offizielle

Informationen, die noch nicht offen gemacht wurden, dafür aber hinter vorgehaltener

Hand weitergetratscht werden, weil es irgendwo eine undichte Stelle gab.181 Besonders in

Veränderungsprozessen fließen informelle und formelle Strukturen,

Arbeitsbeziehungen, Rollenverständnisse und persönliche Wahrnehmungsmuster häufig

ineinander und produzieren Beziehungsfragen, Fantasien, Ängste und

Ausweichsysteme.182

Ein Arbeitsteam ist ein Ort spontaner Strukturbildung, es organisiert sich selbst. In

diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich noch einmal daran zu erinnern, dass die

einzelnen Teammitglieder das Team mit lebensnotwendigem Material in Form von

ihren persönlichen Zielen beliefern, welches die Grundlage für den Gruppenvertrag

bildet. Das heißt ein Team kann sich nur auf der Basis verändern, dass neues

Gedankenmaterial von Einzelnen in den Zielpool des Teams eingespeisst wird. Indem

die Teammitglieder also ihre Ziele verändern, also verändertes Rohmaterial liefern,

kommt es auch zu einer Bewegung innerhalb des Teams und letzlich zu einer

Veränderung der Teamziele. Die einzelnen Mitarbeiter sind also die Träger von

Veränderungsbereitschaft.183

Doch wie in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt, haben Menschen grundsätzlich

die Tendenz, an stabilen Mustern festzuhalten, wobei sie sich, bedingt durch ihre

individuelle Persönlichkeit, besser oder eben auch schlechter auf Veränderungen

181 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 44 f. 182 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 142

einstellen können. Wenn wir es jetzt innerhalb eines Teams mit einem Mitarbeiter zu

tun haben, dem Umstrukturierungsprozesse Angst machen, wird er anfangen, gegen

diese Umstrukturierungen, in welcher Form auch immer, Widerstand zu leisten. Durch

positive Rückkopplungen kann es dazu kommen, dass immer mehr Teammitglieder

anfangen, sich gegen die anstehenden Veränderungsprozesse auszusprechen. Denn

Menschen orientieren sich aneinander, an anderen Personen, anderen Gruppen und

anderen Meinungen. Insbesondere Stress, Ablenkung oder Müdigkeit „machen

Menschen empfänglich für Informationen, welche Einstellungen, oder

Personenwahrnehmung verändern können“184. Und Stress entsteht häufig in

mehrdeutigen Situationen, wo Menschen nicht mehr in der Lage sind Zusammenhänge

zu begreifen, also auch in Veränderungsprozessen.185 Hierbei kommen neben der

eigenen Einstellung gegenüber den Veränderungen im Unternehmen also noch der

Wunsch nach Zugehörigkeit, Nähe, Akzeptanz, Macht und Einfluss. Also die Elemente,

die neben der eigenen Persönlichkeit noch die soziopsychologische Dynamik innerhalb

einer Gruppe und somit eines Teams ausmachen. Wenn sich also genügend

Teammitglieder gegen das anstehende Veränderungsvorhaben aussprechen, kann es

sein, dass sich der Gruppenvertrag, also der Zielpool des Teams dahingehend ändert,

dass es plötzlich das Ziel ist, geplante Veränderungen nicht mitzutragen.

Wenn also nicht auf den individuellen Arbeitnehmer mit seinen Einstellungen und

seinen Emotionen eingegangen wird und die Führungsebene an Mitarbeitern vorbei

plant, sie als Betroffene, aber nicht am Prozess Beteiligte ansieht, kann sich die

informelle Hinterbühne einer Organisation schnell in die eigentliche Bühne verwandeln.

„Das Spiel, das ansteht heißt: Unterlaufen. Widerstand in seinen unterschiedlichsten

Formen wird vorbereitet und bald auch praktiziert. Die Methoden können

unterschiedlich sein: Wegdrücken, Schlechtmachen, Dienst nach Vorschrift,

Grundsatzdiskussionen führen, So-tun-als-ob.“186 Plötzlich entsteht eine Dynamik, die

sich mehr und mehr zu einer Widerstandstruktur verfestigen kann. Das heißt es entsteht

neben der Dynamik, die eh bereits Bestandteil des Veränderungsprozesses ist, eine

zusätzliche Dynamik von beteiligten und auch weniger beteiligten Gruppen. Diese

183 Stahl, E. (2007): 17 184 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 531 185 Doppler, K.; Fuhrmann, H. (2002): 128 f. 186 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 155

arbeiten mit kontraproduktiver Energie entgegen gewünschter Veränderungen und

laden die instabile Situation weiter auf.187

Denn zu vergessen ist nicht, dass, wenn in einer Organisation grundlegende

Veränderungen eingeführt werden sollen, es notwendig ist, dass die Organisation in

einen Zustand von Instabilität geführt wird. Denn erst jetzt kann sie in einen neuen

Ordnungszustand übergehen. Doch ist der Zustand von Instabilität erst einmal erreicht,

bedeutet dies ebenfalls, dass sich die Organisation in einem äußerst sensiblen Zustand

befindet.188 Und in welchen Ordnungszustand ein System übergeht, wird im Rahmen

des Phasenübergangs ausgetestet und einer der möglichen Zustände formiert sich in

Form eines Ordnungsparameters, dem sich die einzelnen Systemelemente unterordnen.

Das heisst, „es ist vorhersehbar, dass Ordnung entsteht, nicht jedoch, welche“189. In

diesem Zusammenhang sei das klassische Beispiel der Chaostheorie zu erwähnen, und

zwar, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Orkan in einem anderen Land

verursachen kann. Das heißt kleine Ursachen können große Wirkungen herbeiführen.

Wenn also Mitarbeiter beginnen Widerstand zu leisten, der nicht durch die

Führungsspitze bearbeitet wird, kann dies schnell dazu führen, dass sich dieser

Widerstand fortsetzt, es also zu expositionellen Verknüpfungen innerhalb des

Organisationssystems kommt und sich eine Widerstandsstruktur entwickelt. Haben sich

diese Strukturen erst einmal gebildet ist es sehr schwierig, sie wieder zu lösen. Denn

Systeme haben ja bekanntlich eine Tendenz zur Stabilität. Ebenfalls sind „etablierte

Attraktoren (z.B. Einstellungen oder Handlungsstrategien) (...) in Gruppen oft stabiler

als bei Einzelpersonen, eventuell weil der Aufwand für ihre Generierung größer war (...),

weil sich Gruppennormen etabliert haben, oder weil man nicht nur Gesichtsverlust vor

sich selber, sondern auch implizite oder explizite soziale Sanktionen befürchtet. So mag

auch der Hystereseeffekt, also die Überhangstabilität eines Attraktors bei geänderten

Bedingungen und Kontrollparametern (...) in Gruppen noch ausgeprägter sein.“190 Man

kann generell formulieren, dass sich in Gruppen die Tendenzen extremisieren, die bei

den Einzelmitgliedern vorliegen.191

187 Doppler, K.; Fuhrmann, H. [u.a.] (2002): 25 188 Kruse, P. (2004): 56 189 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 38 190 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 535 191 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 535

Wo also ein strikter institutioneller Rahmen fehlt, sprich sich eine Organisation in einem

Zustand von Instabilität befindet, stiften Kommunikationsprozesse, Tausch und

Austausch das Netz, das die Handlungsträger verbindet und bilden durch diesen

Vorgang Strukturen aus. Diese Strukturbildung geschieht in Form eines sozialen

Prozesses, jedoch meist sogar unbewusst durch das Agieren der unterschiedlichen

betroffenen Individuen. Durch die Anhäufung, also Verdichtung bestimmter

individueller Verhaltensweisen kann also eine Struktur entstehen. Hierbei liegt ein

zyklisches Modell zugrunde, dass in Form von Rückkopplung, Resonanz und

Selbstverstärkung verläuft.

7 Management von komplexen Systemen

Anhand der dargestellten Theorien konnte erklärt werden, wie die Entstehung und

Dynamik von Widerständen gegenüber organisationalen Veränderungsprozessen

stattfindet. Festzustellen ist, dass es immer noch die Menschen in einer Organisation

sind, die die wesentlichen Funktionen erfüllen und auch diejenigen sind, die den Verlauf

des Veränderungsprozesses erheblich mitbestimmen. Ebenfalls konnte verdeutlicht

werden, dass es sich bei dem einzelnen Mitarbeiter oder bei einem Arbeitsteam um

Personen handelt, die nicht fremdbestimmt sein wollen, deren jeweilige Biographien

Einfluss auf ihr Verhalten haben und dieses Verhalten zusätzlich noch durch das

Verhalten von anderen Menschen beeinflusst wird und somit häufig nicht vorhersehbar

ist. Mit dieser Unbestimmtheit und Dynamik ist umso stärker zu rechnen, je

unbestimmter und instabiler die Umwelt der Mitarbeiterschaft wird.

