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1 Diplomarbeit im Fach Sozialwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Carsten Thoben „Die Globalisierung als Initialzündung für eine Welt ohne Nationalstaaten - eine realitätsferne Utopie oder stellen Konzepte wie das der „Global Governance“ eine ernsthafte Alternative für das „Zusammenleben der Völker“ dar?“ Matrikelnummer: 84 96 430 E-Mail: [email protected] Betreuende Gutachter: apl. Prof. Dr. rer. pol. habil. Hiltrud Naßmacher Leiv Eirik Voigtländer

Die Globalisierung als Initialzündung für eine Welt ohne Nationalstaaten - eine realitätsferne Utopie oder stellen Konzepte wie das der „Global Governance“ eine ernsthafte Alternative

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Diplomarbeit im Studiengang Sozialwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg, Note: gut.

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Diplomarbeit im Fach Sozialwissenschaften an der Carl

von Ossietzky Universität Oldenburg

Carsten Thoben

„Die Globalisierung als Initialzündung für eine Welt ohne Nationalstaaten -

eine realitätsferne Utopie oder stellen Konzepte wie das der „Global

Governance“ eine ernsthafte Alternative für das „Zusammenleben der

Völker“ dar?“

Matrikelnummer: 84 96 430

E-Mail: [email protected]

Betreuende Gutachter: apl. Prof. Dr. rer. pol. habil. Hiltrud Naßmacher

Leiv Eirik Voigtländer

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Inhaltverzeichnis

1 Einleitung 4

2 Der Nationalstaat 7 2.1 Problemstellung 7

2.1.1 Was ist eine Nation? 7 2.2 Der Begriff des „Staates“ 13 2.3 Der Begriff des „Nationalstaats“ und seine Verwendung in der

vorliegenden Diplomarbeit 17 2.4 Zusammenfassung 19 3 Der Prozess der Globalisierung 20 3.1 Begriffsklärung 20 3.2 Definition 23 3.3 Die Geschichte eines Prozesses 27 3.4 Hyper-Globalisierer und Skeptiker 30 3.5 Zusammenfassung 34 4 Das Konzept der „Global Governance“ 35 4.1 Problemstellung 35 4.2 Definition 36 4.3 Hauptprotagonisten 41

4.3.1 James Rosenau 42 4.3.2 Commission on Global Governance (CGG) 42 4.3.3 Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) 43 4.3.4 Gruppe von Lissabon 44 4.3.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede 44

4.4 Voraussetzungen und Probleme 45 4.5 Zusammenfassung 50

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5 Die Zukunft des Nationalstaats 51 5.1 Problemstellung 51

5.2 Die Verfechter des Nationalstaat-Prinzips 51 5.3 Die Position der Skeptiker 56 5.4 Die Europäische Union als Zukunftsmodell – Totengräber des Nationalstaats? 61 5.5 Alternative „Global Governance“? 65

5.5.1 Global Governance und der Nationalstaat 65

5.5.2 Globale Politiknetzwerke 69 5.6 Zusammenfassung 71 6 Fazit 72

Literaturverzeichnis 76

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1 Einleitung

„Der Nationalstaat bezeichnet seit der Französischen Revolution die idealistische Vorstellung einer

(weitgehenden) Übereinstimmung von ethnischer Gemeinschaft (Nation, Volk) und territorial-rechtlicher

Herrschaft (Staat).“ 1 Zwar gab es vormoderne Vorläufer wie das Römische oder das

Chinesische Reich, dennoch ist der Nationalismus eine Entwicklung der europäischen

Neuzeit.

Ein Nationalstaat setzt Staat und Nation voraus. Anhängern der Nationalstaatsidee

zufolge sollen entstehende Nationalstaaten die wesentlichen Teile des staatstragenden und

meist auch namengebenden Volkes in sich vereinen. Idealtypisch gehören einem

Nationalstaat alle Angehörigen seines Volkes und auch nur Angehörige dieses Volkes oder

Kulturkreises an. Heute existieren auf der Welt knapp 200 selbständige Nationen (die

Vereinten Nationen umfassten im Jahre 2006 192 Mitglieder).

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein weltweiter Prozess herausgebildet, der unter

dem Schlagwort „Globalisierung“ bekannt ist. Es handelt sich um einen vielfältigen

Prozess, der – kurz zusammen gefasst – die zunehmende internationale Verflechtung in

allen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt, Kommunikation etc.) bezeichnet.

Von Jahr zu Jahr entwickelt sich zunehmend eine globale Ökonomie und Kultur, die

nicht länger an nationale Grenzen und Identitäten gebunden ist. Der amerikanische

Politikwissenschaftler Benjamin BARBER hat diese Entwicklung plakativ mit dem Begriff

„McWorld“ benannt. 2 Die fortschreitende Globalisierung bedeutet langfristig einen

inhaltlichen Bedeutungswandel für den Nationalstaat. Ist dieser in einer global

verflochtenen Welt überhaupt noch von Bedeutung bzw. überlebensfähig oder wird er in

naher Zukunft von neuen Organisationsformen abgelöst? Bilden sich neue Formen von

Staatlichkeit heraus oder muss die Globalisierung und die damit einhergehende

Denationalisierung als Chance für den Nationalstaat verstanden werden?

1 Schubert, Klaus; Klein, Martina. „Das Politiklexikon.“ Bonn: Dietz, 2006. URL: http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=J3YPHB. 2 vgl. Barber, Benjamin. „Coca Cola und Heiliger Krieg. Wie Kapitalismus und Fundamentalismus Demokratie und Freiheit abschaffen.“ München: Scherz Verlag, 1996.

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Der Direktor des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik (DIE), Prof. Dr. Dirk

MESSNER, hat vier Perspektiven über die Zukunft der Nationalstaaten erstellt:3

1. Auflösung des Nationalstaates:

Für MESSNER ist eine Auflösung der Nationalstaaten schwer vorstellbar.

„Der Nationalstaat ist weiterhin Dreh – und Angelpunkt unseres politischen

Koordinatensystems.“ Er sieht keine Alternativen, die das Vakuum, das die

Nationalstaaten hinterlassen würden, füllen könnten.

2. Bestehen des Nationalstaates in seiner alten Form als konkurrenzloser

Akteur:

In diesem Szenario verliert der Nationalstaat, hauptsächlich durch die

ökonomische Globalisierung, zwar an wirtschaftlicher Steuerungsfähigkeit,

bleibt jedoch Garant und damit unverzichtbar für Demokratie und

Sozialstaat.

3. Kooperativer Nationalstaat:

Der Kooperative Nationalstaat wäre in ein enges multilaterales System

eingebunden, dass auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit

einschließt. In einem Kooperativen Nationalstaat würden Innen – und

Außenpolitik verschmelzen.

4. Transformierter Nationalstaat

MESSNERS „Transformierter Nationalstaat“ entspricht in großen Teilen

dem Global Governance-Ansatz. Der Unterschied besteht allerdings darin,

dass für MESSNER noch immer der „demokratisch legitimierte Nationalstaat

(...) die entscheidende Instanz (bleibt), die das Gemeinwohlinteresse wahrzunehmen hat“.

3 vgl. Messner, Dirk. „Die Zukunft des Staates und der Politik. Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung in der Weltgesellschaft.“ In EINE Welt - Texte der Stiftung Entwicklung und Frieden, Bd. 5. Bonn: J.H.W. Dietz Nachfolger, 1998.

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Mit eben jenem bereits erwähnten Konzept der Global Governance, ein Begriff, für den es

(bislang) kein adäquates deutsches Synonym gibt, möchte ich mich in meiner

Diplomarbeit eingehender auseinander setzen. Dirk MESSNER definiert den Begriff als

„Entwicklung eines Institutionen- und Regelsystems und neuer Mechanismen internationaler Kooperation,

die die kontinuierliche Problembearbeitung globaler Herausforderungen und grenzüberschreitender

Phänomene erlauben“4 Es existieren weiter gehende Definitionen des Begriffes, wie die von

Franz NUSCHELER, nach denen der Nationalstaat nicht mehr als entscheidende Instanz

über die Interessen des Gemeinwohls entscheidet. Entscheidungen erfolgen im System

der Global Governance anhand einer multilateralen Kooperation von Staaten, Regionen,

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Transnationalen Organisationen. Der Ansatz

sucht nach Voraussetzungen und Formen demokratischer Partizipation im Zeichen der

Globalisierung. Es geht um „verschiedene Formen und Ebenen der Koordination, Kooperation und

kollektiven Entscheidungsbildung, in die zunehmend auch nichtstaatliche Akteure eingebunden werden

sollen.“ 5 Zahlreiche Global Governance-Ansätze gehen dabei von der Globalisierung als

einem unumkehrbaren „Mega-Trend“ aus. Es wird angenommen, dass der Staat an

Handlungsfähigkeit und Souveränität eingebüßt hat und daraus konsequenterweise eine

Krise des Regierens abgeleitet.6

Angesichts der aktuellen Entwicklung und der rasant fortschreitenden Globalisierung

stellt sich daher die Frage, wie die Zukunft der Welt aussehen wird. Wird das bekannte

System der Nationalstaaten tatsächlich bald (in 10, 20, 50 oder auch 100 Jahren) der

Vergangenheit angehören? Ist ein globales Regieren ohne ihre Existenz vorstellbar und ist

das Konzept der Global Governance tragfähig genug, es zu ersetzen? Oder gibt es vielleicht

andere (überzeugendere) Konzepte? All dies sind Fragen, denen ich auf den folgenden

knapp neunzig Seiten meiner Diplomarbeit nachgehen möchte.

4 Messner, Dirk. „Globalisierung, Global Governance und Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit.“ In Entwicklung und Frieden im 21. Jahrhundert, hg. Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger, 2000, S. 267-294. 5 ebd. 6 vgl. Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000.

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2 Der Nationalstaat

2.1 Problemstellung

Eine Definition des Begriffes „Nationalstaat“ gestaltet sich schwierig. Trotz der

unübersichtlichen Fülle an Literatur, lässt sich kaum eine prägnante Definition finden.

Die einfachste und kürzeste, die ich gefunden habe, lautet wie folgt: „Ein Staat, dessen

Bevölkerung ganz oder überwiegend zur selben Nation gehört.“ 7 Natürlich kann diese

Umschreibung einem solch komplexen Begriff nicht ansatzweise gerecht werden. Einzig

sicher und in der wissenschaftlichen Fachdebatte unbestritten, ist die Tatsache, dass es

sich bei dem Begriff um eine Erscheinung der Moderne handelt, der „im Kontext der

Ausbildung von bürgerlicher Gesellschaft und der Ausbreitung der industriellen Revolution mit ihren

sozialen, politischen und ökonomischen Konsequenzen geprägt worden“8 ist.

Nach der Lektüre zahlreicher Publikationen sowie Artikeln in Fachzeitschriften und im

Internet, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es – der Übersichtlichkeit wegen –

sinnvoll ist, das Wort „Nationalstaat“ in seine beiden Bestandteile zu zerlegen. Ich werde

daher die Bedeutung der Begriffe „Nation“ und „Staat“ getrennt in einzelnen Kapiteln

erörtern und nachfolgend meine Verwendung des Begriffes „Nationalstaat“ in der

vorliegenden Diplomarbeit erörtern.

2.1.1 Was ist eine Nation?9

Zu Beginn dieses Kapitels sei fest gestellt, dass es keine allgemein anerkannte und

eindeutige Definition von „Nation“ gibt, eine Tatsache, die in der vielschichtigen

Funktion des Begriffes begründet liegt. Bereits die nationalstaatlichen Bewegungen des 18.

und 19. Jahrhunderts haben den Begriff auf unterschiedliche Weise verwendet. Um eine

theoretische Bewältigung steht es auffallend schlecht. 10 Ben MÖBIUS vergleicht das

7

Quelle: Brockhaus in 15 Bänden, URL: http://www.brockhaus-suche.de/suche/trefferliste.php?suchbegriff%5BAND%5D=nationalstaat&suche=erweitert&modus=title&doit=yesPLEASE. 8 Von Bredow, Wilfried. „Nation/Nationalstaat/Nationalismus.“ In Wörterbuch Staat und Politik. Neuausgabe 1995, hg. Dieter Nohlen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1998, S. 453. 9 Am 11. März 1882 hielt ERNEST RENAN an der Universität Sorbonne in Paris einen Vortrag mit diesem Titel 10 Anderson, Benedict. „Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 1988, S. 13.

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Unterfangen sogar mit dem verzweifelten Versuch, „einen Pudding an die Wand zu nageln.“11

Sicher scheint einzig, dass die Menschheit lange existierte, bevor sich die ersten Nationen

heraus bildeten. Die Ära der Nationen nimmt nur eine kurze Zeitspanne im Laufe der

überlieferten Geschichte ein, wobei festzuhalten ist, dass das Zeitalter der Nationen in

verschiedenen Teilen der Welt zu unterschiedlichen Zeiten begonnen hat. Die heutigen

Namen von Nationen mussten sich erst langsam über die Jahrhunderte bilden.

Was aber ist konkret unter dem Begriff der „Nation“ zu verstehen? Handelt es sich um

eine fiktive Idee? Verbirgt sich hinter der Nation schlicht der Nationalstaat oder das Volk?

Die Begriffe gehen an dieser Stelle durcheinander. Wissenschaftler verschiedener

Disziplinen scheinen jeder ihre eigene Definition zu verwenden. Begriffliche

Abgrenzungen verschwimmen ineinander. Das Wort „Nation“ wird heute sehr allgemein

und ungenau verwendet.12 Die Definition, die das komplexe Phänomen meiner Ansicht

nach allgemeingültig zusammen fasst – Albert REITERER bezeichnet sie auch als

„Common-Sense-Begriff“ 13 - lautet: „Die Gesamtheit der Personen, die von gemeinsamem

Ursprung, Sprache und Geschichte sind, und die auch das Bewusstsein dieser Einheit besitzen,

unabhängig davon, ob sie sich in einer politischen Einheit realisiert.“14

Der amerikanische Politikwissenschaftler Karl W. DEUTSCH baut auf eine einfache, für

jeden verständliche Definition der Nation: „Eine Nation ist ein Volk im Besitz eines Staates.

Um einen Staat in Besitz zu nehmen, müssen einige Mitglieder dieses Volkes den Hauptteil der

Führungskräfte dieses Staates stellen und eine größere Zahl von Volksangehörigen muss sich mit diesem

Staat irgendwie identifizieren und ihn unterstützen.“15 Hier aber wird bereits die Kenntnis des

Begriffs vom „Staat“ voraus gesetzt, der erst im folgenden Kapitel erörtert werden soll.

In der wissenschaftlichen Literatur kann zwischen zwei Ansätzen der

Zugehörigkeitsbeschreibung zu einer Nation unterschieden werden:

11 Möbius, Ben. „Die liberale Nation. Deutschland zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft.“ Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 29. 12 vgl. Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 19. 13 Reiterer, Albert F. „Die unvermeidbare Nation. Ethnizität, Nation und nachnationale Gesellschaft.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 1988, S. 33. 14 Dizionario Enciclopedia Italiano Vol. VIII. Rom: Istituto Poligrafico dello Stato, 1958, S. 268. Zitiert nach: ebd., S. 32. 15 Deutsch, Karl W. „Nationenbildung – Nationalstaat – Integration.“ Studienbücher zur auswärtigen und internationalen Politik. Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag, 1972, S. 204.

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- deterministisch: die Zugehörigkeit der Menschen bestimmt sich

anhand objektiv erkennbarer Merkmale, ob er es will oder nicht

(bedeutendster Vertreter: FRIEDRICH MEINEKE);

- voluntaristisch: die Nation wird als Gemeinschaft verstanden, die

durch den Willen des Einzelnen begründet wird (bedeutendster

Vertreter: ERNEST RENAN).

In der wissenschaftlichen Forschung hat es sich zunehmend durchgesetzt, bei der

Begriffsfindung beide Ansätze miteinander zu verknüpfen, da sie zwar sinnvoll, für sich

genommen aber völlig insuffizient sind.16 Die genannten Aspekte sind zu schwammig und

„Grundlage für so viel anderes, dass wir die Nation nicht auf diese Weise definieren können.“17

Ben MÖBIUS zufolge muss eine Definition der „Nation“ zweierlei leisten: „Nichts

möglicherweise Wichtiges außen vor lassen und doch mitteilen, was überhaupt Gegenstand der Betrachtung

sein soll.“ 18 Zahlreiche Fragen bedürfen einer Klärung. Welche Bedeutung haben

beispielsweise das „Volk“ und der „Staat“ für die Nation?

Zunächst einmal erscheint es sinnvoll, auf den lateinischen Wortursprung zu verweisen.

Denn es ist einfacher, die sprachliche Herkunft des Wortes zu beschreiben, „als die

Bedeutungen und Auslegungen zu erklären, die es erhielt, seit es als politischer Begriff gegen Ende des 18.

Jahrhunderts (…) in den Wortschatz der Umgangssprache eingeführt wurde.“ 19 „Natio“ bzw.

„nasci“ bedeutet „geboren werden“. Der Begriff stand ursprünglich für eine größere Zahl

von Menschen, die von ihrer Geburt her durch eine gemeinsame Sprache, Sitten und

bestimmte Lebensgewohnheiten als zusammengehörig empfunden wurden.

An mittelalterlichen Universitäten wurden die Studenten in so genannte

„Nationes“ eingeteilt, deren Eingrenzung von Universität zu Universität variierte. Von

einem nationalen Bewusstsein im heutigen Sinne kann jedoch nicht die Rede sein. Im

heutigen Deutschland setzte sich der Begriff erstmals unter der Bezeichnung „Heiliges

Römisches Reich Deutscher Nation“ durch, das den Herrschaftsbereich der römisch-

16 Möbius, Ben. „Die liberale Nation. Deutschland zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft.“ Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 30. 17 Gellner, Ernest. „Nationalismus und Moderne.“ Hamburg, Rotbuch Verlag, 1995, S. 16. 18 Möbius, a.a.O., S. 31. 19 Ullrich, Günter. „Nation oder Europa? Plädoyer für einen aufgeklärten Nationalismus.“ Koblenz: Verlag Siegfried Bublies, 1992, S. 9.

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deutschen Kaiser vom Mittelalter bis ins Jahr 1806 bezeichnete. Für ihre eigene Identität

spielte die „Nation“ für die allermeisten Menschen kaum eine Rolle.

Über die Jahrzehnte haben sich verschiedene Konzepte der „Nation“ herausgebildet. Im

Mittelalter kann von einem Verständnis der Nation als Adelsnation gesprochen werden.

Schließlich waren Geistliche und Adlige die Einzigen, die über Kontakt zu Menschen

außerhalb ihres eigenen Sprachraumes verfügten und so Unterschiede gegenwärtigen

konnten. Mit der Französischen Revolution kam es zu einer Begriffsevolution von der

„einen und unteilbaren“ Nation.20 Die Begriffe „Volk“ und „Nation“ konnten fortan

nicht länger getrennt voneinander betrachtet werden.

Im angelsächsischen Raum ist das Verständnis von der Staatsnation weit verbreitet. „Das

Zusammentreffen des Staates und des Volkes schafft eine moderne Nation. Eine Nation ist ein Volk,

das einen Staat gebildet und quasiregierungsfähige Fähigkeiten entwickelt hat.“ 21 Max Sylvius

HANDMANN formuliert gar: „A state need not be a nation. A nation must be a state.“22 Eine

Formulierung, die verwirrend ist. So weist Walker CONNOR 1971 auf die Tatsache hin,

dass bei strenger Wortauslegung nur rund neun Prozent der damals 132 existierenden

Staaten tatsächlich Nationalstaaten genannt werden konnten. 23 Alle anderen Staaten

hätten beträchtliche Minderheiten umschlossen. Ernest RENAN stellte in diesem

Zusammenhang bereits 1882 die passende Frage: „Warum ist Holland eine Nation, während

Hannover oder das Großherzogtum Parma es nicht sind?“24

Die Antwort erscheint einfach: Der Begriff der Nation verfügt über einen subjektiven

Charakter und kann gar als „künstlich“ bezeichnet werden. Die Nation ist eine „vorgestellte

politische Gemeinschaft“ („imagined community“), wie es Benedict ANDERSON bezeichnet.

Auch wenn sich die Mitglieder einer solchen politischen Gemeinschaft untereinander

nicht kennen, existiert in den Köpfen der Menschen trotzdem eine Vorstellung der

Nation. Auch Eric HOBSBAWM verweist auf das Element des Künstlichen, der

Erfindung und des Social engineering, das in die Bildung von Nationen mit einfließt.25

20 Möbius, Ben. „Die liberale Nation. Deutschland zwischen nationaler Identität und multikultureller Gesellschaft.“ Opladen: Leske + Budrich, 2003, S. 33. 21 Deutsch, Karl W. „Nationenbildung – Nationalstaat – Integration.“ Studienbücher zur auswärtigen und internationalen Politik. Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag, 1972. S. 204. 22 vgl. Möbius, a.a.O., S. 35 23 Möbius, a.a.O., S. 35. 24 Renan, Ernest „Was ist eine Nation?“, Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882. URL: http://www.dir-info.de/dokumente/def_nation_renan.html. 25 Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 20.

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Die Nation ist keinesfalls eine ursprüngliche oder unveränderliche soziale Einheit. Glaubt

man dem englischen Historiker, gibt es kein befriedigendes Kriterium, um zu entscheiden,

welche der vielen menschlichen Gemeinschaften die Bezeichnung als „Nation“ verdienen

und welche nicht.26 Seiner Ansicht nach liegt die Schwierigkeit in der Tatsache, dass es

keine Möglichkeit gibt eine Nation a priori von anderen Gruppen zu unterscheiden, so

wie wir beispielsweise sagen können, „was einen Vogel ausmacht oder was eine Maus von einer

Eidechse unterscheidet. Das Studium der Nationen wäre ein leichtes, wenn es wie die Ornithologie

betrieben werden könnte.“27

Zahlreiche Wissenschaftler haben sich an den Versuch gewagt, objektive Kriterien für die

Zugehörigkeit zu einer Nation festzulegen. Dabei stützen sie sich zumeist auf Merkmale

wie die Sprache, die ethnische Zugehörigkeit oder eine gemeinsame Kultur oder

Geschichte. Josef STALIN fasste all diese Merkmale 1912 in einer Definition zusammen:

„Eine Nation ist eine historisch entstandene stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der

Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der

Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart.“28 Nur wenn all diese Bedingungen

erfüllt sind, kann von einer „Nation“ gesprochen werden. Eric HOBSBAWM hält all

diese Definitionsversuche für untauglich, da Kriterien wie die Sprache oder die ethnische

Zugehörigkeit „verschwommen, wandelbar und mehrdeutig“29 sind.

In seinem berühmten Vortrag „Was ist eine Nation?“ an der Pariser Universität Sorbonne

am 11. März 1882 nahm Ernest RENAN eine gängige Antwort nach der anderen auf, um

sie anschließend zu widerlegen: 30

● Die Nation ist nicht gleichbedeutend mit der Rasse, schließlich weisen alle

modernen Nationen ein ethnisches Gemisch auf;

● Eine Nation ist nicht identisch mit der Sprache. Wie wäre sonst die Trennung

der USA von Großbritannien oder Südamerikas von Spanien zu erklären, wo

jeweils die gleiche Sprache gesprochen wird. Oder der Zusammenhalt der Schweiz,

26 vgl. Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 15 27 ebd., S. 15. 28 zitiert nach Hobsbawm, a.a.O., S. 16. 29 Hobbawm, a.a.O., S. 16. 30 Renan, Ernest „Was ist eine Nation?“, Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882. URL: http://www.dir-info.de/dokumente/def_nation_renan.html.

