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Die Goldnerin

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Nr. 1919

Die Goldnerin

Zwischenstation auf Leilanz XI - siefinden eine wichtige Spur

von Susan Schwartz

Seit Perry Rhodan im Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entsprichtdem Jahr 4875 alter Zeit - die mysteriöse Brücke in die Unendlichkeit betreten hat,wurde der Terraner in Ereignisse von großer Bedeutung verwickelt. Mit seinem lang-jährigen Freund Reginald Bull geriet er beispielsweise in die Galaxis Plantagoo undkonnte dort gerade noch im letzten Moment einen galaktischen Krieg eindämmen.

Reisen in andere Regionen des Kosmos sowie Besuche auf der Erde machtenPerry Rhodan eines klar: Die Menschheit ist erneut im Spannungsfeld kosmischerMachte gelangen, muß wieder einmal in einem Konflikt mitwirken, von dem sie bis-lang nicht einmal etwas ahnte.

Die eine Seite dieses Konfliktes ist mittlerweile gut bekannt: Es ist die KoalitionThoregon, die für den Frieden im Kosmos und die Freiheit des einzelnen eintritt. ZurKoalition gehören sechs verschiedene Volker in verschiedenen Galaxien - und einesdieser Völker sind neuerdings die Terraner.

Über den Gegenspieler weiß man jedoch nicht soviel. Bekannt ist bislang nur, daßein Wesen namens Shabazza als sein Handlanger großes Unheil über mehrere Ga-laxien gebracht hat, auch über die heimatliche Milchstraße.

Um Shabazzas Aktivitäten zu stoppen, muß Rhodan, der neuerdings als SechsterBote von Thoregon »eingesetzt« wurde, zuerst sein altes Raumschiff, die SOL zu-rückerobern. Die Reise führt In die WhirIpool-Galaxis - und dort treffen Rhodan undseine Begleiter auf DIE GOLDNERIN …

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Die Hautpersonen des Romans:Eismer Störmenengord - Der Bebenforcher trifft eine Goldnerin.Mondra Diamond - Die ehemalige Agentin betätigt sich als Einbrecherin Perry Rhodan - Der Terranersieht eine wichtige Spur.Poulton Kreyn - Der Ertruser entwickelt freundschaftliche Gefühle Tautmo Aagenfelt - DerHyperphysiker wächst über sich hinaus.

1.Aus den Aufzeichnungen Eismer

Störmengords

Ich bin ein Bebenforscher. Einer von we-nigen tausend. Unser Ziel ist, irgendwanneinmal herauszufinden, woher die Kesselbe-ben kommen. Deshalb reise ich mit meinerGLIMMER durch die Galaxis und versucheherauszufinden, wo das nächste Kesselbebenstattfinden könnte.

Glücklicherweise sind die Reparaturarbei-ten endlich beendet. Meine GLIMMER istwieder so gut wie neu; man könnte fast sa-gen, sie »goldnert« wieder, um eine alte Re-dewendung aufzugreifen. Aber daran sollteich lieber nicht denken, es erinnert mich zusehr an die alte Heimat.

Jetzt könnte ich meine Arbeit wieder vol-ler Elan aufnehmen, wenn … ja, wenn danicht diese Fremden wären, die mir nach wievor zur Last fallen.

Sie sind jeder für sich sehr freundlich,teilweise sogar eindrucksvolle Persönlich-keiten. Zugleich aber sind sie von einer auf-dringlichen Art, die ich bislang auf allenPlaneten der Doppelgalaxis noch nicht sogefunden habe. Ich habe mich doch tatsäch-lich von ihnen mehr oder weniger überredenlassen, sie zu ihrem gewünschten Ziel zubringen.

Darunter wird nicht nur meine Arbeit lei-den, sondern wahrscheinlich sogar meinSchiff. An der GLIMMER wird bald nichtsmehr »goldnern«, wenn das so weitergeht.

Vor allem dieser Riese! Er ist fast doppeltso groß wie ich, an sein unglaubliches Ge-wicht möchte ich gar nicht denken, und erstolpert dauernd zerstörerisch wie ein pro-longidisches Flaxet herum. Was Poulton

Kreyn bereits alles mit seinen schweren Trit-ten und den ungeschickten Pranken zertram-pelt, zerbrochen und zerquetscht hat, kannich kaum mehr auflisten.

Aber was soll ich tun? Wenn dieser Ertru-ser seine Stimme erhebt, habe ich das Ge-fühl, in ein Kesselbeben zu geraten - keineÜbertreibung. Der Klang seiner Stimmekommt dem tosenden Inferno eines explo-dierenden Vulkans nahe. Zudem ist er mei-stens schlechter Laune, und er ist die ganzeZeit hungrig.

Da ich es gewohnt bin, allein zu sein,weiß ich nicht, wie ich so jemandem begeg-nen soll. Ich habe ihn höflich darauf auf-merksam gemacht, etwas rücksichtsvoller zusein, aber das nutzte nichts. Vielleicht hat ermich nicht gehört, immerhin muß ich vonweit unten zu ihm nach oben schreien. Aller-dings achtet er ebenso selten auf das, wasseine Gefährten zu ihm sagen.

Um die Fremden durch ein falsches Ver-halten nicht zu beleidigen, habe ich mit Per-ry Rhodan über die erforderliche Rücksicht-nahme gesprochen. Der Terraner hat mir zu-gesichert, sich darum zu kümmern. Ich hof-fe, daß er damit Erfolg haben wird. Allzuoptimistisch bin ich allerdings nicht, dennmeine merkwürdigen Passagiere streitenziemlich viel untereinander - oder schwei-gen sich an.

Ich bin Bebenforscher. Ich habe Dutzendeund aber Dutzende von Planeten und Völ-kern besucht.

Aber ich würde wohl Jahrhunderte brau-chen, um das Verhalten meiner Mitreisendenverstehen zu lernen. Am liebsten würde ichsie einfach irgendwo aussetzen.

Das aber traue ich mir nicht zu. Sie sindmir zahlenmäßig und vor allem körperlichüberlegen. Da ist es wohl besser, einen

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Kompromiß zu schließen:Ich führe mein Schiff weiterhin selbst,

und wenn sie am Ziel sind, bin ich sie fürimmer los. Solange muß meine Arbeit ru-hen.

Vielleicht ist ein wenig Abwechslung die-ser Art nicht einmal schlecht. Zu lange warich als Einzelgänger unterwegs.

Ich darf darüber hinaus nicht vergessen,daß ich meinen Gästen eine zweite Chanceverdanke. Insofern fühle ich mich in gewis-ser Weise verpflichtet, ihnen zu helfen.

Dumm sind sie nicht, das muß man ihnenlassen. Wie sie das Problem mit den überle-benden Setchenen gelöst haben, war nichtnur mutig, sondern überaus geschickt.

Das war für mich übrigens ein Anstoß.Ich sollte mich einmal mit den wichtigstenVertretern des Tampa-Konsortiums und demDirektorium von Zophengorn zusammenset-zen - sofern ich überhaupt eine Audienz beidiesen mächtigen Wesen bekomme. Dasaber wird eines meiner Ziele in den nächstenJahren sein müssen.

Wir müssen eine Lösung zur Rettung dervon den Kesselbeben betroffenen Völkerfinden - eine Wachflotte vielleicht, die imNotfall schnell vor Ort ist, die Evakuierungunterstützt und auch den Transport mit über-nehmen kann. Das schlimmste Hindernisdürfte dabei die Finanzierung sein, doch dasist kaum mein Problem. Ich möchte nur jetztetwas tun.

Wie üblich habe ich mich streng aus denKonflikten der Setchenen und der Propterenherausgehalten, aber trotzdem beschäftigt esmich. Mehr, als es dürfte … Ich darf das al-les nicht zu nahe an mich herankommen las-sen, sonst kann ich meine Aufgabe nichtmehr erfüllen.

Ich bin Bebenforscher. Das heißt, mitmeiner GLIMMER versuche ich herauszu-finden, wo das nächste Kesselbeben stattfin-det - und dann warne ich die Bevölkerungdes betreffenden Sonnensystems.

Mein Problem dabei: Wenn ich die War-nung ausgesprochen habe, bleibt den Be-wohnern des Systems nur eine sehr kurze

Frist zur Flucht …Ich habe schon Dutzende von Planetenbe-

völkerungen vor meinen Augen sterben se-hen. Und ich konnte nie etwas tun, schautejeweils ohnmächtig zu.

Ich bin ein Bebenforscher. Es ist meinLos, ohnmächtig zuschauen zu müssen.

Doch ich kann diese Dinge auch nichteinfach abstreifen. Deshalb werde ich dem-nächst etwas unternehmen, wenn ich endlichwieder allein bin.

Einigermaßen sensibel scheinen meinePassagiere ja zu sein. Immerhin sprechen sienicht mehr über die Setchenen. In gewisserWeise scheinen sie die Verhaltensweise an-derer zu respektieren.

Wobei mir das Vorgehen dieses PerryRhodan im nachhinein immer besser gefällt.Ich hätte zugeschaut, wie die Setchenen allesterben - weil ich ja nichts machen konnte.Er aber hat zumindest versucht, sie zu retten.

Perry Rhodan hörte auf einmal MondraDiamonds Stimme hinter sich. Langsamdrehte er sich um.

»Ich glaube, ich habe dich das schon malgefragt. Perry, im Januar oder so«, sagte sie.»Irgendwie weiß ich es immer noch nicht:Wie will ein derart unterbesetzter und teil-weise unterbelichteter Haufen wie wir mitder SOL zurechtkommen?«

Derzeit waren sie alle auf der GLIMMERvon Salmenghest Richtung DaGlausch un-terwegs - zum größeren Teil der Doppelga-laxis, die in der heimatlichen Milchstraße alsWhirlpool bekannt war.

Als Ort hatte Perry Rhodan eine kleineAussichtskanzel gewählt, die wie der größteTeil der GLIMMER mit weichen Teppichenausgelegt war Abgesehen von ein paar Stüh-len und einem zweisitzigen Sofa gab es kei-ne Einrichtung.

An den Wänden allerdings befanden sichnicht die üblichen Behänge, sondern groß-formatige, handgearbeitete, aufwendig ge-rahmte Bilder, deren Thema das Universumwar - auf die unterschiedlichste phantasie-volle Weise gestaltet. Ein krasser Gegensatzzu dem schlichten, lediglich von wenigen

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Lichtpunkten durchbrochenen Samtschwarz,das sie im Normalraum umgab.

Perry Rhodan drehte sich zu der attrakti-ven Frau um, die als Zirkusartistin gearbeitethatte, bevor sie sich für den Terranischen Li-ga-Dienst engagiert hatte.

»Wenn ich mich recht erinnere, habe ichdir geantwortet, daß wir einen Weg findenwerden.«

»Du hast vergessen hinzuzufügen: alleszu seiner Zeit«, lächelte Mondra. »Doch die-se Zeit kann sehr schnell kommen, da wiruns unserem Ziel unaufhaltsam nähern.«

Das ernste Gesicht des Aktivatorträgershellte sich für einen Moment auf. Er gab dasLächeln zurück.

»Zuerst einmal müssen wir das Schiff fin-den«, fuhr Rhodan fort. »Das ist schon eineziemliche Hürde Nach wie vor haben wirnur die ungefähren Koordinaten als Anhalts-punkt - einen Raumsektor von etwa zehnLichtjahren Durchmesser.«

»Das ist bekanntlich nicht nur sehr vage,sondern kann auch erhebliche Komplikatio-nen bedeuten. DaGlausch ist nicht geradeein Platz für Eremiten. Aber das hält dichnicht ab, und ich verstehe das. Immerhin istes dein Schiff, Perry - und längst eine dergroßen Legenden der neueren terranischenGeschichte.«

Mondra Diamond zwinkerte Perry Rho-dan zu. Ihre grünen Augen bildeten einenfaszinierenden Kontrast zu der schwarzenHaarmähne und der dunklen Haut.

»Diese Lektion habe ich gern gelernt«,gestand sie. »Was hast du für ein Gefühl da-bei?«

»Es ist seltsam, aber es kommt mir so vor,als würde ich einen alten Freund nach langerAbwesenheit zurückerwarten«, antworteteRhodan. »Natürlich ist die SOL prinzipiellnichts weiter als ein Schiff, ein Haufen Me-tall und Technik - trotzdem ist sie auf ihreWeise einzigartig. In den vergangenen Jahr-hunderten habe ich manchmal an sie ge-dacht, in welche Bereiche sie inzwischenwohl vorgestoßen sein mag - und mit wel-cher Besatzung.«

»Und ich denke jetzt öfter darüber nach«,meinte sie. »Du mußt darauf gefaßt sein, daßdu die SOL vermutlich nicht wiederer-kennst. Sie kann schon sehr lange in Sha-bazzas Diensten stehen und wird nicht nurtechnisch, sondern auch äußerlich verändertsein. Daran denke ich am allermeisten - wasunser geheimnisvoller großer Shabazza imHintergrund genau damit zu tun hat und obwir ihm endlich einmal näher kommen.«

»Manches muß man einfach abwarten,Mondra, es bringt nichts zu spekulieren.Wer weiß, vielleicht gewinnen wir bis dahinVerbündete, die uns bei der Eroberung derSOL behilflich sein werden. Glücklicher-weise hat sich die Beziehung zu EismerStörmengord verbessert, so daß wir wenig-stens eine Transportmöglichkeit bis zu unse-rem Ziel haben.«

»Und es ist nicht einmal die schlechteste,Perry.«

*

Die Zentrale der GLIMMER unterschiedsich in ihrem nüchternen technischen Am-biente deutlich von den übrigen aufwendi-gen Teilen der Yacht, die häufig einen ver-spielten Charakter aufwiesen.

Eismer Störmengord nahm mittlerweileselten Anstoß daran, wenn seine Gäste in dieZentrale kamen. Der Goldner nahm dieKenntnisse Tautmo Aagenfelts und Ska Ki-jathes sogar ausgesprochen gern in An-spruch; der Physiker und die Computerspe-zialistin besaßen einen umfangreichen Wis-sensschatz.

Trotzdem mußten auch die beiden zuge-ben, daß es mit den gegebenen Mitteln keineMöglichkeit gab, heil durch den instabilenSchnittpunkt zwischen den beiden Galaxien,den sogenannten Kessel, zu gelangen. DerUmweg durch den interstellaren Leerraummußte zwangsläufig in Kauf genommenwerden.

»Trotz der Tragödie für die Setchenenscheint es einen schmalen Lichtblick am Ho-rizont zu geben«, schnitt der Hyperphysiker

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gerade ein Thema an, das seit einigen Tagenvermieden worden war.

Es war erst wenige Wochen her, seit einKesselbeben über das Quar-System herein-gebrochen war und alles vernichtet hatte -alle Planeten und natürlich alle Bewohnerdes Systems. Milliarden von Setchenen hat-ten den Tod gefunden.

Perry Rhodan und seine Gefährten hattensich im letzten Augenblick den Zugang zurGLIMMER erzwungen und einen halsbre-cherischen Notstart hingelegt. Vom Welt-raum aus hatten sie den Untergang einesblühenden Systems mit ansehen müssen.

Die Yacht hatte bei dem Blitzstart erhebli-chen Schaden genommen und mußte daherdas nahe gelegene Propter-System zur Repa-ratur ansteuern - das auch die Setchenen alsFluchtpunkt gewählt hatten.

Eismer Störmengord hatte sich absolutkaltschnäuzig verhalten, als die bereits er-heblich reduzierte Flotte des emigriertenEchsenvolkes im Propter-System angekom-men und von den Propteren angegriffenworden war. Trotz Rhodans Bitte hatte derBebenforscher sich geweigert, dem verzwei-felten Volk zu Hilfe zu kommen und sch-lichtend in die Kämpfe einzugreifen.

Der besondere Status des Bebenforschershätte zumindest für einen Waffenstillstandgesorgt - niemand hätte es gewagt, eines die-ser geheimnisvollen Wesen anzugreifen.

Perry Rhodan und seine Gefährten hattendaraufhin das Kommando über die GLIM-MER übernommen.

Eismer Störmengord hatte dies notgedrun-gen hingenommen, aber sich weiterhin ge-weigert, den Setchenen zu helfen.

Den Terranern war es schließlich gelun-gen, eine Einigung zwischen den Propterenund den Setchenen zu erzielen. Das Volk derEchsenabkömmlinge mußte sich zwar aufvöllig veränderte Umweltbedingungen ein-stellen, doch wenigstens hatten die Setche-nen eine neue Heimat gefunden.

»Ich hoffe, daß sie es schaffen werden,sich an die Kälte und Feuchtigkeit zu ge-wöhnen«, fügte Tautmo Aagenfelt hinzu.

So unmittelbar den Untergang eines gan-zen Volkes mitzuerleben bedrückte ihn,auch jetzt noch Er mußte darüber sprechen,und da es niemanden an Bord gab, der ihmnahe genug für geduldiges Zuhören undeinen tröstenden Zuspruch stand, war dieserMoment so gut wie jeder andere.

»Wir haben getan, was wir konnten«, sag-te die kahlköpfige Terranerin. »Und wirwollen hoffen, daß wir so etwas nicht nocheinmal miterleben müssen.« Sie warf Taut-mo einen mahnenden Blick zu.

Der Bebenforscher schwieg. Er hatte sichanfangs von Rhodan heftige Vorwürfe anhö-ren müssen, weil er nichts für die Setchenenunternommen hatte. Obwohl er nicht derAnsicht war, sich rechtfertigen zu müssen,hatte er seinen »Gästen« indirekt den Grundfür sein Verhalten genannt - indem er ihnendie Geschichte seines Lebens erzählt hatte.

In diesem Moment gab es eine willkom-mene Unterbrechung; Treul und Goriph ka-men auf Norman in die Zentrale geritten. Siehatten den kleinen indischen Elefanten in-zwischen gut trainiert. Den beiden Swoonsbereitete es Vergnügen, sich zur Abwechs-lung einmal auf Normans Rücken statt mitGravojets fortzubewegen, und der Kleinewar froh über die Abwechslung. So schau-kelten sie manchmal im Elefantentrab durchdie GLIMMER, ein überaus skurriler An-blick.

»Wie sieht's aus?« erklang Goriphs zarteStimme über den Verstärker.

»Wir haben bald den Rand vonDaGlausch erreicht«, erläuterte Eismer Stör-mengord. »Dort werden wir einen Zwi-schenstopp einlegen, damit ich mich überdie neuesten Meldungen informieren kann.Danach können wir ohne Aufenthalt zu eu-ren gewünschten Koordinaten Weiterrei-sen.«

Obwohl sie nun schon geraume Zeit mitdem zwergenhaften, hakennasigen Wesenzusammen waren, konnten sowohl Terranerals auch Swoons immer noch keine Gefühls-regungen von seinem faltenreichen Gesichtablesen. Seine entstehenden schwarzen Au-

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gen zeigten keinen Ausdruck.»Wahrscheinlich bist du froh, uns dann

endlich los zu sein«, sagte Tautmo munter,um eine Reaktion aus ihm herauszulocken.

Der Beben forscher wandte sich still sei-nen Kontrollen zu, ohne eine Miene zu ver-ziehen.

»Die GLIMMER wird mir jedenfalls feh-len«, fuhr Tautmo ungerührt fort. »Manchemögen deine Sachen vielleicht als Kitsch be-zeichnen, aber ich finde die Einrichtung sehrgemütlich, und …«

»Sie ist wertlos«, unterbrach Eismer.»Bebenforscher sind nicht reich. Ich habe al-les auf billigen Märkten zusammengesam-melt. «

»Es sind Erinnerungsstücke mit einer Ge-schichte«, widersprach Tautmo. »Das istmehr wert als jeder materielle Reichtum,Eismer. Könntest du denn mit einem HaufenMiro etwas anfangen, bei deiner Professi-on?«

»Nein«, gab der Zwerg zu. »Es ist wahr,die Bebenforschung ist meine Berufung, undmein Streben dient einzig dazu, mehr überdie Kesselbeben und damit über das Endemeines Volkes herauszufinden. Aber du ver-stehst es nicht:

Meine Einrichtung hat auch keinen ideel-len Wert, nichts davon hat eine Geschichte.«

»Aber es ist doch wie eine Dokumentati-on deines Lebens …«, sagte Tautmo betrof-fen.

»Mein Leben ist hier drin.« Der Zwergtippte an seine Stirn »Ich könnte alles vormir sehen, wenn ich es mir ins Gedächtnisriefe. Dazu brauche ich diese Stücke nicht.Ich umgebe mich mit ihnen, weil ich keineandere Heimat habe und mich wohl fühlenwill. Wenn mir etwas nicht mehr gefällt,werfe ich es weg und kaufe etwas anderes.Aber wegen einer Erinnerung aufbewahren?Erinnerungen muß man mit anderen teilenkönnen, sonst sind sie nichts wert. Das istes, was ich meinte.«

»Ich verstehe dich«, erklang eine weitereStimme im Raum.

Die Stimme klang relativ tief und ein we-

nig rauh, aber warm. Reginald Bull war un-bemerkt hinzugekommen und hatte die Un-terhaltung wohl größtenteils gehört.

»Ja, ich verstehe dich wirklich. EismerStörmengord«, fügte der Terraner nachdenk-lich hinzu, der bei der ersten Mondlandungan der Seite Perry Rhodans gewesen war.

*

»Ich hab's nicht verstanden«, gestandTautmo Aagenfelt, nachdem der Bebenfor-scher sie mehr oder minder höflich aus derZentrale geworfen hatte, weil er für die fol-genden Schaltungen allein sein wollte.

»Natürlich nicht, du bist ja auch relativjung«, versetzte der rothaarige Unsterblichefreundlich. »Du klammerst dich an vieleDinge, die dir mit zunehmendem Alter zuse-hends unwesentlich erscheinen werden. Be-trachte es doch mal so: Eismer hat seit lan-ger Zeit keinen seines Volkes mehr gesehen.Es gibt nur noch wenige Goldner, die mei-sten, einschließlich seiner Familie, hat erdurch das Kesselbeben verloren. Der hochangesehene Status des Bebenforschers for-dert überdies den Preis der Einsamkeit.Weshalb, meinst du, macht er unsere Eska-paden so geduldig mit?«

»Du meinst, er ist froh, daß unsere Gesell-schaft ihm eine lange erwünschte Abwechs-lung bringt?«

»Ganz sicher. Er kann zudem fachlichnoch einiges lernen. Vor allem von dir.«Bully lächelte den Hyperphysiker freundlichan. »Der Goldner nutzt die Gunst der Stun-de. Wenn er uns abgesetzt hat, kann er sei-nem Ehrgeiz wieder nachgeben, ob ein paarWochen oder Monate später, spielt in die-sem Fall keine Rolle. Eines Tages wird erseine erste Bebenhaft überstehen und ins Di-rektorium aufgenommen werden.«

Wer zum Direktorium gehören wollte,mußte mindestens eine Bebenhaft hinter sichbringen - das traf jedoch stets auf höchstensein Dutzend Forscher der ganzen Doppelga-laxis zu. Diesen sogenannten Bebenvetera-nen wurden fast schon präkognostische Be-

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ziehungen zu den Kesselbeben nachgesagt.»Daher war er wohl in irgendeiner froh,

daß wir die Rettung der Setchenen in dieHand genommen haben«, sagte Goriph.

Die Swoon-Frau und ihr Gefährte saßenimmer noch auf Norman, der mit leichtnickendem Kopf zwischen den beiden Män-nern hertrippelte.

»Er hätte es seelisch nicht verkraftet,wenn sie alle gestorben wären«, mutmaßtesie. »Deshalb hat er sich total abgeschottet.Dafür ist er uns ebenfalls dankbar.«

Treul stieß einen seufzenden Laut aus.»Er tut mir leid, das kann ich euch sagen.Auch wenn er ein schönes Schiff besitzt, allein der Galaxis einen Bückling vor ihm ma-chen und er vor niemandem Angst zu habenbraucht - ich beneide ihn wahrhaftig nichtum seine Stellung.«

2.

Wie angekündigt legte Eismer Störmen-gord einen kurzen Halt am Rand vonDaGlausch ein, um sich über das aktuelleGeschehen zu informieren. Sämtliche Besat-zungsmitglieder der zerstörten KAUR-RANG drängten sich mit ihm in der Zentra-le, um sich zu orientieren.

