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Die Entwickelung der Lichtemission glühender fester Körper

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256 I?. I;. Weber.

IV. D i e Entwiclcelung der Liehtemission gliihender fes ter K o r p e r ; von H. E: W e 6 e r .

(Aue den Sitzungsber. der k. preuss. Acad. der Wiss. zu Berlin vom 9. Juni 1887, mitgetheilt vom Hm. Verf.)

Ueber die Entwickelung der Lichtemission gliihender fester Korper lag bisher nur eine einzige Untersuchung vor, welche von J. D r a p e r vor 40 Jahren ausgefuhrt wurde. I n dieser Untersuchung wurde D r a p e r zu folgenden Resul- taten gefuhrt. Alle festen Korper beginnen bei derselben Temperatur zu gluhen; der Werth dieser Temperatur der beginnenden Lichtemission ist 525 O. Die Entwickelungsform der Lichtemission eines gluhenden festen Korpers , etwa eines Platinstreifens, dessen Temperatur [lurch einen durch- diessenden electrischen Strom allmahlich gesteigert wird, ist die folgende. Sowie die Temperatur des Platinstreifena den Werth 525 O uberstiegen hat, liefert das ausgesandte Licht bereits ein Spectrum, das von der Linie B bis zur Linie b reicht; ist die Temperatur auf 645O gestiegen, so reicht das Spectrum des emittirten Lichtes von B bis knrz vor F; bei der Temperatur 718O liegen die Grenzen des Spectrums bei B und etwas jenseits G, und hei der Temperatur 1165O hat das Spectrum schon nahezu die volle Ausdehnung des Son- nenspectrums erreicht , indem dasselbe etwa von der Mitte zwischen A und B bis uber H hinaus sich erstreckt.

Nach D r a p e r ' s Untersuchungen entwickelt sich also das Spectrum des von gluhenden festen Korpern ausge- sandten Lichtes bei steigender Temperatur von jener Aus- dehnung an, die es bei eben beginnender Lichtemission hat, in e i n s e i t i g e r Richtung, und zwar in der Richtung der zu- n e h m e n d e n B r e c h b a r k e i t . Dieses Resultat der Dra- p er'schen Untersuchung ist bisher uberall angenommen wor- den; es ist aber meistens insofern etwas entstellt wieder- gegeben worden, als behauptet wurde , bei beginnender Rothgluht werde nur rothes Licht ausgestrahlt; nur Hr. E. L e c h e r hat in seiner Arbeit uber Ausstrahlung und Absorption die Resultate der D r a p e r 'schen Untersuchung richtig wiedergegeben.

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Lichtemission gluliender Korper. 257

Eine in den letzten Monaten ausgefiihrte Arbeit iiber den Zusammenhang zwischen der Helligkeit und dem Arbeits- verbrauche in Kohlengliihlampen fiihrte mich auf ganz uner- wartete Erscheinungen, deren nahere Untersuchung schliess- lich zu dem Ergebniss fuhrte, dass Drape r ’ s Beobachtungen uber den Beginn und die Entwickelung der Lichtemission gluhender fester Korper theils unrichtig, theils unvollstindig sind, insofern sie erstens den Beginn der Lichtentwickelung an eine falsche Stelle setzen und zweitens den allmahlichen Verlauf der Lichtemission nicht in seiner vollen Ausdehnung, sondern nur von einer bestimmten Phase an schildern. Die neuen Beobachtungen, zu denen ich nach und nach gefuhrt wurde, zeigten, dass die Ausbildung des Spectrums gliihender fester Korper in Wahrheit ganz anders verlauft, a19 man bisher, fussend auf Draper’s Beobachtungen, allgemein angenommen hat.

Nach der bisherigen Ansicht iiber den Beginn der Lichtentwickelung gluhender fester Korper fangt die Licht- emission mit der Rothgluht an. Auch ich theilte diese An- sicht und versuchte in der genannten Arbeit uber die Licht- emission der Gliihlampen die absoluten Werthe der Strah- lungsconstanten der verschiedenen Kohlenfasern dadurch zu bestimmen, dass ich die gesammte Strahlung der Kohlen- faser mass, welche sie bei der eben beginnenden Rothgluht in der Zeiteinheit ausgab. Um den Moment der eben auf- tretenden Rothgluht moglichst genau festzulegen und dadurch zu einem zuverlassigen Werthe der Strahlungsconstante der Kohle zu kommen, fiihrte ich die Beobachtungen in nahezu nbsoluter Dunkelheit, namlich im Dunkelzimmer bei Nacht aus.

