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Die Glaubwürdigkeit der bei Livius Überlieferten Senatsbeschlüsse Über Römische Truppenaufgebote Author(s): Matthias Gelzer Source: Hermes, 70. Bd., H. 3 (1935), pp. 269-300 Published by: Franz Steiner Verlag Stable URL: http://www.jstor.org/stable/4474418 . Accessed: 02/11/2013 15:14 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Franz Steiner Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Hermes. http://www.jstor.org This content downloaded from 150.108.161.71 on Sat, 2 Nov 2013 15:14:13 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Glaubwürdigkeit der bei Livius Überlieferten Senatsbeschlüsse Über Römische Truppenaufgebote

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Die Glaubwürdigkeit der bei Livius Überlieferten Senatsbeschlüsse Über RömischeTruppenaufgeboteAuthor(s): Matthias GelzerSource: Hermes, 70. Bd., H. 3 (1935), pp. 269-300Published by: Franz Steiner VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/4474418 .

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DIE GLAUBWURDIGKEIT

DER BEI LIVIUS UBERLIEFERTEN SENATSBESCHLUSSE

UBER ROMISCHE TRUPPENAUFGEBOTE

Nachdem Ulrich Kahrstedt') die bei Livius vom Jahre 2i8 an mit- geteilten Berichte iiber die alljThrlich aufgebotenen romischen Streitkrafte als vom ersten bis zum letzten Worte erlogen bezeichnet hatte2), versuchte ihn De Sanctis in einer besondern Abhandlung seiner Storia dei Romani 3) zu widerlegen. Dabei gibt er zu, daB Livius diese Angaben seinen spat- annalistischen Gewahrsmannern entnahm, glaubt aber, daB sie letztlich auf die Senatsakten zuriickgingen und darum in groBen und ganzen als zu- verlassig anzuerkennen seien4). Ohne diesen Vorganger zu kennen, gelangte neuerdings Alfred Klotz5) in einer Abhandlung 'Die romische Wehrmacht im zweiten punischen Kriege' zu demselben Ergebnis und meint (54. 89), daB die )>vielgeschmahte Annalistik<( im Gegensatz zu Polybios und Coelius Anti- pater Material der Senatsakten erhalten habe. Ahnlich fand gleichzeitig Friedrich Cornelius6) in diesen Heereslisten )>Ausziige aus Senatsakten<(.

Nun laBt der Bericht uiber die Unterdriickung der Bacchanalien Liv. 39, 9-I9, zu dessen Kontrolle uns noch das inschriftlich erhaltene Rundschreiben der Consuln von i867) zurVerfiigung steht, nicht zweifelhaft, daB gelegentlich in der Spatannalistik echte Aktenstiicke verwendet worden sind. So bietet uns Liv. 6, 29, 9. 40, 52, 5. 4I, 28, 8 auch den Text von drei Triumphal- inschriften, deren Vorhandensein nicht zu beanstanden sein wird8). Aber bei dem Charakter der rhetorisierten Annalistik des ersten vorchristlichen Jahr-

1) Geschichte der Karthager von 218-I46 (19I3), 439-442 und 'Die Annalistik von Livius B. 31-45' (I9I3), 52.

2) Rarthager 36I: >ein wildes annalistisches Phantasma, die jahrliche Legionen- tabelle(, 442 >)Phantasien eines wildgewordenen Annalisten#.

3) III 2 (19I7), 3I7-327 mit den Tabellen 63I-637.

4) S. 670 bezeichnet er sie als )>alteste Annalistik((. 5) Philologus 88, I933, 42-89. 6) Cannae (Klio, Beiheft 26, I933), 59. Ferner allgemein gegen Kahrstedts Be-

urteilung der Annalistik Peter, HRR. I S. CCXXV 3 und fur die Glaubhaftigkeit der Heereslisten auch B. L. Hallward, The Cambridge Ancient History 8, 1930, 26 und Tabelle hinter I04, dazu E. Hohls kritische Anmerkung GGA. I935, 74. Zustimmung zum Aufsatz von Klotz bekundet zuletzt F. Lammert, Gnomon II, I935, i6i.

7) E. Fraenkel, d. Ztschr. 67, 369ff. J. Keil, d. Ztschr. 68, 3o6ff. 8) Arthur Stein, Romische Inschriften in der antiken Literatur, Prag I931, 6-8.

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hunderts ware es allzu harmlose Leichtglaubigkeit, die ganze Fiille protokoll- artig genauer Wiedergabe von Amtshandlungen und Senatssitzungen fur aktenmaBig gesichert zu halten. Jede genauere Beschaftigung mit diesen Stiicken erweckt vielmehr den Verdacht, es mit der Gestaltungskunst dieser Schriftstellerei zu tun zu haben, und zwar wiirde es sich um ein Verfahren handeln, durch ausfiihrlichere Fassung iuberkommener Berichte die Glaub- haftigkeit und Anschaulichkeit der Darstellung zu steigern.

Wie bekannt, forderte die antike Rhetorik nach der vorherrschenden Isokrateischen Auffassung1) drei'Tugenden der Erzahlung' (4eral6 6uy Ecog

Theon progymn. 79, 20 Rhet. Gr. ed. Spengel II. narrandi virtutes Quintil. inst. or. 4, 2, 6I): oaveta, vvPropu'a, ;rt,&avo'-rn (Theon), lux, brevitas, fides (Quint. 2, 5, 7 oder 4, 2, 3I iiber die narratio: maximeque qui sunt ab Isocrate volunt esse lucidam, brevem, verisimilem, neque enim refert, an pro lucida per- spicuam, pro verisimili probabilem credibilemve dicamus). Die romischen Handbiicher aus der Zeit der Spatannalisten, Cic. inv. I, 28 und auct. ad Her. I, I4 geben die griechischen Ausdriicke mit brevis, aperta, probabilis und brevis, dilucida, verisimilis. Entsprechend faBt auch Lukian quom. hist. conscr. 55 seine Anweisung zur Geschichtschreibung dahin zusammen: C6azE raig 'rg btry 'aecog eseraig xaraxexou frtkco. Sie erfiillt ihre Aufgabe, wenn sie die Geschehnisse in sch6ne Form bringt und sich nach Kraften um anschauliche Darlegung bemiiht. Der Horer muB das Gesagte zu sehen glauben (5I). Im iibrigen ist bemerkenswert, daB Lukian in den Ausfiih- rungen fiber die desrat b6tyqaewg statt des at0av6v die aA2i%ta nennt (6i wie 9. 38. 40. 4I), eine Forderung, die auch von Cic. de orat. 2, 62 als selbstverstandlich vorausgesetzt wird2).

Das eben bei den Spatannalisten vermutete Verfahren entspricht zwei- fellos dieser prima historiae lex (Cic. de or. 2, 62) nicht; aber, wenn Quin- tilian Io, I, 3i die Geschichtschreibung quodammodo carmen solutum nennen kann, begreifen wir, daB die Schiuler der Rhetoren sich auch in der Geschicht- schreibung mehr um die Wahrscheinlichkeit kiimmerten. Cicero sagt inv. I, 29 - freilich nur im Hinblick auf die narratio der Gerichtsrede - probabilis- erit narratio, si in ea videbuntur inesse ea, quae solent apparere in veritate; si personarum dignitates servabuntur; si causae factorum exstabunt; si fuisse facultates faciundi videbuntur; si tempus idoneum, si spatii satis, si locus op- portunus etc. Vor allem muB daran gedacht werden, daB die antike Auf- fassung in der Wiedergabe von Reden der rhetorischen inventio breitesten Spielraum gewahrte. Lukian quom. hist. consc. 58 verlangt gerade auch dabei Wahrscheinlichkeit: ,i6a'torra ,iFv Eotxo'ra TrC 7reowc0ra xat U0 agayjaTt otxEta

i?ye'iko).

1) Vgl. Gerhard Reichel, Quaestiones progymnasticae, Diss. Leipzig I9IO, I64.

2) Vgl. Quintil. 2, 4, 2 apud rhetorem initium sit historia, tanto robustior quanto verior.

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Senatsbeschluisse uber romische Truppenaufgebote 27I

Leider hat Cicero seine geschichteschreibenden Zeitgenossen einer Cha- rakteristik nicht fur wert befunden, wahrend er Piso, Rutilius Rufus und Coelius Antipater im Brutus erwahnt (I02. io6. II2). Auch C. Licinius Macer wird 238 nur als Redner gewiirdigt. H6chstens mit dem summarischen Urteil 66 Catonis luminibus - er spricht von den origines - obstruxit haec posteriorum quasi exaggerata altius oratio mag er die Annalistik seiner Zeit gemeint haben. Wir gehen aber wohl nicht in die Irre, wenn wir als das historio- graphische Stilmuster dieses Zeitalters Timaios annehmen 1). Denn es ent- spricht gewiB einfach dem damaligen Geschmack, wenn Cicero de or. 2, 58 seinen Antonius den Uberblick fiber die griechischen Historiker mit diesem schlieB3en laBt und zwar unverkennbar im Tone besonderer Wertschatzung: Minimus natu horum omnium Timaeus, quantum autem iudicare possum, longe eruditissimus, et rerum copia et sententiarum varietate abundantissimus, et ipsa compositione verborum non impolitus, magnam eloquentiam ad scribendum at- tulit, sed nullum usum forensem.

Aber dazu stimmt auch aufs beste, was Polybios in seiner scharfen Kritik von ihm berichtet: I2, 26d, I-3 wirft er ihm vor, daB er den Schein der Wahrhaftigkeit erwecke durch die Genauigkeit seiner Angaben, wahrend nach 25 a, 3-5 die im Geschichtswerk gebotenen Reden, welche doch das gedank- liche Geriist der Darstellung bilden, durchaus wahrheitswidrig sind, weil sie nicht das tatsachlich Gesagte wiedergeben, sondern Erzeugnisse der schul- maBigen Rhetorik sind (I2, 26, 9). Statt des wirklichen Zusammenhangs von Ursache und Folge bekommen wir rhetorische SchluBfolgerungen und aus- fiihrliche Entwicklung aller moglichen Gesichtspunkte (25b, 4. 26 d, 6 &cE4-

ObtxOV?g Ao'yovg. 25i, 5 parawcog xa' anaaqog 7Qdg ravra xacavTag tevao tov JEvo'vTag Ao'yovg). Ahnlich sagt er 26b, 4 rorov'-rovg lxrtevel Aoyovg und noch allgemeiner charakterisiert er 28, I2 die Art, wie Timaios die altern Ge- scbichtwerke bearbeitete so: ra nae' a'AAcov ?eo'vrwog xCeXetetuE'va Iaxeog mat aaa6oig xat -ro%Crro x avlt xYEQOV 4zyOVl?Vog. Das fiihrt von den Reden zur Darstellung des Tatsachlichen. Hier taugt Timaios nichts, weil er ein reiner Biichermensch ist (25 g, 2. 2 5 h, 3), ohne jegliche praktische Erfahrung, weder im Kriegswesen noch in Ortskunde (25h, i) und ebensowenig in der Politik (25h, 5). So kann er nur salbadern, nicht die Ursachen der Gescheh- nisse darlegen (25h, 5).

Ob dieses Urteil ungerecht iibertreibt, mag hier dahingestellt bleiben, aber es zeigt uns den longe eruditissimus et rerum copia et sententiarum vari- etate abundantissimus von der Kehrseite. Der Ausdruck 'xretvetv 2dyovg er- innert an die bei Theon immer wieder angefulhrte Kunst des eEmrtvetv, namlich eine kurze Erzahlung in die Lange zu ziehen (74, 4. 75, i6. 85, 30.

1) Erich Burck, Die Erzahlungskunst des T. Livius, I934, 235 hat diese Wahr- scheinlichkeit nicht erwogen. Vgl. auch Cic. fam. 5, I2, 2; 7.

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IOI, 4. I03, 28. I04, I), hauptsachlich durch die Mittel der aQoacono7wota und der xmqeaGtl (75, I7). Ist Prosopopoiie die Kunst, den Pers6nlichkeiten und den Umstanden angemessene Reden zu verfassen (II5, i2), so wird die e'xeaort II8, 7 bestimmt als Ao'yog aeextW?7'/aTtr1x; evaeywg v5a' 6Vptv a'ycv rd 7- Aotetvov. yiVElrat Q ixqeaartg Qeoaoav me xat neay,aTfV a rocov xca

XeovcOv. II9, 27 dQETal 6A b9xfcew a&2Ea crafeGa /'eV ea v atAta rax Evaeyeta roi crebo'v o6edxaat 'ra& diayyelAAyeva. Die R6mer geben den Begriff mit descriptio wieder: Cic. or. 66 fiber die historia, in qua et narratur ornate et regio saepe aut pugna describitur. Quintilian warnt 2,4,3 vor arcessitae descrip- tiones, in quas plerique imitatione poeticae licentiae ducuntur.

Erich Burck (a. 0. I95ff.) hat neuerdings ausfuihrlich uiber Evaoysta (An- schaulichkeit) und 'Wrlqtg (Erschiitterung des Lesers) als Zielen der peri- patetischen Geschichtschreibung gehandelt. Er erwahnt I96 auch die Be- trachtung des Dionys von HalikarnaB, Arch. Rom. ii, I, wo dieser erklart, warum er vorhabe, anlaBlich des Sturzes des Decemvirats a'&avTa adxleC5ig 6tsI)alv xa yevo'ieva; S. 3I zeigt er die Unterschiede zwischen den Dar- stellungen des Livius und Dionys und hebt gut hervor, daB Dionys ii, 2-2i

den Verlauf der Senatssitzung realistisch wiederzugeben versucht. Die Er- zThlung des Livius ist auch in der politischen Beleuchtung anders, aber es liegt dasselbe spatannalistische Uberlieferungsgut zugrunde. Mir scheint wichtig, daB Dionys genau das bietet, was Polybios als die Manier des Timaios schildert, 1o'yot 6E~obtxoi, und indem er scheinbar die verschiedenen sententiae der Redner wortlich mitteilt, so ist das zugleich die Manier protokollarischer Glaubwiirdigkeit, wie sie die Spatannalistik kennzeichnet. Dionys bringt II, 23 fuir den Krieg auch nicht weniger als IO Legionen auf die Beine, was Livius 3, 4I, 7 geschmackvollerweise unterdriickt. In der Geschichte des fiinften vorchristlichen Jahrhunderts wird fur solche s'aatg niemand urkundliche Quellen annehmen. :Fur das 3. Jahrhundert kann natiirlich mit dem Vor- handensein wirklicher tiberlieferung gerechnet werden, aber, daB wir deswegen der spatannalistischen Bearbeitungsmethode mit geringerer Vorsicht ent- gegentreten diirften, mfuBte erst gerechtfertigt werden. Es geht nicht an, die hier in Frage stehenden Senatsbeschliisse aus dem Gesamtzusammenhang dieser rhetorischen Historiographie - in den auch die beriichtigten sche- matischen Annalistenschlachten mit ihren ungeheuerlichen Zahlenangaben hineingeh6ren - herauszunehmen und sachkritisch zu begutachten, wie es nach vielen Vorgangern De Sanctis und Klotz tun. Doch zeigt ihr Wider- spruch gegen Kahrstedt immerhin, daB dessen Beurteilung nicht iiberzeugend wirkte, und so wird ein neuer Versuch, diese fur die Liviuskritik so wichtige Frage zu klaren, nicht iiberflulssig erscheinen, wenn ich auch einen andern Weg als den altbekannten, den Wahrheitsgehalt der Spatannalistik vor allem an Polybios zu priifen, nicht gefunden habe.