Der Bebenforscher überließ es seinen Gä-sten, sich beliebig mit den Ortungssystemenzu beschäftigen, während er über die nächst-gelegene Relaisstation per Hyperfunk dieManuale von Zophengorn abrief. Wie bei je-dem Rundbrief waren die jüngsten Beben-warngebiete aufgelistet, dazu neueste For-schungsergebnisse, personelle Veränderun-gen und technische Neuerungen.

»Großartig!« stieß der Goldner unerwartetaufgeregt hervor, nachdem er die Informa-tionen aufmerksam studiert hatte »Wer hättedas gedacht!«

Zum ersten Mal schien er in eine regel-rechte Gefühlswallung geraten zu sein; aufseiner bläulichen Gesichtshaut bildeten sichhektische dunkle Flecken.

»Eine gute Nachricht?« erkundigte sichPerry Rhodan.

»Das kann man wohl sagen!« lautete dieAntwort. »Das Tampa-Konsortium vertreibtseit kurzer Zeit ein neues Ortersystem, dasden gesamten Markt revolutioniert! Es eig-net sich speziell für den Einbau in kleineSchiffe wie meines. Das werde ich sofort or-dern!«

»Wenn es so neu ist, ist es bestimmt teu-er«, gab Mondra zu bedenken.

»Das ist kein Problem, Bebenforscher er-halten Sonderkonditionen - schließlich wer-den sie vom Tampa-Konsortium bezahlt!«

Eismer verzog den Mund zu einem durch-aus menschlich anmutenden Lächeln undentblößte dabei seine haifischartig gezacktenZähne. Mit seinen geschickten sechsfingri-gen Händen bearbeitete er hektisch die Kon-trollen.

»Großartig!« wiederholte er gleich daraufseinen freudigen Ausruf von vorher. »Dernächste Handelsplatz dafür ist auf LeilanzXI! Das ist ja nur eine geringe Entfernungvon hier!«

»Das heißt, du willst einen Umweg ma-chen?« fragte Reginald Bull vorsichtig.

Er bemerkte den aufblitzenden Unwillenin den graublauen Augen seines ältestenFreundes. Auch Poulton Kreyn machtedurch ein walroßartiges Schnauben deutlich,daß er mit der Verzögerung nicht einverstan-den war.

»Selbstverständlich«, antwortete der Be-benforscher verdutzt.

»Ich hoffte, wir könnten ohne Verzöge-rung weiterfliegen«, bat Rhodan höflich -und erlebte eine Überraschung.

Der nicht einmal eineinhalb Meter großeZwerg wirbelte zu ihm herum und baute sichbreitbeinig vor ihm auf. Unter dem langen,alles verhüllenden schwarzen Mantel schau-ten zwei sehr breite Füße hervor, die in rotenStiefeln steckten.

»Hör zu, Perry Rhodan!« begann Eismerzornig. »Ich bin dir dankbar, daß du mir dasLeben gerettet und gleichzeitig eine zweiteChance ermöglicht hast. Ich habe es deswe-gen hingenommen, daß du meine Yachtmehrmals eigenmächtig übernommen hast.

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Darüber hinaus habe ich mich bereit erklärt,euch an einen Ort zu bringen, zu dem ihr un-bedingt hinwollt. Solange ruht meine über-aus wichtige Arbeit, und ich muß mich erstwieder neu orientieren, nachdem ich euchabgesetzt habe, was ebent falls Zeit in An-spruch nimmt. Das alles ist in Ordnung - bishierher.«

Eismer Störmengord zog seinen licht-schluckenden Mantel enger um sich undstraffte seine Figur. Durch seinen Zorn wirk-te er größer und eindrucksvoller.

»Laß dir jetzt ein für allemal etwas gesagtsein, Perry Rhodan: Dieses Schiff gehörtmir; ihr seid meine Gaste, noch dazu unent-geltlich. Ich allein bestimme den Kurs. EuerTransport bringt für mich keinerlei Vorteileund kostet zudem viel Zeit. Euer Anliegenhat galaktisch gesehen überhaupt nichts mitDaGlausch oder Salmenghest zu tun, da ihraus der Milchstraße kommt und nach einemObjekt sucht, das von dort gekommen ist.Euer Anliegen hat für mich und meine Auf-gabe deshalb keinerlei Bedeutung.«

Eismer machte einen Schritt nach vom,um seinen Worten noch mehr Nachdruck zuverleihen und deutlich zu machen, daß erweder spaßte noch zu irgendeinem Kompro-miß bereit war.

»Wirklich bedeutend aber ist diese Infor-mation der Tampa. Für uns Bebenforscherkann es kaum etwas Wichtigeres geben. Jebesser die Orter sind, desto genauer werdenunsere Vorhersagen. Jede noch so kleineVerbesserung kann uns einen großen Schrittweiterbringen und vielleicht einmal in Zu-kunft den Untergang eines so bedauernswer-ten Volkes wie der Setchenen verhindern.Wenn dir kein Grund wichtig genug erschei-nen mag, dann vielleicht dieser! Daher wirstdu jetzt endlich, endlich einmal den Mundhalten und mir dankbar sein, daß ich keinengrößeren Umweg mache!«

Als Eismers Stimme verhallt war,herrschte für ein paar Sekunden verlegenesSchweigen. Dann lachte Poulton Kreyndröhnend.

»Donnerwetter, Perry, jetzt hat er's dir

aber gegeben!« Der Ertruser stampfte zudem Goldner und tippte seine Schulter vor-sichtig mit einem mächtigen Zeigefinger an.»Du gefällst mir, Kleiner! Du bist in Ord-nung!«

Norman trompetete übermütig, zum er-sten Mal war der kleine Elefant vor der ge-waltigen Stimme nicht davongelaufen. DerKleine konnte die gute - und daher unge-fährliche - Laune des ertrusischen Riesenspüren.

Eismer Störmengord wirkte für einen Mo-ment verwirrt, dann ließ er sich in seinemPilotensessel nieder und machte sich an denKontrollen zu schaffen, um den neuen Kurseinzugeben.

Perry Rhodan sagte nichts. Der Terranerschien nicht einmal verärgert zu sein.

Im Gegenteil, Reginald Bull glaubte fastso etwas wie einen heiteren Funken in sei-nen Augen glitzern gesehen zu haben.

3.

Der Einflug des Goldners in das Systembrachte einige Aufregung mit sich. Erst nacheinigen Funkgesprächen zeigten sich die Be-hörden überzeugt davon, daß Eismer keineBebenwarnung überbrachte, sondern das Sy-stem aus purem Interesse besuchte. Promptlegte sich die Aufregung wieder, und dieverschiedensten Intelligenzen gingen ihrenüblichen Tätigkeiten nach.

Leilanz XI war die elfte und einzige be-siedelte Welt eines 13-Planeten-Sy-stemsmit einem Blauen Riesen, wie der Bordrech-ner der GLIMMER verriet. Die Besiedelunghatte jedoch nur an einer einzigen Stellestattgefunden - im ewigen Eis des Südpols,in einer Talsenke, umgeben von massigenEisgebirgen. Die dünne Sauerstoff-Atmo-sphäre wurde im Stadtgebiet mittels einessemidurchlässigen Energieschirms nicht nurgehalten, sondern zusätzlich mit Sauerstoffangereichert, so daß sich die wenigsten Be-sucher in einem geschlossenen Raumanzugbewegen mußten.

Die Schwerkraft betrug 0,8 Gravos, der

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äquatoriale Durchmesser kam auf knapp5000 Kilometer. Solche Werte wurden vonden Pikosyns in den Raumanzügen der Ter-raner, des Ertrusers und der Swoons automa-tisch auf ihre gewohnten Begriffe umgerech-net.

Die übrigen Regionen des kalten, karsti-gen Planeten waren tektonisch derart insta-bil, daß es ständig zu Erschütterungen kam.An Flora und Fauna existierten anscheinendnur Flechten, Moose, Bakterien und sehrkleine Krebs- und Weichtiere.

Aber sogar am Südpol war es nicht unge-fährlich. Große Gletscher wanderten unauf-hörlich von allen Seiten auf die einzige Stadtund den Raumhafen zu. So mancher Händ-ler, der Konkurrenten zu unliebsam gewor-den war, hatte sich eines Tages ohne Hilfs-mittel irgendwo in den Eisgebirgen ausge-setzt wiedergefunden.

Der Bordrechner verzeichnete einigemerkwürdige Geschichten, die schon zu denLegenden in diesem Bereich der Doppelga-laxis gehörten. Reginald Bull fühlte sich beieinigen Episoden an die Welt Lepso in derheimatlichen Milchstraße erinnert - auchdort hatte man mit unliebsamen Konkurren-ten nicht gar soviel Aufhebens gemacht.

Die Stadt Leilanza quoll über vor Leben;hier trafen sich Händler. Arbeitssuchendeund Glücksritter aus beiden Whirlpool-Tei-len. Dementsprechend skurril war die Skyli-ne. Es gab keine einheitliche Bauordnung;nahezu jedes Firmengebäude, jedes Hotel,jede Kneipe oder jedes Amüsement war ineinem unverwechselbaren Baustil gehalten.Dazwischen waren die Wohn- und Verwal-tungsgebäude errichtet, wie sie gerade hin-einpaßten. Zugänge über mehrere Ebenenwaren die Regel, da die Grundfläche nichtgroß war.

»Da fühle ich mich ja gleich wie zu Hau-se«, konstatierte Poulton Kreyn.

»Man kann es für ein paar Tage aushal-len«, stimmte Eismer Störmengord überra-schenderweise zu. »Ich bin schon öfter hiergewesen Der besondere Reiz liegt dann, daßsich die Stadt ständig verändert, Häuser fal-

len zusammen oder werden in die Luft ge-jagt, neue werden gebaut Man erlebt dieStadt jedesmal neu.«

Der Ertruser rieb sich die Hände. »Wiesieht's denn mit ein wenig Vergnügen aus?«

»Poulton, wir sind nicht hier, um unserenSpaß zu haben«, mahnte Perry Rhodan so-fort.

»Alter Spielverderber!« maulte der Pilot.»Wenn das eine Voraussetzung für Unsterb-lichkeit ist, kann ich darauf verzichten.«

»Womit willst du denn bezahlen?« melde-te sich Mondra zu Wort.

»Da findet sich immer ein Weg, das soll-test du doch wissen«, schoß er sofort zurück.

Mondra achtete jedoch nicht mehr aufihn, die GLIMMER setzte gerade zur Lan-dung an.

Der Raumhafen war nicht besonders großund lag ziemlich nahe an einem Gletscher.Um der Yacht des Bebenforschers die Lan-dung zu ermöglichen, wurde kurzerhand dieLandeerlaubnis eines Händlers, der geradeerst angekommen war, gestrichen. Er mußtetrotz seines Protestes in die Warteschleife imOrbit zurückkehren.

»Es bringt durchaus Vorteile, einen ange-sehenen Beruf wie den eines Bebenforschersauszuüben«, bemerkte der Goldner.

Eismer gefiel es ausgesprochen wohl, sei-ne Gäste auf diese Weise beeindrucken zukönnen.

Eine einheitliche politische Struktur gabes in der Doppelgalaxis nicht, ebenso keineGroßmacht Durch die Kesselbeben wurdeneinerseits aufstrebende Völker in ihrer Ent-wicklung immer wieder zurückgeworfenoder gar ausgelöscht, andererseits war durchdie immer wieder auftretende Völkerwande-rung eine permanente Kontrolle größererSternengebiete unmöglich.

So existierten lediglich zwei übergreifen-de Strukturen: die der Bebenforscher und diedes Tampa-Konsortiums. An diesen imma-nent wichtigen Strukturen rüttelte niemand -und deshalb wurden die Bebenforscher über-all mit größter Hochachtung behandelt.

Die Anmeldeformalitäten per Funk waren

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daher äußerst schnell erledigt. Niemandstellte konkrete Fragen nach der ungewöhn-lichen Begleitung des Bebenforschers.

Alle stiegen aus, einschließlich Norman.Eismer Störmengord zeigte Verständnis, daßsie alle das Bedürfnis nach einem Landganghatten, bat lediglich darum, sich nicht allzuauffällig zu verhalten.

Mit einem Gleitzug gelangten sie in Mi-nutenschnelle vom Raumhafen direkt insZentrum von Leilanza.

»Von hier aus ist es nicht weit«, behaup-tete der hakennasige Zwerg. »Diese Halte-station hier ist der einzige Anhaltspunkt, derunverrückbar ist.«

Seine Begleiter sahen sich interessiert um.Im Augenblick herrschte Nacht, doch das tatdem Treiben innerhalb der Stadt keinen Ab-bruch.

Es war gar nicht einfach, die Übersicht zubehalten, trotz der Unterstützung durch ihrePikosyns. Die unterschiedlichsten Wesendrängelten sich auf acht verschiedenen Ebe-nen vor den vielen Geschäften, die mitleuchtenden Neonschildern. Werbetafelnund Holo-filmen um die Gunst der potentiel-len Kunden warben.

Die meisten Wesen gingen zu Fuß, dochgab es auch Transportbänder, An-tigravilfteund als schnellstes Fortbewegungsmittel ho-rizontale und vertikale Rohrbahnen. Flug-gleiter oder Lufttaxis existierten anschei-nend nicht; in dem Gewirr an Verbindungs-straßen und Rohrbahnen hätte sich auchschlecht ein übersichtliches Verkehrsleitsy-stem durchsetzen können.

Außerdem waren die Entfernungen nichtallzuweit, die Einwohnerzahl von Leilanzamochte bei etwa fünf Millionen liegen; dazukamen noch einmal fünf Millionen Auswär-tige. Unter das übliche Stimmengeschwirr inGlausching mischten sich hie und da artspe-zifische Dialekte oder das hohe Summen In-sektoider.

Der Geräuschpegel war für das empfindli-che Gehör der kleinen Swoons zuviel; siewaren gezwungen, ihre Anzüge zu schlie-ßen. Sie ritten auf Norman, um damit gleich-

zeitig auf ihn aufzupassen. Der Kleine durfteohne Anzug laufen, und er schnorchelte auf-geregt mit langem Rüssel und mit heftig we-delnden Ohren.

Es war kühl, aber erträglich. An den et-was geringeren Sauerstoffgehalt hatten sichalle Besatzungsmitglieder schnell gewöhnt.

Nur Poulton Kreyn bewegte sich etwasvorsichtiger und langsamer. Der Ertruserhatte seinen Mikrogravitator natürlich einge-schaltet, wie fast immer? der ihm dieSchwerkraft seiner alten Heimat vermittelte.Derzeit zeigte er sich ausgesprochen fried-lich, anscheinend war er sogar glücklichüber die Abwechslung.

Von seiner Größe her fiel der Ertrusernicht sonderlich auf, denn neben Wesen, dienoch kleiner waren als Eismer (aber den-noch sehr viel größer als die Swoons), konn-te man durchaus imponierenden Raumfah-rern begegnen, die bis zu 2,80 Meter er-reichten. Die meisten Reisenden waren vonhumanoidem Körperbau, doch es zeigtensich auch Insektoide und einige bizarre Ge-stalten, für die es nach terranischem Be-griffsvermögen keinen richtigen Vergleichgab.

Niemand nahm Notiz von dem Bebenfor-scher und seiner Begleitung. So fremd konn-te man hier gar nicht aussehen. Nur der eineoder andere, der einen zweiten Blick auf denlangen, lichtverschlingenden Mantel desGoldners warf, wich ihm mit einer deutli-chen Ehrerbietung aus.

Es herrschte eine lebhafte, ein wenig hek-tische, nicht unangenehme Atmosphäre, dieschnell auf die Neuankömmlinge Einflußnahm.

»Also, irgendwo hat Poulton recht«, mur-melte Mondra, die direkt neben Rhodanging. »So eine Abwechslung macht dochauch mal Spaß und würde sicherlich dieLaune heben …«

Die ehemalige Agentin lächelte den Ter-raner an. Beim Gehen berührten sich kurzihre Hände, beide zogen sie sofort wiederzurück, vergrößerten den Abstand zwischensich, ohne sich dessen bewußt zu sein.

Die Goldnerin 11

Page 12: Die Goldnerin

»Wir wollen uns nicht unnötig aufhalten«,schnitt Rhodan ihre zaghafte Bitte ab. »Wirmüssen uns nach Eismer richten, und der istnur an seinem neuen Ortersystem interes-siert.«

»Das so ganz urplötzlich erfunden wordenist«, orakelte Mondra. »Prompt stürzt sichjeder Bebenforscher wie wild darauf Ich willnicht hoffen, daß das nur ein Reklametrickist.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß das je-mand wagen würde, Mondra«, ließ ReginaldBull sich vernehmen. »Hinter den Bebenfor-schern stehen die Tampa, und es gehtschließlich um das Überleben ganzer Völ-ker. Selbst Profitgier hat in solchen Größen-ordnungen ihre Grenzen.«

Mondra Diamond zog ein skeptisches Ge-sicht.

»Ich habe schon so manches als TLD-Agentin erlebt, was du nicht einmal erahnenwürdest. Ich war immer an der Basis, ver-stehst du? Ich kenne den ganzen Schmutzund Dreck, im wörtlichen wie im übertrage-nen Sinne. Ihr beide seid diesen Dingendoch völlig fern.«

»Man kann aber auch zuviel Mißtrauenhaben, denkst du nicht? Das System istschließlich nicht frei verkäuflich, sondernnur über die Tampa-Stützpunkte.«

Eismer Störmengord suchte sich zielstre-big seinen Weg durch das Gedränge.

»Wir sind bald da«, versprach er. »Bitteerliegt keiner Versuchung und bleibt in mei-ner Nähe. Sobald ich den Orter habe, fliegeich sofort wieder ab.«

Der Goldner machte schließlich vor ei-nem überraschend nüchternen, kastenartigenGebäude halt, das überhaupt nicht in das üb-liche Stadtbild paßte.

Der Eingang war nach innen versetzt, sodaß der erste Stock, von Säulen getragen,gleichzeitig als Vordach diente. Das glatteGebäude war voll verspiegelt und erlaubtekeinen Blick nach innen. Der Eingang unddas großzügig angelegte Foyer dahinter wa-ren in leicht getöntem Glas gehalten.

Diverse Schilder und Hologramme gaben

Auskunft, welche Firmen hier ihre Nieder-lassung hatten. Die galaxisweit bekannteTampa-Formel, das grellrote Quadrat aufockergelbem Grund mit den beiden weißen,von der linken und der rechten unteren Eckehervordringenden Ringen, sprang sofort insAuge. Das Quadrat symbolisierte den Kes-sel, die beiden Ringe standen für DaGlauschund Salmenghest.

Der Zugang zum Foyer war ohne Proble-me möglich; in der Mitte befand sich einegroße Rezeption mit der Säule des Pforten-computers, links und rechts daneben die An-tigravaufzüge und jeweils eine großzügigangelegte Wendeltreppe. Der Boden war miteinem phantasievollen Mosaikmuster ausge-legt.

Der Empfang war nicht besetzt, daherging Eismer Störmengord zu der Computer-säule, die sich automatisch aktivierte, als erbis auf zwei Meter herangetreten war.

»Wie kann ich dir helfen?« erklang eineleicht zirpende Stimme.

Wie die Gruppe der Bebenforscher setztesich das Tampa-Konsortium aus den ver-schiedensten Völkern zusammen. Die Com-puterstimme war ein künstliches Gemischvon vielen verschiedenen Völkern und solltefür alle gleichermaßen angenehm oder we-nigstens neutral klingen.

»Das Tampa-Büro, bitte«, antwortete derGoldner kurz angebunden.

»Es tut mir leid, aber das Büro ist zu die-ser Zeit geschlossen.«

»Wie bitte?« entfuhr es Eismer. »Das istmir neu! Sonst sind die Stützpunkte dochimmer rund um die Uhr geöffnet!«

»Hier gelten andere Vorschriften. Das ge-samte Gebäude muß aus Sicherheitsgründennach Einbruch der Dunkelheit geräumt wer-den.«

»Schöne Arbeitszeiten!« keifte Eismer.»So lobe ich's mir. Und wenn jemand drin-gend etwas braucht, sagen wir mal, in dernächsten halben Stunde von jetzt an gerech-net?«

Der Pfortencomputer benötigte keineRechnerzeit für die Antwort: »Das ist nicht

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vor morgen früh möglich. Soll ich einenTermin eintragen?«

»Schieb dir deinen Termin …«, brummteReginald Bull, führte den Satz jedoch nichtzu Ende.

»Die Bürokratie ist im gesamten Univer-sum wohl das einzige, was Bestand hat, un-erschütterlich, unabänderlich«, meinte Taut-mo Aagenfelt.

»Soll ich hier mal ein bißchen Krawallmachen?« schlug Poulton Kreyn vor. »Dannwerden wir ja sehen, wie schnell jemandkommt!«

Der Bebenforscher seufzte. »Danke, aberso funktioniert es leider nicht. Es würde unsnur noch länger aufhalten, und ich kann esmir nicht leisten, derart aufzufallen.«

»Soll ich einen Termin eintragen?« wie-derholte der Pfortencomputer.

»Ja, und zwar den ersten morgen früh«,antwortete Eismer Störmengord.

»Der erste freie Termin ist kurz vor derMittagspause.«

»Falsch!« rief Eismer. »Das ist der Ter-min, der verlegt wird, um mich statt dessenals ersten Besucher dranzunehmen MeinAnliegen ist sehr wichtig und erlaubt keinenAufschub.«

Der Bebenforscher straffte wieder einmalseine Figur; allmählich verlor er die Geduld.»Und bevor du weiterredest, sage ich dirjetzt, wer ich bin: Ich bin Eismer Störmen-gord, Bebenforscher aus dem Volk derGoldner.«

Eismer schnarrte in schneller Folge eini-ges in einem dem Translator fremden Dia-lekt herunter.

»Ich erwarte jetzt die sofortige Bestäti-gung meines Termins morgen früh!« forder-te er zornig.

Der Pfortencomputer brauchte zwei Se-kunden, wohl um die Daten zu überprüfen,und zeigte sich dann tatsächlich kooperativ:»Die Tampa grüßen dich, Eismer Störmen-gord, an diesem entfernten Posten. Was istdein Anliegen?«

»Ich möchte das neue Ortersystem erwer-ben, das in den aktuellen Manualen ausge-

schrieben wurde.«»Kein Problem. Das System ist vorrätig

und kann sofort geordert werden. Soll ich esreservieren?«

Reginald Bull verdrehte die Augen, unddie anderen holten laut Atem.

»Ja. Bitte.« Eismer zischelte durch zu-sammengepreßte Haifischzähne »Ich hole esgleich morgen früh ab. Ich bitte alle Forma-litäten vorzubereiten, damit ich mich nichtunnötig lange aufhalten muß.«

»Selbstverständlich.« Ganz plötzlichflammte der Bildschirm an der Säule auf.»Ich gebe dir einen Wegweiser, damit dudas Büro ohne Verzögerung findest.«

Der Zugangsweg zu den oberen Stock-werken wurde gezeigt. Eismer studierte ihneine Weile, ohne recht zu wissen, weshalb ersich den Weg so genau einprägte, und sagtedann: »Vielen Dank. Bis morgen.«

»Du hast zwei Minuten Zeit, das Gebäudezu verlassen.«

»So lange brauche ich nicht.«Der Goldner winkte seinen Gefährten,

ihm zu folgen, und watschelte eilig aus demHaus.

*

»Was sollte diese Zeitvorgabe bedeuten?«wollte Mondra Diamond auf der Straße wis-sen.

»Ich nehme an, daß der Alarm aktiviertwird, wenn du dich zu lange aufhältst, ohnedie Dienste des Computers in Anspruch zunehmen«, antwortete Eismer. »Leilanzascheint nicht gerade der sicherste Ort derGalaxis zu sein.«

»Zu dumm, daß wir bis morgen wartenmüssen«, sagte Perry Rhodan enttäuscht.

Auf Mondras Gesicht breitete sich einStrahlen aus. Zum allerersten Mal waren sieund ihr Intimfeind Poulton Kreyn einer Mei-nung.

»Aber dann müssen wir doch nicht soschnell zurück, nicht wahr?« kam es vonbeiden gleichzeitig wie aus der Pistole ge-schossen.

Die Goldnerin 13

Page 14: Die Goldnerin

Perry Rhodan mußte grinsen »Sieht ganzso aus, als ob doch noch jeder seinen Willenbekäme.«

»Und wo können wir hingehen, Eismer?«rief Mondra.

