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Gesundheits-Ingenieur - Haustechnik - Bauphysik - Umwelttechnik 128 (2007) Heft 2 gi 79 1. Aufbau des rekonstruierten Flächenheizsystems Die rekonstruierte Hypokaustenheizung der Herbergs- therme in Xanten bietet Einblick in den Betrieb antiker Heizungen. Rauchgasdurchströmte Wand-, Fußboden-, und Deckenflächen temperieren großflächig ein Warm- bad. Die niedrigtemperierten Heizflächen stehen im Ge- gensatz zur kalten Glasfläche der Fenster, was Fragen zur erzielbaren Behaglichkeit aufwirft. Die 1989 eingeweihte voll funktionsfähige Badeanlage im Archäologischen Park Xanten stand für Heizversuche im Sommer 1993 und Winter 1994 zur Verfügung. Datiert wird die Thermenanlage auf das 2. Jahrhundert n. Chr. [1]. Die Rekonstruktion erfolgte bis hin zu den Wandma- lereien nach Vorbildern anderer Badeanlagen der römi- schen Nordwest-Provinzen [2]. Vom Heizraum (Praefurnium) im Süd-West-Teil liegen Richtung Nord/Ost das Warmbad (Caldarium), das Lau- bad (Tepidarium) und das Kaltbad (Frigidarium). Beheizt sind über Fußboden, Wände und Decke das Warmbad und nur über Fußboden das Laubad. In Bild 1 ist der vereinfachte Auf- bau skizziert. Die unter dem Fußboden ziehen- den Rauchgase steigen in die Wand- hohlräume (Tubuli) nach oben und entweichen als Abgas aus kleinen Ka- minaufsätzen vom Dach in die Um- gebung. Das Detail Rauchgasführung stellt den Rauchgasstrom vom Fuß- bodenhohlraum in den Wandhohl- raum dar. Die Tubulisäulen, hier als Einzelsäulen gezeichnet, reihen sich in der Herberge unmittelbar aneinan- der und nehmen die gesamte Wand- fläche ein. Das Fenster ist seitlich durch Rauchgaszüge eingefasst, die bis in den Dachbereich hineinlaufen. Erkennbar ist der typische Aufbau der Rauchgasführung in der Außen- wand. Hinter den Hohlziegeln nach außen schließt sich eine ca. 0,5 m dicke Tuff- und Grauwacke-Bruch- steinwand an. Die heißen Rauchgase gleichen den Wärmeverlust nach außen aus und temperie- ren die Innenseite der Außenwand. Die einzelnen Tubuli- elemente besitzen neben dem eigentlichen Rauchgaskanal noch gegenüberliegende horizontal angeordnete, kleinere Öffnungen. Wie Bild 2 veranschaulicht, ist damit über die verschie- denen Tubulikanäle ein gewisser Druckausgleich möglich, und die Rauchgasströmung dürfte sich von Tubulus zu Tubulus nicht wesentlich unterscheiden. Das Ziel sollte offensichtlich die Angleichung des Druckverlustes über alle Strömungswege sein. In der heutigen Heizungstech- nik findet der Anschluß einzelner Heizkörper nach Tichelmann ebenfalls mit dem Ziel gleicher Druckverluste und fast analog der Tubulianordnung statt. 2. Fensterkonstruktion im Warmbad Das vorhandene offene Wasserbecken sowie die Feuchte- abgabe der Thermenbesucher bewirken im Thermenbetrieb die erhöhte Luftfeuchtigkeit. Dabei den Taupunkt der Die Flächenheizung und der Fenstereinfluss auf die Behaglichkeit im Warmbad Wolfgang Reichel Dr.-Ing. Wolfgang Reichel, Ingenieurbüro Timmer Reichel GmbH, Ohligser Straße 37, 42781 Haan. Tubuli Tubuli Tür Fenster Detail Rauchgasführung Bild 1. Vereinfachter Aufbau Caldarium.

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Gesundheits-Ingenieur - Haustechnik - Bauphysik - Umwelttechnik 128 (2007) Heft 2 gi 79

1. Aufbau des rekonstruierten Flächenheizsystems

Die rekonstruierte Hypokaustenheizung der Herbergs-therme in Xanten bietet Einblick in den Betrieb antiker Heizungen. Rauchgasdurchströmte Wand-, Fußboden-, und Deckenflächen temperieren großflächig ein Warm-bad. Die niedrigtemperierten Heizflächen stehen im Ge-gensatz zur kalten Glasfläche der Fenster, was Fragen zur erzielbaren Behaglichkeit aufwirft.