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in der gleich drei Sprachen (französisch, italienisch und deutsch) vorherrschend

sind?

● Auch die Religion taugt nicht als Grundlage einer modernen Nation. Als

Beweis braucht man nur einen Blick auf die unterschiedlichen Grenzen der Staaten

und der Konfessionen zu werfen;

● Die Geographie ist ebenfalls kein zulässiges Kriterium. Im Gegenteil, es gibt

keine willkürlichere und gefährlichere Theorie, als die Nation zwischen

„natürlichen Grenzen“ errichten zu wollen. Die Vergangenheit zeigt, dass die

Lebensräume der Nationen immer fluktuiert haben.

RENAN kommt zu der Schlussfolgerung, dass eine Nation mit materiellen

Gegebenheiten nicht hinreichend beschrieben und begründet werden kann. „Eine Nation

ist eine Seele, ein geistiges Prinzip. Zwei Dinge, die in Wahrheit nur eins sind, machen diese Seele, dieses

geistige Prinzip aus. Eines davon gehört der Vergangenheit an, das andere der Gegenwart. Das eine ist

der gemeinsame Besitz eines reichen Erbes an Erinnerungen, das andere ist das gegenwärtige

Einvernehmen, der Wunsch zusammenzuleben, der Wille, das Erbe hochzuhalten, welches man ungeteilt

empfangen hat. (…) Sie setzt eine Vergangenheit voraus, aber trotzdem fasst sie sich in der Gegenwart in

einem greifbaren Faktum zusammen: der Übereinkunft, dem deutlich ausgesprochenen Wunsch, das

gemeinsame Leben fortzusetzen.“31 RENANS voluntaristischer Ansatz wird in diesen Worten

deutlich. Er folgert mit seinem berühmten – von zahlreichen Wissenschaftlern zitierten –

Ausruf: „Das Dasein einer Nation ist […] ein täglicher Plebiszit, wie das Dasein des einzelnen einen

andauernde Behauptung des Lebens ist.“32

Für Hagen SCHULZE besitzt diese Definition bis heute Gültigkeit. Der Aspekt der

Zusammengehörigkeit ist fast allen wissenschaftlichen Definitionen gemein. In einer

Nation betrachten sich die Mitglieder demnach über alle sozialen Schichten sowie

weltanschauliche, gesellschaftliche und ökonomische Unterschiede hinweg als kulturell,

sozial und politisch zusammengehörig als Einheit. Dieses Nationalbewusstsein ist die

Schlüsselbedingung für die Existenz einer Nation. 33 „Nationen erkennen sich in einer

31 Renan, Ernest „Was ist eine Nation?“, Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882. URL: http://www.dir-info.de/dokumente/def_nation_renan.html. 32 ebd. 33 Reiterer, Albert F. „Die unvermeidbare Nation. Ethnizität, Nation und nachnationale Gesellschaft.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 1988, S. 88.

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gemeinsamen Geschichte, in gemeinsamem Ruhm und gemeinsamen Opfern wieder.“ 34 Wichtig ist

dabei die Abgrenzung gegenüber anderen. Schon immer haben sich die Menschen als

Mitglieder einer „Wir“-Gemeinschaft definiert – im Unterschied und meist Gegensatz zu

anderen „Sie“-Gemeinschaften. 35 „Nichts dürfte für das Wachsen eines

Zusammengehörigkeitsgefühls und damit für das Werden einer Nation wichtiger gewesen sein als das

Erkennen und Bekämpfen eines gemeinsamen Feindes.“36

Hagen SCHULZE zufolge waren es von Beginn an die Abgrenzung gegen den Nachbarn,

die Feindschaft und der Kampf, wodurch die europäischen Nationen zu sich selbst

fanden. „Der Krieg ist nicht Ursprung der Nation, wohl aber ihr Katalysator“, stellt er fest.37 Vor

allem kleinere Völker erfuhren ihre nationale Identität oft im Kampf um ihre Freiheit38 –

und tun dies auch heute noch. So war für die deutsche Nationswerdung die gegen den

französischen Kaiser gerichtete antinapoleonische Bewegung von existenzieller

Bedeutung. Schon vor über einhundert Jahren hat Ernest RENAN in diesem

Zusammenhang behauptet, dass keine Nation ohne die Fälschung der eigenen Geschichte

existieren würde. 39 „Das Vergessen oder gar Missverstehen von Geschichte ist ein wesentliches

Element bei der Herausbildung einer Nation.“40

2.2 Der Begriff des „Staates“

Fasst man die vorherrschende Meinung in der wissenschaftlichen Literatur zusammen, so

fällt die Definition des „Staates“ weitaus einfacher als die der „Nation“. Die

wahrscheinlich populärste Definition des Staates ist jene des deutschen Soziologen Max

WEBER, der zufolge der Staat jene gesellschaftliche Institution darstellt, die das Monopol

legitimer Gewalt innehat.41 Zwangsgewalt darf nur durch eine zentrale politische Autorität

ausgeübt werden bzw. durch jene, an die sie dieses Recht delegiert hat, z.B. ein gewähltes

Parlament bzw. die Regierung. Nur ihr ist der Einsatz von Gewalt – durch Polizei- oder

34 Schulze, Hagen. „Staat und Nation in der europäischen Geschichte.“ München: Verlag C.H. Beck, 1995, S. 111. 35 vgl. Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 7. 36 Mardus, Günter. „Zur bisherigen und zukünftigen Rolle de europäischen Nationalstaaten.“ Frankfurt am Main: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2002, S. 60. 37 Schulze, a.a.O. S. 126. 38 Schulze, a.a.O., S. 124. 39 vgl. Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 24. 40 vgl. ebd., S. 7. 41 vgl. Weber, Max. „Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie.“ 1. Halbband. Tübingen: J.C.B. Mohr, 1972, Kapitel I., § 17.

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Armeekräfte – als letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der Ordnung gestattet. Private

oder von gesellschaftlichen Teilgruppen ausgeübte Gewalt ist illegitim. Ernest

GELLNER behauptet, dass der in dieser Definition enthaltene Gedanke „recht genau den

moralischen Empfindungen vieler, wahrscheinlich der meisten Mitglieder moderner Gesellschaften“ 42

entspricht. Dennoch hält er den Ansatz WEBERs nicht für zufrieden stellend. Er greift

seiner Ansicht nach zu kurz, da es Staaten gibt, denen entweder der Wille oder die Macht

fehlt, ihr Monopol auf legitime Gewalt durchzusetzen. Dennoch bleiben sie in vielerlei

Hinsicht als Staaten erkennbar. Ein aktuelles Beispiel ist der Irak, in dem die gewählte

Regierung und rivalisierende Terrorgruppen um die Vorherrschaft in den einzelnen

Regionen kämpfen. Michael ZÜRN pflichtet der Ansicht bei, indem er behauptet, dass es

Staaten gibt, die gemessen an den (unten genannten) Kriterien nicht als Staaten zählen

dürften. Für ihn stellen diese Abweichungen jedoch lediglich Defizite dar. „Denn die

Institution Staat konnte sich nur durchsetzen, weil äußere Souveränität, innere Autonomie und

Gemeinwohlorientierung Hand in Hand gingen, auch wenn dies im konkreten Einzelfall immer nur

annäherungsweise (…) zutrifft.“43

Günter MARDUS definiert den Staat allgemeingültig als „Gesamtheit und Einheit aller

öffentlichen Organisationen und Institutionen, die der Herrschaftsausübung dienen, einschließlich der

institutionellen Regelungen sozialen Verhaltens und der herrschaftsausübenden Gewalten selbst.“44 Eine

Definition, die von der WEBERS nicht weit entfernt ist. Zu den Aufgaben des Staates

zählen neben der bereits erwähnten Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (hierzu

gehört auch die Unterhaltung der Strafgerichtsbarkeit, der Polizei sowie der nationalen

Verteidigung) die Gewährleistung sozialer Leistungen, die Organisation und

Aufrechterhaltung des Bildungswesens, Hilfe im wirtschaftlichen Sektor und die

Erhaltung der (wirtschaftlichen) Infrastruktur - Schulen, Straßen, Flugplätze und andere

Einrichtungen des Transportwesens, also die Gesamtheit aller Einrichtungen, die für das

Funktionieren der Wirtschaft notwendig sind.45

42 Gellner, Ernest. „Nationalismus und Moderne.“ Hamburg, Rotbuch Verlag, 1995, S. 11. 43 Zürn, Michael. „Regieren jenseits des Nationalstaates.“ Edition Zweite Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1998, S. 38. 44 Mardus, Günter. „Zur bisherigen und zukünftigen Rolle de europäischen Nationalstaaten.“ Frankfurt am Main: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2002, S. 61. 45 Vgl. Deutsch, Karl W. „Staat, Regierung, Politik. Eine Einführung in die Wissenschaft der vergleichenden Politik.“ Freiburg: Verlag Rombach, 1976, S. 103.

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Michael ZÜRN listet drei konstitutive Merkmale auf, nach denen der moderne Staat als

Organisation definiert werden kann:46

a) ein legitimes Monopol der Gewaltsamkeit, das eine innere Autonomie

ermöglicht und dessen territoriale Reichweite durch die Fähigkeit, Steuern

einzutreiben, bestimmt wird (Ressourcendimension);

b) eine gewisse Gemeinwohlorientierung (Zieldimension);

c) die Anerkennung durch andere Staaten, die wenigstens im Prinzip von

Mindeststandards der inneren Konstitution abhängig ist

(Anerkennungsdimension).

Nach geltendem Völkerrecht muss ein Staat als notwendige, aber auch hinreichende

Voraussetzung für seine Anerkennung folgende Elemente vorweisen können:47

● das Staatsgebiet als einen abgegrenzten Teil der Erdoberfläche als

ausschließlichem Herrschaftsbereich;

● das Staatsvolk als der dort sesshafte Personenverband;

● die Staatsgewalt als organisierte, auf Dauer angelegte Herrschaft, ausgeübt

durch eine effektive Regierung, zumindest über die Mehrzahl der

Einwohner und den größten Teil des Territoriums.

Letztlich ist es die internationale Anerkennung als völkerrechtliches Subjekt, die eine

politische Organisation zum Staat macht. So umfasst die Organisation der Vereinten

Nationen (UNO) 192 Staaten. 48 Normative Grundlage moderner Staatlichkeit ist das

Prinzip der Souveränität. Das Völkerrecht unterscheidet an dieser Stelle zwischen

a) der Souveränität nach innen als Selbstbestimmtheit in Fragen der

eigenen staatlichen Gestaltung, und

b) der Souveränität nach außen als die grundsätzliche Unabhängigkeit

eines Staates von anderen Staaten.49

46 Zürn, Michael. „Regieren jenseits des Nationalstaates.“ Edition Zweite Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1998, S. 37 f. 47 vgl. Mardus, Günter. „Zur bisherigen und zukünftigen Rolle de europäischen Nationalstaaten.“ Frankfurt am Main: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 2002, S. 61. 48 welche Schwierigkeiten auch die Definition des Staates bereitet, lässt sich an der Tatsache ableiten, dass z.B. die „Federal International Football Association“ (FIFA) 202 Mitglieder umfasst. So verfügt Palästina über eine eigene Fußballnationalmannschaft, ist aber international als souveräner Staat nicht anerkannt. 49 Wikipedia. „Souveränität“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Souver%C3%A4nit%C3%A4t.

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Hans Joachim MORGENTHAU definiert sie zusammenfassend als „die oberste legale

Autorität des Staates, innerhalb eines bestimmten Territoriums Recht zu setzen und durchzusetzen und,

als Konsequenz davon, die Unabhängigkeit von der Autorität anderer Staaten sowie die Gleichstellung

mit ihnen im internationalen Recht.“50

In ihrer Geschichte hat die Menschheit drei grundlegende Stadien durchlaufen: die

voragrarische, die agrarische und die industrielle Stufe. In der voragrarischen Stufe stellte

sich die Frage nach einem Staat nicht, da jagende und sammelnde Gruppen zu klein

waren, um „die Art politischer Arbeitsteilung zuzulassen, die den Staat ausmacht.“ 51 Dagegen

verfügten die meistens agrarischen Gesellschaften über einen Staat, wobei seine Form

sehr variabel war. In der industriellen Phase wiederum gab es keine Alternative mehr.

Ernest GELLNER hält die Existenz des Staates seit der Industriellen Revolution gar für

unvermeidlich. 52 Industriegesellschaften sind enorm groß und hängen von einer

komplizierten Arbeitsteilung und Zusammenarbeit ab, die auf Dauer ohne jeden Zwang

und ohne Kontrolle nicht funktionieren könnten. Denn der Staat ist „die Spezialisierung und

Konzentration zur Aufrechterhaltung der Ordnung (…) und jene Institution oder Ansammlung von

Institutionen, die sich spezifisch mit der Durchsetzung der Ordnung befassen.“

Auffällig ist in dieser Hinsicht, dass sich die Gesamtzahl der Staaten im Laufe der Zeit

stark verändert hat. Während die Zahl der Staaten im 19. Jahrhundert rückläufig war –

Stichwort: Kolonialismus -, ist sie seit dem Ersten Weltkrieg stark angestiegen. Bestand

Europa um das Jahr 1871 aus etwa 15 souveränen Nationen, waren es vor dem Ersten

Weltkrieg etwa 25. Die heutige Europäische Union umfasst dagegen allein 27

Mitgliedsstaaten und mit weiteren „Bewerberländern“ werden Verhandlungen geführt.

Insgesamt hat sich die Zahl der souveränen Staaten auf der Welt seit 1945 zahlenmäßig

verdoppelt. Hauptursachen sind die Unabhängigkeitsbestrebungen zahlreicher Staaten in

Afrika, der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Zersplitterung des ehemaligen

Jugoslawiens. Eine Veränderung dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Auch heute

noch gibt es in vielen Teilen der Welt Unabhängigkeitsbestrebungen. Ein (namentlich

50 zitiert nach Zürn, Michael. „Regieren jenseits des Nationalstaates.“ Edition Zweite Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1998, S. 37. 51 Gellner, Ernest. „Nationalismus und Moderne.“ Hamburg, Rotbuch Verlag, 1995, S. 13. 52 ebd., S. 14.

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nicht genannter) deutscher Nationalist hat diese Entwicklung einst anschaulich in Worte

gefasst: „Ein Staat ist für ein Volk, wie ein Anzug für einen Mann.“ 53

2.3 Der Begriff des „Nationalstaats“ und seine Verwendung in der vorliegenden Diplomarbeit

Der Begriff „Nationalstaat“ vereint jene der „Nation“ und des „Staates“ in einem Wort.

Vereinfacht ausgedrückt ist unter dem Nationalstaatsprinzip nichts anderes zu verstehen,

als dass alle Mitglieder einer „Nation“ auf einem Staatsgebiet innerhalb fest gelegter

Grenzen zusammen leben sollen. Ein anschauliches Beispiel ist die Geschichte

Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Gründung der „Deutschen

Demokratischen Republik“ (DDR) im Osten und der „Bundesrepublik

Deutschland“ (BRD) im Westen war die „deutsche Nation“ auf zwei getrennte Staaten

verteilt. Erst mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Nation

in einem Staat zusammengefasst. Von nun an konnte von einem deutschen Nationalstaat

gesprochen werden.

Karl Wolfgang DEUTSCH bezeichnete den Nationalstaat 1976 als „mächtigste Organisation

der Welt von heute.“54 Und auch Reinhard KÜHNL konstatiert zehn Jahre später, dass

Nationalstaaten „trotz aller supranationaler Einrichtungen und internationalen Verflechtungen

ökonomischer, politischer und militärischer Art – immer noch die eigentlich handelnden Subjekte in der

Weltpolitik“ darstellen.55 Ist diese Feststellung zwanzig Jahre später immer noch korrekt?

Immerhin schreibt Dieter OBERNDÖRFER kurz nach dem Zusammenbruch der

Sowjetunion: „Heute löst sich die Lebenswelt, die den Nationalstaat geboren hat, wieder auf.“56 Die

Entwicklung, die dafür verantwortlich zeichnet, ist der in Kapitel 3 ausführlich definierte

Prozess der Globalisierung. Wird er dafür sorgen, dass die Existenz der Nationalstaaten

für das Funktionieren einer zusammen wachsenden Welt in Zukunft überflüssig wird?

Diese Frage soll im weiteren Verlauf meiner Diplomarbeit eingehend erläutert werden.

Das Dilemma bei der Verwendung des Begriffes „Nationalstaat“, auf das ich an dieser

Stelle hinweisen möchte, ist, dass in vielen souveränen Staaten nicht nur eine einzige

Volksgruppe bzw. Nation lebt. Sie bilden zwar in der Regel die Basis von Nationalstaaten,

53 Vgl. Deutsch, Karl W. „Staat, Regierung, Politik. Eine Einführung in die Wissenschaft der vergleichenden Politik.“ Freiburg: Verlag Rombach, 1976, S. 107. 54 ebd., S. 102 55 Kühnl, Reinhard. „Nation – Nationalismus - Nationale Frage. Was ist das und was soll das?“ Köln: Pahl-Rugenstein Verlag, 1986, S. 91. 56 Oberndörfer, Dieter. „Der Wahn des Nationalen. Die Alternative der offenen Republik.“ Freiburg: Verlag Herder, 1993, S. 19.

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dennoch müssen ihre Grenzen nicht mit Nationalitätengrenzen übereinstimmen. So lebt

in den USA ein unüberschaubares Gemisch an Nationalitäten, in Deutschland leben

mehrere Millionen Türken, Italiener oder Griechen, die Schotten, Waliser und Nordiren

bilden zusammen mit den Engländern Großbritannien – „und sie alle haben offenbar wenig

Neigung, diesen Zustand zu ändern.“57 Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass in

mehr als der Hälfte aller weltweiten Staaten sprachliche und ethnische Minderheiten leben,

die mehr als ein Fünftel der Bevölkerung stellen.58 Aus dieser Beobachtung ergibt sich

meiner Ansicht nach, dass die Verwendung des Begriffes vom „Nationalstaat“ streng

genommen verkehrt ist und stattdessen von „Vielvölkerstaaten“ gesprochen werden

müsste. Da aber in der wissenschaftlichen Literatur ungeachtet dieser Unstimmigkeit

überwiegend vom „Nationalstaat“ die Rede ist, werde auch ich ihn in meiner

Diplomarbeit verwenden. Dabei werde ich mich auf den allgemeingültigen Begriff

beschränken – frei von etwaigen philosophischen, soziologischen oder

politikwissenschaftlichen Abweichungen.

57 Kühnl, Reinhard. „Nation – Nationalismus - Nationale Frage. Was ist das und was soll das?“ Köln: Pahl-Rugenstein Verlag, 1986, S. 91. 58 Deutsch, Karl W. „Staat, Regierung, Politik. Eine Einführung in die Wissenschaft der vergleichenden Politik.“ Freiburg: Verlag Rombach, 1976, S. 124.

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2.4 Zusammenfassung

Ich denke, dass anhand meiner Ausführungen deutlich geworden ist, wie schwer es ist bzw. sich die

Wissenschaft tut, um den Begriff der Nation eindeutig zu definieren. Walter BAGEHOT hat dieses

Dilemma anschaulich in Worte gefasst. Auf die Frage, was eine Nation ist, antwortet er: „Wir wissen,

was es ist, solange uns niemand danach fragt, aber wir können es nicht erklären oder

definieren.“59Konsequenterweise ist eine eindeutige wissenschaftliche Definition, die dem Begriff gerecht

wird, nicht zu finden. Am einleuchtendsten erscheint mir RENANS Definition von der Nation als

geistigem Prinzip, dem keine objektiven Kriterien gerecht werden können.

Von besonderer Bedeutung für meine Diplomarbeit ist die Verwendung des Begriffes vom

„Nationalstaat“, auf dessen Problematik ich bereits in Kapitel 2.3 hingewiesen habe. Nach der

Begutachtung umfangreicher Literatur habe ich mich dafür entschieden jene Definition zu verwenden, die

vermutlich die meisten Menschen, ob Wissenschaftler, Politiker oder einfacher Bürger heute darunter

verstehen: Ein Staat mit einer sesshaften Bevölkerung innerhalb eines abgegrenzten Herrschaftsbereiches,

in dem die Staatsgewalt als organisierte, auf Dauer angelegte Herrschaft durch eine effektive Regierung

ausgeübt wird, die einen Großteil des Territoriums und eine Mehrzahl der Einwohner kontrolliert.

Auf den nachfolgenden Seiten werde ich mich mit der Zukunft des Nationalstaates in einer Zeit

beschäftigen, die zunehmend durch eine rasant voranschreitende Globalisierung dominiert wird. Hagen

SCHULZE schreibt über die Nation: „Wie alles geschichtlich Gewachsene wird auch sie

wieder vergehen oder in ihrer politischen und kulturellen Bedeutung zurücktreten und

einem anderen Zustand menschlicher Gemeinschaft Platz machen.“60 Ob er damit Recht

hat, und wie ein solch „anderer Zustand menschlicher Gemeinschaft“ aussehen könnte, sollen die

folgenden Kapitel klären.

59 zitiert nach Hobsbawm, Eric. „Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2005, S. 11. 60 Schulze, Hagen. „Staat und Nation in der europäischen Geschichte.“ München: Verlag C.H. Beck, 1995, S. 112.

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3 Der Prozess der Globalisierung

3.1 Begriffsklärung

Mit dem Begriff der „Globalisierung“ verhält es sich ähnlich wie mit jenen im

vorangegangenen Kapitel erörterten der Nation bzw. dem Nationalstaat. Es existiert eine

Vielzahl von Definitionen und Konzepten, deren Auflistung und Erörterung für sich

genommen eine umfangreiche Diplomarbeit rechtfertigen würden.

Kaum ein Begriff hat in der jüngsten Vergangenheit so oft Verwendung gefunden wie

jener der Globalisierung. Jean ZIEGLER hat ihn einst gar als den „meist gebrauchten Begriff

unserer Zeit bezeichnet.61 Ob im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen, im Internet62 oder einer

zunehmend unüberschaubaren Zahl an Büchern, die sich (kritisch) mit dem Phänomen

beschäftigen – der Begriff ist plötzlich allgegenwärtig. Der deutsche Soziologe ULRICH

BECK schrieb im Jahre 1997: „Globalisierung ist sicher das am meisten gebrauchte – missbrauchte

– und am seltensten definierte, wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch

wirkungsvollste (Schlag- und Streit-)Wort der letzten, aber auch der kommenden Jahre.“63

Unbestritten ist, dass der Begriff relativ neu ist, wenngleich der Zeitpunkt seiner

erstmaligen Erwähnung in den verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen variiert.