»Auf mich könnt ihr nicht zählen«, be-merkte Ska Kijathe dazwischen. »Mir liegenVergnügen dieser Art fern. Wenn du nichtsdagegen hast. Eismer, werde ich mich aufdie GLIMMER zurückziehen, um zu medi-tieren.«

»Kein Problem Der Zugang ist für jedenvon euch automatisch offen.«

»Also, Treul und ich, wir sollten lieberauf Norman aufpassen, meinst du nicht,Mondra?« fragte Goriph. »Mich reizt esmehr, mit dem Kleinen zu spielen, ganz of-fen gestanden.«

»Ich gehe ebenfalls zum Schiff zurück«,verkündete Rhodan.

»Langweiler seid ihr, allesamt«, dröhntePoulton Kreyn. »Sieht so aus, als bliebennur wir beide übrig, Mondra.«

Eismer Störmengord kramte in den un-sichtbaren Taschen seines Mantels herumund brachte schließlich eine kleine gläserneKarte zum Vorschein.

»Da sind ein paar Miro drauf«, brummteer. »Ihr könnt sie ausgeben, wenn ihr Lusthabt.«

Die beiden Menschen starrten ihn ver-dutzt an. Dem Gesicht des Bebenforscherswar wie so oft nichts abzulesen.

Mondras Strahlen im Gesicht wurde nochleuchtender.

»Was ist mit dir, Bully?« fragte sie grin-send.

»Nun, ich, äh …«, begann der untersetzteTerraner ein wenig verlegen. »Ich dachte,ich könnte ein wenig mit Eismer auf denMärkten herumschlendern …«

Der Goldner starrte ihn verdutzt an. »Duinteressierst dich für diese Dinge, die ichsammle?«

»Hmmm … ja.« Bully wirkte jetzt tat-sächlich verlegen.

»Dann gehe ich mit dir. Ich muß einigesersetzen, was … Es ist nicht weit jedenfalls,

und wir werden eine große Auswahl fin-den.«

Tautmo Aagenfelt, den niemand um seineMeinung fragte, meldete sich von selbst.

»Darf ich mich euch beiden anschlie-ßen?« fragte er zu Eismer.

»Selbstverständlich.«»Wir sollten noch eine Uhrzeit verabre-

den, zu der sich alle in der GLIMMER wie-der einfinden«, bremste Perry Rhodan dieAufbruchsstimmung seiner Gefährten. »Füralle Fälle …«

Nach einigem Hin und Her fanden sieeinen Konsens, und die Gruppe verstreutesich in alle Richtungen.

Mondra Diamond und der Ertruser gingengemeinsam, was von den meisten mit einemüberraschten Augenzwinkern konstatiertwurde - allerdings hatten sie auch keineWahl, denn Eismer hatte ihnen nur eine Kar-te gegeben.

4.

Eismer Störmengord. Reginald Bull undTautmo Aagenfelt wühlten sich durch dieMenge. Mit fortschreitender Stunde nahmder Verkehr eher noch zu. Kein Wunder -hier im Zentrum von Leilanza lag eine Artvon Amüsierviertel, außerdem waren hierdie meisten Hotels zu finden, dazu die rundum die Uhr geöffneten Ramschmärkte.

Reginald Bull sah sich aufmerksam um;auch ihm schien es Spaß zu machen, wiedereinmal so viel Lebendigkeit und Oberfläch-lichkeit zu erleben. Nach all den Monaten inden Galaxien Plantagoo, Gorhoon, Shaogen-Himmelreich und jetzt Salmenghest brauch-te er diese Art von Zerstreuung.

Eismer zog mit ihm und dem Hyperphysi-ker zuerst einmal durch die Gegend, um ih-nen die Stadt zu zeigen. Die gewohnte Zu-rückhaltung des Bebenforschers verschwandnach und nach völlig.

Außerhalb der Stadt war die Nacht stock-finster und bis zu minus 70 Grad kalt, dochhier waren sie vom grellen Lichterschein desNachtlebens umgeben. Der Schirm schützte

14 Susan Schwartz

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vor einer zu starken Abkühlung, und dieMassen an unterschiedlichsten Lichtquellensorgten zusätzlich für genügend Wärme.

Eine Menge Spielcasinos fanden sich hier,in denen man, mit Spezialitäten aus ganzDaGlausch und einer ablenkungsreichen Li-ve-Show versorgt, ein Vermögen verspielenkonnte. Es lag ganz beim Spieler, bis zuwelchem Risiko er gehen wollte; selbst derEinsatz des eigenen Lebens schreckte nurwenige ab. Allerdings mußten sie vor demSpiel eine entsprechende Erklärung unter-schreiben, die jegliche Haftung ausschloß,falls die Familie sich rächen wollte oderähnlich.

Der farblos wirkende Hyperphysiker mitseinem grauen Haarkranz, den schmalenSchultern und dem dicken Hintern sah sichvon Vergnügungen umgeben, die er beimbesten Willen nicht einschätzen konnte. Nir-gendwo sonst als hier konnte er sein welt-fremdes Verhalten deutlicher zu spüren be-kommen.

Einmal stolperte er über einen besonderslang ausgelegten Tentakel eines nicht-menschlichen Wesens, das ihm irgendwoaus einer Körperöffnung etwas zumurmelte.

Tautmo entschuldigte sich einige Maleund machte, daß er hinter seinen Gefährtenherkam »Also, das … das habe ich ja nochnie erlebt …«, stotterte er. Selbst seineHalbglatze glühte. »Was da auf einmal fürWörter aus dem Translator kamen, also nein…«

Reginald Bull lachte schallend. Der Akti-vatorträger schien sich königlich zu amüsie-ren.

»Du kannst lachen«, murmelte Tautmo.»Du hast ja ein paar Jahrtausende Vorsprung… aber ich war wirklich noch nie in so ei-nem Viertel …«

»Wie kann das sein?« fragte Eismer ver-wundert. »Selbst ich gehe hier nicht zum er-sten Mal hindurch.«

»Ich habe mich eben voll und ganz aufmeine Arbeit konzentriert«, verteidigte sichTautmo.

»Vielleicht solltest du jetzt einmal das

Vergnügen ausprobieren«, ermunterte ihnBull.

»Wo denkst du hin?« empörte sich derTerraner. »Für mich gibt es nur Mondra,sonst niemanden!«

Reginald Bull musterte ihn mit einem mit-leidigen Blick von der Seite.

»Mein lieber Freund, ein wenig Weltferneist ja ganz schön«, mahnte er. »Aber allmäh-lich solltest du deinen Sinn für die Realitätfinden Mondra wird deine Gefühle nie erwi-dern! Mach dich frei von deinen Wunsch-träumen!«

»Ich halte mich an das, was ich fühle!«gab Tautmo patzig zurück. »He, Eismer,wann erreichen wir endlich einen Markt?«

»Gleich da vom.« Der Goldner deutetevor sich.

Die grellen Neonfassaden wichen auf ein-mal zurück, aus den engen Gassen traten sieauf einen großen Platz Dort gab es Hundertevon offenen Ständen und Buden, sanft be-leuchtet von einem gelblichen Licht, das al-les beinahe schattenlos überstrahlte, ohne zublenden.

Es tat richtig gut für die Augen, ebensofür die Ohren. Der Geräuschpegel sank hierauf ein erträgliches Maß ab. Tautmo hattegenügend Zeit, sich wieder zu erholen, wäh-rend Reginald Bull und der Goldner über dieangebotenen Waren fachsimpelten.

Wie sich zeigte, hatten sie bei Andenkenaller Art einen ähnlichen Geschmack Bullyfiel es manchmal schwer, sich von bestimm-ten »antiken« Stücken wieder loszureißen,die er platzmäßig sogar irgendwo in seinerAusrüstung hätte unterbringen können - aberleider nicht bezahlen.

Eismer suchte sich seine Sachen sehrsorgfältig aus. In erster Linie wollte er dieunabsichtlich zerstörten Objekte wieder er-setzen. Nach und nach aber fiel er fast ineinen Kaufrausch; vor allem das Angebot anhandgearbeiteten kleinen Brücken undWandteppichen hatte es ihm angetan. Hinzukam, daß Reginald Bull es sich nicht neh-men ließ, bei jedem einzelnen Stück zäh umden Preis zu feilschen und dem Goldner da-

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Page 16: Die Goldnerin

durch einige Ausgaben zu ersparen.Tautmo Aagenfelt staunte über die Viel-

falt des Angebots und die Begeisterung desUnsterblichen. Für einen Moment schienensie nicht Millionen Lichtjahre von der Hei-mat entfernt zu sein, sondern in vertrauterUmgebung.

*

Schließlich hatte Eismer Störmengord alldas eingekauft, was er wollte. Er ließ dievielen Sachen bei einem Transportunterneh-mer stapeln und gab den Auftrag, sie amnächsten Morgen zur GLIMMER zu liefern.

»Diesmal habe ich nicht einmal mehr aus-gegeben, als ich wollte, dank dir«, sagte ervergnügt zu Reginald Bull.

»Kann es sein, daß ich bisher immer über-vorteilt worden bin?«

»Durchaus möglich. Du weißt ja jetzt, wiedas mit dem Feilschen geht. Nur keinefalsche Bescheidenheit!« gab der Terranerebenso heiter zurück.

»Ich finde, wir sollten uns jetzt auf denRückweg machen«, schlug Tautmo Aagen-felt vor. »Hoffentlich ist Mondra nicht ir-gendwo versumpft.«

»Auf sie ist Verlaß«, erwiderte Bull. »BeiPoulton bin ich mir da allerdings nicht so si-cher …«

»Wir bleiben ohnehin bis morgen frühhier. Spätestens wenn die Miro aufgebrauchtsind, werden sie nirgends mehr etwas be-kommen.«

Der Goldner überprüfte kurz seinen Kon-tostand an einem Automaten und verstautedie Karte wieder in einer der verborgenenTaschen seines Mantels.

»Gehen wir«, sagte er und ging voran.Aber nur ein paar Schritte, dann blieb Eis-

mer plötzlich stehen.»Ist es möglich …«, flüsterte er.Reginald Bull kam an seine Seite. »Was

ist denn?«Der Terraner folgte mit den Augen Eis-

mers Blickrichtung; am Rand des Amüsier-viertels herrschte dichtes Gedränge, und er

konnte nichts Besonderes ausmachen.Tautmo meckerte: »Können wir endlich

los? Mir tun die Füße weh, und ich bin müde…«

»Sei sofort still!« unterbrach der Zwergseine Klage.

Er hatte seine ohnehin kleinen Augen zu-sammengekniffen, was sein Sichtfeld ange-sichts der mächtigen, sieben Zentimeter lan-gen Hakennase deutlich einschränken muß-te. Trotzdem schien er etwas zu sehen, wasseinen Gefährten nicht auffiel »Das ist dochnicht wahr …«, murmelte er und ging einigeSchritte auf das Gewimmel zu. ReginaldBull schaute angestrengt, und dann riß er dieAugen auf. Inmitten der vielen Wesenglaubte er eines entdeckt zu haben, das un-gefähr Eismers Größe hatte Sogar die Figurpaßte. Ein kurzer Moment nur, dann war diekleine Gestalt bereits wieder in der Mengeverschwunden.

Eismer deutete den Gesichtsausdruck desTerraners richtig. »Du hast ihn auch gese-hen, nicht wahr?« fragte er heiser.

»Ich weiß nicht genau, was ich gesehenhabe, Eismer …«

»Einen Goldner! Ich bin mir ganz sicher!Und das hier, am Rand der Galaxis, auf ei-nem unbedeutenden Handelsplaneten …«

Der Bebenforscher begann vor Aufregungzu zittern. »Ich muß ihn finden!« stieß erhervor.

»Was denn, jetzt?« fragte Tautmo, derstets ein wenig länger brauchte, um dieDringlichkeit einer Situation zu erfassen.

»Natürlich jetzt!« schnappte Eismer. »Seitmehr als einem Jahrzehnt habe ich keinenmeines Volkes mehr gesehen! Hast du ihnnoch einmal entdeckt, Reginald?«

»Ich habe ihn aus dem Auge verloren, werimmer es gewesen sein mag«, bedauerteBull.

»Das darf nicht sein!« Der Zwerg wat-schelte eilig los, ohne nach links oder rechtszu schauen, in die Richtung, die der mysteri-öse Goldner eingeschlagen hatte.

Reginald Bull folgte ihm, achtete jedochmehr auf die Umgebung. Vielleicht tauchte

16 Susan Schwartz

Page 17: Die Goldnerin

plötzlich ein zweiter Artgenosse Eismersauf.

Dabei bemerkte er etwas anderes:Eine Gruppe aus fünf verschiedenen

Raumfahrern drei Humanoide, ein Insektoi-de und ein Echsenartiger -, die sich ihrenWeg rücksichtslos durch die Menge bahn-ten, in Eismers Richtung. Ein Humanoiderund der Insektoide hatten Strahlwaffen inder Hand.

»Das gefällt mir nicht«, murmelte Bull.Diese Aussage reichte Tautmo, um sofort

hinter dem Terraner Stellung zu beziehen.Er kannte diesen alarmierenden Tonfall undvertraute voll auf die Erfahrung eines Un-sterblichen.

»Eismer, warte!« rief Bull und folgte demGoldner.

Der Terraner war sich noch nicht ganzklar über die Lage. Natürlich wollte er nichtvoreilig einen unliebsamen Vorfall provo-zieren, der Eismer möglicherweise inSchwierigkeiten brachte.

»Eismer!« wiederholte Bull, als der Be-benforscher nicht reagierte, sondern seinenSchritt sogar beschleunigte.

Die bewaffnete Gruppe, die der rothaarigeTerraner nicht aus den Augen ließ, suchteeindeutig irgendwas. Das war bereits an derFortbewegungsgeschwindigkeit und ihremVerhalten zu erkennen Sie waren jetzt nochetwa dreißig Meter von Eismer entfernt, nä-herten sich ihm aber unaufhaltsam.

Reginald Bull ging schneller, um Eismerin jedem Fall vor ihnen zu erreichen. Viel-leicht war das alles nur ein großer Zufall,aber er wollte kein Risiko eingehen. Etwasstimmte hier nicht.

»Was soll ich tun?« fragte Tautmo hinterihm verstört.

»Kümmere dich um die da!« Bull deuteteauf die Gruppe. »Halte sie auf, bis ich Eis-mer gestoppt habe!«

»Sie … sie aufhalten?« stotterte Tautmo.»Die sehen nicht so aus, als wenn sie sichgern aufhalten ließen …«

»Eben darum will ich ja Eismer errei-chen!«

Tautmo schlotterten die Knie, aber er ge-horchte. Er ging zielstrebig auf die bewaff-nete Gruppe zu, schnappte sich den Echsen-artigen als Opfer und redete wie ein Wasser-fall auf ihn ein.

Reginald Bull konnte aus der Entfernungkein Wort verstehen, aber der Hyperphysi-ker hatte Erfolg: Die Fremden wurden auf-gehalten und waren offensichtlich nicht soaggressiv, daß sie Tautmo einfach beiseitestießen.

Als er das bemerkte, beschleunigte Bullyseinen Schritt nochmals.

*

Eismer hörte Reginald Bulls Stimme hin-ter sich und erkannte am Tonfall, daß er bes-ser umkehren sollte. Aber der Bebenforscherstand wie unter Zwang. Er konnte nicht an-ders, er mußte sich davon überzeugen, obseine Augen getrogen hatten oder nicht.

Immer wieder glaubte er eine kleine Ge-stalt zwischen anderen Wesen hindurchhu-schen zu sehen, doch jedesmal zu kurz, umsich bemerkbar zu machen. So folgte er die-sem sekundenschnellen Phantom in verzwei-felter Überzeugung, endlich einen seinesVolkes wiedergefunden zu haben.

Und dann war ihm das Glück endlichhold, als er eine Kreuzung mit einem größe-ren Platz erreichte. Hier lichtete sich dieMenge etwas. Eismer konnte zum erstenMal deutlich die gesuchte Gestalt erkennen,die den Platz gerade in watschelndem Eil-schritt überquerte.

Das Herz blieb ihm beinahe stehen. Fastwäre er über seine eigenen Füße gestolpert.

Es war eine Goldnerin! Eine Frau seinesVolkes, hier am Ende der Galaxis. Und erbegegnete ihr heute, in diesem Moment!

»Warte doch!« rief er, benutzte dabei un-willkürlich den heimischen Dialekt und we-der das Glausching noch das Vokabulon.»Warte, bitte!«

Die Goldnerin blieb tatsächlich stehenund drehte sich um Eismer beeilte sich, zuihr zu kommen, um sie nicht wieder wie ei-

Die Goldnerin 17

Page 18: Die Goldnerin

ne trügerische Illusion zu verlieren.Sie war etwa einen Meter dreißig groß, in

abenteuerlicher Kleidung mit einem langenblauen Überwurf. Ihr struppiges, wie beiEismer aus nur einigen hundert sehr dickenEinzelhaaren bestehendes rotblondes Kopf-haar fiel bis zu ihren Hüften hinab und waran der rechten Seite von einem schimmern-den Reif zusammengehalten. Ihre Augenwaren von einem betörenden Dunkelbraun,und den rechten Flügel ihrer Hakennasezierte ein edler Ring. Auch an den Händenund in den Haaren trug sie glitzerndenSchmuck.

Eismer brachte vor lauter Aufregung keinWort mehr hervor. Allerdings verlief die Be-gegnung nicht ganz so romantisch, wie er siesich in einer Sekundeneingebung erhoffthatte.

Die Goldnerin packte ihn ziemlich un-sanft am Umhang und zerrte ihn hinter sichher, in eine weitgehend unbeleuchtete Eckeam Ende des Platzes.

»Was tust du hier?« zischte sie ihn an.Eismer war so verwirrt, daß er sie nur

groß anstarrte.»Schicken sie jetzt schon Goldner hinter

mir her?« fuhr sie ihr Verhör fort.Eismer schaffte es endlich, sich aus ihrem

harten Griff zu befreien und seine Würdewiederherzustellen.

»Ich bin nicht hinter dir her«, stieß er her-vor. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Aber… ich habe seit so langer Zeit keinen meinesVolkes mehr gesehen. Ich mußte dich unbe-dingt finden und mit dir sprechen, kannst dudas nicht verstehen?«

Die Goldnerin musterte ihn, und auf ein-mal änderte sich ihre starre, abweisendeHaltung. In ihre Augen trat so etwas wieWärme, ein freudiger Funke.

»Verzeih mir!« flüsterte sie dann, wäh-rend sie sich nervös nach allen Seiten um-sah, »aber du hast einen schlechten Augen-blick gewählt …«

»Ich habe gar keinen Augenblick gewählt,ich sah dich nur und …«

»Ist dir jemand gefolgt?« kam die nächste

Frage.»Wenn du einen rothaarigen Humanoiden

meinst, der keinem uns bekannten Wesenähnlich sieht - er gehört zu mir.«

»Nein, er steht noch auf der anderen Sei-te, ein paar Garamboliden haben ihn aufge-halten …« Die Goldnerin kicherte plötzlich.»Eine ziemlich lebhafte Diskussion ent-wickelt sich - nein, nicht umdrehen!« Siepackte Eismer an den Schultern und zwangihn, sie anzusehen. »Du darfst keine Auf-merksamkeit erregen, hörst du, es ist wirk-lich wichtig!«

Eismer war durch die heftige Bewegungder Goldnerin sehr nahe gekommen. Unwill-kürlich atmete er ihren unverwechselbaren,betörend weiblichen Duft ein. Er spülte, wiesich sein Verstand umnebelte.

Als seine Welt untergegangen war, hatteer auf einem fremden Planeten gelebt. Eis-mer hatte nie einen »normalen« Kontakt zuanderen Goldnem gehabt, seit er erwachsenwar. Nie hatte er eine Partnerschaft mit einerGoldnerin kennengelernt. Fast wäre er ge-taumelt.

»So lange ohne Artgenossen, und nun…«, murmelte er. »Du bist sehr schön …«

»Vielen Dank«, sagte sie. »Ich habe auchschon eine Weile keinen Goldner mehr gese-hen … ich bin nicht einmal gebunden …«

Sie wirkte verwirrt und interessiert, Eis-mers Nähe weckte also auch bei ihr Gefühle.

Harmonie. Goldner spürten sehr schnell,ob sie zueinander paßten oder nicht. All-mählich entwickelte sich bei dieser Begeg-nung doch eine gewisse Romantik.

»Kannst du nicht mit mir kommen?« batEismer.

Der Bebenforscher hatte keine Zeit für ei-ne lange Werbung. Morgen mußte er wiederaufbrechen. Sie war hier, jetzt. Keinesfallsdurfte er sie einfach wieder fortlassen.

Alles in ihm schrie danach, wenigstensfür ein paar Augenblicke die Nähe einesGoldners zu spüren, mit ihm reden zu kön-nen, wie es sonst nicht möglich war für ihn,als Fremder unter Fremden. Daß er eineFrau gefunden hatte, quälte ihn nur noch

18 Susan Schwartz

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mehr, machte ihm seine Einsamkeit um sodeutlicher bewußt.

Und wenn er sie mit Gewalt mitschleppte- sie mußte mit!

»Nur für eine Weile wenigstens«, sprudel-te er hervor. »Du könntest mir von unseremVolk erzählen, und ich könnte dir die Schät-ze meines Schiffes zeigen und ein paar Lie-der aus den alten Tagen singen, die du be-stimmt nicht kennst, so jung wie du …«

»Still, still«, wisperte sie und legte einenFinger auf seinen Mund. »Törichter Mann,das ist unmöglich. Du scheinst keine Ah-nung zu haben …«

»In der Tat, ich komme wenig unter Leu-te«, gab Eismer verwirrt zu. »Ich bin EismerStörmengord, ein Bebenforscher.«

»Ein Beben forscher?« Alles Resolutewich endgültig von der Goldnerin, ihre ent-zückende schmale Nasenspitze zitterte, undihre Stimme nahm einen ehrfürchtigen Ton-fall an. »Du bist wirklich ein Bebenfor-scher? Nein - du bist der Bebenforscher, dereinzige unseres Volkes, man spricht von dir… Nur deinen Namen wußte ich nicht …«

»Es ehrt mich, daß du von mir gehörthast«, sagte Eismer geschmeichelt. »Aberlaß uns doch auf dem Schiff weiterreden.Wenn du fürchtest, verfolgt zu werden, bistdu dort sicher …«

Sie legte eine schmale Hand an seine ha-gere, faltige Wange. Ihre warme, weicheHaut besaß nur die vielen feinen Runzelnder Jugend, noch nicht die tiefen Furchendes beginnenden Alters, dazu einen gleich-mäßigen bläulichen Ton.

»Mein armer, einsamer Bebenforscher«,wisperte sie traurig und streichelte seineWange. »Das ist unmöglich. Vor einem oderzwei Jahren vielleicht, aber jetzt ist es zuspät. Ich kann nicht mit dir gehen. Im Ge-genteil, ich muß dich bitten, mich zu verlas-sen, bevor ich dich mit in meinen Untergangzerre.«

Verzweiflung quoll wie vergorener Saft inihm hoch und hinterließ einen üblen Ge-schmack im Mund »Aber ich möchte dichwiedersehen, das muß doch möglich sein!«

flehte Eismer. »Bis morgen bin ich nochhier. Bitte!«

Sie zögerte. »Na schön«, sagte sie dann.»Ich wohne im Hotel Zork. Frag dort nachHind - einfach nur Hind. Das bin ich.«

Sie hob den Kopf, und ein gehetzter Aus-druck trat in ihre Augen.

»Da sind sie schon!« stieß Hind heiserhervor. »Zu spät, alles zu spät«

Bevor Eismer sie aufhalten konnte, liefsie schon durch die schmale Gasse davon -so schnell ihre typisch goldnerischen, brei-ten Füße es erlaubten.

*

Der Bebenforscher stand wie betäubt aufder Stelle. Nur allmählich begriff er, daßsich da die vermutlich einzige Liebe seinesLebens aus dem Staub machte.

»Dort ist sie!« erklang in diesem Momentein Ausruf hinter Eismer Störmengord.

Sein Herz hämmerte wild, und er schluck-te trocken. Er drehte sich um und sah fünfdrohende Gestalten, zwei von ihnen bewaff-net, auf sich zukommen. Reginald Bull undTautmo Aagenfelt waren nirgends zu sehen.

