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in association with Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen Dieses Dokument ist als Open-Access-Buch unter der CC-by-nc-nd 3.0-Lizenz veröffentlicht. Mehr zu der Lizenz und der Open Access-Initiative auf der nächsten Seite. Module Name: Creative Perspectives Module Number: 204 Date Submitted: 05.09.2006 Award Name: Bachelor of Arts (Honours) Film Making Year: 2005 / 2006 Name: Julio Olmo Poranzke City: Berlin Country: Germany Module Leader: Frank Lymann Staffing: Peter Duhr Word Count: 5274

Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen

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Diese Arbeit betrachtet die Entwicklung des Dokumentarfilms und der Filmtechnik mit Blick auf die Vereinnahmung als Propagandainstrument in Deutschland und den ihr vorangegangenen Staaten mit Schwerpunkt auf den ersten und zweiten Weltkrieg. Der Begriff Propaganda wird in dieser Arbeit entsprechend seines lateinischen Ursprungs propagare als Synonym für die Ausbreitung/-weitung einer Meinung oder Überzeugung verwendet, also auch für Werbung.

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Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter

Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im

Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen

Dieses Dokument ist als Open-Access-Buch unter der CC-by-nc-nd 3.0-Lizenz veröffentlicht. Mehr zu der Lizenz und der Open Access-Initiative auf der nächsten Seite.

Module Name: Creative Perspectives

Module Number: 204

Date Submitted: 05.09.2006

Award Name: Bachelor of Arts (Honours) Film Making

Year: 2005 / 2006

Name: Julio Olmo Poranzke

City: Berlin

Country: Germany

Module Leader: Frank Lymann

Staffing: Peter Duhr

Word Count: 5274

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Inhaltsverzeichnis1 Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher

Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen...................4

1.1 Definition des dokumentarischern Films....................................................................... 4

1.2 Die Anfänge des Films 1895......................................................................................... 5

1.3 Dokumentarfilme vom ersten Weltkrieg bis zur Einführung des Tonfilms......................6

1.4 Der beschreibende Dokumentarfilm, der Agitpropfilm und die Essays........................10

1.5 Die Einführung des Tonfilms....................................................................................... 12

1.6 Der Dokumentarfilm während des zweiten Weltkrieges.............................................. 13

1.7 Die Einführung des Farbfilms......................................................................................14

1.8 Der Siegeszug des Fernsehens in der Nachkriegszeit................................................15

1.9 Cinéma Vérité, Direct Cinema und Free Cinema....................................................... 16

1.10 Der Dokumentarfilm in der Deutschen Demokratischen Republik.............................18

1.11 Der Entwicklung des Dokumentarfilms zum Bürgermedium und die Einführung

elektronischer Kameras.................................................................................................... 19

1.12 Von der Einführung des digitalen Videos bis heute................................................... 20

Literaturverzeichnis............................................................................................................ 22

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

1 Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen

Diese Arbeit betrachtet die Entwicklung des Dokumentarfilms und der Filmtechnik mit

Blick auf die Vereinnahmung als Propagandainstrument in Deutschland und den ihr

vorangegangenen Staaten mit Schwerpunkt auf den ersten und zweiten Weltkrieg.

Der Begriff Propaganda wird in dieser Arbeit entsprechend seines lateinischen Ursprungs

propagare als Synonym für die Ausbreitung/-weitung einer Meinung oder Überzeugung

verwendet1, also auch für Werbung.

1.1 Definition des dokumentarischern Films

Im Laufe der Zeit haben sich zahlreiche Subgenres des dokumentarischen Films gebildet,

doch können die meisten einem der folgenden drei Ansätze, die bereits in den 30er

Jahren entstanden , zugeordnet werden:2

• der aufklärerische, erziehende Dokumentarfilm (Propagandafilm) – vorrangiges

Ziel ist die „Schaffung eines Weltbildes“,

• d e r informative, 'objektive' Dokumentarfilm – betrachtende, keine Wertung

mitliefernd (theoretisch),

• der betont subjektive, assoziative, künstlerische Dokumentarfilm –

avantgardistisch, den Zuschauer zum Nachdenken und Schlussfolgern anregend.

Der informative Dokumentarfilm erhebt den Anspruch, die Wahrheit/Wirklichkeit objektiv

und authentisch abzubilden. Doch darf nicht vergessen werden, dass allein schon durch

die Anwesenheit des Kamerateams die Situation verfälscht oder zumindest beeinflusst

wird, und somit kein Dokumentarfilm, gleich welchen Ansatz er verfolgt, wirklich objektiv

sein kann. Seriöse Dokumentarfilme sollten diese Beeinflussung für den Zuschauer

erkennbar machen, z.B. durch Kommentare oder andere Hinweise. Häufig fehlt dem

Zuschauer dieser Hinweis jedoch.

In der Filmwissenschaft wird zwischen einfachen Dokumenten, wie z.B.

Nachrichtensendungen die nur „eine simple Abbildung“3 der Wirklichkeit darstellen, und

1 vgl. Fischer, Yvonne, Propaganda im Nationalsozialismus, S. 12 vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms3 AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay

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zwischen 'echten' Dokumentarfilmen, die versuchen die Wirklichkeit zu zerlegen, zu

analysieren, die versuchen abzubilden, zu erzählen oder zu untersuchen, unterschieden.

Beiden Formen gemein ist der Anspruch, die Wirklichkeit realitätstreu abzubilden4 -oder

zumindest den Zuschauer glauben zu lassen, es handele sich um eine Abbildung der

Realität.

Neben dieser Unterscheidung kommt noch hinzu, dass die Grenze zwischen fiktionalen

und nicht-fiktionalen Produktionen nicht immer klar erkennbar ist. Einen solchen

Grenzbereich stellen z.B. die „Postkarten-Reisefilme“5 dar, Filme die eine idyllisierte Welt

zeigen, die so gar nicht mehr existiert. Auch wenn sie oft das Etikett Dokumentarfilm

tragen, „tendiert ihr Wirklichkeitsbezug gegen Null“.6 Sie können eher als idyllische

Wunschvorstellung denn als Werk von dokumentarischem Wert bezeichnet werden.

Auch Lehrfilme sind ein weiteres Beispiel für nicht-fiktionale Filme, die nicht als

Dokumentarfilme im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sind, sondern eher ein

beschreibendes Dokument als eine Analyse der Wirklichkeit sind.