Die 1989 eingeweihte voll funktionsfähige Badeanlage im Archäologischen Park Xanten stand für Heizversuche im Sommer 1993 und Winter 1994 zur Verfügung. Datiert wird die Thermenanlage auf das 2. Jahrhundert n. Chr. [1]. Die Rekonstruktion erfolgte bis hin zu den Wandma-lereien nach Vorbildern anderer Badeanlagen der römi-schen Nordwest-Provinzen [2].

Vom Heizraum (Praefurnium) im Süd-West-Teil liegen Richtung Nord/Ost das Warmbad (Caldarium), das Lau-bad (Tepidarium) und das Kaltbad (Frigidarium). Beheizt sind über Fußboden, Wände und Decke das Warmbad und nur über Fußboden das Laubad.

In Bild 1 ist der vereinfachte Auf-bau skizziert.

Die unter dem Fußboden ziehen-den Rauchgase steigen in die Wand-hohlräume (Tubuli) nach oben und entweichen als Abgas aus kleinen Ka-minaufsätzen vom Dach in die Um-gebung. Das Detail Rauchgasführung stellt den Rauchgasstrom vom Fuß-bodenhohlraum in den Wandhohl-raum dar. Die Tubulisäulen, hier als Einzelsäulen gezeichnet, reihen sich in der Herberge unmittelbar aneinan-der und nehmen die gesamte Wand-fläche ein. Das Fenster ist seitlich durch Rauchgaszüge eingefasst, die bis in den Dachbereich hineinlaufen. Erkennbar ist der typische Aufbau der Rauchgasführung in der Außen-wand. Hinter den Hohlziegeln nach außen schließt sich eine ca. 0,5 m dicke Tuff- und Grauwacke-Bruch-steinwand an. Die heißen Rauchgase

gleichen den Wärmeverlust nach außen aus und temperie-ren die Innenseite der Außenwand. Die einzelnen Tubuli-elemente besitzen neben dem eigentlichen Rauchgaskanal noch gegenüberliegende horizontal angeordnete, kleinere Öffnungen.

Wie Bild 2 veranschaulicht, ist damit über die verschie-denen Tubulikanäle ein gewisser Druckausgleich möglich, und die Rauchgasströmung dürfte sich von Tubulus zu Tubulus nicht wesentlich unterscheiden. Das Ziel sollte offensichtlich die Angleichung des Druckverlustes über alle Strömungswege sein. In der heutigen Heizungstech-nik findet der Anschluß einzelner Heizkörper nach Tichelmann ebenfalls mit dem Ziel gleicher Druckverluste und fast analog der Tubulianordnung statt.

2. Fensterkonstruktion im Warmbad

Das vorhandene offene Wasserbecken sowie die Feuchte-abgabe der Thermenbesucher bewirken im Thermenbetrieb die erhöhte Luftfeuchtigkeit. Dabei den Taupunkt der

Die Flächenheizung und der Fenstereinfluss auf die

Behaglichkeit im Warmbad

Wolfgang Reichel

Dr.-Ing. Wolfgang Reichel, Ingenieurbüro Timmer Reichel GmbH, Ohligser Straße 37, 42781 Haan.

Tubuli Tubuli

Tür

Fenster

DetailRauchgasführung

Bild 1. Vereinfachter Aufbau Caldarium.

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Raumluft nicht zu unterschreiten, erfordert mehrschichtige Verglasungen. Allerdings hebt das fenstereinfassende Heiz-system die innere Scheibenoberflächentemperatur um 1 bis 2 K an [3; 4] und verschiebt dadurch die Taupunkttempe-ratur zu etwas tieferen Außentemperaturen.

