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Die Flieger-Abenteuer des Friedrich Karl Freiherr Koenig von und zu Warthausen Zum 60. Jahrestag seines Weltfluges im Jahre 1928/29 Von Hans Hutzel, Ummendorf Friedrich Karl wurde am 2. April 1906 auf dem oberschwäbischen Schloß Warthausen geboren. Schon als kleiner Junge saß er auf den Knien des Grafen Zeppelin, der mit den Koenig-Warthausen befreundet war. Beim Schwabenflug im Jahre 1911 sah er als Fünf jähriger, wie ein notgelandeter "Gar- tenstuhl mit Flügeln", nahe der Eisenbahnlinie Bi- berach-Ochsenhausen, wieder flugfähig gemacht werden sollte; dieses Erlebnis hat er nie vergessen. Mit 17Jahren machte er auf der Wasserkuppe den Segelfliegerschein. Von Januar bis November 1926 wurde er zum Motorflieger ausgebildet, dabei flog er insgesamt 17 Stunden. Als Charles Lindbergh am 20. Mai 1927 mit der "Spirit of St. Louis" von New York nach Paris den Atlantik in knapp 34 Stunden überquerte und dabei einen neuen Weltre- kord im Dauerflug aufstellte, packte Friedrich Karl das Rekordfieber. Er ließ seinem Vater keine Ruhe, bis er von ihm ein Klemm-Leichtflugzeug bekam. Am 11.August 1928traf der 22jährige auf dem Flug- platz Berlin-Tempelhof Vorbereitungen für den Flug Berlin - Moskau. Mit diesem Flug wollte der junge Mann den bestehenden Langstrecken-Welt- rekord für Leichtflugzeuge brechen, den bisher ein Franzose innehatte. Das Vorhaben erschien ihm nicht sehr schwierig, er brauchte nur ohne Unter- brechung von Berlin nach Moskau zu fliegen. Heimlich hoffte er noch, dabei den Hindenburg- Pokal zu gewinnen, und damit ein Preisgeld von 10000 Mark. Pokal und Preis waren von dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für die beste deutsche Amateurleistung mit einem Sport- flugzeug ausgesetzt worden. Mit dem Gewinn des Preis geldes wollte er seinem Vater die Auslagen für die Flugschule und für das Flugzeug ersetzen. Der Wille und der Mut des Freiherrn war schon beacht- lich, wollte er doch mit seinem ganzen Barvermö- gen von 6 Mark und 40 Pfennigen den Flug wagen. Gute Freunde legten etwas Geld zusammen, und die Barschaft erhöhte sich auf 40 Mark. Eine Ther- mosflasche Tee, ein Bündel Bananen, eine Zahn- bürste, eine Leuchtpistole und eine geliehene Landkarte waren die ganze Ausrüstung für den geplanten Weltrekordflug. Erfahrene Flugzeugführer warnten den Frei- herrn; mit einem so kleinen Flugzeug würde er die Strecke Berlin - Moskau nie schaffen. Das Flug- zeug, "Kamerad" hatte er es getauft, eine Klemm L 20 mit offenen Sitzen, in Holzbauweise und stoffbe- spannt, mit einer Spannweite von 13 Meter, einer Reichweite von 480 Kilometer und einer Höchstge- schwindigkeit von 105 Kilometer in der Stunde, schien für diesen Flug geradezu lächerlich. Um die Reichweite zu erhöhen, wurden zusätzliche Ben- zintanks eingebaut. Damit konnte die kleine Klemm auch unter schwierigen Bedingungen weit über 2000 Kilometer fliegen. Der schwächste Teil des ganzen Unternehmens war ohne Zweifel der Mercedes- Benz-Zweizylinder-Viertakt- Boxermo- tor F 7502 mit einem Hubraum von 1768 ccm und einer Leistung von 20PS. Obwohl dieser Motor von Prof. Porsche konstruiert wurde (Porsche war da- mals Chef des Untertürkheimer Konstruktionsbü- ros), galt dieser Motor als nicht sehr zuverlässig. Gehäuse- und Ventilbrüche stellten dem Vorläufer des VW-Motors kein gutes Zeugnis aus. Alle diese Bedenken schlug der Freiherr in den Wind. Nachts um 2 Uhr des 12. August 1928 rollte die kleine Klemm mit der Nr. D 1433an den Start und ver- schwand ohne Funkgerät an Bord in der Nacht. Das Flugzeug nahm Kurs nach Osten und folgte den Leuchtfeuern der Nachtflugstrecke für die Ver- kehrsflugzeuge. Die ersten Stunden vergingen wie im Traum, gleichmäßig surrte der Motor, links und rechts stießen die glühenden Auspuffrohre ihren roten Feuerschein aus. Am frühen Morgen über- querte er verbotenerweise Polen, und über Danzig, Insterburg erreichte der Pilot bei Dünaburg die Sowjetunion. Schnurgerade ging nun der Flug wei- ter nach Moskau, bisher ging alles gut, beinahe zu gut. Allmählich wurde die Luft unruhiger, Gegen- wind kam auf, Müdigkeit überfiel den mutigen Flieger, aber er war überzeugt, sein Ziel zu errei- chen. Da, plötzlich dicke Nebel am Horizont, er mußte tiefer fliegen, um die Sicht auf den Boden nicht zu verlieren. Regentropfen stachen ihm ins Gesicht, aber nicht genug, der Regen wurde zum Wolkenbruch, ein Weiterfliegen war unmöglich. Er drosselte den Motor und setzte das Flugzeug zur Landung an; auf einer Wiese nahe eines Dorfes kam er herunter. Da saß er nun in seinem Flugzeug, naß bis auf die Haut und keiner Bewegung mehr fähig. Aus allen Fugen seines "Kameraden" lief das Regenwasser, aus war der Traum vom Weltrekord. Nach 16 Stunden Flug und einer Strecke von ca. 1700Kilometer das bittere Ende. Obwohl der alte Rekord um 20 Kilometer überboten wurde, reichte diese Strecke nicht aus für die Anerkennung als neuer Weltrekord. Die Regeln besagen, daß der bestehende Rekord um eine genau festgelegte Strecke überboten werden muß, um anerkannt zu werden. Damit fiel der angestrebte Weltrekord we- gen ein paar lumpigen Kilometern buchstäblich ins Wasser. Mit einem Auto wurde der Freiherr nach Moskau gebracht, dort erholte er sich erst ein paar Tage, bevor er seinen "Kameraden" mit einem Flug von 20Minuten nach Moskau brachte. Den Weltrekord konnte er nicht brechen, aber sein Wille, den Hindenburg-Pokal zu gewinnen, war ungebrochen. Aus Deutschland ließ er Ersatz- teile kommen, um sein angeschlagenes Flugzeug zu reparieren. Von Moskau flog er nach Charkow und von dort weiter nach Rostow. Dort wurde ihm eine besondere Ehrung zuteil: er wurde zum Ehren- mitglied der sowjetischen Luftstreitkräfte ernannt. Er flog weiter nach Armavir, Wladikawkas, Ma- chatschkala, Baku, Pachlewi, Kaswin, Teheran, Is- fahan bis Jast i Khast. Jede dieser Teilstrecken war ein Abenteuer für sich, aber bei Jast i Khast im heutigen Iran machte Koenig einen folgenschwe- ren Fehler. Erfahrene Piloten empfahlen ihm, der Karawanenstraße nach Schiras zu folgen, er aber wollte um 100 Kilometer abkürzen und über das 47