Die Steigerung der Lehrfilme sind die Industriefilme, von Wirtschaftsunternehmen

bezahlte und in Auftrag gegebene Werbe-, oder Propagandafilme, was aber für den

Zuschauer aber oft nicht klar erkennbar ist, weshalb die genannten Formate nicht außer

Acht gelassen werden dürfen, spielten und spielen sie n o c h als Mittel der

Wirtschaftspropaganda eine nicht zu unterschätzende Rolle.7

1.2 Die Anfänge des Films 1895

Bereits die ersten „bewegten Bilder“ können als Vorläufer des Dokumentarfilms

bezeichnet werden. Im Jahr 1895 fanden die ersten öffentlichen Film-Aufführungen statt,

im deutschen Kaiserreich zeigten die Gebrüder Skladanowski den Film Boxendes

Känguruh mit Mr. Delaware, in Frankreich präsentierten die Gebrüder Lumière Arbeiter

verlasen die Lumière-Werke Doch diese kurzen Filme hatten noch nicht viel gemeinsam

mit den heutigen Dokumentar- oder Nachrichtenfilmen. Durch die großen relativ

unbeweglichen Kameras konnte nur mit dem Stativ gefilmt werden, das Filmmaterials war

sehr kurz und Filmmontage als gestalterisches Mittel fand noch keine Verwendung.8

So verloren bei aller Faszination für das Neue die statischen Bilder doch schnell ihren

4 vgl. ebd.5 ebd.6 ebd.7 vgl. Kittel, Walter, In: dradio.de, Zweitverwertung fürs Firmen-TV8 vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, S. 19

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Reiz für die Zuschauer. Bereits 1896 drehte der „erste Regisseur der Filmgeschichte“9

George Méliès seine ersten Film (Une Partie des Cartes). Der Franzose gilt als Pionier,

der komplexen Handlungsstränge, der Filmmontage und der Spezialeffekte (Stoptrick) in

Spielfilmen einsetzte (z.B. Le voyage dans la lune, 1902) und legte damit den Grundstein

für (fast) alle spätere Filme.

Ab 1908 entstanden die ersten Dokumentarfilme10, einer der Pioniere war der

österreichische Ethnograph Rudolf Pöch (Bushman Speaks into the Phonograph, 1908).

Mit zu den ersten Propagandafilmen zählten Werbefilme, die bereits zu Beginn der zehner

Jahre produziert wurden (z.B. Blick in eine Automobilfabrik, 1910 für Opel, Deutsches

Kaisereich). Sie wiesen mehr Ähnlichkeit mit sachlichen Lehrfilmen auf als mit heutigen

Image- oder Werbefilmen. Häufig wurde der Herstellungsprozess eines Produktes

gezeigt, und am Ende waren glückliche Konsumenten zu sehen. Bei Filmen über die

Nahrungsmittelindustrie wurde am Ende gerne der genüssliche Verzehr des beworbenen

Nahrungsmittels gezeigt.11

Der Begriff Dokumentarfilm wurde erst 1926 durch John Grierson geprägt, als er in einem

Artikel in der Zeitung The New York Sun den Film Moana von Robert J. Flaherty lobte.12

Die Gebrüder Lumière dagegen bezeichneten ihre Filme nur als vues (Ansichten).

Einen Unterschied zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Filmen sah dabei Richard M.

Barsam, ein Anhänger Griersons, nur darin, dass der nicht-fiktionale Film Fakten und nicht

Fiktionen dramatisiert.13

1.3 Dokumentarfilme vom ersten Weltkrieg bis zur Einführung des Tonfilms

Diese Dramatisierung der Fakten erreichte einen ersten Höhepunkt in den zahlreichen

Propagandafilmen des ersten Weltkrieges, in denen, "durch passende (und unpassende)

Filmszenen veranschaulicht und belegt"14, hauptsächlich propagandistische

Behauptungen über die Moral der Truppe oder die Niedertracht des Gegners verbreiten

wurden.

Die Aussagen dieser Stummfilme wurden durch Zwischentitel, Begleithefte oder

Sprecher15 ergänzt und verstärkt bzw. die Filmbilder stellten eine Ergänzung und

9 ebd. S. 2010 vgl.AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms11 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 73ff12 vgl. ebd. S. 21ff13 vgl. ebd. S. 7314 vlg. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 75 15 vgl. Laurel & Hardy, The Official Website

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Verstärkung der eigentlichen Aussage dar.16

Da die Kameraleute während der Kampfhandlungen nicht nah genug an das Schlachtfeld

heran kamen, - die Kameras waren noch immer sehr groß und unbeweglich und besaßen

noch keine Zoomobjektive, zudem war es natürlich nicht ungefährlich, während der

Kämpfe sich auf dem Schlachtfeld aufzuhalten - wurden die Kampfszenen nachgestellt,

wobei auf die Darstellung von Toten und Verletzten aus Propagandagründen verzichtet

wurde. Bilder von realen Geschehnissen gelangten nur sehr selten in die Kinos und wenn,

beschränkten sie sich auf zerstörte Gebäude, Brücken oder Kirchen, wobei letztere

ausnahmslos als vom Feind zerstört präsentiert wurden.

Eines der wichtigsten filmischen Formate zur Verbreitung der Kriegspropaganda stellten

die Wochenschauen dar. Im Deutschen Reich begann Oskar Messter schon 1896 mit der

Produktion eines Vorläufers der späteren Wochenschauen (Messter-Woche), der

Aktualitätenschau, doch konnte er sich damit (wie auch andere deutsche Versuche in

dieser Richtung) nicht gegen die Konkurrenz aus dem Ausland, vor allem aus Frankreich,

durchsetzen.17 Dies änderte sich erst durch das Verbot ausländischer Produktionen nach

Ausbruch des ersten Weltkrieges. Gezeigt wurden die Wochenschauen meistens im

Vorprogramm von Spielfilmen. Zu Beginn des Krieges waren dies oft

Kriegspropagandafilme, doch mit der Dauer des Krieges sank das Interesse der

Bevölkerung an ihnen und den Wochenschauen kam eine noch größere Bedeutung zu.18

Bis 1916 hatten die Mester-Wochenschauen mehr als 34 Millionen Besucher.19

Die Wochenschauen waren oft eher schlecht inszenierte Propaganda-Filme über

glückliche Frontsoldaten, als seriöse Informationsquelle und wurden, wie auch die

erläuternden Zwischentitel, mit fortwährender Dauer des Krieges vom Publikum als

unglaubwürdig empfunden.

