86
Martin Sebaldt Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland in der Ordnung des Grundgesetzes Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft (Schwerpunkt Westeuropa), Regensburg 2003

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Martin Sebaldt

Die Institutionen der

Bundesrepublik Deutschland

in der Ordnung des

Grundgesetzes

Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft

(Schwerpunkt Westeuropa), Regensburg 2003

Page 2: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Eine Vorläuferversion dieser Schrift diente als Text der Lerneinheit

"Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im Kontext der

Verfassungsordnung des Grundgesetzes" im Teilbereich "Politisches

System der Bundesrepublik Deutschland" des Internet-Lehrprojekts

"Politikwissenschaft online" (PolitikON) der Deutschen Vereinigung

für Politische Wissenschaft (DVPW). Dieses Projekt wurde inzwi-

schen beendet.

© Prof. Dr. Martin Sebaldt

Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft

(Schwerpunkt Westeuropa) der Universität Regensburg, 2003

Page 3: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung .......................................................................... 5

2. Grundlagen ......................................................................... 6

2.1 Der Begriff der Verfassung ................................................. 6

2.2 Die Verfassungsordnung Deutschlands ............................... 9

3. Vorgeschichte und Entstehung des Grundgesetzes ........ 13

3.1 Deutsche Verfassungstraditionen des 19. Jahrhunderts ...... 14

3.2 Die Weimarer Reichsverfassung als Lernobjekt ................. 16

3.3 Die Alliierten: Verfassungspläne der Sieger ....................... 18

3.4 Die Verfassungspläne der deutschen Parteien .................... 20

3.5 Der Entstehungsprozess des Grundgesetzes ....................... 22

4. Struktur, Prinzipien und Staatsziele ............................... 24

4.1 Der Aufbau des Grundgesetzes ........................................... 24

4.2 Die Prinzipien des Grundgesetzes ....................................... 27

4.3 Die Staatsziele des Grundgesetzes ...................................... 29

5. Stellung und Aufgaben der Institutionen ....................... 31

5.1 Das Institutionengefüge im Überblick ................................ 31

5.2 Der Bundestag ..................................................................... 35

5.3 Die Bundesregierung ........................................................... 39

5.4 Der Bundesrat ..................................................................... 41

5.5 Der Bundespräsident ........................................................... 43

5.6 Das Bundesverfassungsgericht ............................................ 45

6. Konkurrenz und Kooperation der Organe ..................... 47

6.1 Bundestag und Bundesregierung ......................................... 47

6.2 Bundestag und Bundesrat .................................................... 50

6.3 Bundesregierung und Bundesrat ......................................... 53

6.4 Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsident ............ 54

6.5 Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Organe ..... 57

Page 4: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 4

7. Änderungen der Institutionenordnung ........................... 59

7.1 Die Änderungen im Überblick ............................................ 60

7.2 Die Wehrverfassung ............................................................ 65

7.3 Die Notstandsverfassung ..................................................... 67

7.4 Die Grundgesetzreform von 1994 ....................................... 70

8. Diskussionsschwerpunkte der Forschung ....................... 73

8.1 Machtverlust der Parlamente? ............................................. 74

8.2 Politikverflechtungsfalle? ................................................... 76

8.3 Immobilismus im Mehrebenensystem? ............................... 78

Bibliographie .............................................................................. 81

Page 5: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

1. Einführung

Das 1949 verabschiedete Grundgesetz bildet den verfassungsrechtli-

chen Rahmen der politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch-

land (Bauer/Jestaedt 1997). Seine normativen Vorgaben legen die

Funktionen und die Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane

(Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes-

verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen zueinander

und regeln den Austrag und die Schlichtung von Verfassungsstrei-

tigkeiten. Darüber hinaus finden sich im Grundgesetz detaillierte

Bestimmungen zum Gang der Gesetzgebung sowie zur Kompetenz-

abgrenzung zwischen Bund und Ländern, die in einer föderalen poli-

tischen Ordnung unabdingbar sind. Jüngeren Datums sind schließ-

lich noch Normen, welche das Verhältnis Deutschlands zur Europäi-

schen Union regeln (Sturm/Pehle 2001).

Das Ziel der Schaffung systematischen Wissens über die Institu-

tionenordnung des Grundgesetzes, dem diese kleine Schrift dient,

soll durch die schrittweise Beantwortung folgender Einzelfragen

erreicht werden:

1. Was fällt im Einzelnen unter den Begriff "Verfassung", und wie

stellt sich die bundesdeutsche Verfassungsordnung im Überblick

dar?

2. Welche Verfassungstraditionen gibt es in Deutschland, die den

Inhalt des Grundgesetzes maßgeblich beeinflusst haben?

3. Wie ist das Grundgesetz formal aufgebaut, und welche Prinzipien

und Staatsziele, die auch die Funktionsweise der Institutionen

vorprägen, sind dort im Einzelnen verankert?

4. Welche Vorgaben macht das Grundgesetz zu Stellung, Aufbau

und Funktionen der einzelnen Institutionen?

Page 6: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 6

5. Wie sind die Konkurrenz- und Kooperationsverhältnisse zwi-

schen den einzelnen Institutionen verfassungsrechtlich vorgeprägt

bzw. geregelt?

6. Welche Änderungen hat das Grundgesetz seit 1949 erfahren, die

auch das Verhältnis zwischen den Institutionen modifiziert ha-

ben?

7. Welche wesentlichen Entwicklungen sind in der Verfassungspra-

xis seit 1949 zu beobachten, und wie werden diese von der For-

schung bewertet?

2. Grundlagen

Die Verfassungsordnung des Grundgesetzes definiert den Hand-

lungsrahmen der einzelnen politischen Institutionen Deutschlands.

Konkret umfasst sie alle Normen, welche diese erst ins Leben rufen,

ihre Kompetenzen definieren und ihre Aufgabenfelder von denjeni-

gen anderer Institutionen abgrenzen. Im Folgenden soll ein Über-

blick über die einzelnen Elemente von Verfassungsordnungen gege-

ben werden, die diese Aufgabe erfüllen.

2.1 Der Begriff der Verfassung

Der Begriff der Verfassung ist nicht einheitlich definiert. Im weite-

ren Sine meint er "die Gesamtheit derjenigen Regeln und Strukturen,

die das Gemeinwesen und damit die politische Ordnung prägen"

(Fenske 2001: XI). Im engeren Sinne meint er eine einheitliche, ge-

schriebene Verfassung, also ein Verfassungsdokument 'aus einem

Guss', wie etwa die Verfassung der USA von 1787 oder eben auch

das deutsche Grundgesetz von 1949. Folgt man der weiter gehalte-

nen Definition, versteht man aber unter "Verfassung" nicht nur diese

Page 7: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 7

Verfassungsurkunden, sondern auch alle übrigen Normen, welche

die Struktur eines politischen Systems prägen (Friedrich 1986). Im

Einzelnen sind dies:

Einzelgesetze mit verfassungsurkundlichem Charakter;

Einfache Gesetze und von ihnen abgeleitete Normen;

Richterrecht;

Gewohnheitsrecht;

Konventionen.

Bevor im nächsten Schritt die deutschen Verhältnisse in den Blick

genommen werden, sei dieser Sachverhalt an Beispielen anderer

Systeme schlaglichtartig illustriert, welche die praktische Bedeutung

dieser übrigen Normentypen für die Funktionsfähigkeit politischer

Institutionenordnungen besonders gut belegen können.

Es gab und gibt Systeme, die über keine einheitliche geschriebe-

ne Verfassungsurkunde verfügen. Bis heute kommen Großbritan-

nien, Neuseeland und Israel ohne ein derartiges Dokument aus

(Saalfeld 1998: 38), und auch die französische Dritte Republik

(1870/75-1940) verfügte darüber nicht. Stattdessen gründen sie

im Kern auf einer Reihe von Einzelgesetzen, welche Verfas-

sungsqualität besitzen und zusammengenommen ein Äquivalent

für eine einheitliche Verfassungsurkunde bilden. In Großbritan-

nien sind dies u.a. die Habeas Corpus Akte von 1679, die Bill of

Rights von 1689 und die Parliament Acts von 1911 und 1949, die

der Garantie der Grundrechte, der Verankerung der Parla-

mentssouveränität und der Vorherrschaft des demokratisch ge-

wählten Unterhauses gegenüber dem Oberhaus dienten (Kluxen

1983: 71, 79-81, 153, 169).

Page 8: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 8

Auch einfache Gesetze können die politische Institutionenord-

nung maßgeblich bestimmen. So etwa haben die Wahlrechtsre-

formen der Jahre 1832, 1867, 1884/85 und 1918/28 maßgeblich

zur Demokratisierung des britischen politischen Systems beige-

tragen und damit die Natur und die Zusammensetzung des Parla-

ments entscheidend verändert: Erst durch die Einführung des all-

gemeinen Wahlrechts konnte es der Arbeiterbewegung in Form

der Labour Party gelingen, in das Unterhaus einzuziehen und die

Machtverhältnisse dort maßgeblich zu verändern (Kluxen 1983:

122-167).

Richterrecht, insbesondere höchstrichterliche Entscheidungen,

können zur Prägung des Institutionengefüges ebenfalls maßgeb-

lich beitragen. So ist das heute unbestrittene Normenkontrollrecht

des Obersten Gerichtshofs der USA (Supreme Court) in der Ver-

fassungsurkunde gar nicht verankert: Im Rahmen eines Urteils

(Marbury vs. Madison) nahm der Supreme Court im Jahre 1803

ein solches 'Recht' einfach in Anspruch, indem er im angespro-

chenen Fall ein Gesetz für verfassungswidrig erklärte (Shell

1998: 173-174). Da dieser Akt unwidersprochen blieb, bekam er

Präzedenzcharakter und etablierte somit qua Tradition das bis

heute bestehende gerichtliche Normenkontrollrecht, welches den

gesetzgeberischen Spielraum von Kongress und Präsident nicht

unwesentlich eingeschränkt hat.

Auch ungeschriebenes Gewohnheitsrecht trägt zur Prägung des

Institutionengefüges bei. So ist im britischen "Common Law" seit

Urzeiten, obwohl später auch gesetzlich bekräftigt, das Prinzip

des fairen und regelgeleiteten Rechtsverfahrens ("by due process

of law") verankert (Kluxen 1983: 22-29). Es schützt das Indivi-

duum bis heute gegen staatliche Willkürentscheidungen und irre-

gulär ablaufende Prozesse, war aber auch strukturbildend für den

politischen Entscheidungsprozess: dass parlamentarische Debat-

Page 9: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 9

ten und Beschlüsse nach präzisen und einheitlichen Regeln abzu-

laufen haben, entspringt ebenfalls dieser gewohnheitsrechtlichen

Tradition, was an der bis heute hochritualisierten britischen De-

battenpraxis besonders schön abzulesen ist.

Schließlich können auch Verfassungskonventionen ("constitutio-

nal conventions") eine große Rolle spielen. Bis heute etwa steht

nirgendwo geschrieben, dass der britische Premierminister obli-

gatorisch dem Unterhaus angehören müsse und dass er jederzeit

vom Monarchen die Parlamentsauflösung verlangen könne (Saal-

feld 1998: 101-102). Gleichwohl hat sich beides per Tradition

'eingebürgert' und gilt als allgemein akzeptierte Konvention über

die Parteigrenzen hinweg: Derlei "constitutional conventions" un-

terliegen zwar durch ihren informellen Charakter besonders star-

ken Wandlungen, was ihre generelle Bedeutung jedoch nicht

schmälert.

2.2 Die Verfassungsordnung Deutschlands

Auch in Deutschland spielen diese unterschiedlichen Normentypen

für die Prägung des Institutionengefüges eine große Rolle, wobei

jedoch das Gewicht geschriebenen Rechts signifikant höher ist als

im angloamerikanischen Raum. Neben dem Grundgesetz, das als

Verfassungsurkunde natürlich eine dominierende Funktion innehat

und später noch genauer auf seinen institutionenprägenden Charak-

ter analysiert wird, sind jedoch auch die anderen konstituierenden

Elemente einer Verfassungsordnung vorfindbar. Aufgrund ihrer

Masse kann deren Bedeutung an dieser Stelle nur schlaglichtartig

beleuchtet werden.

Einfache Gesetze mit institutionenprägendem Charakter spielen

in der Bundesrepublik eine große Rolle und konkretisieren das

Page 10: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 10

Grundgesetz dort, wo es gewollt oder ungewollt keine genaueren

Vorgaben macht. So finden sich im Gesetz über das Bundesver-

fassungsgericht detaillierte Vorgaben zur Organisation des obers-

ten deutschen Gerichts, zur notwendigen Qualifikation der Rich-

ter und zum genauen Wahlverfahren ebenso wie zu den einzelnen

Verfahrensarten (Säcker 1998: 218-232). Damit hat dieses Gesetz

Zusammensetzung, Selbstverständnis und Arbeitsweise des Bun-

desverfassungsgerichts wesentlich mehr geprägt als das Grundge-

setz selbst, das hierzu nur allgemeine Vorgaben macht.

Gleiches gilt für das Bundeswahlgesetz, das nicht nur die proze-

duralen Einzelheiten der Wahlen zum Deutschen Bundestag fest-

legt, sondern auch das gesamte Wahlsystem als personalisierte

Verhältniswahl erst verankert (Rudzio 2000a: 195-197). Im

Grundgesetz selbst ist in Artikel 38 nur der allgemeine Grundsatz

allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl

festgeschrieben sowie das aktive Mindestwahlalter von 18 Jah-

ren. Alles Übrige wird der einzelgesetzlichen Regelung übertra-

gen, durch welche die Zusammensetzung des Bundestages und

die Struktur des deutschen Parteiensystems maßgeblich beein-

flusst wurden (Nohlen 2000: 304-331). Denn nicht zuletzt der

Grundentscheidung für ein modifiziertes Verhältniswahlrecht ist

es zuzuschreiben, dass Kleinparteien in den Bundestag gelangen,

absolute Mehrheiten einzelner Parteien verhindern und ein Sys-

tem von Koalitionsregierungen erzwingen konnten.

Eine ähnlich bedeutende Rolle spielt schließlich auch das Partei-

engesetz, das nicht nur den Funktionskatalog bundesdeutscher

Parteien präzise definiert, sondern auch genaue Vorgaben zur in-

nerparteilichen Organisation und insbesondere zur Gewährleis-

tung innerparteilicher Demokratie macht (Oberreuter et al. 2000:

21-29). Verhindert werden soll somit das Wiedererstarken anti-

demokratischer Parteien, und zusätzlich sollen präzise rechtliche

Page 11: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 11

Grundlagen für etwaige Parteienverbote geschaffen werden.

Denn wenn eine Partei sowohl dem Grundsatz innerparteilicher

Demokratie nicht genügen als auch die politische Ordnung des

Grundgesetzes ablehnen sollte, existieren nunmehr konkrete

Rechtsnormen für ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfas-

sungsgericht. Darüber hinaus sind die detaillierten und immer

wieder kontrovers diskutierten Regeln der Parteienfinanzierung

hier festgeschrieben, die bei einem Verstoß empfindliche Strafen

für Parteien nach sich ziehen können (Rudzio 2000a: 124-136).

Nicht nur Gesetze, sondern auch die Geschäftsordnungen der

einzelnen Institutionen können diese Konkretisierungsfunktion

übernehmen. So haben sich die meisten Verfassungsorgane

(Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsge-

richt) selbst solche Ordnungen gegeben, um ihren Arbeitsablauf

im Einzelnen zu organisieren, was für die politische Praxis natür-

lich von großer Bedeutung ist. So macht etwa die Geschäftsord-

nung des Deutschen Bundestages (GOBT) detaillierte Vorgaben

zum Ablauf der Debatten und zur Organisation von Fraktionen

und Ausschüssen (Ismayr 2001: 146-147). Dort ist z.B. festge-

schrieben, dass die Tagesordnung und die Rednerabfolge im Äl-

testenrat parteiübergreifend einvernehmlich geregelt wird, was

für die parlamentarische Debattenkultur prägend wurde und trotz

permanenten parteipolitischen Gezänks im Bundestag ein koope-

ratives Arbeitsklima auch zwischen Regierungsmehrheit und Op-

position gefördert hat ‒ keine Selbstverständlichkeit, wenn wir an

die wesentlich kontroversere Szenerie etwa im britischen Unter-

haus denken (Saalfeld 1998: 126-132).

Richterrecht spielt in Deutschland vor allen Dingen in der Form

verfassungsgerichtlicher Entscheidungen eine große Rolle. Im

Unterschied zu den USA ist das Normenkontrollrecht des Bun-

desverfassungsgerichts schon im Grundgesetz explizit verankert.

Page 12: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 12

Dies hat zu einer langen Reihe von Normenkontrollverfahren ge-

führt, die auch auf das bundesdeutsche Institutionensystem nach-

haltigen Einfluss hatten (Wesel 1996). Gleiches gilt für die Or-

gan- und die Bund-Länderstreitverfahren, in welchen die einzel-

nen Verfassungsorgane gegeneinander bzw. einzelne Bundeslän-

der gegenüber ihnen klagebefugt sind, wenn sie ihre Rechte ver-

letzt sehen. Am Beispiel des 'Blauhelmurteils' vom 12.07.94 sei

die institutionenprägende Funktion solcher Urteile illustriert: Die

Beteiligung deutscher Militärkontingente an UN-Friedens-

missionen außerhalb des NATO-Bündnisgebiets ("out of area"),

welche die Bundesregierung ohne offizielle parlamentarische Zu-

stimmung verfügt hatte, sollte durch eine Klage der SPD-

Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht für ver-

fassungswidrig erklärt werden, da sie dem Gebot des Grundge-

setzes, Streitkräfte nur zu Verteidigungszwecken einzusetzen,

widerspräche. Die Verfassungsrichter lehnten diese Auffassung

unter Verweis auf den Friedensmissionscharakter der Operatio-

nen unter Federführung der UNO ab, deren Teilnahme das

Grundgesetz erlaube. Es machte aber der Bundesregierung

gleichzeitig künftig zur Pflicht, eine derartige Entscheidung

durch einen entsprechenden Bundestagsbeschluss bestätigen zu

lassen (Forsteneicher 2002: 3). Die sicherheitspolitische Koope-

rationspraxis zwischen Bundestag und Bundesregierung hat die-

ses Urteil somit entscheidend beeinflusst.

Die Bedeutung von Gewohnheitsrecht und Konventionen ist in

der bundesdeutschen Rechtsordnung von geringerer Bedeutung

als in anderen Staaten, zumal der Spielraum hierfür durch die

immer weiter voranschreitende schriftliche Verrechtlichung stän-

dig geschwunden ist. Gleichwohl können die einzelnen Instituti-

onen ohne einen informellen 'Korpsgeist', der eben nur per Kon-

vention entstehen kann, nicht bestehen. So ist es gute Tradition,

Page 13: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 13

bei krankheitsbedingter Abwesenheit von Abgeordneten vor

wichtigen Abstimmungen ein sogenanntes "pairing" durchzufüh-

ren: dann bleiben von nicht betroffenen Parteien ebenfalls so vie-

le Parlamentarier der Abstimmung fern, dass dort der parteipoliti-

sche Proporz wieder hergestellt ist. Auch ist es gute Sitte, einen

neuen Abgeordneten nach seiner 'Jungfernrede' parteien- und la-

gerübergreifend mit wohlwollendem Beifall zu bedienen, um ihn

quasi offiziell in der Gemeinschaft der Parlamentarier willkom-

men zu heißen. Und schließlich ist auch der zweckorientierte, und

in der Regel kooperative Arbeitsstil in den Ausschüssen nicht

durch Geschäftsordnungen erzwingbar, sondern muss sich aus

dem Abgeordnetenselbstverständnis erst entwickeln.

3. Vorgeschichte und Entstehung des Grundgesetzes

Die Tradition geschriebener Verfassungen, die auch Struktur und

Inhalt des Grundgesetzes maßgeblich beeinflusst hat, reicht in

Deutschland bis in das frühe 19. Jahrhundert zurück (Fenske 2001:

253-259). Französischen Vorbildern (Revolutionsverfassung von

1791, Charte von 1814) folgend und geistesgeschichtliche Modelle

von Rationalismus, Aufklärung und Liberalismus rezipierend, setzte

sich der Trend immer mehr durch, das Gefüge eines politischen Sys-

tems durch eine einheitliche grundgesetzliche Basis zu formen und

die Kompetenzen der einzelnen politischen Institutionen präzise zu

definieren. Im Folgenden sollen diejenigen verfassungsmäßigen

Traditionsbestände in Deutschland genauer unter die Lupe genom-

men werden, welche die Institutionenordnung des Grundgesetzes

entscheidend vorgeprägt haben.

Page 14: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 14

3.1 Deutsche Verfassungstraditionen des 19. Jahrhunderts

Nach dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nati-

on und nach dem Ende der napoleonischen Kriege waren die deut-

schen Fürsten zwar bestrebt, durch eine restaurative Politik die an-

cien régimes der vorrevolutionären Epoche wiederzuerrichten. Je-

doch hatte sich gerade der Gedanke einer Grundlegung staatlicher

Ordnung durch eine geschriebene Verfassung schon so weit verbrei-

tet, dass er auch im Deutschland des 19. Jahrhunderts nicht mehr

ignoriert werden konnte (Fenske 2001: 253).

Bereits die 1815 verabschiedete Akte des neu konstituierten

Deutschen Bundes schrieb den Mitgliedern dieses Staatenbundes in

Artikel 13 die Schaffung "landständischer" Verfassungen vor. Und

auch wenn längst nicht alle dieser Vorgabe nachkamen und insbe-

sondere die dominierenden Mächte Preußen und Österreich sie jahr-

zehntelang ignorierten, begann sich vor allen Dingen in den süddeut-

schen Staaten eine Verfassungstradition zu entwickeln, die ganz

erkennbar von liberalem Gedankengut geprägt war: Bayern und Ba-

den gaben sich bereits im Jahr 1818 eigene Verfassungen (Reinhard

2000: 420) und wurden damit zu Wegbereitern der späteren Konsti-

tutionalisierung Gesamtdeutschlands.

Aber auch der Deutsche Bund selbst blieb diesbezüglich nicht

ohne Einfluss, verankerte er doch das bis heute in Deutschland gel-

tende Bundesratsprinzip in seiner Akte: Eine parlamentarische

Kammer auf Bundesebene, welche der Vertretung von Länderinte-

ressen dienen soll, besteht diesem zufolge nicht aus gewählten unab-

hängigen Abgeordneten (= Senatsprinzip), sondern aus weisungsab-

hängigen Delegierten der Landesregierungen. Diesem Prinzip gemäß

setzte sich die "Bundesversammlung" des Deutschen Bundes zu-

sammen, und auch die meisten späteren gesamtdeutschen Verfas-

sungen (Reichsverfassung von 1871, Weimarer Verfassung von

Page 15: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 15

1919) blieben diesem Grundsatz treu (Laufer/Münch 1997: 33-53).

Das implizierte zudem eine Grundsatzentscheidung für eine födera-

listische politische Ordnung: Vom zentralistischen Dritten Reich

einmal abgesehen beruht die deutsche Verfassungstradition auf dem

Prinzip der Bundesstaatlichkeit; einheitsstaatliche Visionen spielten

keine maßgebliche Rolle.

Freilich waren die deutschen politischen Systeme des 19. Jahr-

hunderts durchweg noch Obrigkeitsstaaten, in denen das Prinzip

monarchischer Souveränität auch nach der Schaffung von Verfas-

sungen weiterhin galt: Die Parlamente waren in ihren Kompetenzen

deutlich eingeschränkt, besaßen vielfach nicht einmal ein eigenes

Gesetzesinitiativrecht und waren auch in ihren Legislativbefugnissen

durch ein absolutes königliches Vetorecht behindert (Fenske 2001:

257-258). Die politische Verantwortlichkeit der Minister vor den

Volksvertretungen existierte ebenfalls noch nicht; Kabinettsmitglie-

der waren zunächst nur dem monarchischen Souverän allein rechen-

schaftspflichtig. Lediglich die Paulskirchenverfassung von 1849, die

aber nie Gültigkeit erlangte, setzte schon deutlich demokratischere

Akzente, indem sie die vollständige legislative Gleichberechtigung

des zweikammerigen Reichstags festschrieb.

Immerhin etablierte diese Verfassungstradition das bis heute gel-

tende Prinzip, die Kompetenzen der einzelnen politischen Institutio-

nen genau festzuschreiben und auch ihre Beziehungen untereinander

festzulegen. Diese Bestimmungen bildeten dann jeweils auch den

Ausgangspunkt für den Kampf um die Ausweitung eigener Macht,

der insbesondere von den Parlamenten hartnäckig und letztlich auch

erfolgreich geführt wurde: Durch formelle Verfassungsänderungen

bzw. durch Wandel der Verfassungspraxis gestanden die monarchi-

schen Souveräne nun auch das parlamentarische Initiativrecht für

Gesetzesvorlagen zu sowie die Einflussnahme auf die Zusammenset-

zung der jeweiligen Regierungen (Reinhard 2000: 420-423).

Page 16: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 16

Die Reichsverfassung von 1871 verankerte das Gesetzesinitiativ-

recht des demokratisch gewählten Reichstages bereits explizit, ver-

weigerte jedoch formell noch die politische Verantwortlichkeit des

Reichskanzlers und seiner Staatssekretäre vor den Parlamentariern,

die nach wie vor nur dem Kaiser rechenschaftspflichtig waren und

nur von ihm ernannt und entlassen werden konnten (Born 1982: 19).

Und doch war die preußisch dominierte Reichsleitung zu einer im-

mer stärkeren Kooperation mit den Parlamentariern gezwungen, um

für großangelegte Gesetzgebungsprojekte (Sozialversicherung, Kul-

turkampf- und Sozialistengesetze etc.) sichere Mehrheiten zu finden

und berücksichtigte dies zunehmend bei der Auswahl der Regie-

rungsmitglieder: Geschick im Umgang mit dem Reichstag wurde als

'Berufungskriterium' nun immer wichtiger.

Eine schleichende Parlamentarisierung des wilhelminischen Kai-

serreichs war somit in die Wege gesetzt, die durch den Ersten Welt-

krieg noch erheblich beschleunigt wurde: Die Auflegung und Billi-

gung umfangreicher Kriegskredite band Reichsleitung und Reichstag

noch enger aneinander, und als im Jahre 1918 die deutsche Nieder-

lage absehbar und das Scheitern der kaiserlichen Politik augen-

scheinlich geworden waren, rang man sich noch im Oktober kurz vor

der Revolution zu einer Verfassungsrevision durch, die nun auch die

formelle Abhängigkeit der Regierung vom parlamentarischen Ver-

trauen festschrieb (Hübner 2000: 64-64). Durch den Sturz des Hau-

ses Hohenzollern und die Ausrufung der Republik erlangten diese

Änderungen jedoch keine praktische Bedeutung mehr.

3.2 Die Weimarer Reichsverfassung als Lernobjekt

Die Architekten der Weimarer Verfassung schlossen eng an diese

Verfassungstradition an: Sie verankerten nunmehr formell das par-

lamentarische Prinzip und schrieben auch die bundesstaatliche Tra-

Page 17: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 17

dition fort: Der Reichskanzler und die einzelnen Reichsminister

wurden zwar nach wie vor nicht formell vom Reichstag gewählt,

sondern vom Reichspräsidenten ernannt und auch entlassen. Nun-

mehr aber konnte jedes Regierungsmitglied jederzeit durch ein par-

lamentarisches Misstrauensvotum zum Rücktritt gezwungen werden

(Hübner 2000: 70).

Der nach dem Bundesratsprinzip zusammengesetzte Reichsrat

war als parlamentarische Ländervertretung obligatorisch an der

Reichsgesetzgebung beteiligt, verfügte aber im Konfliktfall gegen-

über dem Reichstag nur über ein suspensives Vetorecht: Einsprüche

der Länderkammer gegen abweichende Reichstagsbeschlüsse konn-

ten von diesem überstimmt werden, was die Macht des Reichsrates

denn auch deutlich beschränkte und der bundesstaatlichen Ordnung

der Weimarer Republik einen merklich unitarischeren Charakter

verlieh als der heutigen Bundesrepublik (Laufer/Münch 1997: 46-

52).

Auch ein "Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich" mit Kompe-

tenzen zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen und innerhalb

von einzelnen Ländern sowie von Konflikten zwischen dem Reich

und den Gliedstaaten fand nun Eingang in die Verfassung, was das

gewachsene Gewicht verfassungsgerichtlicher Tradition insbesonde-

re in den USA reflektiert. Jedoch besaß dieses Reichsgericht noch

nicht das Normenkontrollrecht und auch nicht die Kompetenz zur

Regelung von Konflikten zwischen den Reichsorganen (Säcker

1998: 18). Die Überprüfung einzelner Gesetzesvorlagen auf ihre

Verfassungskonformität lag damit letztlich bei den Parlamentariern

selbst, nicht bei den Richtern. Und doch kann dieses Reichsgericht

als Vorstufe für die Schaffung eines vollwertigen Verfassungsge-

richts gewertet werden, die im Grundgesetz durch das Bundesverfas-

sungsgericht schließlich auch gelang.

Page 18: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 18

Dass die Verfassungsordnung der Weimarer Republik schließlich

scheiterte, kann letztlich nicht ihr selbst zum Vorwurf gemacht wer-

den, sondern den politischen Rahmenbedingungen: Zwar trugen die

ausgeprägten Notverordnungsrechte des Reichspräsidenten im Arti-

kel 48 der Verfassung zum Kollaps des Systems bei, indem sie Hin-

denburg das Regieren mit parlamentarisch nicht verantwortlichen

Kabinetten ermöglichten. Im Kern jedoch etablierte die Weimarer

Verfassung ein 'ganz normales' parlamentarisches Regierungssystem

‒ allerdings mit ausgeprägten Präsidialbefugnissen ‒, das im Rah-

men einer demokratischen politischen Kultur und eines stabilen Par-

teiensystems gut funktioniert hätte (Hübner 2000: 74-82). Da jedoch

im Deutschland der zwanziger und frühen dreißiger Jahre weder das

eine noch das andere existierte, sondern ein Staat ohne stabilen de-

mokratischen Konsens, war die Weimarer Ordnung trotzdem zum

Scheitern verurteilt.

3.3 Die Alliierten: Verfassungspläne der Sieger

Die Institutionenordnung des Grundgesetzes wurde nach dem Ende

des Zweiten Weltkriegs zum einen durch die Pläne der alliierten

Siegermächte maßgeblich beeinflusst. Von der Sowjetunion einmal

abgesehen, die letztlich die Schaffung eines neuen Satellitenstaates

mit sozialistischer 'Verfassungsordnung' anstrebte, bestand Grund-

konsens bezüglich der Schaffung einer neuen demokratischen Ver-

fassung.

Bereits vor 1949 waren in den vier Besatzungszonen die Länder

durch eigene Verfassungen wieder entstanden bzw. als Neuschöp-

fungen konstituiert worden. Die in den westlichen Zonen nach alli-

ierter Billigung mehrheitlich verankerten parlamentarischen Regie-

rungssysteme (Weber 1981) hatten insoweit Einfluss auf die Schaf-

fung des Grundgesetzes, als die USA, Großbritannien und Frank-

Page 19: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 19

reich die Etablierung eines parlamentarischen Regierungssystems

im Unterschied zu einer präsidentiellen Ordnung nun auch auf Bun-

desebene präferierten.

Weniger Einigkeit bestand jedoch in der Frage der Bundesstaat-

lichkeit: Schon vor dem Kriegsende hatte es hier deutliche Differen-

zen zwischen den Alliierten und auch innerhalb der einzelnen Regie-

rungen gegeben, wobei der Wunsch nach einer konsequenten De-

zentralisierung jedoch durchweg Pate stand: Während der Sowjet-

union auf den Kriegskonferenzen noch die Aufteilung Deutschlands

in mehrere Einzelstaaten vorschwebte, was den Vorstellungen des

amerikanischen Finanzministers Morgenthau ebenso entgegenkam

wie zeitweiligen ähnlichen britischen Konzepten, plädierte das US-

Außenministerium eher für eine bundesstaatliche Lösung (Lau-

fer/Münch 1997: 55).

Nach 1945 erfuhren diese Vorstellungen durch die gewandelten

politischen Rahmenbedingungen entscheidende Änderungen: Stalin

setzte sich nunmehr für die Schaffung eines deutschen Einheitsstaa-

tes ein, den er langfristig in das sowjetische Herrschaftssystem zu

integrieren gedachte; die Amerikaner präferierten jetzt einen konfö-

deralen Bundesstaat mit deutlicherer institutioneller und kompe-

tenzmäßiger Trennung zwischen Bundes- und Landesebene, wobei

das föderale Verfassungsgefüge der USA selbst als Vorbild diente;

die Briten machten sich nun für einen unitarischen Bundesstaat nach

Weimarer Vorbild stark, was ihrer eigenen zentralistischen Tradition

eher entgegenkam und zudem die Möglichkeit bot, dieses einheitli-

chere Deutschland besser als Widerpart gegen den sowjetischen

Imperialismus einsetzen zu können; Frankreich schließlich setzte

sich nun zeitweise für eine Staatenbundlösung ein ‒ ein einheitliches

Deutschland mutete unmittelbar nach 1945 zu bedrohlich an und ließ

Erinnerungen an das Wiedererstarken des östlichen Nachbarn nach

1918 wach werden (Laufer/Münch 1997: 55-56).

Page 20: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 20

3.4 Die Verfassungspläne der deutschen Parteien

Auch die deutschen Parteien, die sich nach 1945 wieder bzw. neu

konstituiert hatten, waren über die konkrete Gestalt der neuen Ver-

fassungsordnung keineswegs einig. "Every leading German has a

constitution in his pocket", wie ein Berater des US-Militär-

gouverneurs Lucius D. Clay leicht belustigt die Szenerie charakteri-

sierte (Oberreuter 1989: 11). Im Folgenden kann das Meinungs-

spektrum daher nur summarisch skizziert werden.

Von den extremistischen Parteien am linken und am rechten

Spektrum abgesehen waren sich die demokratischen Parteien jedoch

im Grunde einig, wieder ein parlamentarisches Regierungssystem zu

schaffen, das allerdings die Mängel und Strukturdefekte des tenden-

ziell semipräsidentiellen Weimarer Systems konsequent vermied

(Hübner 2000: 85-86). Und insoweit verwundert es nicht, dass an

etlichen Stellen Anleihen aus der Reichsverfassung von 1919 ge-

macht wurden, wo sie auch jetzt noch als Vorbild dienen konnte.

Das betraf die Verankerung der Grundrechte ebenso wie das Institu-

tionengefüge, das in seiner allgemeinen formalen Struktur (zwei-

kammeriges Parlament, Kanzler und Regierung, Präsident, bundes-

staatliche Ordnung) mit in das Grundgesetz übernommen wurde.

Verändert werden mussten und sollten jedoch die Kompetenzen

dieser Institutionen und ihre Beziehungen zueinander, um somit die

Schwachstellen der Weimarer Reichsverfassung zu beseitigen: Das

Notverordnungsrecht für den Präsidenten, der nunmehr auch nicht

mehr vom Volk direkt gewählt werden sollte, wurde getilgt; ein kon-

struktives Misstrauensvotum sollte zur Regierungsstabilität beitra-

gen und die häufigen Kabinettsstürze künftig verhindern; und ein

starkes Verfassungsgericht sollte als 'Wächter' die Einhaltung der

Verfassungsgrundsätze prüfen (Hübner 2000: 82-88).

Page 21: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 21

Der größte Dissens unter den Parteien bestand jedoch, wie bei

den Siegermächten auch, hinsichtlich der Föderalismusfrage (Huhn

1992): Von der Forderung nach einem Einheitsstaat bis hin zum

Plädoyer für einen Bund unabhängiger Einzelstaaten fand sich im

Grunde für jedes Ordnungsmodell auch eine eigene Partei, wobei die

genannten Extrempole mit der KPD (Einheitsstaat) und der Bayern-

partei (Staatenbund) vergleichsweise nur schwach besetzt waren.

Dazwischen jedoch tat sich eine heterogene Szenerie auf: Die FDP

machte sich für einen dezentralen Einheitsstaat stark, während die

CSU für einen konföderalen Bundesstaat eintrat. Auch deren

Schwesterpartei CDU forderte einen Bundesstaat, jedoch mehr uni-

tarischen Charakters, womit sie entsprechenden Vorstellungen der

SPD nahe kam. Bei dieser Charakterisierung ist allerdings zu be-

rücksichtigen, dass die einzelnen Parteien selbst keineswegs einheit-

lich gefügt waren; vielfältige Meinungsverschiedenheiten zwischen

Parteiflügeln kamen hinzu und verkomplizierten die Szenerie weiter

(Laufer/Münch 1997: 59).

Schließlich gab es auch Dissens über die Zusammensetzung der

Länderkammer: Hier plädierte die SPD zunächst für eine Komposi-

tion nach dem Senatsmodell, wobei sie sich von der Unabhängigkeit

der gewählten Landesabgeordneten ein geringeres Vetopotential der

Landesregierungen gegen bundespolitische Projekte erhoffte; dies

entsprach auch durchaus ihrem unitarischen Bundesstaatsmodell, in

welchem die Kontrolle der Bundesregierung durch die Länder deut-

lich eingeschränkt bleiben sollte. Die CSU und Teile der CDU vo-

tierten dagegen für die Bundesratslösung, um den bundespolitischen

Einfluss der Landesregierungen möglichst effektiv zu gestalten

(Laufer/Münch 1997: 66). Die heute im Grundgesetz verankerte

"abgeschwächte Bundesratslösung" ist Resultat eines Kompromis-

ses: Zwar gab die SPD schließlich grundsätzlich nach; jedoch ist der

Bundesrat nicht als vollwertige zweite Kammer konstruiert, indem er

Page 22: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 22

nur bei zustimmungspflichtigen Gesetzen über ein absolutes Veto-

recht verfügt. Alle übrigen Gesetze können durch das Überstimmen

eines Bundesratsvetos durch einen bekräftigenden Bundestagsbe-

schluss doch noch in Kraft treten.

3.5 Der Entstehungsprozess des Grundgesetzes

Den offiziellen 'Startschuss' zur Erarbeitung einer neuen Verfassung,

die allerdings durch die inzwischen vollzogene Teilung Deutsch-

lands nur im Westen des Landes Gültigkeit erlangen würde, gaben

schließlich am 1. Juli 1948 die Militärgouverneure Frankreichs,

Großbritanniens und der USA mit der Übergabe der Frankfurter

Dokumente an die Ministerpräsidenten der westdeutschen Bundes-

länder (Weber 1982: 84-85). Darin fand sich der Auftrag, einen

Konvent einzuberufen, welcher eine neue deutsche Verfassung aus-

arbeiten sollte. Die inhaltlichen Vorgaben der Alliierten waren be-

wusst allgemein gehalten; verbindlich vorgeschrieben wurde nur die

Schaffung eines demokratischen und föderalistischen Rechtsstaates,

in welchem die individuellen Grundrechte verfassungsrechtlich ab-

zusichern waren.

Dieser Auftrag stieß bei den Ministerpräsidenten nicht auf unge-

teilte Zustimmung. Sie hegten die Befürchtung, mit der Erarbeitung

und Verabschiedung einer westdeutschen Verfassung die deutsche

Teilung zu besiegeln. Es gelang ihnen in der Folge, dem Verfas-

sungsgebungsprozess durch Vermeidung des Terminus "Verfassung"

den Charakter des Vorläufigen, Provisorischen zu verleihen: Einbe-

rufen wurde zum ersten kein Verfassungskonvent, sondern lediglich

ein "Parlamentarischer Rat", der zudem nicht aus direkt gewählten

Mitgliedern bestand, sondern sich aus Abgeordneten der einzelnen

Landtage zusammensetzte. Zudem erhielt das erarbeitete Dokument

am Ende den Namen "Grundgesetz", um auch damit die Vorläufig-

Page 23: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 23

keit des Verfassungsgebungsprozesses zu verdeutlichen (Gerlach

1999: 38-39).

Freilich war sich die Mehrheit der Verfassungsgeber einig, dass

die materiellen Bestimmungen letztlich auch in einer künftig zu ver-

abschiedenden gesamtdeutschen Verfassung Bestand haben sollten;

insoweit war man sich schon frühzeitig im Klaren, dass mit diesem

'Provisorium' inhaltlich schon weitgehend die endgültige Ordnung

des neuen Deutschlands festgeschrieben worden war, welche es zu

gegebener Zeit auch auf den Osten des Landes auszudehnen galt.

Lediglich eine Minderheit, angeführt vom SPD-Vertreter Carlo

Schmid, plädierte für die Option einer künftigen Fundamentalrevisi-

on dieses "Grundgesetzes" und hielt daher auch inhaltlich an der

Fiktion des Verfassungsprovisoriums fest (Rudzio 2000a: 42).

Der Entwurf des Grundgesetzes wurde von einem Expertengre-

mium erarbeitet, welches von den Ministerpräsidenten gebildet wor-

den war. Dieser "Herrenchiemseer Konvent", benannt nach dem

Tagungsort, stellte die Vorlage im August 1948 fertig (Gerlach

1999: 39). Von September 1948 bis Mai 1949 diskutierte dann der

Parlamentarische Rat die Vorlage, wobei insbesondere die schon

skizzierten parteipolitischen Meinungsverschiedenheiten die Ver-

handlungen prägten. Der letztlich gefundene Kompromiss fand eine

sehr breite Mehrheit: Bis auf die KPD unterzeichneten alle vertrete-

nen Parteien das Dokument; selbst CSU und Bayernpartei, die das

festgeschriebene Föderalismusmodell immer noch ablehnten und

maßgeblich zur Ablehnung des Grundgesetzentwurfs durch den

Bayerischen Landtag beigetragen hatten, stimmten nun zu (Rudzio

2000a: 44).

Da somit die Zustimmung des Parlamentarischen Rates vorlag

und später auch die Mehrheit der westdeutschen Landtage den Ent-

wurf billigte (nur Bayern hatte dagegen votiert), konnte das Grund-

gesetz am 23. Mai 1949 in Kraft treten. Eine abschließende Volks-

Page 24: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 24

abstimmung war nicht vorgesehen, um einmal mehr den provisori-

schen Charakter des erarbeiteten Dokuments zu unterstreichen.

4. Struktur, Prinzipien und Staatsziele

Das Grundgesetz kann also als Resultat verschiedener Entwick-

lungsstränge verstanden werden: Erstens spiegelt sich in ihm die

deutsche Verfassungstradition, indem wesentliche Elemente (Föde-

ralismus, parlamentarisches Regierungssystem, Bundesratsmodell

etc.) früherer deutscher Verfassungen erneut aufgegriffen wurden.

Zweitens ist es von verbindlichen inhaltlichen Vorgaben der westli-

chen Siegermächte geprägt, die den Verfassungsgebern explizit die

Schaffung eines föderalistischen Rechtsstaates auftrugen. Und drit-

tens ist es als Kompromissdokument zu verstehen, in welchem die

oft recht divergierenden politischen Ordnungsvorstellungen der ein-

zelnen deutschen Parteien zu einem Ausgleich gebracht wurden.

Im Folgenden sollen nun Aufbau, Prinzipien und Staatsziele des

Grundgesetzes genauer unter die Lupe genommen werden, wobei der

Verankerung des politischen Institutionengefüges und der Definition

und Zuweisung der Staatsaufgaben an diese einzelnen Institutionen

besondere Aufmerksamkeit zuteil werden soll.

4.1 Der Aufbau des Grundgesetzes

Nebst einer Präambel, welche die "Verantwortung" des deutschen

Volkes "vor Gott und den Menschen" beschwört und seinen Willen

bekräftigt, "als gleichberechtigtes Mitglied in einem vereinten Euro-

pa dem Frieden der Welt zu dienen", ist das Grundgesetz in nicht

weniger als 14 Abschnitte gegliedert, die alle bis auf den ersten der

Page 25: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 25

Schaffung der Institutionen und Regelung ihrer Beziehungen unter-

einander dienen. In Übersicht 1 sind sie zusammengestellt.

Übersicht 1: Die Gliederung des Grundgesetzes

I. Die Grundrechte

II. Der Bund und die Länder

III. Der Bundestag

IV. Der Bundesrat

IVa. Gemeinsamer Ausschuss

V. Der Bundespräsident

VI. Die Bundesregierung

VII. Die Gesetzgebung des Bundes

VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und die

Bundesverwaltung

VIII a. Gemeinschaftsaufgaben

IX. Die Rechtsprechung

X. Das Finanzwesen

X a. Verteidigungsfall

XI. Übergangsbestimmungen

Alliiertem Auftrag und eigenem Selbstverständnis gemäß wurde der

Grundrechtskatalog, der sich in der vorangegangenen Weimarer

Verfassung erst im zweiten Hauptteil fand, bewusst an den Anfang

gerückt, um die dem Menschen dienende Funktion von Recht und

Staat besonders zu betonen (Löw 1995: 46-50). Die ersten 19 Artikel

des Grundgesetzes definieren diese Rechte en détail, machen aber

auch verbindliche Vorgaben zu Möglichkeiten ihrer Einschränkung,

so es die Wahrung der staatlichen Ordnung erfordert.

Der zweite große Teil des Grundgesetzes, der die Abschnitte II

bis VI umfasst, etabliert die bundesstaatliche Ordnung (II) und

schafft die für das Regierungssystem zentralen Verfassungsorgane

Page 26: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 26

Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung (III,

IV, V, VI). Darüber hinaus findet sich hier ein erst im Jahre 1968

eingefügter Abschnitt IV a, welcher einen "Gemeinsamen Aus-

schuss" aus Bundestag und Bundesrat etabliert, der im Verteidi-

gungsfall als 'Notparlament' und als Garant von Legalität auch in

Krisenzeiten fungieren soll (Oberreuter 1978: 268).

Der dritte Block, welcher die Abschnitte VII bis VIII a beinhaltet,

regelt sodann detailliert die Zusammenarbeit zwischen den Verfas-

sungsorganen im Felde der Gesetzgebung, wobei der Kompetenzab-

grenzung zwischen Bund und Ländern gesonderte Beachtung zu-

kommt. Darüber hinaus finden sich Festlegungen zur Ausführung

der Bundesgesetze und zur Organisation der Bundesverwaltung. Ein

1969 eingefügter Abschnitt VIII a definiert zusätzlich bestimmte

"Gemeinschaftsaufgaben" (Hochschulbau, regionale Wirtschaftsför-

derung, Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes)

von Bund und Ländern, die insbesondere der stärkeren Inpflicht-

nahme des Gesamtstaates für die regionale Aufgabenerfüllung die-

nen (Sturm 2001: 42).

Zuletzt finden sich noch Abschnitte (IX ‒ XI), die den übrigen

Teilen nicht unmittelbar zugeordnet werden können. Hier ressortie-

ren Bestimmungen zur Organisation der Rechtsprechung und insbe-

sondere des Bundesverfassungsgerichts (IX), welches das 'Fünfeck'

der Verfassungsorgane komplettiert, und zur Organisation des Fi-

nanzwesens. Ein erst 1968 eingefügter Abschnitt X a dient der Not-

fallregelung für den Verteidigungsfall (Oberreuter 1978: 252-269),

gefolgt von einem umfangreichen Katalog von Übergangsbestim-

mungen, in denen sich u.a. Vorschriften zur Länderneugliederung,

zur Fortgeltung alten Rechts und zur Geltungsdauer des Grundgeset-

zes finden, welches außer Kraft tritt, "wenn eine Verfassung in Kraft

tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen

worden ist" (Art. 146). Zudem wurden die Artikel 136 bis 139 sowie

Page 27: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 27

141 der Weimarer Reichsverfassung, die der Regelung des Verhält-

nisses von Kirche und Staat dienen, durch Artikel 140 wortgleich in

das Grundgesetz übernommen.

4.2 Die Prinzipien des Grundgesetzes

Dieser verfassungsrechtlichen Basis liegen wiederum allgemeine

demokratietheoretische Prinzipien zugrunde, die auch die konkrete

Ausformung des bundesdeutschen Institutionengefüges maßgeblich

beeinflusst haben. Aus der Erfahrung des Scheiterns der Weimarer

Republik und des Abgleitens in eine totalitäre Diktatur zogen die

Verfassungsgeber nicht nur die Konsequenz, die Ordnung des

Grundgesetzes als positives Gegenteil des totalen Staates zu konzi-

pieren, sondern diese Demokratie auch wehrhaft zu machen (Löw

1995: 249-260): Im Unterschied zur Reichsverfassung von 1919 ist

durch Artikel 20 Abs. (4) jedem Bundesbürger das grundsätzliche

Recht auf Widerstand gegen jede Kraft verliehen, welche sich die

Beseitigung der grundgesetzlichen Ordnung zum Ziel gesetzt hat.

Auch den einzelnen politischen Institutionen wurden, wie später

noch genauer darzulegen sein wird, weitreichende Rechte zur Ver-

teidigung dieser Ordnung an die Hand gegeben: verfassungsfeindli-

che Parteien und sonstige Organisationen können nach präzise vor-

gegebenen Verfahren verboten werden (Löw 1995: 258-260).

Aber nicht nur in bloßer Abgrenzung vom Totalitarismus sind die

Leitprinzipien des Grundgesetzes entstanden. Sie speisen sich viel-

mehr aus einer schon wesentlich älteren, eigenständigen Tradition,

wie das Bundesverfassungsgericht im KPD-Verbotsurteil 1956 rich-

tig formulierte: "Das Grundgesetz bezeichnet die von ihm geschaf-

fene Staatsordnung als eine freiheitliche Demokratie. Es knüpft da-

mit an die Tradition des 'liberalen bürgerlichen Rechtsstaats' an, wie

er sich im 19. Jahrhundert allmählich herausgebildet hat und wie er

Page 28: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 28

in Deutschland schließlich in der Weimarer Verfassung verwirklicht

worden ist" (BVerfGE 5: 197).

Der Wesenskern dieser "Freiheitlichen demokratischen Grund-

ordnung" (FdGO) ist daher allgemeiner Natur und nicht nur im

Grundgesetz verwirklicht, sondern in allen pluralistischen Demokra-

tien (Schreyer/Schwarzmeier 2000: 57). Die FdGO ist dabei als eine

Ordnung zu definieren, "die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und

Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der

Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der

jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt"

(BVerfGE 2: 1), wie das Bundesverfassungsgericht ebenfalls in ei-

nem Parteiverbotsurteil ‒ nun gegen die rechtsextremistische Sozia-

listische Reichspartei (SRP) ‒ im Jahre 1952 formulierte. Im Einzel-

nen fallen nach dieser klassisch gewordenen Definition folgende

Einzelprinzipien unter die FdGO:

die Achtung der Menschenrechte;

die Volkssouveränität;

die Gewaltenteilung;

die Verantwortlichkeit der Regierung;

die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung;

die Unabhängigkeit der Gerichte;

das Mehrparteienprinzip;

Chancengleichheit aller Parteien "mit dem Recht auf verfas-

sungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition".

Aus diesem allgemeinen Prinzipienkatalog lassen sich zwar keine

präzisen Vorgaben zu den einzelnen Institutionen ableiten; jedoch

wurde bei der Formulierung des Grundgesetzes besonders darauf

geachtet, Struktur und Zweckbestimmung aller Institutionen FdGO-

gemäß festzulegen und deren Prinzipien besonders zu berücksichti-

Page 29: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 29

gen. Und insoweit verwundert es nicht, dass neben dem umfangrei-

chen Grundrechtskatalog gerade die Passagen zur Kompetenzab-

grenzung zwischen den einzelnen Organen (Gewaltenteilung), zum

Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung (Verantwort-

lichkeit der Regierung), zum Gesetzesvollzug (Gesetzmäßigkeit der

Verwaltung) und zur Rechtsprechung (Unabhängigkeit der Gerichte)

besonders umfangreich und detailliert ausgefallen sind: Dies sind die

Kernprobleme politischer Institutionenordnungen, deren konkrete

Regelung im Grundgesetz durch die allgemeinen Maßgaben der

FdGO entscheidend beeinflusst sind (Gerlach 1999: 41-48).

Darüber hinaus nimmt das Grundgesetz insoweit eine Präzisie-

rung vor, indem es der deutschen Demokratie einen bundesstaatli-

chen und einen sozialstaatlichen Charakter verleiht (Art. 20 Abs.

(1)) und diese Kriterien auch für unabänderlich erklärt (Art. 79 Abs.

(3)). Für eine freiheitliche demokratische Grundordnung ist im Prin-

zip weder das eine noch das andere naturnotwendig: Demokratien

können eben auch als Einheitsstaaten konzipiert sein (z.B. Frank-

reich, Großbritannien) oder sich bewusst nicht als Anstalt individu-

eller Daseinsvorsorge verstehen (USA vor dem New Deal), ohne

dabei den FdGO-Wesenskern zu verletzen. Die Tatsache aber, dass

es in Deutschland doch erfolgte, hatte sowohl für die Institutionen-

architektur generell (Bund-Länder-Beziehungen) als auch für die

Aufgabenkataloge der einzelnen Institutionen (Pflicht zu wohlfahrts-

und sozialpolitischen Maßnahmen) (Ziegelmayer 2001: 70-71) ent-

scheidende Konsequenzen.

4.3 Die Staatsziele des Grundgesetzes

Schließlich sind im Grundgesetz noch etliche konkrete Staatsziele

verankert (Gerlach 1999: 65-70), die das Kompetenzprofil und die

Aufgabenfelder der einzelnen Institutionen ebenfalls vorprägen.

Page 30: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 30

Nicht alle von ihnen fanden schon 1949 Eingang in die Verfassung;

manche wurden erst später durch Grundgesetzänderungen inkorpo-

riert, als durch geänderte politische Rahmenbedingungen bzw. durch

Wandlungen der politischen Kultur hierfür die Voraussetzungen

geschaffen waren. Im Einzelnen finden sich folgende Staatsziele:

Wiedervereinigung (Präambel); seit 1949, 1990 nach der Ver-

wirklichung getilgt;

Friedenspflicht (Art. 1, 9, 24, 26); erste Bestimmungen 1949,

seither mehrmals ergänzt;

Europäische Integration; Zusammenarbeit in und mit internatio-

nalen Organisationen (Art. 23, 24, 28, 45, 50, 53, 76, 88, 115);

erste Bestimmungen 1949, seither mehrmals ergänzt;

Gewährleistung gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts; 1967/69

eingefügt;

Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3); seit 1949, 1994

präzisiert (Durchsetzungspflicht des Staates);

Gleichberechtigung Behinderter (Art. 3); 1994 eingefügt;

Umweltschutz (Art. 20 a); 1994 eingefügt;

Tierschutz (Art. 20a); 2002 eingefügt.

Insgesamt bedeutet dies, dass die Funktionen staatlicher Daseinsvor-

sorge und Sicherung wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohl-

stands seit 1949 gegenüber den klassischen Ordnungsfunktionen

(Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verteidigung, Rechts-

pflege) noch einmal deutlich angewachsen sind (Ziegelmayer 2001).

Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf die einzelnen politischen

Institutionen, denn das angewachsene Aufgabenfeld zog die Schaf-

fung neuer Gremien bzw. Ämter nach sich, welche deren Bewälti-

gung dienen sollten (u.a. Umweltministerien auf Bundes- und Lan-

desebene, Gleichberechtigungs- und Behindertenbeauftragte in allen

Page 31: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 31

öffentlichen Ämtern, Bildung eigener Europaausschüsse in den Par-

lamenten bzw. entsprechender Ministerien).

5. Stellung und Aufgaben der Institutionen

Diese allgemeinen Prinzipien und Staatsziele des Grundgesetzes

hatten also maßgeblichen Einfluss auf die konkrete Ausformung der

Institutionenordnung, da sie die einzelnen Verfassungsorgane vorbe-

stimmten, die Regelung ihrer Beziehungen untereinander bedingten

sowie eine Präzisierung ihrer konkreten Aufgaben erforderlich

machten. Im Folgenden sollen verfassungsrechtliche Stellung, Auf-

gaben und Funktionen der einzelnen Institutionen herausgearbeitet

werden, wobei die fünf Verfassungsorgane (Bundestag, Bundesre-

gierung, Bundesrat, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht) im

Mittelpunkt der Darstellung stehen.

5.1 Das Institutionengefüge im Überblick

Eine große Zahl von Institutionen des Bundes besitzt Verfassungs-

rang (vgl. Übersicht 2). Dabei war den Vätern und Müttern des

Grundgesetzes nicht an einer vollständigen Aufzählung aller für die

Staatsorganisation notwendigen Einrichtungen gelegen; vielmehr

waren sie von dem Prinzip geleitet, nur den wichtigsten bzw. beson-

ders schutzwürdigen auch eine entsprechende verfassungsrechtliche

Legitimation zu verleihen. Es verwundert daher nicht, dass die Liste

dieser 'privilegierten' Institutionen letztlich etwas willkürlich zu-

sammengestellt wirkt; allerdings war der Gesetzgeber durchweg

bestrebt, die grundgesetzliche Verankerung einer Institution durch

die Formulierung des jeweiligen Artikels besonders zu begründen.

Page 32: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 32

Übersicht 2: Die Verankerung der Institutionen im Grundgesetz

Institutionen GG-Artikel

I. Bund, Länder, Kommunen

Bundesstaatliche Ordnung im allgemeinen 20 (1)

Frei gewählte Volksvertretungen in Ländern, Kreisen und

Gemeinden

28 (1)

II. Bundestag

Bundestag 38, 39

Ausschuss für Angelegenheiten der EU 45

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten 45a

Ausschuss für Verteidigung 45a

Wehrbeauftragter 45b

Petitionsausschuss 45c

III. Bundesrat

Bundesrat 50, 51

Europakammer des Bundesrates (optional) 52 (3a)

IV. Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesrat

Vermittlungsausschuss 77

Gemeinsamer Ausschuss (von Bundestag und Bundesrat) 53a

V. Bundespräsident und Bundesregierung

Bundespräsident 54

Bundesregierung 62

Bundeskanzler 63

Bundesminister der Verteidigung 65a

VI. Bundeseigene Verwaltung, Streitkräfte

Auswärtiger Dienst, Bundesfinanzverwaltung, Bundeswas-

serstraßen- und Schifffahrtsverwalt.

87 (1)

Bundesgrenzschutz, Zentralstellen für polizeiliche Auskunft

und Nachrichtenwesen, Kriminalpolizei, Verfassungsschutz

(optional)

87 (1)

Bundesunmittelbare Träger der Sozialversicherung (optio-

nal)

87 (2)

Page 33: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 33

Bundeswehr 87a

Bundeswehrverwaltung 87b

Bundeseigene Luftverkehrsverwaltung 87d

Bundeseigene Eisenbahnverkehrsverwaltung 87e

Bundeseigene Verwaltung im Bereich der Wahrnehmung

hoheitlicher Aufgaben des Postwesen und der Telekommu-

nikation

87 f (2), (3)

Bundeswasserstraßenverwaltung 89

Finanzverwaltung 108 (1)

Bundesautobahn- und -straßenverwaltung (optional) 90

VII. Rechtsprechung des Bundes

Bundesverfassungsgericht 92, 94

Oberste Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesverwal-

tungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht, Bun-

dessozialgericht)

95

Gemeinsamer Senat der Obersten Bundesgerichte 95 (3)

Finanzgerichtsbarkeit 108 (6)

Bundesgericht für gewerblichen Rechtsschutz, Wehrstrafge-

richte, Disziplinargerichte (optional)

96

VIII. Bundesbank und Bundesrechnungshof

Bundesbank 88

Bundesrechnungshof 114

Quelle: Eigene Zusammenstellung; aufgeführt sind nur Artikel, wel-

che die jeweilige Institution verfassungsrechtlich konstituieren!

Dabei ist zu betonen, dass viele der heute geltenden Bestimmungen

erst nach 1949 durch entsprechende Änderungen bzw. Ergänzungen

Eingang in das Grundgesetz fanden (Bauer/Jestaedt 1997). Insoweit

präsentiert der vorliegende Abschnitt eine aktuelle Momentaufnah-

me. Da die folgenden Passagen der genaueren Erläuterung der ein-

zelnen Einrichtungen dienen, sei jetzt nur das Gesamtmuster des

grundgesetzlichen Institutionengefüges beleuchtet. Ganz erkennbar

stehen die fünf Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat, Bundesre-

Page 34: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 34

gierung, Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht im Mittel-

punkt. Vier von ihnen sind eigene Unterabschnitte des Grundgeset-

zes gewidmet, lediglich das Bundesverfassungsgericht wird nur im

Rahmen des allgemeinen Abschnitts IX "Rechtsprechung" verankert,

nimmt dort aber einen prominenten Platz ein.

Darüber hinaus waren die Verfassungsgeber bestrebt, die Koope-

ration zwischen Bundestag und Bundesrat, die bei der Gesetzgebung

zu enger Zusammenarbeit genötigt sind, durch Vermittlungsinstan-

zen zu institutionalisieren, sowohl für den politischen Normalfall

(Vermittlungsausschuss) (Lhotta 2002) als auch für Notstandszeiten

(Gemeinsamer Ausschuss) (Oberreuter 1978: 268). Auch in vielen

anderen Artikeln sind die Beziehungen zwischen den Verfassungs-

organen detailliert geregelt.

Weiterhin finden sich umfangreiche Bestimmungen zum Aufbau

einer bundeseigenen Verwaltung, die aus dem bundesstaatlichen

Verbundmodell des Grundgesetzes herrühren: Grundsätzlich ver-

brieft die Verfassung den Bundesländern die Ausführung von Bun-

desgesetzen "als eigene Angelegenheit" (Art. 83), wofür sie ihre

eigenen Verwaltungen einsetzen (Laufer/Münch 1997: 103). "Soweit

dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt", lautet

jedoch der zweite Halbsatz des Artikels, und er bedingt, dass alle in

Bundeszuständigkeit fallenden Verwaltungsaufgaben auch einzeln

benannt werden müssen. Ein langer Katalog, vom Auswärtigen

Dienst über die Bundesfinanzverwaltung bis hin zur Bundeswehr

und zur Bundeswasserstraßenverwaltung ist so zusammengekom-

men, welcher das Spektrum oberer Bundesbehörden festlegt (Lau-

fer/Münch 1997: 104).

Die Generalklausel des Artikels 87 Abs. (3) impliziert zudem,

dass je nach Erfordernis "für Angelegenheiten, für die dem Bunde

die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und

neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentli-

Page 35: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 35

chen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden" können. Das

schafft genügend Flexibilität für die Gestaltung der bundesunmittel-

baren Verwaltungsorganisation, ohne den Grundsatz der Länderzu-

ständigkeit zu verletzen (Rudzio 2000a: 371-373).

Auch die Rechtsprechung findet detaillierte Regelung, wobei

nicht nur das Bundesverfassungsgericht dort seine Verankerung

findet, sondern auch die Obersten Bundesgerichte (Bundesgerichts-

hof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsge-

richt und Bundessozialgericht). Darüber hinaus werden durch Arti-

kel 92 auch die Gerichte der Länder explizit in dieses System einge-

bunden sowie durch Artikel 108 Abs. (6) die einheitliche bundesge-

setzliche Regelung der Finanzgerichtsbarkeit vorgeschrieben.

Bundesbank und Bundesrechnungshof sind ebenfalls durch eige-

ne Artikel grundgesetzlich verankert, was ihre Sonderstellung und

ihre Weisungsunabhängigkeit betonen soll (Rudzio 2000a: 262-263,

350-352). Zwar finden sich detaillierte Bestimmungen hierzu in den

entsprechenden Artikeln 88 und 114 selbst nicht, sind aber in ent-

sprechenden Bundesgesetzen festgeschrieben, deren Erlass für den

Bundesrechnungshof sogar verbindlich vorgeschrieben ist. Seit 1992

findet sich hier jedoch im Gefolge der Schaffung der Wirtschafts-

und Währungsunion der Europäischen Union ein Passus, der die

Übertragung von Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank an die

Europäische Zentralbank (EZB) ermöglicht, was mit der Einrichtung

der EZB zum 1. Juni 1998 auch erfolgte (Linsenmann 2002).

5.2 Der Bundestag

Es ist kein Zufall, dass der Bundestag im Grundgesetz in der Reihen-

folge als erstes Verfassungsorgan Verankerung findet. Damit soll

der herausgehobenen Stellung der Volksvertretung im deutschen

Staat auch symbolisch Rechnung getragen werden ‒ keine Selbstver-

Page 36: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 36

ständlichkeit, wenn man dagegen die Verfassung der Fünften Fran-

zösischen Republik von 1958 betrachtet, in welcher das Parlament

erst nach dem Staatspräsidenten und der Regierung behandelt wird,

was die dominierende Position der Exekutive im System des dorti-

gen "rationalisierten Parlamentarismus" spiegelt (Kempf 1997: 101-

113).

Abschnitt III des Grundgesetzes, der die Artikel zum Deutschen

Bundestag umfasst, dient zunächst der Absicherung der Rechte sei-

ner Mitglieder, was sowohl der verfassungsgeschichtlichen Tradition

als auch der totalitären Erfahrung des Dritten Reiches Rechnung

trägt: Der vielzitierte und -diskutierte Artikel 38 definiert die Abge-

ordneten zunächst als "Vertreter des ganzen Volkes", die "an Auf-

träge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen un-

terworfen" sind. Parlamentarismuskritik will aus diesem Artikel bis

heute herauslesen, dass jegliche Form von Fraktionsdisziplin diesem

Grundsatz widerspräche und die grundgesetzlich normierte Ent-

scheidungsfreiheit des einzelnen Parlamentariers einenge (Hamm-

Brücher 1990). In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nur in Ausnah-

mefällen (Abtreibungsrecht, Beteiligung an Friedensmissionen etc.)

die Abgeordneten einen entsprechenden Gewissenskonflikt haben,

der sie in Gegensatz zur herrschenden Meinung ihrer eigenen Frakti-

on bringt (Patzelt 1995: 161). Nicht von ungefähr wird in solchen

Fällen bei Abstimmungen häufig die Fraktionsbindung aufgehoben,

um die Konfliktlage zu entschärfen.

Darüber hinaus trägt das Grundgesetz dem individuellen Schutz

der Abgeordneten besonders Rechnung. Zum einen verankert Artikel

46 die Grundsätze der Indemnität (Straffreiheit) und der Immunität

(Freiheit von Strafverfolgungsmaßnahmen) der Parlamentarier: "Ein

Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder

wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner

Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst

Page 37: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 37

außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden",

bestimmt Artikel 46 Abs. (1), nimmt davon jedoch ausdrücklich

"verleumderische Beleidigungen" aus, um den politischen Diskurs

von persönlichen Fehden und Wortwechseln freizuhalten. Abs. (2)

ermöglicht es dem Bundestag zudem, die Immunität einzelner Abge-

ordneter aufzuheben, um sie der Strafverfolgung zugänglich zu ma-

chen (Schindler 1999: 386). Damit wird deutlich, dass das Grundge-

setz den Parlamentariern keinen unbegrenzten Freibrief erteilt hat,

sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit den zugeteilten Rech-

ten erwartet wird.

Gleiches gilt sinngemäß für ihr Zeugnisverweigerungsrecht ge-

mäß Artikel 47, das sich nur auf Personen bezieht, "die ihnen in

ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigen-

schaft Tatsachen anvertraut haben sowie über diese Tatsachen

selbst". Es gilt also nur für Sachverhalte im Zusammenhang mit ihrer

Abgeordnetentätigkeit und kann deshalb nicht zur generellen Zeug-

nisverweigerung auch in Privatsachen instrumentalisiert werden.

Die übrigen Artikel machen Vorgaben zur Wahl und zur Organi-

sation des Bundestages, sind aber bewusst allgemein gehalten, um

Ausgestaltungsfreiheit sowohl für Ausführungsgesetze (z.B. Bun-

deswahlgesetz) als auch für die Geschäftsordnung des Bundestages

selbst zu lassen ‒ auch dies keine Selbstverständlichkeit, wenn man

erneut die französische Verfassung zum Vergleich heranzieht, wo

sich detaillierte Bestimmungen zur Parlamentsorganisation und zur

Gesetzesberatung finden, die der Machtbeschränkung der National-

versammlung dienen (Kempf 1997: 100-113, 119-126).

Und so schreibt das Grundgesetz im Wesentlichen nur die Dauer

der Wahlperiode, die allgemeinen Grundsätze des Wahlrechts sowie

das Recht zur Wahlprüfung fest: Gemäß Artikel 39 Abs. (1) wird der

Bundestag auf vier Jahre gewählt; die Wahlperiode endet erst mit

dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, was ein 'parlamentslo-

Page 38: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 38

ses' Interregnum verhindert. Nur in Ausnahmefällen ist eine vorzei-

tige Auflösung des Bundestages möglich (vgl. Art. 68 GG).

Die Parlamentarier sind gemäß Artikel 38 Abs. (1) "in allgemei-

ner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" zu bestim-

men; wahlberechtigt (aktives Wahlalter) ist man gemäß Abs. (2) mit

vollendetem 18. Lebensjahr, wählbar (passives Wahlrecht) mit dem

Eintritt der "Volljährigkeit", also gegenwärtig mit demselben Alter.

Alle übrigen Bestimmungen, insbesondere zum Wahlsystem, sind im

Bundeswahlgesetz bzw. in der Bundeswahlordnung niedergelegt und

genießen daher keine verfassungsrechtliche Absicherung (Nohlen

2000: 304-331). Über die Gültigkeit der Wahl entscheidet der Bun-

destag gemäß Artikel 41 schließlich selbst und kann dabei auch den

Verlust der Mitgliedschaft eines Abgeordneten formell feststellen.

Allerdings sind die entsprechenden Bundestagsentscheidungen vor

dem Bundesverfassungsgericht anfechtbar.

Vergleichbar allgemein sind auch die Organisationsgrundsätze

gehalten, die das Grundgesetz dem Bundestag auferlegt: Artikel 40

schreibt die Wahl eines Präsidiums sowie den Erlass einer Ge-

schäftsordnung vor und umschreibt kurz die Aufgaben des Bundes-

tagspräsidenten (Hausrecht und Polizeigewalt im Bundestagsgebäu-

de). Artikel 42 verankert die grundsätzliche Öffentlichkeit parlamen-

tarischer Beratungen; nur mit Zweidrittelmehrheit kann auf Antrag

eines Zehntels der Bundestagsmitglieder oder der Bundesregierung

die Öffentlichkeit von der Debatte ausgeschlossen werden, was je-

doch bei Plenardebatten noch nie zur Anwendung gekommen ist.

Allerdings schreibt § 69 der Geschäftsordnung des Bundestages

(GOBT) demgegenüber die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit von

Ausschussberatungen fest; die Zulassung des Publikums zu den Be-

ratungen muss im Einzelfall mit einfacher Mehrheit beschlossen

werden ‒ ein wissenschaftlich durchaus umstrittenes Procedere

(Oberreuter 1975). Nach herrschender Lehre und nach geltendem

Page 39: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 39

Recht bezieht sich der Öffentlichkeitsgrundsatz des Grundgesetzes

also nur auf die Plenardebatten.

Der Aufbau der Parlamentsorganisation liegt im Übrigen weitge-

hend im Ermessen des Bundestages selbst. Lediglich bestimmte

Gremien genießen Verfassungsrang und müssen daher obligatorisch

eingerichtet werden. Das gilt für einen "Ausschuss für die Angele-

genheiten der Europäischen Union" (Art. 45) und den "Ausschuss

für Auswärtige Angelegenheiten" (Art. 45a) ebenso wie für den Ver-

teidigungsausschuss (Art. 45a), den Wehrbeauftragten (Art. 45b)

und den Petitionsausschuss (Art. 45c). Darüber hinaus ist das Recht

zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen festgeschrieben, die

auf Antrag schon eines Viertels der Bundestagsmitglieder zu konsti-

tuieren sind und damit ein wichtiges Kontrollinstrument der jeweili-

gen Opposition darstellen (Ismayr 2001: 367).

5.3 Die Bundesregierung

Auch die grundgesetzlichen Vorgaben zur Organisation der Bundes-

regierung sind recht allgemein gehalten. Gemäß Artikel 62 besteht

sie als Kollegialorgan aus dem Bundeskanzler und den Bundesminis-

tern. "Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers

endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundesta-

ges, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erledi-

gung des Amtes des Bundeskanzlers", schreibt Artikel 69 weiter vor.

Während ihrer Amtszeit dürfen die Regierungsmitglieder "kein an-

deres besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben"

(Art. 66) und zudem nicht der Leitung eines Unternehmens angehö-

ren. Aufsichtsratsmandate bedürfen der Zustimmung des Bundesta-

ges.

Gemäß dem Grundgesetz (Art. 62) gehören weder die beamteten

noch die 1969 geschaffenen parlamentarischen Staatssekretäre der

Page 40: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 40

Bundesregierung formell an; die Parlamentarischen Staatssekretäre

sind jedoch faktisch längst ein Teil von ihr (Ismayr 2003: 456), da

sie die Ressortchefs häufig in Kabinettssitzungen vertreten. Einzel-

heiten über die Rechtsstellung der Bundesminister und der parla-

mentarischen Staatssekretäre sowie über die Arbeitsorganisation von

Kabinett und Ministerialverwaltung sind darüber hinaus sowohl in

einzelnen Gesetzen (Bundesministergesetz, Gesetz über die Parla-

mentarischen Staatssekretäre) sowie in Geschäftsordnungen (GO der

Bundesregierung, GGO der Bundesministerien) festgelegt.

Rechnung trugen die Verfassungsgeber jedoch der grundgesetzli-

chen Verankerung der drei Organisationsgrundsätze der Bundesre-

gierung, die sich mit den Begriffen Kanzlerprinzip, Kabinettsprinzip

und Ressortprinzip fassen lassen (Schreyer/Schwarzmeier 2000:

179-180): Ersteres verbrieft dem Bundeskanzler eine Richtlinien-

kompetenz innerhalb des Kabinetts; Artikel 65 gemäß bestimmt der

Regierungschef "die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Ver-

antwortung". Sie findet jedoch ihre Grenzen im Ressortprinzip, dem

gemäß "innerhalb dieser Richtlinien ... jeder Bundesminister seinen

Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung"

leitet, was zumindest verfassungsrechtlich das willkürliche 'Hinein-

regieren' des Kanzlers in die Ressorts seiner Minister begrenzt. Frei-

lich ist dies sehr von den jeweiligen Personen abhängig, und gerade

starke Kanzler, wie Konrad Adenauer, Helmut Schmidt oder Helmut

Kohl, haben sich in der Praxis oft wenig darum geschert (Niclauß

1988).

Sinngemäß gilt dies auch für das Kabinettsprinzip: Gemäß Arti-

kel 65 entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Minis-

tern die Bundesregierung als Ganzes, nicht der Kanzler. Und auch

sonstige Beschlüsse, insbesondere über Gesetzesvorlagen, werden

vom Kabinettskollegium insgesamt gefasst, was die Dominanz des

Kanzlers in der politischen Praxis jedoch ebenfalls nicht ausschließt:

Page 41: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 41

Kabinettssitzungen unter Helmut Schmidt mutierten regelmäßig zu

Examensveranstaltungen, in welchen die einzelnen Bundesminister

zum Rapport anzutreten und ihre Vorlagen vom Kanzler prüfen zu

lassen hatten, was allerdings die Entwicklung eines "sachbezogenen

Teamgeistes" (v. Beyme 1997: 140) in der Ministerrunde nicht ver-

hinderte.

Die übrigen Bestimmungen zur Bundesregierung betreffen im

Wesentlichen die Wahl und Abwahl des Kanzlers durch den Bundes-

tag, die später noch genauer betrachtet werden sollen. Hinzuweisen

ist schließlich noch auf die besondere verfassungsrechtliche Veran-

kerung des Bundesministers der Verteidigung (Art. 65a) und die

Festschreibung seiner Befehls- und Kommandogewalt über die

Streitkräfte, die jedoch nur im Frieden gilt und im Verteidigungsfall

auf den Bundeskanzler übergeht.

5.4 Der Bundesrat

Die grundgesetzliche Verankerung des Bundesrates fällt noch we-

sentlich kürzer aus und reflektiert das Bestreben der Verfassungsge-

ber, dem Geist des Föderalismus auch durch ein weitreichendes

Recht der Länder zur Selbstorganisation ihrer Kammer Rechnung zu

tragen (Ellwein/Hesse 1987: 290). Lediglich vier Grundgesetzartikel

machen daher nur sehr allgemeine Vorgaben. Grundsätzliche Ver-

briefung findet zunächst das Recht zur Mitwirkung "bei der Gesetz-

gebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der

Europäischen Union" (Art. 50), wobei der EU-Passus erst 1992 Ein-

gang in die Verfassung fand. Immerhin konstituieren diese dürren

Bestimmungen das Recht des Bundesrats auf obligatorische Mitwir-

kung an der Bundesgesetzgebung, welches allerdings durch etliche

weitere Artikel (70-82) noch genauere Definition findet.

Page 42: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 42

Darüber hinaus ist die Zusammensetzung der Länderkammer ge-

mäß Artikel 51 nach dem Bundesratsprinzip festgeschrieben: "Der

Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die

sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder

ihrer Regierungen vertreten werden." Damit unterliegen die einzel-

nen Ländervertreter einem imperativen Mandat und permanenter

Rechenschaftspflicht. Seit der Wiedervereinigung kommen jedem

Bundesland je nach Einwohnerzahl drei bis sechs Stimmen zu, wo-

bei diese nur einheitlich abgegeben werden können; vor 1990 galt

ein anderer Verteilungsschlüssel mit Kontingenten zwischen drei

und fünf Stimmen (Sturm 2001: 31).

Der Bundesrat hat zudem gemäß Artikel 52 einen Präsidenten zu

wählen, der jeweils ein Jahr amtiert. Er hat die Kammer einzuberu-

fen, "wenn die Vertreter von mindestens zwei Ländern oder die

Bundesregierung es verlangen". In der Praxis rotiert das Amt nach

einem festgelegten Schlüssel unter den einzelnen Regierungschefs

der Länder (Laufer/Münch 1997: 112-113). Schließlich besitzt auch

die bereits 1988 durch die Geschäftsordnung des Bundesrates zur

Beratung von EG-Vorlagen eingerichtete "Europakammer" seit 1992

Verfassungsrang, "deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates

gelten". In der politischen Praxis spielt dieses Gremium jedoch nur

eine untergeordnete Rolle, da sich das Bundesratsplenum bisher die

Masse der Beschlussvorlagen selbst vorbehalten hat (Laufer/Münch

1997: 221-222).

Alles Übrige, insbesondere die Organisation des Ausschusssys-

tems, findet detaillierte Regelung in der Geschäftsordnung des Bun-

desrates, wobei Artikel 52 Abs. (4) GG noch die Möglichkeit eröff-

net, "andere Mitglieder oder Beauftragte der Regierungen der Län-

der" in die Ausschüsse zu entsenden. Sie sind daher in der Regel mit

Länderbeamten besetzt, welche die Beschlussvorlagen für das Ple-

Page 43: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 43

num erarbeiten und damit zum eigentlichen Arbeitsort der Länder-

kammer geworden sind (Laufer/Münch 1997: 116).

5.5 Der Bundespräsident

Die grundgesetzlichen Bestimmungen zum Amt des Bundespräsi-

denten machen nur wenige verbindliche Vorgaben zur Organisation

und zur personellen Qualifikation für dieses Verfassungsorgan. We-

sentlich genauer sind demgegenüber das Wahlverfahren sowie die

Kompetenzabgrenzung zu anderen Verfassungsorganen beschrieben.

Gemäß Artikel 54 Abs. (1) ist jeder Deutsche für dieses Amt

wählbar, "der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vier-

zigste Lebensjahr vollendet hat". Diese hohe Altershürde soll sicher-

stellen, dass nur reife Persönlichkeiten mit hohem politischem An-

sehen Berücksichtigung finden. Bis heute ist diese Rechnung aufge-

gangen, hat aber auch dazu geführt, das Bundespräsidentenamt als

'Austragsstelle' für angehende Politrentner zu missbrauchen: Bei

etlichen bisherigen Amtsinhabern (u.a. Heinrich Lübke, Gustav Hei-

nemann, Karl Carstens, Roman Herzog und auch Johannes Rau) war

von vornherein klar, dass ihre Wahl zwar einerseits die protokollari-

sche Krönung ihrer Politkarriere darstellte, andererseits aber auch

deren Ende. Gerade die Parteien sind daher immer wieder versucht,

alternde Spitzenfunktionäre in dieses Amt 'wegzuloben', um damit

der Folgegeneration den Einstieg in Regierungsämter zu erleichtern.

Die Amtszeit beträgt fünf Jahre, wobei nur eine Wiederwahl zu-

lässig ist. In bewusster Absetzung von der Weimarer Reichsverfas-

sung wird der Bundespräsident nicht vom Volk direkt, sondern

durch die Bundesversammlung gekürt (Rudzio 2000a: 343), welche

sich gemäß Artikel 54 Abs. (3) aus den Bundestagsabgeordneten

"und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksver-

tretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl ge-

Page 44: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 44

wählt werden", zusammensetzt. Dieser eigenwillige Wahlmodus

sollte nach den Vorstellungen der Verfassungsgeber das politische

Gewicht des Staatsoberhauptes begrenzen, welches gerade in der

Weimarer Republik durch seine direkte plebiszitäre Legitimation

aktive Eingriffe in das Regierungshandeln rechtfertigen konnte

(Helms 1998).

Möglichem Amtsmissbrauch ist darüber hinaus durch Artikel 61

GG vorgebeugt, der die Anklage des Bundespräsidenten vor dem

Bundesverfassungsgericht "wegen vorsätzlicher Verletzung des

Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes" ermöglicht. Be-

rechtigt dazu sind jedoch nur Bundestag oder Bundesrat, welche eine

Anklage mit Zweidrittelmehrheit beschließen müssen, was einen

lagerübergreifenden Konsens voraussetzt. Das Bundesverfassungs-

gericht könnte das Staatsoberhaupt sodann seines Amtes entheben,

wenn es die erforderlichen Tatbestände feststellt. Bis heute jedoch

musste dieses Regularium erfreulicherweise nicht zur Anwendung

kommen, da demokratische Gesinnung und verfassungskonforme

Amtsführung bei allen bisherigen Amtsinhabern außer Frage stan-

den.

Für die Durchführung seiner Amtsgeschäfte steht dem Staats-

oberhaupt mit dem Bundespräsidialamt eine eigene behördliche Or-

ganisation zur Verfügung, die jedoch keine verfassungsrechtliche

Verankerung besitzt, sondern durch ein einfaches Gesetz geschaffen

wurde. Es unterstützt ihn bei der Wahrnehmung seiner Funktionen,

zu denen die völkerrechtliche Vertretungskompetenz (Art. 59), die

Ernennung von Beamten, Soldaten und Richtern des Bundes (Art.

59) und die Ausübung des Gnadenrechts (Art. 59) ebenso gehören

wie die weiter unten genauer zu erörternde Mitwirkung im Gesetz-

gebungsprozess. Auch die formelle Ernennung und Entlassung des

Bundeskanzlers und der Bundesminister sowie die Auflösung des

Bundestages sind präsidiale Befugnisse, in der regulären politischen

Page 45: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 45

Praxis jedoch meist "staatsnotarieller" Natur (Rudzio 2000a: 344-

348). In politischen Krisenzeiten ermöglicht ihm die Rechtsordnung

jedoch einen erheblichen Zuwachs an Kompetenzen ‒ sogenannte

"Reservefunktionen".

5.6 Das Bundesverfassungsgericht

Auch die grundgesetzlichen Vorgaben zur Organisation des Bundes-

verfassungsgerichts sind auffallend kurz gehalten. Neben dem gene-

rellen Auftrag zu dessen Einrichtung (Art. 92) sind in dem entspre-

chenden Artikel 94 nur sehr allgemeine Grundsätze festgeschrieben:

Es hat sich aus "Bundesrichtern und anderen Mitgliedern" zusam-

menzusetzen, wobei die Verfassungsrichter je zur Hälfte vom Bun-

destag und vom Bundesrat zu wählen sind, um politische Gleichbe-

rechtigung von Bund und Ländern im Besetzungsverfahren sicherzu-

stellen. Konkrete persönliche Qualifikationsvoraussetzungen für das

Amt sind im Grundgesetz selbst nicht festgeschrieben; dagegen legt

es besonderes Augenmerk darauf, die richterliche Unabhängigkeit

(Art. 97) zu betonen: die 'Hüter des Gesetzes' unterliegen keinen

Weisungen, sondern sind "nur dem Gesetze unterworfen".

Alle organisatorischen Details sind jedoch erst durch das Bun-

desverfassungsgerichtsgesetz festgelegt worden: Hier wurde die

Amtszeit der Richter auf zwölf Jahre ohne Wiederwahlmöglichkeit

festgeschrieben, um größtmögliche parteipolitische Unabhängigkeit

der Mitglieder sicherzustellen (Säcker 1998: 46-54). Trotz der Wahl

der Richter durch parteipolitisch geprägte Organe ist diese Rechnung

in der Tat weitgehend aufgegangen: Ein systematisch parteipolitisch

gefärbtes Rechtsprechungsverhalten der Richter konnte bis heute

nicht nachgewiesen werden, auch wenn in der Vergangenheit be-

stimmte Verfassungsgerichtssenate immer wieder als "rot" oder

"schwarz" gefärbt tituliert wurden (Säcker 1998: 52-53).

Page 46: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 46

Darüber hinaus war es Sache von Bundestag und Bundesrat,

durch ihre Geschäftsordnungen ihre eigenen Richterwahlverfahren

festzulegen. Während der Bundesrat als Plenum darüber befindet,

hat der Bundestag hierfür einen eigenen Richterwahlausschuss ge-

bildet (Ellwein/Hesse 1987: 442). In beiden Organen ist jedoch eine

Zweidrittelmehrheit für die Wahl nötig, was eine Verständigung

über die politischen Lager hinweg erforderlich macht und im Regel-

fall zur Nominierung kompromissfähiger Kandidaten und zu einer

konsensuellen Wahl führt. Möglich wurde dies durch Befolgung

eines Besetzungsproporzes, bei welchem den beiden Großparteien

ein informelles Nominierungsrecht für einen Teil der Richter einge-

räumt wird, die durchweg auch Parteimitglieder sind (Helms 2000b:

87-88); von den Kleinparteien gelang es bisher nur der FDP, punktu-

ell eigene Kandidaten durchzusetzen. Im Regelfall folgen die ande-

ren Parteien diesen Nominierungen; Ausnahmen gab es jedoch, wie

etwa die im Jahre 1993 abgeblockte Wahl der SPD-Politikerin und

Justizexpertin Herta Däubler-Gmelin, deren Fähigkeit zur parteipoli-

tischen Unabhängigkeit im Richteramt von der CDU/CSU in Zweifel

gezogen wurde.

Auch die Gliederung in zwei Senate mit jeweils acht Richtern,

die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten sowie der Aufbau eines admi-

nistrativen Unterbaus ist erst im Bundesverfassungsgerichtsgesetz

geregelt: So ist der Erste Senat als "Grundrechtssenat" für die Ent-

scheidung über Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollanträ-

ge mit Bezug zum Grundrechtskatalog (Art. 1-17 GG) zuständig, der

Zweite Senat als "Staatsrechtssenat" für die Entscheidung über Or-

gan- und Bund-Länder-Streitverfahren, sonstige Normenkontrollan-

träge und Verfassungsbeschwerden, Parteiverbote und die Wahlprü-

fung (Säcker 1998: 47). Einzelheiten des Verfahrensablaufs sind

darüber hinaus in der Geschäftsordnung des Gerichts festgelegt.

Genauere Festlegungen trifft das Grundgesetz demgegenüber nur im

Page 47: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 47

Bereich der verfassungsgerichtlichen Zuständigkeiten, die aufgrund

ihres engen Bezuges zur Tätigkeit anderer Verfassungsorgane jedoch

erst weiter unten genauer betrachtet werden sollen.

6. Konkurrenz und Kooperation der Organe

Die Schaffung einzelner Institutionen durch das Grundgesetz zieht

die Notwendigkeit nach sich, deren Beziehung zueinander zu klären.

Die diesbezüglichen Bestimmungen haben sowohl die Grundsätze

der Kooperation festzulegen als auch den Modus des Konfliktaus-

trags zu definieren. Im Folgenden sollen die entsprechenden verfas-

sungsrechtlichen Vorgaben genauer unter die Lupe genommen wer-

den, wobei das Beziehungsgeflecht zwischen den fünf Verfassungs-

organen im Mittelpunkt der Analyse steht.

6.1 Bundestag und Bundesregierung

Die enge Kooperation und auch personelle Verflechtung zwischen

Bundestag und Bundesregierung, die in einem parlamentarischen

Regierungssystem unabdingbar sind, werden auch durch die Vorga-

ben des Grundgesetzes systematisch gefördert. Zwar müssen Bun-

deskanzler und Bundesminister nicht ausdrücklich Bundestagsmit-

glieder sein, sind dies jedoch in der Regel, da das Parlament gemäß

Artikel 63 Abs. (2) den Regierungschef auf Vorschlag des Bundes-

präsidenten wählt und damit seine 'Personalhoheit' sicherstellt (Is-

mayr 2001: 196). Bis auf Kurt Georg Kiesinger besaßen daher alle

bisherigen Bundeskanzler auch ein Parlamentsmandat, und auch die

große Mehrheit der übrigen Kabinettsmitglieder. Sollte der Wahl-

vorschlag des Staatsoberhaupts keine Mehrheit finden ‒ bei klaren

Mehrheitsverhältnissen im Parlament höchst unwahrscheinlich und

Page 48: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 48

daher bis heute noch nicht eingetreten ‒ kann der Bundestag auch

jemand anderes zum Kanzler wählen.

Der Weimarer Erfahrung folgend ist eine Abwahl des Kanzlers in

der laufenden Legislaturperiode nur durch konstruktives Misstrau-

ensvotum möglich: Gemäß Artikel 67 GG ist sie nur durch die Wahl

eines Nachfolgers möglich, was Kontinuität in der Regierungsarbeit

sicherstellen soll (Pfetsch 1990: 400). Durch die hohen Hürden, die

ein derartiges Verfahren für die Amtsenthebung setzt, ist ein 'Kanz-

lersturz' sehr unwahrscheinlich geworden. Möglich ist er heute nur,

wenn eine bestehende Regierungskoalition zerfällt bzw. ihre parla-

mentarische Mehrheit zu verlieren droht: ersteres war Voraussetzung

des einzigen bisher erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotums,

als die FDP 1982 aus der sozialliberalen Koalition ausschied und im

neuen Bündnis mit der Union Helmut Kohl formell zum Nachfolger

Helmut Schmidts wählte (Hübner 2000: 105). Dagegen scheiterte

1972 der Versuch der CDU/CSU-Opposition, die geschwächte

SPD/FDP-Koalition unter Willy Brandt durch Wahl ihres Fraktions-

vorsitzenden Rainer Barzel zu stürzen (Hübner 2000: 105). Bis heute

sind dies die einzigen Fälle konstruktiver Misstrauensanträge ge-

blieben.

Parlamentarische Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung

sind darüber hinaus noch in Artikel 43 GG verankert: Kabinettsmit-

glieder können gemäß Abs. (1) vom Plenum bzw. von Ausschüssen

jederzeit herbeizitiert werden, um gewünschte Auskünfte zu geben.

Auch diese Festschreibung ist im Regelfall von geringer praktischer

Bedeutung, da Kanzler und Bundesminister ohnehin in engem Kon-

takt mit dem Parlament stehen, insbesondere natürlich mit ihren

eigenen Fraktionen. Bedeutsam wird dieses Recht allenfalls, wenn es

um die Vorladung von Regierungsmitgliedern vor Untersuchungs-

ausschüsse geht; freilich ist auch dann ein Herbeizitieren nur mög-

lich, wenn es die Ausschussmehrheit beschließt (Ismayr 2001: 328).

Page 49: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 49

Und da die Untersuchungsausschüsse nach dem Parteienproporz des

Plenums zusammengesetzt sind, verfügt die Regierungsmehrheit

auch dort über eine Majorität und kann von der Opposition ge-

wünschte, lästige Vorladungen abschmettern.

Spiegelbildlich dazu existieren auch verschiedene verfassungs-

rechtliche abgesicherte Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregie-

rung auf das Parlament. Gleichfalls in Artikel 43 ist zunächst das

permanente Zutritts- und Anhörungsrecht der Regierungsmitglieder

festgeschrieben ‒ ein Passus, der gerade für Kabinettsmitglieder

ohne Bundestagsmandat von Bedeutung ist, die ansonsten zumindest

formell keinen Zutritt zum Bundestag hätten. Darüber hinaus ist

dieses Recht gemäß Abs. (2) auch "Beauftragten" der Regierung

verliehen, was die verfassungsrechtliche Basis für die heute übliche

permanente Präsenz von Ministerialbeamten in Ausschusssitzungen

darstellt (Ellwein/Hesse 1987: 267).

Die Gesetzgebungsarbeit des Parlaments kann die Regierung ver-

fassungsrechtlich darüber hinaus durch ihr formelles Gesetzesinitia-

tivrecht beeinflussen, das in Art 76 Abs. (1) verankert ist. Auch die-

se formelle Garantie ist praktisch unnötig, da heute ohnehin die

Masse der Gesetzesprojekte vonseiten der Regierung und ihrer Mi-

nisterialbürokratie kommt, ja deren Vorlage von den Parlamentariern

sogar erwartet wird. Mit anderen Worten: Selbst ohne formelle Ver-

ankerung eines Gesetzesinitiativrechts der Regierung würden diese

Vorlagen den Weg in das Parlament finden, dann eben aber infor-

mell, wie dies in den USA bei präsidentiellen Entwürfen gängige

Praxis ist (Jäger 1998: 152-156).

Unter bestimmten, bewusst eng begrenzten Bedingungen kann

der Kanzler schließlich die Auflösung des Bundestages herbeifüh-

ren, um Neuwahlen zu ermöglichen. Artikel 68 Abs. (1) ermöglicht

dies, wenn eine Vertrauensfrage des Regierungschefs nicht von der

Mehrheit der Parlamentsmitglieder (Kanzlermehrheit) positiv be-

Page 50: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 50

schieden wird. Gedacht ist es für Fälle fehlender parlamentarischer

Mehrheiten, welchen durch Neuwahlen abgeholfen werden soll. In

diesem Falle kann der Kanzler den Bundespräsidenten um die Auf-

lösung des Bundestages bitten, wobei das Staatsoberhaupt hierzu

nicht verpflichtet ist, sondern einen Ermessensspielraum besitzt.

Fragwürdige Anwendung fand dieses Verfahren nach der Wende

1982, als der neu gewählte Kanzler Helmut Kohl es zur Durchset-

zung vorzeitiger Neuwahlen instrumentalisierte: Nach Stellung der

Vertrauensfrage wurde für die Regierungsfraktionen CDU/CSU und

FDP Stimmenthaltung vereinbart (Rudzio 2000a: 257), was ein ab-

lehnendes Votum vorprogrammierte, zumal die Opposition gegen

Kohl stimmte. Bundespräsident Carstens (CDU) entsprach sodann

dem Kanzlerwunsch nach Parlamentsauflösung, obwohl Kohl fak-

tisch noch über eine stabile Bundestagsmehrheit verfügte. Nicht zu

Unrecht warf man Carstens daher später parteiliche Nutzung seines

Ermessensspielraums vor. Eine diesbezügliche Klage vor dem Bun-

desverfassungsgericht gegen die Auflösung scheiterte zwar; jedoch

wirkte das Gericht durch seine rügende Urteilsbegründung ähnlichen

Fällen für die Zukunft entgegen (Ismayr 2001: 214).

6.2 Bundestag und Bundesrat

Bundestag und Bundesrat sind nach dem Willen der Verfassungsge-

ber vor allem auf dem Felde der Gesetzgebung zur Zusammenarbeit

genötigt, was in der politischen Praxis zu einem faszinierenden

Machtpoker zwischen beiden Verfassungsorganen geführt hat. Ein

eigener Abschnitt des Grundgesetzes mit nicht weniger als dreizehn

zum Teil sehr detaillierten Artikeln dient der Regelung des Gesetz-

gebungsprozesses und der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund

und Ländern.

Page 51: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 51

Jedoch ist die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen beiden

Ebenen bewusst nicht trennscharf erfolgt, sondern mit einer breiten

Palette an Gesetzgebungsfeldern, die der konkurrierenden Gesetzge-

bung unterliegen: Hier "haben die Länder die Befugnis zur Gesetz-

gebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszu-

ständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat", wie Artikel

72 Abs. (1) das zugrunde liegende Prinzip definiert. Artikel 74 GG

listet sodann nicht weniger als 30 Gebiete auf, die vom Personen-

standswesen und der Regelung von Ausbildungsbeihilfen über die

Krankenhausförderung bis hin zum Arbeitsrecht reichen. Die auf

diesen Feldern erlassenen Normen machen heute die Masse aller

Bundesgesetze aus, zumal der Bund über die Jahrzehnte hinweg von

dieser Generalvollmacht systematisch Gebrauch gemacht und die

Länderzuständigkeiten systematisch zurückgedrängt hat (Kil-

per/Lhotta 1996: 160-162).

Demgegenüber fallen die Kataloge ausschließlicher Gesetzge-

bungszuständigkeiten von Bund bzw. Ländern kürzer aus. Artikel 73

GG listet zwölf exklusiv in Bundeszuständigkeit fallende Bereiche

auf, von denen die Regelung der auswärtigen Angelegenheiten, des

Währungswesens und des Luftverkehrs zu den wichtigsten gehören.

Ausschließliche Landeszuständigkeiten, wie das Kultur- und Bil-

dungswesen und die Polizei, sind dagegen nicht ausdrücklich aufge-

listet, sondern ergeben sich konkludent aus verschiedenen anderen

Artikeln (insbesondere 75 und 91a und b). Allerdings sind auch die

Felder ausschließlicher Landesgesetzgebung sowohl durch bundes-

einheitliche Rahmengesetzgebung (Beispiel: Hochschulrahmenge-

setz) gemäß Artikel 75 GG als auch durch die 1969 in das Grundge-

setz eingefügten "Gemeinschaftsaufgaben" nach den Artikeln 91a

und b GG (Hochschulbau, regionale Wirtschaftsförderung, Verbes-

serung der Agrarstruktur und Küstenschutz) einengbar (Sturm 2001:

42).

Page 52: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 52

Im Kontext dieses komplexen Zuständigkeitsszenarios hat nun

der Bundesrat als Länderkammer an der Bundesgesetzgebung mit-

zuwirken und gleichzeitig einer unkontrollierten Vereinnahmung

von Landeszuständigkeiten durch den Bund vorzubeugen. Grund-

sätzlich ist ihm das leicht möglich, da er an jedem Gesetzgebungs-

verfahren auf Bundesebene obligatorisch zu beteiligen ist. Aller-

dings ist nur bei zustimmungspflichtigen Gesetzen (insbesondere

Grundgesetzänderungen und das Bund-Länder-Verhältnis betreffen-

de Normen) ein positives Votum der 'Länderkammer' absolut erfor-

derlich; in den übrigen Fällen kann der Bundestag das Veto des

Bundesrates gemäß Artikel 77 Abs. (4) mit einfacher bzw. mit

Zweidrittelmehrheit zurückweisen. Da die Zahl der zustimmungs-

pflichtigen Gesetze über die Jahrzehnte konstant angestiegen ist und

sich im langjährigen Durchschnitt auf weit über 50 Prozent beläuft

(Schindler 1999: 2396-2397), ist der bundespolitische Einfluss der

Länderkammer ebenso angewachsen. Gemäß Artikel 80 Abs. (2) GG

hat das auch Konsequenzen für den Erlass von Rechtsverordnungen

des Bundes, insoweit solche, die der Ausführung zustimmungs-

pflichtiger Gesetze dienen, ebenfalls der Billigung durch den Bun-

desrat bedürfen. Die legislativen Vetokompetenzen der Länderkam-

mer sind also auch in nachgeordneten Rechtsetzungsebenen merk-

lich gewachsen.

Die Verfassungsgeber haben vorausgesehen, dass aus dieser

Konstellation ernsthafte Konflikte zwischen beiden Kammern ent-

stehen könnten. Und deshalb sahen sie in Artikel 77 Abs. (2) die

Möglichkeit der Bildung eines Vermittlungsausschusses vor, der mit

Bundestags- und Bundesratsvertretern zu besetzen und dessen Zu-

sammensetzung und Verfahren durch die Geschäftsordnung des

Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln ist. Diese

segensreiche Einrichtung hat dazu geführt, dass seit 1949 nur ein

Page 53: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 53

Bruchteil der Gesetzesvorlagen an Meinungsverschiedenheiten bei-

der Kammern gescheitert ist.

6.3 Bundesregierung und Bundesrat

Bundesregierung und Bundesrat geraten durch das Grundgesetz

nicht direkt in Konkurrenz und in Kooperationszwang, wohl aber

mittelbar. Denn zum einen zeichnet faktisch die Regierung für die

Masse der bundesgesetzlichen Vorlagen verantwortlich, für welche

sie auch die Zustimmung des Bundesrates benötigt bzw. welche

zumindest von der Länderkammer obligatorisch zu beschließen sind.

Hinzu kommt, dass der Bundesrat gemäß Artikel 76 Abs. (1) selbst

Gesetzentwürfe einbringen kann, welche Bundestag und insbesonde-

re die Bundesregierung politisch unter Zugzwang setzen können.

Dasselbe gilt nach Artikel 80 Abs. (3) für die Vorlage von Verord-

nungsentwürfen zu bereits verabschiedeten zustimmungspflichtigen

Gesetzen. Zwar hält sich im Regelfall das prozentuale Aufkommen

an Bundesratsinitiativen deutlich in Grenzen: zwischen 1949 und

1994 etwa belief sich der Anteil von Gesetzentwürfen der Länder-

kammer durchschnittlich auf gerade einmal 6,6 Prozent (Schindler

1999: 2387).

Jedoch erfährt dieses Instrument gerade in Zeiten oppositioneller

Bundesratsmehrheiten eine signifikante Aufwertung: In diesem Sze-

nario entwickelt sich ein enger Kooperationsverbund aus der parla-

mentarischen Minderheit des Bundestages und den 'befreundeten'

Landesregierungen im anderen Haus. Dies führt regelmäßig zu ei-

nem Anwachsen oppositioneller Gesetzesvorlagen aus der Länder-

kammer und zu einer Vergrößerung ihrer Realisierungschancen (Se-

baldt 2002a: 59), da die Bundestagsminderheit nunmehr in der guten

Lage ist, mit der Blockade durch die eigene Bundesratsmehrheit

drohen zu können. Um eigene Projekte, zustimmungspflichtige zu-

Page 54: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 54

mal, nicht unnötig zu gefährden, ist daher die jeweilige Bundesregie-

rung in einer solchen Konstellation zu einer deutlich kooperativeren

Gangart gegenüber dem Bundesrat genötigt (v. Beyme 1997: 266).

Regelmäßig versucht sie dabei aber auch, einzelne Länder aus ei-

ner ablehnenden Front herauszubrechen, was ihr gerade im Falle

koalitionsregierter Bundesländer mit Regierungsbeteiligung einer

Partei des eigenen Lagers immer wieder gelingt. Insbesondere große

Koalitionen aus CDU und SPD, wo naturgemäß immer ein Partner

auch der Führungspartei der Bundesregierung zugehört, sind hierfür

besonders anfällig, wie etwa das Abstimmungsverhalten des Landes

Brandenburg jüngst gezeigt hat. Gelingt es dem Kanzler in einem

solchen Falle, die eigene Landespartei 'auf Linie' zu bringen und

gegen den dortigen Regierungspartner in Stellung zu bringen, sehen

die Koalitionsverträge regelmäßig die Stimmenthaltung im Bundes-

rat vor, was das Bröckeln der gesamten Oppositionsfront fördert.

Offene Verletzungen solcher Vereinbarungen, wie durch den bran-

denburgischen Ministerpräsidenten Stolpe bei der Abstimmung über

das Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002 (Durth 2002), sind dabei

nur seltene Ausnahmen von der Regel, zumal sie ernsthafte Koaliti-

onskrisen im betroffenen Bundesland zur Folge haben, an denen

beiden Regierungspartnern wenig gelegen sein kann.

6.4 Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsident

Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsident sind durch das

Grundgesetz sowohl auf dem Felde der Gesetzgebung als auch im

Bereich der Regierungsbildung und der Wahrnehmung exekutiver

Befugnisse zur Zusammenarbeit verpflichtet, wobei die politische

Federführung der jeweiligen Regierung und ihrer parlamentarischen

Mehrheit zukommt.

Page 55: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 55

An der Gesetzgebung ist der Bundespräsident im Regelfall nur in

staatsnotarieller Funktion beteiligt: Gemäß Artikel 82 Abs. (1) GG

werden die "nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande ge-

kommenen Gesetze... vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung

ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet". Formal korrekt

verabschiedete Vorlagen sind daher vom Staatsoberhaupt obligato-

risch auszufertigen; ein generelles präsidiales Vetorecht hat das

Grundgesetz damit ausdrücklich nicht vorgesehen.

Die Formulierung lässt allerdings die Interpretation zu, dass der

Bundespräsident auch im Falle der Verletzung inhaltlicher Verfas-

sungsnormen die Ausfertigung eines Gesetzes verweigern kann.

Juristisch ist dies bis heute strittig (v. Beyme 1999: 331-332; Billing

2001: 325-326), und doch haben Bundespräsidenten ein derartiges

inhaltliches Prüfungsrecht immer wieder beansprucht. So hat etwa

Richard von Weizsäcker im Jahre 1991 dem Gesetz zur Privatisie-

rung der Flugsicherung seine Zustimmung verweigert, und auch die

6. Novelle zum Parteiengesetz 1994 fand seine Missbilligung, ob-

wohl er sie schließlich doch ausfertigte und eine nachfolgende Prü-

fung durch das Bundesverfassungsgericht anmahnte (Gerlach 1999:

209, FN 155).

In diesem engen Rahmen kommt dem Bundespräsidenten also

durchaus ein materielles Prüfungsrecht zu. Der Vollständigkeit hal-

ber sei noch darauf verwiesen, dass im Falle einer verlorenen Ver-

trauensabstimmung und damit fehlender Parlamentsmehrheit des

Kanzlers (vgl. Art. 68 zur Rolle des Bundespräsidenten bei einer

vorzeitigen Bundestagsauflösung) er gemäß Artikel 81 GG "auf An-

trag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates für eine

Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären [kann], wenn

der Bundestag sie ablehnt, obwohl die Bundesregierung sie als

dringlich bezeichnet hat". Diese legislativen Notstandsbefugnisse

mussten jedoch glücklicherweise bis heute nicht bemüht werden.

Page 56: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 56

Bei der Bildung der Bundesregierung ist das Staatsoberhaupt im

Regelfall ebenfalls nur in notarieller Funktion tätig. Der durch die

vorangegangene Bundestagswahl faktisch zum künftigen Kanzler

bestimmte Führer der Parlamentsmehrheit wird dem Bundestag vom

Bundespräsidenten gemäß Artikel 63 Abs. (1) dann nur mehr formell

zur Wahl vorgeschlagen (Ismayr 2001: 196), wobei die Abgeordne-

ten nicht an diesen Vorschlag gebunden sind, sondern in späteren

Wahlgängen selbst auch andere Kandidaten aufstellen können.

Nur in Zeiten unklarer parlamentarischer Mehrheitsverhältnisse

nach einer Wahl, in denen der künftige Kanzler noch nicht feststeht

und erst durch Verhandlungen ermittelt werden müsste, könnte aus

diesem zeremoniellen Recht auch ein politisch gewichtiges werden

(Rudzio 2000b: 56), insoweit der Bundespräsident sich dann faktisch

an der Kandidatenfindung beteiligen könnte ‒ aber nicht müsste.

Bislang ist dieses Szenario aber noch nicht eingetreten, zumal die

möglichen Koalitionsoptionen im Bundestag ohnehin begrenzt und

bereits vor der Wahl abgesprochen sind. Nachwahlverhandlungen

führen die Parteien zudem in Eigenregie; eine Einbindung des Bun-

despräsidenten ist hierbei nicht üblich. Die Ernennung von Kanzler

und Ministern durch das Staatsoberhaupt ist am Ende nur mehr

Formsache.

Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass ihm gemäß Artikel

59 die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands zukommt: "Er

schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staa-

ten" ‒ dies freilich immer unter dem Vorbehalt der Bundesregierung,

welcher die außenpolitische Federführung zukommt (Hart-

mann/Kempf 1989: 23-24). Ein international hoch angesehener Bun-

despräsident, wie etwa Richard von Weizsäcker in den achtziger und

frühen neunziger Jahren, kann trotz dieses engen Korsetts gerade

durch gezielte Auslandsvisiten erheblichen Einfluss auf die deutsche

Außenpolitik erlangen.

Page 57: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 57

6.5 Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Organe

Das Bundesverfassungsgericht steht aufgrund seiner Sonderrolle

natürlich auch in besonderen Beziehungen zu den übrigen Verfas-

sungsorganen. Konstituiert werden diese in erster Linie durch die

verschiedenen Verfahrensarten, die den Verfassungsorganen, aber

auch anderen Antragsberechtigten vor dem höchsten deutschen Ge-

richt zustehen: Je nach Streitverfahren steht gemäß Artikel 93 Abs.

(2) und Artikel 100 Abs. (1) GG der Bundesregierung, einer Landes-

regierung, einem Drittel der Bundestagsmitglieder, einer Gemeinde

bzw. einem Gemeindeverband, Gerichten oder auch einzelnen Bür-

gern dieses Recht zu (Säcker 1998: 76-79).

Die übrigen Verfassungsorgane bzw. deren Mitglieder tragen da-

bei vor dem Verfassungsgericht im Regelfall Organstreitigkeiten und

Bund-Länder-Streitigkeiten aus oder lassen die Verfassungskonfor-

mität bereits verabschiedeter Gesetze durch die "abstrakte Normen-

kontrolle" überprüfen. Da es in diesen Verfahren um die Entschei-

dung von Kompetenzfragen und strittigen Inhalten geht, sind diese

durchweg hochpolitisch. So etwa richtete sich der Normenkon-

trollantrag der Bayerischen Staatsregierung von 1973 gegen den

Grundlagenvertrag mit der DDR (Stüwe 2002: 156) nicht nur gegen

das Vertragsdokument selbst, sondern die vertragskritische Mehrheit

der Unionsopposition erhoffte sich von einem Erfolg ihrer Klage

auch die Diskreditierung der gesamten Ost- und Deutschlandpolitik

der sozialliberalen Koalition: Ihrer Auffassung nach verletzte das

Dokument die grundgesetzlich verankerte staatliche Einheit

Deutschlands, indem es durch die Anerkennung der DDR-Regierung

als völkerrechtliche Vertragspartnerin die Teilung Deutschlands in

zwei Staaten besiegelte. Das Gericht folgte letztlich zwar nicht dem

Antrag, stellte jedoch klar, dass der Vertrag den Grundsatz des völ-

kerrechtlichen Fortbestandes von Gesamtdeutschland nicht berühre.

Page 58: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 58

Auch Organstreitigkeiten sind durchweg hochpolitisch: So klag-

ten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen im Jahre 1983

erfolgreich gegen die Bundesregierung, die dem Flick-

Untersuchungsausschuss zur Aufklärung illegaler Parteienfinanzie-

rung wichtige Dokumente vorenthalten hatte (Stüwe 2002: 153).

Hier entsprachen die Richter dem Antrag und stellten eine Verlet-

zung von Artikel 44 GG fest, wo insbesondere in Abs. (3) die Ver-

pflichtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden zur "Rechts-

und Amtshilfe" für Untersuchungsausschüsse des Bundestages"

festgeschrieben ist. Da von den illegalen Praktiken in erster Linie die

an der Regierung befindliche Union und die FDP profitiert hatten,

war dieses Urteil politisch in doppelter Hinsicht schwerwiegend:

Zum einen kritisierte es öffentlich die Vertuschungspraxis der Re-

gierung Kohl, zum anderen erzwang es die Weitergabe belastender

Dokumente, die in der Folge das öffentliche Ansehen der Regierung

deutlich schädigten.

Auch für Bund-Länder-Streitigkeiten gilt Vergleichbares. Hinzu-

weisen ist zudem noch auf die Möglichkeiten für die Verfassungsor-

gane bzw. ihre Mitglieder, Grundrechtsverwirkungen für Einzelper-

sonen und Parteiverbote zu beantragen sowie Präsidenten- und Rich-

teranklagen zu erheben. Relevant sind hiervon bisher lediglich die

Parteiverbotsverfahren gemäß Artikel 21 Abs. (2) GG geworden,

durch welche 1952 die neonazistische Sozialistische Reichspartei

(SRP) und 1956 die KPD aufgelöst wurden (Säcker 1998: 71). Nicht

von ungefähr nahm das Bundesverfassungsgericht beide Urteile zum

Anlass, um in der Begründung den Wesenskern und die Schutzwür-

digkeit der Freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FdGO)

noch einmal besonders zu betonen.

Wie zweischneidig dieses Schwert politisch ist, zeigt jedoch die

Diskussion um das gegenwärtig laufende NPD-Verbotsverfahren

(Scherb 2001): Denn sollte ein Verbotsantrag scheitern, erwüchse

Page 59: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 59

daraus ein deutlicher Reputationsgewinn der NPD; selbst im Falle

eines Verbots ist nicht auszuschließen, dass ein Mitleids- bzw. Zorn-

effekt das Stimmenpotential des rechten parteipolitischen Randes

vergrößern würde, allerdings dann anderen Organisationen (DVU,

Republikaner etc.) zugute käme. Und schließlich können derartige

Verbote auch ähnliche Neugründungen kaum verhindern, wie die

1968 entstandene Deutsche Kommunistische Partei (DKP) als Nach-

folgeorganisation der KPD belegt.

Durch den großen politischen Einfluss der Verfassungsgerichts-

urteile glauben viele Beobachter schon einen Trend zur "Justiziali-

sierung der Politik" (Landfried 1984: 147) ausmachen zu können,

indem bei jeder wichtigen politischen Entscheidung schon ein mög-

licher 'Gang nach Karlsruhe' antizipiert und die Meinung der Richter

quasi in vorauseilendem Gehorsam schon bei der Planung von Vor-

lagen berücksichtigt werden. Umfassende Belege für diese These

stehen noch aus. In jedem Falle aber hat die politische Aufladung

der Entscheidungsverfahren erhebliche Auswirkungen auf die Aus-

wahl der Richter selbst gehabt, die je zur Hälfte vom Bundestag und

vom Bundesrat zu bestimmen sind.

7. Änderungen der Institutionenordnung

Die Grundzüge der bundesdeutschen Institutionenordnung sind seit

Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahre 1949 unverändert ge-

blieben, zumal wesentliche Elemente (Bundesstaatlichkeit, Gewal-

tenteilung, Rechtsstaatlichkeit) ohnehin nicht disponibel sind bzw.

der 'Ewigkeitsgarantie' von Artikel 79 Abs. (3) GG unterliegen. Und

doch hat die deutsche Verfassung in den letzten Jahren eine Vielzahl

von Änderungen erfahren, die auch substantielle Wandlungen des

politischen Institutionengefüges nach sich zogen (Bauer/Jestaedt

Page 60: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 60

1997). Der folgende Abschnitt verschafft einen Überblick über diese

Änderungen und stellt die wesentlichsten von ihnen näher vor.

7.1 Die Änderungen im Überblick

Nicht weniger als 51 Änderungen hat das Grundgesetz bis zum Jahr

2002 erfahren, wie der nachfolgenden Übersicht 3 im Einzelnen zu

entnehmen ist. Nicht alle von ihnen hatten Bedeutung für die Gestalt

des bundesdeutschen Institutionensystems, und auch Umfang und

Reichweite der vorgenommenen Anpassungen und Ergänzungen

differieren ganz erheblich (Bauer/Jestaedt 1997). Die für das Institu-

tionengefüge einschlägigen Änderungen lassen sich folgendermaßen

gruppieren:

Bestimmungen zur Ergänzung bzw. zur Neuordnung des Institu-

tionengefüges durch Schaffung neuer Einrichtungen oder durch

Neugliederung des Bundesgebietes. Hierunter fallen so wichtige

Grundgesetzänderungen wie die Wehrverfassung der Jahre 1954

und 1956 zum Aufbau der Bundeswehr und zur Integration der

Bundesrepublik in die NATO, die Notstandsgesetzgebung der

Großen Koalition von 1968 mit detaillierten Verfassungszusätzen

für den Notstands- und Verteidigungsfall sowie die Grundgesetz-

reform des Jahres 1994. Auch die wiedervereinigungsbedingten

Verfassungsänderungen modifizierten das deutsche Institutionen-

gefüge insbesondere durch die Ausweitung des Bundesrates be-

trächtlich. Und schließlich fallen hierunter mehrere Änderungen

der territorialen Neugliederungsvorgaben des Grundgesetzes, wie

etwa die Sonderbestimmungen für die Länder Berlin und Bran-

denburg gemäß Artikel 118a GG. Die wichtigsten Änderungen

dieser Kategorie sollen in den Folgeabschnitten genauer beleuch-

tet werden.

Page 61: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 61

Bestimmungen zur Schaffung, Organisation bzw. Zuständigkeits-

bestimmung einzelner Institutionen. Dazu zählen Festlegungen

zur Bundesverwaltung (Zuständigkeiten und Organisation der

Bundesfinanzbehörden, Schaffung einer bundeseigenen Luftver-

kehrsverwaltung, Privatisierung von Bundesbahn und Bundes-

post), aber auch zur Gerichtsorganisation (Einrichtung von Wehr-

strafgerichten, Organisation und Zuständigkeit von Disziplinarge-

richten, Übertragung von Kompetenzen auf Landesgerichte) und

zur Bildung einzelner Verfassungsorgane (Absenkung des Wahl-

alters für Bundestagswahlen auf 18 Jahre, grundgesetzliche Ver-

ankerung des Petitionsausschusses des Bundestages, Bestimmun-

gen zur Bundestagswahlperiode). Auch Friständerungen für die

Vorlage bzw. Beratung von Gesetzesvorlagen durch Bundesregie-

rung und Bundesrat können hier zugeordnet werden.

Bestimmungen zur Kompetenzzuteilung bzw. -abgrenzung zwi-

schen einzelnen Institutionen. Hierunter fällt eine Fülle von Än-

derungen bzw. Ergänzungen zur bundesstaatlichen Aufgaben-

wahrnehmung. Normen zur Reform der Finanzverfassung von

1955 und 1970 und die Verteilung des Steueraufkommens auf

Bund, Länder und Kommunen von 1958 finden sich hier ebenso

wie Ergänzungen des Katalogs der Konkurrierenden Gesetzge-

bung (z.B. um den Umweltschutz und den Tierschutz) und die

Einführung der "Gemeinschaftsaufgaben" von Bund und Ländern

in den Bereichen Hochschulbau, Förderung der regionalen Wirt-

schafts- und Agrarstruktur und Küstenschutz. Auch die Möglich-

keit zur Rückübertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf

die Länder, welche im Rahmen der Verfassungsreform von 1994

vorgesehen wurde, fällt unter diese Rubrik.

Page 62: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 62

Übersicht 3: Die Änderungen des Grundgesetzes bis 2002

Änderungsgesetz In Kraft

seit

Betroffene

GG-Artikel

Inhalt

Strafrechtsänderungsgesetz 01.09.51 143 Aufhebung von Über-

gangsbestimmungen

Ges. zur Einfügung eines

Art. 120a in das GG

18.08.52 120a Lastenausgleich

Ges. zur Änd. des Art. 107

des GG

23.04.53 107 Verlängerung von Über-

gangsbestimmungen

Ges. zur Erg. des GG 28.03.54 73, 79, 142a Grundlagen der Wehrver-

fassung; Pariser Verträge

Zweites Ges. zur Änd. des

Art. 107 des GG

31.12.54 107 Verlängerung von Über-

gangsbestimmungen

Ges. zur Änd. und Erg. der

Finanzverfassung

01.04.55 106, 107 Finanzverfassung

Ges. zur Erg. des Grund-

gesetzes

22.03.56 12, 17a, 36,

45a, 45b, 49,

59a, 60, 65a,

87a, 87b, 96,

96a, 137, 143

Wehrverfassung

Ges. zur Änd. und Erg. des

Art. 106 des GG

01.04.57

/

01.04.58

106 Steuerverteilung

Ges. zur Einfügung eines

Art. 135a in das GG

27.10.57 135a Regelung alter Verbind-

lichkeiten

Ges. zur Erg. des GG 01.01.60 74, 87c Gesetzgebung zur Atom-

energienutzung

Ges. zur Einfügung eines

Artikels über die Luftver-

kehrsverwaltung in das GG

16.02.61 87d Luftverkehrsverwaltung

Zwölftes Ges. zur Änd. des

GG

12.03.61 96, 96a Bundesgerichte, Wehrstraf-

gerichte

Dreizehntes Ges. zur Änd.

des GG

27.06.65 74 Kriegsopferfürsorge

Vierzehntes Ges. zur Änd.

des GG

06.08.65 120 Kriegsfolgelasten

Fünfzehntes Ges. zur Änd.

des GG

14.06.67 109 Gesamtwirtschaftliches

Gleichgewicht

Sechzehntes Ges. zur Änd.

des GG

23.06.68 92, 95, 96,

96a, 99, 100

Gerichtsreform

Page 63: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 63

Siebzehntes Ges. zur Erg.

des GG

28.06.68 9, 10, 11, 12,

12a, 19, 20,

35, 53a, 59a,

65a, 73, 80a,

87a, 91, 115a-

l, 142a, 143

Notstandsverfassung,

Verteidigungsfall

Achtzehntes Ges. zur Änd.

des GG

20.11.68 76, 77 Fristen für Gesetzvorlagen

Neunzehntes Ges. zur

Änd. des GG

02.02.69 93, 94 Verfassungsbeschwerden

Zwanzigstes Ges. zur Änd.

des GG

15.05.69 109, 110, 112,

113, 114, 115

Haushaltsrecht

Einundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

01.01.70 91a, 91b,

104a, 105,

106, 107, 108,

115c, 115k

Finanzreform, Gemein-

schaftsaufgaben

Zweiundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

15.05.69 74, 75, 96 Gesetzgebungskompeten-

zen, Disziplinargerichte

Dreiundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

23.07.69 76 Fristen für Gesetzesvorla-

gen

Vierundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

01.08.69 120 Kriegsfolgelasten

Fünfundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

23.08.69 29 Neugliederung des Bun-

desgebietes

Sechsundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

30.08.69 96 Zuständigkeiten der Lan-

desgerichte

Siebenundzwanzigstes

Ges. zur Änd. des GG

06.08.70 38, 91a Wahlalter, Hochschulbau

Achtundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

20.03.71 74a, 75, 98 Versorgung der Angehöri-

gen des Öffentlichen

Dienstes

Neunundzwanzigstes Ges.

zur Änd. des GG

20.03.71 74 Pflanzen- und Tierschutz-

gesetzgebung

Dreißigstes Ges. zur Änd.

des GG

15.04.72 74 Umweltschutzgesetzgebung

Einunddreißigstes Ges. zur

Änd. des GG

03.08.72 35, 73, 74, 87 Verfassungsschutz

Zweiunddreißigstes Ges.

zur Änd. des GG

19.07.75 45c Petitionsausschuss

Dreiunddreißigstes Ges.

zur Änd. des GG

28.08.76

/

14.12.76

29, 39, 45,

45a, 49

Neugliederung des Bun-

desgebietes, Wahlperiode

des Bundestages

Page 64: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 64

Vierunddreißigstes Ges.

zur Änd. des GG

28.08.76 74 Gesetzgebung zum Spreng-

stoffrecht

Fünfunddreißigstes Ges.

zur Änd. des GG

01.01.84 21 Parteivermögen

Einigungsvertragsgesetz 29.09.90

/

03.10.90

Präambel, 23,

51, 135a, 143,

146

Deutsche Einheit, Sitzver-

teilung im Bundesrat

Ges. zur Änd. des GG 22.07.92 87d Luftverkehrsverwaltung

Ges. zur Änd. des GG 25.12.92 23, 24, 28, 45,

50, 52, 88,

115e

Europäische Union

Ges. zur Änd. des GG 30.06.93 16, 16a, 18 Asylrecht

Ges. zur Änd. des GG 23.12.93 73, 74, 80, 87,

87e, 106, 143a

Privatisierung der Deut-

schen Bundesbahn

Ges. zur Änd. des GG 03.09.94 73, 80, 87, 87f,

143b

Privatisierung der Deut-

schen Bundespost

Ges. zur Änd. des GG 15.11.94 3, 20a, 28, 29,

72, 74, 75, 76,

77, 80, 87, 93,

118a, 125a

Staatsziele, Neugliederung

des Bundesgebietes, Ge-

setzgebungskompetenzen

und Fristen für Gesetzvor-

lagen

Ges. zur Änd. des GG 11.11.95 106 Steuerreform

Ges. zur Änd. des GG 25.10.97 28, 106 Steuerreform

Ges. zur Änd. des GG 01.04.98 13 'Großer Lauschangriff'

Ges. zur Änd. des GG 26.10.98 39 Bundestagswahlperiode

Ges. zur Änd. des GG 02.12.00 16 Auslieferung Deutscher an

EU-Mitgliedstaaten und

internationale Gerichte

Ges. zur Änd. des GG 23.12.00 12a Waffendienst von Frauen

Ges. zur Änd. des GG 30.11.01 108 Besetzung von Steuerbe-

hörden

Ges. zur Änd. des GG 01.08.02 20a Staatsziel Tierschutz

Ges. zur Änd. des GG 01.08.02 96 Übertragung von Gerichts-

barkeitszuständigkeiten auf

die Bundesländer

Quelle: Zusammenstellung von Holger Prüfert, http://user.cs.tu-

berlin.de/~gozer/verf/ggbrd1949; eigene Überarbeitung.

Page 65: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 65

Aus alldem wird schon im ersten Überblick ersichtlich, dass das

bundesdeutsche Institutionengefüge einem permanenten Wandel

unterliegt (Helms 2000a). Viel von dem erfolgt in kleinen Schritten

und ist für sich genommen nicht sonderlich gewichtig. Über die

Jahrzehnte hinweg summierten sie sich jedoch und ergaben gerade in

Kombination mit den wenigen reformerischen Großprojekten einen

Trend zur Unitarisierung des deutschen Bundesstaates (Lehmbruch

2000: 89-133), also zu einer systematischen Ausweitung von Bun-

deskompetenzen zu Lasten der Länder. Im Folgenden sollen nun drei

markante Grundgesetzänderungen (Wehrverfassung, Notstandsver-

fassung, Grundgesetzrefom von 1994), die das bundesdeutsche Insti-

tutionengefüge mehr oder minder deutlich verändert haben, exemp-

larisch genauer vorgestellt werden.

7.2 Die Wehrverfassung

Die Einfügung der "Wehrverfassung" in das Grundgesetz im Jahre

1956 markiert die erste große Grundgesetzänderung, welche auch

auf das bundesdeutsche Institutionengefüge deutliche Auswirkungen

hatte. Bei der Verabschiedung der bundesdeutschen Verfassung im

Jahre 1949 bestand trotz interner Planungen der ehemaligen Westal-

liierten und diesbezüglicher Vorbereitungen der Regierung Adenau-

er selbst kein einheitliches Meinungsbild über Wünschbarkeit und

Reichweite einer deutschen Wiederbewaffnung und der Integration

der Bundesrepublik in die gerade gegründete NATO (Weber 1986:

56-58).

Zwar hatte die erste Bundesregierung schon 1950 mit der Errich-

tung des "Amtes Blank", das als Keimzelle eines künftigen Verteidi-

gungsministeriums diente, erste Zeichen gesetzt. Jedoch schufen erst

die Pariser Verträge von 1955, in denen die deutsche Souveränität

bis auf den generellen alliierten Vorbehalt zum Abschluss eines

Page 66: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 66

gesamtdeutschen Friedensvertrages festgeschrieben wurde, die

rechtliche Basis für den Aufbau eigener Streitkräfte. Gleichzeitig

wurde die Aufnahme des Landes in die NATO und in die WEU be-

schlossen (Lehmann 1995: 84-85).

Bereits im Jahr zuvor waren im Grundgesetz mehrere Änderun-

gen vorgenommen worden, welche die Grundlage für die eigentliche

Wehrverfassung schaffen sollten: In den Katalog der ausschließli-

chen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes (Art. 73 Nr. 1) wurden

nun auch die Bereiche "Verteidigung" einschließlich der Wehr-

pflicht und der Zivilschutz aufgenommen. Nach dem Inkrafttreten

der Pariser Verträge und die noch im Jahre 1955 erfolgte Aufnahme

der Bundesrepublik in die beiden Verteidigungsbündnisse war der

Weg frei für die grundgesetzliche Verankerung der deutschen Wie-

derbewaffnung. Schon vorher wurde das Amt Blank in das "Bun-

desministerium der Verteidigung" umgewandelt (07.06.55), und

auch die ersten 101 Freiwilligen der neuen Bundeswehr erhielten

schon im November 1955 ihre Ernennungsurkunden, noch bevor die

entsprechende Verfassungsänderung in Kraft getreten war (Fischer

Chronik Deutschland 1999: 168).

Diese erfolgte schließlich im März 1956 und verankerte durch

Änderung bzw. Neuschaffung von nicht weniger als fünfzehn Arti-

keln die bis heute gültige Wehrverfassung im Grundgesetz. Die zent-

ralen Artikel 87a und b verpflichteten den Bund nunmehr, "Streit-

kräfte zur Verteidigung" und eine zugehörige Bundeswehrverwal-

tung aufzustellen. Damit war die Nutzung der neuen Bundeswehr für

Angriffskriege von vornherein verfassungsrechtlich untersagt. Die

allgemeine Wehrpflicht wurde durch die Änderung des Artikels 12

grundgelegt, der die grundsätzliche Heranziehung aller Deutschen

"im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen

öffentlichen Dienstleistungspflicht" ermöglichte (Lehmann 1995:

121). Präzisere verfassungsrechtliche Festlegungen zur Wehrpflicht

Page 67: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 67

bzw. einem entsprechenden Ersatzdienst wurden jedoch erst 1968

durch Anfügung eines neuen Artikels 12a getroffen. Artikel 17a

ermöglichte aber schon 1956 eine grundsätzliche gesetzliche Ein-

schränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Versamm-

lungsfreiheit sowie des Petitionsrechts für Wehr- und Ersatzdienst-

leistende. Entsprechende Begrenzungen waren gemäß Abs. (2) auch

für das Freizügigkeitsrecht sowie das Recht auf Unverletzlichkeit

der Wohnung zulässig.

Trotz dieser Optionen zur Grundrechtseinschränkung war den

Verfassungsgebern auch an der grundgesetzlichen Garantie men-

schenwürdiger Führung in der Bundeswehr gelegen. Dem neuen

Streitkräftekonzept der "Inneren Führung" folgend (Kaldrak 1982:

95-97), welches die Formung eines mündigen und demokratisch

gesinnten Soldaten bezweckte, wurde zudem noch das Amt des

Wehrbeauftragten geschaffen (Art. 45a), der im Auftrag des Deut-

schen Bundestages als Ombudsmann der Bundeswehrangehörigen

fungieren und insbesondere "zum Schutz der Grundrechte" der Sol-

daten gegen Vorgesetztenwillkür aktiv werden sollte. Ein eigener

Personalprüfungsausschuss, der allen Beförderungen und Stellenzu-

weisungen ab dem Dienstgrad Oberst bzw. Kapitän zur See aufwärts

zuzustimmen und damit die Formung einer demokratisch gesinnten

Generalität sicherzustellen hatte, wurde nun ebenfalls eingerichtet.

7.3 Die Notstandsverfassung

Zwölf Jahre nach Erlass der Wehrverfassung erfolgte die zweite

große Grundgesetzreform, die auf das bundesdeutsche Institutionen-

gefüge ebenfalls nachhaltige Auswirkungen hatte. Schon länger be-

stand Bedarf nach einer "Notstandsverfassung", welche detaillierte

Bestimmungen für Krisenzeiten festschrieb. Im Einzelnen sollten

sowohl für den extern induzierten Spannungs- und Verteidigungsfall

Page 68: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 68

als auch für den "Inneren Notstand" und den Katastrophenfall präzi-

se verfassungsrechtliche Vorkehrungen getroffen werden (Oberreu-

ter 1978: 238-273). Erst die breite parlamentarische Mehrheit der

seit 1966 amtierenden Großen Koalition unter Bundeskanzler Kie-

singer konnte jedoch die zur Grundgesetzänderung nötigen Zweidrit-

telmehrheiten in Bundestag und Bundesrat sicherstellen. Die sich

damals voll entfaltende außerparlamentarische Opposition (APO)

mit häufig militantem Gepräge (Kleßmann 1988: 256-298) bestärkte

die beiden Großparteien nur noch in dem Wunsche, auch für den

innenpolitischen Krisenfall ausreichende rechtliche Vorkehrungen

zu treffen. Zu diesem Zwecke wurden nicht weniger als 28 Grundge-

setzartikel geändert bzw. neu in die Verfassung aufgenommen. Im

Kern schufen sie folgende Neuerungen:

Artikel 53 verfügte die Schaffung eines "Gemeinsamen Aus-

schusses" von Bundestag und Bundesrat, der in Krisenzeiten als

'Notparlament' zu fungieren hat, wenn die beiden parlamentari-

schen Kammern durch die Umstände selbst am Zusammentritt

gehindert sind (Ellwein/Hesse 1987: 286). Gemäß Abs. (1) be-

steht er zu zwei Dritteln aus Bundestagsabgeordneten und zu ei-

nem Drittel aus Bundesratsmitgliedern. "Die Abgeordneten wer-

den vom Bundestage entsprechend dem Stärkeverhältnis der

Fraktion bestimmt; sie dürfen nicht der Bundesregierung angehö-

ren. Jedes Land wird durch ein von ihm bestelltes Mitglied des

Bundesrates vertreten", schreibt derselbe Absatz weiter vor. Im

neuen Artikel 115e wurde die Funktion des Gemeinsamen Aus-

schusses noch weiter präzisiert.

Auch die Bestimmungen zur Abwehr innerer Bedrohungen wur-

den nun präzisiert. Der neu gefasste Artikel 91 ermöglichte den

Einsatz von Polizeikräften und des Bundesgrenzschutzes "zur

Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die frei-

Page 69: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 69

heitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines

Landes". Im Bedarfsfall konnten gemäß Artikel 87a Abs. (4) auch

die Streitkräfte "beim Schutze von zivilen Objekten und der Be-

kämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständi-

scher" eingesetzt werden, wenn die polizeilichen Kräfte hierzu

nicht ausreichten (Oberreuter 1978: 246-251).

Weiterhin wurden rechtliche Vorkehrungen zur Einschränkung

verfassungswidrig wahrgenommener Grundrechte getroffen: Eine

Reihe von Änderungen des Grundrechtskatalogs ermöglichten

nun u.a. die Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, des Post-,

Brief- und Fernmeldegeheimnisses sowie der Arbeitsplatzwahl-

freiheit. Auch die schon angesprochenen detaillierten Bestim-

mungen zur Wehrpflicht, zum Ersatzdienst und zu sonstigen

Dienstleistungsverpflichtungen für Männer und Frauen im Ver-

teidigungsfall (Art. 12a) fanden nun Eingang in die Verfassung.

Nicht weniger als 11 neu eingefügte Artikel (115a-l), die im neu-

en Abschnitt X a zusammengefasst wurden, dienten darüber hin-

aus einer umfassenden Regelung der Verfassungsordnung im

Verteidigungsfall. Für das bundesdeutsche Institutionensystem

besonders bedeutsam waren der für diesen Fall festgeschriebene

Übergang der militärischen Befehlsgewalt vom Verteidigungsmi-

nister auf den Bundeskanzler (115b), die Überführung aus-

schließlicher Landeskompetenzen in den Katalog konkurrierender

Gesetzgebung (115c), die Verlängerung von Amtszeiten bzw.

Wahlperioden der Verfassungsorgane bis sechs Monate nach En-

de des Verteidigungsfalls (115h) und die Möglichkeit beschleu-

nigter Gesetzgebungsverfahren (115d) (Oberreuter 1978: 252-

259).

Obwohl diese Bestimmungen bis heute glücklicherweise nicht zur

Anwendung gekommen sind, schaffen sie ein alternatives Institutio-

Page 70: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 70

nenszenario für den Krisen- und insbesondere für den Verteidi-

gungsfall, welches die Wehrhaftigkeit der grundgesetzlichen Ord-

nung besonders hervorkehrt und verdeutlicht, dass auch pluralisti-

sche Demokratien nicht davor zurückschrecken müssen, ihren Be-

stand mit effektiven Mitteln zu sichern.

7.4 Die Grundgesetzreform von 1994

Schon seit 1949 war in Artikel 146 GG die Möglichkeit vorgesehen,

das Grundgesetz durch eine neue Verfassung abzulösen, "die von

dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist".

Bis zur Wende 1989 spielte dieser Passus keine praktische Rolle, da

eine Wiedervereinigung des Landes als Basis für eine derartige kon-

stitutionelle Fundamentalrevision bloße Utopie darstellte. Und selbst

als die Mauer gefallen war und sich nun dafür eine Chance geboten

hätte, legten sich beide deutschen Regierungen im Einklang mit der

Bevölkerungsmehrheit recht schnell auf einen Beitritt Ostdeutsch-

lands zum Bundesgebiet gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes ohne

vorherige Schaffung einer neuen gesamtdeutschen Verfassung fest,

da dies ein wesentlich einfacheres Verfahren zur Wiedervereinigung

darstellte. Verschiedene alternative Verfassungsentwürfe (Runder

Tisch, Kuratorium für einen demokratisch verfassten Bund deutscher

Länder) wurden weitgehend ignoriert (Gerlach 1999: 77-80). Jedoch

nahm man die Wiedervereinigung zum Anlass, wenigstens im Nach-

hinein über eine fundamentale Reform des Grundgesetzes nachzu-

denken, die dem Geist des Artikels 146 Rechnung trug.

Artikel 5 des Einigungsvertrags von 1990 trug daher dem Gesetz-

geber in Form einer Empfehlung auf, "sich innerhalb von zwei Jah-

ren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufge-

worfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes

zu befassen" (Verträge zur Einheit Deutschlands 1990: 45). Insbe-

Page 71: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 71

sondere das "Verhältnis zwischen Bund und Ländern" sollte über-

prüft werden wie auch die Liste der Staatszielbestimmungen. Zudem

wurde eine spezielle Neugliederungsregelung für die Bundesländer

Berlin und Brandenburg angeregt, und schließlich solle man sich

"mit der Frage der Anwendung des Artikels 146 des Grundgesetzes

und in deren Rahmen einer Volksabstimmung" (Verträge zur Einheit

Deutschlands 1990: 46) genauer beschäftigen.

Die 1991 eingesetzte Gemeinsame Verfassungskommission, die

sich aus 64 Bundestags- und Bundesratsmitgliedern zusammensetzte,

bekam den Auftrag, entsprechende Grundgesetzänderungen auszuar-

beiten, die auch durch den Maastrichter Vertrag erforderlich gewor-

den waren (Gerlach 1999: 100-105). Da für Kommissionsentschei-

dungen jeweils Zweidrittelmehrheiten erforderlich waren, setzte dies

ein hohes Maß an Konsensbereitschaft voraus, begrenzte letztlich

aber auch die Reichweite der Reformen. Die auf den Vorschlägen

des Gremiums fußende Verfassungsrevision des Jahres 1994 umfass-

te schließlich folgende Bereiche:

Mehrere neue Staatszielbestimmungen fanden nun Eingang in das

Grundgesetz: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art.

20a), die Gleichstellung Behinderter (Art. 3 Abs. (3)) sowie die

staatliche Förderung der Durchsetzung geschlechtlicher Gleich-

berechtigung (Art. 3 Abs. (2)) sind seither integraler Bestandteil

des Grundgesetzes. Der neugefasste Artikel 23 Abs. (1) gibt dem

Bund zudem den Auftrag zur "Entwicklung der Europäischen

Union", um die "Verwirklichung eines vereinten Europas" zu er-

reichen (Gerlach 1999: 100-105) ‒ dies aber nur unter Wahrung

föderativer Grundsätze und des Prinzips der Subsidiarität: die

deutsche Souveränität und Eigenstaatlichkeit sind verfassungs-

rechtlich also weiter unantastbar.

Page 72: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 72

Eine Neubestimmung des Bund-Länder-Verhältnisses wurde

insbesondere durch Reformmaßnahmen im Bereich der Konkur-

rierenden Gesetzgebung versucht. Unter anderem sieht nun Abs.

(3) des Artikels 72 grundsätzlich vor, "dass eine bundesgesetzli-

che Regelung, für die eine Erforderlichkeit ... nicht mehr besteht,

durch Landesrecht ersetzt werden kann". Bis heute ist dieser Pas-

sus jedoch 'Verfassungslyrik' geblieben, da es in den wenigsten

Fällen einen Konsens aller sechzehn Länder über entsprechende

Kompetenzrückübertragungen gibt: Denn sie wären durchweg

mit vermehrten finanziellen Aufwendungen der Länder für die

wiedergewonnenen Aufgaben verbunden, was gerade nicht im In-

teresse der finanzschwachen ostdeutschen Bundesländer liegt

(Sturm 2001: 113-116).

Weiterhin wurde dem Wunsch nach einer Sonderregelung für die

Länderneugliederung Berlins und Brandenburgs entsprochen. Der

neu eingefügte Artikel 118a ermöglicht diese nun lapidar "abwei-

chend von den Vorschriften des Artikels 29 unter Beteiligung ih-

rer Wahlberechtigten durch Vereinbarung beider Länder". Trotz

der somit gesenkten verfassungsrechtlichen Hürden scheiterte

aber ein erster Anlauf zur Vereinigung beider Länder im Jahre

1996, als die brandenburgische Bevölkerung nach bereits erfolg-

ter Billigung durch beide Landesparlamente sowie dem positiven

Berliner Referendum das Projekt durch ihr Veto doch noch

stoppte (Laufer/Münch 1997: 257). Bis heute jedoch ist ein neuer

Anlauf in der Diskussion.

Letztlich war aber klar, dass die 1994 erfolgte "Verfassungsreform"

ihren Namen eigentlich nicht verdiente. Zu marginal waren die er-

reichten Veränderungen, als dass das Grundgesetz eine neue Qualität

erhalten hätte. Kritisiert wurde insbesondere die Nichtaufnahme

plebiszitärer Entscheidungsverfahren (Ismayr 2001: 466), welche der

Page 73: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 73

Bevölkerung über Volksbegehren oder Referenden direkten Einfluss

auf die bundesdeutsche Gesetzgebung ermöglicht hätten. Auch die

entschiedene Stärkung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten der

Landtage durch entsprechende Präzisierungen des Katalogs konkur-

rierender Gesetzgebung wurde von vielen schmerzlich vermisst.

Viele Kritiker waren sich daher in der Gesamteinschätzung einig,

dass dem Auftrag des Einigungsvertrages nach einer verfassungs-

rechtlichen Grundsatzreform letztlich nicht Rechnung getragen wor-

den war. Freilich hielt man dem entgegen, dass die nur marginalen

Änderungen der grundgesetzlichen Ordnung ja gerade als Qualitäts-

ausweis der bisherigen, bewährten Verfassung zu werten seien, die

ohne große Änderungen auch für das neue Gesamtdeutschland über-

nommen werden könne. Und doch entstand bei vielen Betrachtern

der Gesamteindruck, Zeugen eines verfassungspolitischen Immobi-

lismus geworden zu sein (Benda 2000: 227-230).

8. Diskussionsschwerpunkte der Forschung

Die Institutionenordnung des Grundgesetzes hat seit ihrer Begrün-

dung im Jahre 1949 merkliche Änderungen erfahren. Sowohl punk-

tuelle als auch umfassende Novellierungen der bundesdeutschen

Verfassung trugen in der Summe dazu bei, dass die politische Ent-

scheidungspraxis in Deutschland in vielerlei Hinsicht nicht mehr

derjenigen der fünfziger und sechziger Jahre entspricht. Im Folgen-

den sollen abschließend die wesentlichen Problemkomplexe, die

auch Gegenstand wissenschaftlicher Debatten und Kontroversen

sind, schlaglichtartig thematisiert werden.

Page 74: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 74

8.1 Machtverlust der Parlamente?

Schon in den sechziger Jahren diagnostizierte der streitbare Freibur-

ger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis einen Trend zur

Machterosion parlamentarischer Vertretungskörperschaften. Auf

Bundesebene verbuchte er eine stetige Entwicklung zu einer exeku-

tivlastigen Kanzlerdemokratie, deren "Regierungstechnik" (Hennis

1964) auf eine Entparlamentarisierung des politischen Entschei-

dungsprozesses hinauslaufe. Wesentliche Entscheidungen würden

bereits im administrativen Apparat der Ministerialbürokratie vorge-

prägt und durch die Regierung gleichsam im Eilverfahren durch das

Parlament geschleust. Adenauers straffe Regierungspraxis, die auch

durch einen kooperativen Bundesrat erleichtert wurde, ließ derartige

Schlussfolgerungen durchaus plausibel erscheinen (Doering-

Manteuffel 1983: 24-29).

Darüber hinaus verwies Hennis auf den noch weiterreichenden

Machtverlust der Länderparlamente, denen im Rahmen des immer

bundeslastiger werdenden deutschen Föderalismus immer weniger

eigene Gesetzgebungsbefugnisse zukämen und die zudem durch ihre

eigenen Landesregierungen nach dem bundespolitischen Muster

reglementiert würden (Hennis 1976: 101-107). Der deutsche Parla-

mentarismus erleide deshalb gerade auf Länderebene einen zuneh-

menden Verlust an Legitimität, da die Volksvertretungen ihrer origi-

nären, legislativen Funktion nicht mehr nachkommen könnten.

Die nachfolgende Forschung hat dieses Bild deutlich modifiziert.

Zwar hielt auf Bundesebene der Trend zur Exekutivlastigkeit der

Politik auch unter Adenauers Nachfolgern an. Jedoch zeigte sich

spätestens mit dem Machtwechsel zur sozialliberalen Koalition im

Jahre 1969, dass die reale Machtbasis des Bundestages sehr von den

konkreten parteipolitischen Konstellationen abhing: Da die Bundes-

regierung seit diesem Zeitpunkt über keine Mehrheit befreundeter

Page 75: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 75

Landesregierungen im Bundesrat verfügte (Laufer/Münch 1997:

146), stieg das parlamentarische Vetopotential der Unionsopposition

gegenüber den Regierungen Brandt und Schmidt schlagartig an, was

sich in einem ebenso deutlich gewachsenen parlamentarischen Ein-

fluss auf die Bundesgesetzgebung niederschlug: Nicht weniger als

20,2 Prozent aller in der 6. Wahlperiode (1969-72) verabschiedeten

Gesetze gingen allein auf Oppositionsinitiativen aus dem Bundestag

und dem Bundesrat zurück (Sebaldt 2002a: 51)!

Aber auch in früheren Legislaturperioden hatte die Bundes-

tagsopposition hier schon entsprechende Erfolge verbuchen können,

die allerdings nicht so spektakulär ausgefallen waren, als dass sie

öffentlich wahrgenommen worden wären. Detaillierte empirische

Analysen der Bundesgesetzgebung der fünfziger und frühen sechzi-

ger Jahre konnten hierfür konkrete Nachweise erbringen (Sebaldt

1992). Und auch für die frühen achtziger Jahre liegen ähnliche Be-

funde vor (Sebaldt 1992), welche die Rolle der Opposition als "an-

derer Beweger der Politik" (Schmid 1976: 61) belegen.

Wesentlich unstrittiger ist dagegen bis heute die These vom

Machtverlust der Länderparlamente. Die Föderalismusforschung

bestätigt durchweg einen Trend zur legislativen Unitarisierung: Der

Katalog konkurrierender Gesetzgebung wurde in den letzten Jahr-

zehnten immer länger und gleichzeitig auch immer bundeslastiger

(Kilper/Lhotta 1996: 160-162). Weitere Verfassungsänderungen

brachten zudem einschneidende Eingriffe des Bundes in originäre

Länderzuständigkeiten (neue Gemeinschaftsaufgaben von Bund und

Ländern in den Bereichen Hochschulbau, regionale Wirtschaftsför-

derung, Küstenschutz), welche die Gestaltungsspielräume der Land-

tage merklich einschränkten.

Freilich waren die dafür nötigen Grundgesetzänderungen immer

auch mit den nötigen Zweidrittelmehrheiten des Bundesrates verab-

schiedet worden, wobei der Wunsch der Länder nach finanzieller

Page 76: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 76

Beteiligung des Bundes an Landesprojekten durchweg Pate stand.

Länder und Landesparlamente trugen also selbst wesentlich zu die-

ser Unitarisierung bei. Die zaghaften Verfassungsreformen von

1994, die diesbezüglich auch eine Trendwende einleiten und den

Ausgangspunkt für die Rückübertragung von Bundeszuständigkeiten

auf die Länder bilden sollten, haben an dieser Sachlage bis heute

wenig ändern können.

8.2 Politikverflechtungsfalle?

Fritz Scharpf hat im Jahre 1985 in einem bereits klassisch geworde-

nen Aufsatz kein schmeichelhaftes Bild des deutschen Föderalismus

gezeichnet: Er sei durch eine "Politikverflechtungsfalle" gekenn-

zeichnet, welche das bundesdeutsche Staatsgefüge unbeweglich und

entscheidungsschwach mache: Die enge institutionelle Verflechtung

von Bundes- und Landesebene eröffne zu viele Veto- und Blockade-

optionen, gerade für die im Bundesrat versammelten Landesregie-

rungen, als dass bundespolitische Entscheidungen zügig gefällt und

umgesetzt werden könnten (Scharpf 1985).

Scharpfs Diagnose schloss an die schon länger existierende Kri-

tik am deutschen Verbundföderalismus an, verlieh ihr aber durch die

Systematik seiner Argumente neuen Nachdruck. Reformforderungen

wurden immer lauter, die insbesondere eine Abschwächung des

Verbundcharakters und eine deutlichere institutionelle und kompe-

tenzmäßige Trennung zwischen der Bundes- und der Landesebene

anregten. Gerade von Seiten der politischen Praxis wurde hier der

duale US-amerikanische Föderalismus immer wieder als Vorbild in

den Raum gestellt (Laufer/Münch 1997: 258), wobei die auch dort

zu beobachtenden Unitarisierungs- und Politikverflechtungstenden-

zen oft geflissentlich übersehen wurden.

Page 77: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 77

Auch Gerhard Lehmbruch diagnostizierte in seinem Klassiker

"Parteienwettbewerb im Bundesstaat" (Lehmbruch 2000) entspre-

chende Reformblockaden. Er hatte richtig erkannt, dass das gesamte

föderale Entscheidungsgefüge Deutschlands durch eine bundespoli-

tische Aufladung der Länderkammer entscheidend verändert worden

war: Hatten die Verfassungsgeber von 1949 noch im Sinn, den Bun-

desrat zum Vertretungsorgan originärer Länderinteressen zu ma-

chen, die in Verhandlungen mit Bundestag und Bundesregierung zur

Geltung gebracht werden sollten, mutierte die Länderkammer im

Laufe der Jahrzehnte jedoch immer mehr zu einer zweiten bundespo-

litischen Arena, auf welcher sich die einzelnen Ministerpräsidenten

meist nicht nach ihrer regionalen, sondern nach ihrer parteipoliti-

schen Zuordnung gegeneinander formierten (Lehmbruch 2000: 134-

178).

Lehmbruch diagnostizierte damit zu Recht ein 'Überschwappen'

des bundespolitischen konkurrenzdemokratischen "Parteienwettbe-

werbs" auf den Bundesrat zulasten regionaler Interessenvertretung

und verhandlungsdemokratischer Entscheidungssuche zwischen

Bund und Ländern. Auch auf Politik und Wahlkämpfe der einzelnen

Länder begann die Bundespolitik nun immer größeren Einfluss aus-

zuüben, indem zunehmend nationale Themen dort die Agenda be-

stimmten (Sturm 2001: 81-83).

Jedoch hat die empirische Forschung auch hier zu einer deutli-

chen Modifikation des Bildes beigetragen. Denn zum einen ließ die

Analyse der Bundesgesetzgebung keinen Zweifel daran aufkommen,

dass der Bundesrat seine Vetomacht letztlich nur behutsam ausübte

und nur punktuell Projekte völlig blockierte: Von 9256 Gesetzesvor-

lagen der 1.-14. Wahlperiode (1949-2002) versagte die Länderkam-

mer im ersten Beratungsdurchgang lediglich 150 die Zustimmung.

Nach anschließenden Vermittlungsverfahren konnte bei weiteren 84

von ihnen Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat erzielt wer-

Page 78: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 78

den. Und so blieben am Ende lediglich 66 Vorlagen übrig, die am

Einspruch der Länderkammer gänzlich scheiterten (Ziller 2003: 3).

Eine gleichmäßige parteipolitische Polarisierung in und zwischen

beiden Kammern ist also hieran nicht ablesbar, und dies auch nicht

bei abweichenden Bundestags- und Bundesratsmehrheiten. Dazu

gesagt sei jedoch, dass das Vetopotential des Bundesrates wesentlich

häufiger für die informelle Erzwingung substantieller Änderungen in

Regierungsvorlagen eingesetzt wurde, was in dieser Pauschalstatistik

natürlich nicht zum Ausdruck kommt (Ellwein/Hesse 1987: 291-

293). Aber auch dies belegt ein ausgeprägtes kammerübergreifendes

Konsenspotential.

Zudem vermochte gerade das vielgescholtene deutsche Parteien-

system drohende institutionelle Blockaden meist zu verhindern, in-

dem es die Vorkonzertierung von Bundes- und Landespolitik we-

sentlich beförderte. Wolfgang Renzsch hat darauf hingewiesen, dass

politische Vorabsprachen von Bundesregierung und Länderregierun-

gen der eigenen Couleur immer mehr im Rahmen von Parteigremien

der eigenen Bundespartei erfolgen. Gerade in Zeiten gleichartiger

Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat beschleunigt dies

den bundespolitischen Entscheidungsgang erheblich und führt zu

einer nochmaligen Reduzierung des ohnehin schon moderat gestalte-

ten Vetoverhaltens der Länderkammer. Parteien können dann erfolg-

reich als 'Schmiermittel' fungieren (Renzsch 1998); in Zeiten diver-

gierender Mehrheiten ist dieser Mechanismus allerdings Störungen

unterworfen.

8.3 Immobilismus im Mehrebenensystem?

Die fortschreitende europäische Integration hat die Verflechtung

verschiedener politischer Ebenen noch komplexer gemacht. In Fort-

führung seiner Argumentation vertrat Fritz Scharpf die These, die

Page 79: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 79

Politikverflechtungsfalle sei durch den weitreichenden Vergemein-

schaftungsprozess verschiedenster Politikfelder noch wesentlich

bedrohlicher geworden: Denn zusätzlich zu den klassischen Bund-

Länder-Problemen wüchsen nun die Abstimmungserfordernisse und

gegenseitigen Blockadepotentiale zwischen den EU-Gemeinschafts-

organen und den anderen Mitgliedstaaten einerseits und dem deut-

schen Mehrebenensystem andererseits (Scharpf 1985: 331-334).

Spätestens seit den Vertragsabschlüssen von Maastricht im Jahre

1992 war dieser Sachverhalt am langen Katalog dort verankerter

"Gemeinschaftspolitiken" der EU ablesbar: Nicht weniger als 21 von

ihnen wurden bis heute allein im EG-Vertrag festgeschrieben, von

der Agrar-, Wettbewerbs- und Handelspolitik über die Zusammenar-

beit im Zollwesen und die Sozialpolitik bis zum Verbraucherschutz

und der Bildungs- und Kulturpolitik reichend (Sebaldt 2002b: 42).

Substantielle Regelungskompetenzen der EU waren also bei jeder

politischen Entscheidung immer mehr zu berücksichtigen und rei-

cherten damit das 'traditionelle' Feld aus bundes- und landespoliti-

schen 'Vetospielern' noch um die Akteure der europäischen Ebene

an.

Doch lauerten noch weitere Probleme hinter dieser institutionel-

len Mehrebenenarchitektur. Denn nur selten wurden die Zuständig-

keiten eindeutig einer Entscheidungsebene zugeordnet, etwa in der

Agrar-, Handels- und Zollpolitik, die als voll vergemeinschaftete

Politikfelder auch voll in die Regelungskompetenz der EU fallen

(Sebaldt 2002b: 41). Beim Gros der übrigen Gemeinschaftspolitiken

ist dagegen nur eine ergänzende Zuständigkeit 'Europas' vertraglich

vorgesehen: Gemäß dem in Artikel 5 des EG-Vertrags verankerten

Subsidiaritätsprinzip soll die Gemeinschaft hier nur tätig werden,

"sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen

auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden

können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen bes-

Page 80: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 80

ser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Die Maßnah-

men der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der

Ziele dieses Vertrages erforderliche Maß hinaus". Obwohl diese

recht allgemein gehaltene Formulierung durch spätere Vertragszu-

sätze noch präzisiert wurde, lässt sie immer noch genügend Interpre-

tationsspielraum (Gündisch/Mathijsen 1999: 120).

Neben vielen anderen hat Edgar Grande daher zurecht auf die da-

raus resultierenden Entscheidungsdilemmata hingewiesen: Die letzt-

lich unscharfe Kompetenzaufteilung verführt Mitgliedstaaten wie

Gemeinschaftsorgane dazu, unbequeme Materien auf die jeweils

andere Entscheidungsebene abzuschieben ("cuckoo game") bzw. im

Falle von Problemen die Schuld dorthin zuzuweisen ("blame

avoidance") (Grande 2000: 19). Schlagendes Beispiel hierfür ist das

noch immer nicht gelöste BSE-Problem: Während Verbraucher-

schutzministerin Künast in der Vergangenheit immer wieder lauthals

auf Versäumnisse der EU verwies, die schon längst eine Richtlinie

zum endgültigen Verbot von Tiermehlbeimengungen in Viehfutter

hätte verabschieden müssen, wehrte sich der zuständige Agrarkom-

missar Fischler mit dem Argument, eine derartige Initiative sei in

den letzten Jahren in erster Linie am deutschen Widerstand geschei-

tert (Bergius 2002). Derartige Beispiele sind Legion.

Ein politischer Immobilismus könnte daher der europäischen und

der deutschen Politik in Zukunft durchaus drohen. Nicht von unge-

fähr ist es daher gerade den Deutschen ein Anliegen, in der laufen-

denden EU-Reformdiskussion auf eine klarere Kompetenztrennung

zwischen den Entscheidungsebenen hinzuwirken: Schon in ihrem

nationalen föderalen Gefüge schaffen vielfältige Kompetenzüber-

schneidungen zwischen Bund und Ländern Entscheidungsprobleme

genug. Eine dauerhafte Verankerung derselben auch in der EU wür-

de gerade unser Land vor besonders große Schwierigkeiten stellen.

Page 81: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Bibliographie

Bauer, Angela/ Mathias Jestaedt 1997: Das Grundgesetz im Wortlaut. Ände-

rungsgesetze, Synopse, Textstufen und Vokabular zum Grundgesetz.

Heidelberg.

Benda, Ernst 2000: Grundgesetz ‒ Verfassung/ Verfassungsreform, in: Uwe

Andersen/ Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen

Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4., völlig überarb. und aktual.

Aufl. Bonn, 225-232.

Bergius, Michael 2002: Im Bremser-Häuschen möchte Fischler nicht sitzen.

EU-Kommissar sieht reichlich Spielraum für die von Künast proklamier-

te Agrarwende, in: Frankfurter Rundschau, 15.01., 9.

Beyme, Klaus von 1997: Der Gesetzgeber. Der Bundestag als Entschei-

dungszentrum. Opladen.

Beyme, Klaus von 1999: Das politische System der Bundesrepublik

Deutschland, 9. Aufl. München.

Billing, Werner 2001: Der Bundespräsident, in: Raban Graf von Westphalen

(Hrsg.): Deutsches Regierungssystem. München/ Wien, 313-337.

Born, Karl Erich 1982: Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg

(Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 16), 7. Aufl. Mün-

chen.

Doering-Manteuffel, Anselm 1983: Die Bundesrepublik Deutschland in der

Ära Adenauer. Außenpolitik und innere Entwicklung 1949-1963. Darm-

stadt.

Durth, K. Rüdiger 2002: Verpasste Sternstunde. Der Politkrimi vor und

hinter den Kulissen, in: Das Parlament 52, Nr. 13-14, http://www.das-

parlament.de/2002/13_14/bundesrat/034.html.

Ellwein, Thomas/ Jens Joachim Hesse 1987: Das Regierungssystem der

Bundesrepublik Deutschland, 6., neubearb. und erw. Aufl. Opladen.

Fenske, Hans 2001: Der moderne Verfassungsstaat. Eine vergleichende

Geschichte von der Entstehung bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn et al.

Fischer Chronik Deutschland 1999: Die Fischer Chronik Deutschland 1949-

1999. Ereignisse, Personen, Daten, Frankfurt a.M.

Forsteneicher, Günter F. C. 2002: Bewaffnete Auslandseinsätze der Bun-

deswehr. Deutschlands neue Rolle in einem veränderten sicherheitspoli-

tischen Umfeld: Grundlagen ‒ Hintergründe, Stand und Perspektiven ak-

tueller Einsätze, Sonderheft IAP-Dienst. Bonn.

Page 82: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 82

Friedrich, Manfred 1986: Verfassung, in: Wolfgang W. Mickel (Hrsg.) in

Verbindung mit Dietrich Zitzlaff: Handlexikon zur Politikwissenschaft.

Bonn, 542-545.

Gerlach, Irene 1999: Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung, Strukturen

und Akteure eines politischen Systems. Mit CD: Dokumente und Quel-

len. Opladen.

Grande, Edgar 2000: Multi-Level Governance: Institutionelle Besonderhei-

ten und Funktionsbedingungen des europäischen Mehrebenensystems,

in: Edgar Grande/ Markus Jachtenfuchs (Hrsg.), Wie problemlösungsfä-

hig ist die EU? Regieren im europäischen Mehrebenensystem. Baden-

Baden, 11-30.

Gündisch, Jürgen/ Mathijsen, Petrus 1999: Rechtsetzung und Interessenver-

tretung in der Europäischen Union. Verfahren, Mitwirkung, Qualität,

Legitimation. Stuttgart et al.

Hacke, Christian 2001: Kurt Georg Kiesinger, in: Udo Kempf/ Hans-Georg

Merz (Hrsg.): Kanzler und Minister 1949-1998. Biografisches Lexikon

der deutschen Bundesregierungen, korrigierter Nachdruck. Wiesbaden,

353-359.

Hamm-Brücher, Hildegard 1990: Der freie Volksvertreter ‒ eine Legende?

Erfahrungen mit parlamentarischer Macht und Ohnmacht. München.

Hartmann, Jürgen/ Udo Kempf 1989: Staatsoberhäupter in westlichen De-

mokratien. Opladen.

Helms, Ludger 1998: Keeping Weimar at Bay: The Federal Presidency

since 1949, in: German Politics and Society 16, 50-68.

Helms, Ludger 2000a: Introduction: Institutional Change and Adaptation in

a Stable Democracy, in: ders. (Hrsg.): Institutions and Institutional

Change in the Federal Republic of Germany, Basingstoke et al., 1-31.

Helms, Ludger 2000b: The Federal Constitutional Court: Institutionalising

Judicial Review in a Semisovereign Democracy, in: Ludger Helms

(Hrsg.): Institutions and Institutional Change in the Federal Republic of

Germany, Basingstoke et al., 84-104.

Hennis, Wilhelm 1964: Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik

(Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, Bd.300/301), Tübingen.

Hennis, Wilhelm, 1976: Parlamentarische Opposition und Industriegesell-

schaft. Zur Lage des parlamentarischen Regierungssystems, in: Hans-

Gerd Schumann (Hrsg.): Die Rolle der Opposition in der Bundesrepub-

lik Deutschland. Darmstadt, 88-113 (erstm. 1956).

Hübner, Emil 2000: Parlament und Regierung in der Bundesrepublik

Deutschland, 2., überarb. und aktual. Aufl. München.

Page 83: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 83

Huhn, Jochen 1992: Die Aktualität der Geschichte. Die westdeutsche Föde-

ralismusdiskussion, in: Jochen Huhn/ Peter Christian Witt (Hrsg.): Föde-

ralismus in Deutschland. Tradition und gegenwärtige Probleme. Baden-

Baden, 31-53.

Ismayr, Wolfgang 2001: Der Deutsche Bundestag im politischen System der

Bundesrepublik Deutschland, 2., überarb. Aufl., Opladen.

Ismayr, Wolfgang 2003: Das politische System Deutschlands, in: Wolfgang

Ismayr (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hermann Groß und Markus Soldner:

Die politischen Systeme Westeuropas, 3., aktual. und überarb. Aufl. Op-

laden, 445-486.

Jäger. Wolfgang 1998: Der Präsident, in: Wolfgang Jäger/ Wolfgang Welz

(Hrsg.): Regierungssystem der USA. Lehr und Handbuch, 2., unwes.

veränd. Aufl. München/ Wien, 136-169.

Kaldrak, Gerd 1982: Soldat und Politik: Der Umgang mit Politik ‒ ein

Problem für Soldaten, in: Peter Barth (Hrsg.): Die Bundeswehr in Staat

und Gesellschaft. München, 77-112.

Kempf, Udo 1997: Von de Gaulle bis Chirac. Das politische System Frank-

reichs, 3., neubearb. und erw. Aufl. Opladen.

Kilper, Heiderose/ Roland Lhotta 1996: Föderalismus in der Bundesrepub-

lik Deutschland. Eine Einführung. Opladen.

Kleßmann, Christoph 1988: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte

1955-1970. Bonn.

Kluxen, Kurt 1983: Geschichte und Problematik des Parlamentarismus.

Frankfurt a. M.

Landfried, Christine 1984: Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber.

Baden-Baden.

Laufer, Heinz/ Ursula Münch 1997: Das föderative System der Bundesre-

publik Deutschland, 7., neu bearb. Aufl. München.

Lehmann, Hans Georg 1995: Deutschland-Chronik 1945 bis 1995. Bonn.

Lehmbruch, Gerhard 2000: Parteienwettbewerb im Bundesstaat. Regelsys-

teme und Spannungslagen im politischen System der Bundesrepublik

Deutschland, 3., aktual. und erw. Aufl. Wiesbaden.

Lhotta, Roland 2002: Konsens und Konkurrenz in der konstitutionellen

Ökonomie bikameraler Verhandlungsdemokratie: Der Vermittlungsaus-

schuss als effiziente Institution politischer Deliberation, in: Heinrich

Oberreuter/ Uwe Kranenpohl/ Martin Sebaldt (Hrsg.): Der Deutsche

Bundestag im Wandel. Ergebnisse neuerer Parlamentarismusforschung,

2., durchges. und erw. Aufl. Wiesbaden, 93-117.

Page 84: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 84

Linsenmann, Ingo 2002: Europäische Zentralbank, in: Werner Weidenfeld/

Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Taschenbuch der euro-

päischen Integration, 8. Aufl. Bonn, 176-178.

Löw, Konrad 1995: Der Staat des Grundgesetzes. München.

Niclauß, Karlheinz 1988: Kanzlerdemokratie. Bonner Regierungspraxis von

Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, Stuttgart et al.

Nohlen, Dieter 2000: Wahlrecht und Parteiensystem, 3., völlig überarb.

Aufl., Opladen.

Oberreuter, Heinrich 1975: Scheinpublizität oder Transparenz? Zur Öffent-

lichkeit von Parlamentsausschüssen, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen

6, 77-90.

Oberreuter, Heinrich 1978: Notstand und Demokratie. Vom monarchischen

Obrigkeits- zum demokratischen Rechtsstaat. München.

Oberreuter, Heinrich 1989: Von der Kapitulation zur Gründung der Bundes-

republik, in: Heinrich Oberreuter: Bewährung und Herausforderung.

Zum Verfassungsverständnis der Bundesrepublik Deutschland. Mün-

chen, 11-31.

Oberreuter, Heinrich et al. 2000: Die politischen Parteien in Deutschland.

Geschichte, Programmatik, Organisation, Finanzierung, 26. aktual. Aufl.

München.

Patzelt, Werner J. 1995: Abgeordnete und ihr Beruf. Interviews ‒ Umfragen

‒ Analysen. Mit einem Vorwort von Rita Süssmuth. Berlin.

Pfetsch, Frank R. 1990: Ursprünge der Zweiten Republik. Opladen.

Reinhard, Wolfgang 2000: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende

Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart.

München.

Renzsch, Wolfgang 1998: Parteien im Bundesstaat. Sand oder Öl im Getrie-

be?, in: Ursula Männle (Hrsg.): Föderalismus zwischen Konsens und

Konkurrenz: Tagungs- und Materialienband zur Fortentwicklung des

deutschen Föderalismus. Baden-Baden, 93-100.

Rudzio, Wolfgang 2000a: Das politische System der Bundesrepublik

Deutschland, 5., überarb. Aufl. Opladen.

Rudzio, Wolfgang 2000b: The Federal Presidency: Parameters of Presiden-

tial Power in a Parliamentary Democracy, in: Ludger Helms (Hrsg.): In-

stitutions and Institutional Change in the Federal Republic of Germany,

Basingstoke et al., 48-64.

Saalfeld, Thomas 1998: Großbritannien. Eine politische Landeskunde. Ber-

lin.

Page 85: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 85

Säcker, Horst 1998: Das Bundesverfassungsgericht. Mit Anhang "Der Baye-

rische Verfassungsgerichtshof", 5. Aufl. München.

Scharpf, Fritz W. 1985: Die Politikverflechtungsfalle: Europäische Integra-

tion und deutscher Föderalismus im Vergleich, in: Politische Vierteljah-

resschrift 26, 323-356.

Scherb, Armin 2001: Parteiverbot und Demokratie ‒ Die NPD-Verbotsdis-

kussion als Hinweis auf ein strukturelles Defizit demokratischer Streit-

barkeit, in: Uwe Backes/ Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus

& Demokratie 13, 73-91.

Schindler, Peter 1999: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bun-

destages 1949 bis 1999. Gesamtausgabe in drei Bänden. Baden-Baden.

Schmid, Carlo, 1976: Die Opposition als Staatseinrichtung, in: Hans-Gerd

Schumann (Hrsg.): Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik

Deutschland (Wege der Forschung, Bd. 422). Darmstadt, 53-65 (erstm.

1955).

Schreyer, Bernhard/ Manfred Schwarzmeier 2000: Grundkurs Politikwis-

senschaft: Studium der Politischen Systeme. Eine studienorientierte Ein-

führung. Wiesbaden.

Sebaldt, Martin 1992: Die Thematisierungsfunktion der Opposition. Die

parlamentarische Minderheit des Deutschen Bundestags als innovative

Kraft im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt

a.M. et al.

Sebaldt, Martin 2002a: Das Ringen um die thematische Lufthoheit: Zur

Konkurrenz von Regierungsmehrheit und Opposition in der Gesetzge-

bungsarbeit des Deutschen Bundestages, in: Heinrich Oberreuter/ Uwe

Kranenpohl/ Martin Sebaldt (Hrsg.): Der Deutsche Bundestag im Wan-

del. Ergebnisse neuerer Parlamentarismusforschung, 2., durchges. und

erw. Aufl. Wiesbaden, 46-62.

Sebaldt, Martin, 2002b: Parlamentarismus im Zeitalter der Europäischen

Integration. Zu Logik und Dynamik politischer Entscheidungsprozesse

im demokratischen Mehrebenensystem der EU (Otto-von-Freising-

Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Band

21), Opladen.

Shell, Kurt L. 1998: Der Oberste Gerichtshof, in: Wolfgang Jäger/ Wolf-

gang Welz (Hrsg.): Regierungssystem der USA. Lehr- und Handbuch,

2., unwes. veränd. Aufl. München/ Wien, 170-182.

Sturm, Roland 2001: Föderalismus in Deutschland. Opladen.

Page 86: Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland im ... · (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident, Bundes- verfassungsgericht) fest, bestimmen deren Beziehungen

Die Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 86

Sturm, Roland/ Heinrich Pehle 2001: Das neue deutsche Regierungssystem.

Die Europäisierung von Institutionen, Entscheidungsprozessen und Poli-

tikfeldern in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen.

Stüwe, Klaus 2002: Das Bundesverfassungsgericht als Vetospieler: Der

Erfolg oppositioneller Verfahrensinitiativen vor dem Bundesverfas-

sungsgericht (1951 ‒ 2000), in: Heinrich Oberreuter/ Uwe Kranenpohl/

Martin Sebaldt (Hrsg.): Der Deutsche Bundestag im Wandel. Ergebnisse

neuerer Parlamentarismusforschung, 2., durchges. und erw. Aufl. Wies-

baden, 145-167.

Thiel, Elke 1997: Die Europäische Union, 5., völlig neugestaltete Aufl.

München.

Verträge zur Einheit Deutschlands 1990: Die Verträge zur Einheit Deutsch-

lands. Textausgabe mit Sachverzeichnis und einer Einführung von Ingo

Münch. München.

Weber, Jürgen 1981: Geschöpfe der Alliierten. Die Länder und ihre Zu-

sammenarbeit, in: Jürgen Weber (Hrsg.): Auf dem Wege zur Republik

1945-1947, 2. Aufl. München, 301-338.

Weber, Jürgen 1982: Auf dem Weg zum Grundgesetz. Von der Londoner

Konferenz zum Parlamentarischen Rat, in: Jürgen Weber (Hrsg.): Ent-

scheidungsjahr 1948, 2. Aufl. München, 71-114.

Weber, Jürgen 1986: Der Westen formiert sich. Deutsche Soldaten auf der

Tagesordnung, in: Jürgen Weber (Hrsg.): Die Bundesrepublik wird sou-

verän. 1950-1955. München, 53-78.

Wesel, Uwe 1996: Die Hüter der Verfassung. Das Bundesverfassungsge-

richt, seine Geschichte, seine Leistungen und seine Krisen. Frankfurt

a.M.

Ziegelmayer, Veronika 2001: Sozialstaat in Deutschland: Ein Systemwech-

sel?, in: Katrin Kraus/ Thomas Geisen (Hrsg.): Sozialstaat in Europa.

Geschichte, Entwicklung, Perspektiven. Wiesbaden.

Ziller, Gebhard 2003: Die Gesetzgebungsarbeit im Spiegel der Zahlen, in:

Das Parlament 53, Nr. 3-4, 3.