»Lauf schneller!« schrie Eismer der Gold-nerin namens Hind nach. »Sie sind dir aufden Fersen!«

Er versuchte, sich den Angreifern in denWeg zu stellen, wurde jedoch mühelos überden Haufen gerannt. Sie machten sich nichteinmal die Mühe, vorsorglich ein- oderzweimal zuzuschlagen; möglicherweise hat-ten sie ihn in ihrem Jagdfieber überhauptnicht bemerkt.

Eismer schlug mit der Nase auf dem har-ten Pflaster auf und sah aus dem Augenwin-kel, wie Hind gerade um eine Ecke bog, dieVerfolger hinterher.

Mühsam rappelte er sich auf, ignorierteden stechenden Schmerz in seiner Nase undrannte die Gasse hinunter. Als er die Eckeendlich erreicht hatte, war niemand mehr zusehen Keine Hind, keine Verfolger. Nur einpaar Passanten und fliegende Händler.

»Die Goldnerin - wo ist sie?« rief Eismer

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laut. »Habt ihr gesehen, was passiert ist?«Die meisten kümmerten sich nicht um

ihn, lediglich ein froschköpfiger Händlerkam zu ihm.

»Es ging alles sehr schnell«, berichtete er.»Die Goldnerin, die sieht so ähnlich aus wiedu, nicht wahr?«

»Ja. Sie ist den anderen vorausgelaufen.«»Das stimmt, allerdings kam sie nicht

weit. Na ja, bei der Größe und den kurzenBeinen … die anderen hatten sie jedenfallsschnell, zwei packten sie, und sie liefen wei-ter in die nächste Gasse.« Er deutete zu ei-nem dunklen Weg. »Sinnlos, sie weiter zuverfolgen, die sind längst fort.«

»Das darf nicht sein«, flüsterte Eismer.Völlig geschlagen kehrte er um und ging

den Weg zurück, den er gekommen war.Auf dem Platz traf er Reginald Bull undTautmo Aagenfelt, die in heller Aufregungnach ihm suchten.

»Tautmo ist überfallen worden, und ichmußte zu ihm«, erklärte der untersetzte Ter-raner keuchend die Verspätung. »LieberHimmel, was ist mit dir geschehen? DeineNase blutet!«

Eismer fielen erst jetzt die Nasenschmer-zen wieder ein. Als er mit der Handflächedarüber wischte, spürte er warme Feuchtig-keit.

»Ist … ist nicht so schlimm«, stammelteer.

Tautmo Aagenfelt rieb sich den Hinter-kopf. Er war völlig überraschend aus demHinterhalt bewußtlos geschlagen worden,weil man ihm den SERUN abnehmen wollte- was durch die automatische Schutzfunkti-on glücklicherweise nicht mehr gelang.

Die Räuber hatten sich eilig davonge-macht, als Reginald Bull wie ein Stier aufsie zugerannt kam, während der Hyperphysi-ker allmählich wieder zu sich kam, mit einermächtigen Beule am Schädel.

Reginald Bull zog ein Tuch aus einer Ta-sche und tupfte vorsichtig Eismers Nase ab.Der Bebenforscher zog ein jämmerlichesGesicht, gab aber keinen Ton von sich.

»Hoffentlich ist sie nicht gebrochen«,

murmelte er Bully »Ich habe das Gefühl, alswäre mir ein spitzer Knochen ins Gehirn ge-trieben worden«, stöhnte Eismer. »AberGoldnernasen halten eine Menge aus. Aller-dings wird sie sich in den nächsten Tagenziemlich dunkelblau verfärben.«

»Immerhin hat sie aufgehört zu bluten.Auf der Stirn hast du auch ein paar Schram-men. Es tut mir leid, Eismer, ich habe dichim Stich gelassen. Aber es ging alles soschnell und gleichzeitig, daß …«

»Mach dir keine Vorwürfe«, unterbrachEismer. »Mir ist ja nichts geschehen. AberHind - durch meine Schuld haben sie sie ge-schnappt und entführt. Nur wegen mir, es istso furchtbar …«

*

Auf dem Rückweg zum Schiff berichteteEismer Störmengord von seinem Erlebnis.Reginald Bulls Schuldgefühle verringertensich dadurch keineswegs.

Auch Tautmo Aagenfelt war ziemlich be-drückt. Er hatte sich zwar nicht wie sonstdurch seine Feigheit ausgezeichnet und sei-ne Gefährten damit in Schwierigkeiten ge-bracht, dennoch fühlte er sich in gewisserWeise verantwortlich, daß Eismer allein ge-gen fünf gestanden hatte.

»Das ist alles Unsinn«, wiegelte der Be-benforscher die Entschuldigungen ab.»Wenn ich gar nicht erst angefangen hätte,nach Hind zu suchen, wäre all das nicht ge-schehen.«

Reginald Bull schaute auf seinen Zeitmes-ser. »Machen wir, daß wir zurückkommen.Perry wird sich schon Sorgen machen.«

Tatsächlich waren sie die letzten, die ein-trafen, sowohl Mondra als auch Poulton wa-ren bereits da. In einem Anfall von Anstän-digkeit hatten sie nicht die gesamten Miroauf Eismers Karte verbraucht, sondern hat-ten sich die meiste Zeit nur umgesehen, einwenig getrunken.

Zwischendurch hatten sie sich getrennt.Während Poulton eine tüchtige Mahlzeit zusich genommen hatte, ohne genau zu wissen,

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was er verzehrte, hatte Mondra »einigewichtige Einkäufe« getätigt, wie sie schel-misch grinsend berichtete. Danach hatte sichPoulton einen gewaltigen Essensvorrat be-schafft, um diesen in den nächsten Tagen inaller Ruhe und Zufriedenheit auf dem Schiffverzehren zu können.

Perry Rhodan hatte sich natürlich schonSorgen um das ungleiche Paar gemacht undversucht, sie über Funk zu erreichen, den je-doch weder Bull noch Aagenfelt aktivierthatten. Mitfühlend hörte er sich Eismers Ge-schichte an, der anschließend bat, sich zu-rückziehen zu dürfen.

Dafür hatte jeder Verständnis. Da es -nach terranischem Ermessen - ohnehinziemlich spät war, blieben auch die anderennur noch kurz zusammen.

Mondra gab ihrem Liebling Norman einpaar Streicheleinheiten, während ReginaldBull sich gegenüber Poulton Kreyn erstauntäußerte: »Ihr seht beide völlig unversehrtaus, obwohl ihr zusammen unterwegs wart.«

»Nun, Mondra zieht ihren SERUN nie inmeiner Gegenwart aus«, erwiderte der Ertru-ser grinsend. »Und ich war offen gestandenzuviel damit beschäftigt, an Essen heranzu-kommen. Eismers Vorräte müssen auchnoch aufgestockt werden, sonst wird es füreuch unter Umständen eng.«

»Was ißt du da eigentlich?« erkundigtesich Tautmo neugierig.

Poulton Kreyn leckte sich absichtlichschmatzend die Lippen.

»Keine Ahnung«, antwortete er. »Aber esschmeckt, und die Systeme konnten nichtsfür mich Gefährliches dann entdecken. Eswar sehr preisgünstig, weswegen ich michsatt eingedeckt habe.«

»Und das verdankt er nur mir«, äußertesich Mondra vergnügt »Ich habe diesen La-den vorhin nämlich entdeckt und auch umden Preis gefeilscht.«

»Na, hoffentlich gibt's da keine Spätfol-gen …«, bemerkte Treul ein wenig skep-tisch, wofür er sich einen bösen Blick ein-fing.

»Das ist kaum möglich«, behauptete Poul-

ton und streichelte zärtlich seinen Bauch,dessen Umfang sich bereits ein wenig erwei-tert hatte. »Ein ertrusischer Magen ist nahe-zu unempfindlich, er hält mehr aus als ertru-sische Lungen. Ich glaube, da kann nur nochein Haluter mithalten, die fressen ja selbstSteine …«

Reginald Bull bemerkte Ska, deren Blickseltsam versonnen auf das Schott gerichtetwar, durch das Eismer vor ein paar Minutenverschwunden war. »Was hast du?«

»Er tut mir so leid«, sagte sie leise.Bull nickte. »Ich weiß, was du meinst«,

sagte er langsam. »Es ist beinahe so, als wä-re Gucky hier. Der Kleine ist auch seit Jahr-hunderten einsam, das kann sich kein Men-sch vorstellen. Es ist bei Eismer zwar nichtganz so dramatisch, aber beider Situation istdoch sehr ähnlich.«

»Vielleicht fällt uns etwas ein, wie wirihm helfen können«, sagte Rhodan.

Poulton Kreyn schluckte einen großenBissen hinunter und grinste vergnügt.

»Ich habe nichts dagegen, noch eine Wei-le hierzubleiben«, behauptete er. »So gewin-ne ich endlich wieder mein altes Kampfge-wicht zurück!«

5.Aus den Aufzeichnungen Eismer

Störmengords

Ich bin Bebenforscher. Ich habe Dutzendevon Sonnensystemen in Kesselbeben unter-gehen sehen.

Aber so viel Dramatisches ist in nur weni-gen Augenblicken geschehen, daß ich es im-mer noch nicht fassen kann. Nach dem weit-gehend ergebnislosen Besuch bei dem Tam-pa-Stützpunkt habe ich Mondra Diamondund Poulton Kreyn ein paar Miro gegeben.Obwohl ich sonst Schwierigkeiten habe, dasmerkwürdige Verhalten dieser so unähnli-chen Wesen zu verstehen, habe ich hier dochdeutlich gemerkt, daß die beiden unbedingtdie Amüsements kennenlernen wollten.

Ich wollte das Risiko nicht eingehen, daßsie später auf meiner GLIMMER randalie-

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ren, nur weil sie kein Geld hatten und sichnicht austoben konnten. Nur so kann ichmein Schiff heil ans Ziel bringen.

Andererseits aber muß ich auch gestehen,daß diese Terraner zwar sehr streitlustig,aber größtenteils von heiterer Natur sind. Ichhoffe nur, es fängt nicht irgendwann an, aufmich abzufärben.

Ich bin ein Bebenforscher. Die Einsam-keit ist mein Begleiter. Zumindest war sie esbisher immer …

Im Moment bin ich so verwirrt, daß ichkaum einen klaren Gedanken fassen kann.Selbst mein ehrgeiziges Ziel habe ich ausden Augen verloren, denn … es ist etwas ge-schehen. Ich habe sie getroffen. Kein Beben-forscher kann darauf hoffen, eines Tages derLiebe seines Lebens zu begegnen.

Gascht, wie pathetisch das klingt. Aber esist so. Bei Goldnern geht das angeblich sehrschnell - sie wissen schon nach wenigen Au-genblicken, ob sie zusammengehören odernicht. Zumindest haben mir das immer mei-ne Eltern gesagt. Und ich, der ich immer einAußenseiter gewesen bin, mir soll das nunwiderfahren …

Ich glaube fest daran, daß sie auch etwasempfunden hat. Ich konnte deutlich spüren,wie ihr Duft sich änderte, der Blick ihrerAugen. Sie versuchte es durch ihre forscheArt zu kaschieren doch zwischen uns bestehtein Band, das wir nicht leugnen können. Siewollte mich nicht in Gefahr bringen, deswe-gen ging sie nicht mit mir.

Und ich bin schuld daran, daß sie gefan-gen und entführt wurde. Sie hätte sich sonstbestimmt rechtzeitig vor ihren Verfolgernverstecken können.

Was für ein Geheimnis wohl dahinter-steckt? Vielleicht ist sie im Besitz wichtigerInformationen, die die Tampa betreffen, undeine einzige Organisation will sich damitentscheidende Abstimmungspunkte sichern…

Es gibt so viele Möglichkeiten. Vielleichthat es auch etwas mit unserem Volk zu tun.Ich weiß so gut wie nichts mehr über dieMeinen …

Seit dem furchtbaren Kesselbeben habeich nichts mehr über meine Artgenossen er-fahren. Ich konnte den Schmerz nicht ertra-gen, meine gesamte Familie verloren zu ha-ben, während einige wenige auf Kolonienüberlebt haben … Wie könnte ich sie anse-hen, ohne an meinen Verlust erinnert zuwerden?

Auf Welten wie Leilanz XI kann ich michwohl fühlen Hier kann ich frei von allenSorgen sein und muß nicht einmal über mei-ne Arbeit nachdenken. Aber ich besitze ge-nügend Selbstdisziplin und Ehrgeiz, dasnicht zuzulassen. Es gilt, die Beben zu erfor-schen und möglichst Leben zu retten, ich ha-be es bei meinen toten Eltern geschworen.

Doch was spricht dagegen, meine Reisenmit einer Gefährtin zu unternehmen? Keinermeiner männlichen »Leidensgenossen« hatdas zwar ]e getan, soweit mir bekannt ist,aber das ist gleichgültig.

Ich bin Bebenforscher. Und vielleicht willes mein Schicksal anders als bei anderen Be-benforschern?

Vielleicht ist bei einem Goldner so viel soanders. Eine Goldner-Frau ist - soweit ichweiß - viel zäher als ein Mann, sie kann sol-che Strapazen besser durchstehen. Hindwürde mein Leben teilen, zumindest für eineWeile. Vielleicht kann sie mich sogar inmeinen Forschungen unterstützen und alsAußenstehende auf entscheidende Gedankenkommen, die uns so fern sind wie der Nebelvon Kratorn.

Möglicherweise ist das neue Ortersystemsogar von diesen Außenstehenden ent-wickelt worden, die sich nur mit »halbem«Herzen an unserer Sache beteiligen und diedie Dinge noch objektiver beurteilen kön-nen.

Was für eine Zukunft wäre das, mit Hindan meiner Seite! Ich würde meine Aufgabenoch ernster nehmen, und ich würde michnicht dazu verleiten lassen, die Gefahr zuscheuen, nur um sie davor zu bewahren. Siewüßte genau, worauf sie sich einließe.

Vielleicht möchte sie nach einem Jahrwieder in ihr altes Leben zurückkehren, aber

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dann hätte ich wenigstens dieses eine Jahrgehabt! Dieses eine Jahr, das mir meine ver-lorene Kindheit und die vielen Jahre derEinsamkeit als Bebenforscher wettmachenwürde.

Ich bin Bebenforscher, und ich darf keinEgoist sein. Als Bebenforscher bin ich demAllgemeindenken verpflichtet. Was ich jetztgerade fühle, ist sehr egoistisch gedacht,aber das ist mir egal. Ich bin keine Maschi-ne!

Wie sehr sehne ich mich nach meinerHind, ihrer Wärme, ihrem Geruch, ihrer Nä-he. Sie konnte mir viel erzählen, viel mehrals ich ihr. Mein Leben würde nicht mehrnur aus Forschung und Tod bestehen, ichwürde ein wenig von der Welt da draußenerfahren.

Ich wäre ein Goldner, seit vielen Jahrenwieder, nicht nur ein Bebenforscher, dem al-le mit Ehrfurcht begegnen. Und sie wäre da,und ich könnte ihren Erzählungen lauschen.Ich würde ihr Leben durch ihre Erzählungenein zweites Mal leben und wissen, daß es danoch mehr gibt.

Manchmal zweifle ich schon am Sinn,denn so vieles geht an mir vorüber, spurlos,gedankenlos. Man spricht von mir, ja! Diewenigen Goldner, die es noch gibt, glaubenwohl noch an den einzigen aus ihrem Volk,der zum Bebenforscher wurde. So habe ichzumindest Hind verstanden.

Ich weiß nicht einmal, wo die letztenGoldner wohnen. Das konnte sie mir nichtsagen. Aber ich weiß eines, und das machtmich traurig: Sie kennen nicht einmal mei-nen Namen. Hinter dem glorreichen Statusbin ich ein unbedeutender Niemand.

Ebenso niemand wird sich an mich erin-nern, wenn ich in Erfüllung meiner Pflichtsterbe. Schon die übernächste Generationder Goldner wird gar nichts mehr von mirwissen.

Das verbittert mich sogar ein bißchen.Ich bin Bebenforscher. Als solcher bin ich

daran gewöhnt, ganz anders zu denken alsgewöhnliche Wesen. Ich denke an ganzeSterne, an Planetensysteme; Milliarden von

Wesen bedeuten mir nicht viel. Aber untermeinen Gästen gibt es zwei Unsterbliche.

Sie haben es mir irgendwann aus einerLaune heraus gestanden Daß Reginald Bullund Perry Rhodan anders waren, konnte ichspüren, schon seit sie an Bord der GLIM-MER gekommen waren.

Sie besitzen eine starke Ausstrahlung. Dieanderen begegnen ihnen trotz ihrer flottenSprüche mit ein wenig Scheu. Wie man mireben zumeist begegnet.

Ich sprach Reginald und Perry einesAbends darauf an, was sie von den anderentrenne. Ich redete frei darüber, daß ich an ih-nen dieses gewisse Etwas erkennen könne,weil ich ebenso wie sie eine Art von Ein-samkeit mit mir herumtrage.

Da haben sie es mir erzählt. Vielleichtauch, um mir zu beweisen, daß sie mir ver-trauten und ich ihnen ebenso vertrauen kön-ne. Keiner ihrer Gefährten war damals da-bei. Wir redeten sehr lange.

Perry und Reginald erzählten ihre Ge-schichte. Angefangen von der Landung aufdem Mond ihres kleinen unbedeutenden Pla-neten. Der Aufstieg ihres kleinen Sternenrei-ches zur beherrschenden Macht einer Gala-xis. Ich bewunderte sie.

Doch dann erzählten sie mir Geschichtenvon Tod und Vernichtung, von verheerendenKriegen in ihrer Galaxis und in anderenSterneninseln, von Reisen an den Rand desbekannten Weltraums und sogar in andereUniversen. Jedem anderen Wesen hätte ichnicht geglaubt, aber ihre Erzählungen wirk-ten keinen Augenblick lang übertrieben.

Ich hatte sogar manchmal das Gefühl, daßPerry und Reginald mir nicht alles erzählten.Immer dann, wenn sie sich anschauten, hatteich das Gefühl, sie würden sich darüber un-terhalten, was sie mir zu verschweigen hat-ten.

Es sind merkwürdige Wesen, wirklich.Aber ich habe sie schätzengelernt.

Sie berichteten auch von ihrer Aufgabe,dieses alte Schiff namens SOL wieder in Be-sitz zu nehmen, um der sogenannten Koaliti-on Thoregon einen entscheidenden Vorteil

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zu verschaffen. Sie behaupteten, daß das Er-reichen ihres Ziels auch für unsere Doppel-galaxis von Vorteil sei. Wir seien ebenfallsvon den Ereignissen um die Koalition unddiesen Shabazza betroffen.

Da ich aber noch nie von einer solchenKoalition gehört habe und unsere Völker mitganz anderen Problemen zu kämpfen haben,konnte ich diesen Worten nicht so richtigGlauben schenken. Eine »große kosmischeAufgabe«, das klingt ein bißchen übertrie-ben, finde ich.

Doch diese Männer brauchen wohl dieseArt Aufgabe, um gewissermaßen ihre Un-sterblichkeit zu … ja, zu rechtfertigen. DenSinn darin zu sehen. Oder nicht?

Mich tröstet dabei, daß meine Einsamkeitnach Ablauf meines natürlichen Lebens einEnde haben wird. Aber diese beiden? Ichwünsche ihnen, daß sie nicht eines Tages anihrer großen Liebe zum Leben, an ihremPflichtbewußtsein und gleichzeitig ihrerAbenteuerlust, ihrer Neugier zugrunde ge-hen. Es wäre ein großer Verlust. Nicht nurfür ihr Volk.

Was mich nicht tröstet, ist das Wissen,daß sie jemand sind. Ihr Lied wird dort drau-ßen im Kosmos irgendwo gespielt, meinesniemals. Das bedaure ich, und mein Ehrgeizwill sich dagegen auflehnen. 0 ja, ich bin ei-tel. Ein Luxus, den ich mir erlaube, wennich sonst schon nichts habe.

Ich bin Bebenforscher. Aber ich braucheanscheinend ein Wesen, das mein Schicksalteilt.

0 Hind, meine Hind, wo mag sie jetztsein? Ich schreibe pathetischen Unsinn, weilmein Herz Kopfstände über meinen Ver-stand macht. Ich bin ganz durcheinander,aber ich muß ständig an sie denken. Geradegefunden, habe ich sie schon wieder verlo-ren.

Aber ich kenne ihr Hotel, vielleicht kannich dort etwas über sie in Erfahrung bringen.Ich muß sie unbedingt wiederfinden!

6.

Die Nacht war nur noch kurz. Trotzdemfanden sich alle pünktlich in der Zentrale zurmorgendlichen Besprechung ein.

Es gab überraschte Blicke, als EismerStörmengord in einem völlig ungewohntenAufzug erschien - einer für DaGlausch typi-schen Abenteurerkluft aus aufwendig verar-beitetem, reichlich verziertem Hemd undWams und Hosen in Beige und Orange, miteinem breiten Gürtel, an dem diverse Behäl-ter, ein kleiner Handstrahler und ein Multi-funktions-Messer befestigt waren. Statt sei-nes schwarzen Mantels hatte er sich nureinen leichten Umhang um die Schultern ge-legt. Nur seine kniehohen roten Stiefel wa-ren geblieben.

»Ich werde nicht mit euch gehen«, eröff-nete er seinen Gästen. »Ich muß mich umge-hend auf die Suche nach Hind machen. Ichmuß herausfinden, was mit ihr geschehenist, und sie notfalls befreien.«

»Etwas Ähnliches habe ich mir bereits ge-dacht«, sagte Rhodan. »Ist es möglich, denOrter ohne dein persönliches Erscheinen zuerwerben?«

»Ich danke dir, daß du dich bereit erklärst,mir das abzunehmen«, entfuhr es dem Gold-ner erleichtert. »Nein, das stellt überhauptkein Problem dar. Ich gebe dir eine Voll-macht mit. Den geforderten Betrag habe ichbereits erfragt und elektronisch angewiesen.Ich habe entsprechende Vorkehrungen ge-troffen, damit sie dort im Büro wissen, daßdu kommst.« Er machte eine unsichereHandbewegung. »Ich hoffe, daß meine Su-che nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmenwird.«

»Eismer, ich würde dich gern begleiten«,machte Reginald Bull einen Vorschlag, dender Goldner vielleicht schon halbwegs er-hofft hatte - denn sein Mund verzog sich zueinem schwachen Lächeln.

»Und ich auch«, platzte es Tautmo Aa-genfelt heraus.

Als dem Hyperphysiker klar wurde, waser da gesagt hatte, wurde er rot.

Poulton Kreyn musterte den erwiesenenFeigling mit hochgezogenen Brauen, ent-

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hielt sich jedoch eines Kommentars. AuchMondra Diamond schwieg, doch es fiel ihrsichtlich schwer.

»Ich fühle mich ein wenig schuldig, undaußerdem kriegen die Kerle noch was vonmir für meine Beule«, verteidigte Tautmoseinen unüberlegten Ausspruch.

Unwillkürlich rieb er sich den Hinterkopf.Natürlich fühlte er inzwischen keineSchmerzen mehr, und die Schwellung wardank der Mittel seines SERUNS bedeutendzurückgegangen.

Eismer Störmengord hingegen sah reich-lich derangiert aus, seine Nase war wie be-fürchtet dunkelblau verfärbt und geschwol-len. Er konnte nur sehr näselnd sprechen,und man merkte, daß er bei bestimmtenKonsonanten Schmerzen litt.

»Ich nehme euer Angebot gern ah«, ge-stand er. »Ich muß zugeben, allein wäre ichwohl ziemlich hilflos, nicht wahr?«

Reginald Bull lächelte. »Wir haben ge-stern alles miterlebt, und heute wollen wirnicht wieder alles vermasseln. Und Tautmohat recht, diese Kerle kriegen noch was vonuns.«

»Ich möchte euch um einen großen Gefal-len bitten«, begann Eismer vorsichtig. »Wieihr seht, habe ich mich entsprechend ausstaf-fiert, damit niemand in mir einen Bebenfor-scher erkennt. Ich kann es mir nicht leisten,aufzufallen, um so größer sind die Chancen,an Informationen heranzukommen. Das …hm … ist bei euch noch nicht ganz der Fall.Und gestern hat es ja schon Probleme des-wegen gegeben.«

Tautmos Gesichtsfarbe wechselte von Rotzu Weiß. »Ich soll den SERUN ausziehen?«flüsterte er.