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Senatsbeschlusse uber romische Truppenaufgebote 273

I

Einen ganz besondern Wert besitzen fur unsere Absicht natiirlich die Teile des Polybischen Werks, die auf r6mischen Quellen beruhen. Wie be- kannt'), ist von solchen im Bereich der drei ersten Biicher nur noch Fabius Pictor greifbar, und da will es das Gliick, daB die ausfiihrliche Darlegung fiber die romische Mobilmachung fur den Keltenkrieg von 225 und die dabei erfolgte Aufnahme der gesamten r6misch-italischen Wehrfahigen 2, 23 und 24 durch Orosius 4, I3, 5 und Eutropius 3, 5 nach Livius ausdriicklich auf den Kriegsteilnehmer Fabius Pictor zuriickgefiihrt wird (Fab. Pict. Fr. 23 P.). Wie Beloch2) in seiner eindringlichen Analyse gezeigt hat, steilte Fabius sein Verzeichnis aus drei verschiedenen Quellen zusammen: i. berechnete er die mobilisierten Truppen aus der Zahl der aufgestellten Legionen, namlich 4 der Consuln zu je 5200 Mann zu FuB und 300 Rittern, dazu insgesamt Bundes- genossen 30 ooo zu FuB und 2000 Ritter (24, 3-4), ferner in Roxn versammelt 20 ooo Burger zu Fufi und I500 Ritter, nebst Bundesgenossen 30 000 zu FuB und 2000 zu Pferd (24, 9), dann 2 Legionen zu 4200 Mann zu FuB und 200

zu Pferd zum Schutz von Tarent und Sizilien; 2. entnahm er die Gesamtzahl der waffenfahigen R6mer der Censusliste, ungefahr 250 000 zu FuB und 23 ooo Ritter (24, I4, genauer 248 200 und 23 6oo nach Orosius 4, I3, 7 mit der Emendation Niebuhrs RG. II 8i und Belochs 363); 3. steilte er die Ge- samtzahl der Bundesgenossen, 379 000 (Beloch 356), zusammen auf Grund der nach Rom gesandten Verzeichnisse der Manner im wehrpflichtigen Alter (23, 9 azoy' ai -rC6v ev jAtxtatg; = tabulae iuniorum, Beloch 364).

Die ganze verfiigbare Streitkraft beziffert Polyb 2, 24, I6 auf fiber 700 000 zu FluB und ungefahr 70 ooo zu Pferd, ebenso Diodor 25, I3, wahrend Eutrop und Orosius die Gesamtzahl des Fabius auf 8oo 000 abrunden. Aus deren Berufung auf Fabius ergibt sich, daB schon dieser, nicht erst Polyb, den Fehler begangen hatte, die Mobilisierten mit den Gesamtsummen der Bulrger und Bundesgenossen (652 000) zusammenzuzahlen 3). Unbeschadet dieses und an- derer Irrtuimer4) zeigt sich, daB Fabius bei dieser Gelegenheit Senatsbeschliisse und Censusakten benutzte. Wir sehen, daB I0 rdmische Legionen von unter- schiedlicher Starke aufgestellt werden sollten, fiur 8 davon an Bumdesgenossen je 7500 zu FuB und 500 Ritter in Aussicht genommen, oder wie Beloch 36I glaubt, von Fabius angesetzt wurden. Dabei werden unterschieden die Feld- truppen der Consuln (24, 3 [,WTa /ev d) rCov v'av e)ej2t#et rtaea rea- To' 1ba 'Pco/2arxd) von den zum Grenzschutz und zu Besatzungen verwendeten

1) D. Ztschr. 68, I33 ff. 2) Die Bev6lkerung der griechisch-r6mischen Welt, i886, 355-370. 3) Beloch 357. 369 richtig. Anders Kromayer-Veith, Heerwesen und Krieg-

fiihrung der Griechen und Romer, I928, 306. 4) 24, 5-8 Verwechslung von Gesamtzahl bundesgen6ssischer Wehrpflichtiger

und aufgebotenen Mannschaften, Beloch 365.

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Aufgeboten (24, 6 rrQoeXi?~Yaav. 24,8 'r&i y'v oSv nzeoxath uEva a-rardonEa -ri7 Xcoeag. 24, 9 von den Truppen in Rom (9sestEiag kOVTng -rd&v. 24, I3 in Sizilien und Tarent careao'rrEsa 6v'o naQesqpevev)'). Diese Unterscheidung wie uiberhaupt der ganze Bericht beseitigt von vornherein ein MiBverstandnis, das bei Kahrstedt Karth. i8o, 2 (nicht S. I50 wie bei Klotz 42 steht) hin- sichtlich Pol. 3, I07, 9-I0 eine Rolle spielt. Dort heiBt es, daB die Romer 2i6

den beiden Consuln 8 Legionen zur Verfiigung stellten, wahrend bis dahin die Heere der beiden Consuln immer aus je 2 Legionen, also im ganzen 4, bestanden, wie Polyb das schon i, i6, 2 bemerkt hatte. Nicht, daB die R6mer iiberhaupt 8 Legionen versammelten, war das Unerh6rte, sondern, daB mit einem solchen den beiden Consuln unterstellten Massenheer eine Feldschlacht geliefert werden sollte (neobeOvTo bs' rvTaTord'tg O'xTO ataxtvbvvE8Etv, d neo'mqov OVn66nor' 8y8yovst rae&a ePPo,uaiotg).

Ahnliche Angaben uiber Heeresstarke lagen Polyb auch fuir das I. Buch vor: 7, 7 die Besatzung in Rhegion unter dem Campaner Decius bestand aus 4000 Mann, i6, i die beiden Consuln von 263/2 gehen mit 4 Legionen und zugeh6rigen Bundesgenossen nach Sizilien; i6, 2 daB die Legionen solche von 4000 Mann zu FuB und 300 Rittern gewesen seien, konnte Erlauterung Polybs sein; I7, 2 nach dem Vertrag mit Hieron glaubt man sich mit 2 Legionen begnfigen zu k6nnen. Schon im folgenden Amtsjahr 262/I erscheinen aber wieder die beiden Consuln mit ihren Legionen 2).

Da Polybios in diesem AbriB des ersten punischen Kriegs seine Quellen stark kuirzt, brauchen wir die Andeutungen fiber die jeweiligen Streitkrafte nicht im einzelnen weiterzuverfolgen. Einen genauern Einblick in das von Fabius Pictor gebotene Material gewahrt uns am besten der Bericht fiber die von den Consuln 256/5 unternommene Offensive gegen Afrika (25, 6-29, Io) 3):

25, 7 die Kriegsflotte besteht aus 330 Schiffen, sie haben auBer den Seeleuten die Mannschaften des Landheeres an Bord und ihre 4 Abteilungen entsprechen der Gliederung in die 4 Legionen, deren Numerierung auch fir die Flotten- geschwader gilt. Nach ihrer taktischen Bedeutung wird die 4. Abteilung auch mit der Bezeichnung triarii belegt (26, 5-6; I5. 27, 9. 28, i; 8). Die Gesamt- zahl der Mannschaften, rund I40 000, wird berechnet, indem ffir jedes Schiff 300 Seeleute und I20 Soldaten angesetzt werden (26, 7). Danach hatten sich die Landungstruppen auf 39 6oo K6pfe belaufen. Zum tberwintern bleibt M. Atilius Regulus mit 40 Schiffen, I5 000 Mann zu FuB und 500 Rittern in Afrika (29, 9). Da Polybios 26, 9 seine Verwunderung ausspricht fiber die

1) Vgl. Liv. 23, 32, i6; 20. 24, 7, I urbes, quae praesidiis tenebantur Romanis; 29, 4 ein praesidium in der Gegend von Leontini; 39, II. 25, I5, 9 in Thurii, 26,

39, I in Tarent, 27, 22, 6 praesidium provinciae. 2) Selbstverstandlich 4, wie De Sanctis III I, ii8 richtig bemerkt gegen Beloch

GG IV I, 655, der meint, erst 258 seien wieder 4 Legionen da. 3) Vgl. De Sanctis III I, 226.

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Senatsbeschliisse utber romische Truppenaufgebote 275

gewaltigen Zahlen, verdankte er sie Fabius; aber wir mfissen erkennen, daB dieser hiebei wieder Berechnungen aufgestellt hat, die einer kritischen Be- trachtung nicht standhalten. Er ging aus von der Zahl der Schiffe, die er samtlich als Penteren ansah und bemanntel). Was die Landtruppen anbetrifft, so lesen wir 26, 5, es seien ausgewahlte Mannschaften an Bord genommen worden, wahrend die berechnete Zahl den ganzen Armeen der Consuln gleich- kommt. Es sieht vielmehr so aus, als ob das Heer des Regulus die ganze mit- genommene Landmacht bildete2). Denn von einer Teilung der Truppen ist nicht die Rede, sondern, daB L. Manlius Vulso die Flotte mit der Bemannung samt den Gefangenen nach Rom gebracht habe (29, 8-io).

Unmittelbar zu unserm Thema gehoren die Nachrichten fiber die Truppen- aufgebote der Consulatsjahre 2i8-2I6.

Nach der Kriegserklarung beschlieBt der Senat, die beiden Consuln von 2I8 sollten mit ihren Legionen - also 4 romischen Legionen mit zugeh6rigen bundesgenossischen Alen - in Spanien und Afrika angreifen (3, 40, 2). Da fiber die Starke der Legionen nichts besonderes bemerkt wird, haben wir nach 3, Io7, I0-I2 anzunehmen, daB solche von 4000 Mann zu FuB und 200 Rittern gemeint sind, die Alen ebenso stark, aber mit 6oo Pferden. Wah- rend die Consuln noch mit Ausheben beschaftigt sind, uiberfallen Boier und Insubrer die neugegriindeten Kolonien Placentia und Cremona. Die Ansiedler fliichten nach Mutina. Ihnen zieht zu Hilfe der Praetor L. Manlius Vulso (Liv. 22, 35, I. Muinzer RE. I4, 1222), wird aber geschlagen und in der Ortschaft Tannetum eingeschlossen (40, 3-I4). Er wird 40, ii bezeichnet als Qeoxa- O?9jwEvog El -rCov To'cov yElar bvvd6eog und sein praesidium 40, I4 als 'die vierte Legion'. Das fallt auf, weil gewohnlich bei Polybios Legionsnummern nicht genannt werden (Klotz 46). Doch sahen wir eben, wie I, 26, 5 die Nu- merierung der Legionen auf die Flotte fibertragen wurde3), und Liv. 24, 36, 4, wo unmittelbar oder mittelbar Polyb Quelle ist, erscheint legio prima (De Sanctis III 2, 362). Damit werden die Folgerungen Kahrstedts (i8o), die der Behauptung entflieBen, daB #>es zu Polybios Zeit keine Legionsziffern gibt((, unbrauchbar, und wir sind zu dem SchluB genotigt, den auch schon Klotz 48 gezogen hat, daB es sich hier um eine der 4 aufgebotenen Legionen des Amts- jahrs 2I9 handelt 4). Dieser SchluB empfiehlt sich desto mehr, weil nach Liv.

1) Beloch, Bevolkerung 370. 380. De Sanctis III I, I38 bezweifelt die richtige tCberlieferung der Schiffszahl; aber, da Fabius seine ganze Berechnung auf dieser Zahl anstellte, muB3 er sie schon vorgefunden haben. Da er 59, 8 die Flotte des Lutatius Catulus gegen Diodor 24, II (= Philinos, Jacoby Nr. I74 Fr. 5), 300 Kriegsschiffe und 7oo Lastschiffe mit 200 Penteren angibt, so m6chte ich nicht annehmen, daB Fabius seine Zahlen aus Philinos bezog.

2) Aber nicht, wie ich d. Ztschr. 68, I40 dachte, eine regulare consularische Armee. 3) Ob auch co erQcoov crTeaTo'neov I, 30, II so aufgefal3t werden darf, erscheint

fraglich, weil kaum Fabius vorliegt. 4) Wie sie nach Gallien kam, war bei Fabius vermutlich vorher gesagt.

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276 Matthias Gelzer

22, 33, 7 im Amtsjahr 2I7 eine aedes Concordiae zum Bau vergeben wurde, quam per seditionem militarem biennio ante L. Manlius praetor in Gallia vo- visset. Da eine solche Notiz auf die annales maximi zuriickgehen k6nnte, diirfte sie zuverlassiger sein als ihre spatannalistische Umgebung. Auch Liv. per. 2o bezeugt eine tYberlieferung, wonach mit der Anlage der Kolonien schon 2I9 begonnen wurde.

Nach Pol. 3, 40, I4 erhalt ein Praetor den Auftrag, die inzwischen aus- gehobenen Legionen des Consuls P. Scipio nach Gallien zu fiihren. Dieser hebt fur Spanien ein neues Heer aus. Nachdem er an der Rhone die Fiihlung mit Hannibal verloren hat, laBt er es durch seinen Bruder Gnaeus nach Spanien fiihren und iibernimmt selbst die Legionen der Praetoren im Poland (49, 4* 56, 5-6). Am Trebia vereinigt er sich mit dem Heer des Collegen Ti. Sem- pronius Longus. Die Gesamtstarke der Infanteriel) wird auf ungefahr i6 ooo R6mer und 20 ooo Bundesgenossen, die der Kavallerie auf 4000 Mann an- gegeben (72, II). Das sind 4 Legionen, und es ergibt sich, daB die '4. Legion' des Manlius nicht mehr mitzahlt 2), Offenbar war sie durch ihre Verluste (40, I2)

arg zusammengeschmolzen, und jede weitere Vermutung ist miiBig. Livius hat 2I, I7 fur das Jahr 2I8 einen typisch spatannalistischen Bericht

fiber die Streitkrafte. Danach beschlieBt der Senat Aufstellung von 6 Legionen; das Aufgebot der Bundesgenossen und die GroBe der Flotte wird den Befehls- habern anheimgegeben. Solche protokollarische Genauigkeit ist charakte- ristische "'xq9aatg ! Ausgehoben werden 24 ooo romische pedites, i8oo equites, von Bundesgenossen 40 000 pedites, 44oo equites. Von diesen erhalt Sein- pronius 2 Legionen und i6 000 bundesgenossische pedites nebst i8oo equites, Scipio auler den Legionen I4 )00 bundesgen6ssische pedites mit i6oo equites, der Praetor L. Manlius fur Gallien 2 Legionen und Bundesgenossen I0 000

pedites und I000 equites. Diese letzte Angabe ist natiirlich mit Polybios-Fabius in keiner Weise

zu vereinigen. Die Meinung von Klotz 45, die gallischen Legionen des Praetors hatten bereits in Gallien gestanden, kann nicht in den Text hineingelesen werden, denn nach I7, 3 werden alle Truppen gleichzeitig ausgehoben. Nach zwei Niederlagen (25, io und I2) wird ihm der Praetor C. Atilius mit i Legion und 5000 socii aus dem consularischen Heer nach Tannetum zu Hilfe ge- schickt (26, 2). Scipio ersetzt diese Legion und fahrt nach Massilia (26, 3), iibernixnmt dann nach Abgabe seines Heeres die Truppen der Praetoren (39, 3), die nach dem bisherigen aus 3 Legionen mit fiber 15 ooo Bundesgenossen bestanden, wovon, nach 25, Io-I2, I2oo Gefallene abzuziehen waren. Dennoch

1) Die Meinung von De Sanctis III 2, 88, die 6ooo EsCEaxOTtar von 72, 2 seien darin nicht miteinbegriffen, scheint mir unmoglich. Pol. sagt 72, I2 ausdruicklich, diese Zahl sei die Normalstarke von zwei vereinigten consularischen Heeren.

2) Im Gegensatz zu Klotz 49 bin ich der Ansicht, daB Polyb aus sich selbst erklart werden muBl, ohne Zuziehung der Spatannalistik Liv. 21, I7, 9.