Zu meinem grossen Erstaunen zeigte mir der erste Versuch dieser Ar t , dass die Lichtentwickelung der gliihen- den Kohle gar nicht mit der Rothgluht beginnt, dass viel- mehr der gluhende Kohlenfaden schon lange vor dem Auf- treten der ersten Spur rothen Lichtes bereits ein ande- res Licht eigenthiimlicher Ar t aussendet, und dass dieses Licht schon eine Reihe von Abanderungen erfahren hat, bevor die Rothgluht auftritt. Diese Erscheinung trat an allen Exemplaren der 16 verschiedenen untersuchten Typen

I.

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XXHII. 17

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von Eohlengluhlampen auf, sie war also als normale Erschei- nung aufzufassen.

Als z. B. eine Siemenslampe (normale Spannung 100 Volt, normale Stromstkke 0,55 Ampere und normale Hellig- keit 16 Kerzen) der Untersuchung unterzogen wurde, war der Faden der Lampe so lange in der Finsterniss unsicht- bar, als die Stromstarke unter dem Werthe 0,051 Ampixe, und die zwischen den Fadenenden bestehende Potentialdiffe- renz unter der Grosse 13,07 Volt blieb. Ueberschritten Stromstarke und Potentialdifferenz diese Werthe, so wurde der Saden der Lampe eben sichtbar: er schickte jetzt ein ausserst schwaches Licht aus, dessen Charakter nnch Earbe und Helligkeit wohl am treffendsten durch die Bezeichnungen ,,gespenstergraues Lichtc( oder ,,dusternebelgraues Licht" ge- kennzeichnet wird. Diese erste Spur diisternebelgrauen Lichtes erscheint dem Auge als etwas unstiit, glimmend, auf- und abhuschend, sei es, dass die Temperatur des Fadens etwas veranderlich ist und dadurch entsprechende Aende- rungen der Stiirke des ausgesandten Lichtes entstehen, sei es, dass das Auge infolge der grossen Anstrengung, die es unwillkurlich macht, diese allerersten Spuren des schwachsten Lichtes scharf und deutlich zu sehen, rasch ermudet.

Wurde die Stromstarke uber den Werth 0,051 Ampere hinaus gesteigert, so nahm das ausgesandte Licht rasch an Helligkeit zu, sein Farbencharakter dustergrau blieb aber Iangere Zeit unverlndert bestehen. Erst bei erheblicher Steigerung der Stromstarke wurde das Grau etwas heller, nahm allmahlich die Farbung aschgrau an, um bei noch grosserer Stromstarke in ein entschiedenes Gelblichgrau iiberzugehen. Wahrend dieser ganzen Zeit war auch nicht eine Spur von rothlichem Licht im Faden zu erkennen.

Erst als die Stromstarke den Werth 0,0602 Ampere und die Potentialdifferenz die Grijsse 14,98 Volt erreicht hatte, war eben zu sehen, dass sich uber das helle gelblich- graue Licht des Fadens der erste Schimmer eines ungemein lichten feuerrothen Lichtes legte. Mit dem Auftreten dieser ersten Andeutung des rothen Liclites verschwand die letzte Spur des Glimmens, Hin- und Herzitterns, das sich bisher

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in allen Stadien der Graugluht gezeigt hatte; von jetzt an machte das von dem Faden ausgesandte Licht den Eindruck eines absolut ruhigen Lichtes.

Bei weiter wachsender Stromstarke nahm das lichte Feuerroth rasch an Starke zu, und bald erglanzte der Faden mit einem intensiven Hellroth, das dann bei weiter gestei- gerter Stromstarke in bekannter Weise in Orange, Gelb, Gelblichweiss und Weiss uberging. Von dem ,,Dunkelroth", das in allen bisher gegebenen Beschreibungen des Verlaufs der Lichtemission gluhender fester Korper als erste Phase der Lichtentwickelung hingestellt wurde , war auch nicht eine Spur zu entdecken.

Nach der Constatirung dieser Thatsachen ging ich da- ran, mir uber die Natur des grauen Lichtes, dass der Roth- gluht vorausgeht, Aufschluss zu verschaffen.

Eine prismatische Analyse dieses grauen Lichtes mittelst Collimator, Prisma und Fernrohr war wegen der grossen Schwache des Lichtes nicht moglich, selbst dann nicht, als das graue Licht kurz vor dem Auftreten der ersten Spuren der Rothgluht verhaltnissmassig hell leuchtete. Ich betrach- tete daher den grau leuchtenden Kohlenfaden durch ein Prisma mit gerader Durchsicht, oder auch, sobald das graue Licht grossere Helligkeit erlangt hatte , durch ein Glas- gitter, mit blossem Auge. Dabei ergaben sich die nach- stehenden Resultate.