»Es wäre wirklich besser«, bestätigte Eis-mer. »In meinem reichhaltigen Fundus habeich genügend Kleidung für euch. Vor eini-gen Jahren habe ich in einer Art Sammler-wut bei einer Versteigerung eine MengeKleiderkisten erstanden, darunter ist sicher-lich etwas Passendes für euch.«

Reginald Bull runzelte die Stirn. Es warkeine leichte Entscheidung, einfach auf die-

sen Schutz zu verzichten, auf den man sichin jeder Situation voll verlassen konnte. EinSERUN war wie eine zweite Haut. Anderer-seits hatte Eismer recht - obwohl so un-scheinbar, hatten die Glücksritter und Händ-ler auf den ersten Blick erkannt, daß sie bei-de ungewöhnliche Raumanzüge trugen, dieman sonst nirgends in DaGlausch fand.

Tautmo war bereits überfallen wordenund er selbst deswegen angepöbelt; er hattesich nur besser aus der Situation retten kön-nen. Mondra und Poulton hatten gesternnacht ähnliches berichtet. Sie würden zusehr auffallen und die Räuber wie das Lichtdie Motten anziehen.

Natürlich konnte man sich tarnen, natür-lich war es möglich, die SERUNS so umzu-gestalten, daß sie nicht sofort auffielen. Jetztaber war dafür zuwenig Zeit.

»Ach, was soll das Sicherheitsempfin-den«, sagte Bully leichthin. »Verzichten wireben darauf. Es wird schon nichts passieren,wenn wir uns gut tarnen und einige kleineGeräte in guter Tarnung mitnehmen.«

Der Aktivatorträger schlug Tautmo aufdie Schulter, der gequält lächelte, aber im-merhin keinen Rückzieher machte.

Perry Rhodan, Ska Kijathe und MondraDiamond machten sich erneut auf den Wegzum Tampa-Büro. Poulton Kreyn hatte sichin der Nacht so überfressen, daß ihmschlecht geworden war. Deshalb blieb derErtruser auf der GLIMMER.

Selbstverständlich blieben dann in diesemFall die beiden Swoons zurück, um ein Augeauf Norman zu haben. Man wußte nie, waspassierte, wenn der Ertruser sich wieder er-holt hatte und dann eher Lust auf etwas»Heimisches« verspürte …

Eismer Störmengord und seine beidenFreiwilligen waren ebenfalls aufgebrochen;die beiden Menschen nunmehr in ebensoabenteuerlicher Aufmachung wie der Gold-ner.

Perry Rhodan hatte sich den Weg von derZugstation zum Büro gut eingeprägt, so daßsie ohne Schwierigkeiten hinfanden. Dies-mal war der Empfang besetzt. Es waren fünf

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verschiedene Wesen, von denen zwei Ech-senabkömmlinge und die anderen drei hu-manoid waren. Außer den Terranern tum-melten sich weitere Besucher in dem Foyer,die einen Termin haben wollten oder auf dieAbholung warteten.

»Ich bin Tsurek, ich bin vom Volk derTerenoden«, sprach ein humanoides WesenPerry Rhodan an.

Es besaß eine kantenförmige Figur vonknapp zwei Metern Länge und einem MeterBreite, die obere Rumpfhälfte war tonnen-förmig nach vom gewölbt. Das haarlose, le-drige Gesicht mit einem engstehenden, klei-nen Augenpaar besaß starke Wangenwülste,die fast bis zum Kinn hinabreichten.

»Kann ich etwas für dich tun?« fragte Ts-urek.

Rhodan überreichte die Vollmacht vonEismer Störmengord und fügte hinzu: »Wirsind angemeldet «

Der - oder die - Terenode bestätigte nacheinem kurzen Blick auf den Schirm: »Ja, dieVollmacht ist in Ordnung Wir haben bereitsalles vorbereitet. Aus Haftungsgründenmußt du den Orter selbst abholen. Er ist je-doch leicht zu transportieren.«

Auf dem Schirm des Pfortencomputersleuchtete der Lageplan auf, und der oder dieTerenode erläuterte dazu: »Das Lager befin-det sich im zweiten Stockwerk. Wenn duden linken Lift benutzt, kommst du gleich ander Kasse heraus. Laß dir dort bitte zuerstdie geleistete Zahlung bestätigen, dann er-hältst du das Gerät.«

»Aus Haftungsgründen, soso«, murmelteMondra im Lift. »Ich werde für alle Fällemal meinen Strahler bereithalten, anschei-nend gibt es hier sogar Überfälle am hellich-ten Tag.«

Perry schaute sie an, sie blickte zurück.Einige Augenblicke lang bohrten sich ihreBlicke ineinander, dann schauten beide an-einander vorbei.

Auf der zweiten Etage herrschte lebhaftesTreiben. Sie mußten einige Zeit anstehen,bis sie an die Reihe kamen - dann aber ginges sehr schnell. Während die anderen Kun-

den auf ihre Ware noch warten mußten,brachte ihnen ein Roboter das geheimnisvol-le Ortersystem.

Eine Weile sagten sie gar nichts, sondernschauten nur fassungslos das Gerät an.

Es war ein unscheinbarer Würfel mit einerKantenlänge von nur neunzig Zentimetern.Die Schnittstelle für einen beliebigen Steu-ercomputer befand sich oben in der Mitte.

Ohne die Bedienungsanleitung erst lesenzu müssen, wußte Perry Rhodan, daß diesesleistungsfähige Gerät eine Hyperortung biszu 450 Lichtjahren Reichweite und normalelichtschnelle Ortung und Tastung erlaubte.

»Das … das ist doch unser terranischerMehrzweckorter ZZ-89!« stotterte Ska Kija-the. Ihre stoische Ruhe war völlig dahin.»Wie in aller Welt kommt so ein Gerät hier-her?«

»Terraner sind eben überall schon einmalgewesen«, meinte Mondra schwach.

Perry Rhodan hielt das Gerät in seinenHänden, drehte und wendete es.

»Es ist wirklich ein ZZ-89«, sagte er.»Zwar gibt es schon einige Weiterentwick-lungen, aber dieses Standardgerät haben so-gar wir von Camelot in die einfacherenRaumschiffe einbauen lassen.«

Rhodan schüttelte den Kopf. Dann kehrteer zur Kasse zurück »Ich muß dringend je-mand Verantwortlichen sprechen, der überdieses Gerät hier Bescheid weiß«, sagte erhöflich.

»Ist es defekt? Wir haben eine Funktions-prüfung durchgeführt, und die hat nichts er-geben«, entgegnete der Computer.

»Nein, es ist nicht defekt. Ich brauche je-doch weitere Informationen.«

»Tut mir leid, aber momentan sind alle ineiner Besprechung. Ich kann unter keinenUmständen stören. Um einen Termin zu ar-rangieren muß ich zuerst erfahren, welcheInformationen du benötigst.«

»Mich interessiert der Herstellungsort«,formulierte Rhodan global.

»Das ist geheim,« kam die stoische Ant-wort.

»Weshalb?«

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»Eines der Statuten des Tampa-Konsortiums verbietet unter anderem dieWeitergabe von derartigen Informationen anDritte. Dadurch wird Werkspionage vermie-den. Selbst Zwischenhändler erhalten dieseInformationen nicht Bitte mach den Wegfrei für die nächste Anfrage!«

Rhodan sah es nicht als sinnvoll an, miteinem Computer zu streiten. Er nahm denHinauswurf hin und verließ mit den beidenFrauen das Haus. Dabei blieb er erstaunlichruhig.

»Ich kann es immer noch nicht fassen«,stieß Mondra hervor. »Träume ich? Odersind wir alle verrückt geworden?«

»Denk doch mal nach«, sagte Rhodanganz langsam. »Wir sind in dieser Doppel-galaxis gelandet, wo auch die Dscherro ihrUnwesen treiben. Dscherro hat es auf die Er-de verschlagen. Statt dessen wurden Terra-ner in eine unbekannte Galaxis versetzt.«

Er schaute Mondra direkt an, wieder fes-selte sie ihn mit ihrem Blick. »Es wäre dochzumindest denkbar, daß Terraner inDaGlausch sind«, führte er den Gedanken zuEnde. »Nur wo?«

»Es ist nur eine Handvoll«, merkte Mon-dra an. »Ich glaube, du kannst dir den Ge-danken, sie zu finden, schnell aus dem Kopfschlagen.«

»Wir werden es bald herausfinden«, ver-sprach der Terraner. »Kehren wir zuerst zumSchiff zurück, dort können wir ungestört re-den.«

»Na, auf die Gesichter der anderen bin ichja gespannt …«, frohlockte die ehemaligeTLD-Agentin.

*

»Zuerst müssen wir das Hotel Zork aufsu-chen«, legte Eismer Störmengord die Vorge-hensweise fest. »Hind wohnt dort, sie wolltesich dort mit mir heute verabreden.«

Er deutete auf einen kleinen elektroni-schen Stadtplan, den er mitgenommen hatte.Das Display zeigte verwirrende Gassen undStraßen, machte aber den Weg klar.

»Das liegt ziemlich im Zentrum«, stellteBull fest.

»Natürlich, hier hat man auch die besteAuswahl. Für die meisten Raumfahrer gibtes mindestens ein Hotel, das ihren speziellenAnsprüchen angepaßt ist. Die ganz großenHotels bieten diesen Komfort natürlichnicht.« Eismer rieb sich unbewußt die lä-dierte Nase und verzog den Mund. »Goldnerlieben es klein und verwinkelt. Das Zork istdaher die richtige Adresse «

»Nichts wie hin!«Leilanza wirkte am Tag nicht weniger

bunt und faszinierend. Das Licht des BlauenRiesen war nicht besonders intensiv - undnoch weniger wärmend -, weswegen einekünstliche Beleuchtung auch tagsüber erfor-derlich war. Das Publikum war nahezu das-selbe, es wirkte allerdings alles etwas hekti-scher, geschäftsmäßiger.

Tautmo Aagenfelt, der sich anfangs oft-mals unsicher umsah, wurde allmählich ge-löster. Bis jetzt hatte es keinen Grund gege-ben, den SERUN zu vermissen.

»Mich wundert, daß Perry uns nicht ver-boten hat, ohne SERUN zu gehen, von we-gen Sicherheit und so«, raunte er beiläufigReginald Bull zu.

»Er weiß, daß wir nachvollziehbare Grün-de haben«, kam es zurück. »Also hat er eszähneknirschend eingesehen.«

»Zumindest werde ich jetzt nicht dauerndwegen meines Anzugs angepöbelt.«

»Da vorn ist es!« verkündete der Goldnertriumphierend.

Zwei Blocks weiter stand ein weitgehendwindschiefes, seltsam wirkendes Gebäude,dessen Architekt bei der Planung möglicher-weise nicht ganz nüchtern gewesen war. Be-reits von außen war erkennbar, daß es innenvöllig verschachtelt sein mußte und eher fürKleinwüchsige gedacht war.

Eine leuchtende Neonfassade wies auf diegünstigen Preise, die hervorragenden Spei-sen und die großartige Bedienung hin. Überallem prangte als Hologramm in den Letternder galaktischen Verkehrssprache Glau-sching der stolze Name Zork. Im Goldner-

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Dialekt hatte dieser Name angeblich eine be-sondere Bedeutung, die Eismer aber untergar keinen Umständen herausrücken wollte.

Immerhin war die Eingangshalle auch fürgrößere Wesen zugänglich. Eismer konntees auf einmal gar nicht mehr erwarten, hin-einzukommen; vielleicht hoffte er, dort gan-zen Scharen seiner Artgenossen zu begeg-nen.

Jedoch - nicht einer. Es tummelten sichzwar jede Menge kleinwüchsiger Gestalten,doch keine ähnelte Eismer nur im entfernte-sten. Die Rezeption war von einer Ksnii be-setzt, insektoide Angehörige eines sehr ar-beitsamen und daher beliebten Volkes, diein den Augen der Terraner wie eine Mi-schung aus Fliege und Gottesanbeterin aus-sah.

»Welch eine Ehre, einem Goldner zu be-gegnen!« summte sie aufgeregt und zuvor-kommend. »Mein Name ist Bsasee, ich bindeine persönliche Betreuerin. Wir habenganz spezielle Zimmer für Angehörige dei-nes Volkes …«

»Ich suche kein Zimmer«, unterbrach derBebenforscher. »Ich möchte hier jemandentreffen - Hind.«

Die Ksnii suchte in ihrem Computer,summte dabei hektisch vor sich hin, mußtejedoch bedauern.

»Es tut mir leid, jemand mit diesem Na-men ist hier nicht registriert«, behauptetesie.

»Das kann nicht sein! Sie hat mir selbstgesagt, hier zu wohnen!«

»Vielleicht ist sie unter einem anderenNamen registriert? Welchem Volk gehört siean?«

Eismers ohnehin dünner Geduldsfadendrohte zu reißen. »Na, meinem - sie ist eineGoldnerin!«

Die Kopffühler der Ksnii bewegten sichlebhaft hin und her.

»Du bist der erste Goldner, den ich inmeinem ganzen Leben gesehen habe«, be-hauptete sie.

Reginald Bull sah sich gezwungen, sicheinzumischen, da Eismer schon halb durch-

drehte.»Vielleicht hat sie bei einer Kollegin ein-

gecheckt?« fragte der Terraner höflich.»Aber nein, aber nein«, summte Bsasee

fröhlich, die langen Greifarme arbeitetenflink an den Kontrollen. »Das ist ganz aus-geschlossen, ich habe schon seit einer Wo-che durchgehend Dienst.«

»Und wann schläfst du?« entfuhr es Taut-mo Aagenfelt.

»Überhaupt nicht!« lautete die Antwort.»Nach dem letzten Schlüpfen schlafen wirnicht mehr, arbeiten bis zum Tod, so ist das…«

»Bitte, könntest du nicht noch einmalnachsehen, wir sind ganz sicher, daß Hindhier abgestiegen ist«, bat Bull.

»Ich kann mich nicht irren und der Com-puter ebenfalls nicht.«

Die Kopffühler zitterten jetzt heftig. Tau-sende Facetten der riesigen schwarzen Au-gen leuchteten abwechselnd wie kleine Ster-ne auf, wenn sie bei einer Kopfbewegungdas Licht reflektierten.

»Selbst wenn die gesuchte Person vormeinem Dienstantritt eingecheckt hat, müßtesie in der Liste aufgeführt sein«, beharrtedas insektoide Wesen. »Ich müßte sie in derganzen Zeit wenigstens einmal gesehen ha-ben, wenn sie das Haus verließ!«

»Gibt es mehrere Ausgänge?«»O nein, das ist aus Sicherheitsgründen

streng verboten. Wir müssen jeden registrie-ren, gleich ob Gast oder Besucher, der in dasHotel will.«

Reginald Bull sah Eismer Störmengordan.

»Nein, ich will nicht«, sagte der Goldnerniedergeschlagen. »Wenn sie hier nicht ge-meldet ist …«

Der Bebenforscher wandte sich zum Ge-hen. Er ließ die Schultern hängen, wirkte zu-tiefst betrübt.

»Vielen Dank«, sagte Tautmo Aagenfeltschnell noch zu der Insektoiden, bevor erseinen Gefährten folgte.

»Ich helfe für mein Leben gern«, zirpteBsasee hinterher.

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»Damit habe ich nicht gerechnet«, ge-stand Eismer niedergeschmettert. »Jetztweiß ich überhaupt nicht mehr, wo ich an-fangen soll … Wie soll ich sie in dieserStadt noch finden? Wo gibt es eine Spur vonihr?«

»Gehen wir ein paar Schritte, das wird dirguttun«, sagte Reginald Bull freundlich.

Der Goldner gehorchte, er schien wie be-täubt.

»Aber wohin denn?« nun wisperte Taut-mo, der auf der anderen Seite des Goldnersging.

»Ich habe im Hotel ein wenig auf die Leu-te um uns geachtet«, gab Bull ebenso leisezurück. »Als der Name Hind fiel, hat aufeinmal jemand ziemlich schnell das Foyerverlassen. Vielleicht hat es nichts zu bedeu-ten, aber das werden wir bald wissen.«

Tautmo Aagenfelt schluckte trocken.»Allmählich wird's aufregend«, murmelte

der Hyperphysiker.»Das passiert dir allemal, wenn du mit

mir unterwegs bist«, meinte Bull gutgelaunt.»Und nicht einmal einen einzigen Gold-

ner habe ich gesehen, es ist keiner im Zorkabgestiegen«, klagte Eismer. »Es scheint so,als seien Hind und ich wahrhaftig die einzi-gen hier auf Leilanz XI, und nicht einmalein kurzes Treffen ist uns vergönnt …«

*

Eine Weile schlenderten sie dahin, ohneEile, und betrachteten hin und wieder dieSchaufenster. Eismer hatte keinen Blick da-für, aber er beschwerte sich nicht über dasgemächliche Tempo. Der kleine Goldnerwar viel zu sehr mit seinen eigenen Gedan-ken beschäftigt.

Auf einmal sagte Bull: »Na also.« Ernahm Eismers Arm und schob ihn in einenSpalt zwischen zwei Häusern.

Tautmo sprang sofort mit einem Satz hin-terher.

»Was ist denn …«, begann der Goldnerverstört und verstummte erschrocken, alsBull scharf »Pssst!« zischte.

Tautmo stellte sich mit Eismer hinterBull, der vorsichtig um die Ecke blickte.Niemand der Vorübergehenden schien sie zubemerken. Plötzlich aber schoß der Rot-schopf aus seiner Deckung, packte jemandenund zerrte ihn ziemlich unsanft in das not-dürftige Versteck herein.

»Deine Art kenne ich doch!« fauchte er.»Du bist ein Garambolide!«

Der Attackierte war etwa 1.90 Meter großund glich einer aufrecht gehenden, goldfar-benen Weichschildkröte. Auch seinen Halskonnte er entsprechend lang ausdehnen oderkomplett zusammenziehen, bis der schmaleKopf fast gänzlich zwischen zwei hervorste-henden, mächtigen Schulterdomen des dün-nen Rückenpanzers verschwand. Im Mo-ment versteckte er den Kopf, und die oran-genen Augen mit den starren Pupillen warendurch das untere Schlupflid halb verschlos-sen.

»Einige deiner Art haben gestern ver-sucht, mir meinen Anzug abzuschwatzen!Ihr scheint ziemlich windige Händler zu seinoder besser gesagt, Schieber Stimmt'snicht?«

Der Garambolide trug einen durchsichti-gen Netzanzug mit einem Rückenbeutel, indem er offensichtlich seine Ausrüstung ver-staute. Die unempfindlichen, krallenbewehr-ten Füße seiner kräftigen, aber kurzen Beinebenötigten kein Schuhwerk. Er trug keineWaffe und schien auch ansonsten keiner ag-gressiven Kultur anzugehören. ReginaldBull hatte den flexiblen Anzug vorn an derverhärteten Brustplatte gepackt und zusam-mengedreht.

Eingeschüchtert antwortete der Garambo-lide mit knarrender Stimme:

»Wir sind ehrbare Händler, und meineArtgenossen haben dir bestimmt einen gutenPreis geboten!«

»Das mag sein, aber heute trage ich kei-nen solchen Anzug. Aus welchem Grundbist du also an uns interessiert?«

»Es gibt keinen Grund, ich ging hier nurganz zufällig entlang …«

»Lüg mich nicht an!« Reginald Bull be-

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wies einmal mehr, daß ansehnliche Kräfte inihm schlummerten, als er den sicherlichmehr als einhundert Kilogramm schwerenGaramboliden kräftig schüttelte.

Eismer Störmengord trat nervös von ei-nem Fuß auf den anderen.

»Erbarmen!« wimmerte das Schildkröten-wesen gedämpft, vom Kopf war nur nochder schnabelartige Mund zu sehen. »Jemandhat gehört, daß ihr im Hotel nach jemandemsucht, und er hat mir aufgetragen, euch zuverfolgen … aber mehr nicht! Ich schwörees!«

»Ich dachte es mir«, brummte Bull.Der Terraner ließ den Garamboliden los,

der mit kurzen Fingern seinen Anzug wiederin Form brachte. Vorsichtig reckte er denKopf und öffnete die Augen.

»Kann ich dann gehen?« fragte dasschildkrötenähnliche Wesen zaghaft.

»Noch nicht. Zuerst bringst du uns zudem, der dir den Auftrag gegeben hat.«

Sofort war der Kopf wieder verschwun-den. »Das kann ich nicht!«

»Wieso? Da ist doch nichts dabei. Sagenwir, es ist ein Geschäft. Du führst uns zudeinem Auftraggeber, und wir bezahlen dichdafür.«

»Was werdet ihr dann mit ihm tun?«»Vermutlich dasselbe Geschäft, was

sonst? Wir brauchen Informationen, nichtssonst. Und die bekommen wir von ihm. Wirkönnen uns das auch ersparen, wenn du unssagst, was du über Hind weißt.«

»Nein, o nein. Ich werde euch zu Duragbringen.«

»Ist er ebenfalls ein Garambolide?«»Nein, ein Tentradex.« Der Garambolide

streckte seinen Hals plötzlich auf volle Län-ge aus und neigte ihn leicht zu Eismer.»Vorher die Bezahlung«, forderte er, aufeinmal kühn geworden.

Eismer starrte Bull an, dann fügte er sich.Er holte ein paar Miro-Scheine hervor unddrückte sie dem Garamboliden in die ausge-streckte Hand.

»Folgt mir!« Das Schildkrötenwesen führ-te sie ein paar Straßen weiter.

Es ging durch eine dunkle Gasse undeinen Nebeneingang in einen Hinterhof Dorthatte jemand in einer Art Containerbau einBüro eingerichtet, das nicht für jedermannzugänglich sein sollte.

Durag war ein Humanoider, mit rötlich-gelb gestreifter Haut und einem fast mensch-lichen Gesicht, abgesehen von der flachen,breiten Nase und dem rechteckigen Mund,den er um einige Zentimeter ausfahrenkonnte. Auf seinem Kopf wuchsen feineweiße Flaumfedern, die auch die breitenWangen und die Handrücken bedeckten.

Reginald Bull erinnerte sich, daß die hu-manoiden Verfolger von Hind genauso aus-gesehen hatten.

»Durag, sie wollten dich unbedingt se-hen«, schnatterte der Garambolide ohne Ein-leitung los. »Sie wissen gar nichts überHind.«

Durags schmaler Körperbau und Glied-maßen waren weitgehend menschlich, eben-so seine Gesten - und der Blick seiner kal-ten, rötlichgrau marmorierten Augen.

»Du bist ein Tölpel, Reang«, zischte er.»Du solltest sie verfolgen und nicht umge-kehrt.«

»Er ist ein Dilettant«, sagte Reginald Bull.»Wir nicht. Weshalb interessierst du dichdafür, wenn jemand nach Hind fragt?«

»Sagt ihr mir zuerst, weshalb ihr siesucht.«

Reginald Bull zog einen Sessel zu sichheran, der einigermaßen zu seinem Körper-bau paßte, und ließ sich bequem darauf nie-der. Nach einem kurzen Zögern suchten sei-ne beiden Gefährten ebenfalls eine Sitzmög-lichkeit.

»So läuft das nicht«, sagte der rothaarigeTerraner gelassen. »Frag deinen Lakaien, obich ziemlich unwirsch werden kann!«

Reang zog sofort wieder den Kopf ein.»Ich werde ja wohl nicht mehr ge-

braucht«, kam es gedämpft zwischen denSchulterhörnern hervor.

Dann verließ der Garambolide eilig dasBüro.

Durag hob abwehrend die Hände hoch.

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»Keine Gewalt, bitte. Darum geht es mirnicht.«

Eine Weile musterte er schweigend seineunangemeldeten Besucher; besonders langeruhte sein Blick auf Eismer.

»Ich suche sie!« rief der Goldner schließ-lich, als er es nicht mehr länger aushielt.

Es war dem Bebenforscher in dieser Se-kunde völlig gleichgültig, ob er damit Regi-nald Bulls Strategie durchkreuzte.

»Wenn du etwas über Hind weißt, sag esmir!« forderte er zornig.

»Lange Zeit dachte ich, außer Hind gäbees schon keine anderen Goldner mehr«, sag-te Durag plötzlich. »Sie hat nie über ihrVolk gesprochen.«

»Dann kennst du sie also näher?« fragteBull.

