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Die Kaufkraft des Geldes Ihre Bestimmung und ihre Beziehung zu Kredit, Zins und Krisen von Irving Fisher Professor der Nationalökonomie and der Yale Universität New Haven, Connecticut Unter Mitwirkung von HARRY G. BROWN, Dozent der Nationalökonomie an der Yale Universität Aus dem Englischen übersetzt von IDA STECKER, durchgesehen von Professor Dr. ST. Bauer in B asel Berlin 1916 Druck und Verlag von Georg Reimer

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Die

Kaufkraft des GeldesIhre Bestimmung und ihre Beziehung zu

Kredit, Zins und Krisen

von

Irving FisherProfessor der Nationalökonomie and der Yale Universität New

Haven, Connect icut

Un ter M itwi rkung von H ARRY G. BROWN, Dozent der Nationa lökonomie an d e r Yale Universi tät

Aus dem Engl i schen ü b er se tz t von IDA STECKER, d u r c h ge sehen von P ro fe s s o r D r . ST. B a u e r in Basel

Berlin 1 9 1 6

Druck und Verlag von G e o r g Reimer

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Alle Rechte Vorbehalten.

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Dem Gedächtnis

Simon Newcombsdes großen Gelehrten, des anregenden Freundes,

des Bahnbrechers im Studium der

„Societary Circulation“

gewidmet.

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Vorwort zur deutschen Ausgabe.

Dieses Buch will die Grundsätze darlegen, die die Kaufkraft des Geldes bestimmen, und diese Grundsätze dem Studium der geschichtlichen Veränderungen dieser Kaufkraft nutzbar machen. Dabei soll insbesondere

die in neuerer Zeit fühlbar gewordene Steigerung der „Lebenskosten“ , die in allen Ländern der Welt so lebhaft erörtert wird, Berücksichtigung finden.

Wenn die hier vertretenen Grundsätze richtig sind, so hängt die Kauf­kraft des Geldes — oder ihr Gegenstück, das Preisniveau — ausschließlich von fünf bestimmten Faktoren ab: 1. von der in Umlauf befindlichen Geld­menge; 2. von ihrer Umlaufsgeschwindigkeit; 3. von dem Volumen der dem Scheckverkehr unterworfenen Bankdepositen; 4. von deren Verkehrs­geschwindigkeit und 6. von der Menge der Umsätze, dem Handelsvolumen. Jede dieser fünf Größen ist scharf abgegrenzt, und ihre Beziehung zur Kauf­kraft des Geldes wird durch die „Verkehrsgleichung“ erschöpfend aus­gedrückt. Meiner Meinung nach sollte und wird das Gebiet der National­ökonomie, das von diesen fünf Regulatoren der Kaufkraft handelt, als exakte Doktrin anerkannt werden, die genauer Formulierung, Beweisführung und statistischer Kontrolle unterliegt.

Im Grunde genommen bestehen die wesentlichsten Thesen dieses Buches lediglich in einer neuen und erweiterten Darstellung der alten „Quantitäts­theorie“ des Geldes. Diese kann, wenn ihre übliche Formulierung gewissen Korrekturen unterworfen wird, noch immer als grundsätzlich richtig be­trachtet werden. Es ist wohl mehr eine vorurteilsfreie Nachprüfung und Revision dieser ehrwürdigen Theorie, nicht aber ihre Verwerfung, die seit langem als Bedürfnis empfunden werden.

Die umfangreiche Literatur über das Geldwesen bietet jedoch nur sehr weniges, was einer theoretisch oder statistisch genauen Formulierung und strengen Beweisführung nahekommt.

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VIII Vorwort zur deutschen Ausgabe.

Indem ich nun diesen V ersuch eines W iederaufbaus der Quantitätstheorie un ternehm e, erfü llt es m ich m it G enugtuung, m ich diesm al in der

V olksw irtschaftstheorie eher bei einer konserva tiven als bei einer rad ikalen S tellungnahm e zu ertappen . Ich em pfinde es als Unfug, daß sich a k a ­dem ische N ationalökonom en durch das G elärm der In teressen ten zu M einungs­verschiedenheiten über die g rundsätz lichen T heorien des Geldwesens verleiten ließen. Schuld daran ist die V erw irrung, die politische S treitfragen , m it denen der G egenstand v erqu ick t w urde, g e s tifte t haben .

M an h a t einm al gesagt, d aß se lbst die Theorem e E uklids in F rage geste llt und angezw eifelt w ürden , w enn sich eine politische P a r te i gegen die andere auf sie beriefe. Jedenfa lls h a t die „Q u an titä ts th e o rie “ , seitdem sie G egenstand politischen S tre ites gew orden ist, an A nsehen verloren, und es ist sogar so w eit gekom m en, d aß sie von m anchen als längst w iderlegter I rr tu m b e tra c h te t w orden ist. D ie V ersuche der A nhänger fau ler W ährungs­pro jek te, von der Q u an titä ts th eo rie einen unzulässigen G ebrauch zu m achen— wie dies im ersten B ryanschen W ahlfeldzuge geschah — , haben m anche F reu n d e einer gesunden W ährung zu r völligen V erw erfung der Q u a n titä ts ­theorie bewogen. E s is t infolgedessen erforderlich, daß die Q u a n titä ts ­theorie aufs neue, insbesondere in A m erika, der allgem einen E rkenn tn is zugänglich gem ach t werde.

N eben der Aufgabe, die die K au fk ra ft des Geldes bestim m enden G ru n d ­sä tze darzulegen, se tz t sich das B uch den Zweck, diese G rundsätze durch h istorische T atsachen u n d S ta tis tik en zu illustrieren u n d au f ih re R ich tig ­k e it h in zu prüfen. Insbesondere ist das neuerliche Steigen der Preise in seinen E inzelheiten u n te rsu c h t u n d au f seine verschiedenen U rsachen zurückgeführt w orden.

D as S tud ium der g rundsä tz lichen u n d der ta tsäch lich en F ragen , die sich m it der K au fk ra ft des Geldes beschäftigen , ist von w eit m ehr als re in a k a ­dem ischer B edeutung. Solche F rag en berüh ren das W ohlergehen jedes einzelnen in der ziv ilisierten W elt. V on jeder W endung in der Bew egung der P reise ziehen M illionen von M enschen N utzen, w ährend M illionen anderer d u rch dieselbe Bew egung zu Schaden kom m en.

Seit einem Ja h rh u n d e r t le ide t die W elt u n te r periodischen V eränderun ­gen im P re isn iveau , die wechselweise K risen u n d H andelsdepressionen v e r­u rsachen . N ur d u rch d ie K en n tn is ihres U rsprunges u n d der d am it ve r­bu n d en en T atsachen können solche Schw ankungen in Z ukun ft verm ieden oder abgeschw ächt w erden, u n d n u r durch ih re genaue K enn tn is können d ie V erluste , welche diese Schw ankungen nach sich ziehen, aufgehoben oder gem ildert werden. E s is t n ich t zu viel gesagt, w enn m an b eh a u p te t, daß

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Vorwort zur deutschen Ausgabe, IX

die M ißstände einer unbeständigen W ährung zu den bedenklichsten vo lks­w irtschaftlichen Ü beln gehören, m it denen die Z ivilisation zu käm pfen h a t, und daß das prak tische Problem , eine Lösung dieser Schw ierigkeit zu finden, von in te rnationa le r B edeutung und T ragw eite ist. N ur versuchsweise h a b e ich ein M ittel vorgeschlagen, den Übeln der W ertschw ankungen des Geldes abzuhelfen. Jedoch is t die Zeit zur A nnahm e irgendwelches zw eckdien­lichen P lanes noch n ich t gekomm en. W as gegenw ärtig vor allen D ingen notw endig ist, ist ein k lares und allgemeines V erständnis der G rundsätze und T atsachen . Z ur E rre ichung dieses Zieles soll dieses B uch folgendes beitragen :

1. einen N euaufbau der Q u an titä ts th eo rie ;2. eine E rö rte ru n g der besten Form von Indexziffern;3. einige m echanische M ethoden, um die B estim m ung des P re is­

niveaus schaubild lich darzustellen ;4. eine p rak tische M ethode zur A bschätzung der U m lau fgeschw ind ig ­

k e it des G eldes;5. s ta tis tische E rm itte lungen d e r in den V ereinigten S taa ten

Scheckverkehr unterworfenen B ankdepositen zum U nterschiede von den gewöhnlich veröffentlichten „individuellen D epositen" ;

6. eine verbesserte s ta tistische Schätzung des H andelsvolum ens und der übrigen E lem ente der V erkehrsgleichung;

7. eine gründliche sta tis tische K ontrolle der (neuaufgestellten) Q u an titä ts th eo rie des Geldes.

D a es ganz unm öglich ist, einigen dieser G egenstände ohne A nw endung der M athem atik gerecht zu w erden, so habe ich diese nach freiem Erm essen eingeführt, sie aber, soweit es angängig w ar, in den A nhang verwiesen. Diese M ethode, nach der bereits m eine früheren B ücher, The N atu re of Capita l a n d lncome und The Rate of Interest, g earbeite t sind, g e s ta tte t einen fas t g än z ­lichen A usschluß der M athem atik aus dem T ext.

In dieser, der zweiten am erikanischen Auflage folgenden deu tsehen A usgabe habe ich am Schlusse des A nhanges zum X I I K ap ite l einen Z usatz e ingeschaltet, welcher die von Professor W esley Clair M itchell verbesserten Zahlen der dem Scheckverkehr unterw orfenen D epositen en th ä lt. A ußer­dem habe ich am Schlusse des Buches einen allgem einen A nhang über die „W erts tab ilis ie ru n g des D ollars“ beigefügt.

D er g röß te Teil der sta tis tischen E rgebnisse b estä tig t die S ch luß­fo lgerungen , die Professor K em m erer in seinem w ertvollen W erke M oney a n d Credit Instrum ents in the ir Relation to General P rices, das w ährend der B e­a rb e itu n g des vorliegenden Buches im D ruck erschien, niedergelegt h a t

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X Vorwort zur deutschen Ausgabe.

Herr Professor Kemmerer war so gütig, das ganze Manuskript durchzulesen und einer eingehenden Kritik zu unterziehen, wofür ich ihm zu großem Dank verpflichtet bin.

Aufrichtiger Dank gebührt Herrn Professor F. Y. Edgeworth vom All Souls' College in Oxford und Herrn Professor A. W. Flux in Manchester, die das Manuskript des Anhanges über die Indexnummern durchgesehen, kritisiert und mir wertvolle Anregungen gegeben haben.

Herrn Dr. A. Piatt Andrew, gegenwärtig zweiter Sekretär des Schatz­amtes, danke ich für die Bereitwilligkeit, mit der er mir in seiner Eigenschaft als Spezialexperte der National Monetary Commission die Hilfsmittel dieser Kommission zur Verfügung gestellt und aus den Aufzeichnungen des Bureaus zur Kontrolle des Währungswesens das Volumen der dem Scheckverkehr unterworfenen Depositen zu den verschiedenen Zeitpunkten verflossener Jahre ausgerechnet bat; ebenso danke ich Herrn Lawrence O. Murray, Comptroller of the Currency, für seine gütige Mitarbeit bei solchen und ähn­lichen Berechnungen. Diese wertvollen Zahlen sind die ersten ihrer Art.

Ferner danke ich Herrn Gilpin vom New York Clearing House für die Besorgung der verschiedenen Zahlen, die im Texte spezifisch aufgeführt

worden sind; Herrn Richard M. Hurd, Präsident der Lawyers Mortgage Co., für das Durchlesen eines Teiles des Manuskriptes und für seine wertvolle Kritik; Herrn John O. Perrin, Präsident der American National Bank of Indianapolis, für die Statistik über die „Aktivität“ der Bankguthaben in seiner Bank, und den Beamten der National New Haven Hank sowie der City Bank of New Haven für analoge Ziffern.

Dem Economic Journal bin ich für die Erlaubnis, einige Teile meines Artikels über „The Mechanics of Bimetallism“, welcher im Jahre 1894 in genanntem Journal erschien, unverändert abzudrucken, und dem Journal of the Royal Statistical Society für die gleiche Erlaubnis in bezug auf meinen im Dezember 1909 erschienenen Artikel über „ A Practical Method for esti- mating the Velocity of Circulation of Money' ‘ zu Dank verpflichtet.

Wertvolle Dienste sind mir von einer Anzahl meiner Studenten durch das Sammeln und die Anordnung statistischer Angaben geleistet worden. Ich möchte hierbei folgende Herren erwähnen: Mr. Seimin Inaoka, Mr. Morgan Porter, Mr. N. S. Fineberg, Mr. W. E. Lagerquist, Messrs. G. S. und L. A. Dole, Dr. John Bauer, Dr. John Kerr Towles, Dr. A. S. Field, Mr. A. G. Boesel, Mr. W. F. Hickernell, Mr. Yasuyiro Hayakawa, Mr. Chester A. Phil­lips und Mr. R. N. Griswold. Letzterer hat die mit der Ermittlung einer Indexnummer für das Handelsvolumen verbundenen mühsamen Berech­nungen vorgenommen.

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Vorwort zur deutschen Ausgabe. XI

M ehr als irgend jem and bin ich jedoch m einem B ruder, H errn H e rb e rt W . F isher, u n d m einem Kollegen, H errn Dr. H arry G. Brow n, aufrich tigen D ank schuldig; dem ersteren verdanke ich eine scharfe und gründliche K ritik des ganzen Buches vom S tan d p u n k te d idak tisch e inw andfreier D arste llung , dem letz teren sowohl eine allgem eine, anregungsreiche K ritik a ls auch D eta ilarbeiten zu allen Teilen des Buches, ln A nerkennung der m ir durch Mr. Brown geleisteten U n te rs tü tzung habe ich seinen N am en a u f das T ite l­b la t t gesetzt.

A ußer der vorstehend an e rk an n ten U n te rs tü tzung habe ich se it V er­öffentlichung der ersten am erikanischen Ausgabe w ichtige A nregungen, H inweise auf D ruckfehler und w eitere K ritiken erhalten . N achstehenden H erren bin ich nach dieser R ich tung hin zu großem D ank verp flich te t: M ajor W. E. M cKechnie vom indischen S an itä tsd ien st in E taw ah in den V ereinigten Provinzen Ind iens; Professor W arren M. Persons, Colo­rado College, Colorado Springs, Col.; Mr. J . M. K eynes, H erausgeber des Economic Jo u rn a l, K ings College, C am bridge; Mr. (Carl Snyder, S chriftste ller, New Y ork C ity ; Mr. Jam es B onar, königl. M ünzmeis te r in O ttaw a, C an ad a ; Professor A llyn A. Y oung an der W ashington U n iversitä t in S t. Louis, M o.; Professor S tephan B auer, D irek to r des In te rnationa len A rbeitsam tes in Basel, Schw eiz; Professor W esley Clair M itchell, New Y ork C ity und P ro ­fessor O . M. W . Sprague, H arv a rd U n iversitä t, Cam bridge, Maas.

G anz besonders aber m öchte ich H errn Professor S tephan B auer von der U n iv e rs itä t Basel m einen au frich tig sten D ank fü r die Revision der Ü ber­setzung aussprechen. N ur dank seiner großen B em ühung und technischen Sachkenntn is w ar es m öglich, den an eine derartige Ü bersetzung geste llten A nforderungen gerech t zu werden.

Auch d rän g t es m ich, H errn Dr. A ugust Carl M ahr von der Y ale U n i­v e rs itä t, dessen M itw irkung zum Gelingen der Ü bersetzung beigetragen h a t, an dieser Stelle m einem besten D ank A usdruck zu geben.

U nd schließlich m öchte ich H errn Dr. V. Kurlau in Base l, der die G üte h a tte , den A nhang zu diesem Buche auf die m athem atische Ausdrucksweise

hin zu prüfen , m einer aufrich tigen D ankbarkeit versichern .Die erste am erikanische Auflage (1911) h a t sich in A m erika u n d in

E u ro p a gleichgroßer Z ustim m ung erfreu t. Die Rezensionen, d ie das Buch ausführlich b e u rte ilt haben , Bind haup tsäch lich folgende:

W arren M. Persons, Quarterly Publicat ions of the A m erican S ta ­tistical Association, Bd. X I I , D ezem ber 1911.

O.M. W . Sprague, The Quarterly J o u rn a l of Economics, Bd. X X V I, N ovem ber 1911.

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Inhaltsverzeichnis.

K ap itel S e ite

I. Begriffsbestimmungen.................................................................................................. 1II. Beziehungen der Kaufkraft des Goldes zur Verkehrsgleichung....................... 7

III. Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung und infolgedessen aufdie Kaufkraft................................. ............................................................................... 26

IV. Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Übergangs. . . . 44V. Indirekte Einflüsse auf die K aufkraft................................................................... 59

VI. Indirekte Einwirkungen (Fortsetzung)................................................................... 72VII. Einwirkung der Geldsysteme auf die Kaufkraft ................................................. 89

VIII. Einwirkung der Geldquantität und anderer Faktoren auf die Kaufkraft undihre Wechselwirkung.................................................................................................... 118

IX. Die Zerstreuung der Preise macht eine Indexnummer für die Kaufkrafterforderlich............................ ............................................ ....................................... 149

X. Die besten Indexnummern der Kaufkraft............................................................. 160XI. Statistischer Nachweis. Allgemeiner historischer Rückblick ......................... 189

XII. Statistiken der letzten Jahre.................................................................................... 225XIII. Das Problem, die Kaufkraft stabiler zu gestalten ............................................. 261Anhang zum II. Kapitel .................................................................................................. 286Anhang zum III. Kapitel .................................................................................................. 302Anhang zum V. Kapitel .................................................................................................. 304Anhang zum VI. Kapitel ............................................. ............................................. 305Anhang zum VII. Kapitel .................................................................................................. 308Anhang zum VIII. Kapitel .................................................................................................. 311Anhang zum X. Kapitel ............................................... .................................................. 316Anhang zum XII. Kapitel ........................................... ..................................................... 357Anhang zur zweiten Auflage über die „Wertstabilisierung des Dollars“ ................ 416

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A n a l y t i s c h e s I n h a l t s v e r z e i c h n i s .