Ausgrabungen förderten Fensterglas aus Bauten aus dem späten 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. zutage. Die Ther-menausstattung mit Glasfenster bildete einen Standard. Doppelfenster im Holzrahmen wurden oft verwendet [5]. Die Glasdicke lag zwischen 3 und 6 mm, wobei das Glas durchscheinend, aber nicht durchsichtig war. Es wird heute davon ausgegangen, daß sich kleine Fenster öffnen ließen, große jedoch fest verglast waren. Aus dem Herstel-lungsprozess – Glas wurde in Formen, wahrscheinlich aus angefeuchtetem Holz, mit Sand bestreut gegossen – rührt die einseitig rauhe Glasoberfläche [5]. Der Wärmedurch-gangskoeffizient der Xantener Fenster wird mit k = 2,5 W/(m2 · K) (heute U-Wert) angenommen [6], was Ober-flächen- und Umgebungstemperaturmessungen bestäti-gen.

In Bild 3 ist das Versuchsfenster besonders hervorgeho-ben.

2.1 Heizversuch und Bestimmung des Fenstereinflusses

Die Aufgabe der Fenster, für natürliche Belichtung zu sor-gen, ist mit deren thermischer Einflussnahme unmittelbar verbunden. Das Versuchsfenster auf der SO-Seite im

Warmbad (Bild 3) ist fest verglast. Wie aus den Heizver-suchen hervorgeht, dürften stets geschlossene Fenster zu lufthygienischen Problemen geführt haben.

Die Außenluftzufuhr erfolgt dann nur über Umkleide-raum (Apodyterium), Kaltbad und Laubad zum Warm-bad. Die Warmbereiche sind von rauchgasführenden Tu-buli in den Wänden bzw. Fußboden- oder Deckenhohl-räumen umkleidet.

CO- und CO2-Messungen während der Heizversuche zeigten nachfolgende Extremwerte, die einen längeren Aufenthalt im Caldarium verhinderten:

Datum Extremwert zul.MAK-Wert

CO 3.2.1994 240 ppm 30 ppm

CO2 3.2.1994 0,5% 0,15%

Der CO2-Gehalt der Raumluft soll heute 0,15 % (Volu-men-Konzentration) nicht überschreiten. Empfohlen wer-den Maximalwerte von 0,1 % [8]. Die Notwendigkeit der Be- und Entlüftung über die Fenster scheint damit gege-ben.

Das Vorhandensein der Rauchgase im Caldarium konnte auch fotografisch sichtbar gemacht werden. In Bild 4 ist infolge der erhöhten Rauchgaskonzentration das Streulicht gut erkennbar. Vergleichbar hohe Rauch-gaskonzentrationen tauchen in der historischen Literatur jedoch nicht auf. Hier dürfte die fehlende Erfahrung bei Bau von Hypokausten während der Thermenrekonstruk-tion zu gewissen Undichtigkeiten geführt haben.

Peclet [9] weist in den Grundsätzen der Feuerungs-kunde darauf hin: „Die Fugen, welche nicht ganz dicht gemacht werden können, soviel als möglich, zu beschrän-ken ... bzw. es nicht immer zweckmäßig ist, zu große Heiz-oberflächen anzuwenden.“ Peclet nimmt hier Bezug auf Herde, was die Übertragbarkeit auf Hypokaustenheizun-gen keinesfalls schmälern soll.

Zur Bestimmung des thermischen Fensterverflusses wurden Oberflächentemperaturfühler (Pt100-Elemente) an den in Bild 3 gezeigten Punkten positioniert.

Die Glasoberflächentemperatur an der Stelle 14 (siehe Bild 7) sollte die Wirkung der kalten Glasscheibe reprä-sentieren.

3. Rauchgasführung und thermische Wirkung

3.1 Einfluss des Fußbodenanstiegs im Rauchgas-raum unter dem Caldarium und Tepidarium

Der erwärmte (unterfeuerte) Hohlraum unter der Benut-zerebene vermindert sich in der Höhe in Strömungsrich-tung der Rauchgase. Der Fußboden steigt somit vom Caldarium in Richtung Tepidarium an und reduziert den Strömungsquerschnitt mit der Entfernung vom Praefur-nium (Feuerstelle).

Zur Erzielung etwa gleicher Rauchgasdrücke, unab-hängig von der Entfernung von der Feuerstelle, ist die Querschnittsminderung streng nach der Kontinuitätsglei-chung nötig, da ständig Abgase in die senkrechten Tubuli (Hohlziegel) abströmen.

Rauchgase

Tubuli-Kanal

seitlicheÖffnungen

Bild 2. Rauchgasausströmung durch die Tubulielemente.