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Die Flieger-Abenteuer des Friedrich KarlFreiherr Koenig von und zu WarthausenZum 60. Jahrestag seines Weltfluges im Jahre 1928/29

Von Hans Hutzel, Ummendorf

Friedrich Karl wurde am 2. April 1906 auf demoberschwäbischen Schloß Warthausen geboren.Schon als kleiner Junge saß er auf den Knien desGrafen Zeppelin, der mit den Koenig-Warthausenbefreundet war. Beim Schwabenflug im Jahre 1911sah er als Fünf jähriger, wie ein notgelandeter "Gar-tenstuhl mit Flügeln", nahe der Eisenbahnlinie Bi-berach-Ochsenhausen, wieder flugfähig gemachtwerden sollte; dieses Erlebnis hat er nie vergessen.Mit 17 Jahren machte er auf der Wasserkuppe denSegelfliegerschein. Von Januar bis November 1926wurde er zum Motorflieger ausgebildet, dabei floger insgesamt 17 Stunden. Als Charles Lindbergham 20. Mai 1927 mit der "Spirit of St. Louis" vonNew York nach Paris den Atlantik in knapp 34Stunden überquerte und dabei einen neuen Weltre-kord im Dauerflug aufstellte, packte Friedrich Karldas Rekordfieber. Er ließ seinem Vater keine Ruhe,bis er von ihm ein Klemm-Leichtflugzeug bekam.Am 11.August 1928traf der 22jährige auf dem Flug-platz Berlin-Tempelhof Vorbereitungen für denFlug Berlin - Moskau. Mit diesem Flug wollte derjunge Mann den bestehenden Langstrecken-Welt-rekord für Leichtflugzeuge brechen, den bisher einFranzose innehatte. Das Vorhaben erschien ihmnicht sehr schwierig, er brauchte nur ohne Unter-brechung von Berlin nach Moskau zu fliegen.Heimlich hoffte er noch, dabei den Hindenburg-Pokal zu gewinnen, und damit ein Preisgeld von10000 Mark. Pokal und Preis waren von demReichspräsidenten Paul von Hindenburg für diebeste deutsche Amateurleistung mit einem Sport-flugzeug ausgesetzt worden. Mit dem Gewinn desPreis geldes wollte er seinem Vater die Auslagen fürdie Flugschule und für das Flugzeug ersetzen. DerWille und der Mut des Freiherrn war schon beacht-lich, wollte er doch mit seinem ganzen Barvermö-gen von 6Mark und 40 Pfennigen den Flug wagen.Gute Freunde legten etwas Geld zusammen, unddie Barschaft erhöhte sich auf 40 Mark. Eine Ther-mosflasche Tee, ein Bündel Bananen, eine Zahn-bürste, eine Leuchtpistole und eine gelieheneLandkarte waren die ganze Ausrüstung für dengeplanten Weltrekordflug.Erfahrene Flugzeugführer warnten den Frei-

herrn; mit einem so kleinen Flugzeug würde er dieStrecke Berlin - Moskau nie schaffen. Das Flug-zeug, "Kamerad" hatte er es getauft, eine Klemm L20mit offenen Sitzen, in Holzbauweise und stoffbe-spannt, mit einer Spannweite von 13Meter, einerReichweite von 480 Kilometer und einer Höchstge-schwindigkeit von 105 Kilometer in der Stunde,schien für diesen Flug geradezu lächerlich. Um dieReichweite zu erhöhen, wurden zusätzliche Ben-zintanks eingebaut. Damit konnte die kleineKlemm auch unter schwierigen Bedingungen weitüber 2000 Kilometer fliegen. Der schwächste Teildes ganzen Unternehmens war ohne Zweifel derMercedes- Benz-Zweizy lind er-Viertakt- Boxermo-tor F 7502 mit einem Hubraum von 1768 ccm und

