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Die Feste Grool

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ATLAN 11 – Die Feste Grool

Nr. 310

Die Feste Grool von H. G. Francis

Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, daß die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist. Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt und nicht bereinigt worden. Der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wiederauf-getauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis. Atlan, Lordadmiral der USO, und Razamon, der Berserker – er wurde beim letzten Auftau-chen von Atlantis oder Pthor von den Herren der FESTUNG auf die Erde verbannt und durch einen »Zeitklumpen« relativ unsterblich gemacht – sind die einzigen, die den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Leiter der Invasion ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Allerdings verlieren die beiden Männer bei ihrem Durchbruch ihre gesamte Ausrüstung. Und so landen Atlan und Razamon – der eine kommt als Späher, der andere als Rächer – nackt und bloß an der Küste von Pthor, einer Welt der Wunder und der Schrecken. Ihre ersten Abenteuer bestehen sie am »Berg der Magier«. Ihr weiterer Weg führt sie über die »Straße der Mächtigen« zu den Seelenhändlern und der Stadt der Roboter. Jetzt ist das Ziel des Arkoniden und des Pthorers, zu denen sich jüngst der Riesenwolf Fenrir gesellt hat, DIE FESTE GROOL ...

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ATLAN 11 – Die Feste Grool

Die Hauptpersonen des Romans: Atlan und Razamon – Zwei Gefangene auf der Feste Grool. Fenrir – Atlans und Razamons vierfüßiger Begleiter. Porquetor – Der Stählerne wütet. Zbator – Ein Techno der Feste Grool. Caidon-Rov – Ein Gegner wird zum Ver-bündeten. Yunthaal – Lenker des Stählernen.

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1.

Breitbeinig stand der Henker im offenen

Tor der Feste Grool. Er stützte seine Hände auf dem Knauf seines Schwertes ab, das er mit der Spitze auf den Boden gestellt hatte.

Sein Gesicht war nicht zu erkennen. Es verbarg sich unter einer roten Kapuze, in die Schlitze für Augen und Mund eingeschnitten waren.

Razamon verharrte schweigend in der Stel-lung, die er in seiner ersten Überraschung eingenommen hatte. Seine Hände verdeckten sein Gesicht.

Fenrir lag auf dem staubigen Boden. Er winselte leise. Es schien, als ob er sich vor der Henkersgestalt fürchtete.

Atlan hob seine Skerzaal, spannte sie und legte einen Bolzen ein. Er preßte den Kolben gegen die Schulter, zielte auf den Henker und schritt langsam auf ihn zu.

Deutlich konnte er die fest zusammen-gepreßten Lippen des Unbekannten durch den Mundschlitz sehen. Die Augen dagegen verbargen sich ihm. Sie schienen überhaupt nicht vorhanden zu sein.

»Aus dem Weg«, befahl der Arkonide dro-hend. »Gegen die Stahlbolzen aus dieser Waf-fe dürftest auch du nicht immun sein.«

Der Henker hob das Schwert und schwenk-te es herum, so daß es mit der Spitze nach oben zeigte. Er drückte die Klinge gegen sei-nen Mund.

Dann stieß er das Schwert plötzlich mit der rechten Hand steil nach oben.

Einige Sekunden lang standen die beiden Männer sich gegenüber. Keiner von ihnen gab seine drohende Haltung auf.

Atlan hörte Razamon hinter sich stöhnen. Der Atlanter sagte etwas in einer ihm unbe-kannten Sprache, so daß er ihn nicht verstand.

»Aus dem Weg«, wiederholte Atlan. Der Henker trat einen halben Schritt zurück, senk-te die Spitze des Schwertes und richtete sie auf den Kristallprinzen, als wolle er ihn an-greifen.

Razamon trat von hinten an Atlan heran. Er legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Bitte«, sagte er stammelnd. »Tu es nicht. Ich kann ...«

Singend schoß die Sehne der Skerzaal nach

vorn und trieb den Stahlbolzen vor sich her. Razamon schrie auf.

Atlan glaubte bereits, gewonnen zu haben, als der Henker plötzlich verschwand.

Atlan blickte überrascht über die Schulter zurück. Unwillkürlich erwartete er, den Hen-ker hinter sich zu sehen. Er glaubte, es mit einem Teleporter zu tun zu haben, der ihm in den Rücken sprang, um ihn von hier aus an-greifen zu können.

Doch er irrte sich. Der Henker war verschwunden, und er

tauchte auch nicht wieder auf. Knarrend und quietschend schlossen sich die Tore der Feste Grool.

»Schnell. Wir müssen hindurch«, brüllte Razamon. Er war wie ausgewechselt. Er stürmte los. Fenrir sprang hoch und jagte ne-ben ihm her. Atlan blieb stehen, wo er war. Gleichgültig fast beobachtete er, wie die bei-den sich dem Tor näherten.

Sie schaffen es nicht, signalisierte der Lo-giksektor, und er irrte sich nicht. Razamon und Fenrir erreichten das Tor zu spät. Die beiden Torflügel schlugen krachend gegen-einander. Wütend hämmerte Razamon mit der Faust dagegen.

»Es hat keinen Sinn«, sagte Atlan. »So kommen wir nicht weiter.«

Razamon fuhr herum. Sein Gesicht verzerr-te sich vor Zorn und Erregung. »Was soll das heißen?« fragte er heftig. »Willst du aufge-ben? Ausgerechnet jetzt?«

Atlan ging langsam zu ihm hinüber. »Niemand spricht davon, daß ich aufgeben

will«, entgegnete er gelassen. »Das Tor hat sich geschlossen, weil man uns noch nicht einlassen will.«

Razamon schob Atlan zur Seite. Er ging zu der hohlen Porquetorrüstung und packte sie bei den Füßen. Mühsam schleifte er das Ge-bilde, das über drei Zentner wog, zum Rand des Weges.

»Was hast du vor?« fragte Atlan. »Ich werde diesen Halb-Roboter in den

Abgrund stürzen«, erklärte Razamon. »Mal sehen, was geschieht, wenn ich es versuche.«

»Im ungünstigsten Fall passiert überhaupt nichts, und dann haben wir unsere einzige Chance vertan.«

Fluchend ließ Razamon die Stahlbeine fal-

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len.

»Mach einen besseren Vorschlag«, forderte er.

»Hier liegt viel Holz herum«, sagte Atlan. »Da oben zum Beispiel ist ein ganzer Baum, der vom Wind umgestürzt worden ist. Wenn wir ihn holen und gegen den Stützpfeiler stemmen, dann können wir vielleicht bis zur Zugkette des Tores kommen. Wir könnten daran hochklettern. Das Führungsloch der Kette sieht so aus, als wäre es groß genug, so daß wir hindurchsteigen können.«

»Was ist, wenn der Henker uns dort oben erwartet?«

Atlan blickte Razamon fest an. »Du weißt genau, daß er das nicht tun

wird«, behauptete er. Der Atlanter wich seinem forschenden

Blick aus. Er nickte nervös. »Einverstanden«, sagte er. »Wir holen den Baum und versuchen auf diese Weise, in die Feste zu kommen. Du hast recht. Die Porquetor-Rüstung können wir immer noch zerstören, wenn wir mit anderen Methoden nicht mehr weiterkommen.«

Gemeinsam kletterten sie zu dem von Atlan bezeichneten Baum hoch. Er war etwa zehn Meter lang, aber überraschend leicht, so daß sie ihn zu zweit transportieren konnten. Sie wälzten ihn den Berg hinunter bis vor das Tor der Feste. Hier richteten sie ihn mühsam auf.

»Sichere du mich ab«, bat Atlan. »Ich wer-de zuerst hochsteigen.«

»Laß mich vorangehen.« Atlan schüttelte den Kopf. »Ich brauche hier unten einen starken

Mann, der den Baum abstützt«, entgegnete er. »Ich wäre viel zu schwach, ihn zu halten, wenn er abrutschen sollte. Das kannst du we-sentlich besser als ich.«

Er lächelte flüchtig, als er merkte, daß Ra-zamon aufbegehren wollte, und kletterte am Baumstamm hoch. An der rauhen Rinde fand er genügend Halt, so daß er rasch vorankam. Er erreichte die Kette und hangelte sich an ihr entlang bis hoch zum Führungsloch. Hier schwang er sich auf die Kette und setzte sich rittlings darauf. Enttäuscht stellte er fest, daß im Innern der Führungsöffnung stählerne Za-cken angebracht waren, so daß er nicht hin-durchkriechen konnte. Auch seine Hoffnung, durch die Öffnung in das Innere der Feste

blicken zu können, erfüllte sich nicht. Er sah nur ein mächtiges Kettenrad, an dem die Ket-te aufgewickelt war. Es versperrte ihm die Sicht.

»Hier kommen wir nicht weiter«, rief er Razamon zu, ließ sich herunter und hangelte sich zum Baum zurück. Dann kletterte er dar-an herunter, und Razamon kippte den Baum-stamm zur Seite weg.

»Und was tun wir jetzt?« fragte der Atlan-ter.

Atlan hob die Schultern. Er wußte keine Antwort. Ihm war ebenso daran gelegen, in die Feste zu kommen wie Razamon. Nur des-halb hatten sie die Mühen auf sich genom-men, den schweren Halbroboter bis zur Feste zu schleppen. Porquetors stählerner Bote war durch einen Stromschlag ausgeschaltet wor-den. Seine Steuersysteme waren durch eine Reihe von Kurzschlüssen zerstört und funkti-onsunfähig gemacht worden, als Porquetor auf ein Stromkabel getreten war. Das war Atlans Glück gewesen, denn er hätte den Kampf mit dem Stählernen kaum überlebt.

Atlan blickte an den Stützsäulen der Feste hoch. Die Spitze der Feste mit ihren anten-nenartigen Auswüchsen war im Dunst ver-borgen. Nichts deutete darauf hin, daß irgend jemand in dieser Anlage lebte. Es schien, als sei die Feste seit undenkbaren Zeiten unbe-wohnt.

Atlan wußte jedoch, daß sich jemand darin aufhalten mußte. Der Stählerne war ein Halb-roboter, der von dieser festungsähnlichen An-lage aus gesteuert worden war. In der Feste Grool befand sich der wirkliche Porquetor.

Der Arkonide war sich dessen sicher, daß es für ihn wichtig war, das Rätsel um diesen Porquetor zu lösen. Er war entschlossen, sich bis zu den wirklichen Herren von Atlantis vorzuarbeiten und sie zu stellen. Er wollte Atlantis wieder von der Erde entfernen, bevor die Horden der Nacht und die Berserker über die Menschheit herfallen konnten.

Die Horden der Nacht und die Berserker von den Menschen abzuhalten, war der Grund dafür gewesen, daß er einen Energieschirm über Atlantis hatte errichten lassen, so daß niemand diese Insel verlassen konnte.

Und er war durch eine Strukturlücke im Energieschirm bis nach Atlantis vorgestoßen,

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weil er das Rätsel von Pthor lösen wollte. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, das unheilvolle Wirken der Insel ein für allemal zu beenden.

Der Mann, der neben ihm stand, wurde von ähnlichen Gedanken erfüllt, wenngleich es ihm nicht darum ging, das Geheimnis von Pthor zu lüften, sondern sich zu rächen.

Rache für eine zehntausendjährige Verban-nung, das war das Motiv Razamons. Atlan wußte, daß sein Begleiter erst Ruhe finden würde, wenn sich diese Rache erfüllt hatte.

»Was hältst du davon, wenn wir mit der Skerzaal auf die Fenster dort oben schießen?« fragte Razamon. »Damit erobern wir die Feste zwar nicht, aber wir ärgern die Bewohner, und das könnte immerhin dazu führen, daß sie mit uns sprechen.«

»Das wäre keine besonders gute Einfüh-rung für uns«, entgegnete der Arkonide.

»Hast du einen besseren Vorschlag?« fragte Razamon.

Atlan verzog die Lippen. »Leider nicht«, entgegnete er. »Ich fürchte,

wir müssen warten, bis etwas geschieht. In-zwischen könnten wir an der elektronischen Einrichtung der Rüstung herumspielen. Viel-leicht lösen wir dabei ein Signal aus, das die-ses Tor öffnet.«

»Das ist immerhin eine Möglichkeit. Wir wollen keine Zeit verlieren.«

Der Halbroboter war bei einem Sturz auf-gebrochen, als sie ihn auf dem Rücken eines Panzerstiers aus der Ebene der Windmühlen zur Feste Grool hinaufgebracht hatten. Erst dabei hatten Atlan und Razamon entdeckt, daß niemand in der Rüstung steckte, sondern daß Porquetor ein Halbroboter war, der von der Feste aus ferngesteuert wurde.

Die beiden Männer knieten neben der Rüs-tung nieder und untersuchten sie eingehend. Sie lösten Metallteile heraus, mit denen sie in den Schaltmechanismen und in der Elektronik herumstocherten.

Das ist der einzig richtige Weg, stellte der Logiksektor Atlans fest. Wenn die Leute in der Feste Grool noch etwas von diesem Robo-ter retten wollen, müssen sie sich beeilen – und genau das werden sie tun.

Atlan blickte auf. Ein pfeilförmiges Fahrzeug schoß aus der

Öffnung der oberen Veranda der Feste heraus

und jagte die spiralenförmige Bandstraße her-ab. Es verschwand unterhalb des Tores hinter einem der Stützpfeiler der Feste.

»Hast du es gesehen?« fragte Atlan. Razamon nickte nur. Er erhob sich und

griff nach seiner Skerzaal. Er spannte sie, legte jedoch noch keinen Bolzen ein.

Endlos lang erschienen nun die Minuten, die verstrichen, bis sich die Kette schließlich rasselnd bewegte. Die Türflügel glitten aus-einander. Im dunklen Innern der Stützsäule konnten Atlan und Razamon nichts erkennen. Fenrir knurrte drohend.

Langsam schritten Atlan und Razamon auf das Tor zu, wobei sie den Halbroboter über den Boden schleiften. Sie waren entschlossen, in die Feste einzudringen.

Aus dem Dunkel löste sich eine große, ha-gere Gestalt. Es war ein kahlköpfiger Mann mit hohlen Wangen und tiefliegenden Augen. Ein freundliches Lächeln lag auf seinen Lip-pen, als er sich Atlan und Razamon näherte.

Fünf Schritte von ihnen blieb er stehen und verneigte sich unterwürfig.

»Ihr seid mir willkommen«, erklärte er in kaum verständlichem Pthora. »Bitte, tretet ein.«

Vorsicht! signalisierte der Extrasinn. Atlan stutzte. Der Hagere rief zwiespältige

Gefühle in ihm hervor. War das demütig und überaus freundliche Gehabe nur Maske? Was verbarg sich dahinter? Versuchte man, ihnen eine Falle zu stellen?

»Danke«, sagte Razamon erleichtert. »Wir sind froh, daß du endlich gekommen bist. Wir dachten schon, man würde uns ignorieren.«

In den Augen des Hageren blitzte es kurz auf. Er blickte Razamon prüfend an, senkte dann jedoch sogleich die Lider und verneigte sich erneut.

»Es tut mir leid, daß dieser Eindruck ent-standen ist«, beteuerte er. »Wir sind euch zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet, weil ihr ihn trotz aller Mühen und Gefahren hierher ge-bracht habt.«

Er zeigte auf den Halbroboter, und Trauer beschattete sein Gesicht. Er faltete die Hände vor der Brust und verneigte sich vor der Rüs-tung, als sei sie etwas, das er verehre.

Das pfeilförmige Fahrzeug, das Atlan vor-her beobachtet hatte, glitt lautlos aus dem

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Dunkel heraus an dem Hageren vorbei zu der Rüstung hin. Magnettrossen griffen sie auf und hoben sie in einen schalenförmigen Sitz. Dann schoß das Fahrzeug mit hoher Be-schleunigung ins Dunkel zurück, ohne vorher zu wenden. Es raste Sekunden später die S-förmige Bandstraße hoch und verschwand oben in der Hauptkuppel.

»Mein Name ist Caidon-Rov«, sagte der Hagere freundlich. Er überragte Atlan um fast zwanzig Zentimeter. »Ich freue mich, daß ich das Glück hatte, euch kennenzulernen.«

Er drehte sich um und schnellte sich mit ei-nigen überraschenden Sprüngen zum Tor zu-rück, das sich bereits zu schließen begann, bevor er es erreicht hatte. Er schlüpfte durch den sich verengenden Spalt. Atlan, Razamon und Fenrir, die ihm gemeinsam folgten, ka-men zu spät. Sie prallten gegen das geschlos-sene Tor.

Razamon stöhnte auf. »Ich könnte mich ohrfeigen«, sagte er

bleich vor Zorn und Erregung. »Dabei habe ich geahnt, daß er so etwas tun würde. Nun sind wir unseren Trumpf los.«

»Wir haben uns wie die Anfänger benom-men«, stellte Atlan fest.

»Und was jetzt? Geben wir auf?« »Wir warten ab«, antwortete der Arkonide.

»Ich glaube nicht, daß dies schon das Ende ist. Irgend etwas passiert noch.«

Razamon hob wortlos seine Skerzaal an die Schulter, legte einen Bolzen ein und schoß.

Er traf eines der Fenster der unteren Veran-da. Klirrend zersplitterte die Scheibe.

Atlan blieb ruhig. Er ließ sich zu keiner vergleichbaren Reaktion hinreißen, weil er wußte, daß so etwas nichts einbrachte. Cai-don-Rov oder die anderen Bewohner der Burg würden sich davon nicht beeindrucken lassen.

Razamon blickte angestrengt nach oben. »Sie rühren sich nicht«, sagte er nach eini-

gen Minuten. »Sie tun so, als wäre überhaupt nichts geschehen.«

»Aus ihrer Sicht ist vielleicht auch nichts geschehen.«

Der Atlanter ließ die Skerzaal sinken. »Ich frage mich, ob Caidon-Rov der echte

Porquetor war, jener also, der die Rüstung fernsteuert«, sagte Atlan.

»Das ist eine reine Spekulation«, entgegne-

te Razamon. »Dafür gibt es keinerlei Anhalts-punkte.«

»Das ist mir klar.« Fast eine Stunde verstrich, ohne daß etwas

geschah. Razamon schulterte seine Skerzaal. »Mir reicht es jetzt«, erklärte er. »Ich

schlage vor, daß wir verschwinden.« Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen,

als eine silbern schimmernde Gestalt auf der Brüstung der unteren Veranda erschien. Di-rekt über der zersplitterten Scheibe stand Por-quetor, die hohle Rüstung. Er legte seine me-tallenen Hände auf den Rand der Brüstung und schwang sich auf den Rand hinauf. Für einen Moment schien es so, als werde er sich in die Tiefe stürzen. Doch dann stand er wie angeschweißt, nachdem er den Kopf leicht nach vorn geneigt hatte.

»Verschwindet jetzt«, hallte eine hohle Stimme zu Atlan und Razamon herab. »Geht endlich.«

Razamon hob die Skerzaal, schoß jedoch nicht, weil er sich noch rechtzeitig daran erin-nerte, daß die Rüstung dem Bolzenbeschuß mühelos widerstand.

»Wir gehen nicht«, rief Atlan. »Wir ver-handeln.«

»Hier gibt es nichts zu verhandeln«, brüllte Porquetor zurück. »Geht, oder wir werden euch und das Tier töten.«

»Es hat keinen Sinn«, sagte Razamon re-signierend. »Laß uns gehen, Atlan.«

Der Arkonide spielte den letzten Trumpf aus, der ihm noch verblieben war.

»Wir kommen von draußen«, rief er zur Rüstung hinauf, die in verblüffend kurzer Zeit wieder instand gesetzt worden war. »Wir sind von dieser Welt, die vernichtet werden soll. Verstehst du? Wir kommen von draußen.«

Porquetor hob den Kopf. Es sah aus, als blicke er von seiner Höhe auf das Land hin-aus.

»Was soll das?« fragte Razamon. »Glaubst du, daß wir damit weiterkommen?«

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete der Aktivatorträger leise.

Von einem der antennenartigen Auswüch-se, die im Dunst kaum zu erkennen waren, zuckte ein Blitz herab.

Atlan griff sich an die Augen. Er war ge-

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blendet.

Lauf! schrie es in ihm. Er wollte diesem Befehl seines Logiksek-

tors folgen. Er wollte sich umdrehen und flie-hen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Er fühlte, wie sie unter ihm nachgaben. Seine Arme sanken nach unten. Er sah, daß Fenrir bereits auf dem Boden lag.

Razamon kippte um, als habe ihm eine un-sichtbare Kraft die Beine unter dem Leib weggerissen.

Mit aller Macht kämpfte Atlan gegen die Lähmung an, die ihn erfaßte. Es gelang ihre noch, zwei Schritte weit zu gehen. Dann aber wurde es dunkel vor seinen Augen. Er brach zusammen.

Er vernahm ein schrilles Sirren, das jedoch rasch verklang.

2.

Ein unangenehmes Prickeln am Hinterkopf

und im Nacken war das erste, was Atlan fühl-te, als er aus der tiefen Bewußtlosigkeit er-wachte.

Er versuchte, mit den Händen zum Kopf zu greifen, doch es gelang ihm nicht, sie zu he-ben. Irgend etwas hielt seine Arme fest. Er öffnete den Mund und atmete tief durch. Der Zellaktivator in seiner Brust pulsierte unge-wöhnlich intensiv.

Endlich gelang es dem Arkoniden, die Au-gen zu öffnen. Für Sekunden nahm er das Bild in sich auf, das sich ihm bot. Dann san-ken die Lider wieder nach unten. Atlan verlor das Bewußtsein nicht wieder. Seine Sinne klärten sich von Minute zu Minute mehr. Dennoch hielt er die Augen geschlossen und vergegenwärtigte sich, was er gesehen hatte.

Er befand sich in einem laborähnlichen Raum. An den Wänden erhoben sich kasten-artige Instrumente, die mit fremdartigen Kon-trolleinrichtungen versehen waren: Maschi-nen, deren Funktion er nicht erkennen konnte, füllten den Raum bis in den letzten Winkel hinein aus. Zwischen ihnen war nur noch so wenig Platz vorhanden, daß Porquetor sich im Raum bewegen, und daß er alle Maschinen und Instrumente erreichen konnte.

Links und rechts von Atlan befanden sich Liegen. Auf ihnen ruhten Razamon und Fen-

rir. Beide waren gefesselt. Zahllose Kabel und Schläuche waren mit Kontaktscheiben an ih-nen befestigt worden. Razamon und der Fen-riswolf waren offenbar noch bewußtlos, wäh-rend er – durch den Zellaktivator begünstigt – die Wirkung der unbekannten Waffe schon fast überwunden hatte.

Porquetor stand neben Razamon. Er hielt ein blitzendes Instrument in der rechten Hand. Damit berührte er die Stirn des Atlanters eini-ge Male. Dann wandte er sich von ihm ab und kam zu Atlan.

Dieser schlug die Augen auf. Der Stählerne merkte augenblicklich, daß

er bei vollem Bewußtsein war. Er streckte den Arm aus und zeigte auf Razamon.

»Er kommt nicht von draußen«, erklärte er mit hohl klingender Stimme. »Er gehört zu den Pthorern, die in der Nähe des Taambergs lebten und aus denen die Berserker rekrutiert wurden.«

Er schwieg einige Minuten lang und warte-te darauf, daß der Arkonide zu diesen Worten Stellung nehmen würde. Atlan schwieg je-doch hartnäckig, weil er sich nicht darüber klar war, ob Porquetor eine Feststellung ge-troffen oder ein Vermutung ausgesprochen hatte.

»Der Wolf ist von hier«, fuhr der Stählerne schließlich fort. Er führte das blitzende In-strument an die Stirn Atlans. Dieser fühlte wiederum ein unangenehmes Prickeln hinter den Ohren und im Nacken, als es ihn berühr-te.

»Du könntest einer der Göttersöhne sein«, sagte Porquetor, und seine Worte klangen fast wie eine Frage. »Vielleicht Sigurd! Aber nein. Du bist es nicht. Du kommst tatsächlich von draußen.«

Seine Hand sank herab. Er trat zurück. Ei-genartige Lichtreflexe tanzten auf seinem stählernen Gesicht.

Atlan versuchte erneut, seine Arme aus den Fesseln zu ziehen, doch es gelang ihm auch jetzt nicht. Porquetor löste die Fesseln nicht, obwohl er wissen mußte, daß Atlan ohne Waffen gegen ihn nichts ausrichten konnte.

»Genau das sagte ich«, bemerkte Atlan. »Ich komme von draußen.«

»Wer bist du?« fragte Porquetor. »Das gleiche wollte ich dich fragen«, erwi-

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derte der Arkonide kühl. »Wer bist du?«

Porquetor zeigte keinerlei Reaktion. Er blieb so ruhig und unbewegt stehen wie zu-vor. Endlos lange Minuten verstrichen, ohne daß etwas geschah. Atlan fragte sich, ob je-mand in der stählernen Rüstung steckte, oder ob sie auch jetzt ferngelenkt wurde. Hatte sich der Unbekannte, der dahinter steckte, dazu entschlossen, selbst zu kommen? Bewegte sich die Rüstung deshalb nicht?