Zur Stärkung und Organisation bzw. Zensur der Inhalte wurde 1916 die militärische Film-

und Fotostelle eingerichtet und 1917 umstrukturiert und umbenannt in Bild und Filmamt

(BuFa)20. Dieses, der Obersten Heeresleitung unterstellte Amt verfügte über sechs21 bis

sieben22 (in der Fachliteratur sind abweichende Angaben zu finden) eigene Filmtrupps, die

zur Berichterstattung an die Front geschickt wurden oder Militärparaden, jubelnde

16 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 7517 Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen18 vgl. Laser,Kurt, Zentrum der Filmpropaganda, In: Berlinische Monatsschrift 4/2000, S. 49-5719 vgl. ebd. S. S. 5520 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen21 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 8722 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen

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Menschen und natürlich den Kaiser abbilden mussten.

Es gab noch weitere Organisationen wie die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft (DLG),

gegründet 1916 mit Unterstützung von Vertretern der deutschen Schwerindustrie,23 deren

Ziel es war, die deutschen und vor allem die eigenen wirtschaftlichen Interessen im In-

und Ausland zu stärken und zu bewahren. Die DLG stand in Konkurrenz zur BuFa,

obwohl sie ähnliche Interessen verfolgte. 1927 wurden beide in die 1917 gegründete

Universal Film Aktiengesellschaft (Ufa) eingegliedert.24

Je länger der Krieg andauerte, umso mehr Lichtspielhäuser wurden eröffnet und boten mit

ihrem übertriebenen Luxus einen Zufluchtsort vor der trostlosen und aussichtslosen

Realität. Im April 1914 gab es in Berlin 195 Kinos, zu Ende des ersten Weltkrieges

(November 1918) waren es bereits 312.25

Auch in den anderen beteiligten Ländern des zweiten Weltkrieges wurden ähnliche

Propagandafilme gedreht und auch dort wurde auf Tote meistens verzichtet. Als 1915

Bilder von toten französischen Soldaten gezeigt werden, hielt „ein Kritiker des Londoner

Dispatch […] sie zur Vorführung für ungeeignet.“26 Für die Anwerbung neuer Rekruten

sollten vornehmlich die heiteren und angenehmen Seiten für die Soldaten in dem Krieg

gezeigt werden.

Doch schon ein Jahr später kam in Groß-Britannien der Dokumentarfilm The Battle Of

Somme in die Kinos, der diese Zurückhaltung ablegte. Dieser Film zeigte chronologisch

die gesamte Schlacht, von den Vorbereitungen bis zu den natürlich auch in diesem Film

nicht fehlenden fröhlichen und siegreichen eigenen Soldaten nach Ende der Schlacht.

Doch erstmals wurden auch gezielt tote Soldaten gezeigt. Aber auch dieser Film kam

nicht ohne gestellte Szenen (re-enactments) aus. Der Angriff der englischen Soldaten

wurde erwiesenermaßen nachgestellt.27 Der Historiker Roger Smither hält diesen

inszenierten Propagandafilm des britischen War Office trotz der nachgestellten Szenen für

einen dokumentarischen Kriegsfilm von historischer Qualität.28

Nach Martin Loiperdinger kann auf die Frage nach dem ersten Dokumentarfilm, wenn

überhaupt, nur The battle of the somme genannt werden.

In der Sowjetunion wurden Dokumentarfilme während der Revolution ebenfalls zu

Propagandazwecken eingesetzt, um die Vorzüge der Revolution zu preisen. Doch danach

23 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 8924 vgl. Laser,Kurt, Zentrum der Filmpropaganda, In: Berlinische Monatsschrift 4/2000, S. S. 5725 vgl. Kreimeier, Klaus, Die Ufa-Story, S. 4426 Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 7627 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 7828 vgl. ebd. S. 78

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mangelte es an Filmmaterial, so wie generell in weiten Teilen der Wirtschaft Mangel

herrschte, so dass die „Chronisten gezwungen [waren], mit aufwendigen

Montagetechniken und schnellen Schnittfolgen die reinen Dokumentationen mit bewusst

eingesetzten künstlerischen Mitteln aufzuwerten.“29

Ab 1922 leitete Dsiga Wertow die Produktion der Kino-Pradwas (Kinowahrheiten) in der

Sowjetunion, Monatsrückschauen ähnlich den Wochenschauen, jedoch „über den reinen

Informationszweck […] hinausgehend montiert […] zu einem umfassenden

publizistischen Blick auf den zurückliegenden Monat.“30

1923 veröffentlichte Wertow sein Manifest Kinooki (Kinoauge oder Filmauge), indem er

forderte, „die Vergewaltigung der Kamera“31 zu stoppen. Die Kamera sollte nicht mehr das

menschliche Auge kopieren, sondern dessen Schwächen an den Tag bringen. Wertow

entwickelte das Prinzip, augenscheinlich (im wahrsten Sinne) nicht zusammengehörige

Bilder hintereinander zu montieren und erst das Gehirn des Betrachters die

Zusammenhänge herstellen zu lassen.32

Wertows Manifest hatte Einfluß auf viele Filmemacher auf der ganzen Welt. In der

Weimarer Republik ließ z.B. Berlin: Die Sinfonie der Großstadt (1927) von Walter

Ruttmann, teilweise mit versteckter Kamera gedreht, den Einfluss Wertows und auch

Eisensteins erkennen. Später ließ sich Leni Riefenstahl von Ruttmanns Film beeinflussen

und engagierte ihn.33

In den USA dominierten zur damaligen Zeit klischeehaftige Reisefilme und kurze Filme

über ein aktuelles Thema (Interest-Filme).34

In Groß-Britannien waren Dokumentarfilme „als soziale Institution mit der Funktion eines

informationspolitschen Mediums“35 weit verbreitet. Merson z.B. sah den dokumentarischen

Film als ein „Mittel der Industriegesellschaft, die Staatsbürger aufzuklären und zu

erziehen.“36

In Frankreich dominierten deutsche und amerikanische Produktionen den

Filmmarkt,Italiens Filmindustrie hatte noch unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges

zu leiden.

29 AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms30 35 Millimeter – Texte zur internationalen Filmkunst, Kino-Glas (Film-Auge)31 ebd.32 vgl. ebd.33 vgl. Deutsches Filminstitut, Biografie Walther Ruttmann34 vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms35 35 Millimeter, Kino-Glas (Film-Auge)36 ebd.