einer Leistung von 20PS. Obwohl dieser Motor vonProf. Porsche konstruiert wurde (Porsche war da-mals Chef des Untertürkheimer Konstruktionsbü-ros), galt dieser Motor als nicht sehr zuverlässig.Gehäuse- und Ventilbrüche stellten dem Vorläuferdes VW-Motors kein gutes Zeugnis aus. Alle dieseBedenken schlug der Freiherr in den Wind. Nachtsum 2 Uhr des 12. August 1928 rollte die kleineKlemm mit der Nr. D 1433 an den Start und ver-schwand ohne Funkgerät an Bord in der Nacht.Das Flugzeug nahm Kurs nach Osten und folgteden Leuchtfeuern der Nachtflugstrecke für die Ver-kehrsflugzeuge. Die ersten Stunden vergingen wieim Traum, gleichmäßig surrte der Motor, links undrechts stießen die glühenden Auspuffrohre ihrenroten Feuerschein aus. Am frühen Morgen über-querte er verbotenerweise Polen, und über Danzig,Insterburg erreichte der Pilot bei Dünaburg dieSowjetunion. Schnurgerade ging nun der Flug wei-ter nach Moskau, bisher ging alles gut, beinahe zugut. Allmählich wurde die Luft unruhiger, Gegen-wind kam auf, Müdigkeit überfiel den mutigenFlieger, aber er war überzeugt, sein Ziel zu errei-chen. Da, plötzlich dicke Nebel am Horizont, ermußte tiefer fliegen, um die Sicht auf den Bodennicht zu verlieren. Regentropfen stachen ihm insGesicht, aber nicht genug, der Regen wurde zumWolkenbruch, ein Weiterfliegen war unmöglich. Erdrosselte den Motor und setzte das Flugzeug zurLandung an; auf einer Wiese nahe eines Dorfeskam er herunter. Da saß er nun in seinem Flugzeug,naß bis auf die Haut und keiner Bewegung mehrfähig. Aus allen Fugen seines "Kameraden" lief dasRegenwasser, aus war der Traum vom Weltrekord.Nach 16 Stunden Flug und einer Strecke von ca.1700 Kilometer das bittere Ende. Obwohl der alteRekord um 20 Kilometer überboten wurde, reichtediese Strecke nicht aus für die Anerkennung alsneuer Weltrekord. Die Regeln besagen, daß derbestehende Rekord um eine genau festgelegteStrecke überboten werden muß, um anerkannt zuwerden. Damit fiel der angestrebte Weltrekord we-gen ein paar lumpigen Kilometern buchstäblich insWasser. Mit einem Auto wurde der Freiherr nachMoskau gebracht, dort erholte er sich erst ein paarTage, bevor er seinen "Kameraden" mit einem Flugvon 20Minuten nach Moskau brachte.Den Weltrekord konnte er nicht brechen, aber

sein Wille, den Hindenburg-Pokal zu gewinnen,war ungebrochen. Aus Deutschland ließ er Ersatz-teile kommen, um sein angeschlagenes Flugzeugzu reparieren. Von Moskau flog er nach Charkowund von dort weiter nach Rostow. Dort wurde ihmeine besondere Ehrung zuteil: er wurde zum Ehren-mitglied der sowjetischen Luftstreitkräfte ernannt.Er flog weiter nach Armavir, Wladikawkas, Ma-chatschkala, Baku, Pachlewi, Kaswin, Teheran, Is-fahan bis J ast i Khast. Jede dieser Teilstrecken warein Abenteuer für sich, aber bei J ast i Khast imheutigen Iran machte Koenig einen folgenschwe-ren Fehler. Erfahrene Piloten empfahlen ihm, derKarawanenstraße nach Schiras zu folgen, er aberwollte um 100 Kilometer abkürzen und über das

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Hochgebirge fliegen. Zuerst stieg sein "Kamerad"wie ein Adler bis über 4000Meter Höhe, aber Fall-böen drückten das Flugzeug wieder hinunter bis 50Meter über Grund. Hier gab es kein Durchkom-men, in höchster Gefahr wendete er das Flugzeugund kehrte um. Mit Vollgas versuchte er das Flug-zeug zum Steigen zu bringen, um aus dem Hexen-kessel zu entkommen. Zu allem Unglück lief nochder Motor heiß und er mußte den Gashebel wiederzurücknehmen. Die Räder stießen auf dem Bodenauf, dann riß der Wind das Flugzeug wieder in dieLuft. Die Klemm wurde zum Spielball der Winde,es ging um Leben und Tod. Er konnte nichts mehrtun, als das Flugzeug so gut es noch ging durchSchluchten und Felsen steuern. Da sah er einenkleinen, ebenen Fleck, er nahm das Gas weg, kra-chend fiel das Flugzeug zu Boden und holperte aufeiner schrägen Felsplatte bergab. Bevor das Flug-zeug mit ihm in die Tiefe stürzte, riß er es herum,daß der Flügel den Boden streifte. Der "Kamerad"stand still, wenige Meter vor einem Abgrund.Schweißgebadet entstieg Koenig seinem Flugzeug,die Reifen waren geplatzt, der Schwanzsporn warweggebrochen, sonst waren keine größeren Schä-den zu sehen.Seine Lage war zum Verzweifeln, da stand er in