»Die Feste Grool ist uneinnehmbar«, er-klärte Porquetor plötzlich. »Das ist eine Tat-sache. Unbestreitbar aber ist auch, daß die Feste Grool einem denkenden Geist nur we-nige Möglichkeiten bietet, sich zu entfalten.«

»Das kann ich nicht beurteilen«, erwiderte Atlan, als der Stählerne danach nicht weiter-sprach. »Vielleicht sind die Möglichkeiten doch viel umfangreicher, als du denkst? Viel-leicht solltest du nur einmal mit einem ande-ren denkenden Geist reden. Es könnte sein, daß du dann Möglichkeiten der Entfaltung entdeckst, an die du zuvor nie gedacht hast.«

»Das wäre denkbar«, sagte Porquetor. »Dennoch will ich darüber nicht diskutieren. Mich interessiert etwas anderes. Ich habe mich schon lange mit dem Plan befaßt, die Feste Grool zu verlassen, Pthor zu verlassen und eine fremde Welt zu betreten wie die da draußen, von der du kommst. Ich habe es satt, ruhelos mit Pthor zu wandern und mich nach dem Willen derer zu richten.«

»Was also planst du?« fragte Atlan, obwohl er bereits ahnte, mit welchem Gedanken der Stählerne spielte.

Porquetor streckte plötzlich den rechten Arm aus.

»Ich will diese Welt da draußen«, eröffnete er Atlan. »Ich will auf dieser Welt da draußen seßhaft werden. Ich will ein Reich nach mei-nen Vorstellungen aufbauen und eine Herr-schaft nach meinen Idealen errichten.«

Im Gesicht des Arkoniden zuckte kein Muskel, doch die Erregung trieb ihm Tränen in die Augen. Das konnte er nicht verhindern. Er mußte daran denken, wie Porquetor bei den Paarlen gewütet hatte. Er sah die zerfetz-ten Leiber der Höhlenbewohner vor sich.

Niemals, sagte er sich, durfte der Stählerne Pthor verlassen und die Herrschaft über die Menschen der Erde übernehmen. Ein Reich

nach seinen Vorstellungen durfte niemals Wirklichkeit auf Terra werden.

»Was soll ich dabei tun?« fragte Atlan vor-sichtig.

»Du sollst mir dabei helfen, Pthor zu ver-lassen, auf jene Welt da draußen hinauszusto-ßen und auf ihr das Reich zu errichten, das ich mir vorstelle.«

»Du verlangst nicht gerade wenig von mir«, entgegnete Atlan. »Von einem gefesselten Mann verlangst du sogar zuviel.«

»Die Fesseln werden fallen«, versprach Porquetor. »Der Pthorer und der Wolf werden leben, wenn du mir hilfst.«

Versprich es ihm, riet der Logiksektor. Du vergibst dir nichts.

»Die Welt da draußen zu erobern, ist ein gewaltige Aufgabe«, erklärte der Arkonide. »Die Bewohner dieses Planeten sind nicht gerade schwach. Dennoch ist es möglich, sie zu unterwerfen und nach deinen Vorstellun-gen zu formen.«

»Das ist mir bewußt«, entgegnete der Stäh-lerne. »Ich weiß, was ich kann. Ich zweifle nicht daran, daß mein großer Plan gelingen wird.«

»Also gut. Ich helfe dir«, versprach Atlan. »Ich habe gewußt, daß du dich so entschei-

den würdest«, sagte Porquetor. »Glaube aber nicht, daß du mich täuschen könntest. Bilde dir nicht ein, daß du nur zum Schein auf mei-ne Vorschläge eingehen kannst, um dann spä-ter gegen mich zu arbeiten. Einen derartigen Verrat würdest du noch nicht einmal um einen Tag überleben.«

»Ich habe nicht vor, dich zu verraten«, er-widerte Atlan mit fester Stimme. »Ich habe mein Versprechen gegeben, und das halte ich auch.«

»Dann ist es gut«, sagte der Stählerne. Er trat an das Lager heran und löste die Fesseln mit wenigen Griffen. Atlan richtete sich auf, während Porquetor den Raum verließ. »Be-freie die anderen. Von jetzt an dürft ihr euch frei in der Feste bewegen. Ihr dürft sie jedoch nicht verlassen. Auch ist es euch nicht erlaubt, eine der beiden Kugeln zu betreten, die die Hauptanlage flankieren. Ich werde es als Ver-rat ansehen, wenn ihr dieses Verbot verletzt. Und für Verrat gibt es bei mir nur eine Strafe. Den Tod. Du wirst von mir hören.«

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Der Stählerne verließ den Raum. Atlan glitt von seinem Lager und eilte zu

Razamon hinüber. Dieser war noch immer bewußtlos. Auch Fenrir hatte sich noch nicht wieder erholt.

Atlan begann, das Herz Razamons zu mas-sieren, nachdem er die Fesseln gelöst hatte.

*

Die Tür öffnete sich, und Caidon-Rov trat

ein. Der hochgewachsene, ungemein hagere

Mann näherte sich ihnen freundlich lächelnd. Er hielt die Hände vor der Brust ineinander verschränkt und neigte den Kopf bei fast je-dem Schritt grüßend nach vorn.

»Ich bin glücklich, daß ihr euch mit Por-quetor einigen konntet«, erklärte er. »Und es ist mir eine große Freude, euch mitteilen zu können, daß der Meister mich euch zugeteilt hat. Ich habe die Aufgabe, euch zu betreuen und euch alle Wünsche von den Augen abzu-lesen.«

»Ich habe den Wunsch, dir eins hinter die Ohren zu geben«, sagte Razamon, »weil du uns hereingelegt hast.«

»Das kann ich verstehen«, erwiderte Cai-don-Rov. »Glaubt mir. Dafür habe ich volles Verständnis.«

Razamon ging auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen.

»Also«, sagte er fordernd. »Halte still.« »Ich habe den Auftrag, euch alle Wünsche

von den Augen abzulesen«, versetzte der Ha-gere. »Das bedeutet jedoch nicht, daß ich sie auch erfüllen muß.«

»Laß ihn«, bat Atlan. »Das führt zu nichts.« Er schob Razamon zur Seite und bedeutete Caidon-Rov mit einer Geste, daß sie den Ver-hörraum verlassen wollten. Wortlos wandte sich der Diener Porquetors um und ging vor ihnen her. Fenrir schloß knurrend zu Atlan auf. Der Wolf bewegte sich noch etwas unsi-cher auf den Beinen. Bei ihm waren die Nachwirkungen der Paralyse am ausgepräg-testen.

Als sie den Raum verließen, kamen sie auf einen Gang hinaus, der ganz in goldenen Far-ben gehalten war. Decke und Wände leuchte-ten aus sich selbst heraus, als bestünden sie

aus purem Gold. Atlan sah, daß seltsame Muster die verschiedenen Abschnitte der De-cke bestimmten, während sie den Gang ent-langschritten. Aus unbestimmbarer Richtung kamen die Klänge einer fremdartigen Musik, die exakt mit den Mustern der Decke harmo-nierte. Der Arkonide war versucht, stehen-zubleiben oder ein paar Schritte zurückzuge-hen, um zu überprüfen, ob dieser Eindruck stimmte, aber Caidon-Rov legte ihm die Hand auf den Rücken und schob ihn mit sanfter Gewalt weiter.

Der Arkonide sagte sich, daß er später noch genügend Gelegenheit haben würden, sich alles genauer anzusehen, und ging weiter.

Die Wände waren mit Bildern von Land-schaften exotischer Planeten verziert. Diese Bilder waren jedoch stets nur für ein paar Se-kunden und immer nur aus einem bestimmten Winkel heraus sichtbar. Sie tauchten wie aus dem Nichts heraus auf, und sie verschwanden wieder, während die Gruppe daran vorbei-schritt. Danach sahen die Wände wieder glatt aus.

»Wohin führst du uns?« fragte Atlan. »Ich habt sicherlich Hunger«, sagte der Ha-

gere. »Und nach den Strapazen, die ihr in den letzten Tagen überstanden habt, möchtet ihr euch sicherlich auch erfrischen. Ich habe Räume für euch vorbereiten lassen, in denen ihr baden könnt, wenn ihr wollt. In einer Stunde erwarte ich euch dann zum Essen.«

Sie hatten eine große Tür erreicht. Caidon-Rov öffnete sie und führte Atlan und seine Begleiter durch einen lichten Raum, in dem ein runder Tisch stand, zu den Wohneinhei-ten, von denen er gesprochen hatte. Sie ent-hielten alles, was Atlan und Razamon von ihrem Leben außerhalb von Atlantis gewohnt waren.

»Ich gebe zu, daß ich mich geradezu kin-disch auf ein Bad freue«, sagte Atlan.

»Wenn ihr eure Kleidung in dieses Fach legt, werde ich dafür sorgen, daß sie gereinigt wird. Ihr erhaltet sie später zurück«, sagte der Hagere und öffnete eine Durchreiche in der Wand. »Bis zum Essen dann, meine Freun-de.«

Er verneigte sich lächelnd vor ihnen, ging drei Schritte rückwärts, verneigte sich erneut und verließ den Raum.

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»Ich kann den Kerl nicht ausstehen«, sagte

Razamon, als sie allein waren. »Ich spüre, daß er falsch bis in die Knochen ist. Wir dürfen ihm nicht trauen.«

Atlan zog die Tür zu einem Hygieneraum auf.

»Vorläufig denke ich nicht daran, über ihn zu diskutieren«, sagte er und kratzte sich an der Schulter. »Ich starre vor Dreck, und in meinem Haar wimmelt es von Ungeziefer. Ich verschwinde jetzt im Hygieneabteil. Und spä-ter werde ich auch Fenrir unter die Ultradu-sche zwingen. Dann erst, lieber Freund, bin ich bereit, über alles zu reden, was dir wichtig vorkommt.«

Er zog seine Kleidung aus, legte sie in die Durchreiche und ging in die Hygienekabine. Die Tür fiel lautlos hinter ihm ins Schloß.

Razamon blickte auf die Tür. »Ich bin wirklich gespannt, wie er dich un-

ter die Dusche bringen will, Fenrir«, sagte er und tippte den Fenriswolf an.

*

Der Wolf machte überhaupt keine Schwie-

rigkeiten. Er stellte sich freiwillig unter die Dusche und ließ sich das Ungeziefer aus dem Fell waschen. Auch ihm war die Säuberung willkommen. Atlan brauchte sich kaum um ihn zu kümmern.

Als Fenrir die Kabine allerdings verließ, sich schüttelte und dabei das Wasser aus dem Fell schleuderte, flüchtete der Arkonide auf den Gang hinaus. Razamon erwartete ihn hier bereits. Auch er trug eine bequeme, blaue Kombination, die ihm von Caidon-Rov in die Durchreiche gelegt worden war.

»Verzeihen Sie«, sagte Razamon und blick-te Atlan forschend an. »Sie kommen mir be-kannt vor. Haben wir uns schon einmal ir-gendwo gesehen?«

»Gib nicht so an«, entgegnete der Aktiva-torträger lächelnd. »So dreckig waren wir nun auch wieder nicht.«

Razamon lächelte ebenfalls. Er fühlte sich wohl.

»Da hinten ist ein Fenster«, sagte er. »Viel-leicht ist die Sicht besser geworden. Es würde mich interessieren, wie Pthor von oben aus-sieht.«

Während die beiden Männer zu dem be-zeichneten Fenster gingen, wechselte Raza-mon zur englischen Sprache über, von der er sicher sein konnte, daß niemand in der Feste Grool sie verstand. So konnte ihnen ein heim-licher Lauscher nicht gefährlich werden.

»Ich glaube, daß diese Feste eine ideale Operationsbasis für uns sein kann«, sagte er. »Was hältst du davon?«

»Daran habe ich auch schon gedacht«, ant-wortete Atlan ebenfalls in englisch. »Wir werden uns die Feste genau ansehen. Dann wird sich zeigen, ob es Sinn hat, wenn wir uns hier festsetzen.«

Sie hatten das Fenster erreicht und blickten hinaus. Dichter Nebel hatte sich herabgesenkt, so daß sie kaum hundert Meter weit sehen konnten.

»Vielleicht wird es später besser«, sagte At-lan und führte Razamon wieder vom Fenster weg. Er wußte, daß an solchen Stellen wie Aussichtspunkten bevorzugt Abhörgeräte angebracht wurden. Unerfahrene hielten sich gern an derart vermeintlich unauffälligen Stel-len auf. Hier konnten sie so tun, als wollten sie nur in die Landschaft hinausblicken, und als plauderten sie über das, was sie draußen sahen.

»Auf jeden Fall müssen wir wissen, was sich in den beiden Kugeln verbirgt«, fuhr der Arkonide fort. »Porquetor hat uns darauf hin-gewiesen, daß wir sie nicht betreten dürfen. Das ist Grund genug für uns, sie näher zu be-trachten.«

»In einer der beiden Kugeln befindet sich die Anlage, von der aus Porquetor ferngesteu-ert wird«, erwiderte Razamon. »Darauf gehe ich jede Wette ein.«

»Ich will nach Fenrir sehen«, sagte Atlan. »Bis gleich.«

Er ging in die für ihn reservierten Wohn-räume. Der Fenriswolf lag auf dem Ziertep-pich neben einem Spalt in der Wand, aus der warme Luft strömte. Als Atlan eintrat, öffnete er ein Auge, schnaufte behaglich, und schloß es wieder.

»Dann darf ich wohl annehmen, daß du schlafen willst«, sagte der Arkonide. »In Ord-nung. Ich will dich nicht stören.«

Er verließ den Raum wieder und trat auf den Gang hinaus. Razamon war nicht mehr

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da. Atlan öffnete die Tür zu seinen Räumen und rief seinen Namen, doch der Atlanter meldete sich nicht.

Vorsicht! signalisierte der Logiksektor. Ir-gend etwas stimmt nicht.

»Unsinn«, sagte Atlan leise, während er sich einer breiten Tür näherte. »Er wird zum Essen gegangen sein.«

Er glaubte nicht an eine Gefahr. Nachdem er und Razamon die Feste betreten hatten, hatte man sie freundlich behandelt. Wäre man ihnen feindlich gesinnt gewesen, dann hätte man sie mühelos wieder aus der Anlage ent-fernen können, solange sie noch ohne Besin-nung waren.

Als Atlan die Tür öffnen wollte, hörte er ein leises Scharren hinter sich. Instinktiv wich er zur Seite hin aus und drehte sich dann um. Ein Messer wirbelte blitzend an ihm vorbei und bohrte sich genau dort, wo er eben noch gestanden hatte, in die Wand.

Vor ihm stand ein Techno. Es war ein muskulöser Mann, der fast zwei

Meter groß war. Seine rötlich braune Haut glänzte fettig. Die schwarzen Augen blickten ihn kalt lauernd an. Sie lagen halb hinter den tiefschwarzen Haaren verborgen, die dem Techno über die fliehende Stirn nach vorn fielen. Der Mund war halb geöffnet, als wolle der Mann etwas sagen, ohne die Worte über die Lippen bringen zu können. Über den hochstehenden Wangenknochen trug er klei-ne, blaue Zeichnungen, wie Atlan sie nie zu-vor gesehen hatte. Sie sahen aus wie drei Messer, die mit den Spitzen zueinander lagen.

Für Bruchteile von Sekunden nur blickten die beiden Männer sich an. Dann riß der Techno ein zweites Messer aus seinem Gürtel hervor und warf sich auf Atlan.

Dieser wich ihm geschickt aus. Der Techno ließ das Messer zwischen sei-

nen Händen hin und her fliegen. Dabei wech-selte er den Griff, so daß die Klinge nach o-ben zeigte. Das war für Atlan ein deutliches Zeichen dafür, daß der nächste Stoß gegen ihn von unten kommen würde.

Er beobachtete die Augen seines Gegen-übers. Aus der Erfahrung unzähliger Zwei-kämpfe wußte er, daß eine Veränderung in den Augen stets einem Angriff voranging.

So war es auch hier.

Die Lider zuckten, dann fuhr der Techno auf ihn los und versuchte, ihm das Messer von unten her in den Bauch zu stoßen.

Atlan tänzelte mühelos zur Seite. Seine lin-ke Hand fiel klatschend auf das Handgelenk seines Gegners herab und umspannte es, wäh-rend das rechte Knie kraftvoll von unten ge-gen den Unterarm des Technos stieß.

Im gleichen Moment erinnerte er sich dar-an, wie die innere Struktur der Technos aus-sah.

Wenn die Technos im Mondlicht standen, wurden sie seltsam transparent. Atlan hatte diesen Effekt beobachtet, und er hatte den Eindruck gehabt, daß im Körperinnern der Technos maschinenähnliche Organe pulsier-ten, die nichts mit den Organen humanoider Wesen gemein hatten. Dieser Effekt war ge-spenstisch. So hatte Atlan nicht gewußt, was er davon halten sollte. Hatte er sich ge-täuscht? Waren die Technos Androiden oder mit biologischen Folien überzogene Roboter? Wie sah das Skelett aus? Bestand es aus Kno-chen oder aus widerstandsfähigem Metall?

Atlan fürchtete, daß er sich das Knie zer-schmettern würde, aber er konnte die Bewe-gung nicht mehr bremsen. Das Knie schlug mit voller Wucht gegen den Unterarm des Technos. Ein stechender Schmerz durchfuhr den Arkoniden. Der Techno schrie auf. Das Messer entfiel seiner Hand. Er wich vor Atlan zurück und hielt sich den Arm.

Der Arkonide bückte sich und nahm das Messer auf. Er warf es in die Luft und fing es wieder auf.

»So, mein Freund«, sagte er. »Und jetzt werden wir uns mal ein wenig unterhalten.«

Er streckte die linke Hand aus, um den Techno an der Schulter zu packen, doch sein Gegner flüchtete plötzlich quer über den Gang, stieß eine versteckt angelegte Tür auf und verschwand, bevor Atlan ihn aufhalten konnte. Die Tür schwan zu. Vergeblich ver-suchte er, sie wieder zu öffnen.

*

Die breite Tür glitt zur Seite und gab den

Blick in einen Saal frei, in dem eine lange Tafel gedeckt war. Am Ende dieser Tafel saß Caidon-Rov unter einem bizarren Gebilde, in

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dem zahlreiche unterschiedlich geformte Ker-zen standen. Von ihnen, so vermutete Atlan, ging der süßliche Geruch aus, der den ganzen Raum erfüllte. Neben Caidon-Rov, aber an der Längsseite des Tisches, hatte Razamon Platz genommen. Weiter unten am Tisch sa-ßen fünf in Tücher verhüllte Gestalten. Von ihnen waren eigentlich nur die zierlichen Hände zu sehen, die sie auf die Tischkante stützten. Auch die Köpfe waren völlig unter Tüchern verborgen. Als der Arkonide eintrat, klang ein verhaltenes Kichern unter den Tü-chern hervor. Die Hände griffen nach einigen Früchten und führten sie durch die Falten un-ter die Kleidung.

Atlan ging zum Tisch und setzte sich Ra-zamon gegenüber.

»Deine Frauen?« fragte er und deutete auf die vermummten Gestalten.

Caidon-Rov ging über diese Frage hinweg, als sei sie nicht gestellt worden. Atlan schloß daraus, daß sich tatsächlich Frauen unter den Tüchern verbargen, und daß seine Frage als unschicklich angesehen wurde.

»Entschuldige meine Verspätung«, sagte er. »Ich wurde aufgehalten.«

Der Hagere blickte ihn überrascht an. »Aufgehalten?« fragte Razamon. »Wieso?

Was hat das zu bedeuten?« Nun tat Atlan so, als sei ihm keine Frage

gestellt worden. Er legte sich ein Stück gebra-tenes Fleisch auf den Teller.

»Sumpflurch«, erklärte Razamon, der Atlan nicht mit weiteren Fragen belästigen wollte, da er erfaßt hatte, warum der Arkonide nichts entgegnet hatte. »Das Fleisch ist von einem Sumpflurch. Im rohen Zustand ist es hochgif-tig. Das Gift zerfällt aber unter Hitzeeinwir-kung beim Grillen.«

»Es ist sehr freundlich von dir, mir das zu erklären«, erwiderte der Arkonide und biß von dem Fleisch ab. »Du weißt, daß ich gera-de darauf großen Wert lege. Es schmeckt köstlich, Caidon-Rov.«

Der Hagere war verunsichert. Er legte sich ebenfalls ein Stück Fleisch auf, aß aber nicht davon. Er musterte Atlan.

»Du verbirgst etwas vor mir«, stellte er fest. »Ich würde nie auf den Gedanken kommen,

so etwas zu tun«, beteuerte der Arkonide, und fuhr fort: »Wer oder was ist in den beiden

Kugeln?« Caidon-Rov krauste die Stirn. »Das geht dich nichts an«, antwortete er. »Hm, das dachte ich mir«, sagte Atlan

gleichmütig und nahm noch etwas Fleisch. »Ihr seid hier, um Fragen zu beantworten«,

bemerkte Caidon-Rov mit scharfer Stimme. »Auch das dachte ich mir.« Der Hagere versteifte sich. Er hatte sein

demütiges Gebaren abgelegt. Sein Gesicht hatte sich gestrafft. Sämtliche Lachfalten wa-ren aus seinen Augenwinkeln verschwunden, als wären sie nie vorhanden gewesen.

»Berichte mir von der Welt da draußen«, befahl er. »Ich will alles wissen. Beginne bei der militärischen Macht. Wie groß ist die Be-völkerung? Wie ist ihre Mentalität? Nun sprich schon.«

Atlan lachte ihm ins Gesicht. »So haben wir nicht gewettet, Caidon-Rov.

Ich habe mit Porquetor verhandelt. Bist du derjenige, der diesen Halbroboter fernsteuert? Bist du der eigentliche Porquetor?«

»Fernsteuert? Wieso sprichst du von Fern-steuerung?« fragte der Hagere. Er schien maßlos überrascht zu sein.

Er blufft, stellte der Logiksektor fest. Er will verwirren.

»Glaubst du im Ernst, Caidon-Rov, daß wir irgend etwas über die Welt da draußen erzäh-len werden, bevor wir nicht mehr über dich und diese Feste wissen? Glaubst du, daß wir uns dir ans Messer liefern? Du mußt uns schon ein wenig entgegenkommen, wenn wir uns einigen wollen«, sagte der Aktivatorträ-ger. Er trank einen Schluck Wein. »Wer bist du denn schon? Wer ist denn schon Porque-tor? Wenn er nicht mehr zu bieten hat, sind seine Chancen ziemlich niedrig, die Welt da draußen zu erobern. Wenn er Zusammenar-beit mit uns will, dann gehört dazu auch ein gewisses Vertrauen. Und am Anfang der Zu-sammenarbeit steht die Information. Also, was ist in den beiden Kugeln?«

Caidon-Rov erhob sich. Er hatte nicht damit gerechnet, daß Atlan

ihm so kommen würde. Die Offensive des Arkoniden hatte ihn unvorbereitet getroffen. Nun wußte er nicht, was er antworten sollte. Er ging zum Ende des Tisches zu den Frauen und befahl ihnen, den Raum zu verlassen.

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Sie beugten sich seinen Wünschen ohne

Protest und eilten schweigend hinaus. Atlan lächelte verstohlen. Er wußte, daß der Hagere diese Maßnahme

nicht getroffen hatte, weil er keine lästigen Zeugen wollte, sondern weil er Zeit gewinnen wollte.

Atlan schob seinen Teller zurück und stand auf.

»Wir werden uns ein wenig in der Feste umsehen«, sagte er. »wir sehen uns später, Caidon-Rov.«

Der Hagere blieb stehen und blickte ihn forschend an. Atlan deutete eine Verbeugung an und verließ zusammen mit Razamon den Raum.

»Das hatte er sich aber ganz anders vorge-stellt«, sagte Razamon lachend, als die Tür hinter ihnen zugefallen war.

Aufpassen! hallte es in ihm. Atlan blickte zur gegenüberliegenden

Wand. Er bemerkte eine kleine, quadratische Öffnung. Im gleichen Moment stieß er Raza-mon zur Seite. Ein Skorpionwurm wirbelte auf sie zu.

Das Tier prallte gegen den Unterarm At-lans. Dieser wischte es mit blitzschneller Be-wegung vom Arm, bevor es das tödliche Gift verspritzen konnte. Der Wurm fiel auf den Boden, krümmte sich zusammen und schnell-te sich wieder in die Höhe. Der Arkonide war jedoch schon zurückgesprungen, so daß das Tier ihn verfehlte.

Razamon schrie gellend auf, als ein zweiter Skorpionwurm durch die Luft wirbelte und ihn nur um Zentimeter verfehlte.

»Weg hier!« rief Atlan. Er und Razamon verstanden sich blind. Sie rannten direkt auf die Öffnung in der Wand zu. Dabei behielten sie sie ständig im Auge.

So bemerkten sie den nächsten Skorpion-wurm rechtzeitig, als er aus der Öffnung her-vorkam. Sie konnten ihm gerade noch aus-weichen. Dann aber hatten sie die Wand er-reicht. Sie preßten sich mit dem Rücken da-gegen und blickten zu dem Quadrat hoch, aus dem die gefährlichen Geschosse gekommen waren. Sie standen im toten Winkel, so daß der heimtückische Schütze sie nicht sehen und mit den Skorpionwürmern erreichen konnte.

Atlan beobachtete, wie die winzige Luke sich schloß.

»Verdammt«, sagte Razamon fluchend. »Die Biester kommen hierher.«

Er zeigte auf die Skorpionwürmer. Einige von ihnen krochen mit schnellen Bewegungen auf sie zu, andere federten sich in die Höhe und näherten sich ihnen sprungweise.

Atlan blickte sich nach einer Tür um, durch die sie fliehen konnten. Es gab keine. Sie sa-ßen in der Falle.

3.

Die Tür, durch die sie hereingekommen

waren, öffnete sich. Caidon-Rov trat ein. Er lächelte ihnen freundlich zu.

»Haltet für einen Moment die Luft an«, riet er. »Es ist gleich vorbei.«

Er sprühte etwas aus einer metallenen Dose in den Raum. Ein grünlicher Nebel kroch über den Boden und hüllte die Skorpionwürmer ein. Deren Bewegung erstarb augenblicklich. Leblos blieben die Tiere liegen.