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Der mit der wachsenden Entfer-nung vom Feuer einhergehende Fuß-bodenanstieg sichert die kontinuierli-che Durchströmung des gesamten Fußbodenhohlraumes, da die er-wärmten Abgase Auftrieb erzeugen und Gase nachziehen.

Der Fußbodenanstieg hat natür-lich auch Vorteile im Anheizungsvor-gang, da Lockfeuer [10], wie sie auch beim Anheizen von Zentralheizungen verwendet wurden, einen Anstieg im späteren Fuchs voraussetzen, um den Abgasstrom in Bewegung zu brin-gen.

Heutige Rauchgasanschlüsse an die Schornsteine sollen mit ca. 15 ° gegen die Horizontale in Strömungs-richtung ansteigen [11], um den Zug zu sichern. Schulze [12] beschreibt einen mit Xanten vergleichbaren Fuß-bodenanstieg in Kanalzügen der Ka-nalheizungen von mindestens 2 % ebenfalls zur Zugsicherung. Aller-dings existieren auch zahllose Bei-spiele von Hypokaustenheizungen mit in Waage liegenden Böden unter den Benützerebenen ohne jeglichen Anstieg [13]. Die lichte Hohlraum-höhe muss dann nur ausreichend hoch sein, vergleichbar mit dem großen Durchmesser heutiger Heizungsver-teiler, und die Wirkung abströmender Wässer bzw. der Rauchgase verliert an Wirkung auf die Druckänderung im Bodenkanal.

Ein in Waage liegender Boden er-fordert natürlich einen geringeren Herstellungsaufwand gegenüber ge-neigten Flächen, was evtl. schwerer wog als der Zugvorteil der Neigung.

Der gegenläufige Anstieg des Bodens, wieder vergleich-bar mit dem Fuchs, soll jedoch vermieden werden, da die Gefahr der Sammlung kälterer Gase an der tiefsten Stelle besteht und der Strömungsquerschnitt eingeengt wird [14].

3.2 Windabhängigkeit der Rauchgasführung und Charakter der Oberflächentemperaturen

Grundsätzlich folgen die Wandoberflächentemperaturen den Rauchgastemperaturen. Mit der Entfernung von der Feuerstelle sinkt die Oberflächentemperatur von Fußbo-den und Wänden in horizontaler und vertikaler Richtung. Dies setzt natürlich Kontinuität in der Rauchgasströmung nach Bild 2 voraus und dürfte nur bei Windstille Realität sein.

Während der Versuchszeit fanden auch Windaufzeich-nungen statt, die mit Differenzdruckmessungen im Rauch-gaszug abgeglichen wurden. Auf der NW-Seite im Calda-rium ist dazu ein Tubulistrang, wie in Bild 5 bestimmt,

Versuchsfenster

Bild 3. Versuchsfenster auf der Südostseite.

Bild 4. Erhöhte Rauchgaskonzentration um das Versuchsfenster.

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angebohrt und mit Sonden versehen worden. Für einen 15-Minuten-Zeitraum sind die Differenzdrücke zwischen 0,5 m und 1,72 m Höhe in Bild 6 ausgewertet. Positive Werte bedeuten einen höheren Druck in 1,72 m Höhe,

was einer erwarteten Rauchgasströ-mung über die Kaminstummel ins Freie entgegenwirkt und Rückströ-mung signalisiert.

Aus den Aufzeichnungsprotokol-len ist entnehmbar, dass zum Mess-zeitpunkt Westwinde herrschten. Der Tubulistrang lag somit auf der Luv-Seite (dem Wind zugekehrt) und er-hielt Gegendruck. Nach einigen Mi-nuten kippt das System wieder in den Normalzustand, und die Rauchgase strömen nach oben.

Das gesamte Hypokaustensystem wird immer einer gewissen Wind-abhängigkeit unterliegen, da die Rauchgasabzüge nur bis kurz über die Dachschindeln reichen, somit nicht wie bei heutigen Schornstein-mündungen im freien Luftstrom, über dem First liegen.