Die allererste Spur der Graugluht , die das unbewaffnete, aus nachster Nahe beobachtende Auge eben deutlich wnhrneh- men kann, ist so schwach leuchtend, dnss es dem durch das Prisma den Faden betrachtenden Auge nicht moglich ist, etwsls Deutliches zu sehen. Erst nach einer kleinen Ver- starkung des Lichtes ist eine prismatische Analyse moglich, die Folgendes erkennen 1asst: d a s S p e c t r u m des diister- n e b e l g r a u l e u c h t e n d e n P a d e n s b e s t e h t a u s e i n e m homogenen d u s t e r g r a u e n N e b e l s t r e i f e n , d e r g e n a u a n d e r S t e l l e s t e h t , an welcher e ine p l o t z l i c h ve r - g r o s s e r t e S t r o m s t a r k e d ie ge lbe u n d gr i inge lbe S t r a h l u n g e r sche inen l a s s t ; das in dem ersten Stadium der Lichtemission ausgesandte graue Licht ist also das Licht

17*

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der mittleren Wellenlange des vollsfandig entwickelten sicht- baren Spectrums. Steigt die Temperatur des Fadens auf grossere Werthe, so verbreitert sich der schmale graue Streifen und nimmt an Helligkeit rasch zu. 1st die Tem- peratur so hoch gestiegen, dass der Faden dem blossen Auge gelblichgrau erscheint, so sieht das mit dem Prisma bewaihete Auge das Spectrum als einen breiten grauen Streifen, der in seiner Mitte gelblichgrau leuchtet und auf beiden Seiten allmahlich in ein fahles, diisteres Grau iiber- geht. Sobald die Temperatur jenen Werth erreicht hat, bei welchem das unbewaffnete Auge eben die erste Spur eines lichtrothen Schimmers iiber den gelblichgrau leuchtenden Faden ausgebreitet sieht, erscheint im Spectrum des Fadens die eine Seite des grauen Streifens von einem ausserst schmalen, zarten, feuerrothen Saurne begrenzt, und fast gleich- zeitig erscheint an der anderen Seite des Streifens ein ziem- lich breiter, schwach leuchtender graugriiner Saum. Bei weiter wachsender Temperatur des Fadens verbreitert sich allmahlich der rothe Saum, indem rothe Strahlen grosserer Wellenlange zu den bisher vorhandenen rothen Stellen hin- zutreten, ebenso erweitert sich auf der anderen Seite des grauen Streifens der griine Bezirk durch Hinzutreten von griinen und griinblauen Strahlen kleinerer Wellenlange, wah- rend gleichzeitig der Ausgangspunkt der Entwickelung des Spectrums intensiv hell gelbgrau leuchtet, Sobald sich das Spectrum, so von innen nach aussen d o p p e l s e i t i g wach- send, bis zum mittleren Roth und bis an die innere Grenze von Cyanblau ansgedehnt hat , leuchtet die urspriinglich dustergraue , dann hellgraue , dann gelblichgraue mittlere Partie des Spectrums gelb und gelbgriin. Beim Eintreten der hellen Weissgluht ist endlich das sichtbare Spectrum am Ende seiner d o p p e l s e i t i g e n Entwickelung angelangt: es reicht bis zum aussersten sichtbaren Dunkelroth und bis zur inneren Grenze des Ultraviolett.

D a s S p e c t r u m d e s g l i i henden K o h l e n f a d e n s w a c h s t a l so b e i s t e i g e n d e r T e m p e r a t u r n i c h t e i n - s e i t i g , in der R i c h t u n g vom R o t h n a c h dem V i o l e t t , s o n d e r n e n t w i c k e l t s i c h , v o n einezn s c h m a l e n S t r e i -

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f e n a u s g e h e n d , g e n a u von s e i n e r X i t t e aus, g l e i c h - massig n a c h b e i d e n Se i t en . D i e dem A u g e z u e r s t e r sche inende , d e n A u s g a n g s p u n k t d e r S p e c t r u m s - en t w iclr e l u n g b i 1 d en d e S t r a hlu n g i s t d i e s e 1 b e S t r a h - l u n g , d i e im v o l l s t a n d i g e n t w i c k e l t e n s i c h t b a r e n S p e c t r u m dem A u g e mi t d e r g r o s s t e n E e l l i g k e i t l e u c h t e t u n d i n d e n schwarzen F l a c h e n d e r T h e r . m o s a u l e u n d d e s B o l o m e t e r s d i e m a x i m a l e E n e r g i e en twicke l t .