Der Hagere trat zur Seite und winkte einen Techno heran. Dieser eilte herbei und las die getöteten Würmer auf. Dabei benutzte er ei-nen Stock, der mit einem Dorn versehen war. Er spießte die Tiere auf und warf sie in einen Beutel. Das Gas löste sich in Nichts auf.

»Ihr könnt unbesorgt wieder atmen«, sagte Caidon-Rov. »Es passiert nichts.«

Der Techno verließ den Raum durch eine seitlich abzweigende Tür, die Atlan und Ra-zamon nicht bemerkt hatten, weil sie getarnt worden war.

Caidon-Rov blickte über die Schulter zu-rück und trat zur Seite. Porquetor näherte sich. Seine Rüstung klirrte bei jedem Schritt. Er marschierte wortlos an dem Hageren vor-bei und ging direkt auf Atlan zu. Als er je-doch in der Höhe der Tür war, durch die der Techno verschwunden war, wandte er sich stumm zur Seite, öffnete die Tür und eilte durch sie davon. Lautlos glitt sie hinter ihm ins Schloß. Caidon-Rov räusperte sich.

»Es tut mir leid«, sagte er und deutete mit vager Bewegung auf den Boden. Er schien der Ansicht zu sein, daß damit alles erklärt war, denn auch er wollte sich entfernen. Doch das ließ Atlan nicht zu. Er ging zu dem Hage-

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ren, packte ihn an der Schulter und wirbelte ihn herum.

»So geht es nicht«, sagte er. »Was ist hier los?«

Caidon-Rov verneigte sich mit demütiger Gebärde vor dem Aktivatorträger.

»Entschuldige Atlan«, bat er. »Ich konnte nicht wissen, daß so etwas passiert.«

»Dies ist schon der zweite Mordanschlag, der heute auf mich verübt wurde. Ich denke, das ist ein wenig zuviel.«

»Es muß jemanden in der Feste geben, der dir nicht wohlgesinnt ist«, entgegnete der Ha-gere.

»Was du nicht sagst«, entfuhr es dem Ar-koniden. »Auf einen solchen Gedanken wäre ich niemals gekommen.«

Caidon-Rov richtete sich auf. Tiefe Melan-cholie prägte sein Gesicht.

»Du hättest nicht kommen sollen, Atlan. Das wäre sicherlich besser gewesen. Niemand hätte dir dann nach dem Leben getrachtet.«

Razamon fluchte leise. »Jetzt reicht es aber«, sagte er erregt.

»Glaubst du, daß uns der Sinn nach Witzen steht? Für uns ist die Lage verdammt ernst. Ich will wissen, wer für diesen Mordanschlag in Frage kommt. Nur du kannst mir diese Fra-ge beantworten. Also heraus damit.«

Der Hagere schüttelte den Kopf. »So sollst du nicht mit mir sprechen, Ra-

zamon. Glaube mir. Ich bemühe mich wirk-lich, euch zu helfen und Gefahren von euch abzuwenden. Ich werde mich um diese Sache kümmern, und es wird nicht mehr lange dau-ern, bis ich die erwischt habe, die euch er-morden wollten. Sie werden ihre Strafe be-kommen.« Er streifte die Hand Razamons mit sanfter Bewegung von seiner Schulter, ver-neigte sich leicht, drehte sich um und ging davon. Weder Atlan noch Razamon hielten ihn zurück.

»Er ist aalglatt«, sagte der Atlanter. »Ich gehe jede Wette mit dir ein, daß er genau weiß, wer hinter dem Anschlag steckt. Por-quetor hat uns auf die Feste geholt. Wenn er uns umbringen wollte, dann könnte er das ohne große Umstände tun. Er ist es bestimmt nicht gewesen. Wer aber kommt sonst noch in Frage?«

»Sei nicht so ungeduldig«, bat Atlan. »Die-

se Frage kann ich dir auch nicht beantworten. Wir müssen erst einmal wissen, wer sich ü-berhaupt alles in der Feste aufhält. Bisher kennen wir ja nur Porquetor und Caidon-Rov. Ich kann mir aber vorstellen, daß es hier noch weitere Kräfte gibt, die beachtet werden müs-sen. Komm. Wir sehen uns ein wenig um. Und wenn du irgendwo ein Messer oder eine andere Waffe siehst, dann nimm sie an dich.«

*

Atlan erwachte, weil sein Zellaktivator un-

gewöhnlich heftig pulsierte. Der Arkonide hielt die Augen geschlossen

und horchte in sich hinein. Die ungewöhnlich rege Tätigkeit des Geräts in seiner Brust muß-te einen Grund haben. So verhielt sich der Aktivator nur, wenn sein Körper besonders stark belastet wurde, wie etwa durch eine Vergiftung oder durch eine Verletzung.

Im Raum war es dunkel. Fenrir schlief di-rekt neben dem Lager Atlans, aber dieser konnte den Atem des Tieres kaum hören.

Es ist noch jemand im Raum, stellte der Extrasinn fest.

Irgend etwas knirschte unter den Füßen ei-nes Eindringlings, der sich vorsichtig dem Bett näherte.

Atlans Hand fuhr vor und schlug gegen ei-ne Kontaktplatte an der Wand. Das Licht ging an. Gleichzeitig schnellte sich der Arkonide zum Fußende seines Lagers hin.

Vor ihm stand ein Techno und blickte ihn mit geweiteten Augen an. Der Mann hielt ein Messer in der Hand, doch war seine Haltung mehr auf Abwehr denn auf Angriff gerichtet. Er wich vor dem Arkoniden zurück, obwohl dieser unbewaffnet war.

»Ich will dir nichts tun, Herr«, beteuerte der Techno. Atlan hatte das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben, aber sicher war er sich dessen nicht. Alle Technos sahen einan-der so ähnlich, daß man sie leicht miteinander verwechseln konnte.

Atlan stieg aus dem Bett, wobei er den nächtlichen Besucher nicht aus den Augen ließ. Fenrir lag auf dem Boden. Sein Rachen war weit geöffnet. Grünlicher Speichel troff aus seinem Rachen.

Nun war für Atlan alles klar. Der Zellakti-

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vator arbeitete so heftig, weil er vergiftet worden war. Auch Fenrir hatte das Gift be-kommen. Es war jedoch nicht tödlich, son-dern führte nur zu einem besonders tiefen Schlaf. Der Aktivator hatte bei ihm dafür ge-sorgt, daß die Wirkung wesentlich schneller abklang als bei Fenrir.

»Weg mit dem Messer«, befahl der Arko-nide.

Der Techno gehorchte und wich noch wei-ter vor ihm zurück. Er zeigte auf den Fenris-wolf.

»Vor ihm hatte ich Angst«, erklärte er mit stockender Stimme. »Deshalb nahm ich das Messer. Ich wollte dir nichts tun.«

»Geh dorthin«, befahl der Arkonide und wies auf die Hygienekabine. Von hier aus konnte der Techno nicht plötzlich fliehen. Der Eindringling gehorchte wortlos.

Atlan öffnete die Tür und blickte in den Nebenraum, in dem Razamon schlief. Der Freund lag zusammengekrümmt in seinem Bett. Erst als Atlan sich davon überzeugt hat-te, daß Razamon unverletzt war und daß er nur schlief, wandte der Arkonide sich dem Techno zu.

»Also?« fragte er. »Warum bist du hier?« »Ich wollte dich um Hilfe bitten.« »Um Hilfe? Gegen wen? Oder wozu soll

ich dir verhelfen?« »Wir sind Sklaven«, erklärte der Techno.

»Wir möchten die Feste verlassen, oder wir möchten hier in der Feste in Freiheit leben.«

Atlan kniete neben Fenrir nieder und unter-suchte ihn.

»Wer versklavt euch?« fragte er. »Porquetor und der Meister. Sie zwingen

uns, für sie zu arbeiten und alles für sie zu tun, was sie wollen.«

»Wie können sie euch zwingen?« »Sie haben uns ein Gift gegeben«, erklärte

der Techno. »Damit wir nicht sterben, müssen wir jeden Tag zu einer bestimmten Zeit ein anderes Gift einnehmen, das die Wirkung für einen Tag neutralisiert. Sie geben uns dieses Gift nur, wenn wir gehorsam sind. Wenn wir es nicht sind, bekommen wir es nicht und müssen sterben.«

»Das ist doch ein Bluff«, sagte Atlan. »Nein. Es ist die Wahrheit. Ich habe einige

von uns unter Qualen sterben sehen, weil sie

den Neutralisator nicht erhalten haben.« »Wir können uns weiter darüber unterhal-

ten, sobald ich weiß, was mit meinen Freun-den geschehen ist.«

»Sie haben ein Gift mit dem Abendessen eingenommen, das sie besonders tief und lan-ge schlafen läßt. Es ist nicht gefährlich«, be-teuerte der Techno. »Wenn sie lange genug geschlafen haben, merken sie nichts mehr von dem Gift.«

»Ich bin bereits wach. Warum?« »Du hast weniger Gift eingenommen als

sie. Ich habe dafür gesorgt, daß weniger Gift in deinem Essen war, weil ich dich sprechen mußte.«

Atlan glaubte dem Techno. »Ich habe viele Fragen«, sagte er. »Wirst

du sie mir beantworten?« »Ich werde mir Mühe geben. Was willst du

wissen?« »Was ist in den beiden Kugeln, die sich

seitlich vom Hauptteil der Feste befinden?« fragte der Aktivatorträger.

»Das weiß niemand außer Porquetor«, be-hauptete der Techno. »Selbst der Meister Cai-don-Rov ist noch niemals in diesen Kugeln gewesen. Nur der Stählerne darf sie betreten.«

»Wer hat versucht, Razamon und mich zu töten?« forschte Atlan weiter, doch auch jetzt erhielt er keine befriedigende Antwort.

»Es waren einige von uns, aber ich weiß nicht, von wem sie den Befehl bekommen haben.«

»Wer könnte denn den Befehl gegeben ha-ben?«

»Porquetor, der Meister Caidon-Rov, der Mediziner und der Herr der Dimensionen.«

*

»Erstens habe ich einen fürchterlichen

Brummschädel«, sagte Razamon. »Und zwei-tens habe ich nicht die geringste Ahnung, wa-rum man uns vergiftet hat. Wer hat etwas da-von gehabt, daß wir besonders lange und tief geschlafen haben?«

»Das ist mir vorläufig auch nicht klar«, er-widerte der Arkonide. »Vielleicht wollte man nur verhindern, daß wir nachts heimlich in der Feste herumlaufen und versuchen, hinter die Geheimnisse zu kommen, die es hier zuhauf

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gibt.«

Atlan stellte Fenrir eine Schale mit fri-schem Wasser hin. Gierig trank das Tier und verlangte nach mehr Wasser. Atlan gab ihm eine zweite Schale.

»Es kann aber auch sein, daß im Lauf des Vormittags etwas passiert ist, was wir nicht sehen sollten«, fuhr er fort. »Vielleicht sind Gäste hier gewesen.«

»Also schön. Lassen wir das erst einmal«, sagte Razamon gähnend. »Was tun wir jetzt? Lassen wir uns mit den Technos ein, oder ignorieren wir sie?«

Atlan hatte die Stunden, in denen er allein war, weil Razamon noch schlief, dazu ge-nutzt, die Räume gründlich zu durchsuchen. Er wollte wissen, ob versteckte Abhöranlagen vorhanden waren oder nicht. Tatsächlich hatte er ein Gerät gefunden, das jedoch in seinem Aufbau so primitiv war, daß es leicht über-spielt werden konnte. Es befand sich in der Nähe der Stromleitung. Atlan hatte es ein we-nig näher an die Leitung herangerückt und so nachhaltig gestört. Jetzt wußte er, daß nie-mand ihr Gespräch abhören konnte.

»Der Boden ist ziemlich heiß für uns in der Feste«, erwiderte er. »Welch Bestie Porquetor sein kann, haben wir in den Höhlen der Paar-len erlebt. Ich zweifle nicht daran, daß er uns in Stücke zerreißen wird, wenn er glaubt, von uns hintergangen zu werden, oder wenn wir versuchen sollten, aus der Feste zu fliehen.«

»Du meinst also, daß wir nicht von Grool verschwinden können, bevor wir das Problem Porquetor gelöst haben?«

»Auf keinen Fall.« Razamon kratzte sich nachdenklich das

Kinn. »Ich sehe noch keine Lösung«, sagte er,

nachdem er einige Minuten lang nachgedacht hatte. »Im Gegenteil. Ich sehe nur Probleme.«

»Wir müssen herausfinden, was in den bei-den Kugeln ist, die wir nicht betreten sollen«, bemerkte Atlan. »Ich bin überzeugt davon, daß wir in ihnen viele Antworten auf unsere Fragen finden werden.«

»Hast du schon eine Idee? Wie können wir in die Kugel hineinkommen?«

»Allerdings, aber diese Idee ist ziemlich verrückt.«

»Laß hören.«

»Du weißt, daß die Porquetor-Rüstung hohl ist.«

»Natürlich.« »Wenn man sich ein bißchen schmal macht,

kann man hineinkriechen«, fuhr Atlan fort. »Und genau das habe ich vor.«

»Idiotisch. Das ist dein Tod.« »Ich wußte, daß du so reagieren würdest«,

entgegnete Atlan lächelnd. »Aber ganz so verrückt ist die Sache nicht. Wir müßten den Halbroboter mit einem Trick kurzschließen, so daß er stehenbleibt und nicht mehr fernge-lenkt werden kann. Dann können wir ihn öff-nen. Ich werde hineinkriechen. Du wirst die Rüstung wieder schließen, und ich beseitige den Kurzschluß, so daß das Ding wieder mar-schieren kann. Du wirst dem unbekannten Lenker daraufhin mitteilen, daß du dir erlaubt hast, die kleine Störung zu beheben.«

Razamon schüttelte den Kopf. »Das funktioniert doch nicht«, sagte er

skeptisch. »Was ist, wenn der große Unbe-kannte nach dir fragt? Was soll ich ihm sagen, wo du geblieben bist?«

»Sage ihm von mir aus, daß ich dort bin, wohin sogar der Kaiser zu Fuß geht. Oder sage ihm ... Ach, laß dir doch etwas einfallen. Bin ich dazu da, dir alle Fragen zu beantwor-ten?«

»Ich habe einen anderen Vorschlag. Laß mich in die Rüstung steigen.«

»Warum?« »Weil es mir nicht gefällt, Lordadmiral,

daß du alles machen willst.« »Nun gut. Losen wir es aus«, sagte Atlan

bereitwillig. Er nahm eine kirschgroße Frucht aus einer Schale und umschloß sie mit der Hand. Er führte die Hände hinter den Rücken und ließ die Frucht einige Male zwischen den Händen hin und her wandern. Dann streckte er Razamon die Fäuste entgegen und ent-schied: »Frucht steigt in die Rüstung.«

Bewußt öffnete er die Faust, die leer war, etwas mehr als die andere, so als müsse er vorsichtig sein, damit die Frucht nicht zer-quetscht wurde. Razamon fiel darauf herein. Er tippte auf die leere Hand.

*

Die Tür öffnete sich. Der Techno, der Atlan

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um Hilfe gebeten hatte, trat ein. Er verneigte sich vor Atlan.

»Porquetor will dich und deinen Begleiter sprechen«, erklärte er. »Ich soll euch führen.«

Atlan und Razamon wechselten einen kur-zen Blick miteinander. Das genügte. Beide wußten, worum es ging. Von nun an mußte jeder Schritt sorgfältig abgewogen werden. Fehler durften sie nicht machen, weil sie nicht damit rechnen konnten, daß Porquetor ihnen Gelegenheit geben würde, sie wieder auszu-bügeln.

Fenrir lief neben Atlan her, als dieser zu-sammen mit Razamon den Raum verließ.

»Ich habe versäumt, dich nach deinem Na-men zu fragen«, sagte Atlan. »Wie heißt du?«

Atlan glaubte zwar, jenen Techno vor sich zu haben, der ihn um Hilfe gebeten hatte, ganz sicher war er sich dessen jedoch nicht. Die Technos sahen einander gar zu ähnlich.

Der Mann blickte ihn überrascht an. »Ich habe dir meinen Namen genannt«,

entgegnete er. »Ich bin Zbator.« Atlan lächelte und nickte dem Techno zu. »Ich weiß«, sagte er. »Ich wollte nur si-

chergehen.« Zbator erwiderte das Lächeln und be-

schleunigte seine Schritte. Er führte Atlan und Razamon über einen Gang zu einer frei schwebenden Wendeltreppe, die nach oben führte. Sie stiegen die Stufen hinauf und ge-langten in einen großen Raum, der mit ver-schiedenen Kommunikationsgeräten ausges-tattet war. Auf dem Boden lagen große Sitz-kissen aus Leder. Zwei der fünf Wände waren mit weißen Papierbögen ausgeschlagen, die vom Boden bis zur Decke reichten. Eine aus kostbaren Steinen gebaute Treppe führte zu einem grünen Gang hinauf, der etwa zwanzig Meter lang war und recht steil anstieg. Durch ihn kam Porquetor herab. Atlan zweifelte nicht daran, daß er direkt aus der oberen Ku-gel kam.

Die beiden hellblauen Längsflächen am Helm Porquetors, die wie Facetten aussahen, schimmerten in einem geheimnisvollen Licht. Atlan hatte das Gefühl, daß sich hinter diesen Flächen Augen verbargen, die ihn forschend anblickten.

Steckte dieses Mal jemand in der Rüstung? Es war von außen nicht zu erkennen.

Ruhe bewahren, mahnte der Logiksektor. Porquetor hat keinen Grund, ausgerechnet jetzt in die Rüstung zu steigen. Hier in der Feste hat er genügend Möglichkeiten, dich und Razamon zu beobachten, so daß er dar-auf verzichten kann, die Rüstung zu benutzen.

Atlan wurde augenblicklich ruhiger. Ihm wurde bewußt, daß Porquetor, jenes Wesen, das die Rüstung fernsteuerte, ihm sogar in seiner tatsächlichen Gestalt gegenübertreten konnte, ohne daß er ihn erkennen würde. Er konnte in die Maske eines Technos schlüpfen oder irgendeine andere Rolle spielen und dennoch sein Geheimnis wahren.

Porquetor blieb dicht vor ihm stehen. Die Rüstung funkelte im Licht der hellen Decken-platten.

»Du hast dich bereiterklärt, mit mir zu-sammenzuarbeiten«, sagte der Stählerne mit hohl klingender Stimme. »Nun gut. Beginnen wir. Zunächst benötige ich geographische Informationen. Ich will, daß du mir ein wirk-lichkeitsgetreues Bild dieses Planeten und seiner Kontinente zeichnest.«

Der Techno Zbator hielt Atlan und Raza-mon einige Zeichenstifte hin. Der Arkonide nahm sie entgegen und schritt zur Wand hin-über. Schnell und sicher zeichnete er das Bild der Kontinente der Erde auf. Razamon half ihm, indem er die wichtigsten Inseln hinzu-fügte und die verschiedenen Provinzen be-zeichnete. Beide versuchten nicht, Porquetor zu täuschen, da sie nicht wußten, ob sich ir-gendwo in den Archiven Unterlagen befan-den, aus denen er sich bereits informiert hatte. Es war denkbar, daß solche Unterlagen herge-stellt worden waren, als Atlantis das letzte Mal auf der Erde gewesen war. Hier hatte Atlan noch keine Bedenken, die richtigen Angaben zu machen.

Schwieriger wurde es schon für ihn, als Porquetor verlangte, die größten Städte und die Hauptverwaltungszentren einzuzeichnen. Hatte Porquetor die Möglichkeit, den Schutz-schirm zu durchbrechen? Konnte er einen erfolgversprechenden Angriff auf die Erde durchführen? Stellten diese Informationen wirklich eine brauchbare Unterlage für ihn dar?

Atlan zweifelte daran. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Porquetor über die Mittel ver-

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fügte, die militärische Macht Terras ernsthaft zu gefährden. Wäre das der Fall gewesen, dann wäre er absoluter Herr über Atlantis gewesen.

Oder existierte auf Pthor noch eine andere, wesentlich größere Macht, die selbst das in den Schatten stellen konnte, was Terra aufzu-bieten hatte?

Auszuschließen ist es nicht, stellte der Lo-giksektor fest.

Atlan zeichnete die Städte ein, ließ jedoch einige aus, die besonderen strategischen Wert hatten. Terrania-City allerdings gab er korrekt an.

Anschließend forderte Porquetor die wich-tigsten Kampfbasen, die Raumhäfen und ro-botgesteuerte Raketenabschußbasen. Auch die gab Atlan an, wobei er wiederum einige be-sonders wichtige Anlagen ausließ.

Über die Anlagen auf dem Mond machte er keinerlei Angaben. Porquetor kam auch gar nicht auf den Gedanken, danach zu fragen.

Auch bei den Informationen über die Raumstreitkräfte der Erde erfuhr Porquetor nicht die Wahrheit. Atlan beschrieb die mili-tärische Schlagkraft der terranischen Flotte völlig falsch, so daß Porquetor den Eindruck gewinnen mußte, daß die Flotte fast bedeu-tungslos war. Atlan stimmte diese Angaben sorgfältig mit jenen über die terranischen Raumhäfen ab und erklärte, daß zusätzlich noch eine stattliche Handelsflotte ohne militä-rischen Wert vorhanden sei, so daß der Stäh-lerne nicht mißtrauisch wurde.

Diese Arbeiten nahmen mehrere Stunden in Anspruch. Während der gesamten Zeit stan-den Atlan und Razamon an den Wänden und zeichneten die Angaben ein. Nicht ein einzi-ges Mal gelang es ihnen, in den Rücken der Rüstung zu kommen.

Als der Halbroboter schließlich nach Stun-den endlich an die Wand trat, um einige Ein-tragungen aus der Nähe zu betrachten, er-schien völlig überraschend Caidon-Rov auf der Bildfläche, so daß sie wiederum nichts unternehmen konnten. Mit wachen Augen beobachtete der Hagere sie, während er ihnen mit freundlichen Gesten zu verstehen gab, daß sie sich nicht stören lassen sollten.

Atlans Argwohn gegen diesen Mann stieg, und seine Abneigung gegen ihn wuchs.

Caidon-Rov war gefährlich. Einige Technos brachten wenig später et-

was zu essen. Porquetor ließ sich in seiner Arbeit nicht unterbrechen, während Atlan und Razamon sich stärkten. Caidon-Rov zog sich zurück.

Atlan und Razamon wechselten einen Blick miteinander. Dann trat der Arkonide lautlos an den Halbroboter heran. Vorsichtig näherte er sich ihm.

Er stellte fest, daß die Rüstung nicht mehr so perfekt verschlossen war wie zuvor. Auf dem Rücken befand sich eine große Platte, die mit sechs Spangen befestigt war. Vor dem Sturz, bei dem die Rüstung beschädigt wor-den war, war sie so gut abgesichert gewesen, daß Atlan nicht einmal einen Blick in das In-nere hatte werfen können. Und seine Versu-che, sie zu öffnen, waren gescheitert. Nun aber sah alles viel besser aus. Es kam nur dar-auf an, die Spangen so zu entfernen, daß der Roboter nichts merkte.

4.

Fenrir sprang auf und knurrte wütend. Ket-

ten rasselten in der Nähe. Atlan fuhr erschreckt zusammen. Er trat

hastig zwei Schritte zurück. Porquetor drehte sich um, und es schien, als blicke er den Ar-koniden forschend an. Doch weder Atlan noch Razamon konnte feststellen, ob er ihn wirklich ansah.

Der Aktivatorträger drehte sich zur Treppe hin. Von dort her näherte sich eine malerische Gestalt, wie er sie hier in der Feste Grool nicht erwartet hätte.

Der Mann trug enganliegende, rote Hosen, ein farbenprächtiges Lederwams mit einem breiten, goldverzierten Gürtel. Ein mit einer riesigen Straußenfeder besetzter Hut schmückte seinen Kopf. Das Gesicht verbarg er unter einer roten Samtmaske. In der rechten Hand hielt er einen leichten Säbel, in der lin-ken eine Kette, die er rasselnd schwingen ließ.

Razamon stöhnte auf, als er den Mann sah. »Marquis de Romain!« rief er. Der Fremde beachtete ihn nicht. Er schritt

auf Porquetor zu, der offensichtlich völlig von seinem Auftreten überrascht wurde. Er lächel-te herausfordernd, hob den Säbel und stieß

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ihn dem Halbroboter mit der Spitze gegen die Brust.

»Voilà«, rief er, ließ den Säbel sinken, riß die Kette hoch und schlug sie Porquetor wuchtig über den Helm. Dann sprang er zu-rück, hob den Säbel vor das Gesicht und küß-te die Klinge dicht über den Knauf. Dann richtete er den Säbel wieder auf den Halbro-boter und wartete den Angriff ab.

»Ich verliere den Verstand«, sagte Raza-mon. »Atlan, siehst du den Marquis auch, oder träume ich?«

»Er ist da«, antwortete der Arkonide. Porquetor, der bis zu diesem Moment völlig

bewegungslos im Raum gestanden hatte, wurde plötzlich aktiv. Er hob den rechten Arm, riß das Breitschwert hoch und griff wü-tend an. Die Klinge flog blitzend durch die Luft. Sie bewegte sich so schnell, daß Atlan sie kaum noch sehen konnte.

Doch der Marquis bewies erstaunliche Re-aktionen. Er tänzelte um Porquetor herum und parierte jeden Hieb, oder er wich einer Atta-cke aus, wenn sie gar zu heftig vorgetragen wurde. Gegen ihn wirkte Porquetor geradezu plump, denn außer der Klinge des Breit-schwerts war an ihm so gut wie nichts wirk-lich schnell.