»Ja«, gab Durag zu. »Aber rein geschäft-lich.«

*

»Ihr habt euch da auf eine gefährliche Sa-che eingelassen«, fuhr der Tentradex fort.»Um es ehrlich zu sagen: Ich ließ euch ver-folgen, um herauszufinden, was ihr mit ihrzu tun habt. Das Hotel Zork gehört mir, unddeshalb bin ich über alles informiert, wasdort vor sich geht.«

»Und ebenso verantwortlich für alles wiezum Beispiel für die Löschung bestimmterDaten …«

»Eine notwendige Abwehr gegen uner-wünschte Nachfragen. Was habt ihr mitHind zu tun?«

Reginald Bull sah Eismer Störmengordauffordernd an. Es war an der Zeit, die Kar-ten auf den Tisch zu legen.

»Ich habe sie gestern zufällig getroffenund ihre Entführung miterlebt«, sagte Eis-mer langsam. »Wie du schon sagtest, gibt esnicht mehr viele meines Volkes, und ich ha-be seit Jahrzehnten mit keinem Goldnermehr geredet. Ich will sie um jeden Preis be-freien, damit sie mit mir kommt.«

Durag steckte sich ein dünnes Glasrohr inden Kastenmund, stopfte ein braunes Kraut

in das offene Ende und zündete es an. DasKraut glühte auf und löste sich schnell ineinen rauchgrauen Nebel auf, der langsamdie Röhre entlang Richtung Mund waberte.

»Meiner Ansicht nach ein aussichtslosesUnterfangen. Du solltest sie besser verges-sen und zu deinem Leben zurückkehren.«

»Dafür sind wir schon zu weit gegangen«,sprach Bull sanft dazwischen.

Durag inhalierte den Rauch tief, feineRauchwölkchen dampften aus seiner Nase.

»Ich brauche das für meine Atemwege,diese Luft hier ist Gift für mich«, erklärte er,ohne daß ihn jemand gefragt hätte.

»Wie schon gesagt, Hind und ich stehenin geschäftlicher Beziehung«, fuhr er dannfort und kam endlich zum Kern der Sache.»Das Hotel wirft nicht genug ab, und durchmeine Beziehungen habe ich nebenher einenHandel aufgezogen.«

»Der nicht ganz sauber ist, nehme ichan«, bemerkte Bull höflich.

»Nun … ja. Ein wenig Schieberei ist na-türlich immer dabei, aber sie tut niemandemweh. Wir machen keine großen Sachen, esreicht für einen angenehmen Lebensstan-dard. Bis Hind sich da in etwas verwickelnließ, das zu groß für sie wurde. Ich habe ihrgeraten, die Finger davon zu lassen, aber sieließ sich von der Aussicht auf einen gewalti-gen Profit hinreißen. Sie fing vor ein paarMonaten damit an, und von da an ging esstetig mit ihr bergab. Ich hatte keinen Ein-fluß mehr auf sie. Es blieb mir nichts ande-res übrig, als meine Beziehung zu ihr nachaußen hin abzubrechen - deshalb ist sie inmeinem Hotel nicht mehr bekannt.«

Durag inhalierte erneut, bevor er weiter-sprach.

»Vor ein paar Tagen dann kam sie zu mirund bat mich um Hilfe. Sie hatte sich aufeinen krummen Handel eingelassen - es gingum Götzenbilder, die von religiösen Eiferernin DaGlausch angebetet oder geopfert wer-den, um Verschonung vor dem Kesselbebenzu erbitten.«

»Gascht!« stieß Eismer hervor.»Von dem Profit hat sie wohl ein wenig

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mehr als vereinbart abgezweigt, und nunwaren sie hinter ihr her. Ich riet ihr, soforteine Passage zu buchen und von hier zu ver-schwinden, aber sie wollte unbedingt nocheinige Dinge erledigen. Gestern mittag sagtesie mir, daß sie fast fertig sei und heute mor-gen abreisen würde. Seither habe ich sienicht mehr gesehen, und ihre Sachen sindnoch alle da. Ich habe heute morgen ange-fangen nachzuforschen, doch jetzt erfahreich von euch, daß sie wirklich entführt wor-den ist.«

»Wir haben die Entführer gesehen.« Regi-nald Bull gab eine Beschreibung der Grup-pe.

Durags Gesicht wurde zusehends ernster -er legte die Stirn in tiefe Falten, die Federnan seinen Wangen zuckten Er inhalierte eindrittes Mal, der Dampf hatte sich fast aufge-löst.

»Ich wußte nie, mit wem sie sich einge-lassen hatte«, seufzte er. »Das klingt sehrnach Rakh Er ist ein Händler der übelstenSorte, absolut rücksichtslos. Er schreckt vorkeinem Mittel zurück, nur um an Miro zukommen. Ein fetter, alter Sack. Leider einTentradex wie ich.«

»Wo können wir ihn finden?« fragte Eis-mer aufgeregt.

Durag wiegte den Kopf. »Nirgends, meinarmer Freund. Niemand kennt derzeit RakhsAufenthaltsort. Er kommuniziert mit seinenUntergebenen nur noch per Funk. Die müßtihr finden, denn sie werden Hind in ihrerGewalt haben. Aber ihr solltet euch beeilen,denn sie werden nicht allzulange brauchen,um alles aus ihr herauszupressen. Sie gebenihr ein paar Stunden, dann gehen sie zur Sa-che.«

»Wo können wir anfangen?« rief der Be-benforscher verzweifelt.

»Versucht es im Blabane. Im Amüsier-viertel, ihr werdet sie schon finden. Dorttreiben sich immer ein paar von RakhsSchergen herum.«

*

Eismer schwieg noch lange, auch nach-dem sie bereits wieder auf die Straße zu-rückgekehrt waren. Reginald Bull konntesich vorstellen, was in dem Bebenforschervorging.

Hind war keine ehrliche Goldnerin, son-dern offensichtlich eine kleine Gaunerin, diesich ein Stückchen zu weit in die höherenGefilde des Verbrechens gewagt hatte. Mög-licherweise war sie längst tot und unauffind-bar in den Eisgebirgen verschwunden.

»Willst du aufgeben?« fragte der Terra-ner.

»Wo denkst du hin?« empörte sich derBeben forscher. »Es ist mir gleichgültig, wasHind getan hat. Sie ist nicht durch und durchschlecht, und sie hat niemandem ernsthaftgeschadet.«

»Nur sich selbst, indem sie versuchte, Be-trüger zu betrügen. Du mußt dich darauf ge-faßt machen, sie nicht mehr lebend zu fin-den.«

»Ich weiß. Aber wenn ich jetzt aufgebe,mache ich mir ewig Vorwürfe, daß ich sievielleicht doch noch hätte retten können.«

»Gehen wir direkt zu diesem … Etablisse-ment?« mischte Tautmo sich ein.

»Wieso?«»Na ja, vielleicht hat es um diese Zeit ge-

schlossen.«Eismer nickte. »Du hast recht, möglicher-

weise können wir uns den Weg jetzt erspa-ren.« Suchend sah er sich um »Auf diesenbelebten Plätzen gibt es überall Infosäulen… Dort ist ja schon eine!«

Hastig watschelte er zu der Säule. Diebeiden Terraner warteten ab und deutetenEismers Miene richtig, als er zu ihnen zu-rückkam.

»Das Lokal hat wirklich geschlossen«,meldete er.

»Es muß doch eine andere Möglichkeitgeben!« entwickelte Tautmo plötzlich Eige-ninitiative. »Gehen wir noch einmal zumHotel zurück, vielleicht treiben sich dortebenfalls Gauner herum, die in Rakhs Auf-trag spionieren!«

»Nein, ich glaube, das bringt nichts«, wi-

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dersprach Bull.Seine weiteren Worte gingen in einem ge-

waltigen Donnerschlag unter.»Gascht!« schrie Eismer. »Seht doch, die

Rauchsäule! Dort liegt irgendwo das Hotel!«»Aha, bringt nichts, wie?« rief Tautmo

und folgte dem davoneilenden Goldner.Sie brauchten nur der Rauchsäule und

dem Strom an Neugierigen zu folgen. Alssie den Schauplatz erreichten, herrschte dortbereits ein so dichtes Gedränge, daß einDurchkommen fast unmöglich war.

Die Rettungstruppen war schon vor Ort,robotische Einheiten transportierten Toteund Verletzte ab. Vom Hotel Zork war nurnoch die Hälfte übrig; das Foyer war ge-sprengt worden. Die Explosion hatte zudemeinen Teil der Zimmer in Mitleidenschaftgezogen.

Durag war ebenfalls eingetroffen undstand völlig fassungslos inmitten der Trüm-mer, neben ihm zwei zitternde Garamboli-den mit eingezogenen Köpfen.

»Bsasee!« rief Eismer.Die entzückende Insektoide wurde gerade

auf einer Antigravliege herausgebracht. Ihrmatt glänzender schwarzer Panzer rauchte,und der linke Greifarm war abgerissen wor-den. Aus der Wunde floß eine ölige, farbloseFlüssigkeit.

Während Eismer zu Bsasee lief, steuerteReginald Bull auf Durag zu. Tautmo, derihm folgen wollte, wurde durch einige 2,60Meter große Riesen abgedrängt und mußteeinen Umweg nehmen.

»Bsasee, was ist denn geschehen?« fragteEismer erschüttert. »Wer hat das getan?«

»Ich weiß es nicht«, summte die Ksniischwach. Ihr linkes Auge war halb zerstört.»Ich glaube, ich kann meine Arbeit nichtmehr beenden, weil ich zu früh sterben muß… Ich habe Angst …«

»Nein, du brauchst keine Angst zu haben,Bsasee«, stieß Eismer verzweifelt hervor. Erbedeutete dem Roboter anzuhalten. »Siehher, ich nehme deinen Arm, ich begleitedich ein Stück. Du hast deine Arbeit großar-tig gemacht und deinem Volk gut gedient.

Ich bedaure, daß du schon gehen mußt, aberwenn es nun mal Zeit ist …«

»Ich danke dir …«, zirpte Bsasee sehrschwach.

Eismer sah zu, wie der Glanz in ihren ge-sunden Facetten nach und nach erlosch. Alser spürte, wie ihr Greifarm nachgab, ließ ersie los. Er trat von der Bahre zurück und sahsich nach Bull um, den er bei Durag stehensah. Tautmo Aagenfelt konnte der Bebenfor-scher nirgends entdecken.

In diesem Moment kamen zahlreicheNeugierige. Wie eine Welle schwappten sieüber ihn hinweg und rissen ihn mit sich fort.Er kämpfte wütend dagegen an; er war zwarklein, aber stämmig und konnte nicht soleicht aus der Bahn geworfen werden.

Da legte sich auf einmal eine mächtigeKlaue von hinten um seinen Hals. Irgend et-was preßte ihn an einen schweren Körper.

»Wenn du nicht vernünftig bist und mitdeiner Suche aufhörst, wird es dir ebenso er-gehen«, zischte der Unbekannte hinter ihmmit heißem Atem in sein Gehör. »Das ist dieerste und die letzte Warnung. Rakh teilt mitniemandem Durag wird die Warnung beher-zigen, sei schlau und mach dasselbe.«

Als Eismer sich umdrehen wollte, erhielter einen heftigen Schlag auf den Kopf, under stürzte bewußtlos zu Boden.

7.

»So ist die Lage«, schloß Reginald Bullseinen Bericht über die vergangenen Erleb-nisse. Er war mit Tautmo zur GLIMMERzurückgekehrt, damit Eismer sich von demSchock und dem Schlag erholen konnte.

»er arme Kerl ist total mitgenommen, erbraucht wenigstens ein paar Stunden Ruhe«,fügte Bully hinzu »Denkst du, er wird aufge-ben?« fragte Rhodan.

»Nein, wird er nicht.« Eismer stand imEingang der Zentrale.

Mit den terranischen Mitteln erholte ersich schnell von dem Schlag, doch seine Na-se hatte erneut Schaden genommen und in-zwischen eine purpurne Farbe angenommen.

Die Goldnerin 33

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Hier hatte die nur begrenzt vorhandene ter-ranische Medizin ihren Meister gefunden.

»Bsasees Tod und Durags halber Ruindürfen nicht ungesühnt bleiben«, fuhr derGoldner fort. »Sonst hätten diese Opfer kei-nen Sinn. Wir werden Hind finden, und mitein wenig Glück können wir Durag einenTip geben, wo er Rakh auftreiben kann.«

»Ich nehme an, ihr beide werdet ihn wie-der begleiten«, sagte Rhodan zu Bull undAagenfelt.

Beide nickten. Trotz seiner Angst war derHyperphysiker fest entschlossen, dem Gold-ner zu helfen. Er hatte in der Vergangenheitso oft versagt, daß er sich kein weiteres Malmehr drücken konnte, wenn er mit sichselbst weiterleben wollte.

»Aber dann nur noch mit SERUNS.«Rhodan grinste.

»Natürlich, Perry. Und ihr?« fragte Eis-mer.

»Wir haben inzwischen deinen Orter ein-gebaut, aber noch nicht getestet«, verkünde-te Rhodan. »Das wollten wir dir überlas-sen.«

»Vielen Dank. Das hole ich nach unseremAufbruch nach. Ihr werdet leider noch eineNacht hier ausharren müssen.«

»Wir werden es überstehen«, behaupteteRhodan. »Benötigst du noch weitere Unter-stützung für deine Suche?«

»Nein, lieber nicht.«Rhodan nickte. Dann schien ihm zufällig

etwas einzufallen: »Ach. übrigens, Eismer,woher das Gerät kommt, konnten wir nichtherausfinden.«

»Das wundert mich nicht«, sagte der Be-benforscher. »Geschäftliche Verschwiegen-heit ist das oberste Prinzip der Tampa, siegeben ihre Geheimnisse niemals preis - undjede Ware ist ein Geheimnis.« Er tupfte vor-sichtig an seine Nase. »Ich glaube, ich legemich doch noch einmal hin. Reginald. Vorheute abend können wir ohnehin nicht auf-brechen. Ihr entschuldigt mich.«

Nachdem er gegangen war, bat ReginaldBull seinen ältesten Freund um ein Gesprächunter vier Augen. Die beiden Aktivatorträ-

ger zogen sich in einen kleinen Raum zu-rück.

»Ich weiß, was du vorhast«, begann Bullyohne Umschweife.

Er wußte natürlich längst, daß das neueOrtersystem terranischer Abstammung war.

Perry Rhodan tat unschuldig. »Wasmeinst du?«

»Du willst heute nacht bei den Tampaeinbrechen und herausfinden, woher sie denZZ-89 haben!«

»Dir kann man nichts vormachen wie?«kam die spöttische Antwort.

»Ich kenne dich. Weißt du, in welcheSchwierigkeiten du Eismer damit bringenkannst?«

»Bully, Ich muß wissen, auf welche Wei-se ein terranisches Gerät hierherkommt!Nein, wir alle müssen es wissen. Vielleichthat sogar Shabazza seine Hände im Spiel.Vor allem dann, wenn es um die verscholle-nen Terraner geht. Ich kann nicht einfachdarüber hinweggehen, als wäre es nichts.«

Bull seufzte. »Du hast ja recht. Aber seidbloß vorsichtig! Das Gebäude ist bestimmtstark gesichert.«

»Ich nehme nur Mondra und Ska mit,vielleicht noch einen der Swoons«, versi-cherte Rhodan. »Mondra ist eine geübte Fas-sadenkletterin, sie wird schon einen Wegfinden!«

Bull grinste. »Es freut mich zu sehen, daßin dir doch so was wie ein menschlichesHerz schlägt.«

Rhodan machte ein verdutztes Gesicht.»Wie bitte?«

»Na, ich habe gerade wieder, zum zweitenoder dritten Mal, einen gewissen Ausdruckin deinen Augen gesehen, den ich davor lan-ge vermißt hatte.«

»Ich weiß wirklich nicht, wovon dusprichst!«

»Komm, mach mir doch nichts vor! Siegefällt dir! Sie interessiert dich.«

»Wer - sie?« Rhodan wirkte irritiert.Sein rothaariger Freund lachte schallend

auf.»Na dann, viel Vergnügen …«.sagte er

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schelmisch und verließ den Raum mit einembreiten Grinsen im Gesicht.

*

Poulton Kreyn hatte sich bereit erklärt, anBord der GLIMMER zu bleiben - ein Ertru-ser war bei einem Einbruch denkbar unge-eignet. Dafür ging Treul mit, Goriph bliebaber zurück, um auf Norman zu achten unddafür zu sorgen, daß er nicht zufällig inKreyns Nähe kam.

»Da ich euch nunmehr lange genug ken-ne, gehe ich mal davon aus, daß wir einenBlitzstart hinlegen müssen«, sagte Poultonzum Abschied. »Ich werde also in der Zen-trale Wache halten und die Triebwerke an-kurbeln, sobald ihr eine entsprechende Mel-dung durchgebt.«

»Bitte halte auch Kontakt zu Bully!«»Aber klar doch.« Der Ertruser machte es

sich gemütlich.Er hatte noch einmal Nahrungsmittel ge-

ordert, die Eismer, ohne mit der Wimper zuzucken, bezahlt hatte. Die Lieferung von denMärkten war inzwischen auch eingetroffen,jedoch noch nicht ausgepackt worden - dazuwar später, wenn sie wieder unterwegs wa-ren, noch Zeit genug.

Vorsichtige Messungen mit den Anzügenmachten wenig Mut für einen Einbruch: DasTampa-Büro lag im dritten Stock, auf denbeiden darüber liegenden Etagen befandensich die Konferenzräume, die Chefzimmerund Planungsbüros. An Schutzvorkehrungenmangelte es jedenfalls nicht. Bei der gering-sten Ortung ging der Alarm los, und alle vierTampa-Stockwerke wurden mittels einesSchutzschirmes abgeriegelt - wer drin war,blieb drin.

»Ins Foyer kommt man ja rein«, meinteSka. »Bestimmt gibt es dort, ich schätzemal, bei den Treppen, eine Überwachungs-lücke.«

»Also, von außen kommen wir auf garkeinen Fall rein, wir müssen es schon eherauf die harte Tour probieren«, pflichteteMondra Diamond ihr bei. »Schade, daß wir

Eismer nicht um einen Plan des Gebäudesbitten konnten, bestimmt hätte er einen auf-treiben können.«

»Dann könnten wir gleich am Tage hin-einspazieren, denkst du nicht?« sagte Rho-dan sarkastisch.

»Ich meinte ja nur«, grinste sie.»Also, ich sehe das so«, meldete sich

Treul zu Wort: »Wir werden in jedem Fallversuchen, mit den Antigravs und den De-flektoren hineinzukommen. Über die Treppehinauf schaffen wir es sicherlich noch mitden Anti-Ortungsgeräten. Erst die Räumeselbst werden vermutlich mit Energieorternausgestattet sein.«

Eine Weile sondierte jeder von ihnen mitHilfe seines Anzugs das Gelände, um sichwenigstens einigermaßen orientieren zu kön-nen. Die kleinen Büros der drei anderen Fir-men konnten dabei außer acht gelassen wer-den.

Niemand kümmerte sich um sie, obwohlsie nicht gerade unauffällig auf der Straßeherumlungerten; der Verkehr hatte wie amAbend des Vortages zugenommen, ebensoder Geräuschpegel.

»So machen wir's«, sagte Rhodan schließ-lich. »Auf mein Kommando setzen wir dieDeflektoren ein. Zwischen den Säulen sindviele Schlagschatten, es wird niemandemauffallen.«

»Aber wird es nicht auffallen, wenn sichder Eingang öffnet und wieder schließt?«

»Nein, ich glaube nicht. Wenn jemanddem Kontakt zu nahe kommt, gehen die Tü-ren automatisch auf, das ist noch kein Grundfür einen Alarm. Wir nehmen die linkeTreppe, und zwar ohne Zeitverzögerung.Funktionieren alle eure Systeme?«

»Einwandfrei«, kam das Echo von allen.»Also, dann los!«Sie bewegten sich, und als sie die Säulen-

schatten erreicht hatten, aktivierten sie nach-einander die Deflektoren. Geräuschlos glit-ten die großen Glastüren zur Seite undschlossen sich kurz darauf wieder, obwohlscheinbar niemand das Gebäude betretenoder verlassen hatte. Niemand kümmerte

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sich darum.Mondra Diamond aktivierte den Antigrav,

sobald sie im Foyer war, ebenfalls die Anti-Ortung. Sie hielt sich möglichst dicht amEingangsbereich, als sie zur Treppe schweb-te. Die Lifte waren alle für die Nacht deakti-viert. Ohne Komplikationen erreichte dieehemalige Agentin das dritte Stockwerk,bisher hatte alles geklappt.

Bis zum Vorzimmer konnten sie vordrin-gen, in die Büros dahinter jedoch nicht. Hierdraußen waren die Sicherheitsvorkehrungennicht allzu streng, man verließ sich wohl aufdie Höhe der Etage, daß niemand von außeneindringen konnte. Im Empfangsbereich gabes nichts zu stehlen. Da die unteren Bereichealle gesichert waren, hatte man auf einekostspielige Überwachung verzichtet. DieDiebe und Einbrecher in Leilanza warenwohl technisch nicht allzu hoch ausgerüstet.

Treul desaktivierte als erster seinen De-flektor. Dann öffnete der Swoon den Anzug.

»Da keine Möglichkeit besteht. Fenster zuöffnen, muß es hier Luftkanalschächte ge-ben, die zu jedem Büro führen«, sagte er.Weil er seinen Stimmverstärker nicht be-nutzte, mußte er nicht flüstern.

Perry Rhodan sah Mondra Diamond an.»Traust du dir das zu?«

»Um nach innen zu gelangen? Das istschließlich mal mein Beruf gewesen, schonvergessen?«

»Allerdings ist es ziemlich schwierig«,fügte Treul hinzu. »Und du darfst keinetechnische Unterstützung mitnehmen, sonstgeht da drin schlagartig der Alarm los, undwir sitzen fest. Deshalb kann Perry auchnicht den kleinen Moo losschicken. Ich binleider zu ungelenk für eine solche Tour, soetwas konnte ich nie. Obwohl zumindestmeine Größe ja viel besser geeignet ist alsdeine …«

»Hältst du mich etwa für zu dick?«schnappte Mondra.

Ohne weitere Umstände zog sie ihren SE-RUN und die Stiefel aus und stand in derUnterwäsche da - einem körperbetonten Bo-dy aus feiner Spitze in schillernden Pastell-

farben, der ihre schlanken langen Beine undihre Proportionen voll zur Geltung brachte.

Die ehemalige Agentin hatte das zierlicheWäschestück bei dem Ausflug mit PoultonKreyn anfertigen lassen, während sie sichkurz getrennt hatten. In einem Handelsbe-zirk gab es eine spezielle Produktion nachMaß, die auch Einzelstücke in Windeseileanfertigte. Eine bestimmte Spinnensortesollte dabei eine Rolle spielen, aber so genauwollte sie das nicht wissen.

»Also, wo soll ich rein?« fragte sie forsch,aber natürlich nicht zu laut und legte dieHand an ihre schmale Hüfte.

Ska Kijathe machte eine bremsendeHandbewegung. »Perry, ich bin mir ziem-lich sicher, daß es da drin zusätzlich Wärme-rezeptoren gibt.«

»Oh, das hätte ich ja beinahe vergessen«,sprach Mondra dazwischen.

Sie kramte in ihrer Ausrüstung und zogschließlich ein nur allzu bekanntes tief-schwarzes Kleidungsstück heraus.

»Eismers Umhang!« Rhodan konnte seineStimme nur mit Mühe dämpfen »Du hast ihneinfach mitgenommen? Weiß er davon?«

»Nein, und ich hoffe, ihn auch vor seinerRückkehr wieder an seinem Platz deponie-ren zu können.« Mondra lächelte und hobdie Schultern. »Ich war einige Jahre langAgentin, was erwartest du? Es ist mein Be-ruf, mich umzuschauen und vorzusorgen.Nachdem wir die Aktion hier geplant hatten,habe ich mir das kostbare Stück genauer an-geschaut. Es besteht aus einem sehr wider-standsfähigen Material, das nicht metallischist und sich auch nicht wie normaler Stoffanfühlt. Der Vorteil dabei ist: Es leitet keineWärme nach außen ab!«

Ska Kijathes Gesicht hellte sich auf.»Das ist genial!« flüsterte sie.»Denkst du, du schaffst es, damit noch

durch den Schacht zu kommen?«»Es wird eine Weile dauern, aber ich den-

ke schon. Ich habe so was schon mal ge-macht.«

Nach einigem Suchen entdeckten sie inzwei Metern Höhe in der Nähe des Ein-

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gangsschotts einen Klimaschacht. DieWandvertäfelung war schnell entfernt.