Im letzten Kapitel dieser Arbeit wird nun beim Management von Veränderungen

angesetzt. Denn Management von „Humansystemen“ hat unter anderem die Funktion,

deren wirksamen Umgang mit Veränderung und somit mit Unbestimmtheit, Instabilität

und Widerstand zu gewährleisten. Dabei muss sich gutes Management auf die jeweils

individuellen Bedürfnisse seiner Mitarbeiter nach Struktur und Führung einstellen. Es

geht nun im wesentlichen um die Beantwortung der Fragen, wie das Verständnis und

die Gestaltung von Veränderungsmanagement unter der Berücksichtung der

vorangegangenen Ausführungen aussehen kann. Wenn jedoch von Management

gesprochen wird, wird die Blickrichtung auf die Führungsebenen einer Organisation

gelenkt. Und zwar auf die Führung von einer Organisation durch eine Phase von

Instabilität. Führung ist der Initiator von Veränderung und es ist die Aufgabe von

Führung, Veränderung vorzubereiten, zu kommunizieren, durchzuführen und dabei als

Vorbild zu fungieren.192

7.1 Management von Instabilität

Es lässt sich auf der Basis von der Chaostheorie natürlich fragen, in wie weit sich

Organisationen in Zeiten des Wandels überhaupt führen lassen. Meistens geht man im

Management ja von der Planbarkeit von Prozessen aus, wobei diese Planung auf der

Basis von unterschiedlichsten Methoden erfolgt. Dieser Anspruch und der Nutzen

dieser Methoden lässt sich aus der chaostheoretischen Perspektive allerdings nur bedingt

halten. Mintzberg formuliert bezüglich Planung etwas provokant folgendes: „Experts in

the techniques of forcasting and planning perform the function of magicians in

primitive society. They provide a basis for a decision when there is no rational method.

These techniques are not far removed from the ancient techniques that we now scoff at,

such as reading the entrails of slaughtered animals or gazing into crystal balls.“193

Planung kann dadurch, dass sie Menschen das Gefühl vermittelt, Kontrolle über einen

Prozess zu haben, Sicherheit und Orientierung bieten.194 Bedingt durch den instabilen

Zustand einer Organisation im Rahmen von organisationalen Veränderungsprozessen,

sprich deren prinzipieller Offenheit der Zukunft gegenüber, ist Kontrolle über die

zukünftigen Entwicklungen jedoch kaum möglich. „In pragmatischer Hinsicht ergibt

sich daraus die Konsequenz, dass langfristige Planungen immer weniger zur

Verbesserung der Orientierung beitragen können. Selbst wenn alle Beziehungen in

Organisationen deterministisch und die diesen zugrundelegenden Gesetzmäßigkeiten

bekannt wären, würde die Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen langfristige

Prognosen unmöglich machen.“195

Wichtig für die Unternehmensführung ist also, als ersten Schritt nicht mehr davon

auszugehen, dass man immer und vor allem alles innerhalb einer Organisation unter

Kontrolle hat. Durch innere und äußere Systemstörungen beeinflussen so viele Dinge

die Systemdynamik, dass „selbst in bester Absicht und unter größter Umsicht

durchgeführte Maßnahmen sehr häufig zu anderen Ergebnissen führen, als wir

eigentlich wollten, und dass unsere Möglichkeiten ein System zu beherrschen, letztlich

begrenzt sind“196. Das gilt insbesondere für die Planung und Durchführung von

Veränderungsprozessen. Hier erlebt man permanent, dass das Organisationssystem mit

seinen jeweiligen Mitarbeitern oft nicht in erwarteter Weise auf Input reagiert oder per

Knopfdruck das tut, was die Unternehmensführung will. Doch wie kann Management

hier steuernd eingreifen?

Wie die Chaostheorie beschreibt, sind Stabilität und Instabilität miteinander verknüpft

und es lassen sich in jedem Geschehen immer beide Komponenten ausmachen. Da sich

eine Organisation also entweder in einem Zustand von Stabilität, oder in dem Zustand

von Instabilität befindet, muss sich auch das Management auf beide der organisationalen

192 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 588 193 Mintzberg, H. (1994): 211 194 Mintzberg, H. (1994): 212 ff. 195 Holtbrügge, D. in Schreyögg, G.; Conrad, P. (2000): 126

Zustände einstellen können. Das Ziel von Management muss es also sein, eine Balance

zwischen Stabilität und Instabilität herzustellen. Doch worin unterscheidet sich das

Management von stabilen bzw. instabilen Organisationsphasen?

Beim Management von stabilen Phasen kann gut mit bekannten Methoden gearbeitet

werden, da die Führungsperson ihre Organisation und deren Abläufe kennt. Das heißt,

das was passiert, kann auf absehbare Zeit vorhergesehen werden. Hierfür müssen durch

die Führung Situationsanalysen gemacht werden, auf deren Basis Zielbestimmungen

formuliert und Maßnahmenkataloge entwickelt werden. Die Ergebnisse der Maßnahmen

werden in regelmäßigen Abständen mit einem Soll-Ist Vergleich überprüft, um bei

einem Verlassen des geplanten Entwicklungsverlaufs frühzeitig gegensteuern zu

können.197

Bei der Durchführung von Veränderungsvorhaben ist dieses Verfahren jedoch zum

Scheitern verurteilt, da es in instabilen Situationen keine Vorhersehbarkeit gibt. Das

Management von Instabilität muss im Verlauf der Veränderung bei seiner Planung

immer wieder die aktuelle Ist-Situation berücksichtigen. Das bedeutet, hier ist ein

sensibles Wahrnehmen kleinster Veränderungen und die entsprechende schrittweise

Anpassung bzw. Neuformulierung der Zielvorstellungen mit den vorgefundenen

Bedingungen erforderlich.198 Doch das ist noch längst nicht alles. Führungsqualität heißt

hier ebenfalls die Fähigkeit Visionen für die Veränderung zu entwickeln und sie so

überzeugend zu übermitteln, dass sie von den Mitarbeitern mitgetragen werden und

Orientierung bieten. Wenn die Visionen klar kommuniziert werden, bieten sie letztlich

Sicherheit, da deutlich ist, in welche Richtung die Veränderungsmaßnahmen gehen.

Ebenfalls gehört zum Management von Instabilität die Bereitschaft Fehler und

Leistungseinbrüche gelten zu lassen und sie als einen Teil des Lernprozesses zu

akzeptieren, Kreativität durch die Entwicklung ungewöhnlicher Szenarien zu fördern

und vor allem auch selber die Unsicherheiten, die mit einer Veränderung einhergehen

auszuhalten und Risikobereitschaft glaubhaft vorzuleben.199

196 Malik, F. (1993): 198 197 Kruse, P. (2004): 62 f. 198 Kruse, P. (2005): 49 199 Kruse, P. (2004): 76

7.2 Management auf der Basis von Chaostheorie und Synergetik

Der Verlauf von Veränderungsprozessen wird durch unterschiedlichste Faktoren

beeinflusst, die von Führung mit beachtet werden müssen, um ein erfolgreiches

Veränderungsvorhaben zu initiieren. Wichtig ist, dass man sich mit seiner

Aufmerksamkeit nicht nur auf einen einzelnen Faktor bezieht, sondern das

Gesamtsystem einer Organisation mit in den Blick nimmt. Die Fragen, die gestellt

werden müssen sind: Worauf und wie können wir Einfluss nehmen? Und welche

Ergebnisse kann das Management letztlich erwarten?

Haken hat mit seinem „synergetischen Modell der Macht“ eine graphische Darstellung

geschaffen, die das Zusammenwirken der einzelnen Faktoren in einer Organisation

noch einmal vor Augen führt.

Abb. 17: Ein synergetisches Modell von Macht

Quelle: Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 603

Wie in Abb. 17 zu erkennen ist und bereits im Kapitel über die Systemtheorie erläutert

wurde, sind Organisationen immer abhängig von ihren Randbedingungen, also den

systemexternen und systeminternen Strukturen. Dabei sind mit internen

Randbedingungen beispielsweise die Gestaltung von Regeln und

Kommunikationswegen, Ablaufroutinen und Gewohnheitsrechten innerhalb der

Organisation gemeint. Als externe Randbedingungen kann die externe Umwelt einer

Organisation bezeichnet werden, mit der eine Organisation immer in Form von

strukturellen Kopplungen in einem Austausch steht und ihn gleichzeitig gestaltet. Diese

Randbedingungen beeinflussen sowohl die Ordner innerhalb einer Organisation, als

auch die Kontrollparameter.

Kontrollparameter sind die Größen, welche auf ein System einwirken und deren

Änderung einen Phasenübergang bewirken kann. Das heißt, um Veränderungen zu

veranlassen, kommt es für die Unternehmensführung darauf an, dass sie über die

nötigen Kontrollparameter verfügt. Kontrollparameter können die Motivation für die

entsprechende Veränderung sein, Information und Kommunikation über die

anstehenden Entwicklungen oder emotionale Energie oder Sicherheit. Über ihre Hilfe

lässt sich das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter beeinflussen und verändern. Gelingt

es einer Führungsperson nicht, die entsprechenden Kontrollparameter zu finden,

werden sich die Mitarbeiter nicht von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugen

lassen.200 Wie die Kontrollparameter aussehen müssen, ist wiederum abhängig von den

jeweiligen Mitarbeitern und ihrer Persönlichkeit.