Ernst Ulrich VON WEISZÄCKER behauptet, dass sich der Begriff vor dem Jahr 1990 in

keinem Lexikon der Welt finden lässt. 64 Im Titel einer wissenschaftlichen

Veröffentlichung taucht der Begriff in der amerikanischen „Library of Congress“ (LoC)

erstmals im Jahre 1983 auf. In der auf deutsche Literatur spezialisierten „Deutschen

Bibliothek“ in Frankfurt am Main erst fünf Jahre später.65 Seit Mitte der 1990er Jahre stieg

seine Verwendung exponentiell. ANTHONY GIDDENS schreibt ein wenig pathetisch,

dass der Begriff im Laufe eines Zeitraums von etwa 15 Jahren „von nirgendwo nach

überall“ gewandert sei.66

61 vgl. Ziegler, Jean. „Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher.“ München: Bertelsmann, 2003. 62 Die Eingabe bei google.de ergibt fast acht Millionen Einträge 63 Zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003, S. 2. 64 Von Weiszäcker, Ernst Ulrich. „Was ist Globalisierung und wie erklärt sie sich?“ URL: http://www.globalisierung-online.de/info/text2.php. 65 Walter, Gregor. „Globales Netz und globale Politik? Politische Antworten auf Globalisierung am Beispiel des Internet.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005, S. 27. 66 Giddens, Anthony. „Die große Globalisierungsdebatte.“ In „Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt“, hg. Marcus S. Kleiner., Helmut Strasser. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2003, S. 34.

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Quelle: öffentliche Kataloge der Library of Congress (LoC) und der Deutschen Bibliothek.

Abb. 1 Entwicklung der Globalisierungsliteratur von 1986-200467

Im deutschen Rechtschreib-Duden findet sich das Substantiv Globalisierung erstmals in

der 22. Auflage im Jahre 2000.68

Laut KLAUS MÜLLER stehen vier Problemgruppen im Mittelpunkt der jüngeren

Globalisierungsliteratur:69

1) Umwelt: Die Folgen des Klimawandels, die langsam für jeden spürbar

werden, ökologische Bedrohungen sowie die ungleiche Nutzung

endlicher Ressourcen werden zunehmend thematisiert – auch in der

Öffentlichkeit.

2) Armut und globale Ungleichheit: Das Thema gewinnt durch die

„höhere Vergleichbarkeit der Lebenslagen in einer enger zusammengerückten

Welt“ an Brisanz. 78 Prozent der Weltbevölkerung zählen zu den Armen,

während je 11 Prozent zur Mittelklasse und zu den Reichen zählen.

67 Walter, Gregor. „Globales Netz und globale Politik? Politische Antworten auf Globalisierung am Beispiel des Internet.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005, S. 27. 68 Vgl. Borchardt, Knut. „Globalisierung in historischer Perspektive.“ In „Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme“, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004, S. 21. 69 Müller, Klaus. „Globalisierung.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2002., S. 10 f.

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3) Globale Finanzmärkte: Dieser Aspekt beschäftigt sich mit den

systemischen Risiken, die in der Funktionsweise deregulierter

Finanzmärkte angelegt sind.

4) Migration: Dieses Syndrom resultiert aus Staatszerfall, Informalisierung

und gesellschaftlicher Desintegration. In vielen Ländern reagiert die

Bevölkerung auf Armut, Ungleichheit und Krisen mit Abwanderung.

Im ausgehenden 20. Jahrhundert hat sich der Begriff zu einem sozialwissenschaftlichen

Schlüsselbegriff entwickelt. Vielfach wird auch von einem „Modewort“ gesprochen.70 Und

das, obwohl recht unterschiedliche Vorstellungen, Konzepte und Theorien damit

verbunden werden. Josef BORDAT behauptet, dass dem inflationären Gebrauch zum

Trotz unklar bleibt, was genau das Wesentliche der Globalisierung ist. „Wer eine umfassende

Definition sucht, muss sich mit Umschreibungen zufrieden geben, die substantiell alle nur bestimmte

politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen unter den Begriff Globalisierung subsumieren.“71

Es gibt sogar Stimmen, die befürchten, dass die Bedeutung des Begriffes ausgehöhlt wird

und „zu einer catch-all-Variablen zu degenerieren droht, die alles und damit nichts zu beschreiben und

zu erklären vermag“, wie es Kurt HÜBNER ausdrückt.72 Grazia IETTO-GILLIES verweist

darauf, dass Definitionen des Begriffes für verschiedene Zwecke „missbraucht“ worden

sind. „It has been used to argue that it exists and it is the most important development of the last few

decades, or that it does not exist or make sense, or that it is not a new development as it always

existed.“73

Zwar sind zahlreiche Versuche unternommen worden, das Phänomen Globalisierung in

die kurze Form der Definition zu fassen, doch angesichts der Komplexität des

Untersuchungsgegenstandes, fällt es schwer, alle Aspekte zu umfassen. So ist es den

zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen nicht gelungen, „einen Grundkonsens über ein

adäquates Verständnis von Globalisierung zu erzielen: über ihre Spezifika ebenso wenig wie über ihre

kausalen Determinanten, über ihre sozialen, politischen, ökonomischen, kulturellen oder ökologischen

70 vgl. Bordat, Josef. „Globalisierung. Versuch einer Annäherung.“ Marburger Forum. Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart. URL: http://www.marburger-forum.de/mafo/heft2006-1/Bord_G.htm. 71 ebd. 72 Hübner, Kurt. „Der Globalisierungskomplex. Grenzenlose Ökonomie – grenzenlose Politik?“ Berlin: Rainer Bohn Verlag, 1998, S. 18. 73 zitiert nach ebd., S. 18

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Folgen ebenso wenig wie über ihre Bewertung als „Fortschritt“ oder als „Gefahr“.“74 Lediglich ein

gemeinsamer Kern ist laut Gregor WALTER erkennbar, und zwar die Vorstellung von

einer Ausbildung sozialer Räume oberhalb von Nationalstaaten.75 „Soziale Beziehungen und

Transaktionen unterschiedlichster Art lösen sich aus ihren räumlichen, in der Regel nationalstaatlichen

Bindungen und erlangen über die Grenzen der Nationalstaaten hinaus neue Reichweiten.“76

Auffällig ist, dass trotz der Breite und Reichweite der verschiedenen Definitionen nur

wenig empirisches Beweismaterial für die vorgebrachten Thesen vorhanden ist.

Zahlreiche Autoren „beließen es in der ganz überwiegenden Zahl bei anekdotischen „Belegen“ oder

sprachen ganz offen von ihren Arbeiten als „imaginative non-fiction““.77 Im Laufe der Recherchen

für die vorliegende Arbeit habe ich zahlreiche Bücher über die verschiedenen Aspekte der

Globalisierung gelesen, dazu eine große Zahl an Artikeln in Zeitschriften und im Internet.

Ausführliche und aussagekräftige empirische Daten konnte ich nur in zwei

wissenschaftlichen Publikationen finden.78

Trotz der erwähnten Probleme kommt die vorliegende Diplomarbeit nicht ohne den

Versuch aus, den Begriff der Globalisierung zu definieren. Auch wenn die folgenden

Ausführungen allein aus rein quantitativen Gründen keinen Anspruch auf Vollständigkeit

erheben können, werde ich versuchen, den Begriff inhaltlich einzugrenzen und eine

Begriffsumschreibung zu finden, auf die ich im Hauptteil meiner Arbeit zurückgreifen

werde.

3.2 Definition

Die vermutlich populärste und am meisten zitierte Definition von Globalisierung stammt

von Anthony GIDDENS, ehemaliger Direktor der renommierten „London School Of

Economics and Political Science“. Er spricht von der „intensification of worldwide social

74 Teusch, Ulrich. „Die Staatengesellschaft im Globalisierungsprozess. Wege zu einer antizipatorischen Politik.“ Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 2003, S. 29. 75 vgl. Walter, Gregor. „Globales Netz und globale Politik? Politische Antworten auf Globalisierung am Beispiel des Internet.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005, S. 32. 76 ebd., S. 39. 77 ebd., S. 34 78 a) vgl. Beisheim, Marianne; Dreher, Sabine; Walter, Gregor; Zangl, Bernhard; Zürn, Michael (Hg.). „Im Zeitalter der Globalisierung? Thesen und Daten zur gesellschaftlichen und politischen Denationalisierung.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1999. b) vgl. Held, David; McGrew, Anthony; Goldblatt, David; Perraton, Jonathan (Hg.). „Global Transformations. Politics, Economics and Culture.“ Cambridge: Polity Press, 1999.

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relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occuring

many miles away and vice versa.“79

Seiner Ansicht nach sind es nicht die weltweiten Beziehungen, welche die Globalisierung

zu einem neuartigen Prozess machen, sondern deren Intensivierung, die er auf vier

Bereiche bezieht:

1) die kapitalistische Weltwirtschaft;

2) das internationale Staatensystem;

3) die militärische Weltordnung;

4) die internationale Arbeitsteilung.80

Die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD)

bezeichnet Globalisierung als einen „Prozess, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen

Ländern immer mehr voneinander abhängig werden – dank der Dynamik des Handels mit Gütern und

Dienstleistungen und durch die Bewegung von Kapital und Technologie.“ 81 Die verschiedenen

Nationen wachsen wirtschaftlich zusammen, die Verflechtung der Märkte wird enger und

die Mobilität von Produktionsfaktoren wie Arbeit oder Kapital nimmt über nationale

Grenzen hinweg zu. 82 Diese Verkürzung der Definition auf einen ökonomischen

Gesichtspunkt ist sehr verbreitet. Er wird „als dominanter Kausalfaktor betrachtet, während

andere Dimensionen als abgeleitet oder untergeordnet eingestuft werden.“83 Übersehen wird in diesem

Zusammenhang die hohe Multidimensionalität des Prozesses, der sich auf nahezu alle

gesellschaftlichen Bereiche auswirkt – neben der Wirtschaft etwa Politik, Gesetzgebung,

Kultur, Militär, Technologie oder Umwelt. „Globalization has to be understood as a

multidimensional process which is not reducible to an economic logic and which has differential impacts

across the world´s regions and upon individual states.“84

Weitgehende Einigkeit herrscht über die Beschreibung des Prozesses als Intensivierung

und Beschleunigung grenzüberschreitender Transaktionen bei deren gleichzeitiger

79 zitiert nach Teusch, Ulrich. „Die Staatengesellschaft im Globalisierungsprozess. Wege zu einer antizipatorischen Politik.“ Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 2003, S. 32. 80 ebd., S. 33. 81 zitiert nach: Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2003, S. 3. 82 vgl. Donges, Juergen B.; Eekhoff, Johann; Paulus, Philipp. „Globalisierungskritik auf dem Prüfstand – ein Almanach aus ökonomischer Sicht.“ Stuttgart. Lucius & Lucius, 2003. S. 2. 83 Teusch, a.a.O., S. 47. 84 Held, David; McGrew, Anthony. „Globalization“, URL: http://plato.stanford.edu/entries/globalization/

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räumlicher Ausdehnung sowie der Ausbildung neuer sozialer Räume oberhalb von

Nationalstaaten. 85 Globalisierung umschreibt „Modernisierungsprozesse einer weltweiten

Vernetzung nationalstaatlich entgrenzter Subsysteme.“ 86 In erster Linie werden darunter die

internationalen Waren- und Kapitalströme verstanden, aber auch grenzüberschreitende

Transaktionen wie Nachrichten, Briefe, Telefonate, E-Mails, Wanderungsbewegungen

(hierzu zählen neben Tourismus und Arbeitsmigration zunehmend auch

Armutswanderungen und Flüchtlingsströme) oder Emissionen in Luft und Wasser.

David HELD und Anthony MCGREW haben diesen Aspekt am treffendsten

zusammengefasst: “Globalization can be conceived as a process (or set of processes) which embodies a

transformation in the spatial organization of social relations and transactions, generating transcontinental

or interregional flows and networks of activity, interaction and power.”87

Zwar ist auch diese Definition nicht in der Lage, alle Aspekte von Globalisierung

abzudecken, dennoch hebt sie sich laut Ulrich TEUSCH von allen anderen

Begriffsbestimmungen ab, da sie multidimensional und offen angelegt ist.88 HELD und

MCGREW unterscheiden in diesem Zusammenhang vier Typen der Veränderung:

1) Eine Ausdehnung sozialer, politischer und wirtschaftlicher

Aktivitäten über Grenzen, Regionen und Kontinente hinweg.

2) Eine Intensivierung bzw. wachsendes Ausmaß des

Zusammenspiels zwischen Handelsströmen, Investitionen,

Finanzen, Migration, Kultur etc.

3) Eine Beschleunigung weltweiter Interaktionen und Prozesse. Als

Folge eines weltweiten Transport- und Kommunikationssystems

erhöht sich die Geschwindigkeit der Streuung von Ideen, Waren,

Informationen, Kapital und Menschen.

4) Ein wachsendes Ausmaß sowie die zunehmende Intensität und

Geschwindigkeit globaler Interaktionen führt dazu, dass die

85 vgl. Walter, Gregor. „Globales Netz und globale Politik? Politische Antworten auf Globalisierung am Beispiel des Internet.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005, S. 32. 86 Jung, Eberhard; Juchler, Ingo. „Sachanalyse Globalisierung“. URL: http://www.sowi-online.de/journal/2002-1/sachanalyse_jung_juchler.htm#Literatur. 87 Held, David; McGrew, Anthony. „What is Globalization?“ URL: http://www.polity.co.uk/global/whatisglobalization.asp. 88 vgl. Teusch, Ulrich. „Die Staatengesellschaft im Globalisierungsprozess. Wege zu einer antizipatorischen Politik.“ Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 2003, S. 31.

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Auswirkungen entfernter Ereignisse andernorts höchst

bedeutsam werden und lokale Entwicklungen bedeutsame

globale Konsequenzen haben können.89

Die Grenzen zwischen einheimischen und globalen Angelegenheiten zerfließen

zunehmend. „Globalization, in short, can be thought of as the widening, intensifying, speeding up, and

growing impact of world-wide interconnectedness.” 90 Neben der Intensivierung der weltweiten

Beziehungen sowie der räumlichen Ausdehnung verweist Jan Aart SCHOLTES auf einen

weiteren Aspekt: die Supraterritorialität. „“Global relations“ are place-less, distance-less, borderless

interactions and interdependencies between persons: they unfold in the world as a single place.” 91

Gemeinhin gelten zwei Phänomene als besonders eindrückliche Belege für

Globalisierung: die technisch vermittelte Kommunikation im Internet und die Aktivitäten

und Mechanismen der globalen Finanzmärkte. „Die Dynamik der Globalisierung wird

gewöhnlich mehreren sich wechselseitig verstärkenden Faktoren zugeschrieben, insbesondere einer durch

Satellitennetzwerke und das Internet bereitgestellten kommunikativen Infrastruktur, sinkenden

Transportkosten, der Intensivierung grenzüberschreitender Kontakte sowie exponentiell zunehmenden

Finanztransaktionen.“92Die erwähnte zunehmende internationale Verflechtung ist allerdings

kein unkontrollierbares Schicksal, das über die Nationen hereingebrochen ist, sondern

weitgehend das Resultat von staatlichen Entscheidungen (nähere Erläuterungen in Kapitel

3.3). Die Globalisierung ist „kein spontanes Resultat anonymer Marktkräfte, sondern Folge einer

Kette „politischer Entscheidungen.““ 93 Fest steht zudem, dass es sich um einen Prozess

handelt, der keinesfalls linear verläuft, und nicht um einen Endzustand. Wann dieser

konkret eingesetzt hat, ist unklar, und laut Josef BORDAT wäre es auch nicht sinnvoll

nach einem konkreten Datum zu suchen. Epochale Veränderungen ließen sich nur selten

mit Jahreszahlen belegen.94 Gregor WALTER führt an, dass die Globalisierung trotz allen

strukturellen Ähnlichkeiten zu früheren Phasen der Ausbildung von Interdependenz

89 vgl. Held, David; McGrew, Anthony. „Globalization“, URL: http://plato.stanford.edu/entries/globalization. 90 ebd. 91 Zitiert nach Teusch, Ulrich. „Die Staatengesellschaft im Globalisierungsprozess. Wege zu einer antizipatorischen Politik.“ Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 2003, S. 34. 92 Müller, Klaus. „Globalisierung.“ Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2002, S. 8. 93 ebd., S. 9. 94 vgl. Bordat, Josef. „Globalisierung. Versuch einer Annäherung.“ Marburger Forum. Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart. URL: http://www.marburger-forum.de/mafo/heft2006-1/Bord_G.htm.

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„durchaus historische Einmaligkeit beanspruchen kann.“ 95 Auch wenn vielfach Uneinigkeit

darüber herrscht, ob die Globalisierung nun einen neuartigen Prozess darstellt, wird diese

Einstufung als epochaler Wandel von vielen Autoren geteilt. Die Existenz der

Globalisierung wird nicht bezweifelt (nähere Erläuterungen in Kapitel 3.4). Für Anthony

GIDDENS ist die Phase der Debatte, ob die Globalisierung existiert, längst

abgeschlossen und in eine Debatte der Konsequenzen eingetreten. 96 Er unterscheidet

zwischen dem späten neunzehnten Jahrhundert als erstem Zeitalter der Globalisierung

und dem zweiten Zeitalter der Globalisierung, das wir momentan durchlaufen. „Unser

Weltzeitalter ist anders als alle vorangegangenen Versionen. […] Es ist sehr viel dynamischer, es bewegt

sich viel schneller und es ist viel umfassender. Jeder ist heute daran mehr beteiligt, als es in der

Vergangenheit der Fall war.“97

3.3 Die Geschichte eines Prozesses

Ihren Anfang nahm die Globalisierung bereits im 19. Jahrhundert. In den beiden

vorherigen Jahrhunderten war die Wirtschaftspolitik der Nationen von der Lehre des

Merkantilismus dominiert, d.h. der Staat unternahm wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen

und die Nationen schotteten sich weitestgehend gegeneinander ab, u.a. durch die

Erhebung von Schutzzöllen. Erst die Theorie des Wirtschaftsliberalismus und die Doktrin

des Freihandels, als deren Hauptvertreter Adam SMITH (1723-1790) und David

RICARDO (1772-1823) gelten, sorgten für eine Ablösung der vorherrschenden Form des

Merkantilismus. Die beiden Ökonomen sprachen sich für die Beseitigung von staatlichen

Eingriffen in wirtschaftliche Angelegenheiten aus: keine Produktionsbeschränkungen,

keine Handelsbarrieren, keine Zollgebühren – der freie Handel galt als der beste Weg zur

Entfaltung der Wirtschaft einer Nation. Die theoretische Einsicht, „dass Staaten, die sich

wirtschaftlich nicht abschließen, sondern in einen offenen Austausch mit anderen Volkswirtschaften treten,

davon profitieren und Wohlstandsgewinne für ihre Bürgerinnen und Bürger erzielen“98 führte zu einem

95 Walter, Gregor. „Globales Netz und globale Politik? Politische Antworten auf Globalisierung am Beispiel des Internet.“ Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005, S. 41. 96 Giddens, Anthony. „Die große Globalisierungsdebatte.“ In „Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt“, hg. Marcus S. Kleiner., Helmut Strasser. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2003, S. 34. 97 ebd., S. 34. 98 Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003. S.3.

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Zeitalter der Globalisierung. Die Nationen öffneten ihre Wirtschaft, wesentliche

Handelshemmnisse wurden beseitigt und neue Technologien führten zu einer

umfangreicheren, aber auch preiswerteren Produktion. Transporte auch über große

Distanz wurden schneller und billiger, so dass der weltweite Handel bis zum Ausbruch

des Ersten Weltkrieges vorangetrieben wurde – die Jahre von 1895 bis 1914 werden heute

gar als das „Goldene Zeitalter“ des Freihandels bezeichnet.

Durch den Ersten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und den Börsencrash von New

York im Jahre 1929 sowie dem darauf folgenden Zweiten Weltkrieg wurde der durch den

Freihandel bedingte Aufschwung jäh beendet. Die Weltwirtschaft lag am Boden, als sich

1944 in Bretton Woods, New Hampshire, Vertreter aus 44 Ländern trafen, „um die

wirtschaftliche Nachkriegsordnung festzulegen und entsprechende Institutionen ins Leben zu rufen.“99

Die Konferenz stand im Zeichen der sozialen Erschütterungen der Weltwirtschaftskrise

(Massenarbeitslosigkeit, Verarmung breiter Schichten des Mittelstandes) und dem

Zusammenbruch der Wirtschaft in Europa und den USA. Beides wurde als „Bedrohung

von politischer Stabilität und Demokratie“100 angesehen, die es in der Zukunft zu vermeiden

galt. Es wurde beschlossen, den Welthandel einem Gerüst von Rahmenbedingungen zu

unterstellen. Kernstück des Abkommens von Bretton Woods war die Einrichtung eines

Systems fester Wechselkurse, das an eine Leitwährung, den US-Dollar, gebunden war,

und die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, die die grenzüberschreitenden

Finanzflüsse beschränken sollten. Um die Funktionsfähigkeit des Systems sicher zu

stellen, wurden zwei Institutionen ins Leben gerufen: der Internationale Währungsfonds

(IWF) und die Weltbank. Die Aufgabe der Weltbank war es, „günstig Kredite für das

kriegszerstörte Europa bereit zu stellen und so den Wiederaufbau mit zu finanzieren.“101 Dem IWF

oblag es ursprünglich, seinen Mitgliedsstaaten (zu jener Zeit 39) bei

Zahlungsschwierigkeiten einen kurzfristigen Beistandskredit zur Verfügung zu stellen.

Die Ideen des Ökonomen John Maynard KEYNES, der als britischer

Verhandlungsführer in Bretton Woods anwesend war, setzten sich als vorherrschende

wirtschaftspolitische Doktrin durch, die eine Regulierung der Konjunktur durch den

Staat und ein ausgebautes Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem als Instrument der

sozialen Umverteilung vorsah. 99 Kairos Europa e.V; WEED e.V. „Kapital braucht Kontrolle. Die internationalen Finanzmärkte: Funktionsweise – Hintergründe – Alternativen.“ Bonn, 2000, S. 9. 100 ebd., S.9. 101 ebd., S. 10.

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Die Nachkriegszeit blieb von internationalen Finanzkrisen verschont. Die Weltwirtschaft

prosperierte und selbst im weitgehend vom Krieg zerstörten Westeuropa kam es zu einer

Phase anhaltenden Wachstums. In Deutschland wird von den Nachkriegsjahren noch

heute als „Wirtschaftswunder“ geschwärmt. Das System von Bretton Woods schien zu

funktionieren, allerdings trug der Erfolg des Systems gleichzeitig die Ursache für seinen

Zusammenbruch in sich. „Da Währungsparitäten die ökonomische Leistungsfähigkeit von

Volkswirtschaften untereinander zum Ausdruck bringen, war angesichts des wirtschaftlichen Aufstiegs

der westeuropäischen und der japanischen Volkswirtschaften der feste Wechselkurs zum Dollar auf

Dauer nicht haltbar.“102 1971 kündigte die US-Regierung unter Präsident Nixon das System

fester Wechselkurse auf, 1973 wurde es durch frei schwankende ersetzt. Ein neues

wirtschaftspolitisches Zeitalter sollte beginnen, das unter dem Begriff des

„Neoliberalismus“ zusammengefasst wird. Das wirtschaftspolitische Leitbild veränderte

sich - weg von der sozialen Marktwirtschaft und der Doktrin des Keynesianismus hin zur

neoliberalen Schule. Aufbauend auf den Theorien von SMITH und RICARDO wurde

der freie Markt als Grundlage von Wohlstand und Wirtschaftswachstum propagiert. Der

Staat sollte sich aus der Kontrolle und Lenkung der Wirtschaft heraus halten, der Markt,

sprich die privaten Unternehmen, von jeglichen Zwängen befreit werden. Liberalisierung,

Deregulierung und Privatisierung, so lauteten die Hauptleitlinien der in den 70er Jahren

einsetzenden neoliberalen Wirtschaftspolitik. Der Wegfall von Kapitalverkehrskontrollen,

die Öffnung der Wirtschaftsmärkte und der Abbau von Zollbeschränkungen führten zu

einem immensen Anstieg des weltweiten Handels. Es existieren „relativ wenige Hemmnisse

für den internationalen Austausch von Gütern und Produktionsfaktoren“ 103 , so dass die

Globalisierung der Weltwirtschaft unaufhaltsam voranschreiten konnte. Mit den

Amtsantritten von Ronald REAGAN in den USA und Margaret THATCHER in

Großbritannien begann die so bezeichnete „neoliberale Konterrevolution“. Ihr Ziel war

es, „die Ansprüche an den Wohlfahrtsstaat zu reduzieren, die Macht der Gewerkschaften einzugrenzen

sowie die Möglichkeiten der Kapitalakkumulation durch Privatisierung und das Ersetzen kollektiver

Sicherungssysteme auszudehnen.“104

102 Kairos Europa e.V; WEED e.V. „Kapital braucht Kontrolle. Die internationalen Finanzmärkte: Funktionsweise – Hintergründe – Alternativen.“ Bonn, 2000, S. 12. 103 Donges, Juergen B.; Eekhoff, Johann; Paulus, Philipp. „Globalisierungskritik auf dem Prüfstand – ein Almanach aus ökonomischer Sicht.“ Stuttgart: Lucius & Lucius, 2003, S. 4. 104 Boehme, Nele; Walk, Heike. “Editorial. Globaler Widerstand formiert sich.“ In Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 15, Heft 1. Berlin: 2002, S.4.