Dann aber traf Porquetor den Säbel des Fremden und schleuderte ihn weg. Unwillkür-lich verfolgte Atlan ihn mit seinen Blicken. Er sah, daß die Waffe über den Kopf Razamons hinwegwirbelte und dann im Nichts ver-schwand. Sie löste sich einfach auf, als be-stünde sie aus einem Gas, das sich in Bruch-teilen von Sekunden verflüchtigen konnte.

Razamon reagierte nicht. Er tat, als sei nichts geschehen. Der Marquis lächelte noch immer. Ihn schien der Erfolg Porquetors ü-berhaupt nicht zu beeindrucken. Er kämpfte mit der Kette weiter, war nun aber hoffnungs-los unterlegen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann der Kampf zu Ende war.

Porquetor aber legte es gar nicht darauf an, seinen Widersacher sofort zu töten. Er warte-te, bis es ihm gelang, ihm die Kette aus der Hand zu reißen. Und wiederum kam es zu einem verblüffenden Effekt. Auch die Kette verschwand plötzlich.

Waffenlos stand der Marquis vor dem Halbroboter. Er ließ die Arme sinken und

wippte auf den Zehenspitzen. Der Arm Por-quetors fuhr hoch. Das Breitschwert blitzte drohend auf und fuhr pfeifend auf den Mas-kierten herab.

Atlan war schon gar nicht mehr überrascht, als auch dieser verschwand.

Das Schwert erreichte ihn nicht mehr. Es flog wirkungslos durch die Luft.

Porquetor drehte sich blitzschnell um sich selbst.

»Wo ist er?« rief er mit hohler Stimme. »Weg«, antwortete Atlan. »Wo ist er?« wiederholte Porquetor. In sei-

ner Stimme klangen ein paar falsche Töne mit.

Er ist verwirrt, vielleicht sogar verängstigt, stellte der Logiksektor des Arkoniden fest. Er kann sich das Verschwinden nicht erklären.

»Ich auch nicht«, sagte Atlan laut. »Was ist? Was hast du gesagt?« schrie Por-

quetor. »Nichts«, entgegnete der Arkonide. »Ich

wollte sagen, daß ich mir nicht erklären kann, wo der Maskierte geblieben ist.«

Porquetor marschierte stampfend auf Ra-zamon zu. Er legte ihm die Schneide des Breitschwertes an den Hals.

»Du kennst diesen Mann«, sagte er. »Du hast ihn mit Marquis de Romain angespro-chen. Wer ist dieser Mann? Wo kommt er her? Woher kennst du ihn? Was hat es zu be-deuten, daß er hier in der Feste ist? Warum hat er mit mir gekämpft? Warum konnte ich ihn nicht besiegen? Wo ist er geblieben? So sprich endlich, oder ich töte dich.«

»Verzeih, Porquetor«, antwortete Razamon spöttisch. »Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, zu Wort zu kommen, also konnte ich auch nichts sagen.«

»Ich warte auf eine Erklärung«, sagte Por-quetor mit schriller Stimme.

»Ich kenne diesen Mann. Er ist ebenfalls von der Welt da draußen. Dort bin ich ihm begegnet. Er ist ein großer Kämpfer, der bis jetzt alle Kämpfe gewonnen hat. Leider kann ich nicht sagen, wie er hierher gekommen ist und wohin er geflüchtet ist.«

»Er ist plötzlich verschwunden.« »Offenbar beherrscht er die Technik der

materielosen, direkten Raumversetzung.« Dieses Wortungetüm verblüffte Porquetor.

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Er konnte damit nichts anfangen. Schweigend zog er sich zurück. Er drehte sich um und eilte durch den Gang davon.

»Ich finde, daß allmählich eine Erklärung fällig ist«, sagte Atlan. »Nicht nur Porquetor möchte wissen, was es zu bedeuten hat, daß dieser Mann hier auftaucht.«

Razamon breitete die Arme aus und hob die Schultern.

»Ich weiß es nicht, Atlan«, antwortete er. »Ich weiß es wirklich nicht.«

»Dieser Mann hat etwas mit dir und deiner Vergangenheit zu tun«, behauptete Atlan.

»Es wäre mir lieber, wenn wir darüber nicht diskutieren«, sagte Razamon verschlos-sen. Mit weitausgreifenden Schritten ging er zur Treppe. »Hier haben wir wohl vorläufig nichts mehr zu tun. Oder bist du anderer An-sicht?«

Atlan widersprach ihm nicht und schloß sich ihm an.

Als sie die Treppe hinuntergegangen wa-ren, kam ihnen Zbator aus einer Tür entgegen.

»Kann ich etwas für dich tun?« fragte er Atlan.

»Allerdings«, erwiderte der Arkonide. »Wir benötigen dringend einen Grundriß der Feste. Wir müssen wissen, welche Räume wo lie-gen. Kannst du uns so etwas aufzeichnen?«

Der Techno überlegte kurz, dann bat er die beiden Freunde in einen kleinen Raum, der verschiedene Geräte für einfache Arbeiten enthielt. Aus einer Öffnung in der Wand strömte kühle Luft. Zbator nahm etwas Papier aus einem Schrank. Atlan reichte ihm einen Stift, den er von oben mitgenommen hatte, und der Techno zeichnete ihm einen Grundriß der beiden Hauptstockwerke der Feste auf. Er konnte ihnen jedoch nicht angeben, wie es in den beiden Kugeln aussah, die sich seitlich der Hauptanlage befanden.

»Kannst du uns zur unteren Kugel führen?« fragte Razamon.

»Ich finde, wir sollten darauf verzichten, sie zu untersuchen«, sagte Atlan. »Es ist bes-ser, wenn wir uns auf die obere Kugel kon-zentrieren. Diese Kugel ist der Stützpunkt Porquetors. Sollten wir feststellen, daß wir uns auch noch mit den unteren befassen müs-sen, können wir das immer noch tun.«

»Die Gefahr geht von der oberen Kugel

aus«, betonte Zbator. »Die Frage ist, wie wir den Halbroboter vo-

rübergehend lahmlegen können«, sagte Atlan nachdenklich. Dann stellte er dem Techno eine Reihe von Fragen über die technischen Einrichtungen der Feste Grool. Dabei erfuhr er, daß es ein primitives Kraftwerk im Unter-bau der Anlage gab, das aus petrochemischen Grundstoffen Energie erzeugte. Im Blut-dschungel waren Zapfstellen, so daß das Öl gefahrlos herangebracht werden konnte.

Dabei hatte Porquetor keinerlei Maßnah-men getroffen, den Transport für die Technos zu erleichtern. Sie mußten schwerste körperli-che Arbeit leisten, obwohl schon ein geringer technischer Aufwand ausgereicht hätte, sie zu entlasten.

Atlan und Razamon nutzten die nächsten beiden Tage zu einem genauen Studium der Feste Grool und seiner technischen Einrich-tungen. Dabei kam es zu keinem gefährlichen Zwischenfall. Porquetor ließ sich nicht sehen, und die geheimnisvollen Attentäter verzichte-ten auf weitere Angriffe. Auch der Maskierte zeigte sich nicht.

Atlan versuchte, von sich aus Verbindung zu Porquetor aufzunehmen, hatte aber keinen Erfolg. Als er den Gang betrat, der zur oberen Kugel führte, schob sich ihm plötzlich eine Sperrwand in den Weg. Als er Caidon-Rov bat, ihm ein Gespräch mit dem Stählernen zu vermitteln, schüttelte der Hagere nur den Kopf, ohne Erklärungen abzugeben.

Am folgenden Tag erschien er überra-schend in dem Raum, den Atlan bewohnte.

»Porquetor wartet«, erklärte er. Fenrirs Nackenhaare sträubten sich. Das

Tier kam lautlos unter dem Tisch hervor und duckte sich zum Sprung.

Atlan hielt es mit einem knappen Zuruf zu-rück. Fenrir gehorchte, aber seine Unruhe legte sich nicht. Es beobachtete Caidon-Rov und knurrte zornig, obwohl der Hagere ihm bisher keinerlei Anlaß zu einem derart ag-gressiven Verhalten gegeben hatte. Atlan vermutete, daß der Fenriswolf zu wenig Aus-lauf gehabt hatte und daher zuviel Energie aufgestaut hatte.

»Ich komme«, sagte er und schob den Tel-ler zur Seite, von dem er gegessen hatte. »Weiß Razamon schon Bescheid?«

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»Er wartet bereits«, erwiderte Caidon-Rov. Atlan verließ den Raum. Tatsächlich stand

Razamon auf dem Gang und wartete auf ihn. Die beiden Männer wechselten einen Blick miteinander und verständigten sich auf diese Weise darüber, daß sie diese Chance nutzen würden, gegen Porquetor vorzugehen.

Wortlos führte der Hagere sie durch die Gänge der Feste und schließlich die Wendel-treppe hinauf bis zu den Raum, an dessen Wänden sich die Zeichnungen der Kontinente der Erde befanden. Porquetor war noch nicht da.

»Der Meister wird gleich erscheinen«, sag-te Caidon-Rov, verneigte sich und zog sich freundlich lächelnd zurück.

Atlan legte die Hand auf den Kopf Fenrirs, der den Hageren mit seinen Blicken verfolgte.

»Der Kerl ist falsch bis in den Grund seiner Seele«, sagte Razamon. »Er macht mir mehr Sorgen als Porquetor.«

»Wir halten die Augen offen«, bemerkte Atlan. »Außerdem können wir uns auf Fenrir verlassen. Ist alles vorbereitet?«

»Wenn Porquetor mitmacht, wird es klap-pen«, entgegnete Razamon.

Zusammen mit dem Techno Zbator hatte er einige Kupferdrähte in einem der benachbar-ten Räume ausgelegt. Mit einem Knopfdruck konnte er sie unter Strom setzen. Atlan hoffte, den Stählernen in die Falle dirigieren und mit einem Kurzschluß lahmlegen zu können.

Sie warteten etwa zehn Minuten. Dann er-schien Porquetor. Grußlos marschierte er an ihnen vorbei und baute sich vor einer der Zeichnungen auf. Er hob die rechte Hand und legte sie auf eine Zeichnung Nordeuropas.

»Dieses Gebiet stimmt nicht«, sagte er mit hohler Stimme. Er drehte sich um, und Atlan hatte wiederum den Eindruck, daß er ihn for-schend anblickte. »Es ist viel größer.«

»Wie kommst du darauf?« fragte der Arko-nide.

»Ich habe Vergleiche angestellt«, eröffnete ihm der Stählerne triumphierend. »Ich habe genügend Unterlagen über die Welt da drau-ßen, um feststellen zu können, daß du ver-sucht hast, mich zu täuschen.«

»Dabei hast du übersehen, daß mittlerweile zehntausend Jahre auf dieser Welt da draußen verstrichen sind«, entgegnete Atlan. »In die-

ser Zeit hat sich vieles verändert. Sturmfluten haben Land verschwinden lassen, und bei Vulkanausbrüchen ist neues Land entstan-den.«

»Zehntausend Jahre?« fragte Porquetor mit eigenartiger Betonung.

»Allerdings«, erwiderte Atlan. »Zweifelst du an meinen Worten?«

Porquetor antwortete nicht. Er drehte sich um und musterte die Zeichnungen. Razamon ging entschlossen zu ihm und stellte sich ne-ben ihn. Mit geschickten Worten lenkte er ihn ab. Er schilderte ihm, was auf der Erde ge-schehen war, wo ganze Landstriche durch Absenkung des Bodens im Meer verschwun-den waren und wo sich neues Land gebildet hatte.

Atlan trat vorsichtig an Porquetor heran. Er blickte sich um und stellte fest, daß sich außer ihnen niemand im Raum aufhielt. Fenrir er-faßte die Lage. Er legte sich einige Meter von Atlan entfernt auf den Boden, so daß er die beiden Ausgänge ständig beobachten konnte. Der Arkonide wußte, daß Fenrir rechtzeitig Warnlaute geben würde, wenn sich ihnen je-mand nähern sollte.

Er legte die Hände gegen den Rücken des Stählernen, ohne daß dieser reagierte. Dann schob er die Klinge eines Messers, das er sich besorgt hatte, unter eine der Spangen, mit denen die Rückenplatte befestigt war.

Die Spange saß nicht besonders fest. Sie ließ sich aufbiegen und zur Seite drehen. Por-quetor merkte nichts davon. Razamon blickte Atlan an. Der Arkonide sah, daß das Gesicht des Freundes schweißbedeckt war, obwohl es nicht besonders warm im Raum war.

Eifrig sprach Razamon auf Porquetor ein. In seiner Erregung verriet er militärische Ge-heimnisse, die Atlan lieber bewahrt hätte. Der Arkonide hatte jedoch Verständnis dafür, daß Razamon unter dem Druck der Situation ü-bers Ziel hinausschoß.

Vorsichtig setzte er das Messer bei der zweiten Spange an.

Bemerkte der Stählerne wirklich nicht, was geschah? Oder verhielt er sich nur ruhig, um sie in Sicherheit zu wiegen und um dann spä-ter um so brutaler zuzuschlagen?

Auch die zweite Spange glitt zur Seite. Atlan wandte sich der dritten zu.

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Es klirrte leise, als er das Messer ansetzte.

Erschrocken verstummte Razamon. Er blickte Atlan an. Dieser reagierte viel besser als der Atlanter. Er trat neben Razamon und fuhr gelassen fort, wo er seinen Vortrag unterbro-chen hatte. Porquetor stellte sogleich eine Frage. Unwillkürlich atmete Atlan auf. Er wischte sich die Tränen der Erregung weg, die ihm in die Augen gestiegen waren.

Mit ruhiger Stimme beantwortete er die Frage.

Razamon strich sich das dunkle Haar aus der Stirn. Seine Lippen zuckten.

»Terrania-City stellt das größte Problem dar«, sagte Atlan. »Allein können wir diese Stadt unmöglich erobern. Dazu benötigen wir die Unterstützung der unterdrückten Massen. Ich zweifle nicht daran, daß wir sie bekom-men werden, wenn wir nur geschickt genug vorgehen.«

»Unterdrückte Massen?« fragte der Stäh-lerne. »Das mußt du mir erklären.«

Atlan deutete lächelnd auf Razamon. »Das kann er wesentlich besser als ich«,

antwortete er und trat zurück. Porquetor wandte sich Razamon zu. Atlan wartete einige Sekunden ab, bis er sich dessen sicher war, daß der Stählerne ihn nicht beobachtete. Dann trat er wieder hinter den Rücken Porquetors, setzte das Messer an und bog die nächste Klammer auf. Auch die vierte Klammer stell-te kein Problem für ihn dar. Nun blieben nur noch zwei Spangen. Sie hielten die Scheibe auf dem Rücken des Halbroboters. Wenn sie geöffnet wurden, dann mußte die Platte herab-fallen.

Atlan überlegte, wie er sie am besten auf-fangen konnte, als Porquetor Razamon plötz-lich mit einer Handbewegung unterbrach.

»Das genügt«, sagte er. »Ich weiß, was ich wissen wollte.«

Damit wandte er sich ab und eilte davon. Entsetzt blickten ihm die beiden Männer nach. Atlan war wie gelähmt. Er war sich klar darüber, daß seine Arbeiten am Rücken des Stählernen sofort entdeckt werden würden, wenn Porquetor hinter der Tür am Ende des Ganges verschwand. Er wußte jedoch auch, daß er der Rüstung nicht nacheilen durfte, weil man ihn dann über verborgene Kameras beobachten konnte. Die Sperrwand, die sich

ihm entgegengeschoben hatte, war ein eindeu-tiger Beweis dafür, daß irgend jemand in der Kugel beobachtete, was auf dem Gang ge-schah.

»Das wär's dann wohl«, sagte Razamon enttäuscht. »Oder kannst du mir sagen, wie es weitergeht?«

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete der Arkonide, dessen emotionsfrei denkender Logiksektor ihm einhämmerte, daß ihre Über-lebenschancen so gut wie null waren.

»Wir müssen versuchen, die Feste zu ver-lassen«, sagte Razamon.

»Das wäre sinnlos«, widersprach der Arko-nide. »Es wäre ein Eingeständnis unserer Schuld. So können wir immer noch leugnen, etwas damit zu tun zu haben. Dann besteht noch die Möglichkeit, daß die Manipulation nicht bemerkt wird. Und schließlich können wir den Halbroboter noch immer auf die vor-bereiteten Kabel locken.«

»Wenn uns das gelingen sollte, dann laß mich lieber in die Rüstung steigen«, sagte Razamon.

»Wir waren uns einig, daß ich das über-nehme.«

»Schon richtig«, sagte Razamon und lä-chelte gequält. »Ich glaube aber, daß nur der-jenige sicher ist, der in der Rüstung steckt, während der andere verdammte Mühe haben wird, heil über die Runden zu kommen.«

*

Sie warteten. Zwei Stunden verstrichen, ohne daß etwas

geschah. Niemand ließ sich sehen. Die Feste schien wie ausgestorben zu sein. Selbst die sonst allgegenwärtigen Geräusche waren flicht mehr zu hören.

»Wir müssen etwas tun«, sagte Razamon ungeduldig. »So geht das nicht weiter.«

»Wir werden etwas tun«, entgegnete Atlan. »aber erst, wenn Porquetor wieder auftaucht. Dann tun wir so, als könnten wir ihn nicht hören.«

Razamon eilte unruhig im Raum auf und ab. Seine Nervosität steigerte sich von Minute zu Minute, während der Arkonide immer ru-higer wurde. Er war überzeugt davon, daß ihre Chancen größer wurden, je mehr Zeit

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verstrich. Wer auch immer die Rüstung fern-steuerte, er hatte noch nicht gemerkt, daß sie daran hantiert hatten. Sonst wäre längst etwas geschehen.

Eine weitere halbe Stunde ging vorbei, dann bewegte sich das Schott am Ende des Ganges. Razamon blieb stehen, als sei er ge-gen ein unsichtbares Hindernis gelaufen.

Atlan erhob sich. »Los jetzt«, befahl er leise. Er ging zur

Treppe. Razamon folgte ihm. »Wartet«, rief Porquetor. Die beiden Männer taten, als hätten sie

nichts gehört. Sie gingen die Stufen der Trep-pe hinunter und eilten dann durch den sich anschließenden Raum zu einer Tür, hinter der die vorbereiteten Kupferkabel lagen.

Der Stählerne holte nun rasch auf. »Warte, Atlan«, rief er mit hallender Stim-

me. »Warum hörst du denn nicht?« Während Razamon weiterging, ohne sich

umzudrehen, blieb Atlan stehen und blickte über die Schultern zurück. Seine Augen wei-teten sich. Er gab sich maßlos überrascht.

»Porquetor! Ich habe dich nicht gehört«, sagte er. »Hast du mich gerufen?«

»Einige Male«, antwortete der Stählerne. »Deine Stimme klingt so eigenartig«, sagte

der Arkonide. »Was ist los? Stimmt etwas nicht mit deinem Kommunikationssystem?«

Porquetor stand breitbeinig vor ihm. Seine rechte Hand umklammerte den Griff des Breitschwerts.

»Hatte ich Ausfälle in der Stimme?« »Ich vermute es«, entgegnete Atlan. »Sonst

hätte ich dich hören müssen.« »Kommt mit nach oben. Ich habe noch ei-

nige Fragen«, befahl der Stählerne. »Ich möchte dir vorher noch etwas zeigen«,

entgegnete Atlan. »Ich glaube, daß wir einige der Maschinen hier in der Feste in unsere stra-tegische Planung miteinbeziehen müssen.«

Er fuhr fort, bewegte aber nur die Lippen. »Was sagst du?« fragte Porquetor mit

schrill klingender Stimme. Atlan antwortete, indem er zunächst nur die

Lippen bewegte, dann ein paar Silben laut einstreute und danach wieder nur die Lippen bewegte. So mußte bei Porquetor, der Ein-druck entstehen, daß an seinem Wahrneh-mungssystem irgend etwas nicht in Ordnung

war. Razamon kehrte zurück. »Was ist los?« fragte er. »Warum kommt

ihr nicht?« Auch er sprach die letzten beiden Worte

nicht laut aus, sondern formte sie nur mit den Lippen.

Porquetor gab ein leises Stöhnen von sich. Er folgte Razamon, als dieser sich umdrehte und davonging. Der Stählerne war noch keine drei Schritte weit gegangen, als er die Kup-ferdrähte auf dem Boden erreichte. Atlan drückte einen Knopf und setzte sie unter Strom.

Blaue Blitze zuckten unter den Füßen des Stählernen hervor. Er blieb stehen und beweg-te sich nicht mehr.

Die Spangen waren noch so, wie Atlan sie aufgebogen hatte. Nichts war verändert wor-den. Atlan schloß daraus, daß niemand etwas von seiner Arbeit bemerkt hatte. Rasch öffne-te er die letzten beiden Spangen, hob die Rü-ckenplatte ab und blickte in die Rüstung. Sie war leer, so wie er es erwartet hatte.

Er deutete schweigend auf eine Drahtver-bindung, die sich durch den Kurzschluß gelöst hatte. Razamon reichte ihm eine vorbereitete Klammer und deutete ihm mit einer Geste an, daß er sie nur über die Drähte zu schieben brauchte. Danach mußte Porquetor wieder funktionieren.

Atlan gab Razamon ein Zeichen. Der Freund trat hinter ihn und schob die Arme um ihn. Er hob ihn hoch, und Atlan stieg mit den Füßen zuerst in die Öffnung. Zwei Minuten lang mühten er und der Atlanter sich ab, bis es ihm endlich gelang, in die Rüstung zu kommen. Er preßte die Arme eng an den Leib und schob den Kopf durch die enge Halsöff-nung bis in den Kopf Porquetors. Er konnte Razamon durch die grünlich schimmernden Sichtscheiben sehen.

Der Atlanter kehrte in den Rücken des Halbroboters zurück und befestigte die Deck-platte daran.

»Hier ist alles in Ordnung«, sagte er dann. »Du kannst anfangen.«

Atlan führte die vorbereitete Spange an die beiden Drähte und klammerte sie an. Augen-blicklich begann Porquetor sich zu bewegen.

»Was ist los?« fragte er mit schriller Stim-

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me.

»Das weiß ich auch nicht«, antwortete Ra-zamon. »Zwei Drähte hatten sich voneinander gelöst. Ich habe sie wieder zusammengefügt. Das ist wohl alles. Ob noch mehr Schäden vorliegen, kann ich nicht feststellen.«

»Das werden wir bald wissen«, sagte Por-quetor. Er drehte sich um und marschierte an Razamon vorbei.

Atlans Beine bewegten sich in der Rüstung mit, ob er wollte oder nicht.

5.

Porquetor marschierte durch die Feste

Grool. Er schien kein bestimmtes Ziel zu ha-ben.

Voller Unbehagen fragte Atlan sich, ob er bereits entdeckt worden war. Spielte Porque-tor nur mit ihm, oder hatte er tatsächlich nichts gemerkt?

Er hatte lange überlegt, ob er den Halbro-boter mit einer anderen Methode vorüberge-hend lahmlegen sollte. So hatte er daran ge-dacht, einen einfachen Energiefeldprojektor zu konstruieren, um mit ihm ein Energiefeld um den Halbroboter zu errichten. Dabei wa-ren jedoch erhebliche Schwierigkeiten aufge-treten, die schon bei der Materialbeschaffung begannen. Trotz einfachster Technik war ein solcher Projektor ein immer noch viel zu kompliziertes Gebilde, so daß es nicht gebaut werden konnte, ohne unerwünschte Aufmerk-samkeit bei Caidon-Rov, den Technos oder gar bei Porquetor selbst zu erregen. Wie sollte er an den Halbroboter herankommen, wenn er ihn erst einmal unter einem neutralisierenden Energiefeld gefangen hatte? Und wie sollte er diesen Zwischenfall erklären?

Deshalb hatte er sich für den einfachen Weg entschieden, einen relativ harmlosen Kurzschluß auszulösen. Es hatte sich gezeigt, daß der Roboter gegen Elektroschocks emp-findlich war, jedoch schnell wieder hergerich-tet werden konnte. Tatsächlich war alles so verlaufen, wie Atlan es zusammen mit Raza-mon errechnet hatte.

Doch nun wurde der Arkonide unsicher. Was veranlaßte Porquetor, in der Feste he-

rumzulaufen? Wollte er die Ablagen nur in-spizieren, oder wollte er ihn zu einem Eingriff

in die Technik des Halbroboters provozieren? Einige Male sah Atlan durch die transpa-

renten Scheiben im Helm der Rüstung, daß sich Fenrir in seiner Nähe aufhielt. Das Tier schien zu spüren, daß er sich in einer unange-nehmen Lage befand und daß er Hilfe benö-tigte, falls es zu einem unerwarteten Zwi-schenfall kommen sollte.

Er war versucht, dem Fenriswolf ein Zei-chen zu geben, verzichtete jedoch darauf, um Porquetor nicht aufmerksam zu machen.

Nach etwa zwei Stunden tauchte eine male-rische Gestalt vor Porquetor auf. Sie war nur etwa anderthalb Meter groß, aber unglaublich dick. Sie trug eine enge Hose und ein stramm sitzendes Hemd. Den Kopf schmückte ein riesiger Hut mit einer roten Feder daran.

Porquetor nannte dieses feiste Geschöpf den Herrn der Dimensionen und wenig später Priester. Er wies ihn an, die Toten in der Ku-gel gut zu hüten und niemanden in die Kugel zu lassen, besonders die beiden Fremden nicht. Dann eilte er weiter ohne eine Antwort abzuwarten.