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1.4 Der beschreibende Dokumentarfilm, der Agitpropfilm und die Essays

In dem Film Birth of a Nation (USA, 1915), aufgrund seine rassistischen Inhalte stark

kritisiert, entwickelt David W. Griffith die durch "die Schule von Brighton und anderen

europäischen Filmemachern"37 entdeckten Mittel der Filmmontage weiter und schaffte so

die noch heute gängigen Grundregeln des "szenischen Aufbaus von Filmen"38 (Continuity-

System).

Die Verwendung von Montage, Bildkomposition, Auslassungen, Dramatisierungen, etc. als

Mittel des Erzählens fand auch im Dokumentarfilm im immer mehr Verwendung. Es wurde

nicht mehr versucht, vorrangig die Realität möglichst objektiv wiederzugeben, oder es

zumindest so aussehen zu lassen, sondern „die Realität ergab sich daraus, dass der

beschreibende Dokumentarfilm seinen ’Objekten’ ein Forum gibt, sie vertritt und zu Wort

kommen lässt.“39

Einer der ersten beschreibenden Dokumentarfilme Robert Flahertys Film Nanook of the

North (1922, USA), gedreht mit einer für die damalige Zeit relativ handlichen Newman-

Sinclair-Kamera, mit dem er weltweit für Aufsehen sorgte. In diesem Film setzte er die

später verpönte (und trotzdem damals wie heute häufig angewandte) Inszenierung vor der

Kamera ein, z.B. passte seine Filmausrüstung nicht in einen Iglu, so ließ er einen halben

Iglu bauen. Aus bildästhetischen Gründen durften die Inuit nicht mit dem Gewehr jagen,

obwohl dies längst ihre gewohnte Jagdweise darstellte.40

Während in Flahertys Filmen dem Zuschauer die Inszenierungen noch verheimlicht

wurden, forderten die Anhänger des Agitpropfilms (ein Kunstwort aus Agitation und

Propaganda) in Erkenntnis der Tatsache, dass die Realität nicht objektiv wiedergegeben,

sondern nur interpretiert werden kann, den Dokumentarfilm (und auch den Spielfilm) als

einzusetzen zur Schaffung einer neuen Wirklichkeit, als Mittel der politischen Aufklärung.

Der Agitpropfilm sollte den Zuschauer von einem Standpunkt oder einer Anschauung

überzeugen, verheimlicht diesen Anspruch aber nicht und ist somit „allemal ehrlicher als

ein seriös verpackter, vorgeblich objektiver Dokumentarfilm, der seinen Standpunkt

verleugnet.“41 Durch die „pointierte Montage der Dokumente“42, z.B. eine Aussage durch

37 35 Milimeter, Filminfo - Geburt einer Nation38 ebd.39 AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay40 Wikipedia.de, Dokumentarfilm41 AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay42 ebd.

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Gegeneinanderstellung von, einzeln betrachtet unabhängigen Bilder auszudrücken, ist ein

Agitpropfilm gut von beschreibenden Dokumentarfilmen zu unterscheiden.

Im Deutschen Reich stellte der Agitpropfilm anfangs ein Gegengewicht der politischen

Linken zu den propagandistischen Wochenschauen von Staat und Wirtschaft dar, nach

dem Krieg tendierten die Wochenschauen zur aktuellen Berichterstattung über Kultur,

Sport, Politik, Unterhaltung und Wirtschaft.43 Der Agitpropfilm blieb ein Propagandamittel

der Linken. In der Sowjetunion wurde der Agitpropfilm zur Unterstützung und Verbreitung

der sozialistischen Ideologie verwendet.

Die meisten Wochenschauen (z.B. Messter-Woche, Deulig-Woche und später Ufa-

Woche) wurden von der Ufa produziert, die seit ihrer Gründung zahlreiche Konkurrenten

übernommen hatte und über die gesamte Produktionskette von der Aufnahme bis zu

eigenen Kinos verfügte. Aber es gab auch Versuche die Vormachstellung der politisch

eher rechtsnational dominierten Ufa zu brechen, z.B. durch die SPD-nahe Emelka-Woche

der Prometheus Film-Verleih und Vertriebs Gesellschaft und der ebenfalls dem linken

Spektrum zuzurechnenden, auf Dokumentarfilm spezialisierten Weltfilm GmbH.44

Neben dem Agitpropfilmen gab es noch die Essayfilme (z.B. Kinoglas, Wertow 1923,

Sowjetunion). Diese Filme transportierten auch ein Thema und wollten den Zuschauer

überzeugen, doch sie nutzten nicht mehr nur „konventionelle Dokumente

(Filmausschnitte, Gesprächsfetzen Landschaftsaufnahmen, Fotografien o.a.)“45 sondern

setzten verstärkt auf subjektive Darstellung, versuchten Gedanken und Gefühle zu

visualisieren.

„Charakteristisch für den Essayfilm ist neben der eher assoziativen Verarbeitung von

Thema oder Idee ein hohes Maß an Ästhetik und Formenbewusstsein.“46

Bekannte Vertreter sind z.B. der Niederläner Joris Ivens (The Spanish Earth, 1937), oder

später der fränzösisch-schweizerische Regisseur Jean-Luc Godard (Die Geschichte der

Nana S., 1962) und die Westdeutschen Harun Farocki (Zwischen zwei Kriegen, 1978) und

Hartmut Bitomsky mit seinem dreiteiligen Filmprojekt Deutsche Trilogie von (1984-89).

43 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen44 vgl. Wikipedia.de, Prometheus Film45 AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay46 AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay

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1.5 Die Einführung des Tonfilms

Eine entscheidende Entwicklung stellte die Einführung des Tonfilms dar. Erste Versuche,

bewegte Bilder und Ton zu synchronisieren, fanden bereits 1877 durch den Briten W.

Donnisthorpe und 1900 durch US-Amerikaner Thomas Edison statt, doch erst 1922 stellte

der Pole Józef Tykocinski-Tykociner das auch heute noch in ähnlicher Form eingesetzte

Lichttonverfahren der Öffentlichkeit vor.47 Obwohl Lee de Forest (USA) schon 1923 die

ersten kommerziellen Tonfilme vertrieb, dauerte es noch bis 1927, bis der erste

abendfüllende Tonfilm seine Premiere feierte (The Jazz Singer, USA 1927) und noch drei

weitere Jahre, bis der Stummfilm endgültig verdrängt wurde.

In der Sowjetunion wurden mangels ausreichenden Tonfilmmaterials noch bis 1935 viele

Stummfilme produziert.48 Seit 1930 boten sich auch für die deutschen Wochenschauen

durch Kommentare, Musik und Geräusche völlig neue Möglichkeiten. Wobei der Film

niemals wirklich stumm war, vor Einführung des Tonfilms begleiteten Musiker die

Aufführungen, teilweise wurden Sprecher zur weiteren Erläuterung eingesetzt, oder die

Zuschauer erklärten sich gegenseitig das Geschehen.