2850Meter Höhe auf einer Felsplatte und hatte keinWasser und keine Nahrung bei sich. Erschöpft legteer sich nieder und überlegte. Seine Klemm brauch-te etwa 25 Meter Startstrecke auf ebener Bahn. DieFelsplatte war etwas über 20 Meter lang. Wenn erdie Steine wegräumte, die Löcher mit Geröll undSand zuschüttete, das Gestrüpp abbrannte, seinen"Kameraden" wieder reparierte, müßte es dochmöglich sein, von der Felsplatte aus zu starten. Ersetzte seine Gedanken sogleich in die Tat um. Eineswollte ihm aber nicht gelingen: er brachte seinFlugzeug nicht an den oberen Rand der Felsplatte.Er konnte noch so kräftig in die Speichen greifen,das Flugzeug bewegte sich nicht. Er warf den Pro-peller an, kletterte in das Flugzeug und gab Vollgas,um so den Hang zu erklimmen. Aber das Flugzeugbewegte sich nicht. Vorsichtig stieg er aus demSitz, während der Motor noch auf Hochtouren lief,und drückte den Rumpf auf den Boden, wobei ersich behutsam zum Schwanz des Flugzeuges be-gab. Dort hob er das Schwanzende an und schobkräftig. Nun bewegte sich das Flugzeug und hol-perte die Felsplatte hinauf. Auf dem Rumpf nachvorne kriechend, gelang es ihm gerade noch, denGashebel zu erreichen und den Motor zu drosseln.Möglicherweise wäre sonst sein "Kamerad" ohneihn abgeflogen. Den gewünschten Startplatz hatteer nun erreicht. Er versuchte zu starten, das Flug-zeug rollte langsam auf der Felsplatte bergab, aberdie Geschwindigkeit war viel zu gering, um abzu-heben, und er brach den Start ab. Vielleicht war dieLuft mit 43 Grad Celsius zu warm und dadurch zuwenig tragfähig, dachte er. Am Abend, wenn eskühler war, wollte er nochmals einen Start versu-chen. Diesmal brachte er sein Flugzeug einfacherzum Startplatz. Er band eine Schnur an den Gashe-bel, stellte diesen auf Vollgas, schob von hinten einwenig und schon rollte das Flugzeug wieder berg-auf zum Startplatz. Zum Abstellen des Motorsbrauchte er nur an der Schnur zu ziehen, und schonstand das Flugzeug. Durch Wegräumen von einigengrößeren Steinen konnte er die Startbahn noch umeinige Meter verlängern. Alles was nicht niet- undnagelfest war, wurde noch kurzerhand aus demFlugzeug entfernt. Kurz vor Sonnenuntergang

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wagte er erneut den Start, die Räder hoben dabeikurz vom Boden ab, aber das Flugzeug sackte wie-der auf die Felsplatte, blitzschnell nahm er das Gasweg und stoppte mit einer Kurve vor dem Ab-grund.Es sollte wohl nicht sein, daß er von der Felsplat-

te aus starten konnte. Er packte alles, was er vorherausgeräumt hatte, wieder in das Flugzeug. Die Rä-der grub er in den Boden ein und beschwerte dasFlugzeug mit Steinen, damit es der Wind nichtfortwehen konnte. Der Mond war inzwischen auf-gegangen, er streichelte seinen "Kameraden" undsuchte sich dann einen Weg in die Tiefe. Es war zusteil, mehrmals mußte er wieder bergauf klettern,um einen besseren Weg zu suchen. Schließlichrutschte er einfach einen Abhang hinunter undfand sich in einer tiefen Schlucht wieder. Dort folg-te er einem ausgetrockneten Bachbett in der Hoff-nung, irgendwann auf Menschen zu stoßen. Er hat-te Glück, das Bachbett wurde immer breiter und erkam in ein Tal. Nach Stunden entdeckte er in einemBach frisches Wasser. Etwas später stieß er auf zweiHirten, wobei ihn ein Hirte bis nach Jast i Khastbrachte. Mit einer Kamelkarawane konnte er bisAbadeh mitreisen und von dort aus mit einem Last-wagen bis nach Schiras gelangen. In Schiras hatteer noch Grüße an den dort wohnenden Schwabenmit Namen Renner auszurichten. Dieser stauntenicht schlecht, als ihm ein schwäbischer Lands-mann ins Haus geschneit kam. Nach einem wohltu-enden Kaffee drängte der Freiherr, er wollte seinen"Kameraden" so schnell wie möglich aus seinemGebirgsgefängnis befreien. Der Sohn von Rennerhatte sich bereit erklärt, bei der Bergung des Flug-zeuges zu helfen. Mit einem samt dem Fahrer ge-mieteten Auto fuhren sie in 16 Stunden wiederzurück nach Jast i Khast. Dort wurde die Berg-ungsmannschaft noch durch drei Einheimischeverstärkt. Das Auto mußte stehenbleiben, dafürwurde auf vier Esel umgestiegen. Nach anfängli-chem, vergeblichem Suchen fand die Bergungs-mannschaft hoch in den Bergen den "Kameraden"wieder. Die Sonne ging gerade unter, als der Frei-herr einen Start riskieren wollte. Er hatte sich fol-genden Trick ausgedacht: Seine Begleiter solltendas Flugzeug mit allen Kräften festhalten, und so-bald der Motor die höchste Drehzahl erreicht hatte,sollten sie auf sein Kommando hin loslassen. DerFreiherr hoffte dann, wie von einem Katapult in dieLuft geschleudert zu werden. Statt in der Luftlandete das Flugzeug bereits beim Anrollen imDorngestrüpp.Offensichtlich hatte das gemeinsame Loslassen