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Senatsbeschliisse iiber romische Truppenaufgebote 277

laBt Livius 57, 2 die Schlacht von 2 consularischen Heeren schlagen, deren Infanterie sich 55, 4 auf i8 000 R6mer und 20 ooo Bundesgenossen, auBer cenomanischen Auxilien, belauft. Diese Angabe iiber die Heeresstarke beruht auf Quellengemeinschaft mit Polybios; die kleine Abweichung i8 000 bei Livius gegen i6 000 Pol. 72, II ist offenbar verderbte Vberlieferung. Denn Polyb sagt 72, i2 ausdriicklich, daB die Ziffern die Solistarke zweier con- sularischer Heere darstellen1).

Dagegen kann man fragen, ob Liv. 26, 2, wonach der Praetor Atilius nur die Halfte der von Scipio ausgehobenen Mannschaften nach Gallien fiihrt, nicht die Quelle des Polybios 40, I4 genauer wiedergibt (Kahrstedt i8o). Aber, da Livius 25, 4 zwei Quellenvarianten anfiihrt und die zweite Nieder- lage des Praetors Manlius 25, I2 mit dem Verlust von 6 signa (gegen Pol. 40, I2 und Appian Hann. 8) nach Spatannalistik aussieht, mochte ich auch die Genauigkeit von 26, 2 fur Schein halten2).

Bei Polybios fanden wir Ende des Jahres 2I8 in Tatigkeit die 4 Legionen der Consuln und die 2 des Cn. Scipio in Spanien. Danach ist die annalistische Meldung Liv. 17, 2 sex in eum annum decretae legiones sachlich nicht durch- aus unrichtig. Aber, wenn sich die Ereignisse so abspielten, wie der Zeitgenosse Fabius sie schilderte, k6nnen die von Livius berichteten Einzelheiten der Senatsbeschhisse und der darauf folgenden gleichzeitigen Aushebung der 6 Legionen samt Bundesgenossen unmoglich aus nachpolybischer Akten- forschung3) hervorgegangen sein. Wir haben darin vielmehr eine Art kom-

1) So auch Kahrstedt 39I, I. Klotz 49, I9 ubersah, daB auch Liv. 2I, 55, 4 nur die pedites angegeben sind.

2) W. Sontheimer, Klio 27, I934, 88 erkennt bei Liv. 2I, 39, 3 in der Nennung der beiden Praetoren )>Einschub aus annalistischem Quellengut<#. Er hat sich freilich von der )>Annalistenquelle( S. I02 eine Vorstellung gebildet, die ich fur grundfalsch halte. Er erschlieBt sie, weil sie ihm )>aktenmaBige Grundlage verrat( und meint: )>die amtliche r6mische Berichterstattung, die ihm (Livius) hier allein zur Verfulgung stand, schaltete die Neigung zu phantasievoller Ausgestaltung und Hervorhebung einzelner Merk- wulrdigkeiten von selbst aus(. In Wirklichkeit ist der hier besprochene Abschnitt Liv. 21, 49-5I uiber den Seekrieg 2i8 typische Spatannalistik (vgl. Kahrstedt 401) und h6chst phantasievoll. Im uibrigen kann ich es nicht billigen, daB dieser Aufsatz den Livius im 2i. Buch wie selbstverstandlich unmittelbar Polybios verarbeiten laB3t, als ob es fiber diese Frage nicht eine reiche Literatur gabe (De Sanctis III 2, I79. Kahr- stedt 360), mit der er sich zum mindesten hatte auseinandersetzen miissen. Die Mei- nung Kahrstedts i8o. 372. 40I, Scipio sei mit nur einer Legion nach Spanien geschickt worden, widerspricht allem, was wir von Polybios ulber die Starke consularischer Heere h6ren (Klotz 46). Die Angabe Appians Ib. I4 WEId nEs6v yveiov ist entweder falsch uiberliefert oder eine irrige Kombination auf Grund der verhaltnismal3ig schwachen Flotte von 6o Kriegsschiffen; dem Sempronius gibt er zu seinen I60 Schiffen 2 Legionen. Mit Pol. 40, 2 ist sie nicht zu vereinigen, und es ist sachlich unm6glich, daB der Senat mit einer so kleinen Streitmacht Hannibal meinte abwehren zu konnen.

3) So mulBte es nach Klotz 54 wohl zugegangen sein. Denn, daB er 50 die Zahlen

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278 Matthias Gelzer

binatorischer inventio zu erkennen. Die Form der protokollarischen Ge- nauigkeit findet sich ebenso 2I, 6, 3, wo die Consuln von 2I8 saguntinische

Gesandte vor den Senat fiihren, die um Schutz gegen Hannibal bitten, wahrend in Wirklichkeit Sagunt im Herbst 2I9 schon erobert war.

UCber die Riistungen des Consulatsjahres 2I7 auBerte sich Fabius offenbar wieder ziemlich ausfiihrlich, ahnlich wie fur 225 (Pol. 3, 75, 4-8). Nachdem man die Schlacht am Trebia als romische Niederlage erkennt, besetzt man Sardinien und Sizilien mit 'Legionen'l); weitere Besatzungen kommen nach Tarent und sonstigen wichtigen Platzen, die neugewahlten Consuln Cn. Ser- vilius Geminus und C. Flaminius versammeln die Bundesgenossen und heben die romischen Legionen aus. Magazine fur die bevorstehenden Feldziige werden in Etrurien und Ariminum angelegt. Die Reste des Heeres der beiden Consuln von 2I8 befinden sich in 'den Stadten' des Polandes (35, 3), gemeint sind wohl Placentia und Cremona (App. Hann. 4). Flaminius fiihrt sein Heer durch Etrurien nach Arretium, Servilius iibernimmt das Kommando in Ariminum (77, I-2). Die Truppenstarke des Flaminius betrug nach Fabius, der Liv. 22,

7, 4 als Gewahrsmann benutzt wird, 25 000 (I5 000 gefallen, I0 000 ent- kommen). Pol. 84, 7 hat ebenfalls I5 000 Tote, fiigt aber 85, I aus griechischer Quelle fiber I5 000 Gefangene hinzu. Die 6ooo Gefangenen Pol. 84, II = Liv. 22, 6, 8 entstammen wohl aus der karthagisch-griechischen Darstellung. Wir gewinnen damit das Ergebnis, daB die Heeresziffer App. Hann. 8: 30 000 zu FuB und 3000 zu Pferd Kombination nachpolybischer Schicht ist. Ebenso ist dann Hann. I0 die Ziffer von 40 ooo fur Servilius zu beurteilen. Der Bericht 8 allerdings, daB dieser auch die Poarmee des Vorjahres iibernahm, ist sachlich wahrscheinlich. Wenn als Vorganger nur Scipio genannt ist, nicht auch Sem- pronius, so ist darauf zu verweisen, daB 7 E. auch nur Scipio erwahnt wird. Nach Pol. 86, 3. Liv. 22, 8, ir besitzt Servilius eine Kavallerie von 4000 Mann2) und daraus schlieBt Kahrstedt 405 auf 4 romische Legionen. Aber das kann nach 88, 8 nicht die Meinung Polybs gewesen sein. Denn, dann hatte nach seiner Darstellung bereits der Diktator Fabius im ganzen 8 Legionen gehabt, walhrend Pol. I07, 9 das als eine bisher noch nie dagewesene MaBnahme des

Liv. 17, 5-9 auf Fabius zuriuckfuhren will, den er 46 als Quelle Polybs anerkennt,

reimt sich nicht. 1) Es wird nicht gesagt, mit wie vielen. Aus 2, 24, 8 ersehen wir, daB die nur

aus Verbundeten bestehenden praesidia auch ararzo'zreba genannt werden konnen.

2) App. Hann. 9. io gibt deren Befehlshaber Centenius 8ooo Mann und berichtet

von ihm nach einer Version, die Liv. 25, 19, 9-17 wie Sil. It. 12, 463 erst zum Jahre 2I2

bringt (De Sanctis III 2, I24. Kahrstedt 266). Ort der Niederlage des Centenius ist

Plestia zwischen Fulginium und Camerinum (Nissen, It. Ldk. II 388). Kahrstedt I94, 2

vermutet gut bei Corn. Nep. Hann. 4, 3 eine Spur der appianischen fberlieferung. De

Sanctis I23 bemerkt mit Recht, daB sich das mit Pol. 86, 6, wonach die Nachricht drei

Tage nach der Trauerbotschaft vom Trasimen eintraf, nicht vertragt; Kahrstedt 413.

Klotz 56 glaubt an zwei Unternehmungen von zwei Fuhrern namens Centenius!

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Senatsbeschliisse uber romische Truppenaufgebote 279

Jahres 2I6 bezeugt. Mir scheint strategisch selbstverstandlich, daB Servilius einen Teil seiner Krafte zum Schutz des Polandes zuriicklieB, vielleicht die Truppen, die fur 2i6 der Praetor L. Postumius erhielt (Pol. io6, 6. Liv. 22,

35, 6. 23, 24, 8). iFur unser Thema ist interessant, daB Appian 8 die Gesamtstarke der

r6mischen Aufgebote anmerkt: mit der alten Poarmee seien es I3 Legionen gewesen und zwar solche zu 5000 Mann zu FuB und 300 Rittern, dazu die doppelte Zahl von Bundesgenossen. In Wirklichkeit sagte seine Quelle gewiB, daB durch sie die romischen Streitkrafte verdoppelt wurden. Danach gab er offenbar dem Flaminius 3, dem Servilius 4 Legionen. Die iibrigen 6 miissen den sonst genannten Kriegsschauplatzen Spanien, Sardinien, Sizilien zu- geschrieben werden1). Da sich vorhin die Heeresziffer des Flaminius als Kom- bination herausstellte, kann dieser appianische Bericht, der den Einzelheiten bei Polybios-Fabius2) ganzlich widerspricht, nicht mit Klotz 54 fur )>unver- dachtig< und auf Aktenforschung beruhend gehalten werden.

Bei Livius fehlen zum Jahre 2I7 entsprechende Senatsbeschliisse iuber die Aufgebote. In dem Dublettenabschnitt 2I, 57, 5-59 (De Sanctis III 2, 99) laBt er 59, io den Consul Sempronius den Rest des Winters in Luca verbringen. Trotzdem iibernimmt Flaminius 63, I in Ariminum die Legionen, die in Pla- centia iiberwinterten, und zwar 63, I5 im ganzen 4 von Sempronius und C. Atilius, obwohl sich dieser nach 62, io damals in Rom befinden miiBte. Das ganze Vierlegionenheer wird dann nach Etrurien gefiihrt. Es ist klar, daB der Annalist von 59, Io dem Flaminius die Legionen in Luca zudachte. Nach Pol. 77, I marschierte Flaminius mit neu ausgehobenem Heer nach Arretium und Servilius ebenso nach Ariminum. Ebenso iibernimmt bei App. Hann. 8 Servilius die Poarmee. Bei Liv. 22, I, 4 halt Servilius am I5. Marz in Rom Senatssitzung ab und beschaftigt sich 2, I mit der Aushebung; 8, i aber riickt er gerade wie Pol. 86, i von Ariminum zur Unterstiitzung des Flazuinius heran. Die hier vorausgesetzten seltsamen Man6ver besagen deutlich genug, was von dieser genauen Schilderung der Kommandoiibernahme zu halten ist, und man kann nur staunen, mit welcher Geschicklichkeit Klotz 5i alle Wider- spriiche hinwegraumt, um die )>sachverstandige Vberlieferung des Livius# zu retten. Auch wenn es bei Cicero de div. I, 77 von dem von Rom aufbrechenden Flaminius heiBt qui exercitu lustrato cum Arretium versus castra movisset et contra Hannibalem legiones duceret, laBt er sich durch diese Uberein- stimmung mit Polybios nicht beirren, sondern meint 52, man )>k6nnte an- nehmen, daB der Vormarsch von Rom aus sich auf die Ersatzmannschaften beziehe, die den an der Trebia hart mitgenommenen Truppen fulr den neuen

1) Man darf natiirlich nicht mit De Sanctis III 2, ii8 diese Vbersicht aus Pol. erklaren; ebenso willkiirlich Klotz 53-55.

2) Vgl. Kahrstedt 405, der aber 40I dem Cn. Scipio nur ein Korps von 88oo Mann zubilligt.

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280 Matthias Gelzer

Feldzug zugefiihrt werden muBten<(. Die Quelle des Livius 22, 3, 10 muBte natiirlich diese Geschichte nach Arretium verlegen. Da Cicero 78 Coelius als Gewahrsmann angibt, erhalten wir die erwiinschte Bestatigung, daB die Ver- drehung aller Tatbestande erst spatannalistisch ist. DaB Klotz nur Cic. 78 dem Coelius zuweisen will, um ihn als unmittelbare QueUe des Livius zu halten, scheint mir Willkfirl). Wichtig sind die Widerspruiche zwischen den anna- listischen Versionen im Livius selbst und wieder gegenuiber Appian, weil sie zeigen, wie das fiber den alten tberlieferungsstock bei Polybios Hinausgehende nicht Zuwachs an Wissen bedeutet, sondern in verschiedener Ausfiihrung immer wieder dieselbe Manier rhetorischer inventio verrat.

Nach Pol. 3, 86, 6 bestimmt die Vernichtung des C. Centenius den Senat zur Bestellung eines Diktators; 88, 7 zieht Fabius mit 4 der Zeitlage ent- sprechend ausgehobenen Legionen aus, vereingt sich in Daunia mit den von Ariminum ankommenden Truppen des Consuls Cn. Servilius. Das klingt so, als ob der Diktator nun 6 Legionen gehabt hatte2). Wenn das aber die Mei- nung von Polybs Quelle3) gewesen ware, so hatte er I07, I0 und I4 (vgl. IO,

i6, 4) nicht das Vierlegionenheer als bisheriges HochstmaB romischer Truppen- anhaufung bezeichnen k6nnen. Folglich verffigte Fabius erst nach der Ver- einigung fiber 4 Legionen. Das Wesentliche in dem davon handelnden Satz ist j a, daB Servilius zur Flotte abkommandiert wird.

Livius hat 22, II, 2 einen AufgebotsbeschluB fuir Fabius: er soll das Heer des Servilius iibernehmen, ferner nach Belieben ausheben. Fabius erklarte, noch 2 Legionen zu brauchen. Die Aushebung wird dem magister equitum uibertragen, Tibur durch Edikt als Sammelplatz bekannt gemacht. Dann wird ganz genau das Zusammentreffen von Diktator und Consul bei Ocriculum4) geschildert. Der Legat5) Fulvius Flaccus ffihrt das consularische Heer nach Tibur, von wo die vereinigte Macht des Diktators fiber Praeneste auf die Via Latina und schlieBlich nach Arpi gelangt. Statt Arpi hat Pol. 88, 9 Aecae.

1) Auch Kahrstedt I50 halt irrig den in Ariminum erfolgten Amtsantritt des Flaminius fur Coelius (Liv. 2I, I5, 6 = 57, 3). Die Sorge um den korrekten Hergang der Wahlen ist typisch spatannalistisch. So riigt Liv. 22, 3I, 8 den Coelius, weil er den Fabius Diktator nennt, statt pro dictatore, obwohl er wei13, daB ihn nicht der Consul ernannte, sondern das Volk wahlte.

2) Soviel gibt ihm Kahrstedt 427, I, weil er das Heer des Servilius auf *4 ver- starkte Legionen(( schatzt.

3) Hier mit De Sanctis III 2, ii6. I73 eine karthagische Quelle anzunehmen, erscheint mir als ein unnotiger Ausweg.