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Die zunehmende Modernisierung der vergangenen Jahre – Errungenschaften in der

Mikroelektronik, der Telekommunikation, Internet und E-Mail u.v.m. – beschleunigten

den Prozess des grenz- und kontinentüberschreitenden Transfers von Waren,

Dienstleistungen und Geld. Es ist heute möglich einen Geschäftspartner am anderen

Ende der Welt in wenigen Sekunden zu erreichen und mit den aktuellsten Informationen

zu versorgen. Geldsummen können innerhalb kürzester Zeit hin- und her geschoben

werden. Der Planet ist von einem dichten Kommunikationsnetz umspannt, ohne das die

wirtschaftliche Verflechtung der Welt, sprich die Globalisierung, nicht möglich wäre.

Sinkende Transportkosten und die zunehmende Vereinheitlichung technischer Normen

treiben die Globalisierung zusätzlich voran. Die Entwicklung scheint unaufhaltsam zu

sein, und wird in den kommenden Jahren das Leben der Menschen zunehmend prägen.

Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, ist es unbestreitbar, dass der Begriff der

Globalisierung viele Ängste der Menschen auf sich vereint, die sie „als eine Gefährdung ihrer

sozialen Sicherheit und ihrer Zukunftschancen“105 betrachten. Die Globalisierung dringt in viele

Bereiche des Lebens ein, und es erscheint logisch und unvermeidbar, dass viele Menschen

diesem Prozess kritisch gegenüber stehen oder ihn gar ablehnen. In den vergangenen

Jahren ist eine riesige Gegenbewegung entstanden, die die wirtschaftliche und soziale

Entwicklung der vergangenen Jahre kritisiert. Weltweit agierende

Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch bedeutende Politiker und Ökonomen

treten als Kritiker der Globalisierung in Erscheinung. Sie fordern eine Umgestaltung und

die Einrichtung eines internationalen Regelsystems, einer „Global Governance“, die die

Auswirkungen der Globalisierung steuern soll.

3.4 Hyper-Globalisierer und Skeptiker

Für die einen ist es ein Zauberwort, das die Lösung fast aller gesellschaftlichen Probleme

annonciert, für die anderen ein Schreckgespenst, das als wesentliche Ursache dieser

Probleme angesehen wird. Bei den einen löst die Globalisierung Aufbruchstimmung, bei

den anderen hingegen Angstgefühle aus.106 Es gibt vermutlich kaum einen Begriff, der die

Gesellschaft derart in Befürworter und Gegner spaltet, wie jener der Globalisierung.

Wobei anzumerken ist, dass der Begriff Globalisierungsgegner mittlerweile überholt ist,

105 Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003, S. 4. 106 vgl. ebd., S. 3.

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und durch jenen der Skeptiker bzw. Kritiker ersetzt worden ist. In Frankreich wurde in

diesem Zusammenhang der passende Begriff des „altermondialiste“ geprägt: Man ist nicht

gegen, sondern für eine andere, eine alternative Globalisierung.

Den Globalisierungsskeptikern steht die so genannte Gruppe der „Hyper-

Globalisierungstheoretiker“ gegenüber.107 Ihrer Ansicht nach existieren überall integrierte

globale Märkte. „Mit der Möglichkeit der Verbraucher, Waren von überall her zu kaufen, und der

der Firmen, sich an jedem beliebigen Ort niederzulassen und von jedem beliebigen Ort Ressourcen zu

beziehen, sei der Begriff der nationalen Wirtschaft überholt“ 108 , so ihre Auffassung. Neue

Technologien, insbesondere im Finanzsektor, unterlaufen die Wirksamkeit

nationalstaatlicher Maßnahmen, so dass der Finanzsektor mittlerweile jede nationale

Wirtschaftspolitik entscheidend mitbestimmt und nicht umgekehrt.

Die Globalisierungsskeptiker wiederum führen in erster Linie vier Einwände gegen die

These der erfolgten Globalisierung an:109

1. Die wirtschaftlichen Aktivitäten sind immer noch zu einem großen Teil

national ausgerichtet.

2. Das Wachstum internationaler Geld- und Handelsströme ist Ausdruck

und Folge einer zunehmenden internationalen Verflechtung von

intakten Nationalökonomien.

3. Der globale Handel bewegt sich gegenwärtig auf einem Niveau, das

jenem zur Zeit der klassischen Goldwährung (1887-1914) vergleichbar

ist oder sogar darunter liegt. Beim momentanen Wachstum des

internationalen Handels handelt es sich demnach nur um eine Rückkehr

zum status quo ante.

4. Ein Großteil der ansteigenden internationalen Wirtschaftsaktivitäten

findet innerhalb klar abgegrenzter Wirtschaftsblöcke wie der

Europäischen Union statt. Es sollte konsequenterweise von einer

Regionalisierung statt von Globalisierung gesprochen werden.

Jonathan PERRATON kritisiert die Position der Globalisierungsskeptiker. Sie

unterbewerten die quantitativen und qualitativen Veränderungen des Welthandels. „Die

107 vgl. Perraton, Jonathan; Goldblatt, David; Held, David; McGrew, Anthony. „Die Globalisierung der Wirtschaft“ In „Was ist Globalisierung?“, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 135. 108 ebd. S. 135 109 ebd., S. 135 f.

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globalen wirtschaftlichen Transaktionen bewegen sich, gemessen an den national ausgerichteten

Aktivitäten, auf einem in keiner vorausgegangenen Epoche erreichten Niveau und beeinflussen mittelbar

und unmittelbar die Volkswirtschaften in bisher ungekanntem Ausmaß. Und die Herausbildung

regionaler Wirtschaftsblöcke verhindert keineswegs, wie die Skeptiker meinen, die weitere Globalisierung,

sondern ist eher Ausdruck des generellen Wachstums internationaler Wirtschaftsaktivitäten.“110

In der Regel stellen die Globalisierungsskeptiker nicht „die Tragfähigkeit des Konzepts

„Globalisierung“ zur Beschreibung und Analyse des realen Geschehens in Frage, sondern (…) die

vielfachen negativen Folgen.“ 111 Sie bemängeln die angebliche Alternativlosigkeit der

gegenwärtig bestimmenden Ausprägung von Globalisierung. Die Kritik richtet sich in

erster Linie gegen die neoliberale Ausrichtung der Weltwirtschaft sowie globale

Institutionen wie der Welthandelsorganisation (WTO), den Internationalen

Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank. Kritik entzündet sich auch daran, dass die

wachsende internationale Verflechtung die staatliche Steuerungsfähigkeit verringert. Sie

bemängeln, dass „weltweit operierende Wirtschaftsunternehmen keiner gesellschaftlichen Kontrolle

unterworfen sind und werten dies als Quelle für politische und wirtschaftliche Instabilität sowie

zunehmende soziale Ungleichheit in und zwischen den Staaten.“ 112 Sie befürchten zudem ein

Herunterkonkurrieren von Errungenschaften des Sozialstaats und weitere Unsicherheiten

in den Arbeitsverhältnissen. Die Befürworter hingegen erwarten Verbesserungen in der

weltweiten Arbeitsteilung und des Freihandels mit wohlfahrtssteigernder Wirkung für alle.

In ihren Augen ist die Globalisierung „der Weg zu einem effizienteren Wirtschaften durch den

Abbau von Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen.“113

PERRATON U.A. sind der Ansicht, das sowohl die Hyper-Globalisierungstheoretiker

wie -skeptiker entscheidende Aspekte des Globalisierungsprozesses verfehlen, da beide

fälschlicherweise vom Idealtypus einer vollständig globalisierten Wirtschaft ausgehen.114

„Neither the hyperglobalists nor the sceptics provide the proper conceptual resources to grasp this.

Globalization does not prefigure the 'end of politics', nor the simple persistance of old state ways; instead,

110 Perraton, Jonathan; Goldblatt, David; Held, David; McGrew, Anthony. „Die Globalisierung der Wirtschaft“ In „Was ist Globalisierung?“, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 167. 111 Teusch, Ulrich. „Die Staatengesellschaft im Globalisierungsprozess. Wege zu einer antizipatorischen Politik.“ Wiesbaden, Westdeutscher Verlag, 2003, S. 29. 112 Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003, S. 3. 113 ebd., S. 3. 114 vgl. Perraton, Jonathan; Goldblatt, David; Held, David; McGrew, Anthony In Beck, a.a.O., S. 168.

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it signals the continuation of politics by new means.”115Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis

sprechen David HELD und Anthony MCGREW neben diesen beiden Lagern von einer

dritten Gruppe der so genannten „Transformationalisten“, die sich für eine Art Mittelweg

entschieden haben. Globalisierung bedeutet nicht nur eine Verschiebung des Ausmaßes

von sozialen Beziehungen und Aktivitäten. „Much more significantly ,argue the

transformationalists, it also involves the spatial re-organization and re-articulation of economic, political,

military and cultural power. [...]Highly uneven in its embrace and impact, it divides as it integrates.

Globalization may mean a shrinking world for some but for the majority it creates a distancing or

profound disembedding of power relations.”116

Abb. 3 Konzepte von Globalisierung: Drei Tendenzen117

Abschließend bleibt zu konstatieren, dass - unabhängig davon, welcher der drei

beschriebenen Tendenzen jemand zuneigt - die Existenz der Globalisierung von nicht

einem wissenschaftlichen Autor in Frage gestellt wird.

115 Held, David; McGrew, Anthony. „Globalization.“ Entry for Oxford Companion to Politics. URL: http://www.polity.co.uk/global/globalization-oxford.asp. 116 ebd. 117 Held, David; McGrew, Anthony; Goldblatt, David; Perraton, Jonathan (Hg.). „Global Transformations. Politics, Economics and Culture.“ Cambridge: Polity Press, 1999, S. 10.

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3.5 Zusammenfassung

Prägnant auf den Punkt gebracht, ist unter dem Begriff „Globalisierung“ der Prozess einer zunehmenden

internationalen Verflechtung in allen Bereichen (u.a. Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt oder

Kommunikation) zu verstehen, die durch den technischen Fortschritt einerseits und politische

Entscheidungen zur Liberalisierung des Welthandels andererseits begünstigt und vorangetrieben wird.

Die Globalisierung ist ein „komplexer Vorgang mit vielen Gesichtern, der alle

Lebensbereiche durchdringt und schon lange zu einer auch im Alltag erfahrbaren

Wirklichkeit geworden ist.“ 1 Trotz kritischer Stimmen, die sich zumeist auf die Ausgestaltung

konzentrieren, wird die Existenz dieses Phänomens (zumindest in der wissenschaftlichen Literatur) von

niemandem ernsthaft angezweifelt.

Uneinigkeit herrscht hingegen über die Frage, inwieweit und auf welche Weise die Globalisierung das

Gebilde des Nationalstaats beeinflusst. Dass die Souveränität der Nationalstaaten zumindest in

gewissem Maße eingeschränkt wird, scheint unbestritten (vgl. Kapitel 5), doch wird die nationalstaatliche

Tätigkeit deshalb in naher Zukunft tatsächlich verschwinden? Und falls ja, was wird an seine Stelle

treten? Eine Alternative, die von einer wachsenden Zahl an Autoren angeführt wird, ist das Konzept der

Global Governance, das im folgenden Kapitel ausführlich erörtert werden soll.

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4 Das Konzept der „Global Governance“

4.1 Problemstellung

Im Gegensatz zu den beiden in den vorherigen Kapiteln erläuterten Begriffen befindet

sich die Debatte über die so genannte Global Governance noch am Anfang und der Begriff

ist einigermaßen unscharf geblieben. Bislang existiert nicht einmal eine präzise deutsche

Übersetzung, weshalb der Begriff meist unübersetzt gelassen und im englischen Original

verwendet wird.

Wie bereits in den vorherigen Kapiteln erläutert, stellt die Globalisierung und die damit

einhergehende Bedeutungsabnahme nationaler Grenzen eine Herausforderung für die

Fähigkeit des Nationalstaats dar, seine Regierungsziele unilateral zu erreichen. 118 Der

Nationalstaat verliert zunehmend seine Rolle als Ordnungsfaktor in der internationalen

Politik und ist in vielen Bereichen (z.B. Umwelt oder Sicherheit) darauf angewiesen, in

internationalen Institutionen zu agieren. Zahlreiche Probleme können im

nationalstaatlichen Alleingang schlicht und ergreifend nicht mehr gelöst werden.

1995 stellte der israelische Politologe Yehezkel DHOR in einem Bericht an den Club of

Rome die Frage, ob die Erde noch regierbar sei.119 Franz NUSCHELER antwortet, dass

dies auf herkömmliche Weise nicht mehr möglich ist. „Wenn sie noch regierbar sein soll, muss

sie anders regiert werden als noch in dem gerade abgelaufenen Jahrhundert.“ 120 Das Problem der

Regierbarkeit der Welt hat sich zum zentralen Punkt der zukünftigen politischen

Entwicklung herausgebildet.

Die Einsicht, dass in naher Zukunft kein allumfassender „Weltstaat“ das derzeit

existierende System der Nationalstaaten ablösen würde, führte zu einer Diskussion über

das Konzept der Global Governance, das in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend

häufiger als Lösung für die zukünftige Regierbarkeit der Welt propagiert wird. Das

Konzept soll „Möglichkeiten der politischen Steuerung der Welt unter den Bedingungen der

Globalisierung bzw. Strategien und Mittel des Weltregierens ohne Weltregierung“ finden.121 Wenn

118 Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 121. 119 Vgl. Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 71. 120 Ebd., S. 76 121 Meier-Walser, Reinhard. „Einführung.“ In Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004, S. 412/413.

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sich die Probleme der Nationalstaaten globalisieren, muss sich auch die Politik

globalisieren, so dass Credo seiner Verfechter.

Hartwig HUMMEL zufolge geht der Ursprung der Diskussion über Global Governance auf

den im Jahre 1992 herausgegebenen Sammelband „Governance without Government“ von

James ROSENAU und Ernst-Otto CZEMPIEL zurück. In diesem wird argumentiert,

dass „die Steuerung bzw. Regelung menschlichen Handelns (Governance) nicht nur durch die

Staatsgewalt (Government) erfolge, sondern auch durch autonome gesellschaftliche Regulierung auf vielen

Ebenen, von der Familie bis zur transnationalen sozialen Bewegung, zum transnationalen Unternehmen

oder zum transnational organisierten Verbrechersyndikat.“122 Die alles entscheidende Frage ist,

wie angesichts einer solchen Vielzahl an Steuerungsakteuren und Ordnungssystemen eine

stabile Weltordnung durchgesetzt werden kann.

4.2 Definition

Eine eindeutige Definition von Global Governance existiert nicht. Je nach politischem

Gegenstandsbereich und theoretischer Perspektive findet der Begriff eine

unterschiedliche Verwendung. Diese Diffusität ist vermutlich dafür verantwortlich, dass

ein solch schillernder Begriff, als den Michael ZÜRN ihn bezeichnet, so viel

Unterstützung erfährt. 123 Auch Ulrich BRAND U.A. heben diese Gegensätzlichkeit

hervor, und behaupten, dass es bei Global Governance nicht um einen präzise definierten

Begriff geht, und es daher sinnvoller ist von einem Diskurs bzw. einem diskursiven Feld

zu reden.124

Allgemeingültig lassen sich Zweck und Ziel von Global Governance vorläufig definieren als

„Entwicklung eines Institutionen- und Regelsystems und neuer Mechanismen internationaler Kooperation,

die die kontinuierliche Problembearbeitung globaler Herausforderungen und grenzüberschreitender

Phänomene erlauben.“125

122 Hummel, Hartwig. „Kommentar: Global Governance als neue große Debatte.“ In Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität, hg. Maria Behrens. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 131. 123 vgl. Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 125. 124 Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 14. 125 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 72.

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Die OECD definiert Governance als „use of political authority and exercise of control in a society in

relation to the management of its resources for social and economic development.“ 126 Der Begriff

Governance bedeutet also nichts anderes als Regieren oder Staatsführung. Die Regierung ist

der zentrale Akteur, um das Funktionieren des Staates zu gewährleisten. Bei der

Verwendung des Begriffes innerhalb von Global Governance hat sich indes ein anderes

Verständnis durchgesetzt. So definiert die Commission on Global Governance wie folgt:

„Für Global Governance sind dialogische und kooperative Prozesse zentral, die über die verschiedenen

Handlungsebenen subsidiär entlang der Achse lokal-global hinweg reichen sowie Akteure aus den

Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenführen und vernetzen. Global Governance setzt

damit also auf das konstruktive Zusammenwirken von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in

dynamischen Prozessen interaktiver Entscheidungsfindung von der lokalen bis zur globalen Ebene.“127

Diesem Verständnis zufolge beschreibt Governance keine Staatstätigkeit. Nicht das

Regierungshandeln steht im Vordergrund, sondern „das Zusammenwirken von Regierungen,

internationalen und supranationalen Institutionen, ökonomischen und anderen Nichtregierungsakteuren

in einem Geflecht von formellen und informellen Beziehungen.“ 128 Mit Governance werden

horizontale (verschiedene Akteure) und vertikale (verschiedene Ebenen) Formen der

Koordination bezeichnet. Der Begriff verknüpft die verschiedenen Politikebenen von der

internationalen bis zur nationalen und lokalen Ebene. „Es gibt keinen zentralen Akteur mehr,

dem allein eine Steuerungs- und Kontrollfähigkeit zugesprochen wird, sondern Entscheidungsprozesse

finden interaktiv zwischen staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren statt.“129

Aus den bereits erwähnten Einbußen des Nationalstaates an Handlungsfähigkeit und

Souveränität leiten Verfechter des Global Governance-Konzeptes konsequenterweise eine

Krise des Regierens ab. „Folglich gehört die Forderung nach der Rückgewinnung der

nationalstaatlichen Steuerungsfähigkeit und nach politischem „Re-embedding“ verselbstständigter

ökonomischer Prozesse (…) zum rhetorischen Standardrepertoire.“130

Im modernen Nationalstaat des 20. Jahrhunderts war es zweifelsohne die Regierung, die

für die politische Regulierung und Regelsetzung zuständig war. Auch internationale

126 zitiert nach Behrens, Maria. „Global Governance – eine Einführung.“ In Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität, hg. Maria Behrens. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 18. 127 zitiert nach ebd., S. 18. 128 Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 13. 129 Behrens, Maria In Behrens, Maria, a.a.O., S. 18. 130 Brand u.a., a.a.O., S. 26.

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Politik wurde traditionell als Regierungshandeln aufgefasst, indem internationale

Organisationen geschaffen und zwischenstaatliche Verträge geschlossen wurden. Mit

Beginn der 1990er Jahre hingegen wurde „das regulierende Subjekt für Governance allenfalls im

Plural, als vernetzte Einheit verschiedenster Akteure und räumlicher Ebenen vorstellbar.“131 Es sind

nicht länger die Regierungen, die das Regieren vollständig kontrollieren. So haben sich in

den vergangenen Jahren nicht mehr nur Vertreter von Regierungen an der Vorbereitung

und Umsetzung von transnationalen Regeln beteiligt, sondern zunehmend private

Akteure, ob nun Vertreter von Wirtschaftsunternehmen, traditionellen Verbänden,

Nichtregierungsorganisationen, Medien oder so genannten

Expertengemeinden. 132 Gesellschaftliche Gruppen werden vermehrt an den

Regierungsprozessen beteiligt. ZÜRN spricht in diesem Zusammenhang von einer

„Vergesellschaftung des Regierens jenseits des Staates“.133

Dieser Aspekt wird innerhalb des Konzeptes von Global Governance besonders betont.

„Global Governance ist kein Projekt, an dem nur Regierungen oder internationale Organisationen als

Instrumente der Staatenwelt beteiligt sind.“134 Es geht um das Zusammenwirken von staatlichen

und nichtstaatlichen Akteuren von der lokalen bis zur globalen Ebene, auch als „Public-

Private-Partnership“ (PPP) bezeichnet. Die Vielzahl an Akteuren soll in globale

Politiknetzwerke eingebunden werden, um jene Probleme zu behandeln, die die Staaten

im Alleingang nicht länger bewältigen können.

Global Governance grenzt sich dabei bewusst von Global Government, also einem Weltstaat

oder einer Weltregierung, ab. Es bedarf nicht zwingend einer globalen Regierung, damit

globales Regieren möglich ist.135 Die Nationalstaaten bleiben die „tragenden Stützpfeiler der

Global-Governance-Architektur“. 136 NUSCHELER betont, dass die Vision von Global

Governance jener der bereits von Immanuel Kant anvisierten Weltföderation von freien

131 Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 26 f.. 132 Vgl. Brand, Ulrich; Scherrer, Christoph. „Contested Global Governance: Konkurrierende Formen und Inhalte globaler Regulierung.“ In Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität, hg. Maria Behrens. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 115. 133 Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 128. 134 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 78. 135 vgl. Zürn in Schuppert, Gunnar Folke, a.a.O., S. 126. 136 Meier-Walser, Reinhard. „Einführung.“ In Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004, S. 413.

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Republiken mit einem notwendigen Minimum an Zentralstaatlichkeit entspricht. „Auch

Kants Begründung, warum sich souveräne Staaten auf eine solche Föderation einlassen, bleibt gültig: Es

ist die „Not“, politische Handlungsfähigkeit zu erhalten.“137

Governance unterscheidet sich dabei von Government wie Regieren von Regierung. „Während

sich der Begriff der Regierung auf einen Akteur bezieht, der sich des Regierens annimmt, wird durch den

Begriff des Regierens, eine Aktivität beschrieben, gleichviel welcher Akteur bzw. welche Akteure diese

Tätigkeit ausüben.“138

In diesem Zusammenhang lassen sich drei unterschiedliche Komponenten von Global

Governance unterscheiden:139

1) Governance by government: Nationale Regierungen sind für die Setzung und Durchführung nationalstaatlicher Regelungen zuständig. In der Moderne ist das Regieren innerhalb eines Nationalstaates durch eine Regierung durchgeführt worden, die über ein Gewaltmonopol und Hierarchie nach innen verfügt.