Wenig später blieb er in einem Raum ste-hen, in dem fünf Technos auf dem Boden saßen und an einem farbenprächtigen Teppich arbeiteten. Sie verdoppelten furchtsam ihr Arbeitstempo und stellten ihre Gespräche ein. Porquetor verharrte fast eine Stunde bei die-sen Sklaven und sah ihnen zu, ohne sich zu ihrer Arbeit zu äußern.

Atlan wurde warm in der Rüstung. Er be-dauerte, daß er kein Getränk mitgenommen hatte. Seine Kehle war trocken, und der Hus-tenreiz wurde immer stärker. Schließlich würgte er gequält und glaubte, das Kratzen in der Kehle nicht mehr aushalten zu können. Porquetor setzte sich endlich in Bewegung.

Er verließ die Technos und durchquerte wenig später einen Raum, in dem einige tief-verschleierte Frauen Wäsche wuschen. Die feuchte Luft bekam Atlan gut. Der Hustenreiz verschwand. Er konnte wieder frei durchat-men.

Ungeduldig wartete er darauf, daß Porque-tor nun endlich in die Kugel zurückkehrte, da es ihm allein darum ging, das Geheimnis die-ses Festungsteils zu lösen.

Der Halbroboter entfernte sich jedoch im-mer weiter von der Kugel. Er eilte enge Trep-

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pen hinunter und stand dann plötzlich vor einem Tor. Rasselnd bewegte sich eine Kette. Die Torflügel glitten auseinander, und ent-setzt blickte Atlan durch die Transparent-scheiben auf das Vorfeld der Feste Grool.

Porquetor verließ die Feste und eilte auf den Blutdschungel zu. Auf dem Weg lagen noch die halbverwesten Kadaver einiger Pan-zerstiere, die bei dem Angriff der Dalazaaren getötet worden waren.

Atlan fluchte in sich hinein. Er hatte nicht das geringste Interesse an ei-

nem Ausflug aus der Feste in den Blut-dschungel.

*

Porquetor raste durch den Hohlweg in die

Ebene der Windmühlen hinein. Die Sonne stand niedrig über dem westlichen Horizont. Atlan schätzte, daß es noch etwa eine Stunde lang hell bleiben würde. Er hoffte, daß Por-quetor nach Einbruch der Dunkelheit in die Feste zurückkehren würde, doch er sollte sich irren.

Die Rüstung durchquerte das Windmühlen-feld. Atlan sah, daß viele Dalazaaren damit beschäftigt waren, die Windmühlen zu repa-rieren und die verbrannten Kabel gegen neue auszutauschen.

Die Männer, die sich auf dem Boden auf-hielten, flüchteten vor Porquetor in das Ge-stänge der Windmühlen, wohin er ihnen nicht folgen konnte. Selbst die Panzerstiere wurden unruhig. Schnaubend zogen sie sich zurück. Sie drängten sich zusammen zu einem dichten Pulk, wobei die stärksten Tiere den äußeren Ring bildeten. Mit tief gesenktem Kopf er-warteten sie den Angriff des Stählernen, der jedoch darauf verzichtete, ihnen seine Kraft zu beweisen.

Voller Unruhe fragte Atlan sich, was der unbekannte Lenker des Halbroboters plante. Wohin führte er die Rüstung? Welchem Zweck diente dieser Ausflug? Verfolgte er überhaupt ein bestimmtes Ziel?

Oder hatte der tatsächliche Porquetor ent-deckt, daß Atlan in der Rüstung steckte? Wollte er ihm zeigen, über welche Macht er verfügte und mit welchen Mitteln er die Erde erobern wollte?

Als die Rüstung die Ebene der Windmüh-len durchquert hatte, erreichte sie hügeliges Gelände. Es begrenzte den nördlichen Rand des Blutdschungels. Der Halbroboter rannte mit hoher Geschwindigkeit durch die hügelige Landschaft und brach plötzlich seitlich aus, ohne daß Atlan das Motiv dafür erkennen konnte.

Die Rüstung stürzte sich in den Blut-dschungel. Durch die transparenten Sicht-scheiben verfolgte der Arkonide, daß die schwingenden Stahlarme einige Äste zer-schmetterten. Das rote Harz spritzte wie Blut aus den Poren der verletzten Pflanze hervor und besudelte die Arme des Halbroboters, der unverdrossen weitermarschierte.

Atlan merkte, daß seine Beine erlahmten, da er immer wieder unwillkürlich Widerstand gegen die Bewegungen der Rüstung leistete. Er schloß die Augen und konzentrierte sich, um sich völlig entspannen zu können. All-mählich paßte er sich besser den Bewegungen der Rüstung an. Seine Beine gingen vor und zurück, als seien sie mit dem elektronischen Nervensystem des Halbroboters verbunden.

Als Atlan die Augen wieder öffnete, sah er schroff aufsteigende Felsen vor sich. Im ers-ten Moment dachte er sich nichts dabei. Dann aber tauchte ein Felsspalt vor ihm auf.

Der Arkonide erschrak. Er wußte, wo er war. Porquetor hatte also doch noch nicht aufgegeben. Die Rüstung stand vor dem Haupteingang zum Höhlensystem der Paarlen.

Licht schimmerte aus dem Dunkel des Spalts.

Porquetor stürmte los. Entsetzt bemerkte Atlan, daß das Eingangs-

schott zur Höhle offenstand. Deutlich konnte er den Fluß erkennen. An seinem felsigen Ufer kauerte ein prächtig gekleideter Paarle. Er streckte die Arme beschwörend in die Hö-he. In den Händen hielt er das Verschlußmo-dul des Schottsystems.

Unwillkürlich schrie Atlan auf, als er den Paarlen erkannte. Es war Troton, den er in das Priesteramt des Türverantwortlichen erhoben hatte. Obwohl Atlan ihn eindringlich davor gewarnt hatte, das Schott zu öffnen, hatte der Paarle es getan. Er hatte der Versuchung nicht widerstanden, die Macht zu erproben, die er durch das Modul gewonnen hatte.

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Troton zuckte zusammen, als er den Schrei

hörte. Er blickte auf und bemerkte den Stäh-lernen.

Der Schrei Atlans hatte aber auch noch eine andere Wirkung.

Die Rüstung blieb plötzlich stehen und un-terbrach ihren Angriff auf den Paarlen.

Du hast dich verraten! stellte der Logiksek-tor fest. Auch Porquetor hat den Schrei ge-hört.

Die Rüstung verfügte über Mikrophone, mit denen Porquetor sich darüber informierte, was in der Umgebung der Rüstung geschah. Diese Mikrophone hatten den Warnschrei des Arkoniden aufgenommen und in die Feste Grool weitergeleitet.

Noch besteht die Chance, daß Porquetor glaubt, einen Schrei des Paarlen gehört zu haben, widersprach der Aktivatorträger sei-nem Extrasinn.

Das ist nicht völlig verkehrt, stimmte der Logiksektor zu.

Troton überwand seinen Schrecken erstaun-lich schnell. Er sprang auf und stürzte sich kopfüber in den Fluß. Er tauchte sofort unter. Die gelben Fluten verbargen seinen kleinen Körper vor den Blicken Atlans.

Die Rüstung marschierte bis an das felsige Ufer und neigte sich nach vorn. Atlan fürchte-te, sie werde sich ebenfalls in den Fluß stür-zen, um Troton zu verfolgen. Voller Entset-zen suchte er nach einer Möglichkeit, sich aus der Rüstung zu befreien, obwohl er wußte, daß er ohne fremde Hilfe nicht aus ihr he-rauskommen konnte.

Narr, meldete der Logiksektor. Du solltest wissen, daß der Halbroboter sich nicht ins Wasser wagen darf. Seine elektrischen und elektronischen Einrichtungen sind schlecht isoliert. Er würde sich im Wasser selbst erle-digen.

Atlan atmete auf und entspannte sich. Für einige Sekunden konnte er nichts sehen. Er bewegte die Lider, bis die Tränen, die ihm die Erregung in die Augen getrieben hatte, über die Wangen abgeflossen waren.

Porquetor drehte sich langsam um. Die Höhle war leer. Hatten die anderen

Paarlen in den anderen Höhlen der Anlage aber schon gemerkt, daß ihr Erzfeind einge-drungen war? Atlan spürte, wie es ihn kalt

überlief, als er daran dachte, was Porquetor einige Tage zuvor in diesen Höhlen angerich-tet hatte. Erbarmungslos hatte er Frauen, Kin-der und Männer mit seinen Stahlhänden er-mordet, weil die Paarlen mit einer Art Super-Skerzaal Holzbolzen auf die Feste Grool ab-geschossen hatten, ohne damit allerdings ernsthaften Schaden anzurichten. Er zweifelte nicht daran, daß der Herr der Feste auch jetzt wieder gnadenlos morden würde, wenn ihm einige Paarlen zwischen die Stahlhände gerie-ten.

Leicht schwankend marschierte die Rüs-tung weiter. Atlan hörte, wie das Metall schepperte und klirrte. Die Stahlfüße schlugen hart gegen einige Steine, die aus dem Boden ragten, doch wurde die Rüstung dadurch nicht aus dem Gleichgewicht gebracht.

Atlan war versucht, laut zu schreien, um die Paarlen zu warnen. Er blieb jedoch still, weil er hoffte, daß sie das Klirren und Scheppern bereits gehört und sich versteckt hatten.

Dennoch hielt er den Atem an, als der Halbroboter die Haupthöhle erreichte.

Kein Paarle war zu sehen. In den letzten Tagen hatten die Höhlenbe-

wohner fleißig daran gearbeitet, ihre Unter-künfte wieder herzurichten. Einige Hütten waren bereits fertig. Die Trümmer waren ent-fernt worden.

Die Rüstung drehte sich langsam einmal um sich selbst, so daß der Arkonide durch die Transparentscheiben die ganze Höhle überbli-cken konnte. Er wußte, daß Porquetor in der Feste Grool in diesen Sekunden die gleichen Bilder sah. Sie wurden durch ein Kamerasys-tem übertragen, das sich am Kopf der Rüs-tung befinden mußte. Atlan hatte noch nicht herausgefunden, wo die Optiken versteckt waren.

Was empfand Porquetor jetzt? War er ent-täuscht, weil sich niemand in der Höhle auf-hielt, den er zerfetzen konnte?

Atlan lächelte. Die Paarlen hatten gelernt. Troton würde

allerdings eine ungemütliche Zeit durchma-chen müssen, weil er dafür verantwortlich war, daß es der Rüstung doch gelungen war, in die Höhlen einzudringen. Als Priester hatte er in seinem neugeschaffenen Amt versagt. Atlan war gespannt, wie er sich herauswinden

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würde.

Die Rüstung drehte sich um. Porquetor hat-te sich entschlossen, die Höhle zu verlassen. Er verzichtete sogar darauf, die Hütten zu zerstören, so wie er es vor einigen Tagen ge-tan hatte.

Atlan lächelte erleichtert, weil es ihm er-spart geblieben war, diesem Zerstörungswerk zusehen zu müssen.

In diesem Moment kam ein kleines Kind aus einem der Spalten hervor und lief der Rüstung über den Weg. Atlan schätzte, daß das Kind etwa zwei Jahre alt war. Es bewegte sich noch etwas ungeschickt und schleppte eine Puppe hinter sich her.

Der Halbroboter blieb stehen. Der Kopf drehte sich langsam, so daß das Kind ständig im Blickfeld des Arkoniden blieb.

Atlan stockte der Atem. Er wußte, was jetzt kommen würde. Ein halbnacktes Paarlenweib lief wim-

mernd hinter dem Kind her. Es stürzte, als es das Kind fast erreicht hatte. Es fiel zu Boden und umklammerte die Puppe. Mit tränenüber-strömten Gesicht blickte es zu dem Halbrobo-ter auf, der sich ihm mit stampfenden Schrit-ten näherte.

Atlan sah, daß die Stahlarme hochfuhren. Im nächsten Moment schon mußten sie wie Fallbeile herabsausen und Kind und Mutter zerschmettern.

Er konnte und wollte nicht zusehen. Ent-schlossen riß er die Kabel auseinander, die er Stunden zuvor mit einer isolierten Klammer zusammengesteckt hatte.

Die Rüstung verharrte mitten in der Bewe-gung.

Atlan biß sich auf die Lippen. Er hatte das Gefühl, nach vorn zu kippen. Mit aller Kraft lehnte er sich zurück, soweit das eben mög-lich war. Er wußte, daß die Rüstung nicht umstürzen durfte, denn dann würden die Paar-len aus allen Winkeln des Höhlensystems hervorkommen, sich auf die Rüstung werfen, sie aufreißen und ihn töten. Keine Macht der Welt konnte ihn noch vor den Messern der Höhlenbewohner retten, wenn sie ihn in der Rüstung entdeckten, mußten sie doch anneh-men, daß er für die grauenhaften Morde ver-antwortlich war. Zeit für Erklärungen würde er nicht mehr haben.

Die Mutter merkte, daß irgend etwas mit dem Halbroboter nicht stimmte. Sie raffte sich ängstlich auf, riß ihr Kind an sich und entfern-te sich Schritt für Schritt von Porquetor. Ihre Augen waren von Angst geweitet.

Atlan hätte ihr zuschreien mögen, daß sie sich beeilen sollte. Er schwieg jedoch, weil er wußte, daß die Paarlen Porquetor stets nur stumm erlebt hatten. Und er wollte nicht, daß sie durch ein äußeres Zeichen der Mensch-lichkeit, und sei es durch eine Stimme, zu dem Gedanken verleitet wurden, er sei doch verletzbar. Er wollte nicht, daß sie ihn angrif-fen, weil er wußte, daß sie den Halbroboter nicht besiegen konnten.

Die Rüstung schwankte stärker. Atlan warf sich vor und zurück, um die

Bewegungen auszugleichen. Er merkte, daß es ihm immer schwerer wurde, die Balance zu halten. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis die Rüstung umstürzte, und die Frau flüchtete viel zu langsam mit ihrem Kind. Sie schien nicht fassen zu können, daß sie immer noch lebte.

Da eilte endlich ein erwachsener Paarle aus einem Felsspalt hervor. Er schrie der Frau einige Worte zu, die Atlan nicht verstand. Dann riß er sie ins sichere Versteck.

Atlan spürte, daß er die Rüstung nicht mehr länger halten konnte. Sie neigte sich bereits bedenklich nach vorn.

Er schob die Drähte wieder zusammen. Ein Ruck ging durch den Halbroboter. Er

neigte sich noch weiter nach vorn. Unwillkür-lich stemmte sich der Arkonide der Fallbewe-gung entgegen. Doch dann machte Porquetor zwei hastige Schritte und fing sich sicher ab.

Er richtete sich auf und drehte sich erneut langsam um sich selbst.

Die Höhle war leer. Niemand war zu sehen. Atlan hatte das Gefühl, den fernen Porque-

tor in der Feste Grool vor Enttäuschung auf-schreien zu hören. Ihm war, als klänge ein Wutschrei in ihm selbst auf.

Die Rüstung stürzte sich auf die nächste Hütte. Die Stahlarme fuhren pfeifend durch die Luft. Das Breitschwert zerschnitt das Holz der einfachen Bauwerke, als bestünden sie aus einem mürben Material, das ihm keinerlei Widerstand entgegensetzte.

Hilflos mußte Atlan zusehen, wie Porquetor

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die Hütten der Paarlen vernichtete. Eine Stun-de lang wütete die Rüstung in den Höhlen, dann lag alles erneut in Trümmern, was die Paarlen aufgebaut hatten.

Porquetor blickte sich prüfend um, entdeck-te noch einen heilen Tontopf, zertrat ihn mit dem Fuß und marschierte nun offensichtlich befriedigt zum Ausgang des Höhlensystems zurück. Das Schott stand noch immer offen. Von Troton war nichts zu sehen.

Die Rüstung verließ die Höhle. Kaum hatte sie das Schott passiert, als ein Schrei ertönte.

»Porquetor!« Der Halbroboter blieb stehen und drehte

sich langsam um. Am Ufer des Flusses stand Troton. Er trug

nur noch eine braune Hose und ein buntes Tuch, das er sich um das Geweih geschlungen hatte.

»Porquetor, du verdammter Narr!« brüllte der Türverantwortliche.

Er schleuderte eine kopfgroße Frucht auf die Rüstung – und er traf. Die Frucht zerplatz-te direkt vor Atlan Augen auf der Gesichts-maske der Rüstung, so daß der Arkonide nichts mehr sehen konnte. Er hörte Troton triumphierend lachen, dann wurde es dunkel. Eine Stahlhand strich über die Transparent-scheiben hinweg und wischte die übelrie-chenden Reste der Frucht herunter, so daß Atlan wieder etwas besser sehen konnte.

Das Schott war geschlossen! Troton war also klug genug gewesen, das

Modul wieder in das Türsystem einzubauen, während Porquetor in den Höhlen gewütet hatte. Der Halbroboter rannte gegen das Schott an und hämmerte mit den Fäusten da-gegen. Die Schläge erschütterten den stähler-nen Körper bis in die Füße hinein. Atlan wur-de durchgeschüttelt. Hilflos flog er in der Rüstung hin und her.

Am liebsten hätte er Porquetor zugeschrien, daß dieser Versuch sinnlos war, das Schott aufzubrechen. Es war so stark, daß selbst die Kräfte dieses Halbroboters nicht ausreichten, es zu zerstören. Doch schon nach einigen Mi-nuten kam der unbekannte Lenker in der Feste Grool selbst auf den Gedanken, den Sturmlauf gegen das Schott einzustellen.

Der Halbroboter drehte sich um und ent-fernte sich vom Schott. Als er etwa zwanzig

Schritte weit gegangen war, ertönte ein wildes Gelächter.

Die Rüstung drehte sich um. Atlan sah, daß Troton im offenen Schott

stand. Der Paarle streckte die Arme in die Höhe.

»Du verdammter Narr«, schrie er. »Du hilf-loser Idiot! Verschwinde.«

Dann sprang er eilig zurück. Das Schott schloß sich. Es wurde dunkel.

Die Rüstung rannte einige Schritte weit auf das Schott zu, stoppte dann jedoch und wand-te sich Sekunden später ab. Porquetor hatte begriffen, daß er verloren hatte.

Du auch! Atlan fuhr zusammen, als ihm bewußt wur-

de, daß der Logiksektor die richtige Feststel-lung getroffen hatte.

Porquetor, der Lenker des Halbroboters, mußte schon ein Dummkopf sein, wenn er die Wahrheit nicht erkannte. Er würde die Rüs-tung eingehend untersuchen, sobald sie in die Feste zurückgekehrt war.

*

Razamon wurde immer unruhiger, je länger

Atlan fortblieb. Er konnte sich nicht erklären, was Porquetor veranlaßte, den Halbroboter für eine so lange Zeit nach draußen zu schi-cken.

Zunächst hielt er sich zusammen mit Fenrir in der Nähe des Ausgangs der Feste Grool auf, um nicht zu verpassen, wenn die Rüstung zurückkehrte. Doch bald hielt es ihn nicht mehr in den dunklen feuchten Gewölben. Er stieg die Treppen im Innern der Stützsäulen hoch.

Er hatte die Hälfte der Strecke bereits zu-rückgelegt, als Fenrir unruhig wurde. Er krall-te seine Finger in das Nackenfell des Tieres, um es zurückzuhalten.

Ein Techno kam ihm entgegen. »Zbator?« fragte Razamon.

»Ich bin es«, erwiderte der Techno. »Ich habe dich gesucht. Porquetor fragt nach dir.«

»Porquetor? Ich denke, der ist draußen?« »Wir alle wissen, daß der Stählerne nur die

mächtige Hand Porquetors ist, die er aus der oberen Kugel herausstreckt, um seinen Willen durchzusetzen.«

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»Hast du Porquetor jemals gesehen?« »Niemand hat ihn gesehen«, antwortete der

Techno. »Wie kann er dann nach mir verlangen?«

fragte Razamon mißtrauisch. »Porquetor kann zu uns sprechen. Wir hö-

ren seine Stimme in einem der Räume aus der Wand kommen. Einer von uns muß ständig dort sein, damit die Stimme nicht ungehört verhallt. Du sollst in dieses Zimmer kom-men.«

Razamon spürte, wie sich etwas in ihm verkrampfte. Fieberhaft suchte er nach einer glaubhaften Ausrede, mit der er sich ent-schuldigen konnte. Ihm fiel jedoch keine ein, denn es gab nichts, was er hätte vorbringen können.

»Also gut«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich komme.«

»Wo ist Atlan?« fragte Zbator. »Porquetor will auch ihn sprechen.«

»Hm. Ich weiß es nicht«, schwindelte Ra-zamon. »Wir werden ihn schon irgendwo fin-den. Am besten suchen wir ihn zusammen.«

Er glaubte, eine Gelegenheit gefunden zu haben, mit der er Zeit gewinnen konnte, doch der Techno winkte ab.

»Es genügt, wenn einer von euch da ist.« Er drehte sich um und stieg die Treppe

hoch. Razamon folgte ihm zögernd. Er überlegte,

ob er den Techno ins Vertrauen ziehen sollte. Hatte Zbator sie nicht um Hilfe gebeten? War es daher nicht selbstverständlich, daß sie auch von ihm Hilfe erwarten konnten?

Razamon blieb stehen und schüttelte den Kopf.

»Es geht nicht, Zbator«, sagte er energisch. »Ich kann jetzt nicht mit Porquetor sprechen.«

Der Techno drehte sich um und blickte ihn zornig an.

»Du wirst tun, was Porquetor verlangt, oder wir Technos werden bestraft werden. Unser Schicksal ist schon schwer genug. Es ist nicht notwendig, daß wir auch noch für dich lei-den.«

»Verdammter Narr!« schrie der Verbannte. »Atlan und ich versuchen, euch zu helfen. Wie sollen wir das tun, wenn ihr uns nicht auch helft?«

Zbator wurde nachdenklich, entgegnete je-

doch: »Wir haben schon lange darauf gewar-tet, daß etwas geschieht. Ihr habt bisher nichts getan, uns zu helfen. Im Gegenteil. Ihr habt Porquetor geholfen. Ihr habt ihm Informatio-nen über die Welt da draußen gegeben, um so seine Macht zu vergrößern. Für uns aber ge-schah überhaupt nichts.«

Razamon fühlte, daß der Techno das Ver-trauen in sie verloren hatte, und ihm wurde klar, daß es aus seiner Sicht auch tatsächlich so aussah, als hätten sie sich passiv verhalten. Das war jedoch nicht richtig. Sie hatten sich über die Feste Grool informiert, und sie hatten bereits Pläne entwickelt, wie die Macht Por-quetors gebrochen werden konnte. Atlans Unternehmen hatte zum Ziel, die Technos zu befreien.

Razamon blickte sich unsicher um. Durfte er Zbator verraten, wo Atlan war? Vielleicht gab es verborgene Mikrophone in der Nähe über die Porquetor sie belauschen konnte. Wenn es so war, dann brachte er Atlan durch ein Geständnis in tödliche Gefahr.

»Ich kann dich nur bitten, Vertrauen zu uns zu haben«, sagte Razamon.

Zbator verzog verächtlich die Lippen und spuckte vor Razamon aus. Dieser duckte sich unwillkürlich und machte Anstalten, sich auf ihn zu stürzen, beherrschte sich jedoch im letzten Moment, als auf dem Treppenabsatz über dem Techno plötzlich eine hochgewach-sene Gestalt erschien. Razamons Hände krall-ten sich in das Fell Fenrirs, der sich auf den Mann stürzen wollte, der aus dem Nichts her-aus gekommen war.

Der Maskierte trug einen Lederanzug, wie sie in der Kolonialzeit der Vereinigten Staaten von Amerika von den Waldläufern getragen worden war. Eine Biberfellmütze bedeckte den Kopf. In den sonnengebräunten Händen hielt der Mann einen indianischen Bogen. Ruhig legte er einen Pfeil an die Sehne.

»Nein«, schrie Razamon. »Nein, das nicht. Nicht schießen!«

Zbator fuhr herum. Der Maskierte hob den Bogen und spannte

die Sehne. »Verdammt noch mal! Nicht schießen«,

brüllte Razamon. Er schlug die Hände vor die Augen und sank auf die Knie.

Sirrend verließ der Pfeil die Sehne. Zbator

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versuchte, dem Geschoß auszuweichen. Er schaffte es nicht mehr. Der Pfeil durchbohrte seine Brust.

»Bestie«, rief Razamon. »Du Bestie!« Der Techno drehte sich einmal um sich

selbst. Seine Hände umklammerten den Pfeil. Mit geweiteten Augen stürzte er die Stufen herab. Razamon wich ihm unwillkürlich aus. Er konnte seine Blicke nicht von dem Mann in der ledernen Kleidung lösen.

Der Bogenschütze ließ seine Waffe sinken. Er lächelte und streifte sich die Maske ab. Einige Sekunden lang blickte er Razamon an. Dann verschwand er so plötzlich, wie er ge-kommen war.

6.

Die stählerne Rüstung rannte durch die

Nacht. Mit brutaler Gewalt brach sie durch das Unterholz und fegte zur Seite, was ihr im Weg war.

Atlan konnte nichts tun. Er wußte nicht, wohin Porquetor den Halbroboter führte, und er wußte nicht, wie er sich ohne fremde Hilfe aus der stählernen Hülle befreien sollte.

Er war der Gefangene seiner eigenen Idee. Einige Male versuchte er, die Arme nach

hinten zu bringen, um die Rückenplatte her-auszustoßen, doch an seinen Seiten befand sich ein kompliziertes Gestänge, das sich ständig bewegte. Er mußte befürchten, mit den Händen zwischen die Stangen zu geraten und sich dabei erheblich zu verletzen. So ver-zichtete er, zumal er sich sagte, daß er die Rückenplatte schwerlich allein entfernen konnte, da Razamon alle Spangen wieder an-gebracht hatte.