4) Nach dieser spatannalistischen Kleinmalerei wollte Seeck d. Ztschr. I2, I878, 509 Polybs me' ripv Jaavvav in Naevyav emendieren. Vgl. Kahrstedt I97, I.

5) Die erste beglaubigte Erwahnung von Legaten findet sich Pol. 6, 35, 4, v. Premerstein, RE. 12, II4I. Wahrend dort P. Scipio Africanus als erster bezeugter Legat seines Bruders L. bezeichnet wird, heiBt er Pol. 2I, I0, ii dvOt=arog. Dagegen C. Popilius legatus Liv. 43, 22, 2 i. J. i69, dann auch Liv. 43, 2I, i L. Coelius legatus Romanus k6nnten authentisch sein, vgl. Pol. 28, 3, I.

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Senatsbeschliisse tiber romische Truppenaufgebote 28I

Da sich Hannibal schon langst in Apulien befand (Pol. 88, 6 = Liv. 22, 9, 5), so iiberrascht nicht, daB nach Polyb Servilius nicht auf dexn Umweg uber Tibur dorthin marschierte. Gegen die genaue Erzahlung von der Befehls- iibernahme macht schon die Erfahrung mit Flaminius miBtrauisch. iFur das geographische Detail sei auf die Annalistenmarsche des Jahres 2II bei Liv. 26, 8, IO-IO, I hingewiesen, wo Pol. 9, 5, 8 und Coelius bei Liv. 26, II, IO gegen die Spatannalistik stehen, und wo auch De Sanctis III 2, 338 und Klotz 77 wenigstens den Marsch des Proconsuls Q. Fulvius (8, II) als Fabel anerkennen. Als fur spatannalistische Mache charakteristisch merke ich die von Fulvius getroffenen Anordnungen fur diesen Marsch an: per Appiae mu- nicipia quaeque propter earn viam sunt, Setiam, Coram, Lavinium praemisit, ut commeatus paratos et in urbibus haberent et ex agris deviis in viam proferrent praesidiaque in urbes contraherent, ut sua cuique res publica in manu esset. Damit vergleiche man das Edikt des Diktators 22, II, 4 ut, quibus oppida castellaque inmunita essent, uti commigrarent in loca tuta, ex agris quoque demigrarent omnes regionis eius, qua iturus Hannibal esset, tectis prius incensis acfrugibus corruptis, ne cuius rei copia esset'). Dieselbe Annalistengenauigkeit finden wir im Bericht fiber die Teilung des diktatorischen Heeres zwischen Fabius und Minucius Liv. 22, 27, II: prima et quarta Minucio, secunda et tertia Fabio evenerunt etc.

Klotz braucht 55 zur Erklarung der I3 Legionen Appians auch 2 legiones urbanae. Die findet er einmal erwahnt Liv. 22, II, 8, wo die Rede ist von den Mannschaften, die der Consul Servilius in Rom vorfindet und teils auf die Flotte nimmt, teils zur Bewachung der Stadt zuruicklaBt. Andrerseits erkennt Klotz 56 auch in den 8ooo Mann des Centenius App. Hann. 9. io diese legiones urbanae, obwohl bei App. ii davon 3000 fallen, 8oo gefangen werden. Das sollen dann aber auch dieselben 2 Legionen sein, die nach Liv. 22, II, 3 der Diktator in Tibur )zusammentreten hIBt<<. Dort heiBt es aber ausdriicklich, sie seien durch den magister equitum neu ausgehoben. Uns dienen diese zu- sammenhanglosen Berichte nur zur Einsicht in die annalistische inventio. Selbstverstandlich ware moglich, daB es bei der auch Pol. 3, 96, io geschil- derten Ausfahrt der romischen Flotte so zugegangen sein k6nnte, wie es Liv. II, 6-9 etwas abweichend schildert. Aber der typisch spatannalistische Er- zahlungsstil dieser Kapitel laBt kein Zutrauen aufkommen.

Von gr6Bter Bedeutung sind fiir unser Thema die Widerspriiche der Quellen fiber die Zahlen von 2I6, dem Jahr von Cannae. Sie sind ausfiihrlich, freilich mit entgegengesetzten Ergebnissen, behandelt von De Sanctis III 2, I3Iff. und von F. Cornelius, Cannae 2off. Ich kann mich darum mit der Bemerkung begniigen, daB ich Cornelius und Klotz 59 zustimme, welche sich

1) Entsprechende Anordnungen auch 207 beim Marsch des Consuls Claudius Nero Liv. 27, 43, IO oder 34, 56, I-I3 zum Jahre 193.

Hlermes 70 I9

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282 Matthias Gelzer

an das Zeugnis Pol. 3, I07, I5 halten, daB 8 romische Legionen im Kampfe standen'). Die Hauptsache ist nun die Anmerkung Liv. 22, 36, I Exercitus quoque multiplicati sunt; quantae autem copiae peditum equitumque additae sint, adeo et numero et genere copiarum variant auctores, ut vix quicquam satis certum adfirmare ausus sim. decem milia novorum militum alii scripta in supplementum tradunt, alii novas quattuor legiones, ut octo legionibus rem gererent. Die zweite Version ist die Polybs. Der quellenkritische StoBseufzer entfahrt Livius, das zeigt der Zusammenhang, als er bei dem Autor, dem er den Bericht iiber die Wahlen entnahm, zum SenatsbeschluB iuber die Truppenaufgebote gelangte. Da fand er dort fur das Heer der Consuln bloB Aushebung von I0 000 Mann Ersatz, wahrend Coelius wie Polyb 8 Legionen operieren lieB. Sokche Vertrautheit mit den Bewilligungen von Truppenersatz geh6rt auch zum Riustzeug der Spatannalistik2). Ich zahle nach diesem Bei- spiel in den Biichern 24-45 des Livius 27 Falle von Erwahnung in Senats- beschliissen. Diesmal ist der Widerspruch zur altern Vberlieferungsschicht selbst Livius zu stark, und er teilt den von ihm verworfenen SenatsbeschluB gar nicht mit3). Desto merkwiirdiger ist es freilich, daB ihm Klotz 6o darin folgt, der doch sonst diese spatannalistische Genauigkeit fur Ergebnis von Urkundenforschung halt.

Die Mannschaftsziffern sind natiirlich schon bei Polyb errechnet (107, II). Wie wenig es ihm auf ein paar Tausend mehr oder weniger ankam, zeigt sich II3, 5. I17, 2, wo er die Gesamtzahl der r6mischen Kavallerie mit 'ein wenig mehr als 6ooo' angibt, wahrend die fru.here Stelle auf 9600 fiihren wurde. Alle Varianten in den genauen Zahlenangaben gehen auf verschiedene Be- rechnungen zuriick. Natiirlich machten auch die karthagischen Berichte das r6mische Heer moglichst groB. Der Annalist des Ersatzes dagegen wollte, wie neuerdings De Sanctis, die doppelte Uberlegenheit der R6mer beseitigen. In

1) Die ausdruckliche Hervorhebung, daB3 dies zum erstenmal in der r6mischen Geschichte vorgekommen sei, ist charakteristisch romisch-senatorisch (vgl. Pol. 2, 21, 8. Diod. 14, II3, 7. Liv. 22, 8, 6). Die mehr als doppelte Vberlegenheit der R6mer (3, I09,4)

hatte den Sieg gewahrleistet, wenn L. Aemilius Paullus nicht vom Kollegen C. Terentius Varro an der Durchfiihrung seiner Plane gehindert worden ware (I07, 8. io8, 2-9.

109, I2. I10, 2-3; 8. III, 2. II2, 2. II7, 4. 9, 3, 9). Wenn auch 3, I09, 2 die bisherige Kriegfiihrung des Fabius Cunctator als Schulung des romischen Heeres anerkannt wird, so lalt sich nicht verkennen, daB diese Darstellung des Aemilius kaum von Fabius Pictor herriihren kann, vielmehr unter dem EinfluB des Enkels Scipio Aemilianus steht. Das beweist jedoch, daB man um i6o v. Chr. nichts anderes als das Acht- legionenheer kannte.

2) Dagegen k6nnten die 8ooo Mann, die P. Scipio Liv. 22, 22, I nach Spanien erhalt, altere tberlieferung sein, obschon sie Pol. 3, 97, i fehlen. So konnte z. B. Cincius Alimentus, den nach Liv. 2I, 38, 3 vermutlich Coelius benutzte, ein Mehr gegenuiber Fabius bieten.

3) Cornelius a. a. 0. 63 hat verkannt, daB die I0 000 Ersatzmannschaften Rest dieser Vberlieferung sind. Auch Kahrstedts Kritik 428 trifft das Entscheidende nicht.

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Senatsbeschliisse uber r6mische Truppenaufgebote 283

der Verschiedenheit der Gefallenenziffer, 70 000 (Pol. II7, 4) und 48 200 (Liv. 49, I4) lebt gewiB der Widerspruch zwischen karthagischer und romischer Kriegsberichterstattung fort.

Leider hort mit dem 3. Buch die vollstandig erhaltene Darstellung des Hannibalischen Kriegs durch Polybios auf, und wir konnen nur noch ge- legentlich die Annalistik des Livius an den von ihm benutzten altem tber- lieferungsschichten kontrollieren.

Von Ereignissen nach der Schlacht von Cannae erwahnt er 3, iI8, 6 kurz die Vernichtung des mit einexn Heer nach Oberitalien entsandten Praetors L. Postumius Albinus (I06, 6), wenige Tage nach jener Katastrophe. Livius berichtet das erst 23, 24, 6, nachdem er zuvor (24, 3) erzahlt hat, daB Postumius in Abwesenheit zum drittenmal zum Consul fur 2I5 gewahlt worden sei. Dies bieten auch die capitolinischen Fasten so, CIL. I S. 23 z. J. 5391). Livius gibt ihm 24,8 2 romische Legionen und an Bundesgenossen, die er sich selbst an der Ostkiiste aushob soviel, daB das ganze Heer 25 000 Mann betrug. Kahr- stedt spricht 434 und 444 nur von einer Legion, weil er 442, I meint, arQaTo- a-eov Polybs bedeute beim rbmischen Heer vor allem Legion2). Zur Wider- legung dieses verhangnisvollen Irrtums (De Sanctis III 2, 320. Klotz 77) fiihre ich solche unzweideutigen Stellen an, wo Polyb das ganze romische Heer so bezeichnet: I, 34, 1. 9, 4, I. 10, II, 7; I4, II. II, 25, 9 (vgl. Liv. 28, 26, 7 omnem exercitum). II,32,2; 33,8. I4, IO, 2. 2I, I3, IO. 23, I4,7. 27, I6, 2.

Auch im altern Latein bezeichnete legio das Gesamtheer: Ennius ann. 343 von Flaminin aspectabat virtutem legionis suai oder die Inschrift des Con- suls I77 Liv. 4I, 28, 8 Ti. Semproni Gracchi consulis imperio auspicioque legio exercitusque populi Romani Sardiniam subegit. Somit wiirde das Zeugnis des Polybios die Ziffer des Livius nicht widerlegen. Da sie nicht in einem SenatsbeschluB steckt und nicht anzunehmen ist, daB ein so angesehener Con- sular bloB mit gooo Mann abgeschickt wurde, darf alte Qberlieferung3) ver- mutet werden oder mindestens liegt sachkundige Kombination vor.

2

Weitere Vergleichsm6glichkeiten bietet der Krieg auf Sizilien, wo auBer den Fragimenten Polybs (De Sanctis III 2, 329-334) auch groBe Stiicke bei

1) Kahrstedt 435, i. De Sanctis II 2, 328 macht ihn nicht iiberzeugend zum consul suffectus fuir Aemilius Paullus.

2) Er erkennt 440, I an, daB es auch consularisches Heer bedeuten konne. 3) Der Consular fallt tapfer kaimpfend. Die Katastrophe ist das Werk der boischen

Hinterlist (auch Zonar. 9, 3, 3. Frontin. strat. i, 6, 4). Es lat3t sich schwer denken, daB A. Postumius Albinus, der letzte griechisch schreibende r6mische Historiker, den Unter- gang seines Gentilen nicht so behandelte. Dal3 die Boier den Schadel des Postumius in Gold fal3ten und als Trankopferschale in ihren vornehmsten Tempel weihten, erzahlte Cn. Gellius frg. 26 P., womit wir auch in die altere Schicht der Annalistik gelangen.

19*

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284 Matthias Gelzer

Livius unmittelbar oder mittelbar Polyb wiedergeben (De Sanctis III 2, 36I,

zuriickhaltender Kahrstedt 243. 247). Dieser selbst benutzte stark griechische Quellen (7, 7; vgl. Jacoby FGR HIST. Nr. i8o), so daB er fur die ErschlieBung der altesten romischen Qberlieferungsschicht weniger in Betracht kommt als fur die Priifung der Spatannalistik nach ihrer tatsachlichen Zuverlassigkeit.

Im Jahr 215 (De Sanctis III 2, 329) hat Pol. 7, 3, I einen Praetor in Lilybaeum, der nach Liv. 24, 6, 4 mit Ap. Claudius Pulcher zu identifizieren ist. Livius berichtet seine Wahl 23, 24, 4. Die Heeresbeschliisse fur 2I5 teilt er in Doppelfassung mit 25, 3-II und 3I, i-8. Die erste Sitzung wird vom designierten Consul Ti. Sempronius Gracchus (25, 3) geleitet, wenige Tage vor dem I5. Marz 2I5 (24, 5), die zweite ist die erste Zusammenberufung des Senats nach dem I5. Marz durch diesen Consul. Beide Male befaBt sich der Senat mit demselben Gegenstand, ohne daB bei den Abweichungen der spatern Beschliisse auf die friihern Bezug genommen wiirde: 25, 6 das bisherige Heer des Diktators M. Iunius Pera wird dem designierten Consul bestimmt. Da L. Postumius gefallen ist, kann das nur Gracchus sein. Bei diesem Heer hat man auch die Wahl zwischen zwei Fassungen'): 22, 57, 9 hebt der Diktator 4 Legionen neu aus, daneben werden die Kontingente der socii eingefordert und 8ooo Sklaven zum Waffendienst ihren Herren abgekauft; 23, I4, 2 greift er auf 2 seit Anfang des Jahres vorhandene legiones urbanae, das weitere wird beschafft durch servorum dilectus und cohortes ex agro Piceno et Gallico. Das Gesamtheer belauft sich auf 25 000 Mann, was natiirlich mit dem Vier- legionenheer der ersten Fassung nicht zu vereinigen ist. Aber, wenn beide Fassungen die Sklavenbewaffnung erwahnen, so haben wir zwei Annalisten- variationen fiber dasselbe alte Thema, um ein Bild aus der neuern Musik zu brauchen.

Nach dem ersten SenatsbeschluB von 2I5 (25, 9) soll der neu zu wahlende Consul 2 legiones urbanae2) erhalten, die zu erganzen sind aus den bisher in Sizilien befindlichen und jetzt herzufiihrenden 2 Legionen. Nach Sizilien sollen dafiir kommen die Fliichtlinge von Cannae, die bisher unter dem Praetor M. Marcellus standen. Sie sollen erganzt werden aus den julngsten Mann- schaften des bisherigen Diktatorheeres (25, 7-8). Von diesen Jugendlichen war die Rede in der ersten Fassung von diesem Heer 22, 57, 9 (iuniores ab annis septemdecim et quosdam praetextatos), und da auch die Verwendung der legiones urbanae damit zusammengeht, geh6ren Liv. 22, 57 und 23, 25 derselben Fassung an gegen 23, 14.

Im zweiten SenatsbeschluB von 2I5 (23, 31, 3) bekommt Consul Sem- pronius Anweisung, die beiden legiones urbanae in die castra Claudiana bei Suessula zu bef6rdern. Die dortigen Truppen, zumeist Cannensis exercitus,

1) Die Diskrepanz wurde von Klotz 65 uibersehen. Richtig Rahrstedt 226. Er h.lt die erste Fassung fur Coelius, De Sanctis III 2, 357 gerade umgekehrt die zweite.