2) Governance with government: Nationale Regierungen koordinieren und harmonisieren ihre Politik, um grenzüberschreitende Problemlagen zu bewältigen. Dem Regieren über den Nationalstaat hinaus fehlt es an einer zentralen Autorität oder einem „Weltstaat“, der mit einem legitimen Monopol auf die Ausübung von (militärischer) Gewalt ausgestattet ist.

3) Governance without government: Gesellschaftliche Gruppen setzen grenzüberschreitend weitgehend selbst Regelungen. Die Organisation der Vereinten Nationen als Ganzes symbolisiert ein solches Regieren ohne Regierung.

Es ist das Gesamtarrangement dieser verschiedenen Steuerungsformen, das Global

Governance ausmacht. ZÜRN bringt diese Tatsache auf die folgende Formel: „Global

Governance = Governance by + Governance with + Government without Governments“.140

Internationale Regime, in denen sich Staaten durch eine vertragliche Vereinbarung zur

Bearbeitung von gemeinsamen Problemen verpflichten und daher als

Organisationselemente von „Governance without Government“ bezeichnet werden

können, sind wichtige Bausteine der Global Governance-Architektur. Auch wenn ihre Rolle

noch bedeutend geringer ist als jene der „Governance with governments“, ist sie in den

137 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 78. 138 , Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 125. 139 vgl. ebd., S. 127. 140 ebd., S. 128.

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vergangenen beiden Jahrzehnten gewachsen. Allein die Zahl der

Nichtregierungsorganisationen erhöhte sich von 1991 bis 2004 kontinuierlich von 4600

auf gut 7300.141

Dem Bedeutungszuwachs von privaten und Nichtregierungsorganisationen zum Trotz

stellen die Regierungen innerhalb des Global Governance-Konzeptes einen wichtigen

Bestandteil dar, wenngleich sich ihre Rolle verändert. Während sie in den Nationalstaaten

die Lenkung ausüben, braucht die Welt als Ganzes eine Ordnungspolitik und keine

Herrschaftsgewalt, schreibt Shridath RAMPHAL, Co-Vorsitzender der Commission on

Global Governance. „Nicht alle Fragen, die internationale Aufmerksamkeit erfordern, müssen über

den Regierungsbereich angegangen werden. (…) In einigen Bereichen, in denen Regierungen die wichtigsten

Akteure bleiben, leisten Nichtregierungsorganisationen zunehmend wichtige Beiträge, indem sie das

verstärken, beeinflussen und überwachen, was Regierungen tun.“ 142 Bekannte Beispiele sind die

Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Amnesty International oder

Greenpeace.

Global Governance bedeutet also in keinem Fall – wie der Begriff vielleicht zunächst

vermuten lässt – die Suche nach einer Weltregierung, sondern stellt die Frage nach der

Regierbarkeit der Welt. Es geht um den Ausbau internationaler Kooperation unter

Einbeziehung aller Politikfelder, einschließlich der bereits erwähnten

Nichtregierungsorganisationen. Zwar hält eine kleine Gruppe von Globalisten an der

Vision eines Weltstaates fest. Ein dauerhafter Frieden setzt demnach eine Weltordnung

voraus, „in der die staatliche Souveränität soweit eingeschränkt ist, dass durch eine den nationalen

Regierungen übergeordnete Vollzugsgewalt globale Rechtsnormen unmittelbar gegen Individuen und

Gruppen durchsetzbar sind.“ 143 Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde stellt diese

Position eine Minderheit dar. Stellvertretend schreibt Dirk MESSNER, dass ein Weltstaat

„weder eine realistische noch eine erstrebenswerte Option [ist], weil ein bürokratischer Moloch kaum

demokratische Legitimation gewinnen und sich als Deus ex Machina der Problemlösung bewähren

141 vgl. Bundeszentrale für politische Bildung. „Globalisierung.“ URL: http://www.bpb.de/wissen/3UD6BP,0,0,NichtRegierungsorganisationen_(NGOs).html 142 Ramphal, Shridath. „Global Governance. Die Notwendigkeit einer Weltordnungspolitik.“ Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1998/november1998/global-governance--die-notwendigkeit-einer-weltordnungspolitik.html. 143 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 77.

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könnte.“144 In den Augen der Verfechter einer Global Governance kann eine Zentralisierung

der Politik auf Weltebene nur durch eine vernetzte Mehrebenenpolitik gelingen. 145

Mathias ALBERT behauptet, dass es in Zukunft keinen Weltstaat geben wird, zumindest

solange man unter diesem einen modernen Nationalstaat mit globaler Ausdehnung

versteht.146

4.3 Hauptprotagonisten

Es können vier Hauptprotagonisten des Global Governance-Konzeptes unterschieden

werden.147 An erster Stelle sei hier James ROSENAU angeführt. Zwar war ROSENAU

nicht der erste, der den Begriff Governance in die wissenschaftliche Diskussion einbrachte.

Sein in Zusammenarbeit mit Ernst-Otto CZEMPIEL herausgegebener Sammelband

„Governance without Government“ gilt jedoch als zentraler Referenzpunkt aller

Veröffentlichungen zu diesem Thema.

Einen hohen Bekanntheitsgrad erfuhr der Begriff Global Governance durch die

„Commission on Global Governance“ (CGG). Diese wurde im Jahre 1991 auf Initiative

des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy BRANDT unter dem Dach der Vereinten

Nationen gegründet. Die Kommission erhielt den Auftrag, Visionen für eine zukünftige

internationale Politik und die Regierbarkeit der Welt zu erarbeiten. 1995 wurden die

Ergebnisse in dem Bericht „Our Global Neighbourhood“ zusammengefasst.148

Die deutsche Übersetzung des Berichts wurde von der „Stiftung für Entwicklung und

Frieden“ (SEF) herausgegeben, die im Jahre 1986 ebenfalls auf Initiative von Willy Brandt

gegründet worden war. Das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) in Duisburg

dient der wissenschaftlichen Begleitung der SEF. Darüber hinaus hat es sich zu einem der

„wichtigsten „think tanks“ sozialdemokratisch orientierter Entwicklungs- und

Friedenspolitik“ entwickelt. Seine Leiter Franz NUSCHELER und Dirk MESSNER haben

144 Messner, Dirk. „Global Governance: Globalisierung im 21. Jahrhundert gestalten.“ In Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität, hg. Maria Behrens. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 37. 145 vgl. ebd., S. 37 146 vgl. Albert, Mathias. „Einleitung: Weltstaat und Weltstaatlichkeit: Neubestimmungen des Politischen in der Weltgesellschaft.“ In Weltstaat und Weltstaatlichkeit – Beobachtungen globaler politischer Strukturbildung, hg. Mathias Albert, Rudolf Stichweh. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2007, S. 9. 147 Ich werde mich im folgenden Kapitel auf die Auflistung in der Publikation „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ von Ulrich Brand, Achim Brunnengräber, Lutz Schrader, Christian Stock und Peter Wahl beziehen. Die Zitate stammen ebenfalls aus diesem Buch (S. 28-40). 148 The Commission on Global Governance. “Nachbarn in Einer Welt. Der Bericht der Kommission für Weltordnungspolitik.” Bonn: Stiftung Entwicklung und Frieden, 1995.

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das Global Governance-Konzept in Deutschland bekannt gemacht, indem sie zahlreiche

Aufsätze zu dem Thema in Sammelbänden und Zeitschriften lanciert haben.

Auch die so genannte „Gruppe von Lissabon“ beschäftigt sich mit dem Thema Global

Governance. Sie wurde 1992 von dem Wirtschaftsprofessor Ricardo PETRELLA gegründet

und setzt sich aus 22 Mitgliedern aus Japan, Westeuropa und Nordamerika mit

Erfahrungen in Wirtschaft, Politik, internationalen Organisationen und der Wissenschaft

zusammen. Ihre Arbeit wird in der Veröffentlichung „Grenzen des Wettbewerbs“ 149

zusammengefasst. Dabei weisen sie das herrschende Credo der Wettbewerbsfähigkeit

zurück und argumentieren – ähnlich dem INEF – gegen das neoliberale Paradigma. Die

angehörigen Wissenschaftler sind der Meinung, „dass die Welt nicht als Arena für hegemoniale

Ambitionen angesehen werden darf. Es ist an der Zeit, die verheerenden Konsequenzen eines exzessiven

Wettbewerbs anzugehen."150

4.3.1 James Rosenau

James ROSENAU ist der wohl bekannteste Vertreter des Konzeptes von Global

Governance. Wie der Titel seines populären Sammelbandes erahnen lässt, geht es ihm

besonders um die Unterscheidung zwischen „Government“ und „Governance“. Daher

schreibt er: „Global Governance bedeutet Ordnungssysteme auf allen Ebenen menschlichen Handelns

einzubeziehen – von der Familie bis zur internationalen Organisation – bei denen die Verfolgung von

Zielen durch die Ausübung von Kontrolle transnationale Auswirkungen hat.“151

Seiner Ansicht nach ist es verkehrt, lediglich formale Institutionen auf nationaler und

internationaler Ebene in die Regelungssysteme einzubeziehen. Die Herausbildung einer

Weltordnung hält er für wenig realistisch. Für am Wahrscheinlichsten erachtet

ROSENAU einen politisch gesteuerten Prozess der Selbstorganisation.

4.3.2 Commission on Global Governance (CGG)

Angesichts der Herausforderungen und Probleme der Globalisierung hält die CGG die

bestehenden Institutionen für überfordert. Es benötigt weitreichende Reformen des

internationalen Systems und – darauf aufbauend – Handlungsempfehlungen für Global

149 Die Gruppe von Lissabon. „Grenzen des Wettbewerbs. Die Globalisierung der Wirtschaft nd die Zukunft der Menschheit.“ München: Luchterhand Literaturverlag GmbH, 1997. 150 zitiert nach URL: http://www.vitaterra.de/index.php?id=55. 151 Zitiert nach Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 30.

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Governance-Strukturen, um Problemen wie wirtschaftlicher Instabilität oder Armut Herr

werden zu können. Die CGG betont, dass Staaten und Regierungen weiterhin die

wichtigsten öffentlichen Institutionen bleiben sollen. Besondere Berücksichtigung

erfahren hier die Vereinten Nationen. Sie können „als zentraler Mechanismus dienen, in dessen

Rahmen die Staaten sich gegenseitig unter Einbeziehung anderer Teile der Gesellschaft zur multilateralen

Behandlung globaler Angelegenheiten verpflichten.“152 Es geht also nicht um die Herstellung einer

Weltregierung oder eines Weltföderalismus.

4.3.3 Institut für Entwicklung und Frieden (INEF)

Die Global Governance-Konzeption des INEF baut auf der Arbeit der Commission on

Global Governance auf, wobei hier die Neugestaltung vom Staatlichkeit im Vordergrund

steht. Wie bei ROSENAU ist eine deutliche Begriffsabgrenzung zu „Global

Government“ erkennbar, da eine Weltregierung weder für realistisch noch erstrebenswert

gehalten wird. Global Governance bedeutet das Zusammenwirken von Akteuren und

Aktivitäten von der lokalen bis zur globalen Ebene.

Dirk MESSNER und Franz NUSCHELER entwerfen eine „Global Governance-

Architektur“, die aus sechs Ebenen besteht: den Nationalstaaten, internationalen Regimen,

regionalen Integrationsprojekten, UN-Organisationen, der Zivilgesellschaft und der

lokalen Politik. Der Nationalstaat bleibt dabei die entscheidende Instanz, um

Gemeinwohlinteressen wahrzunehmen, muss jedoch gleichzeitig traditionelle Aufgaben

abgeben und an andere Institutionen weiterleiten, um seine Steuerungsfähigkeit zu stärken.

Der Staat übernimmt in diesem Zusammenhang vier unterschiedliche Rollen:

1) Interdependenzmanager: der Staat vermittelt zwischen den sich

überlagernden Politikfeldern, wie z.B. Wirtschaft und Umwelt;

2) Moderator: der Staat initiiert, forciert und überwacht Such- und

Lernprozesse;

3) Impulsgeber: der Staat setzt wichtige Debatten und

Anpassungsprozesse gegen Partikularinteressen in Gang;

152 Zitiert nach Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 33.

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4) Gesellschaftliche Integrationsinstanz: der Staat gewährt die

Umsetzung international vereinbarter Maßnahmen und übernimmt

Koordinationsaufgaben innerhalb der internationalen Systems.

Die Zivilgesellschaft entwickelt sich dabei zu einer „Korrekturinstanz“, die gegenüber den

staatlichen Steuerungsansprüchen Kontroll- und Korrektivfunktionen wahrnehmen soll.

4.3.4 Gruppe von Lissabon

Die Gruppe von Lissabon hält eine „Triadisierung“ der Welt für wahrscheinlich und

wünschenswert. In ihren Augen verfügen die mächtigsten Länder der Welt – heißt:

Westeuropa, Japan und Nordamerika – über die Fähigkeit zur Lösung der gegenwärtigen

und zukünftigen globalen Probleme.

Es soll ein „globaler Vertrag“ geschlossen werden, der den weltweiten Wettbewerb

menschlicher gestalten soll. Dieser sollte folgende vier Abkommen umfassen:

● einen Grundbedürfnisvertrag: Gegenstand ist die Grundversorgung aller

Menschen mit Nahrung, Wasser oder Unterkunft;

● einen Kulturvertrag: Regelung der Toleranz und des Dialogs zwischen

Kulturen und Religionen;

● einen Demokratievertrag: enthält Elemente einer globalen Steuerung;

● einen Erdvertrag: Festhalten der Prinzipien eines ökologisch nachhaltigen

Umgangs mit der Natur.

Dieser globale Vertrag soll dazu beitragen, eine Weltordnung jenseits des Nationalstaats

und des nationalen Kapitalismus zu schaffen.

4.3.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Gemeinsamkeiten zwischen den oben erläuterten Konzepten sind offensichtlich und

vielfältig. So wird ein Auseinanderfallen zwischen den ökonomischen, sozialen und

ökologischen Globalisierungsprozessen sowie den Formen der politischen Regulierung

konstatiert. Die Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung ist eindeutig: Es braucht neue

politische Regulationsinstrumente für eine funktionierende „Eine Welt“. Die globale

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Ordnungspolitik muss „in eine modernisierte, effizientere, den sich globalisierenden Kapitalismus

zähmende Variante transformiert werden.“153

Darüber hinaus müssen internationale und globale Institutionen modernisiert, reformiert

bzw. neu geschaffen werden. Ein neues Zusammenspiel der bisherigen Akteure der

Weltpolitik wird vorausgesetzt. Zu betonen ist, dass der Nationalstaat in sämtlichen

Konzeptionen der Fixpunkt politischer Regulierung bleibt. Seine Rolle wird gestärkt,

indem er Aufgaben an andere Akteure überträgt, seien sie global, regional oder lokal.

Die Legitimierung einer solchen globalen Steuerung soll in erster Linie auf einer

(humanistischen) Weltethik beruhen, in der die Universalität der Menschenrechte (ähnlich

dem System der Vereinten Nationen) einen zentralen Stellenwert einnimmt. Alle

Governance-Konzeptionen grenzen sich dabei von den Thesen Samuel Huntingtons ab,

der einen „Kampf der Kulturen“ befürchtet.154

Die Unterschiede der vorgestellten Konzeptionen sind eher gering. Sie bestehen im

Wesentlichen in Akzentuierungen hinsichtlich der Akteure und Prozesse. So zielt die

Commission of Global Governance (CGG) auf eine Stärkung des UN-Systems. Für Dirk

MESSNER und Franz NUSCHELER vom Institut für Entwicklung und Frieden (INEF)

stellt diese nur einen der möglichen Akteure der Global Governance dar. Sie orientieren

sich an einer generellen Transformation der Politik und der Staaten. Die Gruppe von

Lissabon wiederum hat „stärker aufgeklärte Eliten im Blick und appelliert an deren Einsicht.“

4.4 Voraussetzungen und Probleme

Die Commission on Global Governance hebt in ihrem Werk „Nachbarn in einer

Welt“ drei Voraussetzungen für das Funktionieren von Global Governance hervor, die laut

Franz NUSCHELER schon Immanuel KANT in seinen drei ersten Definitivartikeln zum

Ewigen Frieden gefordert hat und die noch heute Gültigkeit haben:155

1) die Existenz rechtsstaatlich verfasster Staaten;

2) kein Weltstaat, aber die regulierende Kraft eines innerhalb der

Föderation freier Republiken verbindlichen Völkerrechts;

153 Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 40. 154 vgl. Huntington, Samuel. „Der Kampf der Kulturen: die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert.“ München: Europa Verlag, 1997. 155 vgl. Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 81.

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3) eine „weltbürgerliche Verfassung“, die auf dem Fundament von

universellen Menschenrechten aufbaut.

Von dieser Vorstellung ist die Welt noch weit entfernt, weshalb das Konzept von Global

Governance keine Beschreibung des derzeitigen Zustands des Weltsystems, sondern eine

Zielprojektion darstellt, die schrittweise Gestalt annehmen wird.156

Elementare Voraussetzungen für ein Gelingen sind folgende:157

● die Herausbildung einer internationalen Kooperationskultur: Voraussetzung sind

allgemein akzeptierte Regelwerke und Verfahrensregeln sowie ein Fundament an

gemeinsamen Werten und Handlungsprinzipien. Der Theologe Hans KÜNG

spricht gar von einer Weltethik bzw. globalen Verantwortungsethik.

● ein Ordnungsrahmen für den Markt: auch für eine globalisierte Ökonomie gilt,

dass der Wettbewerb ohne funktionierende Ordnungspolitik soziale und

ökologische Unterbietungswettläufe auslöst.

● Multilaterale Kooperationsstruktur: eine solche Kultur verträgt sich nicht mit

dem Hegemonieanspruch einer Supermacht. „Nur die Annahme, dass der

Problemdruck und zivilgesellschaftliches Engagement auch Weltführungsmächte zur

multilateralen Kooperation zwingen werden, macht weiteres Nachdenken über Global Governance

nicht zum akademischen Trockenschwimmen.“

MESSNER und NUSCHELER errichten zudem sechs Säulen, auf denen eine

funktionsfähige Weltordnungspolitik basieren muss:158

1) eine institutionalisierte Welthandelsordnung;

2) eine internationale Wettbewerbsordnung;

3) eine leistungsfähige Weltwährungsordnung;

4) eine Weltsozialordnung nach den Gestaltungsprinzipien der sozialen

Marktwirtschaft;

5) eine Weltumweltordnung, wie die anvisierte Agenda 21;

6) eine Weltfriedensordnung.

156 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 81. 157 Ebd., S. 81. 158 Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 32 f.

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Natürlich sieht sich die Global Governance einer Vielzahl ungelöster Probleme gegenüber.159

Neben der fehlenden Existenz der oben bereits genannten sechs Säulen, mangelt es an

einem internationalen Migrationsregime, das die Interessen von Herkunfts- und

Zielländern ausbalancieren könnte. In einem Zeitalter der voranschreitenden

Globalisierung der Kommunikation existiert bislang keine Weltinformationsordnung. Die

zunehmende Zahl an „humanitäre Interventionen“ unterliegt keinerlei verbindlichen

Regeln für Militärinterventionen. Zwar mangelt es nicht an internationalen Deklarationen

und Aktionsprogrammen, doch ersetzen diese oft „Handeln durch Resolutionen und

dokumentieren eher die Flucht aus der sozialen Verantwortung als Global Governance neuen Schub zu

geben.“160

Darüber hinaus listet Michael ZÜRN drei strukturelle Defizite von Global Governance

auf:161

a) mangelnde Konstitutionalisierung:

Im Rahmen von Global Governance verschmelzen verschiedene

Steuerungsformen wie internationales, transnationales und

nationalstaatliches Regieren zu einem „Steuerungskomplex“. Es treten

verstärkt Koordinationsprobleme auf, weshalb unterschiedliche

Regelungen aus unterschiedlichen Politikfeldern bzw. auf

unterschiedlichen Ebenen miteinander kollidieren. Es braucht

übergeordnete Regeln, „die bestimmen, wie mit derartigen Regelkollisionen

umzugehen ist, ohne die Konsistenz der betreffenden Regelsysteme zu

unterminieren.“ Eine solche Konstitutionalisierung der internationalen

Beziehungen ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer funktionierenden

Global Governance. Bislang kann davon jedoch nicht die Rede sein.

b) sozialer Ausgleich:

Das im modernen demokratischen Nationalstaat existierende

Wohlfahrtsprinzip wird im Zuge der Globalisierung durch drei

Entwicklungen unterminiert: Zum einen fällt es dem Nationalstaat

159 Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 30. 160 Ebd., S. 30 161 Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 138 ff.

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zunehmend schwerer die gewohnten Sozialstandards aufrechtzuerhalten.

Zum zweiten kann die Schaffung internationaler Institutionen diesen

Verlust an nationalstaatlicher Effektivität im Bereich der sozialen

Wohlfahrt bislang nicht aufhalten. Und zum dritten werden die enormen

Wohlfahrtunterschiede zwischen unterschiedlichen Weltregionen durch

die Globalisierung der Medien immer breiteren Bevölkerungsschichten

bewusst. Die soziale Frage erweist sich demnach als „Achillesferse von

Global Governance“.

c) demokratische Legitimität:

Die demokratische Legitimität nahezu aller Institutionen jenseits des

Nationalstaates ist umstritten. Manche halten eine solche sogar für

strukturell ausgeschlossen. Diesen Skeptikern zufolge ist demokratische

Legitimität nur im Rahmen einer „politischen Gemeinschaft mit dem Potential

für demokratisches Selbstregieren“ möglich. Diese Möglichkeit lässt sich nur

im Konzept der modernen Nation finden. Jenseits des Nationalstaates

fehlen die sozialen Voraussetzungen. Das Zusammenfallen von Nation

und Demokratie stellt einen systematischen und unauflösbaren

Zusammenhang dar. „Ohne demos gibt es keine Demokratie.“ Auch von

Vertretern jener Position, welche die internationalen Institutionen nicht

als Problem, sondern als Teil der Lösung für die Probleme der

modernen Demokratie, ansehen, wird nicht bestritten, dass die

bestehenden internationalen Institutionen erhebliche

Demokratiedefizite aufweisen und diese auf kurzfristige Sicht nicht zu

beheben sein werden.

Ob sich eine Global Governance-Architektur angesichts dieser Probleme und Defizite im 21.

Jahrhundert durchsetzen wird, ist keineswegs sicher. Dirk MESSNER hält vier Szenarien

für denkbar.162 Erstens sind Global Governance-Strukturen denkbar als Versuch der USA,

ihre vorherrschende Stellung als einzige Supermacht der Welt zu sichern und die globale

Politik nach ihren Interessen zu ordnen und zu gestalten. Zweitens könnte sich Global

162 Messner, Dirk. „Global Governance: Globalisierung im 21. Jahrhundert gestalten.“ In Globalisierung als politische Herausforderung. Global Governance zwischen Utopie und Realität, hg. Maria Behrens. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005, S. 41 f.

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Governance zu einem kooperativen Programm entwickeln, dass die OECD-Welt enger

zusammen führt, gleichzeitig aber große Teile der Entwicklungsländer ausschließt – auch

wenn „selektive Assoziationen“ möglich sind. Drittens könnte sich eine enge Vernetzung

von Regional und Global Governance herausbilden, die auf einigen starken, handlungsfähigen

regionalen Kernen basiert. Viertens ist eine umfassende kooperative Architektur denkbar,

die auch Entwicklungsländer aktiv in den Prozess der globalen Problemlösung einbezieht.