Da die Filmindustrie das schnell wachsende Interesse an Tonfilmen nicht ausreichend

stillen konnte, wurden auch viele Stummfilme aus den Jahren 1928 bis 1929 nachträglich

vertont.49

Doch durch den Tonfilm ergab sich das Problem, dass nun zusätzlich zu den immer noch

relativ unhandlichen Filmkameras auch noch schweres und noch unausgereiftes Ton-

Equipment bedient werden musste. Die Protagonisten mussten sich um das Mikrophon

herum aufstellen und sehr direkt hineinsprechen.

Die um 1925 in der Weimarer Republik stattgefundene Befreiung der „Kamera vom

Stativ“50, wurde durch die Montage der Kamera auf Rädern wieder eingeschränkt.

Außerdem waren die Kameras sehr laut, weshalb sie in schallgedämpfte Kästen

eingebaut wurden, was aber wiederum zu großen und schlecht zu bewegenden Kameras

führte, und so die Fortschritte, z.B. durch die Einführung kleinerer 16-Millimeter-Kameras

(um 1923), wieder reduzierte.

Um das Team und vor allem das technische Equipment nicht noch aufdringlicher

erscheinen zu lassen, wurde daher wurde oft auf „die Lastwagen mit den

Tonausrüstungen [verzichtet, um die] intime Atmosphäre, die der Dokumentarist zwischen

47 vgl. Wikipedia.de, Tonfilm48 vgl. 35 Millimeter, Tonfilm in der Sowjetunion49 vgl. MSN Encarta50 ebd.

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

sich und seinem Gegenüber zu schaffen bemüht war“51, nicht noch mehr zu stören und

somit die Szenerie über Maß zu beeinflussen.

Musik, Geräusche und Kommentare wurden erst nachträglich unter den Film gelegt.

Besonders britische Dokumentarfilmer zeigten sich dabei äußerst phantasievoll und oft

experimentierfreudiger als ihre Spielfilmkollegen.52

1.6 Der Dokumentarfilm während des zweiten Weltkrieges

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erreichte die Staatspropaganda zuvor nie

gekannte Ausmaße. Davon war auch der Dokumentarfilm stark betroffen, gerade die

Wochenschauen wurden wieder zu einem Hauptpropagandainstrument des Staates,

informierende oder gar kritische Werke wurden verboten. Die während der Weimarer

Republik weitestgehend abgeschaffte Vorzensur wurde wieder eingeführt und ab 1938

wurden alle Kinobetreiber zwangsverpflichtet, die Wochenschauen, die bereits fast ganz

unter der Kontrolle der NSDAP standen, aufzuführen. Unterhaltsame Auflockerung der

Wochenschauen wurde verboten. Ab 1940 stand die Wochenschauproduktion vollständig

unter der Aufsicht der NSDAP und alle bisherigen Wochenschauen wurden zur Die

deutsche Wochenschau zusammengeschlossen.

Bis Kriegsende entstanden zusätzlich zu den üblichen Kinos zehn so genannte

Aktualitäten-Kinos, die nichts anderes aufführten als Die deutsche Wochenschau mit bis

zu zwölf einstündigen Vorführungen pro Tag.

Um ihre Ideologie auch im Ausland zu verbreiten, wurde die Auslandstonwoche (ATW) in

bis zu 18 verschiedenen Sprachversionen produziert und in 37 verschiedene Länder

exportiert.53

Der Sprecher der Wochenschauen, Harry Giese, war in gleicher Funktion auch für den

antisemitischen Propagandadokumentarfilm Der ewige Jude verantwortlich.

Der Kompilationsfilm Jugend der Welt (1936) von Carl Junghans, ein Zusammenschnitt

von Wochenschaumaterial von über 50 Kameramännern, gewann 1936 den Preis als

bester ausländischer Dokumentarfilm beim Filmfestival in Venedig. Allerdings konnte sich

Jungshans, "der als politisch links stehend galt"54, nicht gegen seine Hauptkonkurrentin

um Staatsaufträge, Leni Riefenstahl, durchsetzen.55

51 Reisz, Karel, Millar, Gavin, Geschichte und Technik der Filmmontage, S. 11452 vgl. ebd. S. 11453 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen54 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 18455 vgl. ebd. S. 184

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

Für die meisten und ab 1942 für alle Filmproduktionen fiktionaler wie auch nicht-fiktionaler

Filme, wobei letztere wesentlich mehr produziert wurden56, war die Ufa verantwortlich,

auch für einen der berühmtesten und aufwändigsten der damaligen Zeit, den

Dokumentarfilm Triumph des Willens (1934) von Leni Riefenstahl. In diesem Film wurde

nicht bloß der Reichsparteitag in Nürnberg "dokumentiert, sondern stilisiert [und]

emotional und verherrlichend inszeniert"57.

Neben Lobpreisungen der nationalsozialistischen Rassenideologie und den späteren

Durchhalteparolen dominierten Filme über die NSDAP und ihre Organisationen zur

Stärkung der ‚Volksgemeinschaft’ und zur 'Aufopferung' für die nationalsozialistische

Überzeugung, antisemitische, antibritische, antikommunistische und antirussische Filme

sowie Filme zur Euthanasie (z.B. Erbkrank, 1936).58 Dazu kommen noch Natur- und

Tierfilme, die aber nach Meinung einiger Historiker letztendlich meistens auch nur als

Lobpreisungen auf die Herrenrasse anzusehen sind. 59

Auch auf Seiten der Alliierten wurden zahlreiche Filme rund um den Krieg produziert, um

die Bereitschaft der Bevölkerung zu erhalten, in den Krieg einzusteigen, oder um die

Moral der Truppe aufrecht zu erhalten. Ausserdem gab es Propagandafilme gegen den

jeweiligen Kriegsgegner (z.B. antijapanische Filme in den USA).

Während des Krieges produzierten viele Regisseure, die heute vornehmlich für ihre

Spielfilme bekannt sind, Dokumentarfilme. Oftmals thematisierten sie den Krieg direkt, wie

z.B. der Westernregisseur John Ford oder wie John Hudson und Franz Capra (Prelude To

War, 1943 und The Nazi Strike, 1943).60

Auch nach dem Krieg war der Dokumentarfilm ein Übungsgebiet für später berühmte

Spielfilmregisseure wie z. B. Stanley Kubrick (Flying Padre und Day Of The Fight, 1951).