SeiteI. Kapitel.

Begriffsbestim m ungen.

§ 1. Reichtum und Austausch ............... ................................. ..................................... 1§ 2. Austauschbare Güter ....................... ................................................................. 3§ 3. Umlauf des Geldes gegen Güter ......................................................... ................. 5

II. Kapitel.

Beziehungen der K au fk raft des Geldes zur Verkehrsgleichung.

§ 1. Die verschiedenen Zirkulationsmittel .................................................................. 7§ 2. Die Verkehrsgleichung arithmetisch ausgedrückt ................................................ 11§ 3. Die Verkehrsgleichung mechanisch ausgedrückt............... ................... ............. 17§ 4. Die Verkehregleichung algebraisch ausgedrückt ...................... .................... 19§ 5. Schlußfolgerung und Erläuterungen...................................................................... 23

III. Kapitel.

E influß der D epositenum laufsm ittel au f die G leichung und infolgedessenauf die K aufkraft.

§ 1. Das Mysteriöse des Kreditumlaufs . ........................................ ........................... .. 26§ 2. Die Basis des Kreditumlaufs . . . . . . ..................... .......................................... . 32§ 3. Beschränkungen des Bankwesens .......................................... ............................. 34§ 4. Revision der Verkehrsgleichung....... ..................................................................... 38§ 6. Depositenumlaufsmittel in ihrem normalen Verhältnis zum Gelde ................. 40§ 6. Zusammenfassung ........................................................................................ .......... 43

IV. Kapitel.

S tö rung der Gleichung und d e r K au fk ra ft in Perioden des Ü bergangs.

§ 1. Langsamkeit der Zinsadjustierung an die Preisbewegungen............................. 44§ 2. Wie ein Steigen der Preise ein weiteres Steigen nach sich zieht .................. 47§ 3. Umfang der Störungen in der Gleichung ..................... ................................., . 49§ 4. Wie ein Steigen der Preise in einer Krisis Beinen Höhepunkt erreicht. . . . . . 61§ 6. Vollendung des Kreditzyklus............................................................... .. 64§ 6. Zusammenfassung....................................................................................... ......... .. 58

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XVI Analytisches Inhaltsverzeichnis.

V. Kapitel.Seite

Indirekte Einflüsse auf die K aufkraft.

§ 1. Einfluß der Produktions- und Konsumtionsbedingungen auf den Handel unddaher auf die Preise..................................................................................................... 59

§ 2. Einfluß der Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten auf denHandel und daher auf die Preise ............................................................................. 62

§ 8. Einfluß persönlicher Gewohnheiten auf die Umlaufsgeschwindigkeit und daherauf die Preise..................................................................... ........................................... 63

§ 4. Einfluß der Zahlungssysteme auf die Umlaufsgeschwindigkeit und daher aufdie Preise ........................................................................................................................ 67

§ 5. Einfluß allgemeiner Ursachen auf die Umlaufsgeschwindigkeit und daher aufdie Preise ........................................................................................................................ 70

§ 6. Einflüsse auf den Umfang der dem Scheckverkehr unterworfenen Depositenund daher auf die Preise ............................................................................................ 71

VI. Kapitel.

Indirekte E inw irkungen (F ortse tzu n g ).

§ 1. Einfluß des Außenhandels auf die Geldmenge und daher auf die Preise . . . . . 72 § 2. Einfluß des Schmelzens und Ausmünzens auf die Geldmenge und daher auf.

die Preise ..................................................... .................................................................. ..... 77§ 8. Einfluß der Produktion und Konsumtion der Geldmetalle auf die Geldmenge

und daher auf die Preise ........................................................................................... ..... 79§ 4. Mechanische Darstellung dieser Einflüsse ........................................... ......................... 84

VII. Kapitel.

E inw irkung der G eldsystem e auf die K aufkraft.

§ 1. Das Greshamsche G esetz...................... ......................................................................... 89§ 2. Fälle, in denen der Bimetallismus sofort versagt........................................... . 91§ 3. Fälle, in denen der Bimetallismus versagt, nachdem die Produktion die Kon­

sumtion überholt h a t .................................................................................................. 97§ 4. Die hinkende Währung; die Golddevisenwährung................................................ 101§ 5. Der Bimetallismus in Frankreich ................................................................. ............ 105§ 6. Lehren aus dem französischen Experiment............................................................. 108§ 7. Die hinkende Währung in Indien............................................................................. 110§ 8. Die hinkende Währung in den Vereinigten Staaten.............................................. 112§ 9. Allgemeine Beschreibung des Systems in den Vereinigten S taaten ................ .. 114

VIII. Kapitel.

E inw irkung der G eldquantität und anderer F aktoren auf die K au fk raftu nd ihre W echselw irkung.

§ 1. Die Verkehrsgleichung drückt keinen kausalen Zusammenhang zwischen ihrenGliedern aus .................................................................................................................... 118

§ 2. Wirkungen einer Veränderung im Gelde (G). Die Quantitätstheorie in kausalemSinne ................................................................................................................................ 120

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Seite§ 3. Die Quantitätstheorie in Übergangsperioden nicht vollständig gültig............. 129§ 4. Wirkungen einer Veränderung in den Depositen (G') in Beziehung zum

Gelde (G) ................................................................................................................ 182§ 5. Wirkungen von Veränderungen in der Umlaufsgeschwindigkeit (U und U') . . 134§ 6. Wirkungen von Veränderungen im Handelsvolumen (in den Q)..................... 134§ 7. Kann das Preisniveau als Ursache und als Wirkung betrachtet werden? . . . 138 § 8. Unterscheidung zwischen der Verursachung individueller Preise und dem Preis­

niveau ..................................................................................................................... 142§ 9. Zusammenfassung ................................................................. ............................... 148

Analytisches Inhaltsverzeichnis. XVII

IX. Kapitel.

Die Z erstreuung der Preise m ach t eine Indexnum m er fü r d ie K au fk ra fterforderlich.

§ 1. Einige Preise reagieren nur schwerfälllig auf allgemeine Preisbewegungen . . . 149§ 2. Infolgedessen müssen andere Preise überstark reagieren .......................................154§ 3. Umformung der rechten Seite der Verkehrsgleichung von SUMMA pQ in PH . . . . 157§ 4 . Zusammenfassung ....................................................... ..............................................159

X. Kapitel.

Die b esten Indexnum m ern der K aufk raft.

§ 1. Formen der Indexnummern ....................................................................... ........... ...160§ 2. Die verschiedenen Zwecke der lndexnummern .....................................................165§ 3. Die Indexnummer als Norm für aufgeschobene Zahlungen ..................... ...........168§ 4. Aufgeschobene Zahlungen auf dem Gesamtaustausch beruhend........................176§ 6. Praktische Beschränkungen .................................................................................. ...182§ 6. Zusammenfassung .................................................... , ............................................. ...187

XI. Kapitel.

S ta tis tischer Nachweis. Allgem einer h istorischer R ückblick .

§ 1. Die letzten tausend Jahre ................. .......................... .........................................189§ 2. Die letzten vier Jahrhunderte........................................................ .......................191§ 3. Das neunzehnte Jahrhundert...................................................................................192§ 4. Seine fünf Preisbewegungen ...................................................................................194§ 6. Rückblick ............................................................................................................... ...200§ 6. Ausblick...................................*............................ ................................................. ..201§ 7. Papiergeld ......................... . ......................................................................................202§ 8. Das Papiergeld in Frankreich . . ...........................................................................204§ 9. Das Papiergeld in England........ . . ........... .............................................................205§ 10. Das Papiergeld in Österreich ............................................................... . ............. ..207§ 11. Frühamerikanisches Papiergeld ............................................................. ............ ..208§ 12. Die „Greenbacks“ ..................... ...................... .....................................................209§ 13. Vertrauen auf den „Greenback“ ......................................................................... ..212§ 14. Das Papiergeld der konföderierten Südstaaten ...................................................214

Fisher, Kaufkraft des Geldes. b

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Beite§ 15. Depositenumlaufsmittel und Krisen ............................................ ...................... ...216§ 16. Besondere Krisen ............... ................................................................................. ...218§ 17. Depositenumlaufsgeschwindigkeit und K risen................................................... ...220§ 18. Zusammenfassung .............................................. ......... ........................................ ...223

XII. Kapitel.

S ta tis tik en d e r le tz te n Jah re .

§ 1. Kümmerers Statistiken, 1879—1908 .................................................... ..................225§ 2. Neue Schätzungen von G und G', 1896—1909 ...................................................228§ 3, Neue Schätzungen von G' U' und U' , 1896—1909 ................... ..................... ... 230§ 4. Neue Schätzungen von GU und U, 1896—1909 ............................................ ... 233§ 5. Schätzungen von II und P, 1896—1909 ............................................ .................. 237§ 6. Direkte und indirekte Berechnung von P .................................... ......................238§ 7. Korrektur von Abweichungen ................................................................................ 243§ 8. Die Endergebnisse............................................................................................ . 248§ 9. Die relative Wichtigkeit preissteigernder Ursachen.......................................... ... 251§ 10. Einfluß vorau gehender Ursachen, z. B. der Zölle usw........................................255§ 11. Resultate und Nebenergebnisse des XII. K apitels.......................................... ... 268

XIII. Kapitel.

D as P rob lem , die K au fk ra ft stab ile r zu gesta lten .

§ 1. Das Problem der Geldreform............................................................................... ....261§ 2. Der Bimetallismus als dessen Lösung ................................................................. ....264§ 8. Vorschläge anderer Lösungen................................................................................ ....269§ 4. Die Tabellenwährung ...... .................... .................................................................. ....272§ 6. Der Vorschlag des Verfassers.............................................................................. ....276§ 6. Zusammenfassung und Schluß............................................................... .............. ....284

X V III Analytisches Inhaltsverzeichnis.

A n h a n g ,

A n h a n g zum II. K ap ite l.

§ 1 (zum II. Kapitel, § 3). Der Begriff eines Mittelwertes.................................... 286§ 2 (zum II. Kapitel, § 5). Der Begriff „Umlaufsgeschwindigkeit“ ..................... 289§ 3 (zum II. Kapitel, § 5). Anordnung der p, Q und p Q ..................................... 291§ 4 (zum II. Kapitel, § 6). Anordnung der a, g und U .................................— 294§ 6 (zum II. Kapitel, § 6). Der Münzenübertragungsbegriff der Geschwindigkeit

und der Begriff Um satzzeit.................................................................................. 298§ 6 (zum II. Kapitel, § 5). Algebraische Darlegung der Verkehrsgleichung . . . . . 299 § 7 (zum II. Kapitel, § 5). P muß eine spezifische Form des Durchschnittes sein,

um sich direkt wie G und U und umgekehrt wie die Q zu verändern............ 300

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A n h an g zum M . K ap ite l. Seite

§ 1 (zum III. Kapitel, § 2). Anordnung der k und r ............................................. 302§ 2 (zum III. Kapitel, §4). Algebraische Darlegung der Verkehrsgleichung mit

Einschluß der Depositenumlaufsmittel.................................................................. 303

Analytisches Inhaltsverzeichnis. XIX

A n h an g zum V. K apite l.

§ 1 (zum V. Kapitel, § 5). Wirkung des Zeitkredits auf die Verkehrsgleichung.. . 304

A n h a n g zum VI. K ap ite l.

§ 1 (zum VI. Kapitel, § 1). Die durch den internationalen Handel erforderlicheModifikation der Verkehrsgleichung .................................................................... 305

A n h a n g zum VII. K apite l.

§ 1 (zum VII. Kapitel, § 2). Geldsurrogate ungleich anderen Ersatzmitteln . . . . 308 § 2 (zum VII. Kapitel, § 2). Grenzen der Verhältnisse, innerhalb deren der Bi-

metallismus möglich i s t ......................................................................................... 310

A n h a n g zum V III. K ap ite l.

§ 1 (zum VIII. Kapitol, § 6). Umsatzstatistik on der Yale U niversität.............. 811§ 2 (zum VIII. Kapitel, § 8). Gegenüberstellung von vier Warengattungen . . . . 314

A n h a n g zum X. K ap ite l.§ 1. Jede Form der Indexziffer für Preise umfaßt eine korrelative Form der Index-

ziffer für Quantitäten......... ....................................................................................§ 2. Indexziffern für Preise kommen ebenso wie die Indexziffern für Quantitäten

in antithetischen Paaren vor .............................. .......................................§ 3. Allgemeine Bedeutung der p und Q ....................................................................§ 4. Übersicht über die 44 Formeln als Kolonnentitel der Tabelle.....................§ 6. Übersicht über die als Titel der Tabellenreihen figurierenden acht Proben . . .§ 6. Der innere Teil der Tabelle, insbesondere Kolonne 11............................. .........§ 7. Vergleich der 44 Formeln ......................................................................................§ 8. Gründe für die Bevorzugung der Mittelzahl für praktische Zwecke ..............§ 9. Kurze zusammenfassende Übersicht............................................ ........................

A n h a n g zum X II. K ap ite l.

§ 1 (zum XII. Kapitel, § 1). Kemmerers Berechnungen..........................................357§ 2 (zum XII. Kapitel, § 2). Methode zur Berechnung von G ........................... ...359§ 3 (zum XII. Kapitel, § 2). Methode zur Berechnung von G' ......................... ...362§ 4 (zum XII. Kapitel, § 3). Methode zur Berechnung von G' U' für die Jahre

1896 und 1909 .......................................................................................................... ...368§ 5 (zum XII. Kapitel, § 3). Methode zur Berechnung von G' U' für die Jahre

1897—1908 ..................................................................................................................373

316

321323324 330 338 346 353 356

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Seite§ 6 (zum XII. Kapitel, § 4). Allgemein anwendbare Formel zur Berechnung

X X Analytisches Inhaltsverzeichnis.

von U ............................................................................................................................. 375§ 7 (zum X II. Kapitel, § 4). Anwendung der Formel zur Berechnung von U

für die Jahre 1896 und 1909 ..................................................................................... 386§ 8 (zum XII. Kapitel, § 4). Interpolation der U-Werte für die Jahre

1897—1908 .................. ................................................................................................... 401§ 9 (zum XII. Kapitel, § 5). Methode zur Berechnung von H ............................. 402§ 10 (zum XII. Kapitel, § 5 ). Methode zur Berechnung von P ............................ 409§ 11 (zum XII. Kapitel, § 7). Gegenseitige Angleichungen der berechneten Werte

von G, G', U, U ', P und U ..................................................................................... 411§ 12 (zum XII. Kapitel, § 8). Kredit- und Bargeldgeschäfte. Vergleich mit

Kinleys Schätzungen .................................................................................................... 413

Nachtrag zur zweiten (amerikanischen) Auflage............................................................... 415

Anhang zur zweiten (amerikanischen) Auflage über die „Wertstabilisierung desDollars“ ............................................................................................................................ 416

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I. K a p i t e l 1).

B e g r i f f s b e s t i m m u n g e n .

§ 1.

Um die Beziehungen des in diesem B uche behandelten Problem s zu dem G esam tgebiete der N ationalökonom ie k larzustellen , sind einige G ru n d ­begriffe zu definieren.

In e rs te r R eihe kann die Nationalökonomie selbst als die W issenschaft vom Reichtum (w ealtlh) und Reichtum als der Inbegriff m aterieller, im B e­sitze der M enschen befindlicher G egenstände bezeichnet w erden. Zum R eich tum gehören d aher zwei H aup tm erkm ale : S tofflichkeit und A n ­eignung. N ich t alle m aterie llen D inge können daher im R eich tum in b e ­griffen w erden, sondern n u r solche, von denen m an Besitz ergriffen h a t . W eder Sonne, M ond und andere H im m elskörper, noch alle Teile der O ber­fläche unseres P lan e ten können als R eich tum b e tra c h te t w erden, sondern n u r solche Teile, welche zu m enschlichem G ebrauche angeeignet w orden sind. E s sind d ah er angeeignete S tücke der E rdoberfläche und angceignete G egenstände darauf, die den R eichtum bilden.

M an kan n zweckm äßigerweise drei K ategorien von R eichtum u n te r ­scheiden: Boden (real e s ta te ) , W arm (com m odities) und Afetischen. U n te r Boden verstehen w ir ein S tück E rdoberfläche und andere h ierm it verbundene R cich tum sbcstand teile — M eliorationen, wie G ebäude, D äm m e, G räben , E isenbahnen, S traß en b au ten usw. U n ter W aren verstehen w ir allen M obiliar­re ich tum (m it A usnahm e des M enschen se lbst), sowohl R ohm ateria lien a ls F ertig p ro d u k te . E s g ib t nun eine besondere W a re n g a ttu n g — ein gewisses F e rtig p ro d u k t — , das fü r den in diesem B uche behandelten G egenstand von besonderer B edeu tung ist, näm lich das Geld. U m Geld zu sein, m uß eine W are im A ustausch allgem ein an n eh m b ar sein, und jede im A ustausch

i) Dieses Kapitel bildet vornehmlich eine gedrängt« Wiedergabe der Kapitel I und II des Baches des Verfassers „The Nature of Capital and Income‘\ New York (Macmillan) 1906.