Fest steht, dass Global Governance zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch ein „brüchiges

Projekt“163 ist und sich nicht von heute auf morgen verwirklichen lassen wird. Schließlich

handeln die Nationalstaaten immer noch auf eine Art und Weise, die suggeriert, dass sich

„die Weltprobleme von heute und morgen mit den nationalstaatlichen Politikmodellen von gestern“ lösen

lassen: „Die „heilige Kuh“ der längst anachronistisch gewordenen Souveränität und das Denken in den

traditionellen Kategorien der nationalstaatlichen Macht- und Interessenpolitik bilden noch schwer

überwindbare Hürden auf dem Weg zum globalen Denken und Handeln.“ 164 Auch in der

staatlichen und parteipolitischen Programmatik hat das Konzept der Global Governance

bislang keinen Anklang gefunden. BRAND U.A. halten es aber für realistisch und

wahrscheinlich, dass sich die Wirkung des Konzeptes im Politikbetrieb mit einer gewissen

zeitlichen Verzögerung entfalten wird.165 Schließlich ist Global Governance keinesfalls bloß

ein romantisches Konzept, sondern – in den Worten Franz NUSCHELERS – „eine

durchaus realistische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung und globalen Risiken.“166

163 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 83. 164 Ebd., S. 82. 165 Brand, Ulrich; Brunnengräber, Achim; Schrader, Lutz; Stock, Christian; Wahl, Peter. „Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung?“ Eine Studie von Heinrich-Böll-Stiftung und WEED. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 43. 166 Nuscheler in Ferdowski, Mir A., a.a.O., S. 83.

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4.5 Zusammenfassung

Ungeachtet der Tatsache, dass trotz der zunehmenden Beschäftigung der Wissenschaft mit dem Thema

„Global Governance“ bislang keine eindeutige Definition des Begriffes existiert, scheint es eindeutig,

welches Ziel mit diesem Konzept verfolgt werden soll. Vereinfacht ausgedrückt sollen Möglichkeiten des

effektiven Regierens in Zeiten der Globalisierung in Abwesenheit einer Weltregierung gefunden werden. In

den Worten von Michael ZÜRN kann Global Governance als „ein Idealtyp internationaler

Politik verstanden werden, bei dem einzelne Steuerungsformen eines Regierens jenseits

des Nationalstaats […] in einer umfassenden politischen Ordnung aufgehen, in die

nationalstaatliches Regieren eingebunden ist.“167

Hinsichtlich der Antwort auf die Frage, ob das Global Governance-Konzept in Zukunft tatsächlich

das vorherrschende System der Nationalstaaten ablösen kann bzw. wird, variieren die Meinungen der

verschiedenen Forscher. Im folgenden Kapitel werde ich daher die Positionen der Befürworter und

Skeptiker gegenüberstellen und abschließend zu klären versuchen, ob das Prinzip der Global

Governance tatsächlich eine realistische Alternative für das zukünftige Regieren der Welt darstellen

kann.

167 Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 129.

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5 Die Zukunft des Nationalstaates

5.1 Problemstellung

Die vorherigen Kapitel haben deutlich gemacht, dass der voranschreitende Prozess der

Globalisierung das Gebilde „Nationalstaat“ in hohem Maße beeinflusst, es sogar in seiner

Existenz bedroht. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es zahlreiche Stimmen, die über

kurz oder lang ein Ende des Nationalstaates heraufbeschwören. Demgegenüber stehen

jene, die behaupten, dass der Nationalstaat anpassungsfähig genug ist, um die

Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen und auch in Zukunft das

Funktionieren des globalen politischen Systems sicherzustellen. Sowohl Kritiker als auch

Befürworter des Konzeptes vom Nationalstaat können auf unzählige Autoren verweisen,

die ihren Standpunkt bekräftigen.168 Eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der

Zukunft des Nationalstaats lässt sich nur schwer finden, was nicht zuletzt darauf

zurückzuführen ist, dass es – gerade in einem schnelllebigen Bereich wie der Politik –

unmöglich ist, zukünftige Entwicklungen exakt vorauszusagen. Streng genommen, kann

nur die Zeit eine Antwort geben.

Aufgrund der Vielzahl an Literatur würde es einer Sisyphos-Arbeit gleichkommen, auf alle

Autoren und Publikationen zu verweisen, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Dennoch wird dieses Kapitel den Versuch darstellen, die Argumente pro und contra eines

Fortbestehens der Nationalstaaten gegenüberzustellen und abzuwägen sowie die Frage

nach der Realisierbarkeit von Alternativen zu beantworten.

5.2 Die Verfechter des Nationalstaat-Prinzips

In den Augen von Prof. Dr. Rüdiger VOIGT, ehemaliger Direktor des Instituts für

Staatswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München, der zahlreiche

Publikationen zum Thema Nationalstaat herausgegeben hat, stellt der Nationalstaat nach

wie vor die „erfolgreichste gebietsbezogene Interessengruppe“169 dar. Alle Vorhersagen über sein

Ende hält er für überzogen. Roland STURM zufolge erklärt sich die negative Sichtweise

der Zukunft des Staates aus der Tatsache, dass dieser „auch im 21. Jahrhundert unverändert als

168 Allein die Eingabe des Schlagwortes „Nationalstaat“ im Gesamtkatalog des GBV ergibt 528 Publikationen. Die tatsächliche Zahl dürfte um ein vielfaches höher liegen. 169 Voigt, Rüdiger. „Abschied vom Nationalstaat – Rückkehr zum Nationalstaat? Zur künftigen Gestaltung der europäischen Staatenordnung.“ In Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, hg. Rüdiger Voigt. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 165.

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Nationalstaat in der Tradition des 19. Jahrhunderts gedacht wird.“ 170 Werner LINK stellt

diesbezüglich die nahe liegende Frage, warum sich nicht auch der Nationalstaat als

anpassungsfähig erweisen und behaupten sollte.171

Immerhin ist der Nationalstaat ein über die Jahrhunderte gewachsenes Gebilde, das nicht

von heute auf morgen verschwinden wird. Francis FUKUYAMA behauptet, dass

souveräne Nationalstaaten auch in einer globalisierten Welt noch über die Macht verfügen,

die Einhaltung von Gesetzen zu erzwingen.172 Auch die Durchsetzung internationaler

Gesetze bleibt im Großen und Ganzen ihre Aufgabe. Zumindest in der Gegenwart und

vermutlich auch auf absehbare Zeit bleibt der Nationalstaat „der einzige Organismus, der u.a.

Steuern festsetzt und erhebt, Soldaten aushebt oder anwirbt und über ihren Einsatz entscheidet.“173

Keiner der Befürworter des Nationalstaates missachtet oder unterschätzt die tief

greifenden Veränderungen, die mit dem Prozess der Globalisierung verbunden sind. Die

einschränkenden Wirkungen der Globalisierung auf die staatliche Wirtschafts-, Steuer-

oder Sozialpolitik werden in keiner Weise bestritten. Doch statt auf das viel propagierte

Ende des Nationalstaates zu schließen, sprechen sie lieber von einer tief greifenden

Veränderung. Diese „Transformationsthese“ wird laut Renate MAYNTZ von den

meisten Autoren in der einen oder anderen Form unterschrieben. 174 So konstatieren

Helen MILNER und Robert KEOHANE zwar einen globalisierungsbedingten „loss of

political autonomy“, dennoch betrachten sie den Nationalstaat weiterhin als „major actor in

both domestic and international affairs.“175

Dieser wird „neben anderen nicht-staatlichen Akteuren fortbestehen […], obwohl er dabei eines seiner

wichtigsten Merkmale verlieren wird, nämlich das Prinzip der Souveränität.“ 176 Der Verlust der

Souveränität ist aber nicht mit seinem Ableben gleichzusetzen. Im Gegenteil, nur mit

170 Sturm, Roland. „Perspektiven des Staates im 21. Jahrhundert.“ In Staatsformen - Modelle politischer Ordnung von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, hg. Alexander Gallus, Eckhard Jesse. Köln: Böhlau Verlag, 2004, S. 371. 171 vgl. Link, Werner. „Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.“ München: Verlag C.H. Beck, 2001, S. 61. 172 Fukuyama, Francis. „Staaten bauen: die neue Herausforderung internationaler Politik.“ Berlin: Propyläen, 2004, S. 162. 173 Kamer, Hansrudolf. „Der Nationalstaat ist noch nicht am Ende.“ In Internationale Politik, Ausgabe 07/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/juli00/der-nationalstaat-ist-noch-nicht-am-ende.html. 174 vgl. Mayntz, Renate. „Die Handlungsfähigkeit des Nationalstaats in Zeiten der Globalisierung.“ In Staat ohne Verantwortung? Zum Wandel der Aufgaben von Staat und Politik, hg. Ludger Heidbrink, Alfred Hirsch. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2007, S. 269. 175 zitiert nach ebd., S. 269 176 Sain, Pauline; Louhaur, Stéphane. „Der Nationalstaat – ein Akteur unter vielen?“ Interview mit Bertrand Badie. URL: http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/DOSSIER/2000/05etat.html.

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Hilfe des politischen Regionalismus kann der Nationalstaat konkurrenzfähig bleiben.

Werner LINK entwirft in diesem Zusammenhang gar den Idealtypus vom „regionalen

Nationalstaat“.177

In zunehmendem Maße ist die Tendenz zu erkennen, dass Nationalstaaten Kompetenzen

auf regionale, supra-nationale Institutionen übertragen. Bestes Beispiel ist die Europäische

Union. Dies bedeutet allerdings keinesfalls eine Schwächung. Wenn Teile der Souveränität

auf einen Regionalverband übertragen werden, ist dies „keine Übertragung im Sinne von

Veräußerung, sondern eine gemeinsame Ausübung dieser Souveränitätsteile.“ 178 Der Nationalstaat

gewinnt an Handlungsfähigkeit, indem er an gemeinsamen Entscheidungen und

Außenaktivitäten mitwirkt. Jörg HÜBNER behauptet, dass die „staatliche

Steuerungsfähigkeit“ zunehmen wird. „Er wird zum „Interdependenzmanager“, der für die

Koordination, Kohärenz, aber auch für den Interessenausgleich zu sorgen hat.“179 Zwar nimmt die

„nationalstaatliche Regelungsautonomie“ gleichzeitig ab, doch wird der politische

Handlungsbereich als regionalisierter Staat „nicht beschränkt, sondern erweitert, nämlich

ausgedehnt auf den regionalen Staatenverbund und – über ihn vermittelt – auf das globale System.“180

Der Nationalstaat erhält die Möglichkeit an Entscheidungsprozessen auf internationaler

Ebene mitzuwirken. Die Teilung der Souveränität mit supranationalen Instanzen,

bedeutet demnach keineswegs den Abschied des Nationalstaats aus der Politik. „Er ist

vielmehr – auch innerhalb der generellen Trends zur Internationalisierung einerseits und der

Regionalisierung andererseits – immer noch zentrale Referenzebene für politische Parteien,

Interessengruppen etc., vor allem aber für das Wahlvolk.“181 In der Vorstellungswelt seiner Bürger

verfügt er über tiefe Wurzeln und spielt in ihrem alltäglichen Leben nach wie vor eine

wichtige Rolle. Er stellt den vermutlich einzigen historisch gewachsenen Organismus dar,

zu dem die Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl empfinden können und wird deshalb

„noch für eine beträchtliche Zeit als eine wichtige Organisationsform der Gesellschaften figurieren.“182

177 Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 316. 178 Ebd., S. 315 179 Hübner, Jörg. „Globalisierung mit menschlichem Antlitz. Einführung in die Grundfragen globaler Gerechtigkeit.“ Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2004, S. 26 f. 180 Link, Werner. a.a.O., S. 315. 181 Voigt, Rüdiger. „Abschied vom Nationalstaat – Rückkehr zum Nationalstaat? Zur künftigen Gestaltung der europäischen Staatenordnung.“ In Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, hg. Rüdiger Voigt. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 191. 182 Schwarz, Siegfried. „Das Schicksal des Nationalstaats. Anmerkungen zum Beitrag von Hansrudolf Kamer.“ In Internationale Politik, Ausgabe 10/2000. URL:

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HIRST/THOMPSON stellen heraus, dass Staaten im Gegensatz zu Märkten

Schicksalsgemeinschaften sind, die „Akteure miteinander verbinden, die bestimmte gemeinsame

Interessen am Erfolg oder Misserfolg ihrer nationalen Ökonomien haben.“ 183 Nationalstaaten

erkennen dabei die zunehmende Notwendigkeit globaler Zusammenarbeit, wenngleich

festzustellen bleibt, dass sie bei der Festlegung internationaler Regeln nicht mit dem Ziel

agieren, ihre Existenz aufzugeben, sondern sich und den Wohlstand ihrer Bürger zu

erhalten. 184 LINK leitet daraus die Tatsache ab, dass der Staat nicht nur

„Entscheidungsinstanz“ bleibt, sondern diese Rolle sogar in noch stärkerem Maße ausübt.

„Er entscheidet, mit welchen Staaten und Organisationen er zusammenarbeitet und was verbindlich

vereinbart wird. Die Umsetzung hängt dann wiederum von den jeweiligen Staaten, ihren Regierungen und

Parlamenten, ab.“185

Recht und Ordnung sowie das demokratische, parlamentarische System wie es in den

westlichen Staaten vorherrscht, sind auf einen funktionierenden Staat angewiesen. Er

garantiert die Grund- und Freiheitsrechte seiner Bürger und gibt ihnen Regeln und

Institutionen vor. Auch die politische Gestaltung der Wirtschaft wird zur zentralen

Aufgabe der nationalen Regierungen. „Weder die Finanzmärkte noch die Brüsseler Bürokratie,

um nur den integriertesten Handelsblock zu betrachten, werden den Nationalstaat in seiner Aufgabe, den

gesellschaftlichen Zusammenhalt und die dafür notwendigen Maßnahmen zu garantieren und

durchzusetzen, ersetzen können.“186 Was passieren kann, wenn der Staat „abstirbt“ konnte

man in der Vergangenheit in China während der Kulturrevolution, in Afrika zu Zeiten des

Postkolonialismus oder jüngst im postsowjetischen Russland beobachten.187

Francis FUKUYAMA konstatiert in den vergangenen Jahrzehnten in der Weltpolitik

einen Trend zur Schwächung des Staates. Der Staatssektor wurde zurecht gestutzt und

Funktionen auf den freien Markt oder die Zivilgesellschaft übertragen. Hinzu kommt die

http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/oktober00/das-schicksal-des-nationalstaats--anmerkungen-zum-beitrag-von-hansrudolf-kamer.html. 183 Hirst, Paul; Thompson Grahame. „Globalisierung? Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Nationalökonomien und die Formierung von Handelsblöcken“ In Politik der Globalisierung, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 104. 184 Link, Werner. „Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.“ München: Verlag C.H. Beck, 2001, S. 68. 185 ebd., S.68 186 Hirst, Paul; Thompson Grahame. „Globalisierung? Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Nationalökonomien und die Formierung von Handelsblöcken“ In Politik der Globalisierung, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 104. 187 vgl. Kamer, Hansrudolf. „Der Nationalstaat ist noch nicht am Ende.“ In Internationale Politik, Ausgabe 07/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/juli00/der-nationalstaat-ist-noch-nicht-am-ende.html.

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Untergrabung der staatlichen Souveränität durch die zunehmende Mobilität von Kapital,

Informationen oder Arbeitskräften infolge der Globalisierung. Er hält diese Entwicklung

indes für positiv, da sie das Ziel hat, ein Übermaß an Regulierung abzubauen, was letztlich

eine Stärkung des Nationalstaates darstellt. Sie entlasten sich von Aufgaben, die sie sich in

der Ära des Interventionsstaates aufgebürdet haben. Zudem stellt FUKUYAMA die

berechtigte Frage, was in der heutigen Welt an die Stelle der Macht souveräner

Nationalstaaten treten soll. Alternativen sind Mangelware und aus diesem Grund „haben

wir keine andere Wahl, als auf den souveränen Nationalstaat zurückzugreifen und wieder zu lernen, wie

man ihn stark und effizient macht.“188

Zweifelsohne ist der Nationalstaat in die Defensive geraten. Den Prozess der

Globalisierung und die zunehmend verflochtene Weltwirtschaft kann er auf sich allein

gestellt nicht kontrollieren. Quasi zum Selbstschutz gibt er Aufgaben an selbst

geschaffene supranationale Institutionen ab, wodurch ihm die „monopolistische

Herrschaft“ über das eigene Territorium abhanden kommt.189 Doch ist die Beherrschung

von Zeit und Geschwindigkeit heutzutage wichtiger als die Beherrschung von Territorien.

Zwar verschiebt sich der Handlungsort vom territorial definierten Nationalstaat auf den

Weltmarkt, „dennoch wird der Staat auch künftig unverzichtbar sein, um soziale Wohlfahrt

aufrechtzuerhalten oder zu gewähren und um Anomie zu verhindern.“ 190 Laut Hansrudolf

KRAMER steht eine Abdankung des Nationalstaats nicht bevor. „Es geht vielmehr um die

überfällige Redimensionierung seiner Aufgaben.“191

Das Regieren findet zunehmend durch das Zusammenspiel verschiedener

Entscheidungsebenen statt. „In einer solchen Struktur postnationaler Staatlichkeit besteht die

nationale Organisationsform fort.“192 ZÜRN listet drei Gründe auf, aus denen man das Ende

des Nationalstaats nicht vorschnell ableiten sollte:193

188 Fukuyama, Francis. „Staaten bauen: die neue Herausforderung internationaler Politik.“ Berlin: Propyläen, 2004, S. 169. 189 vgl. Öner, Özgur. „Nation, Nationalismus und Globalisierung. Eine Bilanz theoretischer Erklärungsansätze.“ Köln: PapyRossa Verlag, 2002, S. 155. 190 ebd. , S. 173. 191 Vgl. Kamer, Hansrudolf. „Der Nationalstaat ist noch nicht am Ende.“ In Internationale Politik, Ausgabe 07/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/juli00/der-nationalstaat-ist-noch-nicht-am-ende.html. 192 Zürn, Michael. „Grenzen nationalstaatlichen Regierens. Neue Aufgaben intergouvermentaler Foren.“ In Internationale Politik, Ausgabe 05/2001. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2001/maio1/grenzen-nationalstaatlichen-regierens--neue-aufgaben-intergouvernementaler-foren.html. 193 ebd.

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1) Nach wie vor existieren Sachbereiche, in denen die „gesellschaftliche

Denationalisierung“ keinen bedeutenden Einfluss auf die Effektivität

nationalstaatlicher Politik hat;

2) Es ist bislang nicht zu erkennen, wie sich die Ziele des Regierens ohne den

Nationalstaat besser erreichen lassen. Es kann aber nur dann von einem

Absterben gesprochen werden, wenn „konkurrierende Institutionen in Sicht sind, die

eine bessere Funktionserfüllung versprechen und die veraltete Institution ablösen können.“

3) Dem Nationalstaat steht nach wie vor die Aufgabe „territorial organisierter

Interessenvertretung“ zu – in Ergänzung zur „funktionalen

Interessenvertretung“ durch sektorale Interessenverbände und transnationale

Nichtregierungsorganisationen.

Auch William PFAFF behauptet, dass sich der Nationalstaat keineswegs im Niedergang

befindet. Im Gegenteil: Er bleibt „die zweckmäßigste und effektivste Agentur der Selbstregierung

für eine Gemeinschaft von Menschen, die eine gemeinsame Geschichte und Kultur vereint – für eine

„Nation“, mit anderen Worten.“194

5.3 Die Position der Skeptiker

Glaubt man den Kritikern des Nationalstaatskonzeptes, so gelten Globalisierung und

Transnationalisierung „als die beiden Zwillingstendenzen, die den Staat entmachten, das

territorialistische Ordnungsprinzip obsolet werden lassen und eine völlig neuartige globale Ordnung

hervorbringen.“ 195 Die gängige Meinung innerhalb der sozialwissenschaftlichen Disziplin

kann in drei Punkten zusammengefasst werden:196

1) Nationalstaaten werden in einer globalen Welt handlungsunfähig;

2) Sie können die globalen Probleme, die sich aus den intensiven Verflechtungen

zwischen Staaten und Gesellschaften ergeben, nicht lösen;

3) Sie sind ein Auslaufmodell einer vergangenen Epoche.

194 Pfaff, William. „Nationalstaat ohne Zukunft?“ In Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 02/2000, S. 165. 195 ebd., S. 165. 196 vgl. Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 314.

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Es erscheint auf den ersten Blick plausibel, dass eine Entwicklung wie jene der

Globalisierung den Staat zunehmend seiner Fähigkeit zur eigenverantwortlichen

Gestaltung seiner inneren und äußeren Angelegenheiten beraubt und somit seine

Souveränität aushöhlt. Selbst transnationalen Organisationen wie Amnesty International

oder Greenpeace ist es heute möglich, erheblichen Druck auf Regierungen auszuüben

und ihre Handlungsfähigkeit einzuschränken.

Im Gegensatz zu Renate MAYNTZ, die eine große Übereinstimmung in der

wissenschaftlichen Literatur bezüglich der „Transformationsthese“ konstatiert, stellt

Roland STURM selbige hinsichtlich einer „Defizitanalyse“ fest, derzufolge die

Weltordnung der Nationalstaaten am Ende ist. „Der Staat, so wird argumentiert, habe

weitgehend die Fähigkeit zu souveränem Handeln eingebüßt, versage als Ort der Herstellung verbindlicher

und verbindender Identität und werde der Aufgabe nicht mehr gerecht, Raum der Entscheidung über das

konkrete Schicksal der Bürger zu sein.“197

Die Autorität des Nationalstaates beruhte zu großen Teilen auf der Entfernung. Sie gab

dem nationalen Territorium einen Sinn, da nur auf diese Weise eine Kommunikation

zwischen den voneinander entfernt wohnenden Bürgern möglich war. Die zunehmende

Ausbreitung transnationaler Beziehungen und das weltumspannende

Kommunikationsnetz aus Telefon und Internet umgehen diese Kontrolle durch einzelne

Staaten. „In dem Maße, in dem sich Ortsbindungen auflösen, entpuppt sich die Gleichung von

räumlicher und sozialer Entfernung als falsch. Folglich liegen heute die Grenzen sozialer

Handlungszusammenhänge in vielen Bereichen jenseits der politischen Grenzen des Nationalstaats.“198

Der Nationalstaat muss sich andere Aufgaben suchen. Die Kommunikation geht immer

mehr auf supranationale Institutionen über, die Normen und Regeln entwickeln, die

gegenüber der nationalen Gesetzgebung vorrangig sind. So sticht beispielsweise Europa-

Recht deutsches Recht.199 Michael ZÜRN spricht in diesem Zusammenhang von einer

197

Sturm, Roland. „Perspektiven des Staates im 21. Jahrhundert.“ In Staatsformen - Modelle politischer Ordnung von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, hg. Alexander Gallus, Eckhard Jesse. Köln: Böhlau Verlag, 2004, S. 371 f. 198 Zürn, Michael. „Grenzen nationalstaatlichen Regierens. Neue Aufgaben intergouvermentaler Foren.“ In Internationale Politik, Ausgabe 05/2001. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2001/maio1/grenzen-nationalstaatlichen-regierens--neue-aufgaben-intergouvernementaler-foren.html. 199 vgl. Sain, Pauline; Louhaur, Stéphane. „Der Nationalstaat – ein Akteur unter vielen?“ Interview mit Bertrand Badie. URL: http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/DOSSIER/2000/05etat.html.