des Flugzeugs durch die Haltemannschaft nichtrichtig geklappt. Als die Nacht hereinbrach, trat dieBergungsmannschaft ohne den "Kameraden" denRückweg nach Jast i Khast an. Im Gebirge wolltensie nicht übernachten, weil sie nicht dafür einge-richtet waren. Nach einem wohlverdienten Ruhe-tag in J ast i Khast startete die Bergungsmannschaftam folgenden Tag mit zehn zusätzlichen Männernzu einem erneuten Rettungsversuch für das Flug-zeug. Diesmal sollte das Flugzeug in zerlegtem Zu-stand zu Tal gebracht werden. Nach einem Nachtla-ger kamen sie ohne Schwierigkeiten wieder beimFlugzeug an. Die Bolzen, mit denen die Flügel amRumpf befestigt sind, wurden gelöst und die Flügelvom Rumpf abgenommen. Die Perser waren sehrklug, alle wollten beim Tragen der Flügel helfen,denn der Rumpf war wesentlich schwerer und un-handlicher. Zu allem Unglück faßten die Träger das

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Flugzeug so ungeschickt an, so daß weitere Löcherin der Stoffbespannung entstanden und das dünneSperrholz zerbrach. Renner drohte, bei jedem wei-teren Schaden werde der Lohn gekürzt. Die Trägererklärten darauf, sie gingen keinen Schritt mehr,wenn Renner seine Drohung wahrmache. Dieserlenkte ein, er versprach ihnen eine kleine Extrazu-lage, wenn sie das Flugzeug heil hinunterbringenwürden. Am folgenden Tag kamen sie in ebenesGelände, das Flugzeug konnte jetzt auf den Räderngerollt werden, wobei die Flügel links und rechtsam Rumpf angelegt waren. Der Transport des Flug-zeuges war jetzt wesentlich einfacher. Nach einemweiteren Tag kam die Bergungsmannschaft er-schöpft in J ast i Khast an. Elf Tage hatte die Ret-tungsaktion für den "Kamerad" gedauert, zwei wei-tere Tage dauerte es noch, bis der "Kamerad" wie-der zusammengeflickt war. Er sah aus wie einSchwerverletzter, mit Pflaster verklebt, verbundenund zerkratzt. Die Bergungsmannschaft sah aberauch .nicht viel besser aus, die Füße voller Blasen,Löcher in der Kleidung und die Haut vom Dornen-gestrüpp zerfetzt. Nun hielt den Freiherrn niemandmehr; er startete nach Schiras und dort wartete erauf seinen Freund Renner, der nach zwei Tagen mitdem Auto dort eintraf. Nachdem der Freiherr sicheinigermaßen erholt hatte, ging's am 12. Oktober1928weiter nach Buschir. Dort wurde er nach acht-tägiger Wartezeit dem damaligen Schah von Per-sien, Reza Khan Pachlewi, vorgestellt. Der Schahwar sehr erstaunt über die Leistungen der kleinenKlemm und deren Kapitän. Der Freiherr flog dannweiter nach Bender Abbas, von dort nach Pjask, ermachte auch Station in Pasni und landete schließ-lich in Karachi.Dort war er Gast bei den königlichen britischen

Luftstreitkräften, als ihn folgendes Telegramm er-reichte: "Beglückwünsche Sie als Gewinner desHindenburg-Pokals;" Nun hatte er es doch nochgeschafft, für das Jahr 1928den Hindenburg-Pokalzu gewinnen. Das mit dem Pokal verbundenePreis geld von 10000Mark hatte er inzwischen auchbitter nötig. Er hätte jetzt auch aufhören könnenmit seinen Flieger-Abenteuern, nach elf Notlan-dungen war sein "Kamerad" auch nicht mehr derJüngste.Der gewonnene Pokal ließ ihn nicht ruhen, er

mußte einfach weiterfliegen. Noch vor seinem er-sten Start zu neuen Abenteuern erhielt er von sei-ner Versicherungsgesellschaft ein Schreiben, inwelchem diese trotz bezahlter Prämie den Versi-cherungsschutz kündigte. Nach ihrer Meinung warder kleine Mercedes-Benz-Motor durch den bishe-rigen Flug schon überbeansprucht und außerdemsei seine Flugstrecke viel zu gefährlich. Nun, er flogjetzt quer durch Indien, die Strecke Hyderabad -Jodpur - Nasirabad - Agra - Delhi - Allahabad -Kalkutta meisterte er ohne größere Probleme. InKalkutta wurde der Freiherr Mahatma Gandhi vor-gestellt. Dieser sagte zu ihm: "Deutschland undIndien kämpfen denselben Kampf, um Freiheitund Recht, beide Völker sind beladen mit Ketten."Weiter ging der Flug nach Akyab und Rangun inBirma, dann nach Bangkok in Siam. Dort wurde erder Königin und dem König vorgestellt. Beim Ab-schied auf dem Flugplatz von Bangkok wurde ihmim Auftrag der Kronprinzessin ein kleiner Siamka-ter überreicht. Dieser begleitete ihn nun bis zumEnde seiner Reise. Nächstes Ziel war Singora, dortfüllte er die Benzintanks mit 130 Liter Benzin, dasfür den 1000Kilometer langen Flug nach Singapur