1.7 Die Einführung des Farbfilms

Die ersten farbigen Bilder waren per Hand koloriert oder einfarbig eingefärbt (viragiert,

z.B. Blau für Nacht, Rot für Gefahr, etc.), doch bereits im Jahre 1909 wurde in New York

der erste Farbfilm aufgeführt. Dieser Film wurde abwechselnd durch einen roten oder

grünen Filter belichtet, später wurden 2 Filme gleichzeitig belichtet und zum Abspielen

übereinander gelegt. 1917 wurde in den USA das Technicolor-Verfahren vorgestellt,

56 Wikipedia.de, Dokumentarfilm57 Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm58 vgl. Kleinhans, Bernd, Propaganda im Film des Dritten Reichs59 Rother, Hans-Jörg, In: Der Tagesspiegel online vom 10.08.2006, Poesie, Politik und Propaganda60 vgl. AFK, Fliegende Pfarrer und Hollywood im Krieg

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

welches wie auch das Kinemacolor-Verfahren zunächst nur zweifarbig abbilden konnte,

ab 1932 wurden drei Filmstreifen belichtet (je einer für Rot, Gelb und Blau). In Groß-

Brittannien entwickelte Bela Gaspar 1932 das Gasparcolor-Verfahren, bei dem drei

Emulsionsbeschichtungen auf den Filmträger aufgetragen wurden. Auch Kodak

entwickelte ein ähnliches System, welches sich ab 1950 durchsetze.

In der Weimarer Republik wurde am 10. Dezember 1931 der erste Zweifarbfilm der Ufa,

Bunte Tierwelt uraufgeführt. Man entschied sich für einen Tierfilm, da die Farbqualität für

Menschen als noch nicht ausreichend galt.61

Bei der Ufa setzte sich das Agfcolor-Verfahren durch, welches nur noch einen Film

benötigte. Erste Agfacolor-Dokumentarfilme im weitesten Sinne waren z.B. die Kulturfilme

Bunte Kriechtierwelt o d e r Thüringen (1940).62 Bis Kriegsende drehte die Ufa laut

Wikipedia.de insgesamt nur 11 Farbfilme.63 Daneben gab es noch Farbdokumentarfilme

die direkt vom Propagandaministerium in Auftrag gegeben wurden, z.B. Aufnahmen von

einem "Zigeunerfest in Sachsen-Anhalt" (1938).64 1944 wurde die Farb-Wochenschau

Panorama eingeführt.

Auf Seiten der Alliierten entstanden Farbdokumentationen wie z.B. Die Landung der

Alliierten (John Ford, USA, 1944).65

Auch im Privatgebrauch konnte sich der Farbfilm noch nicht durchsetzen. Er war noch zu

teuer und meistens privilegierten Personen wie Adolf Hitlers Lebenspartnerin Eva Braun

(Das geheime Filmarchiv der Eva Braun, DVD 2004) oder seinem Chefpilot Hans Bauer

vorbehalten (beide drehten mit 16-mm-Kameras).66

Erst in der Nachkriegszeit konnte sich der Farbfilm langsam durchsetzen, nach James

Monaco dauerte es noch bis 1968, bis der Farbfilm zur "nahezu ausschließlichen Norm

bei der kommerziellen Filmherstellung"67 wurde.

1.8 Der Siegeszug des Fernsehens in der Nachkriegszeit

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Filmproduktion in Deutschland von den Siegermächten

kontrolliert. Es entstanden Filme mit dem Ziel die Bevölkerung zu entnazifizieren. Zudem

wurden vermehrt Auftragsfilme für die Industrie oder die Fremdenverkehrsvereine

61 vgl. filmportal.de, Chronik des deutschen Films - 1925 - 193462 vgl. Wikipedia.de, Farbfilm63 vgl. ebd.64 Gorderbauer-Marchner, Gabriele, Das dritte Reich in Farbe 1937 - 194565 vgl. ebd.66 vgl. ebd.67 Monaco, James, Film und neue Medien, S. 61

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

produziert. Dabei mussten die Filmer sich nach den Vorgaben der Auftraggeber richten.

Daneben gab es auch weiter Wochenschauen, ebenfalls durch die Siegermächte

kontrolliert, doch ihre Bedeutung sank mit der immer größeren Verbreitung des

Fernsehens, ein Problem, mit dem auch Disneys Naturfilme wie z.B. Die Wüste lebt (USA,

1950) zu kämpfen hatte.

Das erste regelmäßige Fernsehprogramm weltweit wurde in Deutschland schon 1935

ausgestrahlt. 1936 erreichte das Fernsehen einen ersten Höhepunkt zu den olympischen

Spielen in Berlin, doch es gab nur öffentliche Fernsehstuben in Berlin und später in

Hamburg, und das Fernsehen konnte sich noch nicht gegen das Radio durchsetzen. 1944

wurde die Fernsehausstrahlung eingestellt und erst am 25. Dezember 1952 wieder

aufgenommen. 1953, mit der Krönung Elisabeth II., und ein Jahr später mit der

Fußballweltmeisterschaft in Deutschland begann der Siegeszug des Fernsehens, und das

Kinosterben setzte ein. Mit der Einführung des Farbfernsehens in Deutschland 1967

wurde der Vorteil des Kinos, die Farbe, aufgehoben. 1969 wurde der erste Video-

Cassetten-Recorder (VCR) für Privatkonsumenten eingeführt; er beschleunigte den

Siegeszug des Fernsehens abermals, ebenso wie die Einführung des Privatfernsehen in

der BRD 1984. Zwei Jahre später wurde die letzte Wochenschau in der BRD ausgestrahlt.

1.9 Cinéma Vérité, Direct Cinema und Free Cinema

1960 prägte der Franzose Jean Rouch den Begriff des Cinéma Vérité. Diese Filmtheorie-

bewegung ging davon aus, dass die „Kamera und der Kameramann/-frau mit zum

gefilmten Geschehen“68 gehören, und dass den gefilmten Personen die Anwesenheit der

Kamera nicht verheimlicht werden darf.

Rouch erreichte größere Bewegungsfreiheit dadurch, dass er die Kamera vom Stativ

befreite, das erste Mal zwangsweise aufgrund eines defekten Stativs während

Dreharbeiten in Afrika. Doch auch in späteren Produktionen behielt er die Benutzung der

Schulter- bzw. Handkamera bei.