Daraus ist wohl der Schluss zu ziehen, dass diese Strah. lung mittlerer Wellenliinge deswegen dem Auge am friihe- sten sichtbar wird, weil sie auch schon bei der Temperatur der beginnenden Graugluht die maximale finergie besitzt, infolge dessen ihre lebendige Kraft am friihesten jenen Schwellenwerth ubersteigt, welcher vorhanden sein muss, um eine Lichtempfindung zu veranlassen , und dass die iibrigen Strahlungen kleinerer und grosserer Wellenlange dann bei steigender Temperatur der Reihe nach dem Auge sichtbar werden , sobald deren lebendige Kraft einen Schweilenwerth ahnlicher Grijsse iiberstiegen hat.

Wird diese Auffassungsweise angenommen, so ist die Reihe der oben beschriebenen Thatsachen in einfaeher Art begrei0ich. Ob aber diese einfache Ar t der Erklamng zu- Iassig ist, ist in einer besonderen Untersuchung zu priifen, welche sich die Ermittelung der Energievertheilung iiber die einzelnen Strahlenbezirke des Spectrums hin fur die ver- schiedenen Phasen der Spectrumsentwickelung zum Ziele setzt.

Da der Einwurf gemacht werden konnte, dass der beschriebene Gang der Lichtentwickelung einer dumb den electrischen Strom gliihend gemachten Kohlenfaser vielleicht nicht allein durch den Verlauf der Temperatur bedingt sei, sondern moglicherweise auch von specifischen electrischen Wirkungen noch unbekannter Ar t abhangig sein konnte, schien es mir wiinschenswerth, die einzelnen l’hasen jener Lichtentwickelung kennen zu lernen , welche gluhende feste Korper zeigen, sobald sie in gewohn l i che r Weise, etwa durch die Beriihrung mit heissen Gasen, zum Gliihen ge- bracht werden.

11.

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H ; I;: Weber.

Der folgende einfache Versuchsapparat lasst mit Sicher- heit erkennen , dass die Lichtentwickelung gliihender fester Korper, welche durch die Beriihrung mit heissen Gasen ail- mahlich auf hohere Temperaturen gebracht werden, genau denselben Verlauf zeigt, wie die Lichtemission eines Kohlen- fadens, der durch den electrischen Strom zum Gluhen ge- bracht wird.

Ueber die Flamme eines Bunsenbrenners wird ein Trichter aus Eivenblech gestulpt, dessen obere, etwa 4 cm weite Oeffnung mit einer in einen Messingring gespannten diinnen Lamelle aus Platin, Gold u. s. w. verschlossen ist. Kurz unter der aufgesetzten Lamelle tragt der Trichter ein seit- lich angesetztes, senkrecht zur Trichteraxe verlaufendes Rohr, das die Verbrennungsgase nach aussen zu fuhren hat. Der Trichter wird so gestellt, dass die Flamme des Brenners in der Axe des Trichters aufsteigt; seine Hijhe ist so bemessen, dass sein Mantel das schwache Licht des Brenners vollstan- dig nach aussen absperrt. Auf diesen ersten Trichter ist ein zweiter, gleich grosser, inwendig geschwarzter Trichter aus Eisenblech in umgekehrter Stellung so aufgesetzt, dass die Axen der beiden Trichter in dieselbe Gerade fallen, und die Lamelle aus Platin, Gold u. s. w. den Bodenverschluss des oberen Trichters bildet. Beugt sich das Gesicht des Beobachters in die Oeffnung des oberen Trichters, so sieht es, so lange die Lamelle nicht gliiht, im Dunkelzimmer und bei Nacht ein absolut dunkles Gesichtsfeld vor sich. Wird durch langsame Regulirung des Gas- und Luftzuflusses zum Brenner die Lamellentemperatur allmilhlich gesteigert , so tritt ein Moment ein, wo das in die Tiefe des Trichters blickende Auge in der Mitte der Lamclle einen kleinen, kreisformig begrenzten Lichtfleck gewahrt , der ein ausserst schwaches, diisternebelgraues oder fahlaschgraues Licht aus- sendet, das in der Mitte des Fleckes etwas heller leuchtet, als in der Nahe des verwaschenen Randes. Dieser diister- nebelgraue Fleck auf schwarzem Untergrunde macht dem Beobachter vollsthndig den Eindruck eines ausserst schwach leuchtenden Nebelfleckes auf dunkelstem Nachthimmel. Meist erscheint diese erste Spur von Licht etwas hin- und herbe-

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wegt und bald aus der Lamelle hervorbrechend, bald im Dunkel des Gesichtsfeldes verschwindend, eine Erscheinung, die offenbar durch die kleinen unvermeidlichen ortlichen und zeitlichen Schwankungen der Temperatur der Lamellenmitte bedingt ist.