4. Oberflächentempera-turen der Wände um die Verglasung

Bild 8 zeigt für vier auf Bild 7 angege-bene Messstellen die Oberflächen-temperaturen für den Teil der Winter-heizperiode 1994. Der Heizraum be-fand sich rechts vom Messfenster unter dem schräg beginnenden Dach-lauf. Charakteristisch fällt die Wand-oberflächentemperatur zu jedem Messzeitpunkt mit der Entfernung vom Heizraum. Die Brüstung unter dem Messfenster ist nicht tubuliert, so dass für die Messstellen 1 und 2 gewisse Ungereimtheiten im Tempe-raturverlauf erkennbar sind. Offen-

sichtlich gibt es ein Totgebiet um den Mess punkt 2. Die Rauchgasströmung muss sich nach der Brüstungsunter-brechung in den senkrechten Hohlziegeln (Tubuli) erst wieder ausbilden. Die zusätzlichen horizontalen Öffnun-gen in den Hohlziegeln sorgen so für den Strömungsaus-gleich [15]. Andere Messstellen zeigen jedoch mit der Höhe abnehmende Oberflächentemperaturen, was die Analogie zu Messungen von Baatz darstellt [16]. Die Raumlufttemperatur 1,0 m über Fußboden wurde mit max. 32,6 °C gemessen. Aus heutiger Sicht liegt diese Temperatur in den Nassbehandlungsräumen bei 24 bis 29 °C und Hallen von Bewegungs- und Therapiebecken bei 34 °C [17]. Die Raumlufttemperatur soll heute nicht über +34 °C liegen [18]. Kretzschmer nennt für die Epoche (1. Jahrhundert v. Chr. bis Mitte 1. Jahrhundert n. Chr.) Raumtemperaturen von 8 bis 32 °C, also unter der Kör-pertemperatur [19]. Die Zustrahlung auf den Körper in-folge wärmender Wände wurde als sehr angenehm emp-funden [20]. Von der warmen Wandoberfläche zur kalten Glasfläche des Messfensters existiert ein Temperatur-

Differenzdruckmessung

ΔΔp

außenNW-Seite

Bild 5. Messstellenanordnung Nordwestseite.

-20

-10

0

10

20

30

40

50

[ Pa ]

0 5 10 15

Zeit [ min ]

Differenzdruck zwischen 0,5 und 1,72 m Höhe im Tubuli

Datum: 27.01.1994Messstelle: 70–32Zeit: 14.20–14.35 Uhr

Differenzdruck zwischen 0,5 und 1,72 m Höhe im Tubuli

Bild 6. Differenzdruck im Tubulistrang.

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sprung von bis zu 18 K (3.2.1994, 0.00 Uhr). Die Wirkung derart unter-schiedlich temperierter Flächen auf den Menschen wurde durch Strah-lungstemperaturberechnungen unter-sucht.

5. Behaglichkeit durch Strahlung

Die Emission von Strahlung an war-men Flächen wurde von Scheele [21] im Jahre 1777 mit dem Thermometer in einiger Entfernung vom Kamin-feuer beobachtet, wobei das „Ther-mometrum“[22] mehr ein Wetterglas mit Alkoholfüllung und allgemeiner Strichskala darstellte. Diese Florenti-ner Thermometer kannten noch keine Fixpunkte auf den Skalen.

Erst Ende des 17. Jahrhunderts führte man den Gefrierpunkt von Wasser als Fixpunkt ein. Zwischen 1726 und 1740 [23] konnte endlich die Hundert-Grad-Skala Einzug in die Temperaturmessung halten und bisher allgemeine Beschreibungen festen Zahlen zugeordnet wer-den.

Die vergleichende Behandlung warmer, strahlender Flächen mit zur Entwärmung neigender kalter, winterli-cher Glasflächen ist durch Zahlen hinterlegt, somit sehr jung.

Die Wahl der richtigen Oberflächentemperatur der tu-bulierten Wände in Hypokaustenheizungen dürfte rein im Gefühl der Heizer und deren Erfahrung gelegen haben. Das Wissen, mit warmen Flächen auch kühle Glasflächen kompensieren zu können, lag in der Antike vor. Heutige Behaglichkeitskriterien nach DIN 1946, Teil 2, von Ja-nuar 1994 [8] stellten für die Hypokausten-Heizungen keine besondere Herausforderung dar. Ob es die aufwän-dige Bauweise von Hypokaustenheizungen war oder ein-fach Wissen in Vergessenheit geriet, die Raumbeheizung erfolgte nach der Antike bis ins Altertum eher rückstän-dig durch Kamine. Erst 1794 erhielt Joseph Green [24] durch königliches Privilegium eine Art Patent durch großvolumige Röhren, erwärmte Luft oder Dampf zur Raumheizung, getrennt von offenen Flammen, zu benut-zen.