Seit Anfang der 60er Jahre begann er mit möglichst kleinen Teams und selbstgeblimpten

16-mm-Kameras zu drehen. Dank der Entwicklung der Nagra-Tonaufnahmegeräte

(entwickelt 1951) war es erstmals möglich, Originaltonaufnahmen auch an

unzugänglichen Orten zu machen. In der DDR arbeitete Hugo Hermann "erstmals

konsequent mit Originaltönen"69.

68 Movie-College.de, Dokumentarfilm69 Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

Die deutsche Firma ARRI entwickelte 1957 ein relativ einfach zu handhabendes Blimp

(schalldichtes Gehäuse) für 35-mm-Kameras.

Auch in den USA (direct cinema oder uncontrolled cinema70) und in Groß-Britannien (free

cinema) entstanden ähnliche Bestrebungen, „dass der Einsatz des Aufnahmeapparats die

Objektivität des tatsächlichen Geschehens, das registriert werden soll, nicht beeinträchtigt

werden dürfe.“71

Der Brite Richard Leacock wollte das Geschehen beobachten und nicht beeinflussen, im

Gegensatz zu den in den 40er und 50er Jahren weit verbreiteten aufklärerischen

Dokumentarfilmen. Auch Leacock war mit der Arbeitsweise der damaligen „mangelnden

Kompaktheit der […] Bild- und Tontechnik“72 und die daraus resultierende feststehende

„Kamera und mühsame Synchronisation von Bild und Ton“ nicht zufrieden. Zusammen mit

Robert Drew und Dan A. Pennebaker entwickelte er „leichte 16-mm-Handkameras und

synchron laufende Tonbandgeräte“.73 Auch den Verzicht auf begleitende oder erklärende

Kommentare teilten diese Filmbewegungen.

Doch auch wenn die Ziele des Cinéma Vérité und des britischen Free Cinema sich

ähnelten, unterschieden sie sich in der Art und Weise, wie sie ihr Ziel erreichen wollten.

Im Gegensatz zu ihren Kollegen des Direct Cinema setzten die Filmer des Cinéma Vérité

Interviews ein.74 Zudem inszenierte Leacock, anders als z.B. Rouch, Bilder oder stellte sie

nach. Dafür sah sich Leacock der Kritik ausgesetzt und rechtfertigte sich damit, dass alles

erlaubt sei, was für den Film wichtig ist. 75

D a s Cinéma Vérité verlor in den Folgejahren an Popularität, auch auf Grund der

Erkenntnis, dass kein Dokumentarfilm wirklich objektiv sein kann. Denn schon die

Auswahl des Autors für bestimmte Bilder bedeutet ein Eingreifen, so die Kritiker.76 Das

Direct Cinema hingegen ist in den USA auch heute noch der vorherrschende Stil des

Dokumentarfilmsl.77

Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre entstanden noch einige Filme, die noch

"Elemente der Verité-Fotografie"78 enthielten, z.B. Woodstock (Mike Wadleigh, 1970) oder

70 vgl. Freunde der Deutschen Kinemathek, 40 Jahre Freunde der Deutschen Kinemathek71 Movie-College.de, Dokumentarfilm72 ebd.73 ebd.74 Monaco, James, Film und neue Medien, S. 4675 Movie-College.de, Dokumentarfilm76 vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms77 Monaco, James, Film und neue Medien, S. 4678 AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

die Filme des bundesrepublikanischen Dokumentarfilmers Klaus Wildenhahn, der sich

selbst als "Vertreter der Direct-Cinema-Bewegung"79 sieht und sich auch der Mittel des

Cinéma Vérité bedient.80

Ein weiterer wichtiger westdeutscher Vertreter dieser Zeit ist Peter Nestler, der sich vor

allem mit dem Alltag von Arbeitern und Bauern beschäftigte, doch er bevorzugte nicht die

Handkamera des Direct Cinema, sondern lange, ruhige Einstellungen.81

Weit verbreitet waren diese Alltags- und Porträitfilme auch in Polen, Ungarn, Jugoslawien

und der CSSR.

In den USA wurden verstärkt Dokumentarfilme produziert, die zwar Wildenhahns

"Kriterium für Wahrheit und Würde"82, die moralische und politische "Nähe des Filmenden

zum Gefilmten" teilten, denen jedoch die "Objektivität abkam"83, indem die Autoren selbst

vor die Kamera traten. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Filme von Michael Moore

(Bowling for Columbine, USA 2002).

Seit den 60ern ebenfalls beliebt ist das sogenannte Dokudrama84, in dem nachgespielte

reale Ereignisse und dokumentarische Aufnahmen vermengt werden (z.B. Todesspiel,

1997 von Heinrich Breloer), oder die komplett nachgespielt werden (z.B. Die Manns – Ein

Jahrhundertroman, 2001, Heinrich Breloer).

1.10 Der Dokumentarfilm in der Deutschen Demokratischen Republik

Am 17. Mai 1947 wurde durch die sowjetische Militärführung aus den Resten der Ufa die

Deutsche Film-AG (DEFA) gegründet. Nach Gründung der deutschen demokratischen

Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 besaß die DEFA als Volkseigener Betrieb das

Monopol auf sämtliche Filmproduktionen85, womit sich auch die Produktionsbedingungen

mit Einführung des Fernsehens nicht so stark änderten wie in der BRD.

Von 1946 bis 1980 wurde die Wochenschau Der Augenzeuge ausgestrahlt.86 Der

Regisseur der ersten Wochenschau und Gründungsdirektor der DEFA, Kurt Maetzig,

drehte auch den Dokumentarfilm Berlin im Aufbau (1945-46), der den Aufbau der

zerstörten Stadt dokumentiert und eine Kompilation aus Wochenschauaufnahmen und

79 Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm80 vgl. ebd.81 vgl. ebd.82 MediaCulture-Online.de, Klaus Wildenhahn83 ebd.84 vgl. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 4885 vgl. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 4286 vgl. Defa-Fan.de, DER AUGENZEUGE

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

neu entstandenen Aufnahmen darstel l t .87 1953 wu r den S t ud ios f ü r

populärwissenschaftliche Filme und für Wochenschauen und Dokumentarfilme gegründet.