2) Nach der I4, 2 vorliegenden Fassung bildeten diese das Diktatorheer.

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Senatsbeschlusse uber rbniische Truppenaufgebote 285

soll der Praetor Ap. Claudius nach Sizilien fiihren, die dort befindlichen Le- gionen dafiir nach Rom schicken. Der Proconsul Marcellus fiihrt die legiones urbanae nach den castra Claudiana.

Nachdem an Stelle des Postumius Q. Fabius gewahlt ist, teilt er mit Sempronius 'die Heere' (32, I): Fabius erhalt das Heer des Diktators, Sem- pronius die volones, das sind die ehemaligen Sklaven (Macr. Sat. I, II, 30)

und 25 ooo Bundesgenossen. Man sieht, die beiden Consuln handeln, als ware der erste SenatsbeschluB 25, 6-9 nicht ergangen. Hinwiederum ist auch nicht das zweite Diktatorheer von I4, 4 vorausgesetzt, denn dieses hatte im ganzen nur 25 000 Mann, soviel als bei der Teilung Sempronius allein erhalt. Ferner gehorten ja jenem Diktatorheer von I4, 4 die 2 legiones urbanae an, die 3I, 3 in die castra Claudiana gebracht werden1). Wir haben es hier also mit einer dritten Version fiber das Diktatorheer zu tun. Auch Klotz folgert 66, daB )>bereits in Livius' unmittelbarer Vorlage Verwirrung angerichtet war(. Aber er erkennt nicht die Fuille von Widerspriichen, obwohl Kahrstedt 236 schon darauf hingewiesen hatte. Die sich gegenseitig ausschlieBenden Varianten sprechen entschieden gegen die Urkundenforschung. Es sind nur Verschieden- heiten ausmalender Ekphrasis.

Diese Beobachtungen erwecken kein gutes Vorurteil fur die legiones Can- nenses des Praetors Ap. Claudius, denen nach De Sanctis III 2, 3I8 Cornelius, Cannae 5I-63 einen besondern Rettungsversuch gewidmet hat2). Ebenso behandelt sie Klotz 64 als geschichtlich.

Bei Liv. 23, 32, 20 wird auBer dem Praetor Ap. Claudius mit seinen Can- nenses auch der Praetor von 2I7 T. Otacilius Crassus (22, I0, 10) cum imperio

nach Sizilien geschickt, qui classi praeesset. Er operiert 4I, 8-9 von Lily- baeum aus gegen Afrika und Sardinien und gewinnt einen Seesieg. Claudius sucht 4I, I2 vergeblich bei Lokri den Karthager Bomilkar zu iiberrumpeln. In der auf Polybios zuriickgehenden Dublette (De Sanctis III 2, 362. Kahr- stedt 242. 454, I) 24, I, I2 schickt Claudius nach dem Abfall Lokris eine Be- satzung nach Rhegion. Bei Polyb selbst 7, 3, 6 fahrt noch vor dem Tode Hierons die romische Flotte von 50 Schiffen bis zum Pachynosvorgebirge. Da die Beschwerde dariiber an Ap. Claudius gerichtet ist, scheint sie zu dessen Verfuigung zu stehen. Liv. 24, 7, 8 benachrichtigt nach der Ermordung des Hieronymos im Sommer 2I4 (Pol. 7, 7, 3. De Sanctis III 2, 329. Kahrstedt 462) Claudius den Senat von der Unzuverlassigkeit der Syrakusier und setzt die romische Provinz in Verteidigungszustand.

In den Senatsbeschliissen fuir 214 wird 24, IO, 5 P. Cornelius Lentulus als

1) Klotz laBt 66. 67 nach der Bildung des Diktatorheers von 4 Legionen 2 neue legiones urbanae ausheben. Das ist genau die Arbeitsweise der Spatannalistik!

2) Kahrstedt 46I nimmt an, daB 3-4000 Cannenser 215 nach Sizilien kamen. Das scheint mir nicht unannehmbar, da es schwer fallt, an ganzliche Substanzlosigkeit der Cannenses-Ekphrasis zu glauben.

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286 Matthias Gelzer

Praetor von Sizilien genannt, T. Otacilius, zum zweitenmal Praetor (9, 4), wieder mit dem Flottenkommando betraut (mit Bezugnahme auf 23, 4I, 8; ferner 24, II, 7; I2, 7). Fir Sizilien werden II, 2 zwei Legionen bestimmt. Dennoch ist nach der griechischen Vberlieferung Ap. Claudius wahrend des ganzen Jahres 2I4 der maBgebende r6mische Fiihrer (27, 4. 29, 4) und hat eine Flotte von IoO Schiffen. Anfang 2I3 (De Sanctis III 2, 278. 33I) trifft M. Marcellus, der Consul von 2I4 in Sizilien ein (27, 6), dem dieser Kriegs- schauplatz wahrend seines Amtsjahrs uiberwiesen wurde (2I, I). Polyb 8, I, 7 gibt ihm die Landmacht, wahrend Ap. Claudius weiter die Flotte von Ioo

Schiffen kommandiert (Liv. 27, 8. 32, 2-4). Bei der Belagerung von Syrakus iibernimmt Marcellus die Flotte, Propraetor Ap. Claudius die Landtruppen (Pol. 8, 3, I; 7, I; 5 = Liv. 24, 34, 4; I2-i6). Nach achtmonatiger Belagerung (Pol. 8, 7, 6) beschrankt sich Marcell auf Blockade, iiberlaBt Ap. Claudius zwei Drittel des Heeres, mit dem iibrigen Drittel wendet er sich gegen die zu den Karthagern iibergegangenen Stadte (Pol. 8, 7, I2 - Liv. 24, 35, I). Dem kar- thagischen Heer von 25 000 zu FuB, 3000 zu Pferd, I2 Elefanten (Liv. 35, 3) fiihlte er sich weit unterlegen. Aber ein syrakusisches Korps von IO 000 zu FuB und 500 Reitern iiberrumpelt er (35, 8-36, I). Das gibt einen Anhalts- punkt fur die GroBe seines Drittels und des r6mischen Gesamtheeres, das unm6glich nur IO-I2 000 Mann betragen haben kann, wie Kahrstedt 467. 469 meint. Nun landet eine r6mische Flotte von 30 Penteren in Panormos die 'erste Legion' (36, 4). Kahrstedt 247, 3. 470, I bestreitet ohne Grund'), daB bei Polybios eine Legion eine Nummer gehabt haben k6nne. Die Drei- teilung des bisherigen Belagerungsheeres laBt mir nicht unmoglich erscheinen, daB es tatsachlich bisher nominell aus 3 Legionen bestand. Denn zahlreiche praesidia miissen abgezogen werden (Liv. 24, 7, I; 29, 4; 36, IO; 37, i-8; 38, I;

39, II). Im Winter 2I3/2 entlaBt Marcell den Ap. Claudius zur Bewerbung um das Consulat. An seiner Stelle betraut er T. Quinctius Crispinus mit dem Befehl iiber Flotte und das eine Lager (Liv. 24, 39, I2. 25, 26, 4).

Von der ganzen nach den griechischen Quellen zu verfolgenden Tatigkeit des Ap. Claudius nach Beendigung seiner Praetur wissen die annalistischen Senatsbeschlisse nichts. Fur 2I3 erhalt Marcellus Sizilien im Umfang des Konigreichs Hierons, P. Lentulus bleibt als Propraetor in der alten Provinz, T. Otacilius bei der Flotte, neue Truppen bekommen sie keine (Liv. 24, 44, 4). Nach 24, II, 2 und 2I, I sind 4 Legionen anzusetzen. Wie wir sahen, durfte diese annalistische Ansicht der Wahrheit entsprechen. Aber, wenn 2I4 aus- driicklich P. Cornelius ad exercitum geschickt wird (24, I2, 7), ebenso 2I2

(25, 3, 6) und 2II (26, I, 7-9) dieses Heer 2 Legionen zahlt, namlich die Can- nenses, und immer wieder T. Otacilius als der Flottenfiihrer erscheint, auch

1) Vgl. Po0.3, 40, I4 O. S. 275. De Sanctis III 2, 278, I38. 285 hAlt sie fur eine der Legionen, die Marcell als Consul in Italien gehabt hatte, und nimmt an, dieser habe die andere bei seiner Ankunft in Sizilien mitgebracht.

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Senatsbeschluisse uber r6mische Truppenaufgebote 287

2I2 (25, 3, 6) ohne Nennung des Crispinus1), und 2II (26, I, I2) gar noch mit 2 Legionen, so zeigt das, daB diese Nachrichten nicht aus Akten stammen sondern kombiniert sind. Es gab freilich alte r6mische Berichte bei den zahl- reichen Autoren des 2. Jahrhunderts, und es ist anzuerkennen, daB damals einer den andern gelegentlich mit genauerm Wissen verbessern konnte. Ferner besaB man magistratuum libri (Liv. 39, 52, 4) 2), deren Vorhandensein in dieser Zeit aus praktischen Griinden vorausgesetzt werden miiBte, auch wenn es nicht uiberliefert ware.

Miinzer (a. 0. 73ff.) hat lehrreich in die Hintergriinde der Gestalt des T. Otacilius hineingeleuchtet. Er scheint durch seine Mutter Halbbruder Mar- cells (Plut. Marc. 2) und andrerseits mit einer Nichte des Fabius Cunctator vermahlt gewesen zu sein (Liv. 24, 8, ii). Doch wenn Miinzer 75 von seinem Kommando in Sizilien sagt, es sei an Dauer und Bedeutung wohl mit dem gleichzeitigen der Scipionen in Spanien zu vergleichen, so ware das zum min- desten der griechischen tVberlieferung nicht zum BewuBtsein gekommen. Miinzer selbst kann 74 und 75 die Berichte bei Liv. 24, 8 und 26, 22 iiber die zweimalige Verhinderung der Wahl des Otacilius zum Consul nicht als glaub- wiirdig anerkennen. Seine Tatigkeit in Siziuien beschrankt sich im wesentlichen auf Nennung in annalistischen Senatsbeschliissen. Die Stellen, wo etwas von ihm erzahlt wird (Liv. 22, 3I, 6 und 23, 8, I) 3), stecken in Abschnitten typisch spatannalistischer Kleinmalerei. Auch der mit 8o Penteren nach Afrika unter- nomnmene beutereiche VorstoB (25, 3I, I2-I5) im Jahre 2II laBt sich mit der 25, 27, 3-I2 nach Polyb (9, 9, II) geschilderten Kriegslage nicht vereinigen. Mit Recht leugnet daher Kahrstedt 269. 48I, I die Geschichtlichkeit. So ist schwer zu sagen, ob auBer der Tatsache der zweimaligen Praetur (Liv. 24, 9, 4) und des Duumvirats fur die Weihung des Tempels der Mens (23, 3I, 9 und 32, 20) iiberhaupt echte Qberlieferung verhanden war. Merkwiirdig ist, wie 23, 4I, 12 nach dem Bericht uiber den Seesieg des Otacilius im Gegensatz zur griechischen Uberlieferung der MiBerfolg des Praetors Ap. Claudius betont wird: Appius magno conatu nulla re gesta Messanam repetit, zumal da 24, 8, I5 die Schuld, daB Bomilkar karthagischen Truppenersatz nach Italien iiber- fiihren konnte, dem Otacilius aufgebiirdet wird. Das spricht vielleicht fir Anhaltspunkte der ausmalenden inventio in alterer tCberlieferungsschicht. Denn Coelius Antipater frg. 33 P. bei Liv. 28, 46, I4 zeigt, daB schon die altere

1) Vber ihn Munzer, Rom. Adelsparteien und Adelsfamilien i i6. M. E. urteilt Muinzer 74 zu gunstig uber die Annalistik, dagegen unterscheidet er I33 gut zwischen sachlichen )WKorrekturen( und literarischer Bearbeitung.

2) Libri magistratuum des C. Sempronius Tuditanus (Fr. 7 P. bei Macrob. sat. I, 13, 21. Munzer, RE. 2 A, I442) und Libri lintei des Licinius Macer Fr. I3. 14. I5. 27 P. = Aelius Tubero Fr. 6. Munzer, RE. I3, 425.

3) Das erstemal hat er einen Legaten, das zweitemal wird er fAlschlich als Praetor bezeichnet.

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288 Matthias Gelzer

Annalistikl) solche Unternehmungen zur See berichtete (Kahrstedt 2io. 269.

305. 327), wie sie dem Otacilius zugeschrieben werden, und zwar erwahnte Coelius gerade auch wieder eine von Karthago fur Hannibal bestimmte Unter- stiitzung (ausfiihrlicher Appian. Hann. 54).

3

Die Aufgebotsbeschuiisse fur das Amtsjahr 2ii (Liv. 26, I) k6nnen vor allem an Pol. 9, 3-7 nachgepriift werden.

Nach Liv. I, 2 sollen die Consuln von 2I2 mit ihren beiden Heeren die Belagerung von Capua zu Ende fiihren; 5, 8 findet sich auch der Praetor C. Nero dort und ist folgerichtig von 6 Legionen die Rede. Polyb erwahnt 3, I; 4, 8; 7, 2; 7, 7 nur Ap. Claudius Pulcher als Befehlshaber, nicht auch den Q. Fulvius Flaccus, spricht 3, i nur von dem r6mischen Lager, 4, I von dem romischen Heer, das aber nach 6,2 naturlich aus acreardosba im Sinn von Legionen und vielleicht auch Alen besteht. Doch hindert nichts, die Nicht- erwahnung des zweiten Proconsuls fuir einen Zufall zu halten, da nach 4, 5 Hannibal fiirchtet, es m6chten auch die beiden neugewahlten Consuln von 2ii

gegen ihn marschieren, und die ganze Kriegslage vor Capua mehr als ein con- sularisches Heer wahrscheinlich macht (vgl. 5, 8. 7, 2). Da Hannibal den r6mischen Belagerungsring nicht sprengen kann (4, 6), unternimmt er den be- riihmten Zug gegen Rom. Bei seinem Erscheinen in der Nahe der Stadt be- setzen die Manner die Mauern und flehen die Frauen in den Tempeln zu den Gottem (6, 3). Aber ein unerwarteter Zufall wollte es, daB sich eben damals das eine neugebildete consularische Heer in Rom versammelte, die Mann- schaften des andern eben ausgehoben wurden. Da es sich um die Truppen der beiden Consuln handelt, kann arrea-rore&ov hier (6, 6) nichts anderes als wie 4, i Heer von 2 romischen Legionen bedeuten 2). Es ist die Rede von den beiden consularischen Heeren, durch die sich Hannibal 4, 5 (vgl. 5, 5) bedroht fiuhlt, wenn er vor Capua warten wiirde, bis sie marschfertig waren. Nach 6, 7 und 7, i riicken beide Consuln mit den verfiigbaren Truppen aus; aber daraus,

1) Dabei denke ich nach meinen Ausfuhrungen, d. Ztschr. 69, 55, an die Autoren- reihe Cassius Hemina, Calpurnius Piso, Gellius. Aber auch Fabius Pictor mochte mehr geboten haben als das zufallig Pol. 3, 96, 9-I4 erhaltene.