Eine weitere Temperatursteigerung der Lamelle lasst das dustergraue Licht der ersten sichtbaren Strahlung in ein intensiveres hellgraues oder hellaschgraues Licht iiber- gehen; zugleich erweitert sich die Grosse des Lichtfleckes. In radialer Richtung findet eine stetige Abstufung von dem Hellgrau der Mitte bis zu dem diistersten Nebelgrau des Randes statt.

Bei fernerer Temperaturerhohung nimmt das Licht des grosser gewordenen Fleckes rasch an Starke zu, zugleich iindert sich sein Farbencharakter insofern etwas, als das Grau der hellen Mitte nach und nach in Gelbgrau iibergeht.

Endlich kommt bei weiter wachsender Temperatur ein Moment, wo der Beobachter iiber dem hellen, gelblichgrau leuchtenden Lichtfleck einen zarten Schleier des lichtesten feuerrothen Lichtes ausgebreitet sieht. Mit diesem %usserst zarten lichten Feuerroth beginnt die Rothgluht, ganz ent- gegen der bisher iiberall vorgetragenen Meinung, der Beginn der Rothgluht setze mit den ersten Spuren des tiefsten Dunkelroth ein.

Elohere Temperaturen lassen die Intensitat dieser lich- ten Rothgluht rasch wachsen; Hellroth, Orange, Gelb, Gelb- lichweiss und Weiss sind die weiteren Stadien der Gluht.

Genau dieselben Erscheinungen bemerkte ich, als ich an die Stelle der Platinlamelle eine Lamelle aus Gold, Eisen oder Kupfer setzte. - Die unter I. beschriebene Entwicke- lung der Lichtemission eines unter dem Einfluss eines elec- trischen Stromes gliihenden Kohlenfadens ist also lediglich durch die Temperatur bedingt.

111. Die Thatsache, dass eine sehr betrachtliche Tem- peratursteigerung nothig ist , urn die ersten Anfange der Graugluht in die eben sichtbar werdende Rothgluht iiberzu- fuhren, legt dar, dass die Temperatur, bei welcher feste Korper die ersten Spuren sichtbarer Strahlung auszusenden

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beginnen, vie1 tiefer liegt als jene Temperatur, welche den Anfang der Rothgluht bedingt, und die von D r a p e r auf 526O gesetzt wurde.

Ich habe versucht, die Hohe dieser Temperatur der eben beginnenden Graugluht zu bestimmen, und zwar zunachst fur Platin.

I n die Mitte der in den oben beschriebenen Versuchen benutzten Platinlamelle von ca. 0,l mm Dicke wurde die eine Lothstelle eines Thermoelements aus 0,14 mm dicken Neusilber- und Kupferdrahten mittelst Silber so eingeltithet, dass die Masse der Lothstelle ein die Lamelle durchsetzen- des Volumenelement der letzteren wurde, und die Dicke der Lamelle am Orte der LGthstelle keine Aenderung erfuhr. Wahrend die andere Lothstelle der Temperatur Oo ausgesetzt blieb, wurde die Platinlamelle in der oben beschriebenen Weise von unten her durch die heissen Flammengase eines in der Axe des Apparates stehenden Bunsenbrenners all- mahlich auf hohere Temperatur gebracht. Der Heizappnrat befand sich im Dunkelzimmer , das nahezu aperiodisch ge- stellte Galvanometer war in einem Nebenzimmer aufgestellt. Der Gas- und Luftzufluss zum Brenner wurde so regulirt, dass die Temperatur der Lamelle in der nachsten Nahe jener Temperatur lag, bei welcher die Platinlamelle anfangt, die ersten Spuren sichtbarer Strahlung zu entwickeln. Eine kleine Variation im Gas- und Luftzufluss zum Brenner liess dann eine solche Aenderung der Lamellentemperatur ein- treten, dass entweder die erste Spur der Graugluht in der Lamellenmitte eben hervortrat, oder dass die in der Lamellen- mitte eben noch sichtbare Graugluht in dem schwarzen Ge- sichtsfelde erlosch. In diesen Momenten des Auftauchens oder des Erloschens der Graugluht wurde dem die Ablen- kungen des Galvanometers unablassig verfolgenden Beob- achter am Galvanometer ein horbares Zeichen gegeben, den augenblicklichen Stand des Galvanometermagnets zu notiren. Fixirte das beobachtende Auge nicht die Mitte der Lamelle, sondern einen seitlich gelegenen Ort von solcher Lage, dass das Bild der Lamellenmitte auf die empfindlichste Stelle der Netzhaut fiel, so war es im Stande, die Momente des ersten