Was genau die Mitarbeiter brauchen, wird Führung jedoch nur in einer direkten

Kommunikation mit ihnen herausfinden können. Denn wie in Kapitel 5.4. beschrieben,

bestehen soziale Systeme aus Kommunikation, also aus dem Austausch von

Informationen. Denn Kommunikation ist die Operation, auf deren Basis sich das

System bildet und verändert. Doch wie der sozialen Konstruktivismus erklärt, handeln

Menschen nicht auf der Basis von einer objektiven Wirklichkeit, sondern auf der Basis

dessen, was sie für wirklich halten. Aus diesem Grund „müssen [von Führung; C.H.] die

Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozesse studiert werden, durch die sich die

Systemelemente ihre Wirklichkeit schaffen; muss untersucht werden, wie Lern- und

Erfahrungsprozesse diese Wirklichkeit verändern oder auch bestätigen; muss verstanden

werden, wie geistige Dinge, wie Ideen, Gerüchte, Meinungen, Intrigen usw. entstehen,

sich wandeln und fortpflanzen, ein Eigenleben annehmen usw.“201. Kontrollparameter

wie Motivation können also nicht nur durch so genannte „hard facts“ und

überzeugende Argumente gestaltet werden. Sie sind weitaus sensibler und umfassen

ebenfalls Komponenten wie Wertschätzung oder Anerkennung.202

Durch das von den Kontrollparametern beeinflusste Verhalten der einzelnen

Mitarbeiter entstehen mittels eines selbstorganisatorischen Prozesses Ordner, denen sich

die einzelnen Systemelemente unterordnen (versklaven). Dieser Vorgang wird neben

200 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 603 201 Malik, F. (1993): 186

den verschiedenen Persönlichkeiten der einzelnen Mitarbeiter zusätzlich durch

gruppendynamische Prozesse beeinflusst. Eine Struktur (Ordner), die beispielsweise

entstehen kann, ist der Widerstand gegenüber den anstehenden Veränderungen. Auch

der Ordner Unternehmenskultur beeinflusst die Fähigkeit einer Organisation und ihrer

Mitglieder sich zu verändern massiv. Da es sich bei einer Organistion um ein soziales

System handelt, ist auch hier Kommunikation zwischen den einzelnen Mitarbeitern als

eine grundlegende Basis für eine Strukturentstehung in Form von Ordnern zu sehen.

Die innerhalb einer Organisation entstandenen Ordner wirken sich wiederum auf

interne und externe Randbedingungen aus.203

Auf der Grundlage der in dieser Arbeit dargestellten, theoretischen Aspekten von

Widerstand gegenüber Veränderungsprozessen in einem Organisationssystem besteht

die Aufgabe von Führung darin, geeignete Bedingungen für Selbstorganisation, also für

dynamische Ordnungsübergänge zu schaffen. Hierzu gehört die Herstellung von

stabilen Randbedingungen für die nicht selten turbulenten Prozesse der

Selbstorganisation. Unter stabilen Randbedingungen wird beispielsweise die von

Mitarbeitern erlebte Sicherheit innerhalb einer Organisation und Stärkung des eigenen

Selbstwertgefühls verstanden. Hierzu gehört auch die Sicherheit des eigenen

Arbeitsplatzes. Gleichzeitig muss Führung Kontrollparameter erzeugen, die beim

Menschen oft mit intrinsischer Motivation und mit Emotionen zu tun haben.

Mitbeachtet werden muss außerdem die zeitliche Synchronisation von Vorgaben und

Inputs durch das Management mit dem Entwicklungstempo der Mitarbeiter. Denn

abhängig von ihrer Persönlichkeit benötigen die Mitarbeiter unterschiedlich viel Zeit,

um sich auf Veränderungen einstellen zu können. Der Führung einer Organisation

fallen also zentrale Aufgaben zu, wenn sie ihr Unternehmen erfolgreich durch die für

eine Veränderung notwendige Phase der Instabilität führen wollen.

7.2.1 Der Stellenwert von Führung

Die Person des Führers, sein Verhalten, sein Stil und daraus resultierend das

Führungsklima beeinflusst also die Aspekte des Organisationsgeschehens und ist somit

für das erfolgreiche Durchlaufen von Veränderungsprozessen von enormer

Bedeutung.204 Führungsverhalten nimmt also einen starken Einfluss auf das Erleben und

202 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 603 203 Haken, H.; Schiepek, G. (2006): 604 204 Weinert, A. B. (1992): 340

Verhalten der einzelnen Mitarbeiter, auf Arbeits- und Gruppenprozesse und auf

Aspekte wie Planung, Kontrolle und Mitbestimmung. Dies lässt sich auf systemische

Rückkopplungsprozesse zurückführen. Die Rückkopplungsprozesse werden durch die

besondere Funktion einer Führungskraft allerdings noch einmal verstärkt, da

Führungspositionen mit Macht und Einfluss einhergehen und ihnen die Gestaltung von

Veränderungsprozessen in einem grossen Umfang obliegt.

Die Darstellung dessen, wie wichtig die menschliche Persönlichkeit mit ihren

individuellen Verhaltensmustern ist, wenn es um die erfolgreiche Durchführung von

Veränderungsprozessen geht, war ein wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit. Dies gilt

jedoch nicht nur für die „normalen“ Mitarbeiter, die letztlich mit dem anstehenden

Veränderungsvorhaben konfrontiert werden, sondern ebenfalls für die Führungskräfte.

Wie bereits in Kapitel 4.4.3 vorgestellt, formulieren Judge, Thoresen [u.a.] als ein

Ergebnis ihrer Studie, dass es einen Zusammenhang zwischen bestimmten

Persönlichkeitskonzepten von Managern und dem erfolgreichen Umgang mit

Veränderungen gibt.205 Gleichzeitig gelten für die Führungsetage, also häufig die

Initiatoren des Veränderungsvorhaben, ebenfalls Phänomene wie Hysterese, das

Festhalten an alten Verhaltensmustern, das Aufkeimen von Emotionen wie

Unsicherheit und Angst in Bezug auf anstehende Veränderungen. Das bedeutet, dass es

auch hier zu Formen von Widerstand kommen kann. Nicht selten verstricken sich die

Machtetagen in Unternehmen dadurch in so tiefgehende mikropolitische Aktivitäten,

dass sie kaum mehr in der Lage sind, ihre Mitarbeiter im Veränderungsprozess zu

begleiten. Da jedoch die eigene Persönlichkeit und die eigene Einstellung gegenüber

Veränderungsmaßnahmen eine so wichtige Rolle spielt, sollte sich jede Führungskraft

dazu anhalten, ihre eigene Veränderungsbereitschaft zu überprüfen. Denn wie sagt man:

„Der Fisch fängt am Kopf zuerst an zu stinken“. Fehlt das Fundament für

Veränderung, sprich: ist die Führung eines Unternehmens nicht überzeugt, werden sich

auch die Mitarbeiter nicht überzeugen lassen.

Auch wenn das Thema Führung in diesem Zusammenhang nicht umfassend behandelt

werden kann, lässt sich formulieren, dass „eine Führungsperson, um erfolgreich zu sein,

neben Variablen des Selbstverständnisses, des Bewusstseins über den Einfluss des

eigenen Führungsstils auf die Gruppe, der Gruppen- und Situationsvariablen, der

Gruppendynamik und der Persönlichkeitscharakteristika, vor allem ein fundiertes

205 Judge, T. A.; Thoresen, C. J. (1999): 118

Wissen über die Motivation der Geführten und über interindividuelle Unterschiede

haben muss“206. Ziel von Führung in einem Veränderungsprozess kann es also nicht nur

sein, vordeterminierte Ziele blind zu erreichen. Es geht innerhalb des

Führungsprozesses vor allem darum, die Ziele der einzelnen Individuen, die des Teams

und die der Organisation so miteinander zu verbinden, dass möglichst viele der oft

unterschiedlichen Ziele erreicht werden können. Die Qualität einer Führungsperson

kann hier insbesondere daran gemessen werden, „inwieweit ihr Einfluss und ihre Macht

zur Veränderung von Attitüden und Verhalten der Mitarbeiter beiträgt, diese Mitarbeiter

belohnt, zufrieden stellt und ihren eigenen Zielen näher gebracht hat“207.208

7.2.2 Führung und Widerstand

Zur Führungsaufgabe gehört es während eines Veränderungsprozesses auch, sich mit

den Widerständen innerhalb der Mitarbeiterschaft auseinander zusetzen. Dies impliziert

ebenfalls, dass die jeweilige Führungskraft die Ursachen von Widerständen kennt und

den Widerstand der Mitarbeiter richtig bewertet.

Um mit Widerstand umgehen zu können, muss Führung über unterschiedlichste

Faktoren informiert sein, die das Verhalten von Mitarbeitern beeinflussen können:

� die Motive und Ziele der einzelnen Mitarbeiter,

� die Persönlichkeit der jeweiligen Mitarbeiter und das dadurch resultierende

Bedürfniss nach Unabhängigkeit, Sicherheit, Klarheit, Mitbestimmung etc.,

� die jeweiligen Rollen, die die Einzelnen im Team einnehmen,

� die gruppendynamischen Prozesse,

� den Grad des Verständnisses über die Problematik, die zu den anstehenden

Veränderungen führt.