2) Gegen Rahrstedt 442 und De Sanctis III 2, 3I9, die arearo&reov hier mit Legion iibersetzen. Klotz 77 falft es richtig als Heer, aber mit der unmoglichen Er- klarung, die marschfertigen Mannschaften seine )Wdie beiden legiones urbanae von 2I2,

uber deren Verwendung Liv. 26, i nichts bemerkt((. Vbrigens stammt dieser ganze Polybabschnitt sicher aus karthagischer Quelle, da nach 6, 8 Hannibal durch einen Gefangenen von der starken Truppenmacht in Rom erfaihrt. Auch das ganze Kap. 7 ist Hannibalisch. Die Art, wie 6, 7 und 9, 3 der Fehlschlag von Hannibals Hoffnungen als eine durch reinen Zufall herbeigefuihrte Peripetie (X xauto,frodov ozemerra) be-

handelt wird, deutet auf einen hellenistischen Geschichtschreiber wie Silenos. tYber die Peripetie E. Burck, Erzahlungskunst d. Liv. 210ff.

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Senatsbeschluisse iiber romische Truppenaufgebote 289

daB 7, 4 nur P. Sulpicius Galba genannt wird, konnte man schlieBen, daB es im wesentlichen sein consularisches Heer war. Livius, der 26, I so viel zu be- richten weiB iiber die Verteilung der romischen Streitkrafte, hat merkwiirdiger- weise nichts uiber die Heere der Consuln; erst 26, 22, I holt er nach, daB Apulien ihre Provinz war. Da Hannibal nach dem Fehlschlagen des Marsches auf Rom durch Apulien nach Rhegion marschierte (Pol. 7, IO. Liv. I2, 2), SO ist durch- aus moglich, daB sie ihm dorthin folgten. Hinsichtlich der Senatsbeschliisse vom 15. Marz 2II (Liv. 26, I, I) gewinnen wir denselben Eindruck wie vorhin von den auf Sizilien beziiglichen, dal3 die kriegsgeschichtlich wichtigsten Auf- gaben iibergangen sind. Wenn bei Polybios die Consuln 4 neue Legionen aus- heben, so sind ganz andere Verhaltnisse vorausgesetzt als in den annalistischen Legionslisten. Wie er es in seiner Gesamtiibersicht 8, I, 3-81) darsteilt, be- stand ein grol3er Unterschied zwischen den Operationsarmeen und den prae- sidia, die er dort gar nicht der Erwahnung wert halt. Im iibrigen laBt sich am Bericht des Livius fiber Hannibals Marsch auf Rom 26, 5, I-I2, 2 verglichen mit Polybios besonders deutlich die dreifache Schichtung der Uberlieferung: Polybios-Coelius-Spatannalistik erkennen2). Darauf einzugehen wuirde hier zu weit fiihren3).

Eine besondere Aufmerksamkeit verdient im BeschluB fur 2II noch die Bestimmung Liv. 26, I, I2, wonach M. Valerius Laevinus mit einer Flotte von 50 Schiffen und einer Legion Griechenland als Provinz behalten soll. Schon 2I5 erhalt er als Praetor ungemein detaillierte Anweisungen4), mit 55 Schiffen nach Makedonien iiberzusetzen (23, 38, 6-I2). Imn BeschluB fur 214 erscheint er jedoch noch in Brundisium (24, IO, 4), wie in der Dublette des frulhern Be- fehls (23, 48, 3) und geht im Laufe des Jahres nach Orikon hinjiber, wo die romische Flotte iiberwintert (24, 40, I7) 5). Auch Polyb 8, I, 6 kennt ihn 2I3 in Griechenland als Befehlshaber einer Flotte. Im SenatsbeschluB fur 2I3 heiBt es (24, 44, 5): M. Valerio Graecia Macedoniaque cum legione et classe, quam haberet. Im BeschluB fur 2I2 (25, 3, 6) werden seine Streitkrafte nicht ge- nannt, sind aber nach 26, I, I2 anzusetzen.

Daran wulrde man keinen AnstoB nehmen, Iase man nicht in dem Herbst

1) Meine Abweichungen von der Interpretation Kahrstedts 440 ergeben sich aus meinen Ausfuhrungen.

2) Richtig beurteilt von Kahrstedt 490, wahrend De Sanctis III 2, 337 sich ver- geblich bemuht, die Spatannalistik wenigstens teilweise zu retten.

3) Appian Hann. 39. 40 ist wichtig, weil er in seiner Haupterzahlung gegeniiber Livius die altere r6mischeSchicht erhalten hat. Die 40 mit AEy8Ta& eingefiihrtenVarianten deuten auf spatere Zusatze. Gegenuiber Polyb ist bedeutsam, daB in der Haupterzahlung die Peripetie ganzlich fehlt.

4) Ihre Herkunft verrat sich am deutlichsten darin, daB in der Erzahlung 23, 34, 9 ein L. Valerius Antias einen wichtigen Auftrag erhalt.

5) Holleaux, Rome, la Gr6ce et les monarchies hellnistiques, I92l, I93. Kahr- stedt 252 schreibt dieses Rapitel Coelius zu.

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290 Matthias Gelzer

2i21) zwischen Rom und den Aetolern geschlossenen Vertrag, daB Rom sich zu einer Hilfe von nicht weniger als 25 Penteren verpflichte (26, 24, io). Das ist nun ein wirkliches Aktenstfick, dessen inschriftliche Ver6ffentlichung in Olym- pia und Rom zwei Jahre spater erfolgte (24, I4). Entsprechend hat im Jahr 208 dann auch Sulpicius 25 Trieren (Liv. 28, 5, I nach Pol.). Bei der Annalistik erklart Laevinus 2i0, die legio k6nne zuriickgezogen werden (26, 28, 2) und P. Sulpicius, sein Nachfolger, erhalt Befehl zu ihrer Entlassung (28, 9). Trotz- dem taucht im BeschluB fur 209 auch die legio wieder auf (27, 7, I5). Wahrend Sulpicius Pol. 9, 42, 2 im Jahre 2II nur acroqo hat, ist er 209 in der Lage, 4000 Bewaffnete im Peloponnes zu landen, die aber keineswegs als regulare romische Truppen anzusehen sind (Liv. 27, 32, 2-4), wenn sie auch naturlich in der griechischen Quelle als Romer bezeichnet wurden. Im BeschluB fur 208 ist nur noch die classis genannt, aber stets eadem, also die von 50 Schiffen (Liv. 27, 22, io). Bei Polyb (Liv. 28, 7, 4) werden gerade wie im Vorjahr ro- mische Truppen erwahnt. Das warnt davor, die legio von 209 etwa durch die 4000 armati als beglaubigt zu halten. Ebensowenig ist zu glauben, daB 2I0 die Epibaten der 25 Penteren tatsachlich abberufen worden waren. Berechnet man sie nach dem hohen Ansatz Pol. I, 26, 7 mit I20 fur die Pentere, so waren es 3000 gewesen. Die Annalistenkombination, einer Flotte von 50 Schiffen eine Legion zuzuteilen (vgl. Liv. 23, 28, 9 und 24, II, 3) ist danach nicht un- zutreffend; aber mit der falschen Schiffszahl entfallt jede Moglichkeit, alte tVberlieferung anzunehmen.

Livius berichtet den AbschluB des ersten makedonischen Kriegs durch den Frieden von Phoenike im Jahre 205 in dem Kapitel 29, I2, das gewiB nicht unmittelbar Polyb wiedergibt; denn, wie Holleaux 258-27I ausfiihrlich dar- gelegt hat, finden sich I2, I4 in dem Bericht fiber den Vertrag r6mische Bun- desgenossen mit aufgefulhrt, deren Erscheinen der polybischen tYberlieferung widerspricht, dafiur aber zur annalistischen Darstellung des Ausbruchs des zweiten makedonischen Kriegs jiberleitet (Holleaux 269). Fur unser Thema ist wichtig, daB die Entsendung des Proconsuls P. Sempronius (Liv. 29, II, I0

cum provinciam Graeciam haberet) mit I0 000 Mann zu FuB, I000 Reitern und 35 Kriegsschiffen (Liv. 29, I2, 2) in den vorangehenden Senatsverhand- lungen 28, 45, 8- II nicht vorkommt, obwohl diesem ausfiihrlichen Bericht schon 28, 38, I2-I3 eine schlichte Fassung der Provinzenverteilung fur 205 vorausgeht. Das ist bemerkenswert, weil es sich bei der Weisung des Senats fiber Weiterfiuhrung oder Abbruch des makedonischen Kriegs um eine zwei- fellos wichtige Beratung handelte. Bei Appian Mac. 3 wird der BeschluB schon ins Jahr 206 gesetzt und auf Betreiben des Sulpicius gefaBt. Die romischen Truppen (Io 000 zu FuB und I000 zu Pferd) sollen noch vor AbschluB des Sonderfriedens der Aetoler hiniibergekommen sein. Besonders anst6Big ist an

1) Holleaux 209, 2.

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Senatsbeschltisse uber romische Truppenauf gebote 29I

diesem Bericht die angebliche Eroberung von Ambrakia (De Sanctis II 2, 429, 83. Holleaux 255, 2). Darin deutet sich eine abweichende annalistische Fassung an; aber wir miissen zugleich feststellen, daB die Bearbeitung der angeblichen Senatsbeschlisse mit keiner der beiden andern Versionen iiber den Osten im Einklang steht.

Zum Ende des Consulatsjahres 2o8 bringt Livius 27, 35, 3 den Senats- beschluB, daB L. Manlius nach Griechenland fahren und die olympischen Spiele besuchen solle. Da dieses Fest im Somner 208 gefeiert wurde (Miinzer RE. 14, II63), stimmt die Chronologie nicht, wie ja auch die Kriegsereignisse dieses Jahres in Griechenland (28, 7, 14) von Livius falschlich unter dem Consulats- jahr 207 gebracht werden. Wenn man auch deswegen die Nachricht von der Sendung des Manlius nicht zu bezweifeln braucht1), so zeigt doch die falsche zeitliche Einordnung, daB die den Gang der Senatsverhandlungen wieder- gebende Form nur Schein ist. Auch eine so geringfiigige Beobachtung be- statigt das Ergebnis, daB das bei Livius vorliegende protokollartige Schema der Spatannalistik keinesfalls unmittelbar auf die Akten zuruickgeht.

Wie vorhin erwahnt, hat Livius in seinem Bericht fiber die Provinzen von 205 zwei Fassungen verschmolzen, und es sieht so aus, als ob die kiirzere (28, 38, I2-I3), die nur die Zuweisung an Consuln und Praetoren mitteilt, zugleich auch die altere sei. Auf altern Wortlaut deutet die Bezeichnung Ariminum fur das Befehlsgebiet des Praetors Sp. Lucretius, was Livius er- lautert mit ita Galliam appellabant. DaB es sich um Verschmelzung zweier Fassungen handelt2), schlieBe ich aus 28, 45, 8, weil dort der SenatsbeschluB fiber die Consularprovinzen ohne Bezugnahme auf den ersten Bericht gebracht wird. Allerdings wird die Aufgabe des Consuls, der Sizilien erhalt, dabei um die Vollmacht erweitert, ut in Africam, si id e re publica esse censeret, traiceret.

Ohne Erwahnung, daB dem P. Scipio bereits Sizilien zugefallen war, hebt 28, 40, I die Senatsverhandlung der zweiten Fassung mit Scipios Begehren an, daB ihm Afrika gegeben werde. Es ist klar, daB nach der Meinung der ersten Fassung Scipio Sizilien erhielt, um von dort aus Afrika anzugreifen (38, IO-I2 wie bei Appian Hann. 55. Plut. Cato mai. 3, 5. Zonar. 9, II, 6). DaB darauf noch einmal um diese Vollmacht gekampft werden muB, erweist

1) Da Manlius unter anderm die von Hannibal verbannten Tarentiner zur Heim- kehr auffordern soll, so ware der BeschluB an den Anfang des Consulatsjahrs zu setzen, da Tarent 209 von Fabius zuruickgewonnen war. So De Sanctis 47I, 44. Wei8enborn- Miller zur Stelle erinnert an die spatere Proklamation Flaminins an den Isthmien

von I96 (Pol. I8, 46, 5). 2) Weil3enborn-M. lajBt die Frage offen. Aber die Rede des Fabius (28, 4I, I2)

schlielBt aus, daB Scipio schon Sizilien als Provinz hat. Sie verlangt, daB beide Consuln

gegen Hannibal angesetzt werden (42, i6; I7; I9 und 44, 9; 14). Nur die zweite Fassung hat Plut. Fab. 25. Dort 25, 3 finden wir sogar die Liv. 38, I2 und 44, ii widersprechende Erweiterung, daB Fabius auf Scipios Kollegen P. Licinius Crassus einwirkt, gegebenen- falls Afrika zu tibernehmen.

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292 Matthias Gelzer

diese Senatsverhandlung als Epektasis. Doch mrchte ich nicht leugnen, daB die Gegnerschaft des Fabius Maximus gegen Scipios Angriffsplan vielleicht einen geschichtlichen Kern enthaltl). Hier kommt es auf Erkenntnis der inventio an: Dazu gehort gleich, daB Scipio dem Senat mit dem populus droht2), also typisch populare Taktik im Stile der Marius, Pompeius, Caesar. Die dagegen gehaltene Rede des Fabius (40, 3-42, 22) und die Antwort Scipios (43, 2-44, i8) wird niemand fur authentisch ansehen. Doch wenn im weitern Verlauf der Verhandlung ein Dekret der Volkstribunen (45, 7) zugunsten des Rechts des Senats, fiber die Provinzen zu befinden, wortlich angefulhrt wird, so gehbrt das nicht weniger zur Epektasis und deren inventio 3). Offenbar wollte der betreffende Annalist fur die Auseinandersetzungen zwischen Opti- maten und Popularen ein geschichtliches exemplum schaffen. Die nachfolgenden Senatsbeschliisse (45, 8-iI) fiber die Truppen sind nicht anders zu bewerten als das Tribunendekret, und man sieht wieder, wie wenig auf diese Akten- auszulge zu geben ist.

Nach der ersten Fassung erhalt Scipio Sizilien, ohne daB er mit dem Kollegen loste, da dieser als pontifex maximus Italien nicht verlassen sollte. Zugleich wird auch der Praetor L. Aemilius nach Sizilien geschickt (38, I3).

Von den Truppen ist nicht die Rede. Dagegen heift es 29, I3, 6 zum Jahr 204: M. Pomponio praetori in Sicilia Cannensis exercitus, duae legiones decretae. Danach hatte auch sein Vorganger Aemilius dieses Heer, und da seit 209 (27,

7, 9 und 12, De Sanctis 578) keine andern Truppen in Sizilien stehen, bleibt der Consul Scipio ohne consularisches Heer. Wenn ihm Klotz 82 2 Legionen gibt aus ))7000 Freiwilligen und Soldaten der in Sizilien stehenden Legionen#, befindet er sich nur teilweise im Einklang mit Livius. Schon WeiBenborn- Muller bemerkt zu 29, I3, 3 (vgl. 27, 7, I2; 8, I5), daB nach dem annalistischen Heeresspezialisten nur die Freiwilligen (29, I, i) in Betracht kommen, und das sind nach 28, 46, i (ebenso App. Lib. 8) ungefahr 7000. Nach 45, 13 soll dem Consul der dilectus verweigert worden sein, so daB er sich mit Freiwilligen begnugen muBte. Allerdings verfulgt er trotzdem 29, I, I3 auch fiber die sizi- lischen Legionen, aus denen er die besten Mannschaften auswahlt. Nach dieser Fassung sind schon 205 die Riistungen beendet. Es ist dieselbe wie bei Appian Lib. 7, wonach Scipio 205 kein neues Heer erhielt, sondern Ermachtigung, Freiwillige aufzurufen, und im uibrigen sich an die in Sizilien befindlichen Streitkrafte halten sollte4). Aber im Jabre 204 wiederholt sich dieser Vor- gang, und jetzt tauchen die Cannenses legiones auf, denen die Nummern 5 und 6 zugeschrieben werden (29, 24, I2). Den Praetor M. Pomponius fordert

1) Vgl. App. Lib. 7. Hann. 55. Auch Diod. 27, 4, 5, der m. E. altere Annalistik wiedergibt (De Sanctis III 2, 670), ist von Scipios av?tro,Atrevo'/evot die Rede.