F ish e r , Kaufkraft des Geldes. 1

f

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I. Kapitel.

allgemein annehmbare Ware sollte Geld genannt werden. Den besten Typus einer als Geld fungierenden Ware stellen heutzutage Goldmünzen dar.

Von allem Reichtum ist der Mensch gleichfalls eine Spezies. Seinen Pferden oder Rindern gleich ist er selbst ein materieller Gegenstand und gleich diesen der Aneignung unterworfen; denn ist er Sklave, so gehört er einem anderen an, und ist er frei, sich selbstx).

Obwohl jedoch der Mensch als Reichtum betrachtet werden kann, sind menschliche Eigenschaften, wie Geschick, Intelligenz und Erfindungs­gabe kein R eichtum. Ebensowenig wie die Härte des Stahls kein Reichtum ist, sondern nur die Eigenschaft einer besonderen Art von Reichtum — harten Stahls so ist die Geschicklichkeit eines Arbeiters kein Reichtum, son­dern nur die Eigenschaft einer anderen besonderen Art von Reichtum: „des tauglichen Arbeiters“. Ebenso ist nicht die Intelligenz an sich Reich­tum ; dagegen ist ein intelligenter Mensch Reichtum.

Da Stofflichkeit eines der beiden Hauptmerkmale des Reichtums ist, kann jeder Reichtumsbestandteil durch physikalische Einheiten gemessen werden. Land wird in Hektaren, Kohle in Doppelzentnern, Milch in Litern und Weizen in Scheffeln gemessen. Zur Abschätzung der Quantität der verschiedenen Reichtumsbestandteile können daher die verschiedenen physikalischen Maßeinheiten angewandt werden: Längen-, Flächen-, Hohlmaße und Gewichte.

Wenn immer ein Reichtumsbestandteil mittelst einer solchen Einheit gemessen wird, so bedeutet dies zugleich den ersten Schritt zur Messung jener geheimnisvollen Größe, die „ Wert“ genannt wird. Zuweilen wird der Wert als psychisches und zuweilen als physisches Phänomen betrachtet. Obgleich aber die Wertbestimmung immer einen psychischen Prozeß, die Fällung eines Urteils, bedeutet, so ist doch die Ausdrucksweise, in der die Resultate bestimmt und bemessen werden, physikalischer Natur.

Der Klarheit wegen ist es wünschenswert, vermittelst dreier grund­legender Begriffe zum eigentlichen Wertbegriff zu gelangen. Diese sind: Übertragung, Austausch und Preis.

Unter Übertragung von Reichtum versteht man einen Wechsel der Eigentümer. Ein Austausch besteht aus zwei gegenseitigen und freiwilligen Übertragungen, von denen sich die eine auf die andere bezieht.

1) Wenn wir vorziehen, Sklaven allein und nicht freie Männer in den Begriff Reich­tum einzuBchließen, so müssen wir die Definition von Reichtum folgenderweise abändem: Reichtum besteht aus materiellen, vom Menschen angeeigneten Gütern seiner Außenwelt. Für den Zweck dieses Buches ist es gleichgültig, ob der engere oder weitere Begriff ange­wandt wird.

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Hcgriffsbeüti nun ungcn. 3

Wenn eine gewisse Quantität irgendwelcher Art von Reichtum gegen eine gewisse Quantität einer anderen Art umgetauscht wird, ho können wir die eine der beiden Quantitäten durch dio andere dividieren und erhalten damit den Preis der letzteren. Wenn z. B. zwei Dollar in Gold in drei SchciTcl Weizen umgetauscht werden sollen, so ist der Preis des Weizens in Gold zwei Drittel eines Dollar per Scheffel, und der Preis des Goldes, in Weizen ausgedrückt, ist ein und ein halb Scheffel pro Dollar. Es ist zu beachten, daß dies die Verhältnisse zwischen zwei physischen Quantitäten sind, deren Messungseinheiten voneinander ganz verschieden sind. Die eino Ware wird in Scheffeln oder Einheiten der Weizenmenge, die andere in Dollar oder Einheiten des Goldgewichtes gemessen. Im allgemeinen ist der Preis irgend* welcher Spezies eines Reichtums bloß das Verhältnis zweier materieller Quantitäten, in welcher Weise eine jede von beiden ursprünglich auch ge­messen werden mag.

Wir kommen nun schließlich zum Wertbegriff. Der Geldwert (value) irgendwelches Postens von Reichtum ist dessen Preis multipliziert mit seiner Quantität. Wenn daher ein halber Dollar per SchciTcl der Preis des Weizens ist, so beträgt der Geldwert von hundert Scheffeln Weizen fünfzig Dollar.

§ 2 .Wir haben bisher unsere Betrachtung auf einige Ableitungen aus dem

ersten der Bcgriffsmerkmale des Reichtums, dem seiner Stofflichkeit, be­schränkt. Wir wenden uns nun dem zweiten Grundmerkmale, Bciner An­eignung, zu. Reichtum eignen (own) bedeutet einfach das Recht, von ihm Nutzen zu ziehen, d. h. die Dienst- und Nutzleistungen (services and bene- . fits) des Reichtums zu genießen. So kann der Eigentümer eines Laibes Brot aus ihm dadurch Nutzen ziehen, daß er es ißt, es verkauft oder anderweitig darüber verfügt. Der Besitzer eine« Hauses hat das Nutzungsrecht, das ihm dadurch gebotene Obdach selbBt zu genießen, cs zu verkaufen oder es zu vermieten. Dieses Recht, das Recht an oder auf die Nutzleistungen des Reichtums — oder kurz das Recht auf den oder an dem Reichtum selbst — wird hier „Eigentumsrecht“ oder kurzweg „ Eigentum“ genannt.

Wenn die Objekte des Reichtums stets in vollem ungeteilten Eigen­tum stünden, d. h. wenn keine Teilung des Eigentums — keine Teilhaber- rechte, keine Gewinnanteile damit verbunden wären, ferner, wenn es keine Aktiengesellschaften gäbe, so wäre es ziemlich irrelevant, zwischen Eigen­tum und Reichtum zu unterscheiden. Aber das Eigentumsrecht auf ein Vermögen ist häufig geteilt, und durch diese Tatsache wird eine sorgfältige

1*

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4 I. Kapitel.

Unterscheidung zwischen dem im Besitz befindlichen Gegenstand und den Kochten der Eigentümer notwendig. Eine Eisenbahn ist also ein Stück Reichtum. Aktien und Prioritäten sind Ansprüche auf diesen Reichtum. Jeder Inhaber von Aktien oder Prioritäten hat ein Anrecht auf einen Bruch­teil des von der Eisenbahn abgeworfenen Gewinnes. In ihrer Gesamtheit umfassen diese Berechtigungen das vollständige Verfügungsrecht über die Eisenbahn oder das Eigentum an der Eisenbahn.

Ebenso wie der Reichtum können auch Eigentumsrechte gemessen werden; ihre Maßeinheiten tragen aber einen anderen Charakter. Die Ein­heiten des Eigentumsanrechts sind nicht physischer Natur, sondern sie bestehen aus abstrakten Ansprüchen auf die Nutzleistungen des Reichtums. Für einen Mann, der fünfundzwanzig Aktien einer Eisenbahngesellschaft besitzt, besteht das Maß seines Eigentums in fünfundzwanzig Einheiten so gut, wie wenn er fünfunzdwanzig Scheffel Weizen besäße. Was er besitzt, sind aber fünfundzwanzig Anrechte einer besonderen Gattung.

Es gibt verschiedene Einheiten zur Messung des Eigentums, wie es ver­schiedene Einheiten zur Bemessung des Reichtums gibt; und dieselben Be­griffe der Übertragung, des Austausches, des Preises und Wertes, die auf den Reichtum Anwendung finden, können auf das Eigentum genau so gut angewandt werden.

Neben der Unterscheidung zwischen Reichtum und Eigentum soll hier noch eines anderen Unterschiedes gedacht werden. Dies ist die Unter­scheidung zwischen Eigentumsanrechten und Ausweisscheinen (Certificates) dieser Anrechte. Erstere sind die Anrechte auf die Benutzung des Reich­tums; letztere sind nur schriftliche Beweismittel für das Vorhandensein dieser Anrechte. Der Anspruch auf die Dividenden einer Eisenbahn ist also ein Eigentumsrecht, das geschriebene Dokument indessen, durch das dieses Anrecht anerkannt wird, ist ein Ausweisschein. Das Recht auf eine Eisen­bahnfahrt ist ein Eigentumsrecht; die Fahrkarte, die dieses Recht zugesteht, ist ein Eigentumsausweisschein. Das Versprechen einer Bank ist ein Eigen­tumsrecht; die Banknote, auf der dieses Versprechen aufgedruckt ist, ist ein Eigentumsausweis.

Jedes Eigentumsrecht, das im Austausch zur allgemeinen Annahme ge­langt, kann „Geld“ genannt werden. Das gedruckte Beweismittel seiner Existenz wird ebenfalls Geld genannt. Hierdurch entstehen drei Bedeutungen des Ausdruckes Geld, nämlich: seine Bedeutung im Sinne von Reichtum; seine Bedeutung im Sinne von Eigentum2) und seine Bedeutung im Sinne

*) Siehe K . Menger, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Jena (Fischer), Bd. IV, 1910, Artikel „Geld“, Seite 665—568.

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Begriffsbestimmungen. 5

eines urkundlichen Nachweises. Vom Standpunkt volkswirtschaftlicher Analyse ist seine Bedeutung im Sinne von Eigentum die wichtigste.

Das Eigentumsanrecht in dem oben angenommenen Sinne ist das Recht auf die Dienstleistungen, auf die Nutzungen oder Nutzleistungen dos Reich­tums. Unter Nutzleistungen (benefits) des Reichtums sind dio wünschens­werten Ergebnisse, die mittelst des Reichtums erzielt werden, zu verstehen. Ebenso wie Reichtum und Eigentum, können auch die Nutzleistungen ge­messen werden; es tragen jedoch ihre Maßeinheiten wieder einen anderen Charakter. Nutzleistungen werden entweder „nach der Zeit“ berechnet, wie die Dienstleistungen eines Gärtners oder eines Wohnhauses; oder „stückweise“ , wie der Gebrauch eine» Pfluges oder eines Telephons, Und die nämlichen Begriffe von Übertragung, Austausch, Preis und Wert, die in bezug auf den Reichtum und das Eigentum angewandt werden, gelten ebenso für die Nutzleistungen.

Die Nutzleistungen (benefits) des Reichtums, von welchen wir gesprochen haben, müssen aber von der Nutzbarkeit des Reichtums deutlich unterschie­den werden. Unter dem einen sind wünschenswerte Ergebnisse und unter dem anderen die Wünschbarkeit dieser Ergebnisse zu verstehen. Das eine liegt gewöhnlich außerhalb des subjektiven menschlichen Ermessens, das andere hängt stets von ihm ab.

Wann immer wir von Ansprüchen auf Nutzleistungen sprechen, beziehen sich diese auf zukünftige Nutzleistungen. Der Eigentümer eines Hauses, besitzt das Recht, es vom gegenwärtigen Augenblick an bis auf weiteres zu benutzen. Sein bisheriger Gebrauch ist verfallen und nicht mehr dem Eigentumsrecht unterworfen.

Der Außdruck „Oüt/r“ wird in diesem Buche einfach als geeigneter Kollektivausdruck gebraucht, der Reichtum, Eigentum und Nutzleistungen umfaßt. Übertragung, Austausch, Preis und Wert der Güter nehmen un­zählige Formen an. Unter den Begriff des Preises fallen in voller Anwendung auf alle Güter auch Mieten, U lm e, Zinsraten, In Geld und in Quantitäten anderer Güter ausgedrückte Preise. In diesem Buche werden wir aber hauptsächlich auf die in Geld ausgedrückten Preise von Gütern eingehen.

§ 3 .

Über das Verhältnis des Reichtums, des Eigentums und der Nutz­leistungen zur Zeit ist bisher wenig gesagt worden. Eine gewisse Menge von Gütern kann entweder eine Quantität sein, welche zu einem besonderen Zeitpunkt vorhanden ist, oder sie kann eine Quantität sein, die während

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6 I. Kapitel.

einer gewissen Zeitperiode produziert, verbraucht, transportiert oder umge­tauscht wird. Die erstere Gütermenge ist eine Bestandmasse (stock) oder ein Gülerfond (fund), die zweitgenannte Quantität befindet sich im Flusse; sic ist ein Güterstrom (flow or stream). Der Gesamtbestand von Weizen in einer Mahlmühle an irgendeinem bestimmten Tage ist ein Weizenfond, während der ein- und ausgehende monatliche oder wöchentliche Bestand einen Weizenstrom darstellt. Die Menge der geförderten Kohle in den Vereinigten Staaten, die zu einem gewissen Zeitpunkt vorhanden ist, ist ein Fond geförderter Kohle; was wöchentlich hinzugefördert wird, bildet einen Kohlenstrom.

Diese Unterscheidungen finden vielfache Anwendung; z. B. auf das Verhältnis des Kapitals zum Einkommen. Eine Güterbestandmasse, gleich­viel ob Reichtum oder Eigentum, die zu einem gewissen Zeitpunkt vor­handen ist, heißt Kapital. Der Strom der Nutzleistungen eines solchen Kapitals während einer Zeitperiode heißt „ E in k o m m e n Das Einkommen bildet daher eine bedeutsame Art volkswirtschaftlicher Ströme. Außer dem Einkommen kann man drei Hauptklassen volkswirtschaftlicher Ströme unterscheiden, die — je nachdem — Veränderungen durch Wirtschafts­prozesse (wie: Produktion und Konsumtion), Veränderungen durch räum­liche Verschiebungen (wie: Transport, Ausfuhr und Einfuhr) oder Ver­änderungen durch Wechsel des Eigentumsrechtes, die wir bereits „Über­tragungen“ genannt haben, darstellen. Der Handel ist ein Strom von Übertragungen. Er ist, sei er Außen- oder Innenhandel, einfach der Aus­tausch eines Stromes übertragener Rechte an Gütern gegen einen gleich­wertigen Strom übertragenen Geldes oder von Geldersatzmitteln. Der letztere dieser beiden Ströme wird der „Umlauf“ des Geldes genannt. Die Gleichung zwischen den beiden Strömen wird die „ Verkehrsgleichung“ (equation of exchange) genannt und gerade diese Gleichung ist es, die das Hauptproblem dieses Buches bildet.

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 7

II. Kapi te l .

Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung.

§ i ."Wir definieren das Geld als das, uns im Auslausch für Güter allgemein

zur Annahme gelangt1). Die Leichtigkeit, mit der das Geld also ausge­tauscht werden kann, oder seine allgemeine Annehmbarkeit bildet Hein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal. Die allgemeine Annehmbar­keit kann durch das Gesetz besonders erzwungen werden; dadurch wird «las Geld ein sogenanntes „gesetzliches Zahlungsmittel“ (legal tender); doch ist dieser Zwang nicht das wesentliche. Um irgendeinem Gute the Bedeutung des Geldes zu geben, ist nur erforderlich, daß die allgemeine Annahme da­mit verknüpft ist. An der Landesgrenze gelten manchmal Goldstaub oder Goldklumpen als Geld ohne irgendwelche gesetzliche Sanktion, ln der Kolonie Virginia war es Tabak. Bei den Indianern in New England galt der Wampum als Geld. „In Deutseh-Neu-Guinca werden die gebogenen Hauer des Ebers als Geld benutzt. In gleicher Weise werden in Kalifornien die Köpfe roter Vögel verwendet“ *). In Melanesien kommen Steine und Muscheln als Geld in Anwendung*). „In Birma sind es chinesische Spiel­marken, welche als Geld dienen. Man sagt, daß in Südamerika die von Straßen bah ngcsellschaften herrührenden Kautschukmarken ähnlich kur­sieren“ *). Vor nicht allzulangcr Zeit gelangten in einer Stadt im Staate New York ähnliche Wertzeichen in lokalen Umlauf, bis ihre Ausgabe durch die Regierung der Vereinigten Staaten verboten wurde, ln Mexiko bediente man sich als Geld großer Kakaobohnen von verhältnismäßig geringer Quali­tät, und an der Westküste Afrikas wurden kleineMatten als solches verwandt6). Diese Aufzählung könnte bis ins Unendliche fortgesetzt werden. Aber was auch immer die Substanz des Artikels sein mag, es ist seine allgemeine Aus­tauschbarkeit, die ihn zum Geld macht.

*) Erörterungen über genaue Begriffsbestimmungen de* Gelde* finden »ich bei: A. Piatt Andrew, „lYhat ought to be called Money" im Quarterly Journal of Economics, Bd. XIII; Jevonst, Money and the Mcchaniirm of Exchange, London (Kegan Paul) and New York (Applcton), 1896; PaJgrave, Dictionary of Political Economy', Walker, Money und in anderen Monographien und Lehrbüchern.