Mondra Diamond wickelte sich in Eis-mers Umhang; für ihre Größe war er nichtlang genug, aber sie behauptete, das sei keinProblem. Perry Rhodan hob sie hoch undhalf ihr in den Schacht hinein.

»Laßt die Verkleidung unten, schließlichmuß ich so wieder hinaus!« zischte sie.

Dann verschwand sie unter dem dichtenSchwarz des Umhangs und robbte langsamdavon.

*

Es war ein Knochenjob. Mondra hatte vorden anderen natürlich nicht zugeben können,daß sie inzwischen ein wenig älter gewordenund aus der Übung gekommen war. Siepraktizierte zwar weiterhin bei jeder Gele-genheit ihr Training, so daß ihr Körper im-mer noch in ausgezeichneter Verfassungwar, elastisch, biegsam und kräftig. Aberrichtige Kondition erwarb man nur in derPraxis, und die lag inzwischen eine Weilezurück.

Trotz der kalten, trockenen Luft, diedurch den Schacht wehte, begann die Terra-nerin unter dem Umhang bald zu schwitzen,was sie zusehends am Fortkommen behin-derte. Sie ließ vom Gesicht gerade so vielfrei, daß sie den Weg fand. Das Robben warmühsam, der Schacht so eng, daß sie nichtmehr hätte umkehren können, wenn sie esgewollt hätte.

Nach einigen Metern, in denen sie sichmühsam nach oben gekämpft hatte, wurdees stockdunkel.

Es kann nicht weit sein, der Kanal hier lagbeim Eingang, dachte sie zähneknirschendAber man weiß natürlich nie, welche ver-schlungenen Wege sich diese Techniker aus-denken.

Im Dunkeln mußte sie sich weitertasten.Ihr ausgezeichneter Ortungssinn behauptete,daß sie auf dem richtigen Weg war.

Dennoch mußte irgendwann eine Abzwei-gung nach links sein, sonst kam sie irgend-

wo anders heraus.Mondra hatte das Gefühl, daß bereits

Stunden verrannen, und der Schweiß floß inBächen. Sie konnte sich vorstellen, wie ner-vös ihre Gefährten draußen warteten undhofften, daß ihr nichts geschah - und daß sienicht vorzeitig entdeckt wurden.

Was ist, wenn der Tunnel auf einmal zueng für mich wird? fiel ihr plötzlich ein.

Die ehemalige Agentin hatte sich daraufverlassen, daß die Schächte groß genug wa-ren, wie fast überall üblich, um Reparaturenleichter zu ermöglichen. Aber wenn dieTampa nun als zusätzliche Sicherheitsvor-kehrung ausgerechnet die Kanäle zu ihrenBüros kleiner angelegt hatten, um vielleichthöchstens eine Maus durchzulassen?

Keine angenehme Vorstellung, alles wie-der rückwärts hinauszumüssen. Dann konntehöchstens noch Treul eingesetzt werden,aber er würde vermutlich wirklich Stundenbrauchen, um durchzukommen.

Mondra verharrte schwer atmend; so er-schöpft hatte sie sich schon lange nicht mehrgefühlt. Die Dunkelheit und die Enge be-drückten sie. Sie litt zwar nicht unterKlaustrophobie, aber wenn man nicht genauwußte, worauf man sich einließ, trug dasnicht zum Wohlbefinden bei.

Ihr Instinkt befahl ihr, diesen Unsinn zulassen. Ein Mensch war nicht für stockfin-stere, fast hautenge Höhlengänge geschaf-fen.

Sie blinzelte Schweißtröpfchen von ihrenWimpern und versuchte, die Dunkelheit mitihren Blicken zu durchdringen. Kalte Luftzischte an ihr vorbei. Glücklicherweise wardas System über Nacht abgestellt, sonst wä-re es hier drin wahrscheinlich nicht auszu-halten gewesen.

Irgendwoher, von einem anderen Kanal,hörte sie leise Geräusche, wie ein Trippelnund Fiepen, und einen metallischen Klang.Sie ignorierte ihn.

Mondra konnte nicht davon ausgehen, daßsie das einzige Lebewesen hier drin war,Tiere fanden überall einen Weg, sich einzu-nisten.

Die Goldnerin 37

Page 38: Die Goldnerin

Die ehemalige Zirkusartistin robbte einStück weiter. Plötzlich hatte sie das Gefühl,als würde es eben dahingehen. Irgendwomußte dann auch die Abzweigung zu findensein.

Ermutigt, durch die Steigung nicht mehrbelastet, kam sie schneller voran, bis sieeinen leichten, wärmeren Hauch an der lin-ken Wange spürte. Sie glaubte auch, daß esda nicht mehr ganz so finster wäre.

Die Abzweigung, das muß sie sein, andersist es gar nicht möglich, dachte sie hoff-nungsvoll.

Sie schaffte es irgendwie, sich in Rich-tung des wärmeren Luftstroms zu krümmen.Zu spät merkte Mondra, daß ihr Oberkörperüber eine Kante rutschte, und dann ging essteil abwärts.

Mondra, durch den Umhang stark behin-dert, mußte sich mit dem ganzen Körper da-gegen stemmen, um nicht haltlos bis zumEnde zu rutschen und alles zunichte zu ma-chen. Schließlich stieß sie mit dem Kopf re-lativ sanft an das Ende des Schachtes.

Immerhin war der Kanal nicht enger ge-worden. Jetzt mußte sie es nur noch schaf-fen, die Hände so weit vorzubringen, daß siedie Verkleidung lösen konnte. Sie war nichtallzu stark befestigt. Mit ein wenig Geschickund ihrem unentbehrlichen Mikro- All-zweckwerk - zeug, das sie selbst in Unter-wäsche noch bei sich trug, war das zu schaf-fen.

Ganz vorsichtig hob Mondra den Deckelan und orientierte sich kurz. Sie hatte Glück,der Kanal endete nur einen Meter über ei-nem Tisch. Vorsichtig stellte sie den Deckelunten ab, packte den Umhang und ließ sichlangsam mit ausgestreckten Händen nachunten gleiten.

Ein paar Sekunden verharrte sie in atem-loser Spannung.

Nichts rührte sich. Der Raum war nüch-tern eingerichtet: ein paar Arbeitstische, Ter-minals, sonstige technische Anlagen, mehrnicht.

Nur ein Terminal zeigte Leben: die Über-wachungsanlage, die als Säule neben dem

Eingangsschott stand. Mondra zog den Um-hang fester um sich, glitt von dem Tisch her-unter und schlich langsam zu dem TerminalWenn diese Anlage so aufgebaut ist, wieman es als logisch annehmen mochte, ist eseinfach, überlegte sie.

Diese Systeme mußten sehr einfach zu be-dienen sein - entweder per Fernsignal ver-oder entriegelbar und am Terminal mit we-nigen Befehlen. Eine Innenanlage wie diese,nur für ein Büro, wurde nicht lodiert; dieWahrscheinlichkeit für einen Fehlalarm beivielen Angestellten und Besuchern war zuhoch. Meist genügte bei solchen Geräten einTastendruck für AN oder AUS.

Mondra studierte die Leuchtanzeige unddie Kontrollen. Fünfzig Prozent Chancen.

Nur Geduld, nichts übereilen. Die paarMinuten konnten die anderen draußen nochwarten.

*

»Norman? Wo bist du denn, Kleiner?«Goriph war kurz davor, dunkelgrün anzulau-fen.

Nur eine Minute hatte sie nicht aufgepaßt,und schon war der Kleine ausgerissen.

Der kleine Elefant machte sich inzwi-schen einen Spaß daraus, Versteck zu spie-len. Auf der GLIMMER mit ihren zahlrei-chen Einrichtungsgegenständen, Gängenund Winkeln gab es jede Menge Möglich-keiten, wenn man noch nicht einmal einenhalben Meter hoch war. Außerdem gab esimmer wieder etwas zu entdecken.

Die Aufregungen der letzten Monate hatteNorman gut überstanden. Inzwischen be-gann er nicht mehr bei jeder trüben Stim-mung zu zittern, sondern wartete ruhig ab,was geschah. Sein Vertrauen zu seiner Her-rin war inzwischen grenzenlos, und an dieanderen hatte er sich so sehr gewöhnt, daß ergern bei ihnen blieb.

»Norman, antworte gefälligst, wenn ichdich rufe!« mahnte Goriph. »Ich weiß ge-nau, daß du mich hören kannst!«

Keine Antwort. Goriph machte sich auf

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die Suche nach dem Kleinen. Die Swoon-Frau war froh, in letzter Zeit öfter die Auf-sicht für ihn übernehmen zu dürfen; die Ver-hätschelung des liebebedürftigen jungenWesens war ein kleiner Trost dafür, daß sieihren Kinderwunsch weiterhin auf unbe-stimmte Zeit hinausschieben mußte. Siekonnte sich zwar zusammenreißen, abertrotzdem mußte sie mit ihren Gefühlen ir-gendwohin, sie konnte sie nicht ständig un-terdrücken. Norman bot da einen kleinenAusgleich, und sie fühlte sich im Augen-blick leidlich ausgeglichen. Wenn er nichtgerade wieder ausrückte und sie fürchtenmußte, daß er Poulton Kreyn über den Weglief.

Unwillkürlich beschleunigte sie ihrenSchritt Richtung Zentrale. Wenn Poultondort war, aber ohne Norman, konnte sie inaller Ruhe in den anderen Bereichen weiter-suchen. Wenn der Kleine das Spiel irgend-wann satt hatte, würde er sie mit seinemRüssel ohnehin von selbst aufspüren.

Hörte sie da nicht eine Stimme um dieEcke? Kam sie nicht aus Kreyns Kabine?

Es war ein undeutliches Gemurmel, sieverstand kein Wort. Es genügte dennoch,sich das Schlimmste auszumalen.

Allerdings wollte sie nicht den Raum stür-men, sondern zuerst die Lage sondieren - fürden Ertruser war sie kaum größer als ein Kä-fer und daher sehr leicht zu zerquetschen.

Vorsichtig näherte sich Goriph der offe-nen Kabine und linste um die Ecke.

Was sie dann sah, verschlug ihr vollendsdie Sprache. Völlig irritiert schnappte sienach Luft.

Poulton Kreyn saß auf dem Boden, nebenihm stand Norman und ließ sich füttern. Da-zu kraulte ihn der Ertruser mit der freienHand behutsam hinter den Ohren.

»Das schmeckt, mein Kleiner, wie?« mur-melte der Riese mit gedämpfter Stimme, so-weit es ihm möglich war. »Ja, stopf nur allesrein, aber paß auf, daß dir nicht schlechtwird! Ich spreche aus Erfahrung. Wenn dudas hier fertig hast, gehst du wieder zurück,bevor uns jemand sieht …«

Norman drehte plötzlich den Kopf undschnorchelte zum Eingang. Fröhlich trompe-tend, immer noch schmatzend, wackelte erauf Goriph zu, die sich nicht mehr längerverstecken konnte und sich nun offen zeigte.Für einen Moment war Poulton Kreyn wieerstarrt. Dann sprang er auf und war mit ei-nem so schnellen Satz bei der Swoon-Frau,daß sie nicht einmal aufschreien konnte. Erpackte sie und hob sie hoch, hielt sie dichtan seinen großen Mund und bleckte seineZähne »Ein Wort von dir«, zischte er, »nureine einzige Silbe zu den anderen, und ichzerreibe dich zwischen meinen Handflächenwie ein Stück Kuchen, zu vielen kleinenBröseln, das schwöre ich dir!«

Vor Angst und Schrecken wurde sie fastohnmächtig. Norman tupfte sfr spielerischmit seinem Rüssel an und gab sich besteMühe, wie ein Erwachsener zu klingen.

Poulton Kreyn setzte Goriph unsanft ab.»Haben wir uns verstanden?« brüllte er in

gewohnter Lautstärke.Der Ertruser wartete keine Antwort ab,

sondern stampfte an ihr vorbei zurück zurZentrale. Er konnte sicher sein, daß die zer-brechliche Swoon seine Drohung erst nahmund es niemals wagen würde, sein Geheim-nis preiszugeben.

Die allerdings glücklich war, nachdem siesich von ihrem Schrecken erholt hatte. Esgab also stets Hoffnung, selbst für so fru-strierte Männer wie Kreyn. Sie würde diesesGeheimnis tief in sich bewahren, sogar vorTreul, solange es Ring Das sah sie dem Er-truser gegenüber als Achtungsbezeigung an,die sie ihm schuldete - und natürlich Nor-man.

8.

Das Blabane sah schon von außen nichtgerade vertrauenerweckend aus Allerdingstrug die Lage bereits zu diesem Eindruckbei. Rings um das Ge bäude lagen mehrereandere Häuser, vor denen sich Wesen ver-schiedenster Völker drängten. Eine Gruppegroßer Prolongiden stand singend herum, of-

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fensichtlich von irgendeiner Droge be-rauscht; andere Wesen lagen bereits imDreck und stierten zum Himmel hoch.

Das Blabane selbst war ein großes Spiel-casino, das sich über mehrere Etagen er-streckte, mit verschiedenen Bars und Sepa-rees Reginald Bull und Tautmo Aagenfelttrugen dieses Mal doch ihre SERUNS, aller-dings zusätzlich darüber Umhänge. Wahr-scheinlich würde das nichts nutzen, die be-gehrlichen Blicke würden sie von selbstwecken.

Eismer Störmengord hatte seine Kleidungbeibehalten. Der Goldner sah mitgenommenaus, war aber wild entschlossen, diese Sachezum Ende zu bringen.

Sie merkten sofort, daß sie in der Gaststu-be wie Fremdkörper waren. Die Beleuch-tung war schummrig, die Luft roch schlecht,die angebotenen Getränke wirkten wenigvertrauenseinflößend.

Immerhin gab es eine Art von Theke, andie sich Bully kurzerhand stellte. Er bestellte»Dreimal euer bestes Getränk«, bemerkteden kritischen Blick des Wesens hinter derTheke, ließ sich aber nichts anmerken.

»Höchstens zum Desinfizieren«, kom-mentierte Bull kurz danach und stellte dasnicht gerade reinliche, aber wenigstensschön bunte Glas wieder ab.

»Habt ihr euch verirrt?« fragte der Bar-keeper, ein seltsames Wesen mit langen An-tennenfühlern und einem Rüsselmund.

»Wieso?« fragte Tautmo sofort.»Eure Art kehrt hier normalerweise nicht

ein.«»Dann wird es eben Zeit.« Eismer Stör-

mengord sah sich um. »Ein absolut mieserSchuppen. Wirft er wenigstens genug ab?«

»Warum willst du das wissen?« schnor-chelte der Keeper.

Er räumte ihre nicht angerührten Getränkeab und gab sich nicht einmal Mühe zu ver-bergen, daß er sie wieder in die Flaschen zu-rückkippte.

»Wir wollen uns nur mal umsehen«, ant-wortete Reginald Bull. »So nach und nachdurchkämmen wir schon die ganze Ge-

gend.«»Wollt ihr euch hier etwa niederlassen?«

Ein vermutlich mißtrauischer Klang färbtedie Stimme des Wesens.

»Warum nicht? Leilanza ist doch ein sehrnetter Ort. Je öfter ich herkomme, destomehr gefällt es mir«, log Eismer. »Irgendwomuß man sich doch mal niederlassen, nichtwahr?«

»Leilanza liegt am Kringel des Funks. Esgibt eine Million bessere Orte. Ihr seht nichtso aus, als wenn ihr auf eine verkommeneStadt wie diese stehen würdet.«

»Warum denn nicht?« formulierte Tautmoseine Frage neu, bedeutend angriffslustiger.

»Ihr seht so … sauber aus und sehr adrett…« Der Barkeeper schnaubte abfällig.

»Nun, der äußere Schein kann manchmaltrügen«, lächelte Reginald Bull. »Gewiß gibtes bessere Welten, aber dort gibt es auchmehr Aufsicht über, sagen wir mal.Geldtransaktionen. Ich denke, hier kann mangut investieren und eine lohnende Renditeeinstecken.«

Das Wesen wurde auf einmal hellhörig,die Fühler vibrierten hektisch.

»So, ihr sucht eine Geldanlage«, schnor-chelte es. »Das ist natürlich etwas anderes.Zufälligerweise gibt es hier jemanden, dersich hervorragend damit auskennt. Er kanneuch beraten, zu einem fairen Preis, verstehtsich.«

»Den du dir mit ihm teilst, versteht sich.«»Wo denkst du hin? Ich mache nur meine

Arbeit, und wenn ich jemandem helfenkann, macht mich das glücklich. Wollt ihrihn nun sprechen oder nicht?«

»Versteht sich.« Bully war anzusehen,daß ihm das Spiel sogar Spaß machte.

Jetzt wandte er sich Eismer zu.»Wahrscheinlich gehört diese Spelunke die-sem Rakh, oder er ist besser als sein RufHier wird so ziemlich alles verschoben, wasunter der Hand zu kriegen ist, dessen bin ichsicher. Wenn schon der Barkeeper auf eineharmlose Bemerkung derart anspringt …«

»Was hast du überhaupt vor?« wollte Eis-mer wissen.

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Tautmo Aagenfelt nickte heftig, auch erbegriff nicht.

»Wir müssen an jemanden herankommen,der über alles Bescheid weiß«, erklärte Bull.»Nur so können wir Hind finden.«

»Vielleicht ist sie sogar hier irgendwo, ineinem Hinterzimmer …«, hoffte Eismer.

Am liebsten wäre der kleine Goldner so-fort losgestürzt und hätte jeden einzelnenWinkel durchsucht.

Doch in diesem Moment zischte Bull:»Verdammt.«Der Barkeeper kehrte zurück, und in sei-

ner Begleitung war ein Tentradex - einer derVerfolger Hinds. Der Terraner erkannte ihnsofort an einer Narbe auf der Stirn.

Sofort der richtige Ansprechpartner, nurhatte er momentan die Vorteile auf seinerSeite.

Der Tentradex ließ sich nicht anmerken,ob er sie erkannt hatte Fast freundlich sagteer: »Mein Kumpel hat gesagt, ihr seid an ei-ner Geldanlage interessiert.«

»In der Tat.« Bully ließ sich ebenfallsnichts anmerken.

»Gut. Besprechen wir das hinten, hier istnicht der richtige Ort dafür.«

Tautmo Aagenfelt wurde ein wenig blaß,das gefiel ihm gar nicht. Aber da ReginaldBull und der Bebenforscher dem Tentradexfolgten, erhob der Physiker lieber keinenWiderspruch.

*

Sie waren kaum aus den Augen der Öf-fentlichkeit entschwunden, als der Tentradexeinen Handstrahler auf sie richtete.

»Sofort her mit euren Waffen, und zwarallen«, drohte er.

Reginald Bull packte Tautmo am Arm,damit der Physiker keine Dummheit machte.Ohne mit der Wimper zu zucken, übergab erseinen und Tautmos Kombistrahler. Eismertrug erst gar keine Waffe.

»So«, sagte der Tentradex. »Und jetzt willich wissen, weswegen ihr wirklich hierseid.«

»Das kannst du dir doch denken«, konter-te Bull kalt. »Oder gibt es anderswo nochdrei solche Gestalten, auf die unsere Be-schreibung paßt?«

»Hm«, machte der Humanoide.»Selbstverständlich weiß ich, wer ihr seid.Aber ich will den Grund für eure Hart-näckigkeit wissen. Und für eure grenzenloseDummheit, ausgerechnet hierher zu kom-men, nachdem gestern das Zork gesprengtwurde!«

»Wir suchen nach Hind«, sprach Eismerdazwischen. »Ich möchte, daß ihr sie mirübergebt. Wenn sie euch Miro schuldet,werde ich dafür sorgen, daß ihr sie erhaltet.Nur laßt sie frei! Sie wird Leilanz XI mitmir verlassen und nie wieder zurückkehren.«

»Ein edles Ansinnen, aber leider unerfüll-bar«, versetzte der Tentradex hämisch.»Hind schuldet uns nicht nur Geld, sondernauch die Ware, die sie uns unterschlagenhat. So viele Mittel hast du nicht, um denSchaden zu regulieren. Rakh ist ziemlich är-gerlich deswegen, und er ist äußerst nachtra-gend. Selbst bei einem unbedeutendenWicht wie Hind läßt er keine Nachsicht wal-ten. Schließlich regiert er ein bedeutendesImperium, und da müssen nun mal alle Räd-chen funktionieren - auch die kleinsten.«

»Trotzdem muß man ihn doch zufrieden-stellen können!«

»Du kennst Rakh nicht, und das ist deinGlück. Aber ich mache dir einen anderenVorschlag: Du bringst Hind dazu zu reden,und dann lasse ich euch alle gehen. Bisherhat sie sich nämlich geweigert. Es geht ihrübrigens nicht allzu gut, also überlegeschnell.«

Eismers runzlige Gesichtshaut schien völ-lig einzutrocknen und zu welken, selbst dieNase wurde blasser.

»Macht euch das auch noch Spaß?« flü-sterte er.

Der Tentradex blies lässig die Wangenauf.

»Wie man's nimmt«, gab er zurück. »Ander Kleinen ist nicht viel dran. Zugegeben,sie ist zäh, hat länger durchgehalten, als ich

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dachte. Aber allmählich kostet sie uns zuvielAufwand. Ich will es jetzt schnell hintermich bringen, und das, ist deine Chance,Kumpel.«

»Einverstanden«, sagte Reginald Bull an-stelle von Eismer. »Sie wird euch alles sa-gen, und du läßt uns gehen.« Drohend fügteer hinzu: »Das ist ein Handel, das ist dirwohl klar, oder? Ich mag nicht Rakhs Machthaben, aber ich kann ziemlich unausstehlichwerden, wenn man mich übers Ohr hauenwill. Was bedeutet: Wenn du gelogen hastund uns anschließend alle umbringen willst,wird's ungemütlich.«

Der Tentradex schob seinen eckigenMund nach außen und stieß ein ekelhaftesGeräusch aus, was vermutlich ein Lachenbedeuten sollte.

»Ein Handel ist ein Handel«, stieß eramüsiert hervor.

Er machte eine auffordernde Geste mitder Hand, und aus den Schatten traten derInsektoide und der Echsenabkömmling her-vor, die unauffällig im Hintergrund gewartethatten. Sie hatten ihre Waffen im Anschlagund blieben auf sechs Metern Entfernung.Der Tentradex ging voran und führte die Ge-fangenen durch eine verwirrende Vielzahlvon Gängen und Treppen.

»Einen Dreck wird er tun«, wisperte Taut-mo dem Unsterblichen zu. »Natürlich wirder uns alle umbringen lassen. Warum tun wirnichts, wir tragen doch SERUNS!«

»Erst müssen wir Hind haben - lebend«,raunte Bull zurück. »Die Kerle wissen nichtsvon der wahren Qualität unserer Anzüge,das ist unser Vorteil, und sie haben sie nochgar nicht unter den Umhängen bemerkt Wirkönnen nicht einfach wie die Wilden losle-gen, sondern müssen gezielt angreifen. Kannich denn überhaupt auf dich zählen?«

»Ich … ich … ich …«, stotterte Tautmo.Seine Zähne klapperten auf einmal so stark,daß er kaum reden konnte.

»Hör zu, du beschützt Eismer, den Restmache ich. Dazu brauchst du nur denSchutzschirm zu aktivieren und das Feldauch auf Eismer auszudehnen, das wirst du

wohl fertigbringen!«»J … ja … wann soll ich das Feld aktivie-

ren?«»Keinesfalls zu früh, sonst sind beide

Goldner geliefert.«»Ruhe da vorn!« schnarrte das Echsenwe-

sen hinter ihnen und verringerte kurz die Di-stanz.

Eismer, der direkt hinter dem Tentradexging, drehte sich nicht einmal um.

*

Mondra Diamond ließ es sich nicht neh-men, ihre Gefährten gleich am Eingang zuempfangen, barfüßig, in Unterwäsche, ziem-lich verschwitzt und mit einem strahlendenLächeln: »Willkommen bei den Tampa!Tretet ein, seht euch um, nehmt, was euchgefällt!«

Die sorgenvollen Gesichter Ihrer Gefähr-ten glätteten sich. Die ehemalige Artistinließ sich das Lob über ihren Erfolg gern ge-fallen.

Beim Abschalten des Systems hatte siesich gleichermaßen auf ihre Intuition, ihreErfahrung und ihr Glück verlassen - und Er-folg gehabt, wie meistens während ihrer Zeitals TLD-Agentin.