Zusätzlich hilfreich ist ein Blick in die Literatur über Veränderungsmanagement. Hier

werden die Mitarbeiter einer Organisation häufig in verschiedene Typisierungen

unterteilt, die darstellen sollen, wie sich die Kombination von individueller

Persönlichkeit und gruppendynamischen Elementen auf Mitarbeiterverhalten gegenüber

Veränderungsvorhaben auswirken kann. Differenziert werden kann zwischen

„Visionären und Missionaren“, „aktiven Gläubigen“, „Oppertunisten“, „Abwartenden

206 Weinert, A. B. (1992): 377 207 Weinert, A. B. (1992): 345 208 Weinert, A. B. (1992): 345

und Gleichgültigen“, „Untergrundkämpfern“, „offenen Gegnern“ und „Emigranten“.

Diese Typisierungen sind zwar plakativ und sollen den Blick auf den Einzelnen nicht

ersetzen, helfen jedoch, einen Überblick auf die verschiedenen Rollen innerhalb einer

Organisation zu bekommen.

Abb. 18: Typische Einstellungen gegenüber dem organisationalen Wandel

Quelle: Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 149

Visionäre und Missionare sind häufig die Initiatoren von Veränderung und haben es

sich zum Ziel gemacht, die anderen Organisationsmitglieder von der Notwendigkeit

derselben zu überzeugen. Durch ihre Arbeit wächst die Zahl der aktiven Gläubigen, also

der Mitarbeiter, die den Wandel nicht nur akzeptieren, sondern sich persönlich dafür

einsetzten. Oppertunisten fokussieren die persönlichen Vor- und Nachteile bezüglich

anstehender Veränderung und bewegen sich dabei zwischen Zustimmung und Skepsis.

Die Mehrheit der Mitarbeiter sind als Abwartende und Gleichgültige zu typisieren, die

keine grosse Bereitschaft zeigen, sich aktiv an dem Veränderungsprozess zu beteiligen.

Sie möchten zunächst Erfolge sehen, bevor sie sich persönlich einbinden lassen, wobei

sie nicht im Blick haben, dass der Erfolg auch von ihrem eigenen Engagement abhängt.

Ihr Widerstand drückt sich also durch Untätigkeit aus. Den aktiven Part im Widerstand

nehmen die Untergrundkämpfer und offenen Gegner ein. Unterschieden werden kann

hier zwischen den Mitarbeitern, die ihre Kritik offen ausdrücken und denen, die die

informellen und verdeckten Kanäle nutzen, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen

und sich auf diesem Weg Verbündete zu suchen. Als Emigranten können die

Mitarbeiter bezeichnet werden, die sich dazu entschlossen haben, die

Veränderungsvorhaben nicht mitzutragen und entweder formal oder innerlich

kündigen.209 Ziel von Führung muss es also sein, die Zahl der „aktiven Gläubigen“ zu

erhöhen. Sie muss Visionen schaffen und Mitarbeiter dazu bringen, die Bereitschaft zu

entwickeln, sich aktiv am Veränderungsprozess beteiligen zu wollen. Hierzu gehört es

auch, Vorschläge von Mitarbeitern aufzunehmen, denn sie kennen das operative

Geschäft letztlich am besten.

7.2.3 Die Bewertung von Widerstand

Gezeigt werden konnte bislang, dass Widerstand gegenüber Veränderungen in einem

engen Zusammenhang zur menschlichen Natur steht und diese Voraussetzungen in

einem Unternehmen mit ins Blickfeld genommen werden müssen. Das Phänomen

Widerstand ist also als ein völlig natürliches Phänomen zu bewerten und kann als ein

wesentlicher Bestandteil von Veränderungsprozessen angesehen werden. Es gibt keine

Veränderung ohne Widerstand. Ebenfalls als natürlich anzusehen ist die Tatsache, dass

die Mitarbeiter sehr unterschiedlich auf Veränderung reagieren, da jeder mit anderen

individuellen Voraussetzungen ausgestattet ist. Verschärft ausgedrückt, könnte man

sogar formulieren, dass Widerstand die Identität des Einzelnen sichert.

Allerdings wird Widerstand gegen Veränderungsprozesse von Führung meistens nicht

als ein natürliches Phänomen betrachtet, sondern als etwas Negatives bewertet. Er soll

möglichst umgangen werden und wenn er auftritt, wird er häufig ignoriert oder nicht

wahrgenommen, eben weil er nicht auftreten darf. Denn Widerstand integriert sich nicht

in die rationalen Ziele eines Unternehmens und behindert dadurch den Ablauf und

somit den erfolgreichen Abschluss der Maßnahmen. Doch dass gerade die Mißachtung

von Widerstand zu erfolglosen Veränderungsprozessen führt, wird häufig nicht gesehen.

Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und das Wort Widerstand als ein

Synonym für die typische Stabilitätstendenz komplexer Systeme verwenden. Und diese

wiederum geht mit dem Zustand von Instabilität einher, welcher notwendig für eine

grundlegende Veränderung einer Organisation ist. „Häufig wird die Phase der

209 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 149 f.

Instabilität jedoch negativ als Krise beschrieben, und die Deutung der typischen

Stabilitätstendenz der Systeme erfolgt im Sinne eines Widerstands.“210

Diese klassische Bewertung von Widerstand als etwas die Veränderung störendes ist

also weiter zu hinterfragen. Denn wie in dieser Arbeit dargestellt wurde, können sich

innerhalb einer Organisation schnell Widerstandsdynamiken entwickeln, die den Erfolg

von Veränderungsvorhaben massiv gefährden. Um jedoch mit den notwendigen

Interventionen reagieren zu können, ist es die Aufgabe von Führung, auf der Basis von

Fachwissen eine richtige Bewertung über Widerstand in der Mitarbeiterschaft

vorzunehmen. Wichtig ist es, sich bewußt zu machen, dass die jeweilige Attribution

einer Sache natürlich auch Einfluss darauf nimmt, wie man mit ihr umgeht. Sprich,

soziale Wirklichkeit ist nicht einfach gegeben, sondern wird von den jeweiligen

Handlungsträgern auf der Basis ihrer „Wirklichkeit der Alltagswelt“ bzw. mittels

Interpretationen Dritter hergestellt.211 Man nimmt also Verhalten wahr und zieht im

Anschluss Schlüsse darüber, warum, sprich nach welche Zielen, Motiven und

Intentionen sich Menschen in dieser Weise verhalten.212

Bemerke ich als Chef, dass ein Mitarbeiter Veränderungen blockiert, habe ich also

unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Beispielsweise kann ich davon ausgehen,

dass er mich provozieren will oder zu faul ist, sich mit neuen Arbeitstechniken

auseinanderzusetzen oder ich bewerte sein Blockade als einen natürlichen Vorgang, der

nicht absichtlich stattfindet. Entsprechend anders wird meine Reaktion natürlich

aussehen. Und genau aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung für eine

Führungskraft, über die Ursachen von Widerstand und über die Entstehung von

Widerstandsdynamiken informiert zu sein. Weiss ich, warum ein Mitarbeiter mit

Widerstand reagiert, kann ich mein eigenes Verhalten besser auf mein Gegenübr

einstellen.

7.2.4 Widerstand und Emotionen

Dargestellt wurde ebenfalls, dass Emotionen einen direkten Einfluss auf unsere

Entscheidungen und somit auch auf unser Verhalten haben. Es ist sogar so, dass

„wichtige Entscheidungen nur auf der Grundlage von Emotionen möglich“213 sind.

210 Kruse, P. (2005): 80 211 Küpers, W.; Weibler, J. (2005): 105 212 Weinert, A. B. (1992): 417 213 Keuper, F.; Groten, H. [Hrsg.] (2007): 253

Emotionen entstehen unbewusst und lassen uns die Dinge, die wir tun und die um uns

herum passieren in „gut“ und „schlecht“ unterteilen. Auf der Basis eines ungeheuren

Erfahrungschatzes, den wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben, wird das soeben

Wahrgenommene auf der Basis dieser Erfahrungen, man könnte auch sagen dieser

emotionalen Konditionierungen, in Form eines Mustererkennungsprozesses unbewußt

identifiziert und emotional bewertet.

Der Verstand und unsere Vernunft, also unser logisches, rationales Denken, setzt erst

später ein und zwar dann, wenn es um Dinge geht, die komplexer sind und eine längere

Handlungsplanung benötigen.214 Letztlich ist es so, dass unsere Emotionen das erste

und das letzte Wort gegenüber unserem rationalen Denken haben. Das heißt, „alles, was

Vernunft und Verstand als Ratschläge erteilen, muss für denjenigen, der die eigentliche

Handlungsentscheidung trifft, emotional akzeptabel sein“215. Man kann sagen, es gibt

zwar ein rationales Abwägen von verschiedenen Handlungsoptionen und den mit ihnen

einhergehenden Konsequenzen, aber es existiert kein reines rationales Handeln. Erst

wenn mögliche Konsequenzen mit starken Emotionen verbunden sind, hat Vernunft

quasi eine Chance.