reichen sollte. Nach einem turbulenten Flug von 12Stunden erreichte er Singapur: der erste deutscheFlieger, der dort landete. In Singapur kam ihmauch der Gedanke, seinen Flug bis nach Amerikafortzusetzen. Natürlich konnte die kleine Klemmnicht über den Ozean fliegen. Mit dem Dampfer"Vogtland" gelangten beide nach Japan. Von Osakaaus flog er nach Tachikawa, wobei er sich im Nebelschwer verfranzte. Statt über dem Festland befander sich über dem offenen Meer. Im trüben Grauentdeckte er in der Ferne den Kraterkegel des Fu-dschijama, und wie schon oft fand er zuletzt dochnoch den richtigen Weg nach Tachikawa. Ein Japa-ner bezeichnete den Freiherrn als Luftwandler wieden Wind, weil er seine Flugziele spontan änderte.In Yokohama wurden beide auf den japanischenDampfer "Siberia Maru" verladen, mit Ziel SanFranzisko.In San Franzisko angekommen bekam Koenig

gleich die Gepflogenheiten der neuen Welt zu spü-ren. Der amerikanische Luftfahrtminister schickteihm ein Telegramm, wobei er ihn herzlich willkom-men hieß in Amerika, und wenn er etwas für ihntun könne, brauche er nur zu telegraphieren. EinLuxushotel lud ihn ein, vollkommen gratis zu woh-nen, und ein Auto stand auch schon für ihn bereit.Und noch eine besondere Aufmerksamkeit hattedas Luxushotel ihm zugedacht, in der gedrucktenSpeisekarte stand: "Frankfurter Würstchen ä laKoenig-Warthausen". Für drei Sätze im Rundfunkbekam er über 100 Dollar, die er gut gebrauchenkonnte. Ein Problem aber hatte er doch, der Nameseines Flugzeugs "Kamerad" galt in Amerika alsanstößig; gezwungenermaßen mußte er seineKlemm in "Hünefeld" umtaufen. Aber bald hatte erden Rummel satt, sein nächstes Ziel war Los Ange-les, eine Strecke, die ungefähr Berlin - Friedrichs-hafen entsprach. In Hollywood war er zu Gast beidem berühmten Filmproduzenten Carl Lämmle,der 1867in Laupheim zur Welt kam und dann nachAmerika auswanderte. Dem Freiherr wurden dieFilmstars Greta Garbo und Lya Mara vorgestellt,Schildkraut und den Regisseur Lubitsch lernte erebenfalls kennen. Weiter flog er nach San Diego,dort erwartete ihn Claude Ryan, der Erbauer desLindbergh-Flugzeugs. Es folgte ein Abstecher nachAgua Caliente in Mexico, er war der erste deutscheFlieger, der in Mexico landete. In einem Spielkasi-no gewann er 250 Dollar, die seinen leeren Geld-beutel wieder füllten. Nächstes Ziel war Tucson,das er kurz vor einem Sandsturm gerade noch er-reichte. Bei dem Flug von Tuesen nach EI Pasogeriet er in ein Gewitter. In Strömen lief das Wassernach der Landung aus dem Flugzeug. Am folgen-den Tag, als ihn ein Taxi vom Hotel zum Flugplatzbringen wollte, wurde das Taxi in einen Unfall ver-wickelt. Der Freiherr erlitt dabei schwere Verlet-zungen. Anfang Oktober war er wieder soweit her-gestellt, daß er einen Flug nach dem 550Kilometerentfernten Big Spring wagte, Nach einem mühseli-gen Flug landete er in Big Spring in der Dunkelheitin einem Gemüsegarten, er hatte die Landebahnverfehlt. Drei Tage dauerte die Reparatur des Flug-zeugs, dann ging's weiter nach Dallas. Dort wurdedie in Big Spring begonnene Reparatur zu Endegeführt, die wieder zwei volle Tage in Anspruchnahm. Noch waren es 4000 Kilometer bis NewYork, und wenn er es schaffte, bis am 24. Oktoberauf einem Dampfer zu sein, so konnte er noch vordem 1. November in Deutschland ankommen. Am1.November mußte er auf deutschem Boden sein,