Plötzlich tauchte ein Feuer vor ihm auf. Durch die Transparentscheiben konnte er ein paar Technos sehen, die am Feuer saßen und ein großes Stück Fleisch auf einem Gestell brieten. Sie sprangen entsetzt auf und rannten in allen Richtungen davon.

Die Rüstung marschierte weiter. Die Stahl-hände packten den Braten rund schleuderten ihn in die Glut. Dann eilte Porquetor weiter. Atlan erwartete, daß er nach einiger Zeit ste-henbleiben würde, um darauf zu warten, daß die Technos ans Feuer zurückkehrten. Aber das war nicht der Fall. Das kleine Zerstö-

rungswerk schien dem unbekannten Lenker in der Feste bereits ausreichend gewesen zu sein.

Es wurde wieder dunkel, so daß der Arko-nide nichts mehr erkennen konnte. Porquetor aber fand seinen Weg, ohne ein einziges Mal irgendwo anzustoßen. Verfügte er über eine Infrarotoptik, die es ihm erlaubte, sich mit so hoher Geschwindigkeit durch den Blut-dschungel zu bewegen?

Ungefähr eine Stunde nach der Begegnung mit den Technos am Lagerfeuer wurde der Halbroboter plötzlich erschüttert. Irgend et-was traf die Rüstung mit fürchterlicher Ge-walt. Atlan fühlte einen Stoß in der Magenge-gend. Ihm war, als werde die Rüstung einge-drückt. Er hatte das Gefühl, zerquetscht zu werden. Dann verlor er das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Doch nur für Sekunden blieb die Rüstung liegen, dann schnellte sie sich wieder hoch. Die Bewegung lief so über-raschend ab, daß Atlan dieses Mal mit dem Schädel gegen die Innenverkleidung des Kopfteils schlug.

Die Arme des Halbroboters wirbelten durch die Luft.

Atlan hörte und spürte, daß die Fäuste und das Breitschwert auf ein Hindernis trafen. Die Rüstung erzitterte heftig unter der Wucht der Schläge. Dann ertönte ein fürchterliches Ge-brüll, ein wütendes Stampfen und Schnauben.

Atlan preßte das Gesicht gegen die Trans-parentscheiben, doch es war viel zu dunkel. Er konnte nichts erkennen.

Er zweifelte jedoch nicht daran, daß Por-quetor mit einem riesigen Tier kämpfte, das er in seiner nächtlichen Ruhe gestört hatte.

Unwillkürlich fragte er sich, was aus ihm wurde, wenn Porquetor diesen Kampf nicht bald für sich entschied.

In der Rüstung zu stecken, hatte sich schon bald bei normalen Bewegungen als Strapaze erwiesen. Der Kampf belastete Atlan bis an die Grenze des Erträglichen, und er konnte nichts tun, um die Entwicklung des Kampfes zu beeinflussen oder seine Lage in der Rüs-tung zu verbessern. Er war wie ein Spielball, der alles über sich ergehen lassen mußte.

Atlan fühlte, daß sein Zellaktivator unge-wöhnlich heftig pulsierte. Das Gerät glich den Kräfteverlust aus.

Er verfluchte die Idee, in die Rüstung zu

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steigen. Er sagte sich, daß es auch andere Möglichkeiten geben mußte, in die obere Sei-tenkugel der Feste Grool zu kommen.

Als der Kampf zu Ende war, war Atlan schweißüberströmt, und sein Atem ging heftig und schnell.

Der Halbroboter stand still. Atlan zwang sich, ruhiger zu atmen, um

sich durch die Atemgeräusche nicht zu verra-ten, obwohl er sich sagte, daß Porquetor längst wußte, daß er in der Rüstung steckte. Er verhielt sich nicht anders, als andere es in seiner Situation auch getan hätten. Er hoffte, daß doch noch alles irgendwie gutgehen wür-de, obwohl die Aussichten gering waren.

Die Rüstung marschierte weiter. Atlan ver-suchte, durch die Transparentscheiben etwas zu erkennen, aber es war noch immer viel zu dunkel. Erschöpft fragte er sich, was Porque-tor nun noch tun werde, um sich auszutoben. Warum tat Porquetor überhaupt so etwas? Was veranlaßte ihn dazu, die Rüstung in den Blutdschungel zu schicken und hier zu kämp-fen, zu zerstören und zu morden?

Atlan konnte sich das Verhalten des unbe-kannten Lenkers des Halbroboters nicht erklä-ren.

Eine volle Stunde verstrich. Der Halbrobo-ter eilte durch den Dschungel, ohne auf weite-re Gegner zu treffen. Immer wieder wechselte er seine Marschrichtung.

Einige Male blieb er stehen und schrie ir-gend etwas in die Nacht hinaus, was Atlan nicht verstand, weil diese Worte nicht der pthorischen Sprache entstammten.

Je mehr Zeit verstrich, desto mehr wuchs in Atlan die Überzeugung, daß der unbekannte Lenker des Halbroboters ein psychisch kran-kes Wesen war. Gerade das aber machte ihn zu einem besonders gefährlichen Gegner, weil er nicht auszurechnen war.

Der Arkonide überlegte, ob er die Rüstung erneut lahmlegen sollte, aber er verwarf die-sen Gedanken sogleich wieder, weil er nicht hoffen konnte, dann wirklich aus seinem Ge-fängnis entkommen zu können. Er dachte aber auch an Razamon, den er nicht verraten woll-te, und an seine Ausrüstung, auf die er nicht verzichten wollte.

Stunde um Stunde verstrich, ohne daß et-was geschah. Mal blieb die Rüstung stehen,

mal wanderte sie ziellos durch den Dschun-gel, bis es endlich hell wurde. Der Halbrobo-ter erreichte einen Hügel, der inmitten einer Lichtung lag. Von hier aus konnte Atlan die Feste Grool sehen. Er schätzte, daß sie etwa zwei Kilometer von ihm entfernt war.

Der Halbroboter eilte auf sie zu. Als er nur noch etwa fünfhundert Meter

von ihr entfernt war, brach er durch dichtes Gebüsch in eine Art Nest ein, das einen Durchmesser von ungefähr zwanzig Metern hatte. Tiere, die so groß wie Kälber waren, schliefen in Blättermulden. Sie sprangen er-schreckt auf, als Porquetor plötzlich zwischen ihnen auftauchte.

Das Breitschwert blitzte auf. Es peitschte durch die Luft und trennte die Köpfe von den Tierleibern.

Ein hohles Lachen erklang. Der ferne Lenker in der Feste Grool amü-

sierte sich. In panischer Angst rannten die Tiere in dem

engen Nest hin und her. Ihr Gebrüll erfüllte die Luft. Ein süßlicher Blutgeruch stieg Atlan in die Nase. Er würgte. Ekel schnürte ihm die Kehle zu. Porquetor tobte grausam und uner-bittlich. Kein Tier entging dem Schwert. Und auch dann gab Porquetor noch keine Ruhe. Das Schwert fuhr in die toten Leiber und schlitzte sie auf. Wie ein Messerwerk arbeite-te es weiter, bis schließlich nicht mehr zu er-kennen war, welche Tiere an dieser Stelle im Dschungel gelebt hatten.

Atlan schloß die Augen. Er wollte nichts mehr sehen. Er versuchte,

an etwas anderes zu denken als an Porquetor, da ihm bewußt wurde, daß er die Motive die-ses Wesens nicht erkennen würde.

Es war sinnlos, sich mit Fragen über Por-quetor zu befassen. Er konnte nur noch ab-warten, bis die Rüstung endlich in die Feste zurückkehrte. Bis dahin war es besser, sich um nichts mehr zu kümmern. Eine Entschei-dung würde erst in der Feste fallen. Bis dahin war er sicher.

Selbst der Logiksektor bestärkte ihn in die-ser Meinung. Aber auch er irrte sich gründ-lich.

Porquetor eilte durch dichtes Unterholz, als plötzlich Wasser aufspritzte.

Zunächst machte Atlan sich keine Gedan-

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ken darüber. Er war überzeugt davon, daß der Lenker des Halbroboters sich im Blutdschun-gel so gut auskannte, daß er alle gefährlichen Gebiete mied. Doch das war nicht richtig.

Die Bewegungen des Roboters wurden langsamer und schwerfälliger. Atlan preßte das Gesicht gegen die Transparentscheiben, um besser sehen zu können.

Seine Augen befanden sich plötzlich nicht mehr in einer Höhe von etwa 1,90 Metern, sondern nur noch in einer Höhe von ungefähr einem Meter.

Der Halbroboter watete durch einen Sumpf! Atlan stockte der Atem. Er spürte, daß

Wasser in die Rüstung einsickerte, und er wunderte sich, daß es trotz der schlechten Isolierung noch nicht zu einem Kurzschluß gekommen war.

Die Rüstung sank tiefer. Dennoch machte sich der Arkonide noch keine Sorgen. Immer noch glaubte er, Porquetor werde den Sumpf gleich durchschritten haben, und der Boden werde wieder ansteigen.

Er irrte sich. Der Halbroboter blieb stehen. Atlan hörte die Luftblasen aus dem

schlammigen Untergrund aufsteigen. Um ihn herum gluckste es. Er fühlte, daß er einsank.

In panischer Angst versuchte er, sich aus der Rüstung zu befreien. Es gelang ihm nicht, die Hände nach hinten zu bringen. Der Hohl-raum in der Rüstung war zu eng.

Porquetor begann zu schreien. Klagende Rufe kamen aus den Lautsprechern.

Damit hat er nicht gerechnet! stellte der Logiksektor fest.

Atlan stockte der Atem. Er begriff. Porque-tor hatte die Rüstung versehentlich in den Sumpf gelenkt. Die Apparatur gehorchte sei-nen Befehlen nicht mehr. Er hatte versucht, sie wieder aus dem Sumpf herauszuführen, aber es war ihm nicht gelungen.

Seine klagenden Rufe konnten nur eins be-deuten.

Er gab seinen Halbroboter verloren! Er ließ ihn im Sumpf versinken.

Die Arme des Halbroboters peitschten durch das Wasser und den Schlamm. Ein letz-tes Mal versuchte er, sich zu retten. Doch er erreichte nichts.

Die Transparentscheiben verdunkelten sich,

als Schlamm den stählernen Schädel bedeck-te.

Atlan konnte nichts mehr sehen. Doch er fühlte, daß es unaufhaltsam nach unten ging.

Das Wasser in der Rüstung stieg immer hö-her. Die Bewegungen der Rüstung erlahmten, und als der Wasserspiegel das Kinn des Ar-koniden erreicht hatte, endeten sie vollends. Das Wasser aber stieg weiter.

*

Razamon stieg die Stufen zu Zbator hinab.

Er kniete sich neben ihm nieder und legte ihm die Finger an den Hals. Der Techno war tot. Razamon konnte keinen Pulsschlag mehr füh-len.

Seine Hand klammerte sich um den Pfeil. Seine Lippen zuckten.

Plötzlich begann Fenrir laut zu knurren. Razamon hörte, daß eine Tür ging. Er fuhr herum.

Auf der Treppe standen drei Technos. Sie hielten Messer in den Händen. Einer von ih-nen holte aus und schleuderte das Messer auf Razamon. Dieser ließ sich zur Seite fallen. Nur ganz knapp entging er der Klinge.

Fenrir raste die Treppe hoch und stürzte sich auf die Technos. Er schnappte nach ihren Beinen. Sie stießen ihn zurück und flüchteten die Treppe hoch. Der Fenriswolf packte einen von ihnen an der Wade und brachte ihn zu Fall. Als er seine Zähne in den Nacken des Technos graben wollte, stürmten sieben wei-tere Bedienstete Porquetors heran. Sie trugen Speere, Messer und Stöcke. Wild um sich schlagend, trieben sie den Wolf zurück.

Razamon eilte zu einer Tür. Er ging rück-wärts, um den Speeren ausweichen zu kön-nen, die die Technos nach ihm warfen.

Als er die Tür erreicht hatte, öffnete er sie. »Fenrir!« rief er. Der Wolf parierte nicht,

sondern griff die Technos erneut an. Einer von ihnen trieb ihm die Speerspitze in die Flanke. Heulend und knurrend versuchte das Tier, sich für diese Verletzung zu rächen, doch es gelang ihm nicht, die Barriere der Stäbe und Stöcke zu überwinden. Als Raza-mon ihn nun abermals zu sich befahl, ge-horchte er.

Hastig schloß Razamon die Tür, als Fenrir

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hindurchgelaufen war. Zusammen mit dem Wolf flüchtete er weiter. Fenrirs Wunde blutete zunächst heftig, doch bald ging die Blutung zurück.

Razamon durchquerte den quadratischen, zentralen Eßraum des unteren Hauptgeschos-ses der Feste, ohne aufgehalten zu werden. Dann eilte er in Richtung der unteren Kugel weiter. Er hoffte, in die Kugel eindringen und sich dort vorübergehend in Sicherheit bringen zu können.

»Porquetor«, rief er. »Hörst du mich? Por-quetor! Antworte!«

Er war davon überzeugt, daß er an einigen Mikrophonen vorbeilief. Er glaubte, daß Por-quetor ihn hörte, und wußte, in welch gefähr-licher Lage er war. Und er fragte sich, warum der Herr der Feste nichts unternahm, um ihm zu helfen.

Er eilte durch einen kurzen Gang auf eine Tür zu. Kurz bevor er sie öffnen konnte, zog Caidon-Rov sie auf und trat ihm entgegen.

»Endlich«, sagte Razamon keuchend. »Die verdammte Bande ist hinter mir her, weil sie glaubt, daß ich einen von ihnen getötet habe.«

Er zeigte auf die Technos, die ihm gefolgt waren, und die nun nur noch etwa zwanzig Meter von ihm entfernt waren. Die Technos blieben stehen und tuschelten miteinander. Sie wagten es nicht, ihn anzugreifen, solange Caidon-Rov bei ihnen war.

»Wo ist Atlan?« fragte der Hagere und blickte ihn kühl an. Jetzt erinnerte er Raza-mon kaum noch an den überaus freundlichen und unterwürfig wirkenden Mann, als den er ihn kennengelernt hatte.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Razamon und blickte sich ratlos um. »Ich habe ihn ge-sucht. Ist er nicht bei dir?«

»Du lügst«, sagte Caidon-Rov heftig. »Du weißt genau, wo er ist. Ich will es wissen.«

Razamon setzte ein begütigendes Lächeln auf.

»Sie müssen ja nicht alles mithören«, sagte er und deutete über die Schulter zurück auf die Technos. Er schob Caidon-Rov mit sanfter Gewalt in den sich anschließenden Raum.

Die Tür fiel ins Schloß. Fenrir legte sich neben Razamon auf den Boden und leckte sich die Wunde.

»Also?« fragte der Hagere. »Wo ist Atlan?«

»Was willst du von ihm?« »Übertreibe nicht«, sagte Caidon-Rov zor-

nig. »Ich brauche nur in die Hände zu klat-schen, um die Technos zu holen. Sie werden kommen und dich töten.«

Razamon saß in der Falle. Er wußte, daß er Caidon-Rov nicht mehr ausweichen konnte. Er mußte ihm sagen, wo der Arkonide war, oder er mußte sich selbst opfern.

Forschend blickte er den Hageren an, und er bedauerte, daß er nicht wußte, was in ihm vorging. Wie würde Caidon-Rov reagieren? War er wirklich ein absolut treuer Diener sei-nes Herrn Porquetor?

Caidon-Rov hob die Hände. »Also?« fragte er drohend. »Na schön«, sagte Razamon seufzend.

»Unter diesen Umständen hat es wohl keine Sinn, wenn ich dir irgend etwas vormache.«

»Wo ist Atlan?« fragte der Hagere drän-gend.

»Er steckt in der Rüstung.« Caidon-Rov preßte zornig die Lippen zu-

sammen. Seine Hand legte sich um den Griff eines Messers, daß in seinem Gürtel steckte.

»Das habe ich mir gedacht«, sagte Raza-mon. »Du glaubst mir nicht. Aber es stimmt. Wir haben die Rüstung lahmgelegt. Atlan ist hineingestiegen, und ich habe die Rückenplat-te wieder befestigt. Wir dachten, der Halbro-boter würde Atlan zu Porquetor in die Kugel bringen. Aber das hat das verdammte Biest nicht getan. Es hat die Feste verlassen.«

»Ist es wirklich wahr?« fragte Caidon-Rov verblüfft. »Du lügst nicht?«

»Nein«, beteuerte Razamon. »Es ist so, wie ich gesagt habe.«

Er erwartete eine heftige Reaktion des Ha-geren, doch dieser blieb überraschend ruhig, so als sei nicht besonders wichtig, was Raza-mon ihm eröffnet hatte.

»Atlan ist schon sehr lange draußen«, fuhr Razamon fort. »Ich bin in Sorge. Die Nacht ist um, und er ist immer noch nicht zurück.«

»Das hat nichts zu bedeuten«, erwiderte Caidon-Rov. »Die Rüstung ist manchmal mehrere Tage und Nächte lang draußen.«

»Atlan kann in der Rüstung nicht essen und trinken«, erklärte Razamon. »Verstehst du denn nicht? Wir hatten gehofft, daß in ein paar Stunden alles vorbei sein würde. Damit,

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daß die Rüstung die Feste verläßt, haben wir nicht gerechnet, und schon gar nicht, daß sie so lange draußen bleibt. Wir müssen etwas tun.«

Der Hagere schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wir können nichts tun.

Atlan hat sich auf dieses Abenteuer eingelas-sen. Es ist sein Problem, wie er wieder aus der Rüstung herauskommt.«

Caidon-Rov drehte sich um und wollte ge-hen, doch Razamon hielt ihn am Arm fest.

»Moment«, sagte er ärgerlich. »Noch ste-hen da draußen die Technos. Sie wollen mir an den Kragen.«

»Auch das ist nicht mein Problem.« »So geht es nicht. Porquetor will etwas von

Atlan und mir. Wir sollen ihm helfen, die Er-de zu erobern. Das können wir schlecht tun, wenn wir das Zeitliche gesegnet haben.«

Der Hagere nickte, ging an Razamon vorbei und öffnete die Tür. Er befahl den Technos, wieder an die Arbeit zu gehen und Razamon nicht länger zu belästigen. Razamon, der hin-ter ihm stand, beobachtete, wie die Technos sich zurückzogen. Er atmete auf.

»Geh in dein Zimmer«, sagte Caidon-Rov. »Dort bist du sicher. Ich werde dir einen Mann schicken, auf den ich mich verlassen kann.«

»Kannst du dich nicht auf alle verlassen?« Der Hagere ging auf diese Frage nicht ein.

Er verließ Razamon. »Komm, Fenrir«, sagte dieser. Das Tier trottete neben ihm her. Razamon ging über einen Gang bis an die

Peripherie der Feste. Als er an einem Fenster vorbeikam, blieb er stehen und blickte hinaus. Der Blutdschungel lag unter ihm.

Razamon fragte sich, wo Atlan war. Er konnte sich nicht erklären, was der Halbrobo-ter so lange außerhalb der Feste tat.

Es war hell. Die Sonne stand bereits über dem Horizont. Razamon konnte sie als blaß-rote Scheibe durch den Dunst erkennen. Ne-belschwaden bedeckten das Land, so daß Ra-zamon keine markanten Stellen in der Land-schaft ausmachen konnte, an denen er sich orientieren konnte.

Plötzlich zuckte ein gleißend heller Blitz von irgendwo über ihm in den Blutdschungel hinein. Sekunden später stieg weißer Nebel

auf, und die Sicht verringerte sich bis auf we-nige Meter. Der Atlanter glaubte zu sehen, daß es noch zweimal aufblitzte, aber er war sich dessen nicht sicher.

Kopfschüttelnd wandte er sich ab. Er fragte sich, was dieser Beschuß des

Dschungels zu bedeuten hatte. Wozu ver-schwendete Porquetor soviel Energie? Wel-ches Ziel verfolgte er damit?

Oder war es falsch, sich solche Fragen zu stellen, weil Porquetor in ganz anderen Bah-nen dachte als er und Atlan?

Als er um eine Ecke ging und sich wieder dem Zentrum der Feste näherte, kamen ihm zwei Technos entgegen. Sie trugen Messer in den Händen.

7.

Atlan stellte sich auf die Zehenspitzen, als

das Wasser weiter stieg, und schließlich legte er den Kopf in den Nacken, um den Mund noch ein paar Millimeter höher zu bringen.

Verzweifelt stemmte er sich gegen das un-vermeidlich erscheinende Ende. Er wollte nicht aufgeben. Noch immer gab es einen Funken Hoffnung in ihm. Irgend etwas mußte doch geschehen, so meinte er.

Würde Porquetor seine Rüstung tatsächlich im Sumpf versinken lassen? Oder wußte er gar nicht, was in diesen Minuten geschah? Hatte er sein stählernes Werkzeug aus den Augen verloren?

Der Wasserspiegel erreichte die Lippen des Arkoniden, der sich mit aller Kraft in der Rüs-tung nach oben stemmte, um noch einen oder zwei Millimeter herauszuholen.

Ihm fiel auf, daß sich der Logiksektor nicht mehr meldete. Das war schlimmer für ihn, als wenn der Extrasinn in dieser Situation kühle Feststellungen getroffen hätte, um damit seine Chancenlosigkeit anzuzeigen.

Atlan fühlte, daß seine Kräfte nachließen. Die Muskulatur seiner Waden zuckte. Lange konnte er sich nicht mehr in dieser Stellung halten. Er versuchte, die Zehen etwas zu ent-lasten, rutschte dabei aus und geriet mit dem Gesicht unter Wasser. In panischer Angst stemmte er sich wieder hoch und versuchte, die Lippen wieder über Wasser zu bringen. Es gelang ihm nicht.

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Er atmete durch die Nase aus und sog die

Luft danach wieder durch die Nase ein. Dabei strömte jedoch etwas Wasser in seine Nase. Er hustete es wieder aus, verschluckte sich und sprang mit aller Kraft in der Rüstung nach oben, um wenigstens noch einen Atem-zug machen zu können. Es gelang ihm, etwas Luft zu schnappen, bevor er wieder im Was-ser versank. Dabei wurde ihm bewußt, daß er die Rüstung mit diesen hektischen Bewegun-gen nur noch tiefer in den Sumpf trieb.

Für einen kurzen, qualvollen Moment glaubte er, den nächsten Atemzug nicht mehr tun zu können.

Doch dann gelang es ihm erneut, die Lip-pen durch die Wasseroberfläche zu stoßen und die Lungen noch einmal mit Luft zu fül-len. Er tauchte wieder unter, gehetzt von dem Gedanken, daß er den Sumpf nie mehr verlas-sen würde.

Gib auf! schrie es in ihm. Es ist vorbei. Quäle dich nicht. Atme einmal unter Wasser tief durch. Das Wasser wird in deine Lungen schießen. Du wirst sofort bewußtlos – und die Qual hat ein Ende.

Er widerstand der Versuchung, sich selbst zu töten. Wie zuvor, so kämpfte er auch jetzt um den nächsten Atemzug, und ein ungeheu-res Glücksgefühl durchströmte ihn, als es ihm gelang, sein Leben abermals für ein paar Se-kunden zu verlängern.

Da plötzlich wurde es taghell um ihn. Er riß die Augen weit auf. Licht umgab ihn, und ein Gluthauch fegte

über den Sumpf hinweg. Instinktiv verschloß der Arkonide die Lippen. Er atmete nicht, weil ihm glühend heißer Wasserdampf ins Gesicht schlug. Es gelang ihm, den Atem ei-nige Sekunden lang anzuhalten. Der Zellakti-vator pulsierte rasend schnell.

Atlan erkannte, daß sein Leben davon ab-hing, daß er das Gesicht und die Atemwege schützte. Es gelang ihm, die rechte Hand nach oben zu bringen und vor Mund und Nase zu-legen. Obwohl er fast erstickte, atmete er vor-sichtig durch die Finger ein. Er spürte, daß der Wasserdampf ihm die Haut auf dem Handrücken, auf Stirn und Nase verbrannte. Er glaubte, Mund und Hals müßten in der Hitze verdorren, und er verspürte schmerzhaf-te Stiche bis in die Lunge hinein.

Dann flaute die Hitze ab. Längst war es wieder dunkel geworden.

Porquetor schießt mit einem Energiestrah-ler in den Sumpf, erkannte der Logiksektor.

Der Wasserspiegel war deutlich gefallen. Irgendwo in der Nähe rauschte Wasser. Atlan schloß daraus, daß der Energiestrahl einen Abfluß für das Wasser geschaffen hatte, denn durch bloßes Erhitzen und Verdampfen konn-te nicht soviel Wasser entfernt worden sein.

Er atmete einige Male tief durch. Neue Hoffnung flackerte in ihm auf. Por-

quetor versuchte, seine Rüstung zu retten. Dadurch ergaben sich auch neue Chancen für ihn.

Atlan schloß die Augen und wartete. Das Wasser stand ihm nur noch bis zur

Brust. In Abständen von etwa einer Minute blitzte

es noch zweimal auf, und jedesmal fauchte eine schier unerträgliche Hitzewelle über den Arkoniden hinweg. Doch die Hitze ließ je-desmal schnell wieder nach. Sie entwich mit dem aufsteigenden Dampf nach oben, wäh-rend kühle Luft nachströmte. Wesentlich un-angenehmer war dagegen, daß die Rüstung Porquetors die Wärme nicht so schnell abgab, sondern in sich speicherte. Atlan versuchte, sich so schmal wie möglich zu machen, um den Stahl so wenig wie möglich zu berühren.