Mit Blick auf die Führung von Veränderungsprozessen ergeben sich hier zwei

Konsequenzen: Zum einen wird es keiner Führungskraft gelingen, Emotionen aus dem

Veränderungsprozess auszugliedern. Sie gehören dazu. Zum anderen sind Menschen

und ihr Verhalten nicht über rationale Argumente zu verändern. Nur so lässt sich auch

das Phänomen von Widerstand gegenüber absolut logischen und notwendigen

Veränderungsvorhaben erklären.216

7.2.5 Der Nutzen von Widerstand

Eine weitere Perspektive bei der Bewertung von Widerstand ergibt sich aus der

Chaostheorie. Denn zu vergessen ist nicht, dass eine Organisation in den Zustand von

Instabilität geleitet werden muss, um in einen neuen Ordnungszustand übergehen zu

können. In diesem Zustand von Instabilität ist eine Organisation jedoch äußerst sensibel

gegenüber Störungen. Aus diesem Grund könnte der Widerstand einzelner Mitarbeiter

durchaus positiv von Führung genutzt werden. Denn die Mitarbeiter, die Widerstand

214 Keuper, F.; Groten, H. [Hrsg.] (2007): 253 ff. 215 Keuper, F.; Groten, H. [Hrsg.] (2007): 256 216 Keuper, F.; Groten, H. [Hrsg.] (2007): 256 f.

leisten, sind im positiven Sinne formuliert Bewahrer einer alten Ordnung. Ihr Verhalten

garantiert möglicherweise der Organisation eine gewisse Stabilität. Das heißt, ihre

Ordnungserhaltung stärkt die Organisation in einem Zustand der Instabilität und

bewahrt sie davor, nicht zu schnell und unüberlegt in einen neuen Ordnungszustand

überzugehen. Sprich durch die Bewahrer alter Ordnungen wird dem Management mehr

Zeit gegeben, eventuell steuernd auf sich entwickelnde Prozesse Einfluss zu nehmen.

Ebenfalls sollte niemals vergessen werden, dass bestimmte alte Strukturen,

Vorgehensweisen, Prozesse oder Verhaltensweisen auch gut funktioniert haben. Durch

die Bewahrer alter Ordnungen kann hier die Funktion erfüllt werden, noch einmal zu

überdenken, was wirklich geändert werden muss und welche Erfahrungen und

Arbeitsweisen möglicherweise sogar bei umfassenden Veränderungen weitergenutzt

werden können.

Ebenfalls kann es nicht das Ziel eines Unternehmens sein, nur Mitarbeiter zu

beschäftigen, für die Veränderung und Instabilität ein willkommenes und gesuchtes

Risiko ist. Dies sind zwar Mitarbeiter, die für die Initierung von Neuanfängen und den

Verlauf von Veränderungsprozessen dem Unternehmen wertvolle Dienste leisten.

Allerdings sind sie auch diejenigen, die bei Routineaufgaben und der Optimierung oder

Qualitätssicherung von einem bestehenden Zustand weit weniger Befriedigung

empfinden und dadurch schlechter einsatzfähig sind. Unterschiedliche Persönlichkeiten

und Rollen innerhalb eines Teams sind von grosser Bedeutung, um nicht nur die

richtigen Mitarbeiter für die Zeit des Wandels in einem Unternehmens zu besitzen,

sondern auch gleichzeitig die Profitabilität in stabilen Zeiten sicherzustellen.217

Wichtig für das Management von Veränderung ist es also nicht, Widerstand

grundsätzlich zu verhindern. Dies würde letztlich eine Verschwendung von

Arbeitsleistung bedeuten. Gleichzeitig ist es jedoch falsch, Widerstand zu ignorieren

oder nicht wahrzunehmen. Denn die Konsequenzen eines derartigen Verhaltens von

Seiten des Managements birgt eine Gefahr für den weiteren Verlauf des

Veränderungsprozesses. Denn erst eine fehlende Reaktion auf erste Anzeichen von

Widerstand ermöglicht es, dass sich eine Widerstandsdynamik entwickeln kann, die das

Veränderungsvorhaben letztlich scheitern lässt. Aufgabe von Management ist es also die

Entwicklung von Widerstandsstrukturen zu unterbinden. Das bedeutet ein bewußtes

Einplanen des Themas Widerstand in das Veränderungskonzept einer Organisation.

217 Kruse, P. (2005): 66, 122

Denn nur so kann es gelingen, erste Anzeichen von Widerstand zu erkennen und diesen

frühzeitig mittels akiver Einbeziehung der Menschen zu bearbeiten.218

7.3 Die Aufgaben von Führung im Veränderungsmanagement

Für das Veränderungsmanagement können die Eigenschaften komplexer Systeme und

die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Mitarbeitern durchaus von Bedeutung sein.

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man sie kennt. Zusammenhänge und

Wechselwirkungen sind also bei der Erklärung von Widerstand und der Initiierung von

Veränderung immer zu beachten. Das bedeutet, dass sich das Management nicht nur auf

einen Faktor beziehen darf, sondern das gesamte Organisationssystem mit in den Blick

nehmen muss. Auf der Basis dieser Arbeit können die folgendenden Ansatzpunkte für

ein erfolgreiches Veränderungsmanagement formuliert werden:

� Die Betrachtung einer Organisation aus systemischer Perspektive

Die Ausbildung eines Verständnisses für Systemverhalten bildet die Grundlage, um

Systeme effektiver verändern zu können. Es kommt darauf an eine Organisation aus

ganzheitlicher Perspektive zu betrachten und die Zusammenhänge und

Wechselwirkungen, die innerhalb einer Organisation bestehen, mit in die Planungen

einzubeziehen. Hierzu gehört auch die Identifikation von Ordnern (Mustern) und den

Systemgrenzen sowie die Erfassung und Analyse von Dynamiken, Prozessen und

Attraktoren. Ebenfalls bedeutet das die Koordination des Veränderungsprozesses auf

den unterschiedlichen Ebenen. Dies betrifft beispielsweise die Abstimmung zwischen

technischen, organisatorischen und psychologischen Dynamiken.

� Kontrollparameter identifizieren

Die Identifikation der Kontrollparameter ist ein wesentlicher Schritt, um

Veränderungsprozesse überhaupt in Gang setzten zu können. Denn sie sind die

Größen, deren Aktivierung soviel Energie freisetzt, dass ein System seinen alten

Ordnungszustand verlässt und damit die Möglichkeit hat, sich einem neuen

zuzuwenden. Ebenfalls sind Kontrollparameter von Bedeutung, um die Mitarbeiter von

den anstehenden Veränderungen zu überzeugen, sprich Widerstände bearbeiten zu

können. Durch ihre Kenntnis können die inneren Wechselwirkungen der Prozesse und

zwischen den Systemelementen, also den Mitarbeitern, moduliert werden.

218 Keuper, F.; Groten, H. [Hrsg.] (2007): 260

� Destabilisierung

Um Veränderungen durchzuführen muss die Organisation zunächst die alten, stabilen

Zustände verlassen. Auf der Basis, dass Systeme eine Tendenz zur Stabilität aufweisen

und die gewohnten Muster nur ungern ablegen, benötigen unternehmerische

Veränderungsprozesse eine treibende Kraft. Management muss auch hier an den

Kontrollparametern ansetzen und diese erhöhen, also Interventionen kreieren, die das

Unternehmen aus der Balance seines bisherigen komfortablen Prozessierens bringen.

� Stabilisierung

Das Management hat die Aufgabe, bevor ein Veränderungsprozess angestossen wird,

stabile Randbedingungen zu schaffen. Denn die entstehende instabile Situation führt bei

den meisten Mitarbeitern zu Ängsten und Unsicherheiten. Aus diesem Grund ist es

wichtig einen stabilen Rahmen zu bieten, der strukturelle und emotionale Sicherheit

erzeugt. Hierfür ist die Herstellung von Vertrauen und Selbstwertunterstützung durch

Führung der einzelnen Mitarbeitern und die Entwicklung einer Unternehmenskultur, die

den Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, sich möglichst angstfrei auf eine Veränderung

einlassen zu können, von grosser Bedeutung.

� Re-Stabilisierung

Wenn einzelne Veränderungsschritte und neue Ordnungsmuster implementiert wurden,

gilt es, diese Ergebnisse zu sichern. Das heißt alle positiven neuen Verhaltensmuster

und Ordnungen müssen weiter stabiliert und automatisiert werden. Für die Stabilierung

ist es unerlässlich, dass sich auch die Mitarbeiter mit den neuen Ordnungsmustern

identifizieren können. Für die Re-Stabilisierung können vielleicht auch die Mitarbeiter

wichtig sein, die sich zu Zeiten des Wandels ungerne von alten Zuständen entfernen

wollten.

� Sinnbezug und Persönlichkeitsentwicklung

Persönlichkeitsentwicklung ist wichtig, um die einzelnen Mitarbeiter dazu zu befähigen,

mit Veränderungen umzugehen und neues Verhalten zu erlernen. Gleichzeitig müssen

die Entwicklungen einer Organisation von den Mitarbeitern und Führungskräften als

sinnvoll erlebt werden und mit ihren eigenen Zielvorstellungen und Lebenskonzepten

im Einklang stehen, da sie ansonsten nicht unterstützt werden.