*) Sumner, Folkm ys, Boston (Ginn), 1907, S. 147.») A. a. 0 . S. 160.*) A. a. 0 . S. 148.*) A. a. 0 . S. 148.

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8 II. Kapitel.

Andererseits kann sogar das, was als gesetzliches Zahlungsmittel erklärt worden ist, durch allgemeinen Brauch seines praktischen Geldcharakters ent­kleidet werden. Während des Bürgerkrieges versuchte die amerikanische Regierung Fünfzigdollarnoten, die 7,3 % Zinsen eintragen sollten, in Um­lauf zu setzen, so daß die Zinsen den sehr leicht ausrechenbaren Betrag eines Cents per Tag ergaben. Es gelang jedoch nicht, den Notenumlauf zu sichern. Trotz der Anstrengungen, ihren Austausch zu erleichtern, zog man vor, sie der Zinsen wegen zu behalten1). Geld träg t nie Interessen, außer in dem Sinne, daß sein Gebrauch im Austauschprozesse Vorteil bringt. Diese Be­quemlichkeit ist die spezielle Dienstleistung des Geldes, und dies macht den Hcheinbaren Zinsverlust wett, den die Verwahrung des Geldes in unserer Tasche an Stelle seiner Anlage nach sich zieht.

Es gibt verschiedene Stufen der Austauschbarkeit, die überschritten werden müssen, bevor wir zum wirklichen Gelde gelangen. Unter allen Gattungen von Gütern ist Grundbesitz vielleicht am wenigsten austauschbar. Nur wenn zufällig gerade die Person gefunden wird, die das Grundstück benötigt, kann es ausgctauscht werden. Eine Hypothek auf Grund und Boden ist um einen Grad leichter auswechselbar. Doch selbst eine Hypo­thek ist schwerer austauschbar als ein bekanntes und sicheres Privateffekt und ein solches Wertpapier weniger leicht austauschbar als ein Staatspapier. Eh kommt tatsächlich häufig vor, daß Personen nur zu vorübergehender Kapitalsanlage Staatspapiero kaufen, um sie wieder zu verkaufen, sobald huherverzinsliche dauernde Kapitalanlagen erhältlich sind. Ein Wechsel ist um einen Grad leichter austauschbar als ein Staatspapier; eine Tratte auf Sicht ist um einen Grad leichter umzusetzen als ein Wechsel, während ein Scheck beinahe ebenso austauschbar ist als Geld selbst. Jedoch keines dieser Papiere ist wirkliches Geld, denn keines derselben gelangt zur „all­gemeinen Annahme“.

Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf gegenwärtige und normale Ver­hältnisse, sowie auf die Tauschmittel konzentrieren, die entweder Geld oder annähernd Geld sind, so werden wir finden, daß das Geld selbst zu einer allgemeinen Klasse von Eigentumsrechten gehört, die wir „Umlaufsmittel“ (currency) oder „Tauschmittel“ (circulating media) nennen wollen. Die Umlaufsmittel umfassen jedweden Typus von Eigentumsrechten, die, gleich­viel ob allgemein annehmbar oder nicht, in ihrem Hauptzweck und ihrem Gebrauche nach faktisch als Tauschmittel dienen.

Man unterscheidet zwei Klassen dieser Tauschmittel: 1. Geld, 2. Bank­

•) Vgl. Jevons, Money and the Mechanism of Exchange, S. 245.

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 9

depositen, welch letztere im nächsten Kapitel ausführlich behandelt wer­den. Mittels der Schecks dienen die Bankdopositen als Zahlungsmittel im Aiistausch für andere Güter. Ein Scheck ist der „Ausweisschein“ oder das Beweismittel der Übertragung von Bankdepositen. Er ist nur unter Zu­stimmung des Empfängers annehmbar; er würde im allgemeinen von dritten Personen nicht akzeptiert werden. Dennoch fungieren dio Bankdepositen vermittelst der Schecks gegenwärtig als Tauschmittel sogar in größerem Maße als Geld. Vom praktischen Standpunkte aus sind Geld und dem Scheck­verkehr unterworfene Bankdepositen die einzigen Zirkulationsmittel. Wenn Postanweisungen und telegraphische Übertragungen mit inbegriffen werden sollen, müssen diese als Übertragungsausweise besonderer Depositen be­trachtet werden; das Post- oder Telegraphenamt dient zum Zwecke dieser besonderen Geschäftsvorgänge als Depositenbank.

Obgleich aber ein durch Scheck übertragenes Bankdeposit den Um­laufsmitteln zuzurechnen ist, so ist cs doch kein Geld. Eine Banknote hin­gegen ist ebensogut Zirkulationsmittel wie Geld. Zwischen diesen beiden liegt die endgültige Grenzlinie der Unterscheidung, was Geld ist und was kein Geld ist. Allerdings ist diese Linie überaus fein gezogen, besonders wenn cb sich um Kassenschecks oder mit der Annahmeerklärung der bezogenen Bank versehene „zertifizierte“ Schecks handelt, denn letztere sind fast identisch mit Banknoten. Beide begründen Forderung» - ansprttchc an eine Bank, und beide erteilen dem Inhaber das Recht, Geld zu erheben. Aber während eine Note im Austausch allgemein annehmbar ist, ist ein Scheck nur speziell annehmbar, d. h, nur unter der Zustimmung des EmpfÄngers. Reale Geldansprüche akzeptiert der Empfänger ohne weiteres, denn dazu wird er entweder durch Gesetze betreffend die gesetzlichen Zah­lu n g sm it te l oder durch eingewurzelten Brauch bewogen •).

Es gibt zwei Arten realen Geldes: Bargeld (primary) und Kreditgeld (fiduciary). Es wird Bargeld genannt, wenn es aus einem Gute besteht, das in irgendeiner anderen Verwendung wie zu Geldzwecken genau den­selben Wert besitzt. Unabhängig von irgendeinem anderen Reichtum be­sitzt das Bargeld seinen vollen Eigenwert. Kreditgeld hingegen ist Geld, dessen "Wert teilweise oder gänzlich von dem Vertrauen abhängt, daß der Besitzer es für andere Güter auswechseln kann, wie z. B. gegen Bargeld auf einer Bank oder an einer Staatskasse, oder daß er jedenfalls damit Schulden bezahlen oder Handelsartikel dafür einkaufen kann. Der Haupttypus des Bargeldes ist die Goldmünze; der Haupttypus des Kreditgeldes sind die Banknoten. Der Eigenschaften, die die Austauschbarkeit des Bargeldes

*) Siehe Francis Walker, Money, Trade, and Industry, New York (Hott), 1879, Kap. I.

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10 II. Kapitel.

bewirken, gibt cs viele. Die wichtigsten sind: Transportierbarkeit, Dauer­haftigkeit und Teilbarkeit *). Die Hauptgrundlagen der Austauschbarkeit des Kreditgeldes sind seine Einlösbarkeit in Bargeld oder auch der ihm zu- gesprochene Charakter, als gesetzmäßiges Zahlungsmittel zu fungieren.

Banknoten wie auch alles andere Kreditgeld sowie auch Bankdepositen zirkulieren in Gestalt von Ausweisscheinen, die oft „Wertzeichen“ (Token) genannt werden. Hierzu gehören auch „Scheidemünzen“. Abgesehen von den durch sie gewährleisteten Ansprüchen ist der Wert dieser Scheidemünzen gering. So ist der Wert eines Silberdollars als Reichtum nur ungefähr vierzig Cents; mehr ist das tatsächlich darin enthaltene Silber nicht wert. Sein Wert als Eigentum hingegen ist einhundert Cents, denn der Inhaber des Silberdollars ist gesetzlich befugt, von ihm zur Bezahlung einer Schuld in der Höhe dieses Betrages Gebrauch zu machen, und er kann, kraft Gewohnheitsrechts, diesen Dollar zur Bezahlung von Gütern verwenden. Ebenso ist der Eigentumswert (property value) eines Fiinfzig- centatückes, eines Quarters, eines Zehncentstückes, eines Fünfcentstückes oder eines Centstückes bedeutend größer als deren Wert als Reichtum. So hat z . B. ein Papierdollar — ein Silberzertifikat — als Reichtum beinahe gar keinen Wert. Er besitzt eben nur den Wert des Papiers und nicht mehr. Aber «ein Eigentumswert ist einhundert Cents, d. h. das Äquivalent eines Golddollars. Bis zu diesem Betrage repräsentiert er einen Anspruch des In ­habers auf den Reichtum des Staates.

Figur 1 gibt die Klassifizierung aller Umlaufsmittel in den Vereinigten Staaten wieder. Aus ihr ist zu ersehen, daß der Gesamtbetrag der Umlaufs­mittel sich auf ungefähr 10'/6 Milliarden beläuft, von denen etwa 8y2 Mil­liarden auf Bankdepositen entfallen, die dem Scheckverkehr unterworfen sind, ferner auf l 2/a Milliarden in Geld, und daß von diesen l 2/3 M illiarden in Geld eine Milliarde Kreditgeld ist, während nur ungefähr % Milliarden bares Geld darstellen.

In diesem Kapitel wollen wir die Bankdepositen oder den Scheckum­lauf nicht behandeln und unsere Aufmerksamkeit auf den Umlauf des baren— und des Krcditgeldes beschränken. In den Vereinigten Staaten ist die Goldmünze das einzige Bargeld. Das Kreditgeld umfaßt: 1. Scheide­münzen, nämlich Silberdollar, Bruchteile dieses Silberdollars und geringere Münzen („Nickels“ [Fünfcents] und Cents); 2. Papiergeld, nämlich: a) Gold- und Silberzertifikate, b) Noten der Regierung der Vereinigten Staaten („Greenbacks“ ) oder der Nationalbanken.

*) Siche Jevons, Geld und Geldverkehr (Money and the Mechanism of Exchange)V. Kap.

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Beziehungen der Kaufkruft des Geldes zur Verkehrsgleichung. ] J

Wenn wir die Schecks beiseite lassen, können wir den Tauschverkehr in drei Klassen einteilen: in den Austausch von Gütern gegen Güter oder den Tauschhandel; in den Austausch von Geld gegen Geld oder Gddwecluiel und in den Austausch vou Geld gegen Güter oder Kauf und Verkauf. Nur die letztgenannte Art des Austausches führt zu der Erscheinung, die wir den „Umlauf“ des Geldes nennen. Der Geldumlauf bedeutet daher den Gesamt­betrag seiner Umsätze gegen Güter. Alles für den Umlauf bestimmte Geld, d, h. alles Geld mit Ausnahme dessen, das sich in den Banken und in den Kassen der Kegierung der Vereinigten Staaten befindet, wird „in Umlauf befindliches Geld“ genannt.

DEM SCHECKVERKEHR

UNTERWORFENE

BANKDEPOSITEN

8 >/»

MILLIARDEN

KREDITGELD

Fig. 1.

Hauptaufgabe dieses Buches ist die Erklärung der Ursachen, durch die die Kaufkraft des Gelde» bestimmt wird. Die Kaufkraft de« Geldes wird durch die Quantitäten anderer Güter bestimmt, die eine gegebene Geld­quantität zu kaufen vermag. Je niedriger die Preise von Gütern sind, desto größer sind die Quantitäten, die mit einem gegebenen Geldbeträge gekauft werden können, und desto höher ist daher die Kaufkraft des Geldes. Je höher wir die Preise von Gütern finden, desto geringer sind die Quantitäten, die mit einem gegebenen Geldbeträge gekauft werden können, und desto niedriger ist daher die Kaufkraft des Geldes. Kurz, die Kaufkraft des Geldes ist das Gegenstück (reciprocal) des Preisniveaus; das Studium der Kaufkraft des Geldes ist daher mit dem Studium der Preisniveaus identisch.

§ 2 .

Wenn man von dem Einfluß der Depositenumlaufsmittel oder Schecks absieht, kann man sagen, daß das Preisniveau nur von drei Ursachengruppen

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12 II. Kapitel.

bestimmt wird: 1. von der Quantität des im Umlauf befindlichen Geldes;2. von seiner „Leistungsfähigkeit“ oder Umlaufsgeschwindigkeit (oder der Durchschnittszahl der jährlichen Umsätze von Geld gegen Güter); und y. vom Umsatzvolumen (oder von der Menge der mittelst Geld gekauften Güter). Die sogenannte „Quantitätstheorie“ *), nach der die Preise in direktem Verhältnis zur Geldmenge variieren, ist oft unrichtig formuliert worden; die Theorie ist aber (wenn man vom Scheckumlauf absieht) korrekt in dem Sinne, daß das Preisniveau direkt mit der in Umlauf befindlichen Geldquantität variiert, vorausgesetzt, daß die Umlaufsgeschwindigkeit dieses Geldes und das Volumen des Umsatzes, den es zu vollbringen hat, keine Ver­änderung erfahren.

Die Quantitätstheorie ist stets eine der schärfstumstrittenen Theorien der Nationalökonomie gewesen, und zwar größtenteils darum, weil die An­erkennung ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit mächtige Interessen in Handel und Politik berührte. Man hat gesagt — und der Ausspruch ist kaum eine Übertreibung — daß selbst die Theoreme des Euklid angefochten würden, wenn einmal finanzielle und politische Interessen mit ihnen in Widerstreit geraten sollten.

Dio Quantitätstheorie ist leider zum Tummelplatz für ungesunde Wäh- rungsprojekte mißbraucht worden. Man berief sich auf sie zur Verteidigung uneinlöslichen Papiergeldes und der freien Silberausprägung im Verhältnis lü zu 1 in den Vereinigten Staaten. Infolge dessen gibt es nicht wenige „Anhänger einer gesunden Währung“, die der Meinung sind, daß eine Theorie, dio zur Aufrechterhaltung solcher Verirrungen benutzt wird, falsch sein müsse, und die aus Angst vor der politischen Tragweite ihrer Verbreitung bewogen wurden, nicht nur gegen die ungesunde Propaganda, sondern auch gegen die gesunden Grundsätze selbst Stellung zu nehmen, durch die ihre Verteidiger die Theorie künstlich zu halten suchten 2). Diese Angriffe auf

l ) Diese, wenngleich oft nur vag formulierte Theorie ist von Locke, Hume, Adam Smith, Ricardo, Mill, Walker, Marshall, Hadley, Fetter, Kemmerer und den meisten Autoren, die sich über diesen Gegenstand geäußert haben, angenommen worden. Der Römer Julius Paulas sprach im Jahre 200 nach Chr. Geb. seine Überzeugung aus, daß der Wert des Geldes von seiner Quantität abhänge. Vgl. Zuckerkandl, Theorie des Preises, Kemmerer, Money and Credit Instruments in their Relation to General Prices, New York (Holt), 1909. Allerdings wenden sich noch viele Schriftsteller gegen die Quantitätstheorie. Vgl. insbesondere Laughlin, Principles of Money, New York (Scribner), 1903.

*) Vgl. Scott, „Sie ist eine sehr ergiebige Quelle falscher Lehren in geldwirtschaft­lichen Fragen gewesen und wird beständig und erfolgreich zur Verteidigung schädlicher Gesetzgebung und als Mittel gebraucht, notwendige geldwirtschaftliche Reformen zu hintertreiben.“ Money and Banking, New York, 1903, S. 68.

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 13

die Quantitätstheorie sind durch das mangelhafte Verständnis seitens derer erleichtert worden, die sich auf diese Weise zugunsten einer unhaltbaren Sache auf sie beriefen.

Nach meiner persönlichen Überzeugung kann es kaum eine gefähr­lichere und in letzter Linie verderblichere geistige Voreingenommenheit geben, als eine solche, die eine gesunde Praxis durch Verleugnung gesunder Prinzipien aufrechterhalten will, weil einige Denker von diesen Prinzipien eine falsche Anwendung machen. Auf jeden Fall gibt es für das wissen­schaftliche Denken keine andere Alternative, als die ungeschminkte Wahr­heit zu finden und zu konstatieren.

Dio Quantitätstheorie wird in der Verkehrsgleichung (equation of exchange), zu deren Analyse wir nun übergehen, klarer gestellt werden.

Die Verkehrsgleichung ist eine in mathematischer Form ausgedrüekto Darlegung der gesamten Transaktionen, die in einer gewissen Periode in einem bestimmten Gemeinwesen vollzogen werden. Man erhält sie einfach durch Summierung der Verkehrsgleichungen aller individueller Transak­tionen. Nehmen wir z. P. an, daß eine Person 10 Pfund Zucker zu 30 Pfen­nigen per Pfund kauft. Dies ist eine Austauschtransaktion, in der 10 Pfund Zucker als gleichwertig mit 300 Pfennigen betrachtet werden, und diese T at­sache wird folgendermaßen auBgedrückt: 300 Pfennige =* 10 Pfund Zucker multipliziert mit 30 Pfennigen per Pfund. Jeder andere Kauf und Verkauf kann in derselben Weise ausgedrückt werden, und wenn wir diese Posten zusammenaddieren, erhalten wir die Verkehrsgleichung für eine geioisse Periode in einem bestimmten Gemeintmen, Während dieser nämlichen Periode kann indessen das nämliche Geld für mehrere Transaktionen dienen, und gewöhnlich ist dies der Fall. Aus diesem Grunde ist die Geldseite der Gleichung natürlich großer als der Gesamtbetrag des in Umlauf befindlichen Geldes.