Die Strahlungswirkung von erwärmten Flächen spielte hier wieder eine Rolle.

Heute sind Deckenstrahlungsheizungen, Wandflächen oder Fassadenheizungen sowie Fußbodenheizungen nicht mehr wegzudenken.

5.1 Simulation der Strahlungstemperaturenum die Fensterkonstruktion

Personen im Warmbad stehen im Strahlungsaustausch mit den warmen Fußboden-, Wand- und Deckenflächen

sowie der kühlen Glasfläche. Die Strahlungstemperatur-differenz zwischen den Halbräumen, z. B. der Außen-wandfläche mit dem Fenster und den gegenüberliegenden Innenwandflächen darf bestimmte Extreme nicht über-schreiten.

Derzeit gelten für:kalte Wandflächen ≤ 8 Kwarme Wandflächen ≤ 19 Kals derartige Halbraum-Strahlungstemperaturdifferenz [8]

Gegenüber Preußker [25], der den Einfluss kalter Fens-terflächen durch das Verhältnis Heizfläche/Fensterfläche

Rauchgase

ohne Tubuli

Bild 7. Messfensterumströmung.

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

[ °C ]

5

4

1

2

Oberflächen-temperatur

24.1/16 28.1/23 3.2/0 6.2/11 25.1/11 3.2/12 6.2/23 25.1/23

Zeitraum: 24.1.1994, 16 °° Uhr - 6.2.1994, 23 °° Uhr

3.2.1994, 12 °° Uhr

Bild 8. Oberflächentemperaturen um das Messfenster.

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in Abhängigkeit vom Fenster-U-Wert auszugleichen ver-sucht, stellt die Strahlungstemperaturbetrachtung eine wesentliche Verfeinerung dar.

Allerdings steigt der mathematische Aufwand beträcht-lich, da für die Berechnung Einstrahlzahlen ermittelt wer-den müssen und umfangreiche Winkelbeziehungen Ver-wendung finden [26; 27]. Da für jeden Punkt im Raum diese Prozedur notwendig ist, erlaubt erst der EDV-Einsatz eine großflächige Auswertung. Trotzdem konzentriert sich die Strahlungstemperaturberechnung nur auf einige we-sentliche Einflussflächen unterschiedlicher Temperatur wie z. B. Fenster-/Außenwandflächen oder Fußboden-/Decken-flächen um in überschaubarer Zeit Berechnungen zu er-möglichen [28].

Für das Messfenster zeigt Bild 8 die berechneten Strahlungstempera-turen von rechts unten nach links oben. Die Rauchgasabkühlung in den Fußboden- und Wandhohlräumen findet analog statt. Gegenüber vom Messfenster soll aufgrund der großen Entfernung der Wandflächen von der Rechenebene die Raumlufttempera-tur gleich der Strahlungstemperatur mit ca. 31,3 °C gesetzt werden. Die Halbraum-Strahlungstemperaturdif-ferenz, 0,5 m vom Fenster entfernt in Fenstermitte, beträgt dann ca. 5 K, was nach DIN 1946 Teil 2 [8] unter den zulässigen 8 K liegt.

Unter 1 m Abstand von der Au-ßenwand zählt im Allgemeinen nicht zum Aufenthaltsbereich, zeigt jedoch, welche Möglichkeiten in der Wandflä-chenheizung stecken. Der Fensterein-fluss wird somit bestens kompensiert. Von rechts unten nach links oben existiert infolge der Rauchgasabküh-lung ein Strahlungstemperaturgradi-ent, der auch in Bild 9 erkennbar ist und etwas den Nachteil der Hypo-kaustenheizung sichtbar macht.

Mit der Entfernung von der Feuer-stelle geht die Wandoberflächentem-peraturabnahme einher. Bei den Thermenanlagen findet dieser Effekt bei der Raumwahl Berücksichtigung. Dem Warmbad folgt das Laubad, und über das Kaltbad erreicht man den Umkleideraum [29], alles in Rauchgasrichtung bei abnehmender Temperatur.