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Auftretens oder die Momente des Verschmindens des grauen Lichtes mit einer merkwiirdig bestimmten Sicherheit fest- zulegen, sobald nur die Beobachtungen in einem absolut dunkeln Raume, also in der Dunkelkammer bei Nacht, aus- gefiihrt wurden.

Das folgende Beobachtungsprotocoll vom Abend des 16. April gibt daruber naheres an. Es wurden 15 Einstel- lungen auf das Auftreten der ersten schwachsten Spur und auf das Verschwinden dieser ersten schwlchsten Spur des grauen Lichtes gemacht. Ruhelage Stand des Magnets: Stand des Magnets: 501,O 816,O graues Licht erscheint

8 t 9,l 815,5

816,s 815,O 814,4

815,5 816,O

501,4 814,s

verschwindet erscheint

180,s graues Licht verschmindet 178,3 7, 7, erscheint 179,5 ,, ,, verschmindet

erscheint verschwindet erscheint

178,O ,, verschwindet 179,O 1 , 7 7 erscheint 179,5 ,) ,7 verschwindet

erscheint verschwindet erscheint

Die Temperatur der Platinlamelle, bei welcher die erste Spur der sichtbaren Strahlung auftrat, rief also einen mitt- leren Galvanometerausschlag von 318,3 oder einen (auf die Tangente des Ablenkungswinkels) reducirten Ausschlag von 315,2 Scalentheilen hervor. Das benutzte Thermoelement lieferte aber fur denselben Qalvanometerkreis (Galvanometer + 500 Ohm Zusatzwiderstand +30 m Leitungsdraht + Ther- moelement) und dieselben Beobachtungsverhaltnisse die fol- gende Beziehung zwischen der Temperatur t der erwiirmten Lothstelle (die andere Lothstelle auf 00 erhalten) und dem reducirten Scalenausschlage s:

s = 0,5901 t + 0,000 540 t2, welche an demselben Tage durch Benutzung von vier, am Quecksilberthermometer abgelesenen Temperaturen in der Nahe von 50°, loo*, 200° und 250° erhalten worden war.

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266 H. I? Weber.

Nach dieser Relation entspricht dem obigen Ausschlag 315,2 die Temperatur 393O.

An zwei spateren Abenden wurden fur zwei andere Platinlamellen mit Hulfe anderer Thermoelemente aus Neu- silber und Kupfer die Werthe 396 und 391O als Temperatur der beginnenden Lichtemission des Platins gefunden. Ob die kleinen Differenzen zwischen den drei gefundenen Resul- taten von einer verlnderten Empfindlichkeit des Auges oder von einer Verschiedenheit des Verhaltens der drei Platin- lamellen oder von den kleinen zeitlichen Abanderungen der thermoelectrischen Constanten der benutzten Thermoelemente, die ich bei diesen Messungen ofters bemerken konnte, oder endlich von allen diesen Umstanden herruhren, lasse ich vorlaufig dahingestellt sein. Trotz dieser kleinen Differenzen genugen diese drei Beobachtungen, das Resultat festzustellen, dass die Temperatur, bei welcher Platin die ersten Spuren sichtbarer Strahlung auszusenden beginnt, in der Nahe von 390° liegt, mithin ungefahr 135O tiefer steht, als jene Tem- peratur 525O, welche seit Draper ' s Arbeit als die Tem- peratur der beginnenden Lichtentwickelung angesehen wurde.

Dieser Werth 390° stellt indessen nicht einen absoluten, unveranderlichen Werth vor; er gibt vielmehr nur die Tem- peratur an, bei welcher die von der Platinlamelle ausge- schickte Graugluht jene Intensitat erreicht hatte, die im Stande war, mein in der Entfernung von etwa 20 cm befind- liches Auge eben zu erregen. Eine grSssere Annaherung des beobachtenden Auges an die leuchtende Lamelle liess die Tiefe des oberen Trichters nicht zu. Andere Formen und Dimensionen des Apparates, welche das Auge bis in unmittelbare Nahe der gliihenden Lamelle bringen lassen, werden wahrscheinlich zu einem erheblich geringeren Werthe der Temperatur der beginnenden sichtbaren Strahlung fihren; denn einige weitere in den letzten Wochen angefiihrte Ver- suche uber die Graugluht der im Vacuum leuchtenden Eoh- lenfaden zeigten mir unter anderem, dass jene schwache Graugluht solcher Faden, die dem aus grosstmoglicher Xahe beobachtenden Auge die ganze Padengestalt eben noch deut- lich erkennen Yasst, schon dann nicht mehr empfunden

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Lichtemission gliihender Korper. 267

wird, sobald sich das Auge um 5 cm aus dieser Stellung entfernt.