Die Verkehrsgleichung betrifft alle während einer bestimmten Zeit durch Geld gemachte Einkäufe in einem gewissen Gemeinwesen. Nach wie vor wollen wir von Schecks oder von irgendeinem anderen Zirkulations- medium, mit Ausnahme des Geldes, sowie vom Außenhandel absehen und uns auf den Handel innerhalb eines hypothetischen Gemeinwesens be­schränken. Später werden wir diese Faktoren wieder in unsere Erörterungen einschließen, indem wir mittelst einer Reihe von Näherungen durch auf­einanderfolgende hypothetische Voraussetzungen zu den gegenwärtig herr­schenden Verkehrsbedingungen vorschreiten. Wir dürfen natürlich nicht vergessen, daß die Schlüsse, die in jeder folgenden Näherung ausgedrückt sind, einzig und aUein für die speziell angenommene Hypothese gelten.

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14 II. Kapitel.

Die Verkehrsgleichung ist einfach die Summe der Gleichungen, die alle individuelle Austausche eines Jahres ausdrücken. In jedem Kauf und Ver­kauf sind Geld und ausgetauschte Güter ipso facto gleichwertig; das für Zucker bezahlte Geld zum Beispiel hat denselben Wert wie der gekaufte Zucker. Und in der großen Gesamtsumme aller Austausche eines Jahres ist der Gesamtgeldbetrag gleichwertig mit dem Gesamtwert der gekauften Güter. Die Gleichung hat daher eine Geldseite und eine Güterseite. Die Goldseitc stellt das gesamte bezahlte Geld dar und kann als das Produkt der Geldquantität multipliziert mit seiner Umlaufsgeschwindigkeit betrachtet werden. Die Güterseite besteht aus den Produkten von ausgetauschten Güterquantitäten multipliziert mit deren respektiven Preisen.

Die wichtige Größe der sogenannten Umlaufsgeschwindigkeit oder Um- schlagsfrequenz ist einfach der Quotient, der dadurch erlangt wird, daß man die Gesamtsumme der im Laufe eines Jahres bezahlten Güter durch den im Umlauf befindlichen Durchschnittsgeldbetrag, durch den diese Zahlungen bewirkt werden, dividiert. Diese Umlaufsgeschwindigkeit für ein ganzes Gemeinwesen ist eine Art Durchschnitt der Umschlagssätze (rates of tu r- nover) des Geldes für verschiedene Personen. Jede Person hat ihren eigenen Umschlagssatz, der durch Division des jährlich verbrauchten Geldbetrags durch den von ihr geführten Durchschnittsbetrag leicht ausgerechnet werden kann.

Beginnen wir mit der Geldseite. Wenn in einem Lande die Anzahl der Dollar 0,000,000 und die Zahl ihrer Umschläge, ihre Umlaufsgeschwindigkeit, zwanzig per Jahr beträgt, dann ist der Gesamtbetrag des seinen Besitzer (für Güter) wechselnden Geldes jährlich 5,000,000 mal zwanzig oder $ 100,000,000. Dies ist die Geldseite der Verkehrsgleichung.

Da nun die Geldseite der Gleichung $ 100,000,000 beträgt, so muß die Güterseite dieselbe Summe aufweisen. Denn wenn im Laufe des Jahres $ 100,000,000 für Güter ausgegeben wurden, dann müssen in dem Jahre Güter im Werte von $ 100,000,000 verkauft worden sein. Um die Mühe zu ersparen, die Mengen und Preise der unzähligen Kategorien faktisch aus- getauschtcr Güter anzuschreiben, wollen wir jetzt annehmen, daß es nur drei Arten von Gütern gibt — Brot, Kohle und Tuch — und daß die Ver­käufe die folgenden sind:

200,000,000 Laibe Brot zu $ 0,10 per Laib10.000.000 Tonnen Kohle zu $ 6,00 per Tonne und30.000.000 Meter Tuch zu $ 1200 per Meter.

Der Wert dieser Umsätze ist, wie ersichtlich, $ 100,000,000, d. h. $ 20,000,000 Wert des Brotes plus $ 50,000,000 Wert der Kohle plus

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$ 30,000,000 Wert des Tuches. Die Verkehrsgleichung (man beachte, daß die Geldseite aus zwanzigmal ausgewechselten S 5,000,000 bestand) ist daher die folgende:

5 5,000,000 x 20 mal per Jahr■= 200,000,000 Laibe x $ 0,10 per Laib,+ 10,000,000 Tonnen x $ ß.OO per Tonne,

30,000,000 Meter X $ 1,00 per Meter.

Diese Gleichung enthält auf der Geldseite zwei Größen, nämlich: 1. die Geldmenge und 2. ihre Umlaufsgeschwindigkeit. Auf der Güterseito befinden sich zwei Gruppen von Größen in zwei Kolonnen, nämlich: 1. die Mengen der ausgctauschten Güter (Laibe, Tonnen, Meter) und 2. die Preise dieser Güter. Die Gleichung zeigt, daß diese vier Gruppen von Größen sich in wechselseitiger Abhängigkeit befinden. Um diese Gleichung zu befriedigen, müssen die Preise eine Funktion der drei anderen Größengruppen — Geld- quantität, Umlaufsgeschwindigkeit und ausgetauschto Güterquantitäten — bilden. Im großen ganzen müssen diese Preise infolgedessen im Verhältnis mit der Geldquantität und mit ihrer Umlaufsgeschwindigkeit sowie umge­kehrt mit den Quantitäten der ausgetauschten Güter variieren.

Nehmen wir zum Beispiel an, daß die Geldmenge verdoppelt wird, während ihre Umlaufsgeschwindigkeit und die Quantitäten der au «gewechsel­ten Güter dieselben blieben; dann würde es für die Preise ganz unmöglich sein, unverändert zu bleiben. Die Geldseite wäre dann $ 10,000,000 x 20 mal per Jahr, gleich $ 200,000,000, wohingegen, wenn die Preise sich nicht veränderten, die Güter S 100,000,000 blieben und die Gleichung un­möglich würde. Da individuelle und kollektive Austäusche stets ein äqui­valentes quid pro quo bedeuten, müssen die zwei Seiten gleich sein. Nicht nur Einkäufe und Verkäufe müssen den gleichen Betrag aufweisen — da ja notwendigerweise jeder durch eine Person gekaufte Artikel von einer anderen verkauft worden ist — sondern auch der Gesamtwert der Güter muß dem Gesamtbetrage des ausgetauschten Geldes gleich sein. Unter den gegebenen Umständen müssen sich die Preise daher dermaßen verändern, daß die Güterseite von S 100,000,000 auf S 200,000,000 erhöht wird. Diese Verdoppelung kann durch eine gleiche oder ungleiche Preissteigerung voll- führt werden, aber irgendeine Art Preiserhöhung muß slallfinden. Wenn die Preise gleichmäßig steigen, so werden sie sich offenbar allesamt verdop­peln, so daß die Gleichung wie folgt lautet:

$ 10,000,000 x 20 mal per Jahr— 200,000,000 Brotlaibe x $ 0,20 per Laib,-f 10,000,000 Tonnen x $ 10,00 per Tonne,+ 30,000,000 Meter x $ 2,00 per Meter.

Beziehungen der Kaufkraft des Ueldes zur Verkehrsgleichung. 15

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II. Kapitel.

Wenn die Preise ungleichmäßig steigen, muß die Verdoppelung augen­scheinlich durch einen Ausgleich herbeigeführt werden; wenn einige Preise weniger als doppelt steigen, müssen andere zum genauen Ausgleich um ent­sprechend mehr als das Doppelte steigen.

Aber gleichviel, ob alle Preise gleichmäßig steigen und jeder sich genau verdoppelt, oder ob einige Preise mehr und andere weniger steigen (und zwar derart, daß der Gesamtwert des Geldes der gekauften Güter stets ver­doppelt wird), so verdoppeln sich die Preise jedenfalls im Durchschnitt1). Dieser Satz wird gewöhnlich so ausgedrückt, daß man sagt, das „allge­meine Preisniveau“ sei um das doppelte gestiegen. Aus der bloßen Tat­sache, daß das für Güter verausgabte Geld den Quantitäten dieser Güter multipliziert m it deren Preisen gleichkommen muß, folgt also, daß das Preisniveau, den Veränderungen der Quantität des Geldes gemäß, steigen oder fallen muß, cs sei denn, es träten Veränderungen in der Umlaufsge­schwindigkeit oder in den Quantitäten der ausgetauschten Güter ein.

Wenn Veränderungen in der Geldquantität auf die Preise einwirken, so haben Änderungen in den anderen Faktoren — den Güterquantitäten und der Umlaufsgeschwindigkeit — auf die Preise denselben Einfluß, und zwar in ganz ähnlicher Weise. Eine Verdoppelung in der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes verdoppelt also das Preisniveau, vorausgesetzt, daß die im Um­lauf befindliche Geldquantität und die Quantitäten der gegen Geld ausge- tauechten Güter vor- und nachher die gleichen bleiben. Die Gleichung wird folgendermaßen aussehen:

9 5,000,000 x 40 uaal im Jahre= 200,000,000 Brotlaibe x $ 0,20 per Laib,+ 10,000,000 Tonnen X $ 10,00 per Tonne,4 - 30,000,000 Meter x $ 2,00 per Meter.

Eh kann natürlich die Gleichung auch eine solche Gestalt annehmen, daß einige der Preise um mehr als das Doppelte und andere Preise um soviel weniger als das Doppelte steigen, als nötig ist, nur um den Gesamtwert der Umsätze zu erreichen.

Ebenso wird die Höhe des Preisniveaus durch eine Verdoppelung in den Quantitäten der ausgetausehten Güter nicht verdoppelt, sondern um die Hälfte sinken, vorausgesetzt, daß die Geldquantität und ihre Umlaufs­geschwindigkeit dieselben bleiben. Unter diesen Umständen gestaltet sich die Gleichung wie folgt:

1) Das heißt natürlich nicht, daß ihr einfacher arithmetischer Durchschnitt genau verdoppelt wird. Bezüglich der Definition „Durchschnitt“ oder „Mittel“ im allgemeinen vgl. § 1 des Anhanges zu diesem (II.) Kapitel.

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. J 7

$ 5,000,000 x 20 mal im Jahr= 400,000,000 Brotlaibe x $ 0,06 per Laib,+ 20,000,000 Tonnen x S 2,50 per Tonne,-f 60,000,000 Motor x I 0,60 per Meter.

Oder die Gleichung nimmt eine solche Gestalt an, daß einige Preise um mehr und andere um weniger als die Hälfte sinken, um dem Ansätze Genüge zu leisten.

Wenn schließlich gleichzeitig Veränderungen in zwei oder in sämtlichen drei Wirkungsfaktoren, d. h. in der Geldquantität, in der Umlaufsgeschwin- digkeit und in den Quantitäten der ausgetausehten Güter eintreten, dann wird das Preisniveau eine Verbindung oder dio Resultierende dieser ver­schiedenen Wirkungsfaktoren darstellen. Wenn z. B. dio Geldquantität sich verdoppelt und ihre Umlaufsgeschwindigkeit um die Hälfte abnimmt, während die Quantität der ausgetausehten Güter unverändert bleibt, so er­leidet das Preisniveau keinerlei Störung. Ebenso wird cs unverändert bleiben, wenn die Geldquantität und die Quantität der Güter verdoppelt werden, während die Umlaufsgeschwindigkeit sich nicht verändert. Daher bedeutet eine Verdoppelung der Geldquantität nicht immer eine Verdoppe­lung der Preise. Wir müssen klar erkennen, daß die Geldquantität nur einer von drei Faktoren ist, die alle für die Bestimmung des Preisniveaus von gleicher Wichtigkeit sind.

§ 3 .Die Vcrkchrsgleichung ist nun durch ein arithmetisches Beispiel er­

läutert worden. Sie soll jetzt auch durch ein Bild der Mechanik symbolisch dargestellt werden. Eine solche Darstellung wird in Figur 2 zum Ausdruck gebracht. Dießc stellt eine im Gleichgewicht befindliche Wage vor, von

Fig. 2.

deren zwei Armen der eine die Geldseite, der andere die Güterseite der Ver­kehrsgleichung vorstellen soll. Das zur Linken durch eine Geldbörse sinn­bildlich dargestellte Gewicht repräsentiert das in Umlauf befindliche Geld. Der „Arm“ oder die Entfernung vom Drehpunkte der Wage, an welchem

F i h h e r , K aufkraft des Geldes- 2

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18 II. Kapitel.

dieses Gewicht (Geldbörse) hängt, stellt die Leistungsfähigkeit dieses Geldes oder dessen Umlaufsgeschwindigkeit dar. Auf der rechten Seite befinden sich drei Gewichte — Brot, Kohle und Tuch, die durch einen Brotlaib, einen Kohleneimer und einen Ballen Tuch sinnbildlich dargestellt sind. Der Wagebalken oder die Entfernung jedes einzelnen Gewichtes vom Dreh­punkte der Wage, repräsentiert dessen Preis. Um den Hebelarm zur Rechten nicht unverhältnismäßig lang zu gestalten, haben wir es zweckmäßig ge­funden, die Maßeinheit der Kohle von Tonne auf Zentner und diejenige des Tuches von einem Meter (yard) auf den dritten Teil eines Meters, resp. auf einen „Fuß“ (foot) zu reduzieren und dementsprechend die Anzahl der Ein­heiten zu erhöhen. (Das Ausmaß der Kohle wird von 10,000,000 Tonnen auf 200,000,000 Zentner und das Maß des Tuches von 30,000,000 Yards auf 90,000,000 Fuß reduziert.) In der neuen Einheit, in Zentnern beträgt der Preis der Kohle 25 Cents per Zentner und der Preis des Tuches für einen „Fuß“ ist 337a Cents per Fuß.

Die Tendenz zur Senkung ist bekanntlich bei einer im Gleichgewicht befindlichen Wage nach beiden Richtungen die gleiche. Jedes Gewicht löst auf der Seite, auf der es sich befindet, eine Tendenz zur Abwärtsbewegung aus, deren Stärke durch das Produkt aus der Länge des Wegearms mit dem Gewichte zu messen ist. Das Gewicht zur Linken bewirkt auf dieser Seite eine durch das Produkt 5,000,000 x 20 gemessene Tendenz, während die Gewichte zur Rechten eine vereinigte Gegentendenz ausüben, die dem Produkte 200,000,000 x 10 + 200,000,000 x 0,25 + 90,000,000 x 0,33V, entspricht. Die Gleichheit dieser entgegengesetzten Tendenzen stellt die Verkehrsgleichung dar.

Zur Beibehaltung des Gleichgewichts erfordert eine Zunahme in den Gewichten oder Armlängen auf der einen Seite eine entsprechende Zunahme in den Gewichten oder Armlängen auf der anderen Seite. Dieses einfache und wohlbekannte Prinzip, das hier auf die sinnbildliche Darstellung ange­wandt ist, bedeutet, daß, wenn z. B. die Umlaufsgeschwindigkeit (am linken Arme) unverändert und der Umsatz (Gewichte zur Rechten) ebenfalls gleich bleibt, jedwede Zunahme der Geldbörse zur Linken die Verlängerung einer oder mehrerer Armlängen auf der rechten Seite, welche die Preise d ar- stellen, erfordert. Wenn diese Preise gleichmäßig zunehmen, dann steigen sie in demselben Verhältnis wie die Zunahme an Geld; wenn sie nicht gleich- mäßig zunehmen, werden einige mehr und andere weniger als in diesem Verhältnis steigen, so daß doch der Durchschnitt erhalten bleibt.

Es ißt ebenso klar ersichtlich, daß, wenn der Arm zur Linken sich ver­längert, und wenn die Geldbörse sowie die verschiedenen Gewichte zur Rechten

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 19

unverändert bleiben, eine Zunahme in den Armlängen zur Rechten ein- treten muß.

Wenn ferner eine Zunahme in den Gewichten zur liechten besteht, und wenn der linke Arm und dio Geldbörse unverändert bleiben, dann muß eine Verkürzung im rechten Arme eintreten.

Im allgemeinen muß jede Änderung in einer der vier Arten von Größen von einer solchen Änderung oder von Änderungen in einer oder mehreren der anderen drei Größen, die das Gleichgewicht aufreehterhalten Hollen,

begleitet sein.Da wir mehr an der Veränderung der allgemeinen Preislage als an jener

der individuellen Preise Interesse nehmen, können wir diese mechanistische Darstellung dadurch vereinfachen, daß wir sämtliche auf der rechten Seite befindlichen Gewichte an einen Durchschnittepunkt hängen, so daß der Arm die Durchschnittspreise darstellt. Diese Armlänge ist ein „gewogener Durch ■ schnitt“ der drei ursprünglichen Armlängen, deren Gewichte buchstäblich diejenigen sind, die zur Rechten hängen.

Fig. 3.

Dieser Preisdurchschnitt ist in Figur 3 dargestellt; sic veranschaulicht die Tatsache, daß der Durchschnittspreis der Güter (rechter Arm) direkt mit der Geldquantität (Gewicht zur Linken) und direkt mit ihrer Umlaufs- geschwindigkeit (linker Arm) sowie umgekehrt mit dem Umfang des Um­satzes (Gewicht zur Rechten) variiert.

§ 4 .