Die horizontalen Schnittebenen in 1,3 m (Kopfhöhe sitzend) und 1,8 m (Kopfhöhe stehend) zeigen in Bild 10 die Wirkung der Strahlungstempera-tur in die Raumtiefe. Gut erkennbar ist der geringe Unterschied von nur 0,6 K Strahlungstemperaturdifferenz über die zwei Höhenschnitte nachder Temperaturkonstanz Richtung

Raummitte. Auch der geringe Einfluss des Fensters in die Raumtiefe ist gut erkennbar.

6. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf moderne Bauten

In neuzeitlichen Gebäuden würde sich eine Abhängigkeit der Heizleistung mit der Entfernung vom Kessel nicht in Einklang bringen lassen.

Der Wärmeträger Rauchgas wurde durch den Wärme-träger Wasser mit seiner hohen Wärmekapazität und die temperierte Wandfläche durch separate Heizflächen er-setzt.

23.03.1993Distagon CF4 / 40 mm

Bild 9. Strahlungstemperaturfeld senkrecht.

Bild 10. Strahlungstemperaturfeld horizontal.

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Die ursprüngliche Lochfassade (Einzelfenster) als Au-ßenwand ist inzwischen großflächigen Verglasungen gewi-chen.

Verbesserte U-Werte der Gläser erlauben geschosshohe Verglasungen selbst im Komfort-Bereich [30].

Auch Ganzglasgebäude wie das „Stadttor Düsseldorf“ [31] sind in Betrieb.

Die Forderung nach optischer Transparenz führt zu sehr schlanken Stützkonstruktionen.

Der Versuch, das ausgeglichene Strahlungsfeld der Herbergsthermen in Xanten auf eine Glasfassade zu über-tragen, konnte mit wasserführenden Stützprofilen, z. B. an einer Ganzglasfassade gezeigt werden [32].

Die Wandflächenheizung der Thermen in Xanten wird auf die Stützenheizung z. B. einer ganzverglasten Halle übertragen. Die Wandoberflächentemperaturen von 32 bis 38 °C gehen in Heizprofiloberflächentemperaturen von tV/tR = 70/50 °C über.

Die Strahlungstemperaturdifferenzen stellen sich ana-log Xanten dar.

Der Vergleich der Strahlungstemperaturfelder in Fens-ternähe zeigt die Übertragbarkeit des Behaglichkeitsstan-dards für die niedrigtemperierten antiken Heizflächen auf die höhertemperierten verkleinerten modernen Heizflä-chen.

Mit dem gegenüber der Antike heute erheblich geringe-ren technischen Aufwand sind somit in der Behaglichkeit keine Defizite in modernen Heizsystemen erkennbar.

Literatur[1] Römische Bäder in Xanten. Landschaftsverband Rheinland. 2.

Auflage 1991, Rheinland-Verlag GmbH, Köln.[2] Schalles, H.J.; Rieche, A. und Precht, G.: Die römischen Bäder.

Landschaftsverband Rheinland. Archäologischer Park/Regio-nalmuseum Xanten. 1989, Rheinland-Verlag GmbH, Köln.

[3] Glück, B.: Erhöhung der inneren Fenstertemperatur durch An-ordnung von Strahlungsheizflächen. Gesundheits-Ingenieur, Haustechnik, Bauphysik, Umwelttechnik 112, (1991) H. 3, S. 122–128.

[4] Reichel, W.: Beheizte Glasfassaden – Behaglichkeit und bauli-che Sicherheit bis an die Glasfläche und Sicherheit gegen Kon-densation, bauplan und bauorga 1 (1989), S. 12-13.

[5] Baatz, D.: Fensterglastypen, Glasfenster und Architektur. Saal-burg-Museum, Saalburg-Kastell, Bad Homburg.

[6] Wärmeschutz im Hochbau. Wärme und feuchteschutztechni-sche Kennwerte. DIN 4108, Teil 4, Aug. 1981, Tab. 3.

[7] MAK-(Maximale Arbeitsplatzkonzentration) Werte, Stand 1986. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Carl Heymanns Ver-lag, Köln.

[8] Raumlufttechnik, Gesundheitstechnische Anforderungen (VDI-Lüftungsregeln). DIN 1946, Teil 2, Jan. 1994.