I V . D r a p e r glaubte durch einen seiner Versuche be- wiesen zu haben, dass die verschiedenartigsten Substanzen wie Gaskohle, Eisen, Platin, Blei, Messing und Antimon bei d e r s e l b e n Temperatur anfangen, sichtbare Strahlung aus- zusenden. Nach der Auffindung der oben beschriebenen Thatsachen erschien es mir als etwas zweifelhaft, ob D r a p e r diesen Versuch unter Innehaltung jener ausseren Umstande angestellt hat, deren Herstellung erforderlich ist, um in dieser Richtung ein sicheres Resultat zu gewinnen, und ob iiberhaupt die von D r a p e r benutzte Versuchsmethode jene Scharfe der Beobachtung zulasst , welche zur zweifellosen Feststellung eines so allgemeinen Satzes nothwendig ist.

Ich habe deswegen in einigen weiteren Versuchen, die aber nur den Charakter von orientirenden V orversuchen haben sollten, nachgesehen, ob die Temperaturen, bei wel- chen Platin, Gold und Eisen sichtbare graue Strahlung aus- zusenden beginnen, gleich oder verschieden sind.

I n diesen Versuchen wurde ein Doppelapparat der oben beschriebenen Form benutzt. I n der einen Versuchsreihe war die obere Oeffnung des unteren Trichters des einen Apparates mit einer etwa 0,l mm dicken Platinlamelle, die obere Oeffnung des entsprechenden Trichters des zweiten Apparates mit einer Goldlamelle von fast gleicher Dicke bedeckt. Die eine Lothstelle eines Thermoelements Neu- silber-Kupfer (Drahtdicke gleich 0,13 mm) war in die Mitte der Platinlamelle, die andere Lothstelle in die Mitte der Goldlamelle 80 eingelothet , wie oben beschrieben wurde. Wahrend die eine Lamelle auf Graugluht erhitzt wurde, befand sich die andere Lamelle in schmelzendem Eise.

War fur die Temperatur der beginnenden Graugluht der einen Lamelle eine Reihe von Galvanometerablesungen gewonnen worden, so wurden die Rollen der beiden Lamellen vertauscht, und es wurde fur die zweite Lamelle eine ebenso lange Beobachtungsreihe ausgefuhrt, wie fur die erste. Zur Controle der Zuverliissigkeit der Resultate wurde die erste Beobachtungsreihe zum Schluss wiederholt.

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268 H F. CVeber.

Ich gebe im Folgenden das Protocol1 der beiden Beob- achtungsreihen, die fur die Combinationen Platinlamelle-Gold- lamelle und Platinlnmelle-Eisenlamelle an den Abenden des 5. und 7. Mai zur Ausfuhrung kamen.

I. C o m b i n a t io n : Plat i n 1 a m el 1 e - G o 1 d l a m e l l e.

A. Platinlamelle erhitzt, Goldlamelle auf Oo abgekuhlt.

481,O 753,O graues Licht erscheint - 755,2 ., ' 3 verschwindet - 7345 ,, ., erscheint . . 202,2

201,5

Euhelage Stand des Magnets Stand des Magnets

200,5

757,O - . . . . . . . . . . 759.5

I - .~

759,2 . . . . . . . . . . 202,o 201,7 19917

754,7 . . . . . . . . . . . - 7 5 6 3 755,O

B. Platinlamelle auf 0 O abgekuhlt , Goldlamelle erhitzt.

481,s lS0,5 graues Licht erscheiiit

777,O . . . . . . . . . . 181,s ,, 7, erscheint

775,5 . . . . . . . . . . 150,5

778,s - 779,4 . . . . . . . . . . 154,s

Ruhelage Stand des Magnets Stand des Magnets

180,s ,, ,? verschwindet

777,O

181,O 180,4

. . . . . . . . . . 779;L

182,O 1S2,5

C. Plntinlamelle erhitzt , Goldlamelle auf O o abgekuhlt.

452,3 758,O graues Licht erscheint Ruhelage Stand des Magnets Stand des Magnets

756,5 ' 1 > ? verschmindet 757 , l w .7 erscheint . . 203,l

801,5 202,7

Daraus ergeben sich als mittlere, der beginnenden Gsau- gluht der Platin- und Goldlamelle entspreehende AusschYage 278,O und 298,l Scalentheile. Werden diese Werthe auf die

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Lichtemission gliihender Korper. 269

Tangenten der Ausschlagswinkel reducirt, so gehen sie in 275,9 und 295,6 Scalentheile iiber.