»Jetzt bist du dran«, zwinkerte sie Ska Ki-jathe zu, während sie sich den Umhang wie-der um die Schultern legte.

Es war doch ein wenig zu kühl, nachdemsie vorher so geschwitzt hatte.

»Möchtest du Moo aktivieren?« fragteSka, doch Rhodan schüttelte den Kopf.

»Besser nicht. Wenn er sich mit demComputer gleichschließt, wird sicher einAlarm ausgelöst. Zeig ruhig du deine Kün-ste. Ska.«

»Also dann, Treul … wollen wir?«Die beiden verschiedenen Galaktiker lie-

ßen sich an einem Terminal nieder, aktivier-ten es und schafften es nach einer Weile tat-sächlich, den Zugangskode zu knacken unddas System zu laden. Ska verschränkte dieFinger ineinander und dehnte sie, bis sieknackten.

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»Also«, sagte die Terranerin vergnügt,»was möchtest du wissen, Perry?«

»Gibt es irgendeine Möglichkeit, eineVerbindung zur Tampa-Zentrale herzustel-len?«

»Kein Problem.« Skas Finger glitten mittraumwandlerischer Sicherheit über die ma-nuellen Kontrollen, von Treul aufmerksambeobachtet. »Ich stelle eine Hyperfunkver-bindung zum Tampa-Netz her. Das funktio-niert wie eine Art positronisches Netzwerkfür ganz DaGlausch. Jedes Tampa-Büro istihm angeschlossen. Da wir als Befugte aner-kannt sind, können wir es ebenso nutzen «

Auf dem Schirm spulte sich eine Reihevon Informationen ab. Ska bat um Sprach-ausgabe über alles, was mit dem neuen Or-tersystem zusammenhing.

Nach einer Weile hatte die Terranerin dieersehnten Daten gefunden, und damit kamensie wenigstens einen Schritt weiter.

»Dieses neue System wird erst seit weni-gen Wochen produziert«, gab eine mechani-sche Stimme Auskunft. »Tampa hat sofortmit einer Großaktion begonnen. Konkret:Zehn Tampa-Fabriken, deren Stützpunkteüber die ganze Galaxis verteilt sind, habenmit der Produktion begonnen. Bereits jetztsind die Bestellungen so hoch, daß die Ka-pazitäten erhöht werden mußten und Warte-zeiten eingetreten sind. Damit wird die Ren-tabilität schneller als ursprünglich angenom-men erreicht. Der Marktanteil wird langfri-stig mehr als achtzig Prozent erreichen, wo-mit sich der günstige Preis zu Beginn deut-lich zu unserem Vorteil entwickelt hat. Spä-tere Preiserhöhungen werden mit Sicherheitakzeptiert.«

»Können andere Fabriken diese Produkti-on ebenfalls aufnehmen, wenn schon einEngpaß eingetreten ist? Wo kann man diePläne erhalten?« fragte Rhodan.

Der Computer war noch gar nicht fertigmit seinem Text und rasselte weiter herun-ter:

»Für den exklusiven Ankauf der Kon-struktionspläne sowie einiger Musterexem-plare wird das Tampa-Büro auf dem Frei-

handelsplaneten Kristan mit 1500 Bonus-punkten ausgezeichnet. Über Verträge mitanderen Fabriken wird noch verhandelt.«

»Das war's«, sagte Ska erleichtert»Kristan!« rief Mondra. »Endlich einmal einName!«

Perry Rhodan schaute zu den Fenstern. Erwirkte besorgt.

»Wir sollten lieber machen, daß wir weg-kommen, es ist schon ziemlich spät - oderfrüh, wenn ihr so wollt. Seht zu, daß allesunverändert aussieht.«

»Ich aktiviere die Anlage und mache michauf meinen Spezialweg. Keiner wird wasmerken«, versprach Mondra. »Bitte haltetdraußen meinen Anzug bereit, sonst hole ichmir mit dem dauernden Wechsel noch einenSchnupfen.«

»Ich werde dir persönlich hineinhelfen«,meinte Perry Rhodan mit einem Schmun-zeln.

9.

»Da sind wir«, sagte der Tentradex undstieß mit dem Fuß eine mechanische Türauf.

Seine Gefangenen hatten inzwischenweitgehend die Orientierung verloren. Regi-nald Bull vermutete, daß sie sich irgendwoin einem weiträumigen Keller befanden, indem niemand gefunden werden konnte, vondem es seine Bewacher nicht wollten.

Endlose, verwinkelte Gänge und Kam-mern, mechanische und automatische Türen,Treppen, die irgendwohin führten. KeinAufzug, kein Antigravschacht.

»Hier also leitet Rakh seine miesen Ge-schäfte«, kommentierte er naserümpfend.»Es stinkt, es ist feucht und klamm, dunkelund deprimierend.«

»Rakh ist nicht hier«, knurrte der Tentra-dex. »Du wirst ihn auch niemals kennenler-nen.«

In dem Raum befanden sich eine MengeGeräte, die ausschließlich dazu gedacht wa-ren, die Schmerzgrenze eines Patienten fest-zustellen. Die beiden Tentradex, die eben-

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falls an der Entführung beteiligt gewesenwaren, bedienten diese Geräte.

Auf einem kahlen Metalltisch in der Mit-te, gefesselt, lag Hind. Sie benötigte alsPlatz nur ein Drittel des Tisches, und sie saherbärmlich aus. Tautmo Aagenfelt schlucktehörbar, und Eismer Störmengord taumelte.

»Was habt ihr da getan …«, krächzte er.»Wie … wie könnt ihr so grausam sein und…«

Auch Reginald Bull zog es den Magenzusammen, aber aus Zorn. Dieses arme Ge-schöpf hatte die vielen Stunden seit seinerEntführung schrecklich leiden müssen - undtrotzdem nicht aufgegeben.

Vermutlich gab es nicht mehr viele Kno-chen an ihr, die heil waren. Der beliebtesteZielpunkt in ihrem Gesicht war ihre Nasegewesen, die nur mehr ein geschwollenerFleischklumpen war.

»Hind!« schrie Eismer gequält auf.Die Goldnerin schaffte es, den geschunde-

nen Kopf ein wenig zu drehen, und in ihreschmerzerfüllten Augen trat Staunen.»Eismer …«

Eismer stürzte zu ihr, und der Tentradexhinderte seine Kumpane, ihn zurückzuhal-ten.

»Hind, bitte sag ihnen alles, was sie wis-sen wollen! Sie haben mir versprochen, dichmit mir gehen zu lassen! Wir fliegen sofortab, und du läßt all das hinter dir!«

Ein kleiner Funke Zärtlichkeit tanzte inihren Augen.

»Mein lieber, armer Bebenforscher, sofern dem Leben … sie würden uns doch nie-mals gehen lassen, deswegen habe ich auchnichts gesagt … Nun mußt du auch sterben…«

Ihre Stimme verging wie ein Hauch, undihr Kopf rollte zurück, ihre Augen schlossensich.

»Genug!« donnerte Bull.Das war das Zeichen für Tautmo Aagen-

felt. Mit einem Hechtsprung gelangte derPhysiker zum Tisch, schloß den Anzug undaktivierte den Schutzschirm. In Sekunden-schnelle hatte er das Schutzfeld auf Eismer

und Hind erweitert.Reginald Bull stürzte sich gleichzeitig auf

den Tentradex, der ihm am nächsten stand,und streckte ihn mit einem mächtigen Faust-schlag nieder. Während sich sein SERUNautomatisch schloß, als die anderen das Feu-er auf ihn eröffneten, entwand er dem sichheftig sträubenden Tentradex die terrani-schen Waffen und trat dessen eigene beisei-te.

Mit beiden Händen erwiderte Bully dasFeuer auf die anderen beiden.

Sie flüchteten sich sofort hinter ihre Gerä-te, denn sie trugen keine Schutzanzüge. DerInsektoide war schlau genug, sofort zu ver-schwinden. Er ließ sich gar nicht erst aufeinen Kampf ein. Wie ein Schatten schoß erdurch die Tür davon.

Bull achtete nicht auf ihn. Wenn derFlüchtling mit der Verstärkung zurückkam,waren sie längst fort.

Von allen Seiten trafen ihn Schüsse, dieAngreifer konzentrierten sich auf ihn, dochsein Schirm war ihren Waffen weit überle-gen. Er gab das Feuer in voller Intensität zu-rück, teils mit Paralysator- teils mit Desinte-grator-Modus seiner Strahler.

Nach wenigen Augenblicken waren zweiTentradex tot, der Echsenabkömmling undder letzte Tentradex schwer verletzt.

»Nichts wie raus hier!« rief Bull.»Bully, du solltest lieber herkommen«, er-

klang Tautmos Stimme seltsam ernst. DerPhysiker schaltete den Schutzschirm ab.

Eismer war auf den Tisch zu Hind geklet-tert, dort kauerte er nun, ihren geschundenenKörper in seinen Armen.

»Sie kann nicht mehr mitkommen«, flü-sterte der Goldner.

Wie bei Menschen rollten Tränen aus sei-nen Augen und über seine Wangen.

Reginald Bull kam schnell an den Tisch.Hind atmete kaum noch, ihre Augen warengeschlossen.

»Sie atmet … Können wir sie nicht stabi-lisieren?« schlug der Aktivatorträger hilflosvor.

Tautmo schüttelte langsam den Kopf.

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»Sie hat zuviel Blut verloren«, sagte erleise. »Ich fürchte, sie hat keine Chancemehr. Es geht schon zu Ende.«

»Wir sind zu spät gekommen«, schluchzteEismer. »Hätten wir nur gleich das Lokalgestürmt, nachdem sie das Zork gesprengthatten …«

Tautmo legte mitfühlend eine Hand aufseine Schulter.

»Die vier Stunden hätten sie nicht mehrretten können«, versuchte er den Goldner zutrösten. »Es war ein Wunder, daß sie über-haupt so lange durchgehalten hat. Im Grun-de ist sie schon heute mittag gestorben …«

Eismer streichelte das verwüstete, für ihntrotzdem noch schone Gesicht seiner Artge-nossin.

»Kannst du mich hören, Hind?« flüsterteer. »Ich bin bei dir.«

Ihre Lider hoben sich flatternd, und sieschien ihn zu erkennen. Ihre Hand suchtenach seiner, und er hielt sie fest. Sie ver-suchte zu sprechen, schaffte es aber nichtmehr.

Trotzdem gelang ihr noch ein Lächeln,das zufrieden wirkte.

Eismer legte sein Gesicht an ihres undlauschte ihren schwächer werdenden Atem-zügen, bis sie ausblieben.

»Wir müssen gehen!« drängte Bull.»Jeden Moment können andere kommen,und ich will hier kein Gemetzel anrichten!«

»Ich trage Hind«, sagte Tautmo Aagenfeltplötzlich. »Wir können sie nicht hierlassen.«

Ein heißer Schauer rann dem Physikerden Rücken hinunter, als er zum ersten Malso etwas wie Anerkennung in Bulls hellenAugen aufblitzen sah.

»Aus dir wird vielleicht doch noch was,Junge«, murmelte Bully.

Er packte Eismer, der sich wie eine Puppenehmen ließ, und stellte ihn auf den Boden.

»Komm jetzt!« sagte er sanft, aber dochbestimmt. »Für Trauer haben wir späternoch genug Zeit.«

Nachdrücklich schob Bully den Bebenfor-scher vor sich her aus dem Raum. Bisherwar noch niemand eingetroffen, und er hoff-

te, daß es auch dabei blieb.

*

Der Rückzug ging schnell. Sie aktiviertenihre Antigravs, Bull nahm Eismer inSchlepptau, und Aagenfelt trug Hind.

Dreimal so schnell, wie sie herunterge-kommen waren, waren sie wieder oben imLokal angelangt, allerdings an einem ande-ren Aufgang. Dort wurden sie bereits erwar-tet.

Reginald Bull aktivierte seinen Schutz-schirm nicht sofort, aber er zog seine Waffe.

»Wir können es auf die leichte oder aufdie harte Tour machen«, knurrte er tief, dannließ er seinen Pikosyn die Lautsprecher akti-vieren. »Die harte Tour ist für euch, dasheißt, ihr werdet euren Freunden da untenGesellschaft leisten Es macht mir keine Pro-bleme, euch alle niederzuknallen, und ihrkönnt mir gar nichts tun - denn ich verfügeüber einen äußerst leistungsfähigen Schutz-schirm.«

»Der blufft nur«, rief einer aus den siche-ren hinteren Reihen.

»Na los, probiert es aus!« forderte Bull sieauf und richtete den Strahler nacheinanderauf die Vordersten in der Reihe. »Aber über-legt euch gut, ob es das wert ist. Hind ist tot,ihr werdet nie mehr erfahren, wo die Gold-nerin die Beute versteckt hat. Wir habenkein Interesse daran noch an euch. Wir wol-len nur in Frieden hier rausgehen und zu un-serem Schiff zurückkehren. Danach werdetihr uns nie mehr wiedersehen.«

Die Vordersten zögerten nicht lange, siemachten den Weg bereitwillig frei. Keinervon ihnen hatte Lust, ohne Sinn zu sterben,nur um ein paar Gefährten, die ihnen nichtsbedeuteten, zu rächen.

Unbehelligt verließen die Gefährten dasHaus und kehrten zur GLIMMER zurück.

10.

Eismer ließ Hind in einer Aussichtskanzelaufbahren und bat, dort allein gelassen zu

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werden.Perry Rhodan und die anderen waren

noch nicht zurück. Goriph und Normanschlummerten aneinandergeschmiegt aufdem Boden in ihrer Kabine, Poulton Kreynschnarchte in der Zentrale Natürlich hatte ervergessen, Reginald Bull einmal anzufun-ken.

»Du hast so ein merkwürdiges Gesichtaufgesetzt«, sagte Bull zu dem Hyperphysi-ker, als sie auf dem Weg zur Zentrale waren,um den Ertruser aufzuscheuchen.

»Bully, ich muß eine Verbindung zu Du-rag herstellen. Eismer hat mich selbst dazuaufgefordert.«

»Weswegen denn?«»Na, wegen des Verstecks.«»Willst du damit sagen, Hind hat es euch

doch verraten?«Tautmo nickte. »Es war das letzte, was sie

sagte. Eismer möchte, daß ich es Durag mit-teile. Er will nichts davon haben, und Duragkann es brauchen, um sein Hotel wieder auf-zubauen. Immerhin hat er uns geholfen undkonnte Hind wohl recht gut leiden. DasZeug soll nicht verrotten, und Durag kannRakh damit bestimmt eins auswischen. Sohat Eismer wenigstens eine kleine Rache fürdas, was sie seiner Artgenossin angetan ha-ben.«

Reginald Bull stimmte ihm zu. »Vielleichtkommen die Götzenbilder doch an ihren Be-stimmungsort und retten einigen Leuten ihrSeelenheil. Das kann sehr wichtig sein,weißt du.«

Der Ertruser fiel aus allen Wolken, als diebeiden Männer bei ihm in der Zentrale auf-tauchten. Er behauptete, erst vor wenigenMinuten eingenickt zu sein.

Nach einer Weile überließ Bull den Hy-perphysiker und den Ertruser sich selbst undging zu Eismer zurück.

»Es tut mir leid, aber - ich kann dich jetztnicht so einfach allein lassen«, sagte er.

Der Goldner stand regungslos vor derBahre, er hatte sich noch nicht einmal umge-zogen.

Schließlich wandte er sich dem Terraner

zu und hob in einer hilflosen Geste die Ar-me.

»Jetzt ist alles so geworden, wie ich es niewollte!« klagte er. »Ich weiß nicht, wem ichdie Schuld geben kann, mir oder euch, undes nutzt mir auch nichts. Wie soll ich damitvon jetzt an leben, Reginald Bull? Wie?«

Der Unsterbliche wiegte den Kopf. »Wieein denkendes und fühlendes Wesen, Eis-mer. Du kannst dich nicht vor den Schmer-zen bewahren, indem du ihnen ständig aus-weichst. Die Wunde wird heilen, irgend-wann, und dann wird es leichter. Du kannstdeine Aufgabe fortsetzen und sie vielleichtsogar besser erfüllen. Und du wirst immerdie Erinnerung daran haben, daß du, wennauch nur für ein paar Stunden, geliebt hastund geliebt wurdest. Das ist schon sehrviel.«

»Wird es denn meine Einsamkeit nichtvergrößern?« fragte Eismer leise.

Reginald Bull schüttelte den Kopf.»Ich glaube nicht. Denn für eine kurze

Zeit bist du ins Abenteuer Leben hineinge-taucht. Die Erinnerung daran wird dich im-mer begleiten. Damit kannst du nicht mehrallein sein. Es tut mir sehr leid, daß du Hindverloren hast, aber du solltest sie so in Erin-nerung behalten, wie du sie kennengelernthast - diese wenigen Augenblicke. Du darfstdich nicht an den Gedanken ihres Todesklammem.«

Eismer Störmengord seufzte tief. »Ichdenke, du hast recht, doch ich werde eineWeile brauchen, um darüber hinwegzukom-men. Ich möchte Hind ein würdiges Raum-begräbnis geben, was meinst du?«

Bully nickte. »Das hat sie verdient.«»Jetzt möchte ich gern ein bißchen mit ihr

allein bleiben, solange alles noch in mirwühlt. Es wird mir helfen, alles schneller zuüberstehen.«

Reginald Bull wandte sich zum Gehen,doch Eismer hielt ihn ein weiteres Mal zu-rück.

»Was ich dir noch sagen wollte - ich dan-ke dir und Tautmo. Ohne euch beide hätteich das nie geschafft. Hind hat schon recht

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gehabt, als Bebenforscher bin ich fern jegli-cher Realität Naiv, könnte man sagen. Wasihr für mich getan habt, kann nicht einfachals selbstverständlich angenommen werden.Ich stehe tief in eurer Schuld.«

»Es klingt ein wenig dumm, aber für unsist das wirklich selbstverständlich«, entgeg-nete Bull. »Es tut mir nur leid, daß es so tra-gisch ausgegangen ist.«

»Dafür könnt ihr nichts. Vielleicht mußteich diese Erfahrung einmal machen. Wirwerden sehen.«

Reginald Bull nickte und ließ den Goldnerallein.

*

Inzwischen waren auch die übrigen Ge-fährten gesund wieder zurück. Mondra Dia-mond hatte es ziemlich eilig, in Richtung ih-rer Kabine zu verschwinden, während dieanderen sich in der Zentrale gegenseitig ihreErlebnisse berichteten.

Das Verlassen des Tampa-Stützpunkteswar ebenso unauffällig vor sich gegangenwie das Betreten.

»Ich werde natürlich nicht darum herum-kommen, Eismer demnächst alles zu geste-hen«, sagte Perry Rhodan. »Nachdem zu-mindest bei uns alles gut ausgegangen ist,wird er uns vielleicht nicht allzu viele Vor-würfe machen - und wir haben uns wirklichnur die Informationen geholt, die wir für unsbrauchten.«

Der Terraner schaute auf, als Mondra zu-rückkam.

Sie wirkte frisch und irgendwie erleich-tert.

Etwa eine halbe Stunde später kam auchEismer Störmengord zu ihnen. »Inzwischenist es Tag geworden, und wir sollten aufbre-chen«, sagte er.

Der Goldner sah bemitleidenswert aus.Der Kummer hatte noch tiefere Furchen insein faltenreiches Antlitz gegraben, seineNase war immer noch lilafarben und ge-schwollen. Aber er hatte seine Bebenfor-scher-Kleidung wieder angelegt und strahlte

eine gewisse Würde aus.»Wir haben nichts dagegen«, sagte Rho-

dan. »Allerdings hätten, wir eine Bitte andich.«

»Welche?« Eismer schaute unglücklich»Wir haben ein neues Ziel. Kannst du uns zudem Freihändlerplaneten Kristan auf derEastside bringen?«

Der Bebenforscher überlegte kurz. »DenPlaneten kenne ich sogar, ich habe ihn ein-mal besucht. Aber er ist doch ziemlich unbe-deutend. Dort gibt es lediglich den Freihan-del. Was hat dich zu diesem Kurswechselveranlaßt?«

»Das würde ich dir gern später erzählen.«Eismer wiegte den Kopf. »Von mir aus.

Ich habe Zeit.«Er ließ sich in seinem Pilotensessel nieder

und betätigte die Kontrollen. Die Starter-laubnis wurde ihm nach einer kurzen Anfra-ge erteilt, und die GLIMMER erhob sichvon Leilanz XI.

Im Raum testete der Bebenforscher zumersten Mal den neu erworbenen Orter. Erfunktionierte perfekt. Natürlich lobte Eismerseine Gäste für den richtigen Einbau. Aberseine Freude hielt sich in Grenzen, dafür wares noch zu früh.

Er gab den Kurs nach Kristan ein. Danndrehte er den Sessel zu Rhodan herum undsagte: »Nun, jetzt ist später.«

Perry Rhodan nickte. In kurzen Wortengestand er den Einbruch bei den Tampa,nicht ohne sich sofort dafür zu rechtfertigen:Niemand hatte Schaden genommen, sie hat-ten nur die Daten von Kristan erfragt.

»Ich muß also in Zukunft bei jeder nochso harmlos erscheinenden Frage darauf ge-faßt sein, daß ein Plan oder ein Gedanke da-hintersteckt«, bemerkte Eismer Störmen-gord.

»Es kann schließlich auch ein Vorteil fürdich dabei herauskommen«, versetzte PerryRhodan.

»Welcher?«»Sollte es auf Kristan tatsächlich noch

mehr terranische Technik oder gar Terranergeben, dann wäre das nicht nur für uns eine

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unschätzbare Hilfe. Wir könnten euch Be-benforschern bessere Geräte zur Verfügungstellen, denn der ZZ-89 ist im Vergleich einfast simples Standardmodell. Ihr könntet vonunserer Technik profitieren, als Gegenlei-stung für deine Unterstützung.«

Eismer Störmengord dachte lange darübernach. Zu viele Gedanken beherrschten imMoment seinen Verstand, und es war nichteinfach, wieder zu sich selbst zu finden.

»Zumindest gehen wir kein Risiko ein«,sagte er schließlich. »Kristan ist ein ziemlichungemütlicher Planet, aber ihr werdet euchschon zurechtfinden.«

Reginald Bull atmete erleichtert auf. Auchwenn sich ihre Beziehung zu Eismer gebes-sert hatte, waren sie immer noch auf seineHilfe angewiesen. Sie konnten nicht einfacherwarten, daß er sie kreuz und quer durchdie Galaxis flog, wie es ihnen gerade paßte.

Bull fühlte sich aufgeregt wie schon langenicht mehr.

Gab es wirklich Terraner in DaGlausch?Stand hinter allem nicht doch wieder Sha-bazza, der große Marionettenspieler, dernach wie vor alle Fäden fest in der Handhielt?

Er dachte an das neue Ziel Kristan! End-lich einmal ein Name, der nicht vage war. Es

gab Koordinaten und einen handfesten Hin-weis.

Konnte es Terraner hierher verschlagenhaben? Waren sie die Unterstützung, auf diePerry Rhodan hoffte, um die SOL überneh-men zu können?

»Wir werden es bald wissen, und bis da-hin braucht es nur ein bißchen Geduld«,murmelte er, obwohl er es kaum mehr er-warten konnte.

11.Aus den Aufzeichnungen Eismer

Störmengords

Ich bin Bebenforscher. Ich habe geliebt,und ich bin gescheitert. Wieder bin ich al-lein, vorbei ist mein kurzer Höhenflug.

Aber mein Leben muß weitergehen. DieTerraner haben recht. Hind darf nicht völligumsonst in mein Leben getreten sein. Sie hates erhellt. Und dieses Licht kann ich wirk-lich brauchen.

Denn ich bin ein Bebenforscher. Einervon wenigen in einer Doppelgalaxis, die vonSternenbeben heimgesucht wird.

E N D E

Perry Rhodan und seine Begleiter finden Spuren von Terranern in einer ihnen bislangrecht fremden Doppelgalaxis. Natürlich liegen entsprechende Vermutungen recht schnell na-he, doch konnte niemand von ihnen so schnell damit rechnen, auf die Spur anderer Menschenzu kommen. Jetzt gilt es, möglichst schnell Kontakte herzustellen …

Über die weiteren Geschehnisse um Perry Rhodan und seine zusammengewürfelte Mann-schaft berichtet Hubert Haensel. Sein PERRY RHODAN-Roman erscheint in der nächstenWoche unter folgendem Titel:

KONTAKT AUF KRISTAN

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