Wir kommen nun zur rein algebraischen Darstellung der Verkehrs­gleichung. Eine algebraische Darstellung ist gewöhnlich ein gutes Schutz­mittel gegen unklares Räsonnement, und diese Unklarheit des Gedanken- ganges ist es vor allem, die häufig ökonomische Theorien in Mißkredit ge­bracht haben. Wenn es in der Geometrie für der Mühe wert gehalten wird, Lehrsätze, die beinahe selbstverständlich sind, zu Anbeginn sorgfältig abzu-

2*

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2 0 II. Kapitel.

leiten, so ist es hundertmal wichtiger, die Sätze über die Bildung der Preis­niveaus, die weniger selbstverständlich sind, und die in der Tat von den einen vertrauensvoll angenommen, von anderen a limine abgewiesen werden, m it Sorgfalt klarzulegen.

Bezeichnen wir den Gesamtgeldumlauf, d. h. den Geldbetrag, der in einem bestimmten Gemeinwesen während eines bestimmten Jahres fü r Güter ausgegeben wurde, m it A (Aufwand) und den Durchschnittsbetrag des in dem Gemeinwesen während des Jahres in Umlauf befindlichen Geldes mit 0 (Geld). Dann wird G der einfache arithmetische Durchschnitt der Geldbeträge sein, die an aufeinanderfolgenden, durch einander gleiche Intervalle von unendlich kurzer Dauer voneinander getrennten Zeitpunkten vorhanden sind. Wenn wir die Jahresausgaben A durch den m ittleren Geldumlauf G dividieren, so erhalten wir die Durchschnittsrate des Geld-

Umsatzes in seinem Austausche für Güter, das heißt, die Umlaufsgeschwin-

digkeit des Geldes x). Diese Geschwindigkeit soll mit U (Umlaufsgeschwindig-

keit) bezeichnet werden, so daß ^ = U ; A können wir somit durch GU

ausdrücken. In Worten: Der Gesamtumlauf des Geldes im Sinne der Geld­ausgabe ist gleich dem gesamten in Umlauf befindlichen Gelde multipliziert mit seiner Umlaufs- oder Umschlagsgeschwindigkeit. A oder GU drücken also die Geldseite der Verkehrsgleichung aus. Wenden wir uns nun der Güterseite der Gleichung zu, so haben wir es hier mit den Preisen und m it den Quantitäten der ausgetauschten Güter zu tun. Der Durchschnitts - Verkaufspreis2) irgendeines besonderen Gutes, z. B. des von einem gegebenen Gemeinwesen während eines bestimmten Jahres gekauften Brotes soll m it p (Preis) und die gekaufte Gesamtquantität desselben mit Q (Q uantität) bezeichnet werden. In gleicher Weise wollen wir den Durchschnittspreis eines anderen Gutes (sagen wir Kohle) mit p' und dessen gesamte ausge­tauschte Quantität m it Q' bezeichnen. Der Durchschnittspreis und die Gesamtquantität eines dritten Gutes (Tuch) soll durch p" beziehungsweise durch Q" ausgedrückt werden, und so weiter für zahllose andere ausge­tauschte Güter. Die Verkehrsgleichung kann in klarer Weise folgender­maßen dargestellt werden3):

Zur Erörterung des Begriffes der Umlaufsgeschwindigkeit vgl. §§ 2, 4 und 5 des Anhanges zu diesem (IL) Kapitel.

*) Dies ist ein, auf Grand der aus verschiedenen Anlässen gekauften Quantitäten, für einen gegebenen Zeitabschnitt und für ein bestimmtes Land gewogener Durchschnitt. Vgl. § 3 des Anhanges zu diesem (II.) Kapitel.

®) Eine algebraische Darstellung der Verkehrsgleichung ist von Simon Newcomb In

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 21

GU = pQ + V' Q'+ v" Q"+ usw.

Die rechte Seite dieser Gleichung ist dio Summe von Produkten von der Form pQ — ein Preis multipliziert mit einer gekauften Quantit&t. Id der Mathematik ist es Brauch, eine derartige Summe von Produkten, die alle dieselbe Form haben, dadurch abzukürzen, daß als ein Symbol der Addition angewandt wird. Dieses Symbol bedeutet keinesfalls eine Größe, wie dies bei den Symbolen G, U, p, Q usw. der Fall is t Das Zeichen stellt nur die Operation des Addierens vor und ist folgenderweise zu lesen: „die Summe von Produkten von folgender Form“. Dio Verkehrsgleichung kann daher geschrieben werden:

GU = 2p Q.Das heißt, die Größen A, 0 , U, p und Q beziehen Bich auf das ganze Gemein­wesen und auf ein volles Jahr, aber sie beruhen und beziehen sich auf die entsprechenden Größen liir die individuellen Personen, aus denen sich das Gemeinwesen zusammensetzt, auf die individuellen Zeitpunkte, aus donen das Jahr besteht1).

Die algebraische Ableitung dieser Gleichung ist natürlich in der Haupt­sache die gleiche wie die vorher gegebene arithmetische Ableitung. Sie be­steht einfach in der Addition der Gleichungen für alle individuellen Käufe innerhalb des Gemeinwesens während des Jahres *).

Mittelst der Gleichung GU — 2pQ können die in diesem Kapitel weiter oben dargelegten drei Theoreme nun folgendermaßen ausgedrückt werden:

seinen trefflichen aber wenig geschützten Principles of Political Econom j , New York (Horpor 1885, S. 346, gegeben worden. Eino solche findet sich auch bei Edgeworth im „Import on Monetary Standard“, sowie im R qw rt of the British Association jor the Advancmnent of Science. 1887, S. 293 und bei A. T. H&dley, Economics, New York (Putnarn), 1896, S. 197. Siche auch Irving Fisher, „The Röle of Capital in Economic Theory", Economic Journal, Decomber 1899, S. 616—621 und E. W, Kemmerer, Money and Credit Imtruments in their Relationio general Prices, New York (Holt), 1907, S. 13. Obwohl die QuantitÄUthoorio Mich erst seit wenigen Jahren mathematisch ausgedrückt worden ist, so ist ihro Aufgabe, die Wechselbeziehungen zwischen den Faktoren; Geldquantität, Umlaufsgcschwindigkcit und Umsatz festzustellen, schon seit langer Zeit erkannt worden. Vgl. Mill, Principles of JPo/t'. tical Economy, Bd. III, Kap. VIII, § 3. Das Hauptverdienst, dio Theorie lanciert zu haben, gebührt wohl Ricardo.

*) Über die Beziehungen zwischen diesen Größen (für dos gante Gemeinwesen und das volle Jahr) und den entsprechenden elementaren Größen für jedes Individuum und jeden Zeitpunkt vg l § 4 des Anhanges zu diesem (1L) Kapitel.

*) Siehe § 6 des Anhanges zu diesem (II.) Kapitel

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22 II. Kapitel,

1. Wenn U und Q unverändert bleiben, während G in irgendeinem Ver­hältnis variiert, dann wird sich die Geldseite der Gleichung in demselben Verhältnis verändern, und ihre gleiche Größe, die Güterseite, muß sich daher in demselben Verhältnis ebenfalls verändern. Infolgedessen werden sich entweder alle p in diesem Verhältnis ändern, oder es werden sich einige p in diesem Verhältnis mehr und andere weniger verändern, und zwar in aus­reichendem Maße, um einen Ausgleich herbeizuführen und denselben Durch­schnitt beizubehalten x).

2. Wenn 0 und die Q unverändert bleiben, während U in irgendwelchem Verhältnis variiert, dann wird die Geldseite der Gleichung in demselben Verhältnisse variieren und ihre gleiche Größe, die Güterseite, muß daher in diesem Verhältnis ebenfalls variieren; demzufolge werden alle p in dem­selben Verhältnis variieren, oder aber es werden einige mehr und andere entsprechend weniger variieren, um einen Ausgleich herbeizuführen.

3. Wenn G und TJ sich nicht verändern, so werden die Geldseite und die Güterseite unverändert bleiben; infolgedessen müssen, wenn alle Q in einem gegebenen Verhältnis variieren, entweder alle p in dem entgegengesetzten Verhältnis variieren, oder einige davon werden sich mehr und andere ent­sprechend weniger verändern, um den Ausgleich herbeizuführen.

Wenn uns daran liegt, können wir die rechte Seite noch weiter verein­fachen, indem wir sie in der Form von PH schreiben, wobei P einen gewogenen Durchschnitt aller p und H die Summe aller Q darstellt. P drückt dann in einer Größe das Preisniveau und H in einer Größe das Handelsvolumen (volume of trade) aus. Diese Vereinfachung ist die algebraische Auslegung der in Figur 3 gegebenen mechanischen Illustration, in der alle Güter, s ta tt, wie in Figur 2, getrennt aufgehängt zu sein, vereint an einem Durchschnitts - punkte hängen, der ihren Durchschnittspreis angibt.

Wir haben die Verkehrsgleichung GU — 2p Q, für die rechte Seite durch Zusammenzählen der von verschiedenen Personen verausgabten Summen ab­geleitet. Es hätte jedoch die Verkehrsgleichung in derselben Weise abge­leitet werden können, wenn nicht die verausgabten, sondern die von ver­schiedenen Personen empfangenen Summen betrachtet worden wären. Wenn ein Gemeinwesen keinen Außenhandel besäße, so stimmten die Ergebnisse der beiden Methoden überein, denn abgesehen vom Außenhandel muß das, was von einer Person in dem Gemeinwesen ausgegeben worden ist, no t­wendigerweise von einer anderen Person dortselbst empfangen worden sein.

*) Über das Wesen des Durchschnitts, um den es sich hier handelt, und über die Durchschnitte in den beiden folgenden Fällen vgl. § 7 des Anhanges zu diesem (II.) Kapitel.

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 23

Wenn wir unsere Deduktionen auch auf den Außenhandel ausdehnen wollen, so haben wir zivei Verkehrsgleichungen aufzustellen, von denen die eine auf dem verausgabten und die andere auf dem empfangenen oder von Mitgliedern des Gemeinwesens angenommenen Geld beruht. Diese Glei­chungen werden stets annähernd übereinstimmen und können innerhalb eines Landes, gemäß der zwischen diesem und anderen Ländern bestehenden „Handelsbilanz“ , ganz oder nicht ganz gleich sein. In der auf den Geldaus­gaben beruhenden rechten Seite der Gleichung sind außer den bereits ver­tretenen inländischen Güterquantitäten die Quantitäten der importierten Güter und deren Preise inbegriffen, nicht aber die der exportierten Güter, während das Gegenteil bei der auf Geldempfängen beruhenden Gleichung z u tr iff t .

§ &•

Dies zur Vervollständigung unserer Erörterungen Uber die Verkehrs­gleichung mit Ausnahme des Elementes der Scheckzahlungen, das dem nächsten Kapitel Vorbehalten bleibt. Wir haben gesehen, daß in letzter Linie die Verkehrsgleichung auf den elementaren, auf gegebene Personen und gegebene Zeitpunkte bezüglichen Verkehrsgleichungen beruht; mit anderen Worten, sie beruht auf den Gleichungen, die sich auf individuelle Umsätze beziehen. Diese elementaren Gleichungen bedeuten soviel, daß das in irgendwelcher Transaktion gezahlte Geld das Äquivalent der zum Verkaufspreis erlangten Güter ist. Von dieser sicheren und naheliegenden Voraussetzung ist die Verkehrsgleichung QU = 2p Q abgeleitet, in der jeder Bestandteil eine Summe oder ein Durchschnitt der gleichen Elomentar- bestandteüe für verschiedene Individuen und verschiedene Zeitpunkte ist, und auf diese Weise alle in dem Gemeinwesen während eines Jahres gemachten Käufe umfaßt. Schließlich erkennen wir aus dieser Gleichung, daß dio Preise direkt wie G und U und umgekehrt wie die Q variieren, vorausgesetzt, daß in jedem Falle nur eine dieser drei Größengruppen variiert und die anderen beiden unverändert bleiben. Ob eine Veränderung in einer der drei Größen notwendigerweise eine Störung in den anderen herbeiführt, ist eine Frage, die wir in einem späteren Kapitel erörtern werden. Wer den Einwand erheben will, daß die Verkehrsgleichung nur eine Binsenwahrheit sei, wird gebeten, sein Urteil bis nach Durchlesung des VIII. Kapitels auf­zuschieben.

Kurz wiederholend finden wir also, daß unter den angenommenen Be­dingungen das Preisniveau variiert: 1. direkt wie die im Umlauf befindliche Geldquantität (G), 2. direkt wie deren Umlaufsgeschwindigkeit (U ) und

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24 II. Kapitel.

3., umgekehrt, wie das durch diese erwirkte Handelsvolumen (H). Auf die erste dieser drei Beziehungen ist Nachdruck zu legen. Sie konstituiert die ,, Quantitätstheorie des Geldes“.

Dieses Prinzip ist so wichtig und ist so heftig umstritten worden, daß wir uns veranlaßt sehen, es noch weiter zu illustrieren. Wie bereits ange­deutet, ist unter der „Quantität des Geldes“ die im Umlauf befindliche Menge der Dollar (oder einer anderen gegebenen Münzeinheit) gemeint. Diese Anzahl kann auf verschiedene Weise verändert werden, doch sind die nachstehenden drei Arten die bedeutendsten. Ihre Darlegung wird dazu dienen, die gewonnenen Schlüsse zu vollem Verständnis zu bringen und die fundamentalen Eigentümlichkeiten des Geldes, auf denen sie beruhen, zu offenbaren.

Nehmen wir als erstes Beispiel den Fall an, daß eine Regierung die Nennwerte alles Geldes verdoppelt, d. h. wir wollen annehmen, daß das, was bisher ein halber Dollar war, von nun an ein Dollar und das, was bis jetzt als ein Dollar galt, zwei Dollar genannt werden soll. Demnach wird die Anzahl der im Umlauf befindlichen „Dollar“ verdoppelt und das in neuen „Dollarn“ bestimmte Preisniveau wird das doppelte des sonst herrschenden sein. Jedermann wird mit denselben Münzen auszahlen, als ob kein der­artiges Gesetz gegeben worden wäre, obgleich in jedem Falle zweimal soviel „Dollar“ bezahlt werden müssen. Wenn z. B. der Preis für ein Paar Schuhe früher $ 3,— war, so sind jetzt für dasselbe Paar Schuhe $ 6,— zu bezahlen. Wir sehen also wie die nominelle Geldquantität auf die Preisniveaus einwirkt.

Eine zweite Illustration finden wir in einer Währungsverschlechterung. Nehmen wir an, daß die Regierung jeden Dollar in zwei Stücke schneidet und aus den beiden Hälften neue „Dollar“ prägt, und daß ferner alle Papier­noten eingezogen und durch das Doppelte der ursprünglichen Anzahl ersetzt und sonach für jede alte zwei neue Noten mit demselben Nennwerte aus- gegeben werden. Kurz, wir setzen den Fall, daß das Geld nicht nur, wie in dem ersten Beispiel, eine andere Benennung, sondern auch eine Neuaus­gabe erfährt; in der verschlechterten Währung werden die Preise genau wie in der ersten Illustration ebenfalls verdoppelt. Wenn die Teilung und Um­prägung nicht soweit getrieben werden, daß die Auszahlungen erschwert werden, und daß diese Operationen störend auf die Bequemlichkeit des Geld­wesens einwirken, so sind sie belanglos. Wo immer vor der Verringerung ein Dollar gezahlt worden ist, sind nun sta tt dessen zwei Dollar — d. h. zwei aus den ursprünglichen zwei halben Dollar neugeprägte Dollar — zu zahlen.

In dem ersten Beispiel war die Steigerung der Quantität rein nominell; sie wurde durch eine Umtaufe der Münzen herbeigeführt. In dem zweiten

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Beziehungen der Kaufkraft des Geldes zur Verkehrsgleichung. 25

Falle wird neben der Umnennung die weitere Tatsache der Umprägung ein- geführt. Im ersten Fall blieb die Anzahl der tatsächlichen Geldstücke jeder Gattung unverändert und nur ihre Nennwerte wurden verdoppelt. Im zweiten Fall wurde die Anzahl der Stücke auch verdoppelt, und zwar durch eine Spaltung jeder Münze und durch deren Umprägung in zwei Münzen, wobei jede der Münzen dieselbe nominelle Benennung wie das ursprüngliche Ganze erhält, von dem es die Hälfte darstcllt, und durch analoge Ver­doppelung des Papiergeldes.

Als dritte Illustration setze man den Fall, daß die Regierung, sta tt die Anzahl der Dollar durch deren Spaltung in zwei Stücke und durch eine Umprägung der halben Stücke zu verdoppeln, jedes vorhandene Geldstück verdopple und das Duplikat dem Besitzer des ursprünglichen Geldstückes einhändigel ). (Hierbei müßten wir weiter annehmen, daß wirksame Maß­regeln getroffen wurden, um ein eventuelles Einschmelzen des Goldes oder seinen Export zu verhüten; andernfalls würde ein großer Teil des Zuwachses an Geld verschwinden und die Quantität des in Umlauf befindlichen Geldes nicht verdoppelt werden.) Wenn nun die Quantität des Geldes in dieser Weise verdoppelt wird, so werden sich die Preise ganz genau so verdoppeln wie in dem zweiten Beispiel, in dem es ganz dieselben Nennwerte gab. Der einzige Unterschied zwischen dem zweiten und dritten Beispiele besteht in der Größe und im Gewichte der Münzen. S tatt eine Verringerung zu er­fahren, bleiben die Gewichte dor einzelnen Münzen unverändert, und nur ihre Anzahl wird verdoppelt. Diese Verdoppelung der Anzahl der MUnzen muß dieselbe Wirkung haben wie ihre Verschlechterung uin DO Prozent, d. h. sie muß die Verdoppelung der Preise zur Folge haben.