Unmittelbar vor der Ausfuhrung dieser Beobachtungen war fur dasselbe Thermoelement und fur vollstandig iden- tische Beobachtungsverhaltnisse (von der kleinen Verschie- denheit des Widerstandes im Thermoelement bei der Gra- duirung und bei der Temperatur der Graugluht konnte ab- gesehen werden , da sich im Galvanometerkreise ein Zusatz- widerstand von 500 Ohm befand) als Zusammenhang zwischen dem reducirten Scalenausschlag s und der (am Quecksilber- thermometer abgelesenen) Temperatur t der einen Lothstelle (die andere Lothstelle auf O o abgekuhlt) gefunden worden:

s = 0,6246 t + 0,000 204 tz.

Hiernach sendete die benutzte Platinlamelle die erste Spur von grauem Licht bei der Temperatur 391O aus; fur die Goldlamelle begann aber das Auftreten der sichtbaren Strahlung erst erheblich spater, namlich bei der Tempera- tur 417O.

11. C o m b i n a t i o n : P 1 a t i n l am e l l e u n d E i s e n 1 a m elle. Zwei Tage spater wurde eine ahnliche Versuchsreihe

mit einer anderen Platinlamelle in Verbindung mit einer Eisenlamelle, beide von der nahezu gleichen Dicke von etwa 0,l mm, in gleicher Weise durchgefiihrt.

A. Platinlamelle erhitzt, Eisenlamelle auf 0 O abgekiihlt, Stand des Maguets Stand des Magnets

Eluhelage 490,6 198,O graues Licht erscheint 196,s 7 3 9, verschwindet 197,O j* ,) erscheint . . 783,6

7Y5,O 785,5

198,5 . . . . . . . . . . 197,O 199,4 . . . . . . . . . . 'iS4,O

iS5,6 TS6,5

198,3 . . . . . . . . . .

196,5 199,o

Page 15: Die Entwickelung der Lichtemission glühender fester Körper

2 70 H. F. Weber.

B. Eisenlamelle erhitzt, Platinlamelle auf 0 O abgekuhlt.

215,5 graues Licht erscheint 213,O ,, ,, verschwindet 216,2 1 7 ,, erscheint . . 768,O

770,5 768,O

215.5 . . . . . . . . . .

Stand cles Magnets Stand des Magnets Ruhelage 491,4

212;1 213,5 . . . . . . . . . . 769,O

770,3 769.4

214,l . . . . . . . . . . 212.5 215;o

C. Platinlamelle erhitzt, Eisenlamelle auf O o abgekiihlt. Stand des Magnets Stand des Magnets

Ruhelage 492,O 199,5 198,O 200,3 . . . . . . . . . . 787,O

787,2 786,3

Aus den mittleren, auf Tangenten reducirten Ausschla- gen 291,2 und 275,5 Scalentheilen und aus der fur das be- nutzte Thermoelement und die jetzigen Versuchsverhaltnisse giiltigen Beziehung zwischen dem reducirten Scalenausschlag s und der (am Quecksilberthermometer abgelesenen) Tem- peratur t der erwarmten Lothstelle:

s = 0,6040 t + 0,000 331 t2 ergibt sich als Temperatur der beginnenden Lichtemission fur Platin 396O und fur Eisen, resp. oxydirtes Eisenblech 3780.

Diese Versuche legen also dar, dass die verschiedenen festen Substanzen auf ve r sch iedene Temperaturen erwarmt merden mussen, falls sie die ersten Spuren sichtbarer Strah- lung aussenden sollen.

Da genaue Daten uber die Temperaturen, bei welchen die verschiedenen Substanzen zu gliihen beginnen, der noch zu begrundenden Theorie der Strahlung von Wichtigkeit werden konnen, habe ich Hrn. Dr. E m d e n veranlasst, den Versuch zu unternehmen, diese Temperaturen fiir eine Reihe verschiedener fester Substanzen in der oben beschriebenen Weise mit jener Genauigkeit zu bestimmen, welche die ge- schilderte Methode bei eingehender, sorgfaltiger Durchfiih- rung zu liefern vermag.