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„gesellschaftlichen Denationalisierung“.200 Die Ziele des Regierens können kaum noch durch

nationale Politik verwirklicht werden.

Peter GLOTZ leitet zwei bedeutende Folgerungen aus der Kritik der nationalstaatlichen

Idee ab:201

1) Der Nationalstaat hat nicht mehr die Kraft, mit den Problemen und

Herausforderungen der gegenwärtigen Entwicklung fertig zu werden. Seine

Folgerung: „Wenn überlieferte Staaten den Bedürfnissen der Zeit […] nicht mehr

entsprechen, muss ihre Konstruktion verändert werden.“

2) Man muss sich von der fixen Idee lösen, dass der Territorialstaat eine

natürliche Ordnung darstelle. Momentan muss er nach zwei Seiten

Kompetenzen abgeben: nach unten, also zu den Völkern und Regionen, und

nach oben, beispielsweise zu einem supranationalen Europa. Zwar wird dieses

Gebilde noch für viele Jahrzehnte ihr Leben fristen. „Im Grunde aber ist ein neues

Staatsbildungsprinzip, eine über dem nationalen Gemeinwesen sich ausbildende föderative

Struktur in Gang gesetzt.“ Damit kommt GLOTZ zufolge eine lange

Entwicklung an ihr Ende.

Er stimmt Lord John ACTON zu, der das Nationalitätenprinzip als geschichtlichen

Rückschritt bezeichnete.202 Er stellt sogar die These auf, dass der Nationalstaat schon

immer ein Irrweg war. „Er ist ein Produkt made in Europe, eine fixe Idee des späten achtzehnten

Jahrhunderts.“ 203 Auch Dieter OBERNDÖRFER behauptet, dass es sich beim

Nationalstaatsgedanken lediglich um rückwärtsgewandte Überlieferungen aus der

politischen Vorstellungswelt des 19. Jahrhunderts handelt. 204

Der „in einer bestimmten historischen Situation entstandene und ausgeformte Nationalstaat“205 tritt

seine bisher souveränen Rechte zunehmend und unumkehrbar an supranationale

200 Zürn, Michael. „Grenzen nationalstaatlichen Regierens. Neue Aufgaben intergouvermentaler Foren.“ In Internationale Politik, Ausgabe 05/2001. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2001/maio1/grenzen-nationalstaatlichen-regierens--neue-aufgaben-intergouvernementaler-foren.html. 201 Glotz, Peter. „Der Irrweg des Nationalstaats : europäische Reden an ein deutsches Publikum.“ Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1990, S. 111 ff. 202 ebd., S. 113. 203 ebd., S. 89. 204 Oberndörfer, Dieter. „Der Wahn des Nationalen. Die Alternative der offenen Republik.“ Freiburg: Verlag Herder, 1993, S. 20. 205 Schwarz, Siegfried. „Das Schicksal des Nationalstaats. Anmerkungen zum Beitrag von Hansrudolf Kamer.“ In Internationale Politik, Ausgabe 10/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/oktober00/das-schicksal-des-nationalstaats--anmerkungen-zum-beitrag-von-hansrudolf-kamer.html.

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Strukturen ab. Jenseits von und oberhalb des Nationalstaates hat sich ein dichtes Geflecht

von supranationalen Institutionen, Regelungen und Organisationen entwickelt. „Die

Zielerreichungsdimension der Staatlichkeit scheint sich also von der nationalen auf die internationale

Ebene, sei es im Rahmen von Großregionen wie Europa oder im Rahmen quasi-globaler Institutionen wie

die WTO oder die UN-Menschenrechtskommission zu verlagern.“ 206 Es ist mit einer

„Abflachung“ der Rolle der Nationalstaaten im internationalen Leben zu rechnen.

Aufgrund der Vielzahl an privaten Akteuren wie multinationalen Konzernen oder

Nichtregierungsorganisationen, die ihre Aktionsfelder über nationale Grenzen hinweg

ausdehnen, verlieren Nationalstaaten ihre Rolle als „Zentren der Regulation“. 207 Bertrand

BADIE spricht davon, dass im Zeitalter der Denationalisierung die bisher im

Nationalstaat eng miteinander verflochtenen Dimensionen der Staatlichkeit auseinander

driften. „Während die Staaten ihre Ressourcen bewahren und hüten können, wandert die

Politikformulierung zur Erreichung der Ziele des Regierens zunehmend auf die internationale Ebene

ab.“ 208 Mathias ALBERT rechtfertigt die Rede von einem „Regieren jenseits des

Nationalstaates“ damit, dass sich innerhalb der Staaten wie auch regional und global

„komplexe Mehrebenensysteme von Governance“ herausgebildet haben. 209

Ernst-Otto CZEMPIEL spricht von der Entstehung einer „Gesellschafts- und

Wirtschaftswelt“, welche die bisher vorherrschende Staatenwelt verdrängt. 210 Die

gesellschaftlichen Akteure entfalten autonom – also vom staatlichen Einfluss emanzipiert

– grenzüberschreitende Aktionen und organisieren sich transnational. Besonders

eingeschränkt scheint der Einfluss des Staates auf den globalen Finanz- und

Kapitalmärkten. Hier scheint sich das Abhängigkeitsverhältnis gar umgekehrt zu haben.

„Nicht die gesellschaftlich-wirtschaftlichen Akteure sind von staatlichem Regierungshandeln, von der

Politik, abhängig, sondern die Regierungen müssen sich nach den Finanzmärkten richten.“211 Sollte

diese These zutreffen, so kann die Weltwirtschaft laut Jürgen HABERMAS „nicht länger als

206 Sain, Pauline; Louhaur, Stéphane. „Der Nationalstaat – ein Akteur unter vielen?“ Interview mit Bertrand Badie. URL: http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/DOSSIER/2000/05etat.html. 207 Öner, Özgur. „Nation, Nationalismus und Globalisierung. Eine Bilanz theoretischer Erklärungsansätze.“ Köln: PapyRossa Verlag, 2002, S. 175. 208 Sain, Pauline; Louhaur, Stéphane. „Der Nationalstaat – ein Akteur unter vielen?“ Interview mit Bertrand Badie. URL: http://www.diplomatie.gouv.fr/label_france/DEUTSCH/DOSSIER/2000/05etat.html. 209 Albert, Mathias. „Einleitung: Weltstaat und Weltstaatlichkeit: Neubestimmungen des Politischen in der Weltgesellschaft.“ In Weltstaat und Weltstaatlichkeit – Beobachtungen globaler politischer Strukturbildung, hg. Mathias Albert, Rudolf Stichweh. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2007, S. 9. 210 zitiert nach Link, Werner. „Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.“ München: Verlag C.H. Beck, 2001, S. 58. 211 ebd., S. 57.

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ein „internationales“ Austauschsystem beschrieben werden, worin die Nationalstaaten als wichtige

Akteure auftreten. […] Die beschriebene Globalisierung der Wirtschaft legt die Vorstellung eines

„transnationalen“ […] Weltwirtschaftsystems nahe, das den nationalstaatlichen Akteuren eine

veränderte Perspektive vorschreibt.“ 212

Geht man vom neuzeitlichen Staatsbegriff aus (vgl. Kapitel 2.2), setzt dieser Souveränität

nach außen und Hierarchie nach innen voraus. Beides ist heute weniger denn je gesichert.

Der Nationalstaat ist zwar weiterhin dazu in der Lage, innerhalb seines Territoriums

gesetzliche Regelungen aufzustellen, seine autonome Handlungsfähigkeit wird jedoch in

hohem Maße eingeschränkt, insbesondere durch das offensichtliche Abwandern der

wirtschaftlichen Entscheidungsmacht von der nationalen auf die supra- bzw.

internationale Ebene. Ressourcen aller Art (ob Kapital, Waren, Informationen oder auch

Arbeitskräfte und Flüchtlinge) zirkulieren ohne Rücksichtnahme auf politische Grenzen

und staatliche Interessen. Da aber eine effektive Selbstbestimmung die „Kongruenz von

Herrschern und Beherrschten“ 213 voraus setzt, wird der Anspruch auf nationale

Eigenständigkeit langsam aber sicher untergraben. „Nationalstaaten sind heute keineswegs mehr

in der Lage, im Sinne einer „nationalen Schicksalsgemeinschaft“ allein über die eigenen Angelegenheiten

zu bestimmen oder für ihre eigene Zukunft zu sorgen.“214 Jürgen HABERMAS spricht aus diesem

Grund konsequenterweise davon, dass die Globalisierung der Wirtschaft eine „historische

Konstellation“ zerstört, die den sozialstaatlichen Kompromiss vorübergehend möglich

gemacht hat. 215

212 Habermas, Jürgen. „Jenseits des Nationalstaats? Bemerkungen zu Folgeproblemen der wirtschaftlichen Globalisierung.“ In Politik der Globalisierung, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 71. 213 vgl. Zürn, Michael. „Grenzen nationalstaatlichen Regierens. Neue Aufgaben intergouvermentaler Foren.“ In Internationale Politik, Ausgabe 05/2001. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2001/maio1/grenzen-nationalstaatlichen-regierens--neue-aufgaben-intergouvernementaler-foren.html. 214 Voigt, Rüdiger. „Abschied vom Nationalstaat – Rückkehr zum Nationalstaat? Zur künftigen Gestaltung der europäischen Staatenordnung.“ In Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, hg. Rüdiger Voigt. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 164. 215 Habermas, Jürgen. „Jenseits des Nationalstaats? Bemerkungen zu Folgeproblemen der wirtschaftlichen Globalisierung.“ In Politik der Globalisierung, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 73.

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5.4 Die Europäische Union als Zukunftsmodell – Totengräber des Nationalstaats?

In der jüngsten Vergangenheit sind regionale Zollunionen, Freihandelszonen und

Integrationsverbunde in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu einem

bemerkenswerten Phänomen geworden.

„Der politische Regionalismus hat weltweit Platz gegriffen“ schlussfolgert Werner LINK, wobei

dieser seinen Schwerpunkt natürlich in Europa hat und dort am erfolgreichsten ist. Neben

der Europäischen Union gibt es weitere bedeutende Regionalverbunde wie die North

American Free Trade Association (NAFTA), MERCOSUR (Mercado Común del Sur)

oder die APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation).

Abb. 1 Anzahl der dem GATT gemeldeten regionalen Integrationsabkommen, 1948-1994216

Stefan SCHIRM bezeichnet die transnationale Globalisierung als einen Erklärungsfaktor

für regionale Kooperation. „Der Territorialstaat, der sich an Regionalorganisationen oder regionalen

Integrationsverbunden beteiligt, verliert zwar einen Teil seiner Entscheidungsautonomie gegenüber seinen

216 Link, Werner. „Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.“ München: Verlag C.H. Beck, 2001, S. 75.

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Integrationspartnern, gewinnt dafür jedoch mit ihnen zusammen Handlungsfähigkeit gegenüber

schädlichen internen und externen Wirkungen der Globalisierung.“ 217 Tatsache ist, dass die

Mitglieder der EU klassische Funktionen des Nationalstaats zugunsten einer

supranationalen Körperschaft aufgegeben haben. Für Siegfried SCHWARZ ist die

Europäische Union daher bereits mehr als eine herkömmliche Staatenkoalition

zeitweiligen Charakters, mehr als nur ein lockerer Staatenbund im klassischen Sinne.218 Sie

stellt ein neuartiges Organisationsmodell dar. „In wichtigen Bereichen überwölben supranationale

Strukturen die teilnehmenden Nationalstaaten dauerhaft mit bindender Regulierungskompetenz.“ 219

Trotzdem ging es der Europäischen Union laut Werner LINK schon bei der Gründung

nicht um die Aufgabe des Nationalstaats, sondern um dessen Überlebenssicherung220 –

„the European rescue of the nation-state“, wie es Alan MILWARD bezeichnet.221 Deutlich wird

dies in Charles DE GAULLES Vision eines „Europa der Vaterländer“, die sich gegen

einen zu raschen Ausbau der Gemeinschaftskompetenzen zulasten der nationalen

Eigenständigkeit richtet. 222 Ziel der Europäischen Union ist der Selbsterhalt der

Nationalstaaten durch regionalistische Politik. In einem Artikel in der Frankfurter

Allgemeinen Zeitung schreibt der damalige französische Außenminister Hubert VÉDRINE,

dass eine europäische Föderalismusidee auf Grund laufen müsse, weil es in Europa, z.B.

im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika, Nationen gebe.223 „Verschwänden

sie, würde dies den Völkern Europas ein immenses Identitätsproblem und große demokratische

Schwierigkeiten verursachen.“ 224 In einer Rede vor der Konferenz der französischen

Botschafter in Paris am 15. September 1997 spricht VÉDRINE zudem davon, dass

217 Zitiert nach Link, Werner. „Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.“ München: Verlag C.H. Beck, 2001, S. 80. 218 vgl. Schwarz, Siegfried. „Das Schicksal des Nationalstaats. Anmerkungen zum Beitrag von Hansrudolf Kamer.“ In Internationale Politik, Ausgabe 10/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/oktober00/das-schicksal-des-nationalstaats--anmerkungen-zum-beitrag-von-hansrudolf-kamer.html. 219 ebd. 220 vgl. Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 317. 221 Milward, Alan. „The European Rescue of the Nation-State.“ London: Routledge, 1992. 222 Vgl. Voigt, Rüdiger. „Abschied vom Nationalstaat – Rückkehr zum Nationalstaat? Zur künftigen Gestaltung der europäischen Staatenordnung.“ In Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, hg. Rüdiger Voigt. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 168 f. 223 Védrine, Hubert. „Klassischer Föderalismus oder Föderation von Nationalstaaten?“ In Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 13. Juni 2000, S. 4. 224 Zitiert nach Kamer, Hansrudolf. „Der Nationalstaat ist noch nicht am Ende.“ In Internationale Politik, Ausgabe 07/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/juli00/der-nationalstaat-ist-noch-nicht-am-ende.html.

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regionale Integration eine neue Form gemeinsam ausgeübter Souveränität ist. „Nicht durch

Aufgabe der Souveränität, sondern durch die Wiedergewinnung einer Souveränität, die de fato schon

teilweise verschwunden ist.“ 225 Auch für Gerhard SCHRÖDER ist eine gemeinsame

Europäische Union nicht mit der Aufgabe oder Einebnung der nationalen Identitäten und

Eigenheiten verbunden. Es geht vielmehr darum, diese Identitäten zu bewahren und sie

„in einer umfassenderen europäischen Identität erhalten [zu] wollen.“ 226 Anthony GIDDENS

schreibt gar, dass man damit argumentierten könnte, „dass die Europäische Union weit davon

entfernt ist, die nationale Identität in den Nationalstaaten aufzulösen, sondern dass sie tatsächlich das

Mittel zu ihrem Überleben ist.“ 227

Bezüglich der Funktionen des europäischen Nationalstaates lässt sich folgender Befund

feststellen:228

- die inhaltliche und zahlenmäßige Weiterentwicklung der EU bleibt von seiner

Entscheidung und Mitentscheidung abhängig;

- in integrierten Politikbereichen fungiert jeder Mitgliedsstaat als Initiator bzw.

Mit-Initiator gemeinsamer Politik;

- Im Europäischen Rat und den EU-Ministerräten fungiert der Mitgliedsstaat als

Mitentscheider, und zwar bei vitalen und grundsätzlichen Fragen als

letztentscheidende Instanz (Anm.: der Europäische Rat überlagert das

Initiativrecht der Kommission auf intergouvermentaler Ebene);

- Der Nationalstaat fungiert als Implementator der gemeinsamen

Entscheidungen (in vergemeinschafteten Politikbereichen unter Aufsicht der

EU-Kommission und des Europäischen Gerichtshofes).

Der Nationalstaat bleibt demzufolge nach wie vor ein eigenständiger Akteur. Rüdiger

VOIGT hingegen widerspricht dieser Ansicht. Seiner Meinung nach geht es bei der EU

letztlich „um den Übergang von einem Zusammenschluss eigenständiger Nationalstaaten zu einem

225 Zitiert nach Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 317. 226 Schröder, Gerhard. „Europe puissance“ als Ziel“, Rede vor der französischen Nationalversammlung am 30. November 1999 In Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 1. Dezember 1999, S. 8 f. 227 Giddens, Anthony. „Die große Globalisierungsdebatte.“ In „Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt“, hg. Marcus S. Kleiner., Helmut Strasser. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2003, S. 40. 228 vgl. Link, Werner. In Meimeth/Schild, a.a.O., S. 328.

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neuen Europäischen Bundesstaat, in dem die Nationalstaaten lediglich die Funktion von teilsouveränen

Gliedstaaten haben“229 – ähnlich den Bundesstaten in den USA. Die Souveränität würde

demnach auf mindestens zwei Ebenen verteilt: die Europäische Union als Zentralstaat

und die Mitgliedsländer der EU als Gliedstaaten. Der Nationalstaat tritt in seiner

Bedeutung zurück. Aus dieser Tendenz resultiert die Notwendigkeit für die Entwicklung

eines breiten Spektrums kooperativer Strategien, so dass Siegfried SCHWARZ zufolge

„jede Überbetonung nationaler Interessen kontraproduktiv wirkt und unangebracht ist.“ 230

Allerdings konstatiert VOIGT auch, dass sich diese Entwicklung keineswegs im

Bewusstsein der Menschen widerspiegelt, so dass in Zukunft „vermutlich auch solche

traditionellen Bindungen der Völker wieder größere Bedeutung erlangen, die in gemeinsamer Geschichte,

Sprache und/oder Kultur zum Ausdruck kommen.“ 231 Der ehemalige französische

Staatspräsident Jacques CHIRAC griff diesen Aspekt in seiner Rede vor dem deutschen

Bundestag am 27. Juli 2000 auf. Er betont, dass die Nationen auch in Zukunft die

wichtigsten Bezugspunkte unserer Völker darstellen werden. „Sie abschaffen zu wollen, wäre

ebenso absurd wie zu leugnen, dass sie bereits einen Teil ihrer Souveränitätsrechte gemeinsam wahrnehmen

und dies auch weiterhin tun werden, weil dies in ihrem Interesse liegt.“ 232

Werner LINK stimmt Rüdiger VOIGT zwar in dem Punkt zu, dass der Nationalstaat

bestimmte, insbesondere seine ökonomischen und unternehmerischen Funktionen abgibt.

Doch gibt er sich damit keinesfalls als Bezugsgröße auf, sondern kann sich auf seine

politischen Funktionen in „Letztverantwortung“ und

„Freiheitsverantwortung“ konzentrieren.233 Das bedeutet, dass der Nationalstaat nicht nur

Vermittler, sondern die „strategisch platzierte Vermittlungsinstanz zwischen subnationalen und

229 Voigt, Rüdiger. „Abschied vom Nationalstaat – Rückkehr zum Nationalstaat? Zur künftigen Gestaltung der europäischen Staatenordnung.“ In Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, hg. Rüdiger Voigt. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 167. 230 Schwarz, Siegfried. „Das Schicksal des Nationalstaats. Anmerkungen zum Beitrag von Hansrudolf Kamer.“ In Internationale Politik, Ausgabe 10/2000. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang2000/oktober00/das-schicksal-des-nationalstaats--anmerkungen-zum-beitrag-von-hansrudolf-kamer.html. 231 Voigt, Rüdiger, a.a.O., S. 183. 232 Chirac, Jacques. „Mit Deutschland und Frankreich eine „Avantgarde-Gruppe“ bilden“ In Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 28. Juni 2000, S. 10-11. 233 vgl. Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 327.

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europäischen Politikanforderungen“234 bleibt. Der Meinung von William PFAFF zufolge bleibt

die Europäische Union weiterhin ein „Instrument ihrer Mitglieder“. „Diese haben ihre

Souveränität in bestimmten Bereichen „gepoolt“, aber sie beanspruchen nach wie vor das Recht, sie

zurückzunehmen. […] Die wesentlichen Souveränitätsrechte sind keineswegs verschmolzen.“ 235 Er

schließt daraus, dass sich der Nationalstaat keineswegs im Niedergang befindet. Um die

Nation als Auslaufmodell zu beschreiben, müsste diese vollständig und unwiderruflich auf

ihre Souveränität verzichten. Doch eine solche Entwicklung ist nicht abzusehen.

5.5 Alternative „Global Governance“?

5.5.1 Global Governance und der Nationalstaat

Bis in die Gegenwart beruhte die Weltpolitik auf einer „Weltkultur der Nationalstaaten“, wie

Dirk MESSNER und Franz NUSCHELER sie bezeichnen. 236 Die Welt als Ganzes

begriff sich und handelte als Staatenwelt. Auch heutzutage beziehen sich die politischen

Institutionen und Regelungen in der Mehrzahl auf den Nationalstaat. Gesellschaft und

Staat werden nach wie vor deckungsgleich gedacht, so dass eine wachsende Nachfrage

nach internationalen Institutionen entsteht.237 Michael ZÜRN hat die Veränderung der

Rolle der internationalen Institutionen am anschaulichsten beschrieben: „Traditional

international institutions complemented national governance, new international institutions are a part of

global governance.“238 In den vergangenen Jahrzehnten sind dementsprechend – wie bereits

in den vorherigen Kapiteln erläutert - neben den Nationalstaaten zahlreiche andere

Akteursgruppen entstanden, deren Aktivitäten weitreichende Auswirkungen haben und in

ihrem Ausmaß von der Staatenwelt nur noch begrenzt zu steuern und zu kontrollieren

sind.

234 Link, Werner. „Die Rolle des Nationalstaats im zukünftigen Europa.“ In Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven, hg. Michael Meimeth, Joachim Schild. Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 328. 235 Pfaff, William. „Nationalstaat ohne Zukunft?“ In Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 02/2000, S. 165. 236 Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 16. 237 vgl. Zürn, Michael. „Global Governance.“ In Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. Gunnar Folke Schuppert. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2006, S. 125. 238 Zürn, Michael. „Globalization and Global Governance: From Societal to Political Denationalization.“ In Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004, S. 433.

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66

Im Alleingang können die nationalen Regierungen die gegenwärtigen Probleme kaum

noch bewältigen. Die interne Souveränität der Nationalstaaten wird zunehmend in Frage

gestellt, da die Globalisierung die Spielräume der Regierungen einschränkt. Der Bedarf an

internationalen Institutionen und Mechanismen zur politischen Gestaltung

grenzüberschreitender, globaler Entwicklungen wird größer. „Die De-facto-Erosion der

internen Souveränität ist nur durch grenzüberschreitende Kooperation und kollektives Handeln

aufzuhalten.“239 Die Kongruenz von sozialen und politischen Räumen wird in Frage gestellt.

Der Raum, auf dem sich gesellschaftliche Austauschbeziehungen und

Handlungszusammenhänge verdichten, ist durch die Globalisierung mittlerweile größer

geworden als jener, der durch politische Regelungen erfasst wird.240 Aus diesem Grund

können sie nicht länger ausschließlich durch Maßnahmen des Nationalstaates geregelt und

kontrolliert werden. Wenn aber politische Ziele nicht mehr auf nationaler Ebene erreicht

werden können, müssen sie auf europäischer bzw. internationaler Ebene verfolgt werden.

Eine Möglichkeit, die in dieser Hinsicht immer wieder in der wissenschaftlichen Literatur

erörtert wird, habe ich in Kapitel 4 bereits vorgestellt: Das Konzept der Global Governance.