2) Vgl. 45, I und so auch schon 25, 2, 7. 3) Auch von De Sanctis III 2, 645 als apokryph bezeichnet. 4) Wie Liv. 28, 45, 13 finden wir die Lage bei Zonar. 9, II, 7; 8; II.

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Senatsbeschliisse uber r6mische Truppenaufgebote 293

Scipio auf, mit ihm zu beraten, welche Truppen nach Afrika mitgenommen werden sollen (24, 8) und bringt dann mit seinen Freiwilligen die beiden Le- gionen auf je 62oo zu FuB und 300 zu Pferd, und dazu kommen noch die beiden Alen des exercitus Cannensis (24, I4) 1). Die ausfiihrliche Schilderung der Hee- resbildung im Jahr 204 erinnert an die aus den Senatsbeschliissen bekannte Genauigkeit2). Jedoch wie anlaBlich der Schlacht bei Cannae (o. S. 282) liefert uns Livius auch hier den Beweis, daB diese Genauigkeit nur eine von vier Kombinationen ist (25, 2-3): Gesamtzahl Io 000 zu FuJB und 2200 Reiter oder i6 000 zu FuB und i6oo zu Pferd (dies die Version Appians Lib. I3) oder 35 ooo im ganzen. Coelius schlieBlich gab keine Gesamtziffer. Wie wenig Livius die in den verschiedenen Fassungen3) vorhandenen sachlichen Widerspriiche zu iiberwinden verstand, zeigt 26, 8, wo wiederum Legionen auftauchen, quae in Sicilia relinquebantur. Nach 30, 2, I ist die Hauptmacht des sizilischen Heers nach Afrika gebracht. Darum werden 3000 als Ersatz hingeschickt, 30, 27, 8 (202) und 30, 4I, 2 (20I) werden in Sizilien 2 Legionen aufgefiihrt. So ergibt die genauere quellenkritische Priifung, daB Kahrstedt 539, I mit einem gewissen Recht die ganze annalistische Cberlieferung iber Scipios Heer verachtlich beiseite schob4). Ich glaube nur, daB die bei Appian greifbare Schicht im groBen und ganzen der Wahrheit entspricht. Sie ist teilweise auch bei Livius vorhanden und alter als die Schicht der Livianischen Heeres- beschlisse im allgemeinen.

1) Nach dieser Fassung bilden also die Cannenses den Kern von Scipios fur Afrika bestimmtem Heer. In dem auf Scipio fur das Jahr 204 bezuiglichen SenatsbeschluB 29, I3, 3 heiBt es: P. Scipioni cum eo exercitu, cum ea classe, quam habebat, prorogatum in annum imperium est. Eine f6rmliche Zuweisung der legiones Cannenses fehlt und er- folgt erst 22, I2 aber mit der Wendung, ut ex iis exercitibus, qui in Sicilia essent, ipse eligeret, quos in Africam secum traiceret, quos provinciae relinqueret in praesidio. Hier werden off enbar 4 Legionen vorausgesetzt wie an der gleich zu erwahnenden Stelle 26, 8. Wenn es in dem SenatsbeschlulB fur 20I (30, 4I, i) heiBt: P. Scipioni cum exercitibus, quos haberet, in provincia Africa prorogatum imperium, so bedeuten die exercitus da Legionen.

2) Als ein Beispiel dieser typisch spatannalischen Bemuhung, das Thema der Heeresbildung lebendig zu gestalten, erwahne ich Liv. 35, 2, I -9 zum Jahr I93, WO

der fur Hispania citerior bestimmte Praetor Flaminius vom Senat Bewilligung eines starkern Heers fordert aber auf Aushebung von tumultuarii milites verwiesen wird. Dabei wird 2, 8 Valerius Antias angefiihrt, wohl nicht nur als Variante sondern als Gewahrsmann des ganzen Stiicks (Nissen, Livius i66. Kahrstedt, Annalistik 98).

3) Vgl. 29, 27, I3 permultis Graecis Latinisque auctoribus credidi. Charakteristisch 35, 2, wo er die Dublette erkennt, aber trotzdem beide Fassungen (29, I. 34, I5) nach- erzahlt wie auch Kahrstedt 545. Als dritte Variante erwahnt er 35, 2, daB Coelius und Valerius den bei Livius zweimal getoteten Hanno bloB gefangen nehmen lief3en. Die Gefangennahme hat auch Appian Lib. I4. Da Appian weder Coelius noch Valerius wiedergibt (Schwartz, RE. 2, 2I8), schliel3e ich, daB hier altere UTberlieferung er- halten ist.

4) Gegen De Sanctis III 2, 578.

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294 Matthias Gelzer

Die eben bei Livius erkannte Unstimmigkeit in den Angaben iiber das consularische Heer Scipios schien darauf hinzudeuten, daB die Heeresbe- schliisse nicht durchweg derselben Quelle entnommen sind. In dieser Hinsicht verdient der knappe Bericht 27, 36, I2-I4 besondere Beachtung: summa legionum trium et viginti ita per provincias divisa, ut binae consulum essent, quattuor Hispania haberet, binas tres praetores in Sicilia et Sardinia et Gallia. duas C. Terentius in Etruria, duas Q. Fulvius in Bruttiis, duas Q. Claudius circa Tarentum et Sallentinos, unam C. Hostilius Tubulus Capuae; duae urbanae ut scriberentur. primis quattuor legionibus populus tribunos creavit, in ceteras consules miserunt. Schon WeiBenborn-Miiller macht zu 36, I2 darauf auf- merksam, daB hier zum erstenmal das spanische Heer mit einer bestimmten Starke eingesetzt ist. Livius gibt auch sonst in den drei letzten Dekaden gelegentlich die Gesamtziffer der Legionen: 24, II, 2 (214); 25, 3, 7 (212);

26, I, I3 (2II); 26, 28, I3 (2I0); 27, 23, II (208); 30, 2, 7 (203); 30, 27, I0 (202);

30, 4I, 9 (201); 3I, 8, ii (200); 34, 43, 9 (I94); 40, 36, I3 (i8o); 43, 2I, 2 (i68). Doch ist mehrfach die Erlauterung im einzelnen nicht so volistandig wie im Fall von 207. So gibt Livius zum Jahr 2I4 die Gesamtziffer i8, zahlt aber die Streitkrafte in Spanien nicht mit. Zum Jahr 21 bietet er die Gesamtzahl 23, von denen nur 2I nachgewiesen werden. Man kann selbstverstandlich, wie Klotz es tut, die Rechnung inmer in Ordnung bringen. Da Livius sich bemiiht, auch in diese Tabellen stilistische Abwechslung zu bringen, konnte leicht einmal etwas ausfallen. Aber es ergibt sich daraus, daB offenbar die Gesamt- zahlen schon in der Quelle standen, und es lieBe sich ein Annalist denken, der zu jedem Jahr ein korrektes Verzeichnis gab in der Art von Liv. 27, 36,12. In dieser Vermutung werden wir durch die schon (o. S. 279) erwahnte Tatsache bestarkt, daB Appian Hann. 8 zum Jahr 2I7, wo bei Livius eine solche Angabe fehlt, die Gesamtziffer I3 hat. Da nun Appian im allgemeinen eine altere Qberlieferungsschicht darstellt als Livius (De Sanctis III 2, 664), kamnen wir zum SchluB, daB vielleicht schon der Annalistik des 2. Jahrhunderts die regel- maBige Erwahnung des Legionenaufgebots nicht fremd war. Freilich schien uns (o. 279) die Appianische Angabe gegeniiber der Fabiusschicht auch schon Kombination; aber wir gewinnen den Eindruck, daB dieLegionentabelle ebenso- wenig erst der 'Urkundenforschung' der Spatannalistik ihr Dasein verdankt als sie von dieser frei erfunden wurde, sondern, daB sie sich im engsten Zu- sammenhang mit der zunehmenden 'Genauigkeit' der r6mischen Geschicht- schreibung entwickelte. Dabei scheint mir nicht ausgeschlossen, daB bei Liv. 27, 36, 12 einmal aus irgendeinem Grund die Fassung der alteren Annalistik erhalten blieb.

Wie ich einleitend (o. S. 27I) ausfiuhrte, besaB die antike Rhetorik fur das Verfahren, einen vorhandenen Erzahlungsstoff zu 'strecken' den besondern Kunstausdruck der Epektase. Ich glaube, daB wir den ersten systematischen 'Strecker' der romischen Annalistik auch noch benennen konnen, namlich

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Senatsbeschluisse uber romische Truppenaufgebote 295

Cn. Gellius, der den Untergang des Postumius (o. S. 283 Anm. 3) nach Fr. 26 P. in seinem 33. Buche berichtete, wahrend Livius dieses Ereignis schon in seinem 23. bringtl). Da nach Cicero divin. I, 55 Gellius zeitlich dem Coelius Antipater vorangeht, gewinnen wir auch festern Boden fur unsere Beobachtung iiber die Zugehorigkeit Appians zu einer zwischen Fabius- Polybios und Spatannalistik festzustellenden Mittelschicht.

4

Im SchluBteil des 27. Buchs von 34, I an steuert Livius auf den ent- scheidenden Umschwung in der Kriegslage hin, den der Untergang Hasdrubals am Metaurus bewirkte: Wahrend man sich in Rom bereits wieder im Frieden fiihlte (5I, io), Hannibal . . . agnoscere se fortunam Carthagsnis fertur dixisse (5I, I2) und zieht sich zunachst in extremum Italiae angulum Bruttios zuriick.

Die Schlacht selbst ist voile Vergeltung fur Cannae (49, 5). Auf punischer Seite fallen 56 000 Mann, 5400 werden gefangen, fiber 4000 (diese Zahl auch Zonar. 9, 9, ii) gefangene R6mer werden befreit. Die R6mer haben an Biirgern und Bundesgenossen 8ooo Tote (49, 6-8). In der Schlacht bei Cannae fallen nach 22, 49, I5 bei den Romem 45 500 zu FuB, 2700 Reiter, werden in der Schlacht gefangen 3000 zu FuB und I500 Reiter (49, I8). Hannibal verliert an Toten ungefahr 8ooo .Die Zahlen der Schlacht am Metaurus sind Pol. ii,

3, 3 fur die Karthager nicht 'weniger als I0 000', fulr die Romer 'etwa 2000'.

DaB die Schlacht Cannae wieder gutmachte, steht auch ausfiihrlich bei Appian Hann. 53 und Zonar. 9, 9, ii. Appian 52 gibt dem Hasdrubal 48 ooo zu FuB, 8ooo zu Pferd und I5 (Pol. II, I, 2 bloB io) Elefanten, und gegen ihn kampfen die beiden Consuln mit ihren gesamten Streitkraften. Appians Uberlieferung weiB also noch nichts davon, daB Claudius Nero zunachst Hannibal gegen- iuberstand, und, von diesem unbemnerkt, bloB mit 6ooo zu FuB und I000 zu Pferd (Liv. 43, ii) dem Kollegen zu Hilfe zog. Ich glaube nicht, daB das bloB Unachtsamkeit Appians ist, wie De Sanctis III 2, 570 annimint. Denn es ware schwer zu verstehen, daB Appian dieses Stratagem, das auch Zonaras 9, 9, 7 gebiuhrend bewundert, fibersah, wenn es in seiner Quelle gestanden hatte. Viel- leicht hat sich eine Spur dieser alteren tVberlieferung auch Liv. 40, Io-I2 erhalten, wo wir den seltsamen Bericht lesen, daB Hannibal vor Eintreffen des Consuls Claudius Nero im Gebiet von Larinum vom Propraetor C. Hostilius Tubulus geschlagen worden sei, daB dann aus dem Sallentinergebiet auch noch der Propraetor Q. Claudius Flamen anriickte und vor den beiden Heeren Hannibal nach Bruttium entwich. Schon De Sanctis III 2, 568 vermutete, daB da vielleicht der Propraetor Claudius den Consul Claudius vertrete. Ich

1) Diese grol3e Bedeutung des Gellius hat Rosenberg, Einleitung und Quellen- kunde zur rom. Gesch., I92I, I3f. vollkommen richtig erkannt.

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296 Matthias Gelzer

glaube nur, daB man weiter gehen muB, daB Claudius Nero erst nach der Schlacht am Metaurus gegen Hannibal marschiert ist.

Nachdem die r6mische Annalistik das Heer Hasdrubals gegen Polybs Ansatz auf mindestens das dreifache gesteigert und das Stratagem Neros ein- gefiuhrt hatte, war es Aufgabe ihrer kombinatorischen Kunst, das r6mische Heer auf einigermaBen entsprechende Starke zu bringen.

Da beklagt sich Consul M. Livius 38, 8, daB ihm zu wenig Truppen zu- geteilt worden seien, obwohl ihm nach 35, I2 die Wahl zwischen 3 Zweilegionen- heeren freigesteilt war. Der Senat ermachtigt ihn nun, sein Heer nach Be- lieben zu verstarken, aus volones werden wieder 2 Legionen gebildet (38, 9 bis io) 1). Quidam auctores wuBten dariiber hinaus, daB ihm Scipio aus Spanien Io o0o Mann, C. Manlius aus Sizilien 3000 Bogenschiitzen und Schleu- derer schickten (38, II-I2). Dann vereinigte sich das Zweilegionenheer des Praetors in Gallien, L. Porcius Licinus mit ihm (46, 5; 47, 4) und schlieBlich die 7000 Mann Neros, denen sich unterwegs noch Freiwillige angeschlossen hatten (46, 3). Ferner bezogen die legiones urbanae Steilung bei Narnia (43, 9.5o, 6). Zum Schutz von Rom wurde die Legion aus Capua beordert und durch neue Aushebungen in der Stadt verstarkt (43, 9).

Wie vorhin erwahnt, bringt Livius 27, 40, IO einen Sieg des Propraetors C. Hostilius Tubulus iiber Hannibal im Gebiet von Larinum. Nach der Le- gionentabelle 36, I3 soll er mit einer Legion Capua sichern. Der diesbeziigliche Befehl, der ihn von Tarent (35, 2) nach Capua versetzte, ergeht schon 35, I4.

Das Heer in Tarent soll Proconsul Q. Fulvius Flaccus, bisher in Capua, uiber- nehmen. Mit andern Worten, es findet ein Tausch der Befehlshaber statt. Nach 40, I4 dagegen bildet Consul Claudius Nero sein Heer aus den beiden con- sularischen des Vorjahrs, so daB er im ganzen 40 000 zu FuB, 2500 zu Pferd hat; 35, I2 hieB es, er konne zwischen den 2 Heeren wahlen und Q. Fulvius solle nach dem Entscheid das andere erhalten. In der Rede 38, 8 soll Nero sogar unter 3 Heeren wahlen k6nnen; 40, I4 sind es nur 2 Heere, aber Nero wahlt sich daraus die besten Mannschaften. Die groBe Zahl, die 2 consularischen Normalheeren gleichkommt, bereitet offenbar Neros Stratagem vor. Merk- wiirdig ist dann aber, daB Hostilius Tubulus noch einen Rest nach Capua fiihren kann, den er dort dem Proconsul Q. Fulvius iibergeben soll. Da nach 36, I3

Bruttium sein Befehlsbereich ist, muB man annehmen, daB er von Capua

1) Nach 28, I0, Ii unterstehen diese dem Propaetor C. Terentius in Etrurien. Es ist zu beachten, daB die Legionentabelle 27, 36, I3 diesem 2 Legionen zuweist und erst 38, 8 der Consul Livius die Anregung gibt, die volones aufzurufen. Dieser Annalist stellte sich wohl vor, daB Livius selbst das bisherige Heer in Etrurien ubernahm (so Weil3enborn-Muller zu 28, io, ii), wahrend man nach 27, 35, ii denken wurde, er habe von den 3 zur Wahl gestellten Armeen den exercitus urbanus von 208 genommen. In solchen kleinen Unstimmigkeiten erkennen wir am besten den Fortschritt der Kom- binationen, denen gegeniuber die chronistische Mitteilung des Gesamtaufgebots wie 27, 36, I2 eine altere Stufe darstellt.