Bis zum Ende der DEFA durch die Übernahme durch die Treuhandgesellschaft am

01.07.1990 wurden mehr als 2000 Dokumentarfilme und Wochenschauen gedreht.88 Zu

den wichtigsten und bekanntesten Dokumentarfilmern der DDR gehörte Konrad Weiß

( z . B . Dawids Tagebuch, 1980). Ins GUINNESS-Buch schafft es 1985 die

Langzeitbeobachtung Die Kinder von Golzow (nach einer Idee von Karl Gass), die 1961

begonnen wurde und voraussichtlich 2006 enden wird.89

Hauptthema der DEFA-Produktionen waren Antifaschismus und die Lobpreisung des

Sozialismus und der SED.90

1.11 Der Entwicklung des Dokumentarfilms zum Bürgermedium und die Einführung elektronischer Kameras

Zwar werden auch heute noch Dokumentationen auf Film gedreht, aber ähnlich, wie sich

die Einführung des Fernsehen auf die Produktionsbedingungen und das Konsumverhalten

im Dokumentarfilmgenre auswirkte, in dem die Filmemacher immer stärker in

Abhängigkeit zu den Sendern gerieten, änderte auch die Entwicklung von tragbaren

elektronischen Kameras, noch mit externem Recorder (Sony Portapak, 1967), die

Produktionsbedingungen grundlegend. 1983 führte Sony Kameras mit integriertem

Recoder (Betamovie) ein. Es folgten noch zahlreiche andere Videoformate und -systeme,

z.B. das Vertical Helical Scan (VHS), später Video Home System genannt,

Die elektronischen Kameras wurden immer billiger und kleiner und trugen, neben den 8-

MM-Kameras, mit dazu bei, dass der Dokumentarfilm zu einer Art Bürgermedium wurde.

Neben Jugend- und Filmclubs wurden die Offenen Fernsehkänale, Fernsehsender für die

Bürger, zu wichtigen Verbreitungswegen (BRD ab 1984, Österreich ab 1976).

Zur Zeit der Studenten-, Bürgerrechts- und Emanzipationsbewegungen erlangten

Dokumentarfilme als Gegenpropaganda zu Staat und Wirtschaft weite Verbreitung, z.B.

From Protest to Resistance (USA 1968) von Saul Landau, Was tun? Ereignisse in Berlin

1968 von Hans Dieter Müller (BRD 1969) oder Macht die Pille frei? (BRD 1970) von Helke

Sander und Sarah Schumann. Themat isch dominier ten u.a. die

Vergangenheitsbewältigung, Hausbesetzungen und Atomkraft. In den Ländern des

87 Cine-Holocaust.de, Berlin im Aufbau88 vgl. Defa-Sternstunden.de, DEFA Geschichte89 vgl. Medienhandbuch.de, Der «Vater der Kinder von Golzow» wird 7090 vgl. Uhlig, Nancy, Deutsche Animation, S. 8

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

Ostblocks waren kritische Filme i.d.R. nur möglich, wenn sie der politischen Führung

dienten.91

1.12 Von der Einführung des digitalen Videos bis heute

1996 wurde digitales Video (DV) eingeführt, die Kameras wurden abermals kleiner und

billiger, der digitale Bild- und Tonschnitt auf Computern erleichterte professionelles

Arbeiten ebenfalls. Die DVD wurde, wie vorher die VHS-Kassette, zu einem günstigen

und einfach zu erstellenden Distributionsmittel. Erste Abspielgeräte kamen 1996 auf den

Markt, erste Recorder/Brenner 1999.

Das vor einigen Jahren eingeführte hochauflösende Video (z.B. HDV, entwickelt von

Canon, Sony, Sharp und JVC) hat dazu geführt, dass Video-Aufnahmen sich auch

qualitativ weiter dem Film annähern konnten, selbst langjährige Verfechter des Films wie

d a s National Geographics Institut dreht Dokumentationen mittlerweile auf Video

(DVCProHD von Panasonic).92

Heute sind die Dokumentarfilme (oftmals) wieder beobachtender und lassen wieder

verstärkt beide Seiten eines Themas/der Geschichte zu Wort kommen, wie z.B. in Black

Box BRD (1997) von Andreas Veiel.93 Kritik an sozialen Mißständen, Kriegen oder

Großkonzernen sind und waren häufige Themen, aber auch Naturfilme wie z.B. Deep

Blue (2003, Alastair Fothergill, Andy Byatt), der als einer der aufwändigsten und

erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten gilt94, oder Reisefilme werden immer noch

viel produziert.

Was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass der Dokumentarfilm wie schon zu Beginn

seiner Entwicklung auch heute noch als politisches wie auch wirtschaftliches

Propagandainstrument benutzt wird. Gerade Bestrebungen der Wirtschaft sind erkennbar,

durch als Reportagen 'getarnte' Imagefilme die Menschen zu beeinflussen95, der Doku-

Soap einzusetzen als ideales Werkzeug, um notwendige oder gewünschte

Veränderungen der Gesellschaft und des Einzelnen (Längere Arbeitszeiten, weniger

Lohn, etc.) den Betroffenen näher zu bringen.96

91 vgl. Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm92 vgl. ICOM Magazine, Panasonic DVCPro-HD for National Geographic Special93 vgl. FAZ.net, Wir brauchen ein Ethos des Dokumentarischen94 vgl. Filmz.de, Deep Blue95 vgl. Kittel, Walter, In: dradio.de, Zweitverwertung fürs Firmen-TV96 vgl. Poranzke, Julio Olmo, Neokonservatisnmus und Doku-Soaps, S. 28ff

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Julio Olmo Poranzke Geschichte des Dokumentarfilms 05. September 2006

Mittlerweile bietet sich auch das Internet als Vertriebsweg an gerade für kleine

Dokumentarfilmproduktionen, wie das Beispiel dreier Studenten der State University of

New York zeigt. Für ihren Kompilationsdokumentarfilm über die Anschläge am 11.9.2001

investierten sie gerade 2000 Dollar in einen Schnittcomputer und verbreiteten das fertige

Werk über das Internet. Ende Juli 2006 wurde das Video, allein bei Google97 über 10

Millionen Mal angeschaut98, eine Zahl, von der kommerzielle Produktionen oft nur träumen

können.

Auch wenn heute noch keine ernsthaften Dokumentationen mit kleinen Handykameras

gedreht werden, zeigt das neueste Beispiel der Boulevard-Presse, der Bild-Leser-

Reporter99 auf, welche zukünftigen Entwicklungen auch für andere Medien vorstellbar

sind.

97 Video.Google.com, Loose Change 2nd Edition Recut98 vgl. Spiegel Online, Internetfilm über 9/11 bricht alle Rekorde99 vgl. Bild.de, So werden Sie Leser-Reporterbei BILD und Bild.T-Online

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