Als der Halbroboter sich plötzlich bewegte, war der Arkonide nicht überrascht. Damit hatte er gerechnet.

Schwerfällig löste Porquetor die Beine aus dem Sumpf. Er konnte das Gleichgewicht nicht halten und stürzte nach vorn. Bäuchlings fiel er in den zähen Schlamm, der durch zahl-reiche Ritzen und Spalten eindrang. Der Halb-roboter arbeitete sich mit kräftigen Ruderbe-wegungen der Arme und Beine voran, und es gelang ihm, den Morast nach einiger Zeit zu verlassen.

Atlan fühlte erleichtert, wie die Rüstung sich aufrichtete. Er versuchte, durch die Transparentscheiben etwas zu erkennen, aber sie waren dick mit Schlamm beschmiert. Der Halbroboter wischte sich einmal mit der Hand über die Sichtelemente, entfernte jedoch nicht allzuviel Schlamm dabei. Die Sicht wurde kaum besser.

Doch das war Atlan ziemlich egal. Er ent-

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spannte sich und ließ sich von der Rüstung tragen. Erst jetzt merkte er, wie erschöpft und ausgelaugt er war.

Porquetor marschierte immer schneller durch den Dschungel. Atlan fragte sich, ob er nun endlich zur Feste zurückkehren oder wei-tere Kampfbegegnungen suchen werde.

Der Schlamm trocknete schnell. Er begann abzubröckeln, so daß die Sicht für Atlan bes-ser wurde, wenngleich die Transparentschei-ben trübe blieben, so daß er alles nur sche-menhaft erkennen konnte. Der Dschungel lichtete sich. Die Ebene der Windmühlen tauchte auf. Porquetor durcheilte sie mit weit-ausgreifenden Schritten.

Er hatte sie etwa zur Hälfte durchquert, als einige Panzerstiere aus einem Kral ausbra-chen. Sie stürmten auf ihn zu. Er blieb stehen.

»Dalazaaren«, rief er mit hohler Stimme. »Ich fordere Gehorsam.«

Atlan preßte sein Gesicht gegen die Trans-parentscheiben. Er machte einige hochge-wachsene Gestalten aus, die sich hinter den Stieren bewegten, während die Tiere rasch näher kamen. Unwillkürlich stemmte er sich gegen die Rüstung, um sich auf den Aufprall vorzubereiten.

Porquetor wich nicht aus. Er wartete mit erhobenem Schwert ab, bis die Tiere ihn er-reicht hatten. Dann schlug er blitzschnell zu. Atlan konnte nicht sehen, was er erreichte. Er spürte nur einen heftigen Stoß und fühlte, daß er den Boden unter den Füßen verlor. Der Halbroboter schlug schwer auf dem Boden auf, kam aber sogleich wieder auf die Beine.

»Ich fordere Gehorsam«, schrie er erneut. Atlan hörte das wilde Geschrei der Wind-

mühlenhüter, die sich nun endlich gegen die Terrorherrschaft des Stählernen auflehnten. Er vermutete, daß Porquetor sie mit harten Stra-fen bedacht hatte, nachdem ein großer Teil der Windmühlen in Flammen aufgegangen war. Dabei mußte er zu weit gegangen sein, denn sonst hätten die Dalazaaren nicht so rea-giert. Vielleicht aber war ihnen auch aufge-gangen, daß der Stählerne nicht unbesiegbar war, wie sie bisher geglaubt hatten. Sie hatten beobachtet, daß die aufgebrochene Rüstung zur Feste Grool gebracht worden war. Zu die-sem Zeitpunkt hatten sie noch für Porquetor gekämpft. Nun aber war die Stimmung umge-

schlagen. Sie revoltierten. In ohnmächtigem Zorn verfolgte der Arko-

nide, wie die Dalazaaren gegen Porquetor anrannten. Speere prasselten gegen die stäh-lerne Rüstung, ohne sie durchbrechen zu kön-nen.

Porquetor lachte mit hallender Stimme. Immer wieder fuhr das Breitschwert auf die

Dalazaaren herab, bis diese einsahen, daß sie in direktem Kampf mit dem Stählernen nichts ausrichten konnten.

Atlan hörte, wie einer von ihnen neue Be-fehle schrie.

»Treibt die Stiere zusammen«, rief der Da-lazaar. »Die Stiere sollen ihn vernichten. Nur mit den Stieren können wir gewinnen.«

Atlan hätte ihnen am liebsten zugerufen, daß sie den Kampf einstellen sollten, da er völlig sinnlos geworden war. Die Entschei-dung über Porquetor konnte nicht hier drau-ßen fallen. Wenn die Dalazaaren frei werden wollten, dann mußte der unbekannte Lenker der Rüstung in der Feste Grool besiegt wer-den.

Dadurch, daß die Dalazaaren den Halbroboter daran hinderten, in die Feste zurückzukehren, verringerten sie ihre eigenen Chancen.

Er hörte das Stampfen und Schnauben der Panzerstiere, die von den Dalazaaren in Kampfposition getrieben wurden.

Die Rüstung drehte sich langsam um sich selbst, um sich zu orientieren. Überall ent-zündeten die Dalazaaren aufgeschichtetes Holz, um dem Stählernen mit Feuer die Fluchtwege zu versperren.

Sie wollten die Entscheidung erzwingen.

* Razamon legte Fenrir die Hand in den Na-

cken und hielt ihn fest. »Ganz ruhig«, sagte er. Die Technos blieben stehen. Die Messer

blitzten in ihren Händen. »Caidon-Rov hat befohlen, den Kampf ein-

zustellen«, rief Razamon laut. »Wann begreift ihr verdammten Dickschädel das endlich?«

Die Technos reagierten nicht. Sie versperr-ten ihm den Weg und warteten. Einige Se-kunden später wußte Razamon, warum.

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Eine Tür öffnete sich hinter ihm, und vier

weitere Technos traten auf den Gang hinaus. Auch sie waren mit Messern bewaffnet.

Der Verbannte fluchte ärgerlich. »Fenrir, es wird uns nichts anderes übrig-

bleiben, als sie alle umzubringen«, sagte er so laut, daß die Technos ihn verstehen konnten. »Wir werden ein paar Kratzer abbekommen, aber uns wird es nicht das Leben kosten.«

Die Technos zögerten. Obwohl sie in der Überzahl waren, wurden sie unsicher. Raza-mon wollte nichts anderes als Zeit gewinnen. Er hoffte, daß Caidon-Rov ihm zu Hilfe kommen würde.

Doch die Hilfe kam von anderer Seite. »Aufhören«, hallte es aus verborgenen

Lautsprechern. »Sofort aufhören. Laßt meinen Gast in Ruhe.«

Porquetor! Razamon richtete sich unwillkürlich etwas

weiter auf. »Ihr habt es gehört«, sagte er. »Der. Meis-

ter befiehlt euch zu verschwinden.« Die Technos eilten davon. Dem Willen

Porquetors beugten sie sich ohne Wider-spruch.

»Danke, großer Meister«, sagte Razamon. »Die Hilfe kam ein bißchen spät, aber sie kam immerhin noch rechtzeitig.«

Porquetor antwortete nicht. Er hatte bereits abgeschaltet. Razamon schritt weiter. Seine Gedanken gingen zu Atlan. Hatte Porquetor mit seinem Halbroboter, den er von hier aus lenkte, soviel zu tun, daß er sich so kurz fas-sen mußte?

Als Razamon die ihm zugewiesenen Räume betreten wollte, trat Caidon-Rov plötzlich vor ihm aus einer Tür. Der Hagere legte einen Finger an die Lippen und bedeutete ihm so-mit, nichts zu sagen. Dann forderte er ihn mit einem Wink auf, ihm zu folgen.

Er führte ihn durch einen Lagerraum, der mit Fässern bis unter die Decke gefüllt war, zu einer Kammer, in der Stoffe und Felle la-gerten.

»Was gibt es?« fragte Razamon. »Ich habe über deine Worte nachgedacht«, erwiderte Caidon-Rov. »Es ist also tatsächlich wahr, daß Atlan in der Rüstung steckt und auf diese Weise versucht, zu ihm zu gelangen?« Er deutete mit dem ausgestreckten Finger nach

oben. »Wir sind überzeugt davon, daß man nur so

zu Porquetor kommt.« »Aber was geschieht danach?« »Das muß sich zeigen.« »Ihr wollt Porquetor töten, um selbst die

Macht über die Feste Grool zu übernehmen?« fragte Caidon-Rov.

»Du weißt genau, daß wir das nicht wol-len«, antwortete Razamon. »Wir wollen wei-ter. Wir wollen die Feste so schnell wie mög-lich verlassen, und wir wissen, daß wir das nicht können, solange der Meister da oben schalten und walten kann, wie er will. Er würde uns seine Rüstung auf den Hals schi-cken, wenn wir flüchten, und er würde uns durch sie umbringen lassen.«

»Das stimmt«, sagte Caidon-Rov. »Er will die Welt da draußen erobern, und ihr sollt ihm dabei helfen. Deshalb wird er euch nicht zie-hen lassen. Auf gar keinen Fall.«

»Er ist ein Mörder. Er hat zahllose Men-schenleben auf dem Gewissen«, erklärte Ra-zamon. »Es wird Zeit, daß seine Macht gebrochen wird.«

»Hättet ihr etwas dagegen einzuwenden, wenn ich, euer Freund, der Nachfolger Por-quetors werden würde?« fragte der Hagere.

»Wenn du auf den Stählernen verzichtest, haben wir nichts dagegen. Uns ist egal, wer der Nachfolger wird.«

»Dann habt ihr von jetzt an nichts mehr zu befürchten.«

Razamon blickte den Hageren forschend an.

»Aha«, sagte er. »Ich verstehe. Du warst es, der uns die Technos auf den Hals gehetzt hat. Du hast uns zwar in die Feste geholt, weil Porquetor es so befohlen hat, aber du wolltest uns umbringen, weil du Angst hattest, daß wir die Macht übernehmen würden. Ist es so?«

Caidon-Rov nickte. »Ich gebe es zu«, sagte er und streckte Ra-

zamon die Hand entgegen. »Jetzt ist alles klar. Laß uns Freunde sein.«

Razamon schlug ein. »Einverstanden«, sag-te er erleichtert.

»Ich habe nur noch eine Frage, Razamon. Wer war jener Henker, der im Tor stand? Und wer war der Bogenschütze, der den Techno getötet hat?«

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Razamon preßte die Lippen zusammen und

schwieg. »Ich muß es wissen«, sagte Caidon-Rov

energisch. »Du mußt mir diese Frage beant-worten, wenn ich Vertrauen zu dir haben soll. Nur wenn ich weiß, daß ich dir wirklich ver-trauen kann, werden wir gute Freunde wer-den. Also – wer waren diese Männer?«

»Es waren nicht zwei Männer. Es war ein und derselbe.«

»Wer, Razamon? Wer war es?« »Ich war es.«

* Atlan merkte, daß er sich geirrt hatte. Seine

Annahme, die Dalazaaren hätten keinen durchdachten Angriffsplan, war falsch. Sie hatten geblufft, um den Stählernen in eine Falle zu locken. Das war ihnen gelungen.

Wohin Porquetors Rüstung sich auch wand-te, überall loderten haushohe Feuer. Nur eine einzige, schmale Lücke blieb frei. Und durch diese Lücke trieben die Dalazaaren die Pan-zerstiere.

Atlan sah, daß die Augen der Tiere vor Angst geweitet waren. Das Feuer und die Schreie der Dalazaaren hatten sie wild ge-macht. Nun stürmten sie in ihrer Panik blind voran.

Auch Porquetor begriff, daß er sich so nicht behaupten konnte. Die Rüstung drehte sich zur Seite und rannte mitten in das Feuer hin-ein. Atlan sah, daß die Hörner eines Stieres ganz dicht an den Sichtscheiben vorbeistri-chen. Dann wurde es glühend heiß in der Rüs-tung.

Er schloß die Augen und preßte die Hand vor das Gesicht. Die Hitze stieg, und es wurde so heiß, daß er nicht mehr zu atmen wagte. Seine Haut brannte wie Feuer.

Er hätte schreien mögen. Warum ging Porquetor so langsam? Warum

rannte er nicht, so schnell er konnte? Oder mußte er einen so breiten Feuergürtel durch-queren, daß er ihn selbst bei hoher Geschwin-digkeit nicht in kürzerer Zeit überwinden konnte?

Atlan verlor das Bewußtsein, kam jedoch schon wenig später wieder zu sich, als die Rüstung einen Wassergraben durchquerte und

sich dabei zischend abkühlte. Der Zellaktiva-tor gab in jagendem Tempo seine regenerie-renden Impulse ab, so daß die Schmerzen bald abklangen, die die Brandwunden verur-sachten.

Die wilden Schreie der Dalazaaren blieben hinter ihm zurück. Atlan vermutete, daß sie noch gar nicht bemerkt hatten, daß ihnen der Stählerne entkommen war.

Der Halbroboter marschierte nun ruhig auf die Feste Grool zu. Atlan konnte die Anlage schon bald durch die Transparentscheiben sehen. Er atmete auf. Bald würden die Qualen ein Ende haben. Bald würde er die Rüstung verlassen können.

Er nahm sich fest vor, die beiden Drähte voneinander zu lösen, wenn er auf dem Weg zu der Wohnkugel Porquetors Razamon be-gegnen sollte. Er wollte aus der Rüstung her-aus und nach einem anderen Weg suchen, der zu dem unbekannten Lenker des Halbroboters führte, denn er war sich darüber klar, daß er in seinem augenblicklichen Zustand keine Chance gegen diesen Gegner hatte.

Minuten später erreichte die Rüstung das Tor der Feste. Es öffnete sich wie von magi-scher Hand bewegt vor ihr, und dann mar-schierte der Halbroboter die aufsteigende Spi-rale hoch.

Atlan atmete tief und regelmäßig durch. Er erholte sich rasch. Mühsam führte er seine Hand wieder nach unten. Seine Finger legten sich um die Drähte. Er war bereit. Nun kam es nur noch darauf an, daß Razamon erschien, denn ohne ihn konnte er die Rüstung nicht verlassen.

Er preßte das Gesicht gegen die Transpa-rentscheiben. In der Feste war es dunkel, so daß er kaum etwas sehen konnte. Er beobach-tete einige hochgewachsene Gestalten, die dem Halbroboter auswichen. Razamon war nicht unter ihnen.

Porquetor stoppte den Halbroboter. »Die Dalazaaren rebellieren«, sagte er mit

hohler Stimme. »Wir werden sie entsprechend bestrafen.«

»Mit Energiestrahlen?« fragte einer der Männer.

»Dummkopf«, hallte es aus den Kopflaut-sprechern. »Damit würden wir Generatoren zerstören, die gerade erst wieder hergestellt

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worden sind. Du wirst ein Techno-Kommando zusammenstellen und mit Hand-feuerwaffen ausrüsten. Noch heute wird das Kommando angreifen. Ich selbst werde dabei sein.«

Er gab keine Gelegenheit zu weiteren Fra-gen. Mit schnellen Schritten stieg er die Trep-pe hoch.

Atlan begriff, daß Porquetor sich in einer heiklen Lage befand. Die Energiegeschütze an der Spitze der Feste Grool verbrauchten offenbar viel Energie. Er hatte dreimal mit ihnen geschossen und sich selbst damit ent-scheidend geschwächt. Nun konnte er die Waffen nicht gegen die Dalazaaren einsetzen, weil er damit die Energieversorgung für die gesamte Feste in Frage stellen würde. Porque-tor war der Gefangene seines eigenen Sys-tems.

Atlan hoffte bis zuletzt, daß Razamon ihm doch noch über den Weg laufen würde, aber der Freund erschien nicht.

Der Halbroboter stieg die Treppe zum obe-ren Geschoß hoch und betrat den Gang, der zur oberen Kugel der Anlage führte. Von die-sem Moment an war für Atlan klar, daß die Entscheidung nicht mehr aufgeschoben wer-den würde.

Die Rüstung erreichte das Ende des Gan-ges. Ein Türschott glitt zur Seite.

Atlan befand sich in der Wohnkugel Por-quetors.

Er hörte, wie das Schott sich hinter ihm schloß.

*

Caidon-Rov blickte Razamon kopfschüt-

telnd an. »Was soll das?« fragte er ärgerlich. »Jeder

Mensch existiert nur einmal. Du kannst nicht gleichzeitig du und dieser Maskierte sein. Das ist unmöglich.«

»Und dennoch ist es richtig.« Der Hagere packte Razamon zornig an den

Armen. Razamon wehrte sich nicht, obwohl er Caidon-Rov mühelos hätte abschütteln können.

»Um die Wahrheit zu begreifen, mußt du mehr über mich wissen«, sagte er gelassen. »Du mußt wissen, wer ich bin, und was ich in

den zehntausend Jahren getan habe, die ich als Verbannter auf der Erde gelebt habe.«

»Ich bin bereit, an Wunder und an Hexerei zu glauben«, entgegnete der Hagere. »Ich lebe lange genug auf Pthor, um zu wissen, daß es viele Dinge gibt, die die meisten Menschen für unmöglich halten. Ich bin aber nicht be-reit, dir zu glauben, daß du zweimal zur glei-chen Zeit existiert.«

»Dennoch ist es so«, betonte Razamon. »Ich gehörte zu den Berserkern. Immer wie-der habe ich von Pthor aus Eroberungsfeldzü-ge mitgemacht und dabei das Grauen über verschiedene Welten gebracht. Eines Tages jedoch erwachte etwas in mir, und ich begann mich dagegen zu sträuben, Schwächere zu quälen und zu töten. Die Bewohner dieses Planeten, auf dem wir jetzt sind, sprechen in solchen Fällen von menschlichen Gefühlen. Bei dem letzten Eroberungsfeldzug, den ich mitmachte, zeigte ich menschliche Gefühle. Das war mein Fehler. Er führte zu meiner Verbannung. Ich durfte Pthor nicht mehr be-treten und blieb auf der Erde zurück.«

»Schön und gut«, sagte Caidon-Rov. »Was hat das aber mit deiner Behauptung zu tun, daß du zweimal existierst?«

»Ich habe nicht behauptet, daß ich zweimal bin. Ich habe nur gesagt, daß der Maskierte ich war.«

»Das ist dasselbe.« »Du irrst dich, Caidon-Rov. Laß mich wei-

ter erzählen, dann wirst du vielleicht begrei-fen, wovon ich spreche.«

»Also gut. Ich höre zu.« »Während meiner Zeit auf der Erde entwi-

ckelte sich das menschliche Gefühl in mir immer weiter. Zu Anfang war ich der Berser-ker, der ich immer gewesen war. Ich brachte das Grauen über die Erde. Sobald ich mich jedoch von Aggressionen befreit hatte, brach das menschliche Gefühl in mir durch. Reue erfaßte mich, und ich schwor, mich zu ändern.

Und ich habe mich geändert. Doch das ging nicht über Nacht. Ich

brauchte etwa zehntausend Jahre dazu, mich selbst in den Griff zu bekommen. Und noch heute überkommt es mich manchmal. Ich be-ginne zu rasen. Ich muß kämpfen. Ich muß Kräfte loswerden. Doch jetzt baue ich diese Kräfte in relativ kontrollierter Form ab.«

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»Was soll das?« fragte Caidon-Rov. »Wa-

rum lenkst du vom eigentlichen Thema ab?« »Das tue ich nicht«, erklärte Razamon.

»Siehst du, ich hatte mittlerweile schon fast vergessen, was ich alles getan habe in den vielen Jahren. Ich habe die Entwicklung der Menschheit verfolgt. Ich habe unter den Men-schen gelebt. Unter den Rittern im sogenann-ten Mittelalter. Ich war Waldläufer unter Wil-den. Ich war Henker. Ich war ... aber ich will nicht alles aufzählen.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Caidon-Rov. »Nun gut, du hast in dieser und jener Gestalt unter den Menschen gelebt. Wieso aber er-scheint hier plötzlich ein Henker? Woher ist der Waldläufer gekommen?«

»Ich habe keine exakte wissenschaftliche Erklärung«, erwiderte Razamon zögernd. »Ich kann dir nur sagen, was ich glaube. Diese Gestalten, die aus dem Nichts heraus erschei-nen und ebenso plötzlich wieder verschwin-den, werden von mir selbst auf parapsychi-schem Wege projiziert. Vermutlich aus mei-nem Unterbewußtsein. Ich habe mich dagegen gewehrt, jene Gestalten wiederzusehen, die in irgendeiner Weise böse Taten vollbracht und andere Menschen gequält oder getötet haben. Vergeblich.

Es muß Pthor sein, daß mich zwingt, mich an diese Gestalten zu erinnern. Es kann nur die pthorische Umgebung sein, die mir all das Negative vor Augen führt. Es ist, als ob all das, was ich in mir unterdrückt habe, nun ge-waltsam wieder aus mir hervorbricht. Viel-leicht bedeutet dieses Wiedersehen mit dem Bösen, dem Negativen in mir so etwas wie eine Abrechnung. Vielleicht ist es die endgül-tige Befreiung? Vielleicht fällt damit alles von mir ab, was noch von einem Berserker in mir war. Ich weiß es nicht. Ich kann nur hof-fen, daß es so ist. Und ich hoffe, daß nicht plötzlich eine Projektion meines unbewußten Willens vor mir auftaucht und mich tötet.«

»Das wäre möglich?« »Das wäre möglich.« »Und es gibt keinen Zweifel, daß es eine

materielle Projektion deines eigenen Ichs ist?« fragte Caidon-Rov.

»Nein. Die erste Projektion biß in eine feste Frucht. Ich habe den Abdruck des Gebisses gesehen. Es war der Abdruck meines eigenen

Gebisses. Und die letzte Projektion, die mir begegnet ist, ließ die Maske fallen. Ich blickte in mein eigenes Gesicht.«

Razamon fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er fühlte sich wie ausgelaugt, aber es tat ihm gut, sich von der Seele geredet zu haben, was ihn so lange belastet hatte. Jede Begegnung mit der Manifestation seines schlechten Gewissens hatte ihn viel Kraft ge-kostet, mehr als ein Kampf im Stahlbad. Jetzt hatte er das Gefühl einer innerlichen Reini-gung. Er glaubte, daß es nie wieder zu einer Begegnung mit ihm selbst kommen würde, aber das sagte er Caidon-Rov nicht, weil er nicht hätte erklären können, warum er es glaubte.

Der Hagere schnippte mit den Fingern. »Ich werde über das nachdenken, was ich gehört habe«, versprach er. »Geh jetzt in deine Räu-me zurück und warte dort auf mich. Ich werde mich bald bei dir melden. Sollte Porquetor inzwischen zurückkehren, werde ich dich in-formieren.«

»Können wir etwas tun?« fragte Razamon. »Wir können Atlan nicht helfen«, erwiderte

Caidon-Rov. »Die Rüstung wird ihn in die obere Kugel tragen. Was dort geschieht, weiß ich nicht.«

»Du bist wirklich nie in der Kugel gewe-sen?«

»Nie.« »Dann ist Atlan völlig auf sich allein ge-

stellt«, sagte Razamon. »Und er hat noch nicht einmal eine Waffe bei sich.«

8.

Der Halbroboter blieb stehen. Atlan preßte sein Gesicht gegen die Trans-

parentscheiben und versuchte, irgend etwas zu erkennen. Der Schmutz auf den Scheiben war verkrustet. Die Sicht war noch schlechter als zuvor. Dennoch machte der Arkonide aus, daß sich einige Möbelstücke in seiner Nähe befanden. Diese sahen völlig anders aus als jene, die er sonst in der Feste gesehen hatte.

Er wartete, daß irgend etwas geschehen würde. Doch zunächst ereignete sich über-haupt nichts. Der unbekannte Lenker der Rüs-tung schien sich damit zu begnügen, daß er sein Machtinstrument in die Feste zurückge-

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holt hatte.

Etwa eine Stunde verstrich. Dann wurde es dunkel. Nur ein leichter, gelblicher Schimmer blieb. Er erhob sich wie ein Vorhang vor der Rüstung. Atlan rätselte einige Zeit an diesem eigenartigen Licht herum, bis er erfaßte, daß Porquetor einen Energieschirm errichtet hatte.

Porquetor hat sich zur Ruhe begeben, mel-dete der Logiksektor. Er hat die Rüstung un-ter eine Energieglocke gestellt, damit er vor dir sicher ist.

Atlan wehrte sich gegen diese Feststellung, obwohl er wußte, daß sie zutreffend war. Sie bedeutete, daß er noch für viele Stunden in der Rüstung bleiben mußte, und gerade das gefiel ihm nicht. Er war erschöpft. Er hatte das Bedürfnis, sich endlich wieder frei bewe-gen zu können.

Narr! Finde dich damit ab. Ich muß wohl, dachte der Aktivatorträger

und versuchte, sich zu entspannen. Er schloß die Augen, und es gelang ihm, sich mit auto-suggestiven Impulsen in einen leichten Schlaf zu versetzen.

Als er später daraus erwachte, wußte er nicht, wieviel Zeit verstrichen war. Durch die Transparentscheiben schimmerte Licht. Die Rüstung begann, sich zu bewegen.

Atlan gähnte. Rasch paßte er sich den Be-wegungen der Rüstung an.

Das Licht, das durch die Transparentschei-ben schien, veränderte sich. Es wurde grün-lich. Eine Tür schloß sich quietschend. Dann zischte etwas.

Reinigungsbad! Panik stieg in ihm auf. Wenn Porquetor Säuren einsetzte, um den

Stählernen möglichst schnell und gründlich zu säubern, war er verloren. Er versuchte, die Rückenplatte zu entfernen. Energisch stemm-te er sich dagegen, konnte sie jedoch nicht bewegen.