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Senatsbeschlusse uber romische Truppenaufgebote 297

dorthin marschiert sei. In den Beschuiissen fur 206 (28, IO, I5) ist er uiber- haupt verschwunden. Dies gilt auch, wenn wir mit De Sanctis 569 annehmen, daB er sich mit Nero vereinigt habe. Denn 28, IO, IO wird Neros Heer nur auf 2 Legionen veranschlagt. Allerdings bekommt der andere Consul die 2 Legionen, die bisher Q. Claudius Flamen gehabt hatte (io, io), aber ohne Erwahnung seiner Streitkrafte. So lieBe sich denken, daB ein Annalist ihm die Legionen des Fulvius zuteilte und nur Livius das auslieB. Doch die oben bemerkte Unstimmigkeit bleibt bestehen und erweist die in den Senats- beschliissen vorgenommenen Zuweisungen von Arxneen als Kombinationen.

Aus dem Befund von 27, 36, I2-I3 schlieBe ich, daB schon die Annalistik des 2. Jahrhunderts - wobei vor allem an Cn. Gellius zu denken ist - sich bemiihte, auBer den Wahlen der Consuln und Praetoren und der Provinzen- verteilung auch eine vollstandige Chronik der jahrlich unter die Waffen ge- rufenen Legionen zu bieten. Die rhetorisierte Spatannalistik suchte dann diese trockenen Tabellen durch Ausgestaltung der Senatsbeschlisse mit allen m6g- lichen Einzelheiten fiber Befehlsiubernahme und Truppenstarke zu beleben. Wir diirfen daher keinesfalls diese Senatsbeschliisse in Bausch und Bogen als Erfindungen erst der Spatannalistik bezeichnen. Wenn wir die Legionenziffer Appians fur 2I7 (O. S. 279 und 294) der altern Annalistik zuschreiben, so konnen wir ailerdings auch dort keine Authentizitat erkennen. Wir miissen vielmehr schon bei diesen vermuteten Legionentabellen der altern Schicht Ver- volistandigung der in der senatorischen') Geschichtschreibung vorhandenen Angaben durch Kombination annehmen, wenn auch die Moglichkeit, daB gelegentlich zur Erganzung eine wirkliche Quelle benutzt werden konnte, sicherlich bestand.

5 Grundsatzlich werden wir besonders seit dem 2. Jahrhundert, im Bereich

der 4. und 5. Dekade des Livius, mit einerZunahme der authentischen Nach- richten rechnen. Jedoch haben die Arbeiten Nissens (Kritische UJntersuchungen fiber die Quellen der 4. und 5. Dekade des Livius, I863) und Kahrstedts (Die Annalistik von Livius Buch 31-45, I9I3) fiber den Charakter der emsigen spatannalistischen Bearbeitung keine Zweifel gelassen.

Durch die reichhaltige, unmittelbar und mittelbar vorliegende Polybios- fiberlieferung ist hier noch leichter als in Livius 3. Dekade der Sachverhalt aufzudecken, und ich mochte mich daher mit einigen Erinnerungen begniigen.

In dem SenatsbeschluB fiir I98 (32, i8, 2) erhalt T. Flamininus Er- machtigung, 3000 Romer zu FuB und 300 zu Pferd, an Bundesgenossen 5000 und 5oo auszuheben. Diese Zahl wird bestatigt durch 9, 6 (Pol.): Corcyram tenuit cum octo milibus peditum, equitibus octingentis, ferner von Ennius Ann. 332, der von 8ooo Mann spricht. Das zeigt, daB in den Beschluissen

1) Vgl. d. Ztschr. 69, 55.

Hermes 70 20

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Page 31: Die Glaubwürdigkeit der bei Livius Überlieferten Senatsbeschlüsse Über Römische Truppenaufgebote

298 Matthias Gelzer

authentisches Material verwendet wird. Dagegen beweist Polybs Bericht (i8,42)

uiber den FriedensschluB mit Philippos in Jahr I96, daB die protokollarische Formn bei Livius 33, 25, 4-8 nur Schein ist. Nach alterer Chronik bringt er 24, 7 die Ernennung der Io Legaten noch unter dem Amtsjahr I97, vor dem BeschluB der Comitien (25, 7)! Dazu bemerkt schon Nissen I44: )>Man ersieht hieraus, wie selbst fur die Ereignisse in Rom die Annalen im einzelnen keine volle Glaubwiirdigkeit in Anspruch nehmen k6nnen(.

Ebenso behandelt bereits Nissen I78-I80 den Widerspruch zwischen Polybios und Annalistik hinsichtlich der fur den Antiochoskrieg bestimmten Streitkrafte. Nach Liv. 35, 20, I0; 23, 5; 24, 71) erhalt schon I92 der Praetor M. Baebius Tamphilus den Befehl, nach Apollonia in Epirus iiberzusetzen; 21, II werden ihm 2 Legionen und an Bundesgenossen I5 000 zu FuB und 500 zu Pferd zugeteilt. Dieses Heer soil 36, I, 7; 3, I3 der Consul von I9I

erhalten auBer den neu ausgehobenen Truppen - nach 35, 4I, 4 soilten es sein R6mer 4000 zu FuB und 300 zu Pferd, Bundesgenossen 6ooo und 400.

Dagegen weiB Polybios 20, 3, 2 und bei Liv. 36, 5, 4 nichts von einer bereits I92 in Apollonia befindlichen r6mischen Armee. Denn die Epiroten bitten den Antiochos um Schutz gegen die von Italien drohende Gefahr. Die Rede Hannibals setzt 7, I9 (uibereinstimmend Appian Syr. I4) voraus, daB die Romer die Adria noch nicht iiberschritten haben, zum mindesten nicht mit der Hauptmacht. Denn den Propraetor M. Baebius ruft K6nig Philipp 8, 6 (Pol.) aus dem Winterquartier herbei. Ebenso erwahnt ihn Appian Syr. i6 als dexovTd 7lVO 2Iqatiov or:eaTox. DaB diese Macht nur klein ist, ergibt sich daraus, daB er dem K6nig nur 2000 Mann schicken kann. Offenbar war es eine Vorhut, um die Landung des Consuls M'. Acilius Glabrio zu sichern. Appian laBt diesen Syr. I7 mit 2o ooo zu FuB, 2ooo zu Pferd und etlichen Elefanten von Brundisium nach Apollonia hinuiberkommen und ebenso Polyb bei Liv. 36, I4, I (auch I2, io). So erklarte schon Nissen I78, das Korps des Baebius habe schwerlich iiber I0 O00 Mann betragen, und De Sanctis IV I, I56, 75 senkt es auf ))wenige tausend<(.

Mit dieser Feststellung sind die Einzelheiten der sich so urkundlich ge- bardenden Beschliisse als Kombinationen gerichtet. Bei Livius sind die Vor- bereitungen der Romer zum Antiochoskrieg auf viele Kapitel verteilt2): 35, 20; 22; 23; 24; 4I. 36, I; 2; 3. Appian gibt Syr. I5 alles so sachlich-pragmatisch, daB

1) Liv. 20, II und 21, I sind allerdings durch ein Versehen die Praetoren Atilius und Baebius verwechselt. Nach Pol. erscheint Atilius Liv. 35, 37, 3 mit 24 Penteren an der lakonischen Kuiste - 36, 42, 7 (Pol.) uibergibt er seinem Nachfolger 25 Schiffe - wahrend man nach dem Senatsbeschlul3 20, I2 mehr als 30 erwarten wuirde. Der Nach- folger C. Livius fahrt 36, 42, I (Pol.) mit 50 Schiffen von Rom ab, nach 36, 2, I4 (Annal.) waren ihm 30 zugewiesen worden (Nissen 178).

2) Die Einheitlichkeit dieser Angaben hebt Kahrstedt, Annal. 32-34 mit Recht hervor.

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Senatsbeschlusse uber romische Truppenaufgebote 299

Nissen I79 Polyb fur die Quelle halt. Doch wird auch hier mit Ed. Schwartz RE. 2, 22i zwischen Polyb und Appian die Bearbeitung eines r6mischen An- nalisten stehen, als dessen Merkmal mir am SchluB die Gesamtzahl der fur Griechenland bestinmmten Truppen erscheint: 20 ooo Romer und die doppelte Anzahl von Bundesgenossen, eine Ziffer, welche die polybische Angabe fur das Heer des Acilius Glabrio bei weitem iibertrifft, auch wenn man das Korps des Baebius mitzahlt. Man muB mit Nissen I77 annehmen, daB bei Appian auch die zum Schutz Italiens bereitgestellten Truppen gemeint sind, wie sie Liv. 35, 4I, 7 erwahnt werden. Auf Grund der friihern Beobachtungen wird man diese Gesamtzahl eher Appians Quelle zuschreiben, die alterer annalisti- scher Schicht zugeh6rt, als daB man an Zusammenfassung der spatannalisti- schen Einzelangaben denkt. Auch von dieser Seite her betrachtet erscheinen die spatannalistischen Senatsbeschliisse wiederum als nachtraglich vor- genommnene Epektasen. Im Gegensatz zu Kahrstedt, Annal. 52-53 befinde ich mich insofern, als ich die Legionenliste nicht fur reine Erfindung aus den letzten Jahrzehnten der Republik halte, sondern fur kombinierende Aus- gestaltung altern Materials, das teilweise authentische Nachrichten enthielt.

Die Widerspriiche zwischen Polyb und Annalistik setzen sich im Jahr I90

fort: der neue Flottenkommnandant, Praetor L. Aemilius Regillus, erhalt 37, 2, I0 (Annal.) 20 Schiffe und soll I000 Matrosen und 2000 Epibaten ausheben, 37, I4, 2 (Pol.) kommt er nur mit 2 Penteren im Piraeeus an (Nissen I89. Kahrstedt 50). Der Praetor von I9I, A. Cornelius Mammula, der fiir sein Amts- jahr Bruttium erhalten hatte (36, 2, 6) mit einem Heer von 2 Legionen ein- schlieBlich 20 ooo Bundesgenossen zu FuB und 8oo zu Pferd (35, 4I, 7), erhalt 37, 2, 7 Befehl, nach Aetolien iiberzusetzen. Dort befindet er sich I89 nach einem Bericht des Valerius Antias (37, 48, 5 vgl. 50, 4). Polyb 2I, 25, 9 (Liv. 37, 7, 7. 38, 3, 9) weiB von diesem Heer nichts (Nissen 189. Kahrstedt 30. 50). Es ist interessant, hier auf Antias zu stoBen. Kahrstedt 35 ist geneigt, die Berichte iiber )>Comitien, Listen und Tabellen, Prodigien und Mobihmachungen(( einem Autor zuzuschreiben, der Listenquelle L, den er I02 fulr verschieden von Antias halt. Auf Grund dieser Erwahnung wird man zum mindesten annehmen diirfen, daB dieser ebenfalls Truppenaufgebote verzeichnete.

DaB Livius diese Angaben nicht bloB einem Autor entnahm, beweisen die drei verschiedenen Berichte (Miinzer RE. 2 A, 2i98) 42, i8, 3, dann 27, 3-5 und 3I, 3 zum Jahr I72 bei den Riistungen fiir den dritten makedonischen Krieg (Kahrstedt 45). Das erstemal fehlt eine bestimmte Zahl, aber es heiBt: Cn. Sicinium . . . scribere milites placuit. Dagegen das zweitemal hebt Sicinius selbst aus neben Flottenmannschaften fur 25 Schiffe 8ooo Bundes- genossen zu FuB, 400 zu Pferd; ferner erhalt ein andrer Praetor vom Senat Vollmacht, dem Consul zu schreiben, er solle dem Sicinius die 2. Legion und an Bundesgenossen 4000 zu FuB und 200 zu Pferd zur Verfiigung stellen; 3I, 3 beim HeeresbeschluB fur I7I wird Sicinius bloB mit 6oo Reitern in

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300 Gelzer, Senatsbeschluisse uber romische Truppenaufgebote

sociali exercitu des einen Consuls erwahnt, was allerdings auf Textverderbnis beruhen kann (De Sanctis IV I, 280, nI8); 36, 8 finden wir ihn mit 5000 Mann zu FuB und 300 zu Pferd in Apollonia, nicht im Widerspruch zu i8, 3 (Nissen 250), und da er 47, II (Pol.) woo0 Mann abgeben kann, scheint das zu Polybios zu stimmen; i8, 3 steht in einem annalistischen Abschnitt und entspricht der tJberlieferung bei Zonar. 9, 22, 5 Fvatov Ztivvtov acreaTyov "uEra 6vsd- ,Uecog OAIy45 e'tEm,Vav, was ich fur Annalistik alterer Schicht halte. Da 36, I-7 Dublette ist zu 48, I-4 (Pol. = Pol. 27, 6, I-4) 1), besteht die M6g- lichkeit, daB 36, 8 auch noch Annalistik ist (so Kahrstedt I09), und dann wiirde sich diese Schicht als Polybios nahestehend erweisen (vgl. Kahrstedt IIO, I), doch stimmt 36, 8 so mit 49, IO (Pol.) zusammen, daB ich lieber an Polybios denke. Demgegeniiber ist 27, 3 und 3I, 3 Spatannalistik, deren pro- tokollartige Fassung nach meiner Ansicht das wohlwollende Urteil Miinzers (RE. 2 A, 2I98, ahnlich De Sanctis IV I, 275, io8), es hier in letzter Linie mit gleichzeitiger tYberlieferung tun zu haben, ausschlieBt. In diesem Fall ist vielleicht auch das Motiv der Ekphrasis zu erkennen: die Spatannalisten wollten den Bericht Polybs 47, 2, daB unmnittelbar vor der Kriegserklarung die Romer noch gar nicht geriistet waren, widerlegen.

Der Consul von I69 bringt Liv. 44, I, I (Pol.) statt der in der Annalistik 43, I2, 3 bewilligten I2 550 Mann nur 5000 nach Griechenland mit (Nissen 258). Man sieht, der Glaube an die Senatsaktenforschung der Spatannalistik wiirde einen Schlendrian in der Ausfiihrung jener Senatsbeschliisse voraussetzen, angesichts dessen die Bewunderung des Polybios fur den R6merstaat dieser Zeit ganz unbegreiflich ware.

Als Gesamtergebnis muB festgestellt werden, daB die Angaben der Senats- beschliisse fiber die romischen Truppenaufgebote in den drei letzten Dekaden des Livius in allen Fallen, wo sie mit Hilfe alterer Vberlieferung nachgepriift werden konnen, die Probe der Glaubwiirdigkeit nicht bestehen k6nnen. Die Untersuchung diirfte aber auch gezeigt haben, daB die Livianische tJber- lieferungsmasse eine reichere historiographische Schichtung in sich birgt als die bisherige oft allzu mechanisch betriebene Quellenforschung anzunehmen gewohnt ist.

Frankfurt a. M. Matthias Gelzer

1) Nissen 6o: ))Es ist klar, will man die eine von diesen beiden Darstellungen annehmen, so muB3 man die andere vollstindig verwerfen(.

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