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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 297 Dezember 195; Heft 1-2, S. 1-108 191 Die Herstellung von 0s- wnd '930s-Praparaten sehr hoher spezifischer Aktivitat (€in SzitARD-CHAtMERs-Verfahren mit anorganischen Komplexen) Von W. HERR und R. DREYER~) Mit 1 Abbildung Inhaltsubersicht Es wird ein Verfaliren mitgeteilt, wie Radio-Osmium von hoher spezifischer Ak- tivitat aus eineni Reaktor-bestrahlten Kalium-osmium(1V)-chlorid abgetrennt und gewonneii werden kann. Da die Neutroneneinfangsquerschnitte der Osmium-Isotope relativ klein sin& durfte dein Verfahren eine gewissc praktisehe Bedeutung zu- kornmw . Die Durchf uhrbarkeit einer geochemischen Untersuchung mit dem Zicl. den lS70s-Gehaltin Meteoriten g/g) und Mineralien quan- titativ zu erfassen, setzte die Verwendung eines Radio-Osmium-Indi- kators von sehr hoher spezifischer Aktivitat voraus. Da jedoch die stabilen Isotope ls'OOs und lS2Os, die zur Bildung von *slOs (T = 16 d) und lg30s (T = 1,3 d) fuhren, keinen hohen Neutronen- wirkungsquerschnitt aufweisen (er betriigt 2,l resp. 0,66 barn), so hiitte eine normale Pile-Aktivierung von Osmium selbst bei hohem Neutronen- flufi nicht den gestellten analytischen Anforderungen genugt. Wir iibcrpruften daher die Moglichkeiten einer Isolierung der Nuklide durch radioaktiven RuckstoB nach einem (n, y)-Prozel3. Bisher wurde fur Osmium lediglich ein SZILARD-CHALMERs-Ver- falireri mittels Phthalocyaninkomplex 2, beschrieben. Obgleich dieser organische Komplex eine relativ groBe Strahlenresistenz gegenuber ionisierender Strnhlung aufweisen diirfte, welche auf die Stabilitat der 0s-Pht,halocyaninmolekel, bzw. auf gunstige Resonanzeigenschaften und giinstige Energienbleitung innerhalb der Ringverbindung zuruck- I) Jetzige Anschrift : Deutsche Aliadcmie der Wisseusehaften zu Berlin. Institut 2, W. HERR, Z. Naturforschg. 'ib, 201 (1952). Mictrsdorf. Miersdorf/Zeuthen. 2. anorg allg. Chemie. Bd. 293. 1

Die Herstellung von 191Os- und 193Os-Präparaten sehr hoher spezifischer Aktivität. (Ein SZILARD-CHALMERS-Verfahren mit anorganischen Komplexen)

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 297 Dezember 195; Heft 1-2, S. 1-108

191 Die Herstellung von 0s- wnd '930s-Praparaten sehr hoher spezifischer Aktivitat

(€in SzitARD-CHAtMERs-Verfahren mit anorganischen Komplexen)

Von W. HERR und R. D R E Y E R ~ )

Mit 1 Abbildung

Inhaltsubersicht Es wird ein Verfaliren mitgeteilt, wie Radio-Osmium von hoher spezifischer Ak-

tivitat aus eineni Reaktor-bestrahlten Kalium-osmium(1V)-chlorid abgetrennt und gewonneii werden kann. Da die Neutroneneinfangsquerschnitte der Osmium-Isotope relativ klein sin& durfte dein Verfahren eine gewissc praktisehe Bedeutung zu- kornmw .

Die Durchf uhrbarkeit einer geochemischen Untersuchung mit dem Zicl. den lS70s-Gehalt in Meteoriten g/g) und Mineralien quan- titativ zu erfassen, setzte die Verwendung eines Radio-Osmium-Indi- kators von sehr hoher spezifischer Aktivitat voraus.

Da jedoch die stabilen Isotope ls'OOs und lS2Os, die zur Bildung von *slOs (T = 16 d) und lg30s (T = 1,3 d) fuhren, keinen hohen Neutronen- wirkungsquerschnitt aufweisen (er betriigt 2,l resp. 0,66 barn), so hiitte eine normale Pile-Aktivierung von Osmium selbst bei hohem Neutronen- flufi nicht den gestellten analytischen Anforderungen genugt. Wir iibcrpruften daher die Moglichkeiten einer Isolierung der Nuklide durch radioaktiven RuckstoB nach einem (n, y)-Prozel3.

Bisher wurde fur Osmium lediglich ein SZILARD-CHALMERs-Ver- falireri mittels Phthalocyaninkomplex 2, beschrieben. Obgleich dieser organische Komplex eine relativ groBe Strahlenresistenz gegenuber ionisierender Strnhlung aufweisen diirfte, welche auf die Stabilitat der 0s-Pht,halocyaninmolekel, bzw. auf gunstige Resonanzeigenschaften und giinstige Energienbleitung innerhalb der Ringverbindung zuruck-

I ) Jetzige Anschrift : Deutsche Aliadcmie der Wisseusehaften zu Berlin. Institut

2, W. HERR, Z. Naturforschg. 'ib, 201 (1952). Mictrsdorf. Miersdorf/Zeuthen.

2. anorg allg. Chemie. Bd. 293. 1

2 %itschrift fur anorganische und allgcrneine Chcmic. Band 293. 19 57

zufuhren ist, so eignen sich doch organische Substanzcn in1 allgenieinen nicht fur langdauernde Reaktorbestrahlungen. Die mit organischen Komplexen durchgef nhrten SZILAR n - ~ r r ~ ~ ~ ~ ~ r ~ s - T r e ~ ~ l i u ~ g e ~ ~ ]anger - lebiger Radioisotope ergebtrr dahw hei RcaLtor-Bestra hlunpsl~edin- gungcn s tp ts Kur ririe geririgr spezifische Aktivitat.

Weit bessere Strahlcnresistenz und damit die Aussicht. zu sehr lroher spezifischer Aktivitat eines Radio-Osmiums ZIX gelangen, verspreehen ge- eignete anorganisehe Komplesverbindur gen. Nun ist es ledoch schwierig, anorganische Verbindwgen eines Elerncntes aufzufinden, an denen SzILARD-C~IALLhrF:Rs-Abtrennungcn durchfuhrbar sind. Bekanntlich m ussen solche Verbindungen zwei Grundbedingungen erfiillen.

1. Es darf kein (oder kein wesentlicher) Austausch von komplcu- gebundenem und freiem Atom bzw. Ion stattfinden.

2 . Es mul3 die Moglichkeit einer snalytischeri Trennung der in chemisch versnJerter Form vorliegeriden Atome bzw. Ionen gegeben sein.

Vor einer Reihe von <Jahren konnten wir zeigen, dafl Hexa- halogenkomplexverbindungen 3, vom Typ [MeHal,] -- fur SZILARD- CHALMERS Reaktionen verwendtt werden koniien. Experimente dieser Art wurden a m Rhenium und unabhangig davori 2uch am Iridium4) ausgef uhrt .

Kiirzlich hatten Austauschuntersuchungen a m Hexachloroosmat- Komplex mit 3GCl erwiesen, daPJ in Losung (bei Temperaturen, die 50” C nieht, ubersteigen) noch kein Isotopenaustausch von freiem und gebundenem Halogen stattfindet 5 ) . Es war daher anzunehmen, da13 auch das 0s-Zentralatom nicht austauscht. Nach einer Neutronen- bestrahlung voii festem K,OsCl, gelang es in der Tat , Radio-Osmium, welches in ehemisch verandertcr Form vorlag und die chemische Ver- bindung gesprengt hatte, praktiseh tragerfrei zu isolieren.

Folgender Weg wurde eingeschlagen : Jeweils 30 mg K,OsCl, wurden in Quarz eingeschlossen, 3 Tage einem Neutrorienflulj von 1012 N/cmz/sec ausgesetzt. Das Salz wurde in etwa 5 m l 1 n H,SO, gelost. Durch langsamc Zugabe von einem etwa 20fachen Obersehul3 CsNO, (200 mg/ml) wurde in der Kalte schwerlosliches Cs,OsCl, gefallt und der Xieder- schlag zentrifugiert oder uber einem Membranfilter abgesaugt. Im Filtrat befinden sieh etwa 30% des gesamten Radio-Osmiums. Die (an sich geringe) Loslichkeit des Cs,OsCl,-Koniplexes tragt dam bei, die spezifische Aktivitat des Ruckstofi-Osmiums um eiiien kleinen Betrag

W. HERR, Z. Naturforschg. 7b, 55 (1952); Z. Elektrochcm., Ber. Buriscnges- physik. Chprn. 56, 911 (195‘2).

4, U. C”IWATTU, G . GIACOMELLO, A. G. MADDOCK, Riccrca sci. 22, 265 (1952). 5, R. DREYER u. W. HERR, Z. anorg. allg. Chcni. (in Vorbereitung).

W. HERR u. B. DREI'EII, Die Herstellung >on 19lOs- und 'SJOs-Praparaten 3

zu erniedrigen. Dieser OsC1,2--IZest kaiin leicht noch durch nachfolgende Zugabe einer Losung von etwa 5mg K,PtC16 und Fallung des Cs,PtCl,, welches noch . vorhandenes 0sClj2- isomorph einbaut, entferiit werden.

Zur schlieBlichen Isolierung des 1910s und 1930s, d. h. Trennung von dem mitenthndenen 32P aus 35Cl (n, a) und von 4,K, bewahrten sich:

1. H,S-Fallung mit Cu als Triiger. Zuerst Fsllung in natron- alkalischer Losung bei Siedehitze, danach Ansauern mit verd. H,SO, (Druckflasche).

2. Die anschliefiende Os0,-Destillation des Cs,OsCI,-Filtrats (oder auch des Cu-0s- Sulfids rnit H,SO,-Cr03-Gemisch) in SO,-gesattigte, eisgekuhlte 2Oproz. HC1.

Dic quantitative Bestimmung der Osrniuminenge erfolgte jeweils im Spektral- photometer niittels des Thioharnstoffkomplexes bei 480 mp Wcllenlange 6, 7).

In dem angefuhrten Beispiel wurden nach der Abtrennung 6pg Os, als nicht fiillbar durch Cs,OsCl,, gefunden. Da die radiochemische Ausbeute an Radio-Osmium -30% betriigt', so ergibt sich eine Er- hohung der spezifischen Bktivitat des lg30s um mehr als den Faktor 3 0 3 .

Es ist bernerkenswert, daB sich die R,etention bzw. die radiochemi- sche Ausbeute nicht merklich andert, wenn die Cs,OsCl,-Fiillung erst nach langerer Zeit nach dem Aufliisen des bestrahlten Salzes vorgenommen wird. Uns ist noch nicht bekannt, in welchem chemischen Zustand die 0s-RiickstoBatonie in Losung vorliegen ; wir vermuteii, dal3 eine Oxy- dation stattgefunden hat.

Nach Zufuhr von therniischer Energie werden die im Kristallgitter wahrend der Kernreaktion erzeugten Ionenradikale teilweise wieder in das regelmiiflige Gitter eingebaut. F 76,

Abb. 1 zeigt die Abhangigkeit der g'/. chemischeii Ausbeute von der Er- $ bestrahlten K,OsCI,-Kristalles (Er- hitzungsdauer 6 Minuten). Die 10

Riickreaktion, d. h. die Verheilung, nimmt einen normalen Verlauf, wie &O 1 b i$-& .b 350

dieser bcispielsweise auch fur den ReCl,-~omplex 4) und fiir ~ ~ ~ ~ 0 , s ) charakteristisch ist. Bei steigender Temperatur sinkt die Ausbeute im

Erhitziqxzi: 2 K,~ot2n

q+ 1 hitzungsteniperatur des neutronen- g 70- +4>

1 s L ? ' i

bqm3iir IT, Abh. 1. RiickstoB-Ausbeute an Radio- Osmium als Funktion der Temperatur

dos neutronenbestrahlten Kristalls

6, E. B. SANDELL, Colorimetric Determination of Traces of Metals, Interscienee

7, E. MERZ, Dissert. Universitat Maim (1957). 6) J. GREEN u. A. G. MADDOCK, Nature [London] 164, 788 (1949).

Publ., NewYork 1950.

1*

4 Zritschrift fur anorganische und allgerneine Chcniir. Band 293. 1957

Bereich \on 20-300" C von 32 auf 13 76 ab. Dal3 eine ,,thermische Aus- heilung'. in irianchen neutronenbestrahlten V c rbindungen, die einer SZILARD-CII ALMERS-Trennung zuganglich sind, in einigen Fallen nicht moglich ist, konnte bereits am Beispiel des W ( I V ) im Zn,W(CN),-Kom- plex gezeigt werden "). Das Verhalten der ,,heiQen" 0s-Atome jst Gegen- stand einer ausfuhrlichen Untersuchung.

Dcr Ucutsclieri Foiscliuiigsgemeinschaft tlanlten wir fur die freundliche Uberlassung eiiies Spektralphotorripteis und von Zahlgeratrii. I)cr c u e von uns (R. D ) mochte an dieser Stelle Herrn Prof. PANETH fur einc.11 frcundlicli gcwahrten Gastaufcnthalt am M. P. 1 . f . Ch. seinc3n Dank sagen.

s, W. HERR, Angew. Cheni. (iG, 340 (1'354).

Mainr, Max- Planck-Institut fur Chemie.

Rei der Ilcdaktion eingegangen arii 28. Mai 1957.