[9] Peclet, E.: Grundzüge der Feuerungskunde. Verlag, Druck und Lithographie von B. Fr. Voigt, Weimar 1846, S. 218.

[10] Dieterich, H.: Die Zentralheizung und ihre Bedienung. 1938, Industrie-Verlag Carl Haenchen, Berlin-Eichwalde, S. 144.

[11] Buderus-Lollar Handbuch. Buderus’sche Eisenwerke Wetzlar 31. Ausgabe 1965, S. 399.

[12] Schulze, G.: Der Installateur. Bonneß und Hachfeld Verlag Potsdam Kapitel Einführung in die Ventilation und Heizung von Dietz, L., S. 16.

[13] Fusch, G.: Über Hypokaustenheizungen und mittelalterliche Heizungsanlagen, 1910, Dissertation Gebrüder Jänecke, Hof-druckerei Hannover.

[14] Scholtz: Feuerungs- und Ventilationsanlage. 1881, Verlag von Gustaf Weise, Stuttgart, S. 29.

[15] Hüser, H.: Wärmetechnische Messungen an einer Hypokaus-tenheizung in der Saalburg. Bericht des Saalburg-Museums, Saalburg Jahrbuch. 1979, Walter de Gruyter, Berlin, New York, S. 18.

[16] Baatz, D.: Heizversuch an einer rekonstruierten Kanalheizung in der Saalburg. Saalburg Jahrbuch. 1979, Walter de Gruyter, Berlin, New York. S. 31/44.

[17] Baurichtlinien für Medizinische Bäder. Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V. 1982, Verlag Arno Schrickel, Oberst-dorf, S. 90.

[18] Richtlinien für den Bäderbau. Koordinierung Bäder, 2. Auf-lage, Aug. 1982, S. 217.

[19] Kretzschmer, F.: Bauformen und Wirkungsweise antiker Hei-zungen. Gesundheits-Ingenieur 78 (1957), S. 353–357.

[20] Brödner, E.: Die Römischen Thermen und Das Antike Bade-wesen. 1983, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, S. 157.

[21] Baumgartner: Die Naturlehre nach ihrem gegenwärtigen Zu-stand. 1842, Verlag Karl Gerold, Wien, S. 671

[22] Hübner, J.: Natur – Kunst – Berg – Gewerk und Handlungs-Lexicon. 1722, Joh. Friedr. Gleditschens Seel. Sohn, S. 1867.

[23] Shachtmann, T.: Minusgrade. 2001, Rowohlt Taschenbuch Ver-lag, S. 71.

[24] Halle, J., S.: Fortgesetzte Magie oder die Zauberkräfte der Natur. 1797, In der Buchhandlung des Geh. Commerzienraths Pauli, Berlin, S. 252.

[25] Preußker, H.: Die Gestaltung der Heizflächen an Außenfens-tern, HLH 20 (1969) Nr. 5, S. 188.

[26] Heid, H.R. und Kollmar, A.: Die Strahlungsheizung. 1948, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S., S. 32.

[27] Usemann, K.W.; Fox, U.; Müller, G. und Schiebold, H.: Arbeits-mappe Heiztechnik Raumlufttechnik Sanitärtechnik. 1984, VDI-Verlag GmbH.

[28] Glas- und Heiz-/Kühlsystem, simulierbar mit SITREX. Ingeni-eurbüro Timmer Reichel GmbH, Ohligser Str. 37, 42781 Haan, 8/1996.

[29] Schiebold. H.: Zur Entwicklungsgeschichte der antiken Hei-zung und Warmwasserwärmung. Gesundheits-Ingenieur 117 (1996), S. 179–186.

[30] Reichel, W.: Beheizte und gekühlte Glasfassaden. Ki Luft- und Kältetechnik 12 (1994), S. 603–605.

[31] Koch, J.: Architektur- und Ökologie. Zwischenbericht zum Pro-jekt Stadttor Düsseldorf, Fassaden der Zukunft. Mit der Sonne leben. Internat. Forum, 8./9. Okt. 1992 in Köln, Proceedings S. 41–55.

[32] Reichel, W.: Heizversuche in der rekonstruierten Herbergstherme in Xanten. Gesundheits-Ingenieur 118 (1997), S. 190–195.