Die Beweiskraft des dritten Beispiels wird noch schlagender, wenn wir der Darstellung Ricardos gemäß ®) durch die Annahme eines Schlagschatzes von dem dritten auf das zweite Beispiel übergehen. Nehmen wir an, die Regierung behalte, nachdem sie alles Geld verdoppelt hat, von jeder Münze die Hälfte des ursprünglichen Wertes für sich, es werde also damit das Ge­wicht auf das der verschlechterten Münzen des zweiten Beispiels herunter­gebracht und so das einzige Unterscheidungsmerkmal beider Beispiele be­seitigt. Solange die AmaM der Münzen unverändert bleibt, wird dieser Abzug des „Schlagschatzes“ ihren Wert nicht beeinflussen.

») Vgl. J. S. Mül, Principles 0/ Political Economy, Teil III, Kap. VIII, § 2. Ein im Prinzip ähnliches Beispiel, das von dem gegebenen nur in der Form etwas abweicht, wird von Ricardo in seiner Antwort an Bosanquet benützt. Siehe Works, 2. Aufl., London (Murray), 1852, S. 346.

*) Works, 2, Aufl., London (Murray), 1852, S. 34ß u. 347, (Antwort an Bosanquet, Kap. VI); siehe auch S. 213 u. 214.

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20 III. Kapitel.

Kurz, die Quantitätstheorie behauptet, daß (falls Umlaufsgeschwindig­keit und Handelsvolumen unverändert bleiben) eine Vermehrung der An­zahl der Dollar, sei es durch eine Umnennung, eine Verschlechterung oder durch eine Verstärkung der Ausprägung oder durch irgendwelche anderen Mittel, eine Steigerung der Preise in demselben Verhältnis nach sich zieht. Nicht das Gewicht, sondern die Anzahl ist hier das Entscheidende. Auf diese Tatsache muß großer Nachdruck gelegt werden. Es ist eine Tatsache, durch die sich das Geld von allen anderen Gütern unterscheidet, und in der die Eigenart seiner Kaufkraft im Verhältnisse zu anderen Gütern zum Vorschein kommt. Der Zucker hat z. B. einen spezifischen subjektiven Nutzwert (desirability), der von seiner Quantität im Pfundgewicht abhängt. Das Geld hat keine derartige Eigenschaft. Der Wert des Zuckers hängt von dessen aktueller Quantität ab. Wenn die Quantität des Zuckers von 1,000,000 Pfund auf 1,000,000 Zentner verändert wird, so folgt hieraus nicht, daß ein Zentner den früheren Wert eines Pfundes hat. Aber wenn das in Umlauf befindliche Geld von 1,000,000 Einheiten des einen Gewichtes auf 1,000,000 Einheiten eines anderen Gewichtes verändert wird, so wird der Wert jeder Einheit unverändert bleiben.

Dio Quantitätstheorie des Geldes beruht also letzten Endes auf der fundamentalen Eigentümlichkeit, die unter allen Gütern das Geld allein besitzt — nämlich auf der Tatsache, daß es nicht imstande ist, die Bedürf­nisse des Menschen zu befriedigen, sondern nur die Kraft besitzt, Dinge zu kaufen, die diese Kraft der Bedürfnisbefriedigung besitzenJ).

111. K a p i t e l .

Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung und infolgedessen auf die Kaufkraft.

§ i .Wir ßind nunmehr in der Lage, das Wesen der Bankdepositen als Zah­

lungsmittel oder des Kreditumlaufs zu erklären. Kredit bedeutet im allge-

‘) Vgl. G. F. Knupp, Staatliche Theorie des Geldes, Leipzig, 1905; L. von Bortkiewicz, „Die gcldtheorctischen und die währungspolitischen Konsequenzen des ‘Nominalismus Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Oktober 1906; Bertrand Nogaro, „L'cxpirience bimötalliste du XIX**mc silcle et la thtorie ginirale de la monnaie", Revue cT Econom ie politique, 1908.

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Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung usw. 27

meinen den Zahlungsanspruch eines Gläubigers gegenüber einem Schuldner. Dem Scheckverkehr unterworfene Bankdepositen sind Ansprüche der Bank­gläubiger gegen die Bank, kraft deren sie vermittelst Scheck spezifizierte Geldsummen von der Bank auf Verlangen ziehen können. Da wir nur diese und keine andere Art der Bankdepositen erörtern werden, so sind unter „Bankdepositen“ stets „dem Scheckverkehr unterworfene Bankdepositen“ zu verstehen. Sie werden auch „Zirkulationskredit“ genannt. Bankschecks sind, wie wir gesehen haben, nur Anweisungen, die zur Ziehung, d. h. zur Übertragung von Bankdepositen berechtigen. Die Schecks selbst sind keine Zahlungsmittel; die durch sic repräsentierten Bankdepositen hingegen sind die Zahlungsmittel.

Aus dieser Übertragung von Bankdepositen ist das sogenannte „Ge­heimnis des Bankwesens“, der „Zirkulationskredit“ entstanden. Viele Per­sonen, einschließlich einzelner Nationalökonomen, haben angenommen, daß der Kredit eine spezielle Form des Reichtums sei, der von einer Bank sozu­sagen aus Nichts geschaffen werden kann. Andere behaupten, daß der Kredit in dem wirklichen Reichtum überhaupt keine Grundlage besitze, sondern nur eine Art fiktiver und aufgeblähter Seifenblase von prekärer, wenn nicht gar völlig unberechtigter Existenz sei. Tatsächlich kann man das Wesen der Bankdepositen ebensogut verstehen wie das der Banknoten, und was in diesem Kapitel Uber Bankdepositen gesagt wird, kann im wesent­lichen auch auf Banknoten angewendet werden. Der Hauptunterschied ist ein formeller: während die Noten von Hand zu Hand umlaufen, zirku­lieren die Depositenumlaufsmittel nur vermittelst spezieller Anweisungen, der sogenannten „Schecks“ .

Um die wahre Natur der Bankdepositen zu erkennen, wollen wir uns eine hypothetische Institution voretcllcn, und zwar wählen wir eine primitive Bank, die hauptsächlich nur der Depositen und der sicheren Verwahrung wirklichen Geldes wegen bestehe. Die ursprüngliche Bank in Amsterdam glich einigermaßen derjenigen, die wir uns nun verstellen. In dieser Bank werden von einer Anzahl von Personen $ 100,000 in Gold niedergelegt, wo­gegen jede Person eine Bestätigung für den Betrag ihres Depositums in Emp­fang nim m t Wenn diese Bank eine „Kapitalabrechnung“ oder einen Status herauBgäbe, so würde diese Abrechnung $ 100,000 in ihren Kellern und $ 100,000 als den Deponenten schuldigen Bertrag auf weben, und zwar wie folgt:

Aktiva Passiva G old ........................ ........................ $ 100,000 ! Schuld an Deponenten ................. $ 100,000

Die rechte Seite der Aufstellung besteht natürlich aus kleineren» den

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2 8 III. Kapitel.

einzelnen Deponenten schuldigen Beträgen. Wenn wir annehmen, daß d ie Bank einem Deponenten A $ 10,000, einem Deponenten B $ 10,000 u n d allen anderen $ 80,000 schuldig ist, so schreiben wird die Bankbilanz folgen­dermaßen:

AktivaGold $ 100,000

% 100,000

PassivaSchuld an Deponent A ...............$ 10,000Schuld an Deponent B .............$ 10,000Anderen Deponenten schuldig . $ 80,000

$ 100,000

Nehmen wir nun an, daß A dem B $ 1000 zu zahlen wünscht. A k a n ^ mit B auf die Bank gehen, Anweisungen oder Schecks für $ 1000 p räsen­tieren, hierauf das Geld in Empfang nehmen und es dem B einhändigen, welches letzterer vielleicht in derselben Bank wieder deponiert, indem er das Geld durch die Schalterklappe des Kassiers zurückgibt und dagegen eine neue Anweisung in seinem eigenen Namen entgegennimmt. S ta tt daß aber A und B die Bank besuchen und das Geld heraus- und hereinzahlen, kann A dem B einfach einen Scheck auf $ 1000 geben. In jedem der beiden Fälle bedeutet die Übertragung, daß das Guthaben A’s auf die Bank v o n $ 10,000 auf $ 9000 reduziert und das des B von $ 10,000 auf $ 11,000 e r ­höht worden ist. Der Status lautet dann folgendermaßen:

AktivaG o ld ............................................... $ 100,000

$ 100,000

PassivaSchuld an Doponent A ...............$ 9,000Schuld an Deponent B .............$ 11,000Anderen Deponenten schuldig . $ 80,000

$100,000

Die Anweisungen oder Schecks zirkulieren also unter den verschiedene«» Deponenten der Bank an Stelle des Bargeldes. Was tatsächlich in solchen FäUen seinen Eigentümer wechselt oder „zirkuliert“ , ist das Recht, G eld tu erheben. Der Scheck ist nur die Beweisurkunde dieses Rechtes und der Übertragung des Rechtes von einer Person auf eine andere.

ln dem von uns angenommenen Falle würde die Bank mit V erlu st arbeiten. Sie würde zur Bequemlichkeit ihrer Deponenten Zeit und A rb e it ihres Beamtenpersonals liefern, ohne irgend etwas als Ersatz dafür zu be~ kommen. Eine solche hypothetische Bank würde aber — wie dies bei der Amsterdamer Bank der Fall w ar1) — bald finden, daß sie durch das z ins­tragende Ausleihen eines Teils des in Depot befindlichen Goldes „Geld ver­

*) Siehe Dunbars Theory and History of Banking, 2. Aufl., herausgegeben von 0 . K . W. Sprague, New York und London (G. P. Putnam’s Sons), 1901, S. 113—116.

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Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung usw. 29

dienen“ kann. Die Deponenten werden dadurch nicht geschädigt, denn sic haben weder den Wunsch noch das Verlangen, genau dasselbe Gold, das sic deponiert haben, zurückzuerhalten. Sie verlangen lediglich, jederzeit in der Lage zu sein, denselben Betrag des Goldes zu erhalten. Wenn nun die Abmachung der Deponenten mit der Bank nicht die Zahlung irgendwelcher besonderen Art von Gold sondern nur eineB bestimmten Betrages, und dies nur gelegentlich, zum Inhalte hat, so steht es der Bank frei, einen Teil des Goldes, das sonst nutzlos in ihren Kellern läge, auszuleihen. Das Geld un­benutzt liegen zu lassen, bedeutete eine große und unnötigo Vergeudung von Anlagewerten.

Setzen wir nun den Fall, die Bank entschließe Bich, die Hälfte ihreB Bargeldes auszuleihen. Dies geschieht gewöhnlich im Austausch gegen u r­kundliche Versprechen der Entlehner. Nun ist ja ein Darlehen udrklich ein Austausch von Geld gegen ein Versprechen, welches der Darleiher ■— in diesem Falle die Bank — an Stelle des Geldes empfängt. Nehmen wir an, der bo-

genannte Entlehner zöge wirklich $ 00,000 in Gold. Die Bank tauscht hierbei Geld für Versprechen aus, und ihre Bücher werden wie folgt lauten:

j4Wü‘aGoldreserven.................................$ 50,000Versprechen ................................. $ 50,000

$ 100,000

l'atsimDein Deponent A schuldig . . - Dem Deponent U schuldig . . . Anderen Deponenten schuldig

$ 9,öuo $ 11,000 I 80,000

t 100,000

Hieraus ist zu ersehen, daß das in der Bank befindliche Gold nur $ 50,000 beträgt, während die GcsamtdcpoHiten noch immer $ 100,000 betragen. Mit anderen Worten: die Deponenten haben nun mehr depo­niertes Geld als die Bank in ihren Kellern! Wie wir aber beweisen, involviert diese Ausdrucksweise in dem Worte „Geld“ einen landläufigen Irrtum. Etwas Gutes liegt hinter jedem Darlehen, es muß aber nicht notwendig Geld sein.

Nehmen wir weiter an, daß dio Entlehner in gewissem Sinne gleichfalls Deponenten werden, indem »io die geliehenen $ 60,000 Bargeld für das Recht, auf Verlangen dieselbe Summe n t riehen, wieder deponieren. Mit anderen Worten: wir nehmen an, daß sie nach Entleihung der $ 60,000 von der Bank diese Summe der Bank zurückleihen. Die Aktiven der Bank erhöhen sich also um $ 60,000, und ihre Verbindlichkeiten (oder der er­weiterte Kredit) werden in gleichem Maße erhöht Die Bilanzen gestalten sich somit folgendermaßen:

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3 0 III, Kapitel.

Aktiva I PassivaGoldreserven.................................. $ 100,000Versprechen .................................. $ 50,000

Schuldig Deponent A . . . . . . . . . $ 9 ,000Schuldig Deponent B .................$ 11,000Schuldig den früheren Depo­

nenten ................................... $ 80,000Schuldig den neuen Deponenten,

d. h. den Entleihern...........$ 50,000

$ 150,000

In diesem Falle ereignete sich folgendes: es wurde Gold im Austausch gegen ein Zahlungsversprechen geliehen, und dieses Zahlungsversprecheu wurde gegen ein Recht, Gold vermittelst Schecks zu erheben, ausgewechselt. Da» Gold hat sich also tatsächlich nicht gerührt; die Bank empfing jedoch ein Zahlungsversprechen und der Deponent die Befugnis, auf sie zu ziehen. Offenbar würde auch dasselbe Resultat herbeigefülirt worden sein, wenn jeder Entlehner einfach sein Zahlungsversprechen übergeben und dagegen ein Recht, zu ziehen, empfangen hätte. Da dieses Verfahren Anfänger im Bankstudium sehr oft verwirrt, wiederholen wir die Tabellen, welche die Sachlage vor u n d nach diesen „Darlehen“ repräsentieren, d. h. diesen Austausch von Zah­lungsversprechen gegen gegenwärtige Rechte, zu ziehen1).

Vor den DarleihungenAktiva

Gold-Reserven ............... ...............$100,000Passiva

Schuld an Deponenten...............$ 100,000

Nach den DarleihungenGold-Reserven ........... ...................$100,000Versprechen ..................................$ 50,000

Schuld an Deponenten...............$ 150,000

Es ist also klar, daß die Vermittlung des Geldes in diesem Falle eine unnötige Komplizierung bedeuten würde, obwohl sie zu einem theoretischen Verständnis der resultierenden Verschiebung von Rechten und Verbind­lichkeiten beiträgt. Eine Bank kann also Depositen in Gold oder Depositen in notalen Zahlungsversprechen empfangen. Im Austausch gegen die Zahlungsversprechen kann sie entweder das Recht, auf sie zu ziehen, oder

l ) In letzter Analyse und abgesehen von ihrer Aufgabe der Sicherung des Kredits ixt dne Bank tatsächlich eine Vermittlerin zwischen Entlehnem und Darleihern. Infolge davon, daß Bio Entlehner und die letzten Darleiher zusammenbringt und den ersteren Darlehensgeber verschafft, welche sonst gar nicht existieren würden, hat das Bankwesen gleichzeitig die Tendenz, den Zinsfuß zu erniedrigen und den Vorrat an Kreditumlaufs- mitteln zu erhöhen. Vgl. dio Abhandlung von Harry G. Brown im Quarterly Journal o f Kamomict, August 1910, über „Commercial Banking and the Rate of Interest

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Einfluß der Depositenuinlaufsmittel auf die Gloichuug usw. 31

Gold selbst — dasselbe Gold das von einem anderen Kunden deponiert worden ist — geben oder darleihen. Sogar wenn der Entlehner nur ein Zahlungsversprechen besitzt, so wird noch immer fingiert, daß er Geld deponiert habe, und ist gleich den wirklichen Deponenten von Bargeld er­mächtigt, Schecks zu ziehen. Den Gesamtwert der Ansprüche auf das Ziehen von Geld, gleichviel woher sie stammen, nennt man „Depositen“, Die Befugnis zu ziehen (oder die Depositenanrechte) leihen die Banken öfters her als wirkliches Geld, teils weil dies für die Entlehner bequemer ist, teils weil die Banken bedeutende Barreserven zu halten wünschen, um großen oder unerwarteten Anforderungen gegenüber gerüstet zu sein. Wenn eine Bank Geld ausleiht, so wird allerdings ein Teil des so geliehenen Geldes von den Personen, welche von den Entlelmern nach Abwicklung der Ge­schäfte bezahlt wurden, wieder deponiert werden; es ist aber nicht unbedingt nötig, daß dieses Geld in derselben Bank zurückdeponiert wird. Dem Durchschnittsbankier wird cs daher lieber sein, wenn der Entlehner ihm kein Bargeld entzieht.