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wenn er den Hindenburg-Pokal für das Jahr 1929auch noch gewinnen wollte. Er startete am 14.Ok-tober in Dallas nach Oklahoma, am 15.Oktober floger weiter nach Tulsa, von dort nach Springfield undkam noch bis St. Louis. Am 17.Oktober startete ernach Chicago mit Zwischenlandung in Blooming-ton, dort mußte der Motor gewartet werden. In derDämmerung erreichte er Chicago, anderntagsging's gleich weiter mit dem Ziel Detroit, wo eineNachtlandung vorgesehen war. Ungefähr 50 Kilo-meter vor dem Ziel gab es einen scharfen Ruck,dazu einen lauten Knall und der Motor stand still.Die kleine Klemm schwebte lautlos hinab in dieDunkelheit; wohin es ging, konnte der Pilot nichterkennen. Auf eine helle Fläche steuerte er zu,dann tat es einen Rumpier und die Erde hatte ihnwieder. Mit der Taschenlampe stellte er einen Ein-laßventilbruch am linken Zylinder fest. Er schraub-te den linken Zylinderkopf ab und ein in der Nähewohnender Farmer brachte ihn nach Detroit. Ver-dreckt und niedergeschlagen, in der Hand den Zy-linderkopf, auf dem anderen Arm seine Katze unddie Aktenmappe mit einem Draht um die Schultergehängt, betrat er das Nobelhotel "Book Cadillac".Zufällig war der deutsche Graf Luckner, genanntder "Seeteufel", zu Gast in diesem Hotel; Lucknerversprach, seinem Landsmann zu helfen. Bei Tagesuchten beide das Flugzeug, es war gar nicht weitvon den Ford-Werken niedergegangen. Mit dem be-schädigten Zylinderkopf suchten sie den Chefinge-nieur der Ford-Flugzeugabteilung auf, der ihnengern ein neues Einlaßventil zusagte. Nach wenigenStunden hatte Ford ein neues Einlaßventil gefer-tigt. Trotz Nässe und Kälte half ihm Graf Luckner,den Zylinderkopf wieder an den Motor zu montie-ren. Der Freiherr betrachtete seine Klemm, dasSperrholz war vom Wasser aufgequollen, die Pfla-ster lösten sich von der Bespannung, die Tragflügelwellten 'sich und das Holz war an vielen Stellengesprungen. Dazu kam noch Regen. Der Freiherrhatte genug, er wollte nicht mehr weiterfliegen.Graf Luckner munterte ihn wieder auf, er wolledoch nicht wegen dem bißchen Regen aufhören,noch habe er vier Tage Zeit bis New York. DerHimmel wurde aber immer düsterer, zum Regenkam Sturm, fröstelnd und niedergeschlagen saß erim Hause des Farmers, der ihm seit seiner unfrei-willigen Landung seine volle Unterstützung gab.Er wartete sehnliehst auf besseres Wetter, doch

vergebens. Am 20. Oktober gegen Abend telegra-phierte er nach Deutschland, daß er wahrschein-lich bis 24. Oktober keinen Dampfer mehr errei-chen werde. Der 21. und 22. Oktober gingen vorbei,aber das Unwetter ließ immer noch nicht nach. AusWashington erhielt er die Genehmigung, überkanadisches Hoheitsgebiet zu fliegen, damit er diehohen Berge von Pennsylvanien nicht zu überque-ren brauchte. Auch aus Deutschland kam eine guteNachricht: der Luftrat wollte es gelten lassen, wenner sich mit seinem Flugzeug bis am 1.November anBord eines deutschen Dampfers befand, könne ersich Hoffnungen machen, den Hindenburg-Pokalzu gewinnen. Jetzt hoffte er wieder, es doch nochzu schaffen. Trotz Sturm wollte er am 23. Oktobergegen 16.30Uhr einen Startversuch, aber gegen denSturm kam er nicht an. Das Flugzeug wurde in derLuft rückwärts getrieben, so daß es ca. 2 Kilometervon seinem bisherigen Ankerplatz wieder zu Bo-den ging. Der 24. Oktober brachte keine Wetterbes-serung. Am 25. Oktober war nur noch trübes Wet-ter, endlich konnte er starten und er landete auf

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dem nahen Flugplatz in Detroit. Dort wurde er demAutokönig Henry Ford, dem Erfinder der Glühbir-ne Edison und dem amerikanischen PräsidentenHoover bekanntgemacht. Henry Ford wollte unbe-dingt den 20-PS-Mercedes-Benz-Motor sehen. DerFreiherr montierte dafür eigens die Motorverklei-dung ab. Der Abflug von Detroit erfolgte am 26.Oktober, mit hohem Tempo fegte er dann überkanadisches Gebiet. Auf einmal verlor der Motoran Drehzahl, die Folge war eine unfreiwillige Zwi-schenlandung in London. Die Ursache des Dreh-zahlverlustes wurde bald gefunden, eine Ventilfe-der war gebrochen. Zwei junge Flieger gewährtenihm Nachtquartier und am anderen Tage wickeltensie bei einem Schlosser neue Ventilfedern. Ein Pro-belauf des Motors ergab, daß die selbstgefertigtenVentilfedern zu schwach waren. Sofort wurdenneue Ventilfedern aus stärkerem Federstahldrahtgewickelt und diese taten ihren Dienst. So gingwegen der gebrochenen Ventilfeder der 27. Okto-ber vorbei, ohne daß er weiterkam. Am 28. Oktoberwar wegen einem Schneesturm kein Start möglich.Gegen Mittag des 29. Oktober startete er, doch we-gen starkem Gegenwind kam er nur bis Haltimonam Ontariosee. Dicker Nebel am 30. Oktober er-möglichte einen Start erst kurz vor 15Uhr. Er flogam Ufer des Ontariosees entlang zu den Niagarafäl-len, dort kreiste er eine Viertelstunde lang überdem gewaltigen Naturschauspiel.Ohne gültige Einreisepapiere landete er dann auf