� Der Blick auf das Individuum

Der einzelne Mitarbeiter spielt eine wesentliche Rolle bei der erfolgreichen

Implementierung von Veränderungsvorhaben. Denn letztlich können nicht

Organisationen Neues lernen und Neues bewirken, sondern immer nur die einzelnen

Menschen in ihnen. Um jedoch auf einer sinnvollen Basis auf den einzelnen Menschen

eingehen zu können, muss Führung eine Vorstellung davon haben, von welchen

mentalen Modellen und Grundannahmen, also von welcher Wirklichkeit der Alltagswelt,

der Einzelne geleitet wird. Erst die Kenntnis dieser Annahmen und der damit

implizierten Persönlichkeit des Einzelnen bieten die Grundlage, sie besprechbar und

somit zu einem Gegenstand der Entwicklung zu machen. Ziel ist es, diese mentalen

Modelle zu erkennen und sich auf ihrer Basis weiterzuentwickeln.

� Der Blick auf das Team

Menschen beeinflussen sich gegenseitig und können so die Entstehung von Dynamiken

innerhalb von Arbeitsteams und Organisationen bewirken. Diese Dynamiken können,

wenn es sich beispielsweise um Widerstand handelt, für die Organisation negativ sein.

Rückkopplungsprozesse können durch Führung allerdings auch im positiven Sinne

genutzt werden. Sind einzelne Mitarbeiter von der Veränderung überzeugt (aktive

Gläubige), können sie wiederum andere überzeugen. Ebenfalls können Menschen

voneinander und miteinander lernen und dadurch sich und die Organisation

weiterentwickeln, sprich Veränderung und Innovation kreieren. Hier gilt wieder der Satz

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, sprich ein funktionierendes Team

erbringt mehr Leistung, als einzelne Mitarbeiter.

� Der Blick auf die Führung

Die Aufgabe von Führung ist es natürlich, alle die aufgeführten Punkte im Blick zu

behalten und miteinander zu verbinden. Um durch Veränderungen führen zu können,

sind stetige Rückkopplungen erforderlich, durch die eine Anpassung an den situativen

Charakter während einer Instabilitätsphase ermöglicht wird. Damit Führung selber mit

instabilen Situationen umgehen kann, müssen die jeweiligen Führungspersonen eine

eigene Veränderungsbereitschaft mitbringen und in der Lage sein, eine

Untenehmenskultur zu gestalten, in der Vertrauen untereinander, Fehlertoleranz und

eine offene Kommunikation zu gemeinsam gelebten Werten werden. Auf dieser Basis

kann eine Vision entwickelt werden, in der sich die einzelnen Mitarbeiter mit ihren

individuellen Interessen wiederfinden können und sie deshalb mittragen.219

Führung muss sowohl die Phasen von Stabilität, als auch die von Instabiliät gestalten

können und die Balance zwischen den beiden Systemphasen ist eine der wesentlichen

Aufgaben für das Management von komplexen Systemen. Dabei geht es bei der

Unterstützung von stabilen Strukturen darum, strategische Vorgaben eines

Unternehmens umzusetzen und Produktivität und Leistung abzusichern. Instabilität

dagegen bringt Innovation und Veränderung, die im Rahmen eines

Veränderungsprozesses soweit entwickelt werden muss, bis sie in den

Unternehmensalltag integriert werden können. Die Managementprozesse komplexer

Systeme müssen, insbesondere in der Nähe von Instabilität, nach der Logik verlaufen,

dass jedes Zwischenergebnis den Ausgangspunkt für weitere Planungen liefert. Auf

dieser Basis können auch Widerstände früh genug erkannt und bearbeitet werden. Das

Management sieht sich so nicht dem Zwang ausgesetzt, an dem einmal angefertigtem

Handlungsfahrplan festzuhalten. Das bedeutet nicht, dass nicht ein Endziel anvisiert

werden sollte, auf welches man hinarbeitet.220 Schwierig hierbei ist jedoch, dass das

Auftreten und die Folgen von Ordnungsübergängen, also dem Übergang zwischen

Ordnung und Chaos, nur sehr bedingt vorhersehbar sind. Die Dynamik eines Systems

und die darin auftretenden Instabilitäten oder stabilen Ordnungszustände müssen also

für das Management erfassbar gemacht werden und bedingt durch den jeweiligen

Systemzustand muss Führung mit ganz anderen Maßnahmen reagieren.

Die einzige Möglichkeit, den aktuellen Systemzustand zu erfassen, ist eine intensive und

kontinuierliche Kommunikation mit den einzelnen Mitarbeitern einer Organisation.

Durch Einschätzungen der Mitarbeiter über relevante Systemgrößen, sowohl bezogen

auf technische, organisatorische, aber auch psychische Belange, bekommt die

Unternehmensführung zeitnahe Erkenntnisse über den jeweiligen Systemzustand.

Management- und Führungsentscheidungen lassen sich auf dieser Basis wesentlich

sicherer und fundierter treffen und können dem situativen Charakter des

Systemzustandes besser gerecht werden.

219 Schiepek, G.; Eckert H. (07.06.2008): http://www.ccsys.de/site/content/1_unternehmen/1_4_index.php und Senge, P. M.; Kleiner, A. [u.a.] (1997): 6 f. 220 Malik, F. (1993): 173 f.

Die Kommunikation mit den Mitarbeitern ermöglicht es also, die Kontrollparameter zu

identifizieren, deren Gestaltung wichtig für den Verlauf des Veränderungsvorhabens ist.

Um diese Kommunikation effektiv gestalten zu können, muss Führung über die

Prozesse informiert sein, wie die Entstehung und Dynamik von Widerstand verläuft. Es

geht also darum, im Einzelfall herauszuarbeiten, welche Kontrollparameter für den

jeweiligen Veränderungsprozess eine entscheidende Rolle spielen. Bei den Mitarbeitern

geht es dabei fast immer um Motivation, um die Unterstützung des Selbstwertgefühls

und die Aktivierung von Ressourcen. Wesentlicher Bestandteil der

Führungskräfteentwicklung sollte also die Förderung von emotionalen, sozialen und

kognitiven Kompetenzen für den Umgang mit komplexen, nichtlinearen Prozessen, also

mit Selbstorganisation sein. Diese Systemkompetenz im Umgang mit

selbstorganisierenden Prozessen bei Individuen, in Teams und in Organisationen wird,

begründet durch den immer stärker anwachsenden Veränderungsdruck, eine

entscheidende Schlüsselqualifikation für Führungskräfte sein.

8 Fazit

Das Ziel der Arbeit war es, nach Ursachen für die Entstehung und die Dynamik von

Widerständen gegenüber organisationalen Veränderungen zu suchen. Ebenfalls war die

Frage, an welchen Punkten Management ansetzten kann, um Widerstand in

organisationalen Veränderungsprozessen zu bearbeiten und somit den erfolgreichen

Verlauf von Veränderungsvorhaben zu gewährleisten. Festzustellen ist, dass die

Entstehung von Widerstand ein natürliches Phänomen innerhalb eines

Veränderungsprozesses darstellt, welches nicht gänzlich verhindert werden kann.

Management kann durch umsichtiges Handeln lediglich die Intensität von Widerstand

bei dem einzelnen Mitarbeiter steuern und damit die Entstehung von einer Dynamik

verhindern, die letztlich zu Widerstandsstrukturen innerhalb einer gesamten Belegschaft

führt. Ein bestimmtes Verhalten oder gar eine Verhaltensänderung kann also bei den

Mitarbeitern nicht einfach angeordnet werden, da sie einem Lernprozess unterliegt, der

von der jeweiligen Führung begleitet werden muss.

Auf der Basis, dass in Systemen eine Rekursivität besteht, kann also nicht nur an der

Auswahl und Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter oder an der Qualifikation der

Führungskräfte gearbeitet werden. Denn letztlich beeinflusst sich alles gegenseitig. Um

eine Organisation so zu gestalten, dass sie ständige Veränderungsprozesse nicht nur

aushält, sondern erfolgreich vollzieht, muss also etwas Übergreifendes geschaffen

werden, das alle Menschen in der Organisation mit einschliesst. Unternehmensführung

hat hier die Aufgabe, sich während der stabilen Phasen um eine strategische Ausbildung

einer Unternehmenskultur zu bemühen, die das Management von Instabilität unterstützt

und Wandel als einen stetigen Prozess begreift.

Denn je länger eine Organisation in festen Mustern arbeitet, desto beständiger werden

diese Muster. Das bedeutet, dass eine Organisation mit ihren Mitarbeitern immer

empfindlicher gegenüber Veränderungen reagiert. Das bestehende Muster hält die

Organisation zusammen, es ist in Form einer Kultur die Seele eines Unternehmens.221

Wenn also eine Organisation gewünscht wird, die flexibel auf Wandel reagiert, ist die

beste Basis dafür ein Organisationsmuster, sprich eine Organisationskultur zu schaffen,

die an sich schon eine Flexibilität beinhaltet. Eine Organisation muss also

Unternehmensstrukturen herausbilden, deren Ziel es wiederum ist, Strukturen wieder zu

verändern. Es geht also um eine Unternehmenskultur, die Organisationslernen fördert

und damit einen stetigen und regelmäßigen Wandel ermöglicht.222 Denn je

kontinuierlicher Veränderung stattfindet und je mehr der Wandel in den

Organisationsalltag integriert ist, desto flexibler werden die Mitarbeiter in einer

Organisation. Wie dargestellt, ist es schliesslich die Angst vor Neuem und die

Schwierigkeit altes Verhalten zu verlassen, die zu Widerständen führt. Wird Wandel nun

aufgrund von Kontinuität zu etwas Alltäglichem, kann er in das Verhaltensrepertoire der

Mitarbeiter besser integriert werden und weniger Widerstand entsteht.