Ätzende Dämpfe krochen durch die Spalten und Fugen der Rüstung. Eine Flüssigkeit prasselte auf sie herab.

Atlan stiegen die Tränen in die Augen. Er versuchte, vorsichtig und flach zu atmen, doch der Hustenreiz war stärker. Die Schleimhäute der Atemwege wehrten sich gegen die ätzenden Stoffe.

Atlan hustete laut und anhaltend. Zwi-

schendurch rang er keuchend nach Luft und machte dabei alles nur noch schlimmer. Ver-zweifelt versuchte er, aus der Rüstung heraus-zukommen.

Gib es auf! riet ihm sein Extrasinn. Plötzlich wurde es still in der Duschkabine.

Nur noch vereinzelt tropfte etwas auf die Rüs-tung herab. Dann setzte eine andere Dusche ein. Klares Wasser strömte auf den Halbrobo-ter herab und schwemmte die Säure hinweg.

Als es danach wieder ruhig wurde, hantierte jemand an der Rückenplatte des Roboters herum. Die Platte fiel polternd auf den Boden. »Komm heraus«, befahl jemand in Pthora.

Atlan gehorchte. Mühsam kroch er aus der Rüstung heraus. Er konnte nichts sehen, weil seine Augen tränten. Ständiger Husten er-schütterte seinen Körper. Als es ihm endlich gelungen war, aus der Rüstung zu steigen, sank er zu Boden. Er blieb liegen. Vor sich entdeckte er einen Wasserhahn. Er drehte ihn auf, prüfte vorsichtig, ob ihm auch wirklich Wasser entströmte und trank dann gierig die eiskalte Flüssigkeit. Danach fühlte er sich etwas besser. Er richtete sich auf und sah sich um.

Er war allein mit dem Halbroboter in einem kleinen Raum. Stählerne Arme, die von der Decke herabhingen, hatten die Rückenplatte entfernt. An den Wänden befanden sich meh-rere Duschen, aus denen Flüssigkeiten tropf-ten. Als eine dieser Duschen plötzlich einge-schaltet wurde, flüchtete Atlan durch eine offene Tür aus dem Raum. Er gelangte in ein großes, luxuriös eingerichtetes Zimmer. Er kam gerade drei Schritte weit. Dann baute sich ein flimmernder Energieschirm um ihn auf. Er blieb stehen.

Er war allein. Atlan hatte Gelegenheit, sich in aller Ruhe

umzusehen. Er fühlte sich noch nicht bedroht. Wenn Porquetor ihn hätte töten wollen, so sagte er sich, dann hätte er das längst tun können. Ihn ohne weiteres umzubringen, lag jedoch nicht in der Mentalität Porquetors. Dieser würde vielmehr mit ihm spielen, bevor er ihm den Todesstoß versetzte.

Oder wollte Porquetor trotz allem noch zu einer Zusammenarbeit mit ihm kommen, um sein Ziel – die Erde zu erobern – doch noch zu erreichen?

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Atlan versuchte, aus der Einrichtung des

Raumes Schlüsse auf die Gestalt Porquetors zu ziehen.

Im Raum standen zwei gepolsterte Sessel. Der Form nach waren sie eindeutig für ein humanoides Wesen gebaut. Sie waren aller-dings so bemessen, daß sie für einen Mann wie Atlan zu klein gewesen wären. Auch die anderen Möbelstücke waren für ein Wesen gebaut, das nicht größer als etwa 1,50 Meter war. Das fiel ganz besonders bei einem Tisch und einem dazu gehörigen Stuhl auf. Auch einige Projektoren, Ton und Bildspulengeräte waren so niedrig angebracht, das sie von ei-nem so kleinen Wesen bequem bedient wer-den konnten.

Einige Bilder an den Wänden und einige Skulpturen bewiesen, daß Porquetor einen erlesenen Geschmack besaß. Er schien großen Gefallen an naturalistischen Darstellungen mit leichten Verfremdungen zu haben, die sich vor allem in kubistischen Elementen aus-drückten.

Zwei wandbreite Schränke waren mit kost-baren Einlegearbeiten verziert, wie Atlan sie in solcher Harmonie und farblich gelungener Abstimmung noch niemals zuvor gesehen hatte. Auch die Teppiche, die den Boden vollkommen bedeckten, waren Kunstwerke von ungewöhnlicher Schönheit. Atlan erkann-te, daß sie von Hand hergestellt worden wa-ren, und er erinnerte sich daran, daß es auch auf der Erde eine Zeit gegeben hatte, in der solche und ähnliche Teppiche geknüpft wor-den waren. Er hatte allerdings noch niemals zuvor derart kunstvolle Stücke gesehen.

Ihm fiel auf, daß überall dort, wo gegen-ständliche Abbildungen vorhanden waren, Szenen der Gewalt dargestellt wurden.

Er fragte sich, wie es in Porquetor aussah. Wie paßte dieses Streben nach Gewalt zu ei-nem Wesen, das soviel Gefühl für Schönheit und Kunst hatte? Was veranlaßte Porquetor, sich mit Hilfe des Halbroboters auf die Paar-len, die Dalazaaren oder auf Tiere zu werfen und bestialisch zu morden?

Eine Tür öffnete sich. Atlan fuhr herum. Sein Körper spannte

sich. Gebannt blickte er auf die Tür, bis der Mann endlich erschien, der die Rüstung lenk-te. Es war ein unglaublich weichlich ausse-

hender Mann mit edlen Gesichtszügen. Er glich einem jener Kunstwerke, die diesen Raum erfüllten.

Mit geschlossenen Augen näherte er sich Atlan. Diesem fiel vor allem das seltsame Gestell auf, das Porquetor auf dem Kopf trug. Es sah außerordentlich kompliziert aus.

Der Mann trug einen kostbaren Pelz, der ihm bis auf die zierlichen Füße reichte. Da er ihn nicht geschlossen hatte, konnte Atlan auch den gelblich schimmernden Anzug aus einem seidenähnlichen Stoff sehen, der den zierli-chen Körper umhüllte. Lange, rötlich glän-zende Haare bedeckten den Kopf. Sie waren lang und reichten ihm bis auf die Schultern.

»Porquetor«, sagte Atlan. »Du bist also Porquetor. Einer, der einst zu den Herren der FESTUNG gehörte.«

Der Zierliche blieb stehen ... Er wandte At-lan sein Gesicht zu, öffnete die Augen jedoch nicht.

Er ist blind! Die Erkenntnis traf Atlan wie ein Schock.

Plötzlich erfaßte er zumindest einen Teil der Persönlichkeit dieses Wesens, das sich mit Kunstwerken von so ungewöhnlicher Schön-heit umgeben hatte, diese jedoch nicht sehen konnte.

Der geheimnisvolle Bewohner der oberen Kugel setzte sich in einen der Sessel. Er schlug die Beine übereinander.

»Porquetor?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nicht Porquetor. Mein Name ist Yunthaal. Ich bin ein Gefangener Porque-tors gewesen, so wie du jetzt mein Gefange-ner bist. Ich komme von einer fernen Welt, die den Namen Galsär trägt. Porquetor befahl mir, als er noch lebte, diese Welt für ihn zu erobern, so wie ich dir befohlen habe, die Er-de für mich zu erobern.«

»Du hast es nicht geschafft, Galsär für Por-quetor zu unterwerfen.«

»Das ist richtig«, bestätigte Yunthaal. Seine Stimme klang hell. »Porquetor hat mich dafür bestraft. Er hat mir das Augenlicht genommen und mich geblendet. Später ist Porquetor dann an jener schrecklichen Krankheit gestorben, die zu seiner Verbannung aus der FESTUNG geführt hat.«

Yunthaal hob einen Arm und zeigte auf ei-ne Tür.

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»Porquetor ist noch immer bei uns. Er liegt

nebenan. Du wirst ihn sehen, bevor ich dich für den Verrat bestrafe, den du begangen hast.«

»Ich habe dich nicht verraten«, antwortete Atlan. »Es ist jedoch nicht meine Art, mit einem Halbroboter zu verhandeln. So etwas habe ich noch nie getan, und ich werde es auch niemals tun. Da du nicht zulassen woll-test, daß ich hierher komme, habe ich mir eben auf meine Art Eintritt verschafft. Damit mußt du dich abfinden, wenn du wirklich willst, das die Erde dein wird.«

Yunthaal schüttelte den Kopf. »Hier gelten meine Bedingungen«, erklärte

er mit fester Stimme. »Wer sich ihnen nicht unterwirft, wird nach meinen Gesetzen be-straft.«

»Dann wirst du die Erde niemals erobern.« »Es kommen andere Welten und andere

Möglichkeiten. Mein Glück hängt nicht von dir und deinem Wohlwollen, sondern allein von meinem Willen ab.«

Er läßt sich nicht bluffen, stellte der Logik-sektor mit unerbittlicher Nüchternheit fest. Du mußt ihn töten, oder er wird dich töten.

Atlan verzog die Lippen. Er wußte nicht, wie er diese Forderung erfüllen sollte. Ein Energieschirm umhüllte ihn und machte Y-unthaal damit unerreichbar für ihn.

*

Razamon stieß die Tür auf. »Endlich habe

ich dich gefunden«, sagte er erleichtert. Caidon-Rov erhob sich von dem Diwan,

auf dem er geruht hatte. Er protestierte nicht gegen die Störung. Freundlich fragte er:

»Was führt dich zu mir?« »Ich werde etwas unternehmen«, sagte Ra-

zamon. »Atlan braucht Hilfe. Wir hätten schon gestern etwas unternehmen müssen, als du mir gesagt hast, daß er zurückgekehrt ist.«

»Du kannst nichts tun«, erklärte der Diener Porquetors. »Wirklich nicht.«

»Wie willst du jemals die Nachfolge Por-quetors antreten, wenn du immer nur abwar-test? Wir müssen die Tür zu den Räumen die-ses Ungeheuers aufbrechen.«

»Wir werden scheitern.« Razamon packte den Hageren erzürnt bei

den Aufschlägen seines Morgenmantels. »Es gibt jetzt nur noch eine Möglichkeit«,

sagte er. »Wir müssen Porquetor besiegen. Das ist doch dein Ziel von Anfang an gewe-sen. Warum willst du jetzt nicht handeln? Deine Chancen waren noch nie so gut, denn einer von uns ist schon in der Höhle des Lö-wen. Wir haben eine ganze Nacht verstrei-chen lassen. Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätten wir schon viel früher han-deln müssen. Aber länger warten werde ich auf keinen Fall.«

Caidon-Rov war ernst und nachdenklich. Jenes Verhalten, das Razamon anfänglich so abgestoßen hatte, hatte er wie eine Maske abgestreift.

»Verzeih mir«, bat er. »Ich bin unsicher, weil ich es nicht gewohnt bin, in dieser Rich-tung zu denken. Solange man nur mit der flüchtigen Vorstellung spielt, irgendwann einmal Nachfolger jenes Wesens da oben zu werden, ist alles gut. Es fiel mir auch nicht besonders schwer, gegen euch vorzugehen, aber alles in mir sträubte sich dagegen, wirk-lich gegen den da oben zu kämpfen. Ich habe Angst. All die Jahre habe ich immer wieder erleben müssen, wie mächtig er ist. Er er-schien mir unbesiegbar. Ich kann mich nicht von einer Sekunde zur anderen entschließen, gegen ihn zu kämpfen. Es geht um alles oder nichts. Entweder wir gewinnen, und daran glaube ich nicht, oder wir werden getötet.«

»Wer nichts riskiert, Caidon-Rov, der kann auch nichts gewinnen. Komm. Ruf deine Leu-te zusammen. Wir nehmen irgend etwas als Rammbock. Damit sprengen wir die Tür zur oberen Kugel auf, wenn wir sie nicht so öff-nen können.«

Caidon-Rov ging nachdenklich im Raum auf und ab. Schließlich aber nickte er.

»Einverstanden«, sagte er. »Wir werden es wagen. Komm.«

Die beiden Männer verließen den Raum. Fenrir wartete draußen auf dem Gang. Er trot-tete hinter ihnen her, als sie sich der oberen Kugel näherten.

Caidon-Rov blieb einige Male stehen und pfiff schrill in Spalten hinein, die in den Wänden klafften. Wenig später traten Tech-nos aus den Türen auf den Gang hinaus und schlossen sich ihnen an. Der Hagere infor-

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mierte sie in einer Sprache, die Razamon nicht verstand, über ihre Pläne.

Als sie den Zugang zur oberen Kugel er-reichten, war die Zahl der. Technos auf über dreißig gewachsen. Einige von ihnen schlepp-ten einen schweren Stahlpfeiler mit sich, der als Rammbock dienen sollte.

»Hoffentlich fährt er die Zwischenwände nicht aus«, sagte Caidon-Rov. »Dann schaffen wir es bestimmt nicht.«

»Ich schätze, er hat mit Atlan zu tun«, er-widerte Razamon. »Er wird gar nicht auf uns achten.«

*

Atlan hörte, wie eine Tür sich öffnete. Ü-

berrascht drehte er sich um. Er war der An-sicht gewesen, daß außer Yunthaal niemand anwesend war.

Die Rüstung betrat den Raum. Sie war blit-zend sauber.

Der Arkonide schluckte. Er konnte sich nicht erklären, weshalb der Halbroboter wie-der funktionierte. Bevor er aus ihm herausge-klettert war, hatte er mehrere Drähte ausei-nandergerissen, um ihn funktionsunfähig zu machen.

»In der Wartungsstation gibt es einen Repa-raturroboter«, erklärte Yunthaal. »Er hat alles wieder in Ordnung gebracht.«

»Und nun?« fragte Atlan. »Nun ergeht es dir so wie den Paarlen«,

antwortete der Blinde. Er ging zu einem Sessel und setzte sich.

Dabei bewegte er sich so sicher, als ob er se-hen könne.

»Schon?« fragte der Aktivatorträger. »Wolltest du mir nicht Porquetor zeigen?«

Yunthaal krauste die Stirn. »Wollte ich das?« Er erhob sich wieder.

Der Halbroboter, der sich Atlan bereits genä-hert hatte, blieb stehen. Yunthaal durchquerte den Raum. Er hob die Hand. Atlan sah, daß ein winziges, kugelförmiges Gerät unter der Decke schwebte. Es folgte Yunthaal wie von Geisterhand bewegt. Gleichzeitig wanderte das Energiefeld, das den Arkoniden umgab, mit ihm. Atlan mußte weitergehen, ob er wollte oder nicht.

Eine Tür öffnete sich, und ein intensiver

Verwesungsgeruch schlug Atlan entgegen. Er blickte durch die Tür auf eine formlose bis zur Unkenntlichkeit zerfressene Masse, in der sich etwas bewegte.

Ihm wurde übel. Er drehte sich um. »Ist er noch nicht tot?« fragte er, als sich

die Tür wieder geschlossen hatte. »Er ist tot«, antwortete der Blinde. »Was

jetzt noch lebt, hat mit dem eigentlichen Por-quetor nichts mehr zu tun.«

Yunthaal ging an Atlan vorbei und setzte sich wieder in den Sessel. Das Energiefeld verschwand. Der Halbroboter ging auf Atlan zu und hob sein Schwert.

»Erlaube mir noch eine Frage«, bat der Ar-konide hastig.

Die Rüstung blieb stehen. »Was willst du wissen?« Yunthaal lächelte.

Die Situation gefiel ihm. Er konnte alles ge-nau verfolgen. Daran zweifelte Atlan nicht, denn sein Gesicht wandte sich stets dem Ge-schehen zu, so wie es bei einem Sehenden war. Atlan war sich dessen sicher, daß ihn das seltsame Gestell auf dem Kopf dazu befähig-te.

»Frage«, befahl Yunthaal großmütig. »Wer sind die Herren von Pthor?« »Tut mir leid. Das weiß ich auch nicht.«

Der Blinde hob bedauernd die Arme. »Ich weiß nur, daß Pthor und seine Beherrscher aus der Schwarzen Galaxis kommen.«

»Die Schwarze Galaxis? Was ist das?« »Auch das kann ich dir nicht beantworten,

weil ich es selbst nicht weiß.« Er wandte sich dem Halbroboter zu.

»Warte«, bat Atlan. »Noch nicht. Ich habe noch eine Frage.«

»Beeile dich. Ich habe keine Lust, noch lange darauf zu warten, daß er dein Leben mit dem Breitschwert beendet.«

»Ich habe mich hier genau umgesehen, und ich habe festgestellt, daß du ein Mensch mit großem Kunstverständnis und einem ausge-prägten Sinn für Schönheit bist. Wie ist es möglich, daß so ein Mensch zu derartigen Brutalitäten fähig ist?«

»Das geht dich nichts an!« Das Gesicht des Blinden verzerrte sich. »Töte ihn! Töte ihn endlich!«

Diese letzten Worte schrie Yunthaal wie in höchster Panik heraus. Sie hallten auch aus

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den Lautsprechern der Rüstung.

Der Halbroboter gehorchte. Er marschierte mit erhobenem Breitschwert auf den Arkoni-den zu, der langsam vor ihm zurückwich.

In diesem Moment erschütterten schwere Schläge die Wohnung Yunthaals. Der Halb-roboter blieb stehen. Yunthaal glitt aus dem Sessel. Sein Kopf wandte sich einer Tür zu, die sich zwischen zwei Schränken befand. Von dort her kam der Lärm.

»Was ist das?« fragte er bestürzt. »Das sind deine Freunde und Sklaven«, er-

klärte Atlan. »Sie haben es satt, sich von dir quälen zu lassen.«

Yunthaal rannte zu einem der Schränke und riß ihn auf. Atlan sah, daß sich Kommunikati-onsgeräte darin befanden. Der Bildschirm eines Fernsehgeräts erhellte sich. Auf dem Bild waren Razamon, Caidon-Rov und zahl-reiche Technos zu sehen, die einen metallenen Pfeiler gegen eine Tür rammten. Deutlich war zu erkennen, daß die Tür diesem Angriff nicht standhielt. Ein breiter Spalt war entstanden. Er war noch nicht groß genug, einen der Männer durchzulassen, aber er wuchs von Stoß zu Stoß, so daß abzusehen war, wann Razamon und seine Begleiter eindringen wür-den.

»Zurück«, schrie der Blinde in ein Mikro-phon. »Ich befehle euch sofort zurückzuge-hen. Verschwindet, oder ich werde euch alle töten.«

Einige der Technos wandten sich schre-ckensbleich ab und flüchteten durch den Gang.

»Bleibt hier, ihr Narren«, brüllte Razamon. Seine Stimme hallte aus zwei Lautsprechern neben dem Bildschirm. »Bleibt hier. Merkt ihr denn nicht, daß Porquetor Angst hat? Er weiß, daß wir gewonnen haben. Er versucht, seine Haut zu retten. Kommt, verdammt noch mal. Helft mir.«

Drei der flüchtenden Technos kehrten um. Die anderen verschwanden.

»Warte nur, Porquetor«, rief Razamon la-chend. »Deine Stunde ist gekommen.«

Er schmetterte den Stahlpfeiler allein gegen die Tür und schlug sie aus der Fassung.

»Ich töte Atlan, wenn ihr noch einen Schritt weitergeht«, rief Yunthaal mit schriller Stim-me. »Ich töte ihn!«

»Weiter, Razamon! Weiter«, befahl Atlan. »Laß dich nicht aufhalten.« Der Blinde fuhr herum.

»Töte ihn«, sagte er. »So töte ihn doch end-lich.«

Die Rüstung eilte auf den Arkoniden zu. Das Schwert blitzte auf, als werde es von ei-ner Energieflut durchströmt.

Atlan griff hinter sich nach einer Vase. Er schleuderte sie nicht besonders wuchtig, aber gut gezielt auf Yunthaal, der sich halb abge-wandt hatte. Die Vase traf ihn und riß ihm das bizarre Gestell vom Kopf.

Atlan schnellte sich mit einem weiten Satz zur Seite. Der Halbroboter rannte weiter, als befände er sich noch an der gleichen Stelle wie zuvor. Das Breitschwert zerschlug einen der kostbaren Schränke.

Yunthaal kroch wimmernd auf dem Boden herum und suchte nach dem Gestell, mit dem er sehen und die Rüstung, seine Tötungsma-schine, lenken konnte. Atlan eilte zu ihm hin und stieß das Gestell mit dem Fuß weg, bevor der Blinde es ergreifen und sich überstreifen konnte.

»Töte ihn«, schrie Yunthaal kreischend. »Töte ihn.«

Razamon brach durch die Tür. Fenrir sprang an ihm vorbei und stürzte sich knur-rend auf Yunthaal. Bevor Atlan es verhindern konnte, grub er ihm die Zähne in den Arm. Der Blinde schrie vor Schmerz auf.

»Zurück«, befahl der Arkonide. Seine Fin-ger krallten sich in das Nackenfell des Fen-riswolfs. Widerstrebend ließ das Tier von seinem Opfer ab.

Yunthaal kroch wimmernd über den Boden auf den Halbroboter zu, der noch immer vor dem Schrank stand und mit dem Breitschwert darauf einschlug. Unter dem Holz waren technische Geräte sichtbar geworden. Sie zer-brachen unter den Hieben. Dumpfe Explosio-nen in den benachbarten Räumen waren die Folge.

»Atlan, ich bin froh, daß du noch lebst«, sagte Caidon-Rov.

»Ich will nicht übertreiben«, erwiderte der Aktivatorträger lächelnd, »aber das bin ich auch.«

Er bückte sich und nahm das Gestell auf, mit dem Yunthaal sehen konnte. Im gleichen

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Moment fuhr der Halbroboter herum und packte den Blinden. Entsetzt ließ Atlan das Gestell fallen. Doch es war schon zu spät. Das Tötungsinstrument des Blinden hatte Y-unthaal gefaßt und verfuhr mit ihm wie einige Tage zuvor mit den Paarlen. Atlan zertram-pelte das Steuergerät mit seinen Füßen.

Die Rüstung ließ die sterblichen Überreste des Blinden auf den Boden fallen. Dann machte sie noch einen Schritt nach vorn und kippte langsam um. Scheppernd stürzte sie zu Boden und blieb bewegungslos liegen.

*

»Das ist des Rätsels Lösung«, sagte Atlan.

Er stand an einem Videorecorder und drückte einen Knopf. Auf dem Bildschirm eines ande-ren Geräts erschien das Bild Yunthaals.

»Er ißt Früchte«, bemerkte Razamon. »Na und?«

Er hatte die anderen Räume der Wohnkugel Yunthaals untersucht, während Atlan und Caidon-Rov zusammengeblieben waren.

»Es sind Yamantha-Früchte dabei«, erklärte der Hagere. »Sie stammen aus dem Blut-dschungel. Man gibt sie den Berserkern, wie ich gehört habe, weil diese dann in einen Zu-stand der Raserei geraten. Niemand sonst auf Pthor nimmt sie zu sich, weil sie so gefährlich sind.«

»Der Film beweist, daß Yunthaal sie geges-sen hat. Wahrscheinlich hat er sie sogar in schöner Regelmäßigkeit zu sich genommen. Die Folgen kennen wir ja. Da er sich selbst nicht austoben konnte, hat er den Halbroboter hinausgeschickt. Er hat sich dieser Maschine bedient, um unter den Tieren und unter den Stämmen des Blutdschungels ein Blutbad anzurichten.«

»Dieser eine Film?« fragte Razamon zwei-felnd.

»Es sind mehrere Filme da, die das bewei-sen«, erwiderte Caidon-Rov.

»Du hast sie ihm hinaufgeschickt«, sagte Razamon. »Dann bist du dafür verantwortlich, was geschehen ist.«

»Ich hatte nichts damit zu tun«, antwortete der Hagere. »Niemand hat ihm diese Früchte gegeben. Die Rüstung muß sie für ihn aus dem Dschungel mitgebracht haben.«

»Und das hast du nicht gesehen?« fragte Razamon.

»Der Stählerne brachte oft etwas mit, aber ich habe nie gesehen, was es war, weil er es immer in einem geschlossenen Beutel mit-führte.«

»Lassen wir das«, sagte Atlan. »Es genügt mir, daß ich weiß, warum Yunthaal sich wie ein Berserker benommen hat. Wir werden die Feste Grool jetzt verlassen.«

»Ihr könnt bleiben, wenn ihr wollt«, ent-gegnete Caidon-Rov freundlich. »Ihr seid meine Gäste, solange es euch gefällt.«

»Nein«, sagte Atlan. »Es zieht uns weiter. Wir wollen Razamons Familienheimat, den Taamberg erreichen.«

»Den Taamberg?« fragte Caidon-Rov. »Das wird schwierig sein. Ich kann euch nur empfehlen, in Richtung des Dämmersees wei-terzugehen und von dort zu versuchen, den Regenfluß zu erreichen. Über ihn könnt ihr vielleicht zum Taamberg kommen.«

»Besten Dank«, sagte der Arkonide. »Wir werden uns an diese Empfehlung halten.«

»Kann ich noch etwas für euch tun?« Atlan erwiderte: »Gib uns unsere Kleidung, unsere Waffen

und Ausrüstung, die wir getragen haben, als wir in die Feste kamen und gib uns etwas Proviant mit auf den Weg. Auch hätte ich nichts dagegen, wenn ich noch eine kräftige Mahlzeit zu mir nehmen könnte, bevor wir aufbrechen.«

»Es wird ein Festmahl sein«, versprach Caidon-Rov lächelnd.

ENDE

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ATLAN 11 – Die Feste Grool

Weiter geht es in Band 12 von König von Atlantis:

Insel der Kannibalen von Clark Darlton

Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2005, eine Lizenzaus-gabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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