dem Flugplatz Buffalo. Am 31. Oktober wieder Re-gen, aber um 15 Uhr startete er und folgte derEisenbahnlinie nach New York. Lange Zeit flog ermit dem Schnellzug um die Wette. In der Dämme-rung war ihm der fauchende Glühwurm ein zuver-lässiger Wegweiser. Der Regen setzte aber mit vol-ler Kraft wieder ein und er verlor den Schnellzugwieder aus den Augen. Mit letzter Anstrengunggelang es ihm noch, auf dem gut beleuchteten Flug-platz Syracuse zu landen. Kaum angekommen,führte er ein Ferngespräch mit dem deutschenKonsul in New York. Dieser las ihm ein Telegrammaus Deuschland vor, daß ihm der HindenburgPo.kal sicher wäre, wenn sein Flugzeug am 1.Novem-ber an Bord eines deutschen Dampfers sei. Jetztwar er wieder zuversichtlich, die noch fehlendeStrecke konnter er mit Leichtigkeit schaffen, dach-te er. Der 1.November, der alles entscheiden sollte,brach an, wieder Regen, doch um 12Uhr startete er.Spätestens in 5 Stunden wollte er endlich in NewYork sein. Er wollte ganz sicher gehen und flog derEisenbahnlinie nach New York entlang. In einerengen Schlucht kam undurchsichtiger Nebel auf,und verzweifelt suchte er ein Schlupfloch. Es gababer kein Durchkommen, und er mußte auf einerWiese landen. Nach einer dreiviertel Stunde verzogsich der Nebel und er startete wieder. Weit kam ernicht, denn die Wolken versperrten ihm jede Sichtund auf einem Sturzacker beendete er vorzeitig denFlug. Bald bekam er noch Gesellschaft eines ameri-kanischen Fliegers, der ebenfalls notlanden mußte.Der 1. November ging somit vorbei, und aus warder Traum, den Hindenburg-Pokal zu gewinnen.Bei einem Farmer übernachteten die beiden Flie-ger. Der Freiherr erzählte dem amerikanischenFlieger Dick Philipps seine Weltreise und daß er1928 den Hindenburg-Pokal gewonnen habe. Die-sen Pokal wolle er auch für das Jahr 1929gewin-nen. Das Schicksal wolle es aber anders, erst derAutounfall, dann die Probleme mit dem Flugzeugund zuletzt mache das Wetter einen Strich durch

Page 5: Die Flieger-Abenteuer desFriedrich Karl Freiherr Koenig von …¤tter... · 2020. 4. 11. · Die Flieger-Abenteuer desFriedrich Karl Freiherr Koenig von undzuWarthausen Zum 60. Jahrestag

die Rechnung. Keinen Meter wolle er mit demFlugzeug mehr fliegen, er war jetzt 16Monate un-terwegs und der Pokal fiel wegen Nebel aus. Kannich verstehen, sagte Dick Philipps zu ihm, aber erwürde zu Ende machen; selbst wenn er noch zehnPannen erleben würde, er sollt!'! nicht aufgeben.Am anderen Morgen wieder Regen, aber um 15Uhrstarteten die beiden Flieger, doch Dick Philippswar mit seinem 100-PS-Motor bald in der Ferneverschwunden. Auch an diesem Tage kam der Frei-herr nicht weit, wegen Nebel mußte er auf demFlugplatz Albany niedergehen.Am 3. November löste sich der Nebel erst wieder

um 14.30Uhr auf, er startete sofort zur letzten Etap-pe und flog dicht über dem Hudsonfluß. Um 17Uhrlandete die Klemm mit ihrem Kapitän bei Schein-werferlicht auf dem New Yorker Roosevelt Field.Dort wurde ihm der schönste Empfang zuteil, erwar am Endes seines Weltfluges. Er erhielt eineEinladung von dem Club der "Ruhigen Vogelleu-te"; nur erstklassige Flieger wurden in diesen Clubaufgenommen. Charles Lindbergh hieß ihn will-kommen und in Anwesenheit vieler berühmterFlieger erhielt er eine goldene Plakette mit derInschrift: Friedrich Karl von Koenig-Warthausen,Der Träger ist erwiesenermaßen ein gutes Mitglied,ein rechter Kerl. Er hat sich aus eigener Kraft em-porgeschwungen und darum soll ihm als Freund

F. K. Freiherr vonKoenig- Warthausenbeim Probelauf seiner20 PS starken KlemmL20.

F. K. Freiherr vonKoenig- Warthausenbei seinem Weltflug1928.

stets Freundschaft und Hilfe von allen ,RuhigenVogelleuten' erwiesen werden.Nach einer wohlverdienten Ruhepause kehrte er

von Amerika mit einem Dampfschiff nachDeutschland zurück. Dort wurden ihm zahlreicheEhrungen zuteil. Mercedes-Benz schenkte ihm einAuto, und seine Heimatstadt Biberach veranstalte-te eigens für den Weltflieger einen Umzug. Niemalsin seinem Leben hat der Freiherr nochmals einenso abenteuerlichen Flug unternommen, wobei esschon an ein Wunder grenzte, daß er seinen Welt-flug einigermaßen heil überstand. Nach einem auf-regenden Leben verstarb der große Flieger Fried-rich Karl Freiherr Koenig von und zu Warthausenam 15. Dezember 1986 im Alter von 80 Jahren inMünchen. Begraben wurde er in Oberaudorf. ImDaimler-Benz-Museum in Stuttgart-Untertürk-heim befindet sich ein originaler Nachbau seinerberühmten Klemm L 20mit der Nr. D 1433.

QuellenF. K. Freiherr von Koenig-Warthausen"Mit 20 PS und Leuchtpistole"Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart-Berlin 1932

F. K. Freiherr von Koenig-Warthausen"Weiter mit 20 PS"Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart-Berlin 1933Archiv Daimler-Benz AG Stuttgart

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