Das Konstrukt Global Governance ist „aus der Einsicht entstanden, dass die Steuerungskapazität der

Nationalstaaten […] infolge der Vermehrung und Verdichtung grenzüberschreitender Transaktionen,

der zunehmenden Entgrenzung der Territorialstaaten und der wachsenden Herausforderungen durch

globale Risiken überfordert wird.“241 Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Global Governance

zunächst nicht mehr als „die Suche nach multilateralen Regelwerken und Institutionen, die Lösungen

für globale Probleme versprechen.“ 242 Die Grenzen und Möglichkeiten von Politik müssen

aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Staaten und Gesellschaften neu

bestimmt werden. Es gilt, den drohenden Gestaltungsverlust der Politik abzuwenden.

Global Governance zielt auf ein vollkommen neues „Politikmodell“, welches das

239 Messner, Dirk. „Architektur der Weltordnung. Strategien zur Lösung globaler Probleme.“ In Internationale Politik, Ausgabe 11/1998. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1998/november1998/architektur-der-weltordnung--strategien-zur-losung-globaler-probleme.html. 240 vgl. Zürn, Michael. „Globalization and Global Governance: From Societal to Political Denationalization.“ In Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004, S. 430. 241 Nuscheler, Franz. „Eine neue Weltpolitik. Multilateralismus statt Pax Americana.“ In Internationale Politik, Ausgabe 11/1998. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1998/november1998/eine-neue-weltpolitik--multilateralismus-statt-pax-americana.html. 242 ebd.

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Zusammenwirken sowohl staatlicher wie nichtstaatlicher Akteure auf allen politischen

Handlungsebenen meint.243 Dies beinhaltet zudem die Neudefinition von Souveränität,

die durch den Globalisierungsprozess zunehmend unterminiert wird und einem „System

wechselseitiger Einmischung“ Platz macht. 244 Das Neue an diesem Projekt ist „die

Akzeptanz geteilter Souveränitäten durch Übertragung von Handelskompetenzen auf lokale, regionale

und globale Organisationen zur Lösung von Problemen, die Nationalstaaten nicht mehr im Alleingang

lösen können.“245 Der Nationalstaat verliert seine Rolle als alleinig bestimmendes politisches

Handlungszentrum. Zwar geschieht die geschilderte Abgabe an Macht, um die es sich

zweifelsohne handelt, nicht freiwillig, sondern, weil der Nationalstaat an

Regulationsgrenzen stößt. Er macht dies jedoch, um seine Steuerungsfähigkeit zu stärken

und wichtige Funktionen besser ausüben zu können.

Global Governance verlangt einerseits Souveränitätsverzichte und „geteilte Souveränitäten“,

ist aber gleichzeitig nur dann funktionsfähig, wenn es die unteren Ebenen, also die

Nationalstaaten oder regionale Kerne wie die Europäische Union, ebenso sind. Die

Europäische Union kann gar als „fortgeschrittenes Laboratorium“ für die Fähigkeit zu

Global Governance verstanden werden: „Ihre Mitgliedsstaaten treten Teilsouveränitäten ab, um durch

gemeinsames Handeln eine größere Problemlösungsfähigkeit gewinnen und sich im globalen Wettbewerb

besser behaupten zu können. Nationale Borniertheiten werden zunehmend durch europäische Sichtweisen

und ein wachsendes Gemeinschaftsbewusstsein ergänzt oder gar überlagert.“246 Neben Initiativen auf

internationaler Ebene sind auch Reformen auf nationaler Ebene vonnöten, um ein

Funktionieren der Global Governance-Architektur zu gewährleisten.

Eine bedeutende Frage ist, ob Global Governance ohne eine so genannte „Superpower

Governance“ überhaupt möglich ist, die die heutige Weltordnung maßgeblich bestimmt.

Offensichtlich ist ein solches Konstrukt ohne die Einbindung der Weltführungsmächte

nicht realisierbar. Ohne ihre Teilnahme bliebe die Global Governance-Architektur ein

„virtuelles Luftschloss.“ 247 Gleichzeitig verträgt sie sich nicht mit dem arroganten und

243 Vgl. Laux, Susanne. „Dokumentation: Problemfelder der Global Governance.“ In Internationale Politik, Ausgabe 11/1998. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1998/november1998/dokumentation.html. 244 vgl. Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 23. 245 ebd., S. 20. 246 ebd., S. 26 247 Nuscheler, Franz. „Eine neue Weltpolitik. Multilateralismus statt Pax Americana.“ In Internationale Politik, Ausgabe 11/1998. URL:

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unilateralen Auftreten einer Supermacht, da sie – vergleichbar mit dem System der

Vereinten Nationen – jedem Nationalstaat unabhängig seiner Größe oder wirtschaftlichen

Bedeutung ein Mitspracherecht einräumt. Das Problem ist, dass Weltmächte wie die

Vereinigten Staaten oder die europäischen Führungsmächte freiwillig kaum ihren Status

abtreten werden. Dies ist einer der zahlreichen Einwände, die gegen ein Funktionieren

von Global Governance angeführt werden.

Vielfach wird Global Governance als idealistische, theorielose Zukunftsvision betrachtet, das

einer kritischen Analyse der Gegenwart nicht standhält. Das Konzept „blende den

Machtfaktor und Hegemonialinteressen aus und liefere deshalb angesichts der realen Machtverhältnisse in

der Weltpolitik und globalen Ökonomie nicht einmal eine konkrete Utopie für die Welt von morgen.“248

Bereits auf regionaler Ebene seien die Probleme unübersehbar. Als Beispiel wird die

Europäische Union angeführt, die als das am weitesten entwickelte Modell von „Regional

Governance“ gelten kann: Bürokratisierung, Legitimationsdefizite der „Eurokratie“,

Dominanz von Hegemonen, Verlust von nationalen Identitäten und Eigenheiten. Franz

NUSCHELER schlussfolgert daraus, „dass Global Governance, verstanden als globale

Vergesellschaftung („Verweltgesellschaftung“), ein langfristiges Projekt für das nächste Jahrhundert

ist.“249

Die heute existierende Staatenwelt wird vielfach für unveränderbar gehalten, ein

Konstrukt wie jenes der Global Governance sei daher illusorisch. Bei dieser Kritik wird

ausgeblendet, dass Global Governance in keiner Weise den Verzicht auf den Nationalstaat

propagiert. Im Gegenteil, in den Augen von Dirk MESSNER und Franz NUSCHELER

wird der Nationalstaat auch in Zukunft die zentrale Instanz der Politik bleiben.

„Nationalstaaten, die nicht in der Lage sind, die skizzierten Gestaltungsaufgaben nach innen

wahrzunehmen, werden auch keine eigenständigen Beiträge zu Global Governance leisten können.

Schwache Nationalstaaten durch starke Global Governance-Strukturen stärken zu wollen, ginge daher

http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1998/november1998/eine-neue-weltpolitik--multilateralismus-statt-pax-americana.html. 248 Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 83. 249 Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 26.

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in die falsche Richtung.“250 Global Governance bedeutet in dieser Konsequenz keinesfalls das

Ende lokaler oder gar nationaler Politik.

Von großer Aussagekraft ist die Tatsache, dass nicht einer der in dieser Arbeit zitierten

bzw. im Literaturverzeichnis erwähnten Autoren das Konzept der Global Governance mit

einem Ableben des Nationalstaats gleichsetzt. Beide bedingen sich gegenseitig, um ihr

Funktionieren zu sichern, so die vorherrschende Meinung. Nach wie vor spielen

territorialstaatliche Akteure eine gewichtige, nicht zu ignorierende Rolle. Wichtig ist aber,

dass sie sich „verstärkt mit transnational operierenden zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Akteuren auseinandersetzen und ihre Position in grenzüberschreitenden Handlungszusammenhängen

jeweils neu bestimmen.“251

5.5.2 Globale Politiknetzwerke

Ein Bestandteil des Global Governance-Konzeptes sind die so genannten „Global Public Policy

Networks“ (auf deutsch wird der Begriff als „globale Politiknetzwerke“ übersetzt), bei

denen es sich um ein neuartiges Phänomen handelt. In den vergangenen Jahren haben

sich globale Politiknetzwerke auf zahlreichen Feldern, etwa Umweltschutz,

Korruptionsbekämpfung oder Arbeits- und Sozialstandards, zu zentralen Akteuren der

Globalisierung entwickelt und bilden Brücken zwischen Staaten, internationalen

Organisationen, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Sie leisten „themenfokussiert einen

Beitrag zu einer nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung.“252 Sie bringen Akteure zusammen,

die erkannt haben, dass nur gemeinsam eine solch nachhaltige Gestaltung möglich ist.

Nationalstaaten als auch internationale Organisationen haben realisiert, dass sie sowohl

zivilgesellschaftliche Akteure als auch Unternehmen, die in jüngster Vergangenheit die

Möglichkeiten genutzt haben, um ihre Aktivitäten transnational zu vernetzen, in

transnationale Politikprozesse einbinden müssen. „Globale Politiknetzwerke versuchen,

Vertreter möglichst aller für ein globales Problemfeld relevanten Akteure in einem informellen,

250 Messner, Dirk; Nuscheler, Franz. „Global Governance. Organisationselement und Säulen einer Weltordnungspolitik.“ In Weltkonferenzen und Weltberichte. Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, hg. Dirk Messner, Franz Nuscheler. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, 1996, S. 23. 251 Benner, Thorsten; Reinicke, Wolfgang H. „Politik im globalen Netz. Globale Politiknetzwerke und die Herausforderung offener Systeme.“ In Internationale Politik, Ausgabe August 1999. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1999/august99/politik-im-globalen-netz.html. 252 Benner, Thorsten; Reinicke, Wolfgang H.; Witte, Jan Martin. „Globale Politiknetzwerke – eine neue Art des Regierens.“ Mitbestimmung.de. URL: http://gppi.net/fileadmin/gppi/Globale_NetzMitbestimmung.pdf.

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nichthierarchischem Umfeld an einen Tisch zu bringen.“ 253 Eine zentrale Funktion globaler

Politiknetzwerke liegt im Bereich der Verhandlung von globalen Standards und Normen,

in denen ein relativ großes Konfliktpotential vorhanden ist. 254 Sie beruhen auf der

Einsicht, dass es keinem der beteiligten Akteure auf sich allein gestellt möglich ist, zu

tragfähigen Lösungen zu gelangen. Die wechselseitigen Abhängigkeiten sind hierfür zu

groß. Thorsten BENNER und Wolfgang REINICKE zufolge sind globale

Politiknetzwerke idealerweise „trisektoral“, 255 d.h. sie bilden Brücken zwischen dem

öffentlichen Sektor, der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsunternehmen. Michael ZÜRN

hat sie als „institutionelle Phantasie jenseits des Nationalstaates“ bezeichnet.256 Allerdings wird

der Nationalstaat auch in den Netzwerken weiterhin eine zentrale Rolle spielen. „Durch

Kooperation in globalen Politiknetzwerken können Staaten Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, müssen

jedoch gleichzeitig lernen, mit anderen Akteuren in ungewohntem Umfeld zusammenzuarbeiten und auch

neue Rollen zu übernehmen“257

Fest steht, dass globale Politiknetzwerke erst in der Entstehung begriffen sind. Sie

könnten aber in Zukunft „einen wichtigen Beitrag dazu leisten, grenzüberschreitende

Problemzusammenhänge in einer nachhaltigen Weise zu gestalten und auch Krisen vorzubeugen bzw.

Lösungsansätze aufzuzeigen.“258

253 Benner, Thorsten; Reinicke, Wolfgang H. „Politik im globalen Netz. Globale Politiknetzwerke und die Herausforderung offener Systeme.“ In Internationale Politik, Ausgabe August 1999. URL: http://www.internationalepolitik.de/ip/archiv/jahrgang1999/august99/politik-im-globalen-netz.html. 254-258 ebd.

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5.6 Zusammenfassung

Wie in den Kapiteln 5.2 und 5.3 ausführlich beschrieben, divergieren die Meinungen über die Zukunft

des Nationalstaates beträchtlich. Sowohl Befürworter als auch Skeptiker können zahlreiche rationale

Argumente anfügen, um ihre Position zu stützen, und die sich nur schwer widerlegen lassen. Welchem

Lager auch immer man zuneigt, es ist unzweifelhaft, dass der Prozess der „sozialen

Denationalisierung“ große Herausforderungen an die Effektivität stellt.

Michael ZÜRN weigert sich dennoch vom „decline of the nation state“ zu sprechen. „The

challenges are serious, yet the outcome is largely determined by political choices.”259 Auch

die zunehmende Bedeutung globaler Politiknetzwerke kann nicht darüber hinweg täuschen, „dass es

bisher keine langfristig ausgelegte Strategie auf Seiten politischer Entscheidungsträger für

den Umgang mit globalen politischen Prozessen gibt.“260

Der gewichtigste Punkt, der gegen eine Zukunft der Weltpolitik ohne Nationalstaaten spricht, ist indes

der Mangel an Alternativen. Das vorgestellte Konzept der Global Governance mag eine durchaus

realistische Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung und die globalen Risiken sein, doch ist

bislang nicht mehr als ein „brüchiges Projekt“, das sich nicht von heute auf morgen verwirklichen

lässt.261 Daher erscheint es mir sinnvoll, an dieser Stelle noch einmal auf die bereits erwähnten Worte von

Francis FUKUYAMA zurückzugreifen: Solange unklar bleibt, was an die Stelle der Nationalstaaten

treten soll, „„haben wir keine andere Wahl, als auf den souveränen Nationalstaat

zurückzugreifen und wieder zu lernen, wie man ihn stark und effizient macht.“262

259 Zürn, Michael. „Globalization and Global Governance: From Societal to Political Denationalization.“ In Globalisierung und Perspektiven internationaler Verantwortung - Problemstellungen, Analysen, Lösungsstrategien: Eine systematische Bestandsaufnahme, hg. Reinhard Meier-Walser, Peter Stein. München: K.G. Saur Verlag GmbH, 2004,, S. 429. 260 Benner, Thorsten; Reinicke, Wolfgang H.; Witte, Jan Martin. „Globale Politiknetzwerke – eine neue Art des Regierens.“ Mitbestimmung.de. URL: http://gppi.net/fileadmin/gppi/Globale_NetzMitbestimmung.pdf. 261 Vgl. Nuscheler, Franz. „Global Governance.“ In Internationale Politik im 21. Jahrhundert, hg. Mir A. Ferdowski. München: Wilhelm Fink Verlag, 2002, S. 83. 262 Fukuyama, Francis. „Staaten bauen: die neue Herausforderung internationaler Politik.“ Berlin: Propyläen, 2004, S. 169.

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6 Fazit

Ungeachtet der unüberschaubaren Fülle an wissenschaftlicher Literatur, scheint eine

Antwort auf die im Titel dieser Diplomarbeit gestellte Frage, ob die gegenwärtige

Globalisierung als Initialzündung für eine Welt ohne Nationalstaaten gelten kann, schnell

gefunden: Der Nationalstaat ist ein über zweihundert Jahre altes Gebilde, das – zumindest

in der nahen Zukunft – nicht verschwinden wird.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstand der Nationalstaat „in einer Welt noch relativ schwacher

wirtschaftlicher Verflechtung, geringer räumlicher Mobilität und Kommunikation zwischen den Menschen.

Staat und Territorium konnten […]in der Realität eine relativ in sich ruhende Einheit bilden.“ 263

Aufgrund dieser Voraussetzungen entwickelte sich der Nationalstaat in der Folgezeit

weltweit zur alles bestimmenden Institution über das politische, wirtschaftliche und

kulturelle Leben der Bürger. Erst in den vergangenen Jahrzehnten ist sein scheinbar

unaufhaltsamer „Siegeszug“ aufgehalten worden. Die rasant zunehmende internationale

Verflechtung in nahezu sämtlichen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens, die

unter dem Begriff „Globalisierung“ zusammengefasst wird, stellt seine Existenz und

Handlungsfähigkeit vor große Herausforderungen. In der heutigen Welt sind Wirtschaft

und Kultur nicht länger an nationale Grenzen gebunden.

Innerhalb der sozialwissenschaftlichen Disziplin existieren zahlreiche Perspektiven, wie

sich diese Entwicklung auf den Nationalstaat auswirken wird. In meiner Diplomarbeit

habe ich mich in erster Linie auf die Global Governance-Perspektive konzentriert. Dieses

Konzept versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die Welt in Zukunft regiert

werden kann. Die Kernaussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Kapitel 4):

1) Global Governance bedeutet nicht Global Government, also Weltstaat oder

Weltregierung;

2) Global Governance beruht auf verschiedenen Formen und Ebenen der

internationalen Koordination, Kooperation und kollektiven Entscheidungsbildung;

3) Global Governance unterläuft das traditionelle Verständnis von Souveränität.

Nationalstaaten müssen sich mit „geteilten Souveränitäten“ zurecht finden, um

ihre Handlungs- und Problemlösefähigkeit nicht einzubüßen;

263 Oberndörfer, Dieter. „Der Wahn des Nationalen. Die Alternative der offenen Republik.“ Freiburg: Verlag Herder, 1993, S. 19.

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4) Innerhalb des Global Governance-Systems arbeiten staatliche und nichtstaatliche

Akteure von der globalen bis zur lokalen Ebene zusammen – auch „public private

partnership“ genannt;

Der wichtigste Punkt aber ist, dass die Nationalstaaten die tragenden Pfeiler der Global

Governance-Architektur bleiben. Ohne ihre Existenz würde das Konzept nicht

funktionieren. Genau diese Tatsache macht das Global Governance-Konzept meines

Erachtens zur momentan tragfähigsten und realistischsten Alternative für die Gestaltung

einer zusammenwachsenden Welt. Auf regionaler Ebene funktioniert das System bereits

in Ansätzen. Die Europäische Union ist das zweifelsohne erfolgreichste Beispiel für

Regional Governance, doch auch andernorts sind bedeutende staatenübergreifende

Zollunionen oder Freihandelszonen wie NAFTA, MERCOSUR oder APEC entstanden.

Trotz allem darf man nicht außer Acht lassen, dass das Projekt der Global Governance

bislang lediglich eine Zielprojektion darstellt, die sich mit zahlreichen ungelösten

Problemen konfrontiert sieht, und nicht von heute auf morgen verwirklichen lässt.

Konsequenterweise sehen Kurt HÜBNER und Ulrich PETSCHOW den Nationalstaat

weiterhin in der Pflicht. Die Nationalstaaten hätten keineswegs abgedankt, „im Gegenteil: In

einem neuen weltwirtschaftlichen Rahmen kommt ihnen die Aufgabe zu, den Globalisierungsprozess zu

steuern und für einen dynamischen Ausgleich der Interessen von Verlierern und Gewinnern zu sorgen.“264

Auch Thomas GIL behauptet, dass die Globalisierung den Nationalstaat nicht überflüssig

macht, sondern lediglich depotenziert. Seine Aufgabe wandelt sich von der „stets und

überall intervenierenden Subordination zur distanzierten, eingeschränkten Koordination.“265

PERRATON u.a. betonen, dass Nationalstaaten schon immer gezwungen waren, auf

externe Akteure zu reagieren, da Handelsbeziehungen stets die territorialen Grenzen der

Einzelstaaten überschritten haben. Je nach Zeit und Land haben sich neue Formen der

Zusammenarbeit zwischen internationalen Akteuren und nationaler Macht heraus gebildet.

So hat Michael ZÜRN sicherlich Recht, wenn er behauptet, dass die heutigen Probleme

des Regierens in einer denationalisierten Welt ohne internationale Institutionen kaum zu

bewältigen wären. 266 Selbiges ließe sich aber auch bei einem Fehlen des Nationalstaates

konstatieren. Der US-amerikanische Soziologe Daniel BELL hat diese Tatsache in einem

264 Hübner, Kurt; Petschow, Ulrich. „Spiel mit Grenzen: ökonomische Globalisierung und soziale Kohäsion.“ Berlin: Edition Sigma, 2001, S. 161. 265 Gil, Thomas. „Staatsaufgaben. Zur Legitimation politischer Herrschaft.“ Berlin: Morus Verlag, 2003, S. 49. 266 vgl. Zürn, Michael. „Regieren im Zeitalter der Denationalisierung.“ In Politik im 21. Jahrhundert, hg. Claus Leggewie, Richard Münch. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2001, S. 430.

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berühmten Zitat auf den Punkt gebracht: „Am Ende der Weltära ist der Nationalstaat zu klein,

um große Probleme zu lösen, aber zu groß, um die kleinen Probleme zu lösen.“ 267 Zusammen fassend

lässt sich konstatieren, dass es falsch wäre im Falle der Globalisierung von einem völligen

Verlust nationaler Souveränität zu sprechen.268

Fest steht, dass es im Moment schlicht und ergreifend keine überzeugenden und

funktionsfähigen Alternativen zum System der Nationalstaaten gibt. Selbst jene Stimmen,

die ein Ableben des Nationalstaates voraussehen bzw. es sogar befürworten, wissen nicht,

was an seine Stelle treten soll. Optionen wie das Entstehen eines Weltstaates, einer

Weltregierung oder einem System offener Republiken, wie es Dieter OBERNFÖRFER

propagiert, 269 erscheinen allesamt unrealistisch. Das Beispiel der Europäischen Union

macht deutlich, wie schwierig es bereits auf regionaler Ebene ist, die zahlreichen

verschiedenen Interessen der Staaten und seiner Bürger auf einen gemeinsamen Nenner

zu bringen. Offenbart wurde diese Tatsache in jüngster Vergangenheit durch den Versuch,

der Europäischen Union eine Verfassung zu geben, ein Prozess, der – nach Ablehnung

der niederländischen und französischen Wahlberechtigten - in einem Kompromisspapier

endete, das den nüchternen Namen „EU-Vertrag“ trägt. Auf eine gemeinsame Fahne und

Hymne wurde verzichtet, da diese unter den Bürgern der einzelnen Staaten über keinerlei

Legitimation verfügen würde. Auf globaler Ebene erscheint eine ähnliche Entwicklung

angesichts der Vielzahl an Völkern und Kulturen undenkbar.

Natürlich vermag niemand zu sagen, ob dies in 50 oder mehr Jahren noch immer der Fall

sein wird. Vermutlich hätte Mitte des vergangenen Jahrhunderts kein

Sozialwissenschaftler oder Politiker ernsthaft hervorzusagen gewagt, dass ein Kontinent,

auf dem zwei Weltkriege zwischen verfeindeten Nationen ausgetragen wurden, in naher

Zukunft über ein gemeinsames Parlament und eine gemeinsame Währung verfügen

würde. Aus gegenwärtiger Perspektive lässt sich das Fazit meiner Diplomarbeit am

267 Zitiert nach: Giddens, Anthony. „Die große Globalisierungsdebatte.“ In „Globalisierungswelten. Kultur und Gesellschaft in einer entfesselten Welt“, hg. Marcus S. Kleiner., Helmut Strasser. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2003, S. 38. 268 vgl. Perraton, Jonathan; Goldblatt, David; Held, David; McGrew, Anthony. „Die Globalisierung der Wirtschaft“ In „Was ist Globalisierung?“, hg. Ulrich Beck. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 138 f. 269 Oberndörfer, Dieter. „Der Wahn des Nationalen. Die Alternative der offenen Republik.“ Freiburg: Verlag Herder, 1993.

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treffendsten mit den Worten von William PFAFF beschreiben: „Der Nekrolog des

Nationalstaats bleibt noch zu schreiben.“270

270 Pfaff, William. „Nationalstaat ohne Zukunft?“ In Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 02/2000, S. 165.

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Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die

angegebenen Hilfsmittel und Quellen benutzt habe.

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