Auch eine Studie von Maus verweist auf den Vorteil einer positiven Lernkultur für eine

Unternehmung. Denn zwischen der Lernkultur eines Unternehmens und der

Bereitschaft der Mitarbeitern Veränderungen zu unterstützen, besteht ein nachweislicher

Zusammenhang. Das bedeutet, dass eine positive Lernkultur dazu führen kann, dass

anstehende Veränderungsvorhaben bei der Mitarbeiterschaft weniger als Bedrohung

und somit angsteinflössend wahrgenommen werden. Veränderungsvorhaben können

vielmehr als eine Möglichkeit der beruflichen Weiterentwicklung bewertet werden und

somit Wandel zu etwas Unterstützenswertem machen.223

Wichtig ist also nicht das detailierte Planen von Veränderungsprozessen, sondern die

Herstellung von günstigen Entwicklungsbedingungen einer Organisation. Und genau

hierfür ist es notwendig, dass sich das Management von komplexen Systemen mit den

Funktionsweisen und Gesetzmäßigkeiten komplexer Systeme befasst.224 „Eine der

entscheidenden Herausforderungen in Zusammenhang mit der Bewältigung des

Wandels besteht darin, die Idee der Selbstorganisation und Selbstregulierung von

Systemen, des organisationalen Lernens und der Evolution ernstzunehmen, und sie für

die Gestaltung von Systemen zu nutzen.“225 In einer lernenden Organisation geht es

darum Selbstorganisationsprozesse zu fördern. Selbstorganisation wird jedoch durch

„Einbahnstraßeninteraktion“ eingeschränkt. Das heißt, je hierarchischer eine

Organisation aufgebaut ist, desto schwieriger gestalten sich die

Selbstorganisationprozesse. Die Aufgabe von Führung ist es also u.a. die bestehenden

Hierarchien abzuflachen und viele Rückkopplungen zu ermöglichen, sprich Netzwerke

aufzubauen.226

221 Wagner, R. H. (2001): 36 222 Wöhrle, A. (2002): 145 223 Maus, J. (2007): 80 f. 224 Malik, F. (1993): 26 ff. 225 Malik, F. (1993): 25 226 Wagner, R. H. (2001): 26 f.

Ist eine Organisation so aufgebaut, dass sie sich stetig an sich verändernde interne und

externe Bedingungen anpasst, ist zu vermuten, dass auch die Wahrscheinlichkeit von

Krisenmanagement sinkt. Denn es erfolgt ja eine dynamische Abstimmung auf die

jeweiligen Bedingungen. Das würde bedeuten, dass die zu ergreifenden

Veränderungsmaßnahmen weniger aggressiv durchgeführt werden müssten. In der

Kombination von geringerem zeitlichem Druck und einer grösseren

Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter, kann vom Management mehr

mitarbeiterzentriert und integrativer vorgegangen werden, was zwangsläufig zu weniger

Widerstand gegen den nötigen Wandel einhergeht.

Hat man durch eine lernende Unternehmenskultur mehr Zeit gewonnen und muss

keine drängende Betriebssanierung ansetzten, kann auch über die Definition von Erfolg

von Veränderungsvorhaben nachgedacht werden. Geht es bei einem erfolgreichen

Durchlaufen eines Veränderungsprozesses darum, den vorab definierten

Veränderungsablaufplan exakt zu erfüllen oder können Veränderungsprozesse offener

in ihrem Ausgang gestaltet werden? Wir haben erfahren, dass die Ergebnisse von

Veränderungsprozessen sowieso nicht detailliert planbar sind. Alternativ besteht hier die

Möglichkeit, Veränderungsprozesse direkt mit einem offenen Ausgang zu initiieren.

Denn Unternehmen bestehen aus den unterschiedlichsten Ideengebern und eine zu

frühe Festlegung von Zielen, würde einem die Chance nehmen, sich den Prozess

entfalten zu lassen. Immer wieder müssen neue Modelle des Vorgehens entwickelt

werden, um letztlich einen neuen Stand zu finden.227

Man kann also formulieren, dass die Fähigkeit zum Wandel eine Kulturfrage ist. Sprich

der eher weiche Faktor Kultur ist gegenüber den harten Faktoren Struktur und Strategie

der wichtigste Faktor, wenn es um das Thema Veränderung in Organisationen geht.228

Dies zu erkennen ist insbesondere für soziale Organisationen von grosser Bedeutung.

Denn sie unterliegen momentan einem recht hohen Veränderungsdruck, wobei sich die

dort bestehende Unternehmenskultur im Laufe der letzten Jahrzehnte in einem Muster

verfestigt hat, dass Wandel kaum vorsieht. Bedingt dadurch, sind die in ihnen tätigen

Mitarbeiter häufig ebenfalls relativ unbeweglich geworden und reagieren auf anstehende

Veränderungsmaßnahmen mit recht hoher Verunsicherung und Angst, sprich mit

Widerstand. Beispielsweise hat die aus finanziellen Gründen notwendige Fusion von

zwei Kirchenkreisen und den damit zusammenhängenden Umstrukturierungs-

227 Ellebracht, H.; Lenz, G. [u.a.] (2003): 83

maßnahmen im evangelischen Kirchenkreis Duisburg dazu geführt, dass die Mitarbeiter

völlig blockiert waren und konstruktive Arbeit quasi zum Erliegen gekommen ist. Und

genau das gilt es durch ein entsprechendes Management zu verhindern.

Wer jedoch nachhaltig verändern will und den Weg zu einer lernenden Organisation

beschreiten möchte, sollte sich im klaren darüber sein, dass er auf einer ewigen Baustelle

arbeiten wird. Doch auch wem es lediglich um die Implementierung einer neuen

technologischen Entwicklung in seinem Betrieb geht wird nicht an dem einzelnen

Menschen vorbeikommen. Denn dass und warum die einzelnen Mitarbeiter einer

Organisation ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Veränderungsprozess sind, konnte im

Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden. Die Aufgabe, die einzelnen Mitarbeiter, und in

der Konsequenz die Arbeitsteams, durch den Veränderungsprozess zu begleiten, liegt

bei den Führungsetagen eines Unternehmens. Auch beim Aufbau einer entsprechenden

Unternehmenskultur leisten natürlich alle Mitarbeiter ihren Beitrag. Allerdings trägt

hierbei ebenfalls die Führungsetage einer Organisation eine ganz besondere

Verantwortung, da sie, bedingt durch ihren Einfluss, ein sehr grosse Wirkung auf die

jeweilige Organisation hat.229

228 Kruse, P. (2005): 17

Literaturliste

Antons, Klaus; Amann, Andreas; Clausen, Gisela [u.a.]. Gruppenprozesse

verstehen: Gruppendynamische Forschung und Praxis. Wiesbaden: Verlag für

Sozialwissenschaften, 2004.

Armenakis, Achilles .; Berneth, Jeremy B.; Pitts, Jennifer P.; Walker, H. Jack .

Organizational Change Recipients`Beliefs Scale: Development of an Assessment

Instrument. Z. Journal of Applied Behavioral Science. 2007, Vol. 43, Nr. 43, 481 – 505.

Ashford, S. J. Individuel Strategies for Coping with Stress During Organizational

Transitions. Z. The Journal of Applied Behavioral Science. 1988, Vol. 24, 19 – 36.

Bargh, John A.; Chen, Mark; Burrows, Lara. Automaticity of Social Behaviour:

Direct Effects of Trait Construct and Stereotype Activation on Action. Z. Journal of

Personality and Social Psychology. 1996, Vol. 71, Nr. 2, 230 – 244.

Bargh, John A.; Ferguson, Melissa J. Beyond Behaviorism: On the Automaticity of

Higher Mental Processes. Z. Psychological Bulletin. 2000, Vol. 126, Nr. 6, 925 – 945.

Bargh, John A. [Hrsg.]. Social Psychology and the Unconscious: The Automaticity of

Higher Mental Processes. New York, Hove: Psychology Press, 2007.

Berger, Peter L; Luckmann, Thomas. Die gesellschaftliche Konstruktion der

Wirklichkeit. Frankfurt/Main: Fischer, 2004.

Berghaus, Margot. Luhmann leicht gemacht: Eine Einführung in die Systemtheorie.

Köln: Böhlau, 2003.

Borkenau, Peter; Ostendorf, Fritz. NEO-Fünf-Faktoren Inventar nach Costa und

McCrae: Handanweisung. Göttingen, Bern [u.a.]: Hogrefe, 1993.

Callan, Victor J. Individual and organizational strategies for coping with organizational

change. Z. Work & Stress. 1993, Vol. 7, Nr. 1, 63 – 75.

Doppler, Klaus; Fuhrmann, Hellmuth [u.a.]. Unternehmenswandel gegen

Widerstände: Change Management mit den Menschen. Frankfurt/Main: Campus, 2002.

Doppler, Klaus; Lauterburg, Christoph. Change Management: Den

Unternehmenswandel gestalten. Frankfurt/Main: Campus, 2005.

229 Senge, P. M.; Kleiner, A. [u.a.] (1997): 76

Ellebracht, Heiner; Lenz, Gerhard; Osterhold, Gisela; Schäfer, Helmut.

Systemische Organisations- und Unternehmensberatung: Praxishandbuch für Berater

und Führungskräfte. Wiesbaden: Gabler, 2003.

Endruweit, Günter; Trommsdorff, Gisela. Wörterbuch der Soziologie Band 2: Ich -

Rückkopplung. Stuttgart: Ferdinand Enke, 1989.

Fisch, Rudolf; Beck, Dieter. Organisationsgestaltung und Veränderungsmanagement:

Die Organisationskultur als kritischer Erfolgsfaktor. Speyer: Deutsches

Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, 2006.

Gergen, Kenneth J. Konstruierte Wirklichkeiten: Eine Hinführung zum sozialen

Konstruktivismus. Übs. Eric Kearney. Stuttgart: Kohlhammer, 2002.

Haken, Herrmann. Die Selbstorganisation komplexer Systeme: Ergebnisse aus der

Werkstatt der Chaostheorie. Wien: Picus, 2007.

Haken, Herrmann; Schiepek, Günter. Synergetik in der Psychologie:

Selbstorganisation verstehen und gestalten. Göttingen, Bern [u.a.]: Hogrefe, 2006.

Holt, Daniel T.; Armenakis, Achilles A.; Feild, Hubert S.; Harris, Stanley G.

Readiness for Organizational Change: The Systematic Development of a Scale. Z.

Journal of Applied Behavioral Science. 2007, Vol. 43, Nr. 2, 232 – 255.

Judge, Timothy A.; Thoresen, Carl J.; Pucik, Vladimir; Welbourne, Theresa M.

Managerial Coping With Organizational Change: A Dispositional Perspective. Z.

Journal of Applied Psychology. 1999, Vol. 84, Nr. 1, 107 – 122.

Kahn, Robert L. [u.a.]. Organizationel Stress: Studies in role conflict and ambiguity.

New York [u.a.]: John Wiley & Sons, 1964.

Kelley, Harold H. Personal Relationships: Their Structures an Processes. Hillsdale,

New Jersey: Lawrence Erlbaum Associates, 1979.

Keuper, Frank; Groten, Heinz [Hrsg.]. Nachhaltiges Change Management:

Interdisziplinäre Fallbeispiele und Perspektiven. Wiesbaden: Gabler, 2007.

König, Eckhard; Volmer, Gerda. Systemische Organisationsberatung: Grundlagen

und Methoden. Weinheim: Deutscher Studien Verlag, 2000.

König, Oliver. Macht in Gruppen: Gruppendynamische Prozesse und Interventionen.

München: Pfeiffer, 1998.

König, Oliver; Schattenhofer, Karl. Einführung in die Gruppendynamik. Heidelberg:

Carl-Auer, 2006.

König, Oliver; Schattenhofer, Karl. Einführung in die Gruppendynamik. Heidelberg:

Carl-Auer, 2007.

Königswieser. Roswita; Hillebrand, Martin. Einführung in die systemische

Organisationsberatung. Heidelberg: Carl-Auer, 2005.

Kosta, Claudia; Mönch, Anette. Change Management: 7 Methoden für die Gestaltung

von Veränderungsprozessen. München, Wien: Carl Hanser, 2006.

Kraus, Georg; Becker-Kolle, Christel [u.a.]. Handbuch Change Management. Berlin:

Cornelsen, 2004.

Krieger, Davis J. Einführung in die allgemeine Systemtheorie. München: Wilhelm Fink,

1996.

Kriz, Jürgen. Chaos und Struktur: Systemtheorie Band 1. München: Quintessenz, 1992.

Kriz, Jürgen. Systemtheorie: Eine Einführung für Psychotherapeuten, Psychologen und

Mediziner. Wien: Facultas, 1997.

Krohn, Wolfgang; Küpers, Günter [Hrsg.]. Emergenz: Die Entstehung von

Ordnung, Organisation und Bedeutung. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1992.

Kruse, Peter. Next Practice: Erfolgreiches Management von Instabilität: Veränderung

durch Vernetzung. Offenbach: Gabal, 2004.

Kruse, Peter. Next Practice: Erfolgreiches Management von Instabilität: Veränderung

durch Vernetzung. Offenbach: Gabal, 2005.

Küpers, Wendelin; Weibler, Jürgen. Emotionen in Organisationen. Stuttgart:

Kohlhammer, 2005.

Lau, Chung-Ming; Woodman, Richard W. Understanding Organizational Change: A

Schematic Perspective. Z. Academy of Management Journal. 1995, Vol. 38, Nr. 2, 537 –

554.

Lehmann, Wayne E. K.; Greener, Jack M.; Simpson, D. Dwayne. Assessing

Organizational Readiness for Change. Z. Journal of Substance Abuse Treatment. 2002,

Nr. 22, 197 – 209.

Leifeld, Ulrich. „But they don`t know my view.”: Interkulturelle

Kommunikationskonflikte thailändischer und deutscher Flugbegleiter am Arbeitsplatz.

Münster [u.a.]: Lit, 2002.

Lines, Rune. Influence of participation in strategic change: resistance, organizational

commitment and change goal achievement. Z. Journal of Management. 2004, Vol. 4,

Nr. 3, 193 – 215.

Luhmann, Niklas. Einführung in die Systemtheorie. Heidelberg: Carl Auer, 2006.

Luhmann, Niklas. Organisation und Entscheidung. Wiesbaden: Verlag für

Sozialwissenschaften, 2006.

Luhmann, Niklas. Soziale Systeme: Grundriss einer allgemeinen Theorie.

Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1984.

Malik, Fredmund. Strategie des Managements komplexer Systeme: Ein Beitrag zur

Management-Kybernetik evolutionärer Systeme. Bern, Stuttgart: Haupt, 1986.

Malik, Fredmund. Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation:

Grundprobleme, Funktionsmechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme.

Bern, Stuttgart: Haupt, 1993.

Maus, Jolante. Organisationale Veränderungen erfolgreich managen: Erfolgsfaktoren

und deren Zusammenhänge. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2007.

Mead, Georg Herbert. Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt am Main:

Suhrkamp, 1998.

Mintzberg, Henry. The Rise and Fall of Strategic Planning. New York, London,

Toronto [u.a.]: Prentice Hall, 1994.

Oreg, Shaul. Resistance to Change: Developing an Individual Differences Measure. Z.

Journal of Applied Psychology. 2003, Vol. 88, Nr. 4, 680 – 693.

Rechtien, Wolfgang. Angewandte Gruppendynamik: Ein Lehrbuch für Studierende

und Praktiker. Weinheim, Basel: Beltz, 2007.

Reis, Jack. Ambiguitätstoleranz: Beiträge zur Entwicklung eines

Persönlichkeitskonstruktes. Heidelberg: Ansanger, 1997.

Reis, Jack. Inventar zur Messung der Ambiguitätstoleranz (IMA): Manual. Heidelberg:

Ansanger, 1996.

Schiepek, Günther; Eckert, Heiko. Generische Prinzipien [www.Dokument].

Verfügbar unter: http://www.ccsys.de/site/content/1_unternehmen/1_4_index.php

[Datum des Zugriffs: 07.06.2008].

Schuldt, Christian. Systemtheorie. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2006.

Schreyögg, Georg; Conrad, Peter [Hrsg.]. Organisatorischer Wandel und

Transformation. Wiesbaden: Gabler, 2000.

Senge, Peter M. The Fith Dicipline: The Art & Practice of The Learning Organization.

London: Centary Business, 1992.

Senge, Peter M.; Kleiner, Art; Roberts, Charlotta [u.a.]. Das Fieldbook zur Fünften

Disziplin. Stuttgart: Klett Cotta, 1997.

Simon, Walter [Hrsg.]. Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests: 15

Persönlichkeitsmodelle für Personalauswahl, Persönlichkeitsentwicklung, Training und

Coaching. Offenbach: Gabal, 2006.

Stahl, Eberhard. Dynamik in Gruppen: Handbuch der Gruppenleitung. Weinheim,

Basel: Beltz, 2007.

Steins, Gisela. Identitätsentwicklung: Die Entwicklung von Mädchen zu Frauen und

Jungen zu Männern. Lengerich: Pabst Science Publishers, 2003.

Wagner, Rainer H. Praxis der Veränderung in Organisationen. Göttingen, Bern [u.a.]:

Hogrefe, 2001.

Wanberg, C. R.; Banas, J. T. Predictors and Outcomes of Openess to Change in a

Reorganizing Workplace. Z. Journal of Applied Psychology. 2000, Vol. 89, 132 – 142.

Weeks, William A.; Roberts, James; Chonko, Lawrence B.; Jones, Eli.

Organizational Readiness for Change, Individual Fear of Change, and Sales Manager

Performance: An Empirical Investigation. Z. Journal of Selling & Sales Management.

2004, Vol. 24, Nr. 1, 7 – 17.

Weinert, Ansfried B. Lehrbuch der Organisationspsychologie: menschliches Verhalten

in Organisationen. Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1992.

Wöhrle, Armin. Change Management: Organisationen zwischen Hamsterlaufrad und

Kulturwandel. Augsburg: ZIEL, 2002.

Wüthrich, Hans A. Moskito statt Synchronschwimmer: Plädoyer für das Überdenken

stereotyper Automatismen im Management. Z. New Management. 2002, Nr. 12, 28 –

33.