Außer Depositonanrechten können die Banken auch ihre eigenen Noten, die sogenannten „Banknoten“ , nusleihen; und das Prinzip, welches die Depositenanrechte beherrscht, gilt in gleicher Weise für die Banknoten. Der Inhaber empfängt einfacli anstatt eines Bankguthabens die Tasche voll Banknoten. In beiden Fällen muß die Bank stets bereit sein, den Inhaber zu bezahlen — ihre „Noten einzulösen“ — ebenso wie ihre Deponenten auf Verlangen zu bezahlen, und in beiden FäUcn tauscht dio Bank ein Zah- lungsversprechcn gegen ein anderes aus. Was die Banknote betrifft, so hat die Hank ihre Banknote gegen das Zahlungsversprechen eines Kunden ein- getauscht. Die Banknote trägt keine Zinsen, ist aber auf Verlangen sofort zahlbar. Die Note des Kunden trägt Zinsen, ist aber nur an einem be­stimmten Verfalltage zahlbar.

Angenommen die Bank gebe $ 50,000 in Noten aus, so wird ihre Bilanz jetzt folgendermaßen aussehen:

Wir wiederholen, daß vermöge des Kredits die Depositen (und Noten) einer Bank ihre BarmiUd überschreiten können. In dieser Tatsache lüge nichts Mysteriöses oder Dunkles, noch überhaupt in dem Kreditwesen im allgemeinen, wenn man cs dem Publikum beibringen könnte, die Operationen

Aktiva Patt iiö$ 100,000 Schuld an Deponenten ., $ 100.000 Schuld an Noteninhaber

Goldreserven Darlehen . . .

S 200,000

$ 160,000 * 60.000

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3 2 III. Kapitel.

einer Bank nicht mit Geldoperationen auf gleichen Fuß zu stellen. Dies wäre eine metaphorische und irreführende Vorstellung. Die Bankoperationen fiind ebensowenig Gcldoperationen wie etwa Grundbesitzübertragungen. Hin Bankdeponent A hat gewöhnlich kein „deponiertes Geld“ und kann eigentlich nicht sagen, daß er „Geld in der Bank hat“, ob er nun solches hat oder nicht. Was er besitzt, ist das Versprechen der Bank, auf Ver­langen Geld zu zahlen. Die Bank schuldet ihm Geld. Wenn eine Privat­person Geld schuldet, so fällt es dem Gläubiger nicht ein zu sagen, daß er in der Tasche des Schuldners ein Depot besitzt.

§2-

Es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, daß in jeder Bilanz der Wert der Passiva auf dem der Aktiva beruht. Die Depositen einer Bank bilden davon keine Ausnahme. Man darf sich durch die Tatsache Eicht irrefUhren lassen, daß die ßaraktiven einen geringeren Betrag auf- weiscn können als die Depositen. Wenn der Laie zum ersten Male erfährt, daß die Anzahl der Dollar, welche Noteninhaber und Deponenten berechtigt sind, aus der Bank zu ziehen, größer ist als die im Besitze der Bank befind­liche Anzahl der Dollar, ist er geneigt, den vorschnellen Schluß zu ziehen, daß die Noten oder die Depositenpassiva nicht gedeckt sind. Dennoch steckt, vorausgesetzt, daß es sich um eine zahlungsfähige Bank handelt, hinter allen diesen Verbindlichkeiten der volle Wert, und wenn es auch nicht wirkliche Dollar sind, so ist es auf jeden Fall Eigentum im Werte von wirklichen Dollarn. Durch keinerlei Kniffe können die Aktiven durch die Passiven überschritten werden, es sei denn im Falle der Insolvenz und selbst in diesem Fallo kann das nur in nomineller Weise geschehen, denn der wahre Wert der Verbindlichkeiten („uneinbringliche Posten“) wird allein dem wahren Werte der hinter denselben befindlichen Aktiven gleichkommen.

Wie bereits erwähnt, setzt sich der Stand dieser Aktiven zum großen Teil aus Kaufmannsnoten zusammen, obwohl sie, rein banktheoretisch ge­sprochen, aus irgendwelchem Eigentum bestehen könnten. Wenn die Aktiven in dem Besitz von Grundstücken oder anderem unbelasteten Immobiliarbesitz bestünden, so daß der greifbare Reichtum, welchen Eigen­tum stets repräsentiert, klar auf der Hand läge, dann verschwände das ganze Rätsel der Erscheinungen. Die Wirkung wäre jedoch keine andere. A nstatt im Austausch für die geliehenen Summen Getreide, Maschinen oder Fluß- stahl in Depot zu nehmen, ziehen die Banken die zinstragenden Wertpapiere von Gesellschaften, Firmen und Privatpersonen vor, welche direkt oder

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Einfluß (1er Be|>ositenum!aufsn)ittel auf die Gleichung usw. 3 3

indirekt Getreide, Maschinen oder Flußstahl repräsentieren, und durch die Bankgesetze sind die Banken sogar gezioungen, anstatt des Stahls die Noten anzunehmen. Wenngleich eine Bank Verbindlichkeiten eingcht, welche die Höhe ihrer Kassenaktiva übersteigen, so werden doch in jedem Falle die die Aktiva überschreitenden Passiva durch den Besitz anderer Aktivmasse im Gleichgewicht gehalten. Dieses andere Aktivum der Bank besteht ge­wöhnlich aus den seitens der Geschäftsleute eingegangenen Verbindlich­keiten. Wechselseitig werden derartige Schulden durch die Aktivbestände der Geschäftsleute getragen. Wenn wir dio endgültige Basis der Bank- passiva noch weiter verfolgen, so finden wir dieselbe in dem sichtbaren und greifbaren Reichtum der Welt.

Wenn diese endgültige Basis des ganzen Kreditaufbauea auch nicht sichtbar ist, so ist sie doch vorhanden. Wir können tatsächlich sagen, daß das Bankwesen den sichtbaren und greifbaren Reichtum gewissermaßen zu zirkulieren veranlaßt. Wenn auch die Ländereien eines Gutsbesitzers oder dio eisernen Öfen eines Ofenhändlers nicht in buchstäblich demselben Sinno wie Golddollar zirkulieren, so kann doch der Gutsbesitzer oder der Ofenhändler der Bank einen Schein geben, der dein Bankier zur Basis von Banknoten oder Depositen dient, und diese Banknoten und Depositen zirkulieren dann wie Golddollar. Durch das Bankwesen kann derjenige, welchor schwer auszutauschendcn Reichtum besitzt, ein Umlaufsmittel schaffen. Er gibt einfach der Bank einen Schein, — für welchen sein Eigen­tum natürlich haftpflichtig ist —, erhält dafür das Rocht, Geld zu ziehen, und siehe da, sein in gewissem Sinne unauHwechselbarcr Reichtum wird fließendes Umlaufsnvittcl. Drastisch ausgedrückt bedeutet das Bankwesen ein Mittel, durch welches Ländereien, Öfen und anderer sonst allgemein nicht austauschbarer Rcichtum in Dollar ausgemünzt werden kann.

Es ist interessant wahrzunehmen, welch eine gewaltige Triebkraft dem Depositenumlaufsmittel durch die großen modernen „Trusts“ gegeben worden ist, insofern als die Wertpapiere großer Gesellschaften als Sicherheit für Bankanleihen eine größere Verwendung finden als die Aktien und Pfand­briefe kleinerer Gesellschaften oder als Papiere über Teilhaberanrechtc.

Wir begannen damit, eine Bank dem Wesen nach als ein kooperatives Unternehmen zu betrachten, das zur Annehmlichkeit und auf Kosten seiner Deponenten betrieben wird. Wenn aber die Bank auf dem Punkto anlangt, dem X, Y und Z auf eine gewisse Zeit Geld zu leihen, während sic selbst auf Vorlangen sofort zahlbares Geld schuldig ist, so übernimmt sie dem X, Y und Z und den Deponenten ihrer Barmittel gegenüber ein Risiko, das die letzteren keinesfalls auf sich nehmen würden. Um einer solchen Sachlage

F 1 ■ h • r , K aufkra ft de* Gelde«. 9

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3 4 HL Kapitel.

zu begegnen, übernimmt eine dritte Klasse von Personen — die A ktionär© -----die Verantwortlichkeit und die Betriebskosten der Bank, was des v o r a u s ­sichtlichen Gewinnes wegen geschieht. Um die Deponenten gegen V e r l u s t zu schützen, werden von den Aktionären eigene Barmittel eingelegt. I > i e Aktionäre sind vertraglich gebunden, für einen eventuellen die D e p o n e n te n treffenden Verlust aufzukommen. Nehmen wir an, daß die A k tie n in h a b e r $ 50,000 einzahlen, von denen $ 40,000 für den Barbestand und $ 10,000 für den Kauf eines Bankgebäudes zur Verwendung kommen. Das K onto lautet dann folgendermaßen;

A ktivaB&nnittel......................................... $ 140,000Darlehen ..........................................$ 100,000Gebäude............................................$ 10,000

S 250,000

PassivaSchuld an Deponenten...............$ 150,000Schuld an Noteninhaber...........$ 50,000Schuld an Aktieninhaber...........$ 50,000

$ 260,000ln der jetzigen Form umfaßt das Konto alle für eine gewöhnliche m o d e rn e

Bank charakteristischen Hauptzüge, d. h. für eine mit Geld- und N o te n * ausgabe sowie m it Diskontierung verbundene sogenannte D ep o s iten b an k

§ 3 .

Wir haben gesehen, daß die Aktiva hinreichend groß sein müssen, u m dio Verbindlichkeiten zu erfüllen, und es soll nun gezeigt werden, daß dio Form des Aktivbestandes die prompte Ausgleichung der V erbindlich­keiten gewährleistet. Da es Sache der Bank ist, ihre Deponenten an Stelle ihres „langsameren“ Eigentums mit rasch verfügbarem Eigentum (Bar­mittel oder Kredit) zu versehen, verfehlt sie ihren Zweck, wenn sie m i t ungenügendem Bargeld angetroffen wird. Dennoch „verdient“ die B a n k zum Teil dadurch Geld, daß sie ihr rascher verfügbares Eigentum f e s t - legt, d. h. dadurch, daß sie es dorthin ausleiht, wo es weniger le ic h t verfügbar ist. Das Problem der Bankpolitik besteht darin, genügend v i e l Kapital zur Vergrößerung ihres Eigentums festzulegen, ohne aber so v ie l festzulegen, daß die Bank selbst festgelegt wird. Insofern bisher n o c h nichts Gegenteiliges gesagt worden ist, könnte man annehmen, eine Bank dürfe ihre Darlehen im Verhältnis zu ihren Barmitteln oder im V erhältn is zu ihrem Kapital ins Unbegrenzte erhöhen. Wenn dies der Fall w äre , könnten die Dopositenumlaufsmittel eine Inflation bis ins Unendliche er­fahren.

Vorsicht und gesunde Volkswirtschaftspolitik haben jedoch beiden Operationen eine Grenze gezogen. Insolvenz und Unzulänglichkeit a u Barmitteln müssen vermieden werden. Wenn bei unzulänglichem Ka­

is

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Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung usw. 35

pital Darleihen gemacht werden, tritt Insolvenz ein. Es droht Unzuläng­lichkeit in Barmitteln, wenn die Gewährung von Darlehen nicht im Ver­hältnis zu den Barmitteln stattfindet. Insolvenz ist unausbleiblich, wenn die den Kreditoren (Aktieninhaber nicht inbegriffen) gegenüber einge­gangenen Verbindlichkeiten von dem Aktivbestand nicht mehr gedockt werden, so daß cs der Bank unmöglich ist, ihre Schulden zu bezahlen, Un­zulänglichkeit an Barmitteln tritt ein, wenn die zur Verfügung stehenden tatsächlichen Barmittel für die Anforderungen des Augenblicks nicht zu­reichend sind und die Bank außerstande ist, auf Verlangen ihre Schulden sofort zu bezahlen, selbst wenn sich die Gesamtaktiva der Bank mit ihren Verbindlichkeiten auf völlig gleicher Höhe befindet.

Jo niedriger das Wertverhältnis der Ansprüche der Aktionäre zu dem Werte der Verbindlichkeiten imi andere Personen, desto größer ist dio Gefahr der Insolvenz; jo geringer das Verhältnis des Kassenbestandes zu den auf Verlangen sofort zahlbaren Verbindlichkeiten, desto größer ist das Risiko der Unzulänglichkeit an Bargeld. Mit anderen Worten: die Hauptschutzwehr gegen eine Insolvenz besteht in einem großen Kapital und Überschuß, während die Hauptschutzwehr gegen eine Unzulänglich­keit an Barmitteln große Barreserven sind. Die eigentliche Insolvenz kann bei jedwedem Geschäftsunternehmen Vorkommen. Von Unzu- längliclikcit an Barmitteln werden besonders die Banken betroffen, deren Funktion cs ist, Noten und Depositen cinzulöscn.

Illustrieren wir die „Unzulänglichkeit an Barmitteln“. In unserer letzten Bankabrechnung befand sich eine Reserve von $ 140,000 in bar und $200,000 Forderungsverbindlichkeiten (Depositen und Noten). Den Di­rektoren der Bank können der Reservefonds als zu hoch oder die Darlehen als zu niedrig erscheinen. Sie können dann ihre den Kontoinhabern in Form von Bargeld, Noten und Depositen gewährten Anleihen so erweitern, bis die Kassenreserve vielleicht auf $40,000 reduziert und die den Deponenten und Noteninhabern gegenüber eingegangene Schuld auf $ 300,000 erhöht worden is t Wenn ein Deponent oder Noteninhaber unter solchen Umständen $ 50,000 in bar verlangt, so erweist sich eine sofortige Auszahlung dieser Summe als unmöglich. Allerding» sind die Aktiven den Verbindlichkeiten noch immer gleich. Hinter den geforderten $ 50,000 befindet sich der volle Wert; abmachungsgemäß sollen aber die Deponenten und Noteninhaber in Geld und auf Verlangen sofort bezahlt werden. Wenn dies in dein Depositen - vertrage nicht fcstgelegt wäre, könnte die Bank die von ihren Debitoren er­haltenen Schuldscheine auf ihre Gläubiger übertragen und somit den an sie

3 *

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3 6 III. Kapitel.

gestellten Anforderungen entsprechen. Auch könnte die Bank die K o n to ­inhaber ersuchen, sich zu gedulden bis diese Wertpapiere in Bargeld umgesetsslfc worden sindx).

Da eine Bank keinen dieser Wege einschlagen kann, so sucht sie b e i einer bevorstehenden Unzulänglichkeit an Barmitteln einer solchen V e r ­mögenslage durch „Kündigung“ einiger Darlehen zuvorzukommen oder, w e n n deren rasche Einziehung nicht möglich ist, durch den Verkauf von W e r t­papieren oder anderem Besitztum gegen Bargeld. Leider ist aber dem B a r ­geldbetrage, der von einer Bank ohne weiteres realisiert werden kann, e in e Grenze gesetzt. Keine einzige Bank könnte der Zahlungseinstellung e n t ­gehen, wenn ein großer Prozentsatz ihrer Noteninhaber und Deponenten gleichzeitig Barzahlung fordern würde2). Das Paradoxon einer P a n ik findet in dem Falle den richtigen Ausdruck, wo sich ein Mann bei seiner B a n k erk u n d ig t, ob sie zur Auszahlung seines Deposits verfügbares Bargeld h a b e , indem er erklärt: „Wenn Sie mich bezahlen können, so brauche ich es n ic h t; wenn Sie es aber nicht können, so brauche ich es!“ Dies war die Situation in Wall Street im Jahre 1907. Alle Deponenten wollten zu ein und derselben Zeit dio Gewißheit haben, daß ihr Geld „da sei“. Aber alles Geld ist z u ein und derselben Zeit niemals da.

Wenn also die Unzulänglichkeit an Barmitteln eine so beunruhigende Lage schafft — so schwierig zu beseitigen, wenn sie eingetroffen, u n d so schwierig ihr zuvorzukommen, wenn sie sich zu nähern beginnt — so m ofi eine Bank ihre Darlehen und ihre Ausgabe von Noten derart regulieren, daß ihr stets eine genügende Barreserve zur Verfügung steht, um auch sch on das bloße Drohen einer Unzulänglichkeit an Barmitteln zu verhüten. S ie kann die Reserve abwechselnd durch den Verkauf von Wertpapieren gegen Bar und durch das Darleihen von Bar auf Wertpapiere regulieren. J e größer die Zahl der Darlehen im Verhältnis zu dem verfügbaren Barbestand, desto größer ist der Gewinn und somit auch das Risiko. Auf die B a u e r erhält eine Bank ihre Reserven durch die Anpassung des für die D arlehen festgesetzten Zinsfußes. Wenn die Bank nur wenige Darlehen und e in e genügend große Reserve besitzt, um Darlehen von bedeutend größerem Umfange zu tragen, so trachtet die Bank, durch Herabsetzung des Zins­fußes ihre Darlehen zu erweitern. Wenn die Darleihen der Bank e in e Höhe erreichen, die befürchten läßt, daß die Anforderungen an die R eserve

1) Siehe Irving Fisher, The Nature of Capital and Income, V. Kapitel.*) Ygl. Ricardo, Works, 2. Aufl., London (Murray), 1852, S. 217 (Principles o f « o lf

tical economy and taxation, XXVII. Kapitel).

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EinfluU der Dcpositenumlaufamittcl auf die Gleichung usw. 37

zu groß werden, dann wird sie die Darlehen durch Erhöhung des Zins­fußes einschränken. Auf diese Weise wird durch abwechselnde Erhöhung oder Erniedrigung des Zinsfußes eine Bank ihre Darlehen innerhalb solcher Grenzen halten, daß sie der Reservefonds decken kann, gleichzeitig die Dar­lehen (des Gewinnes wegen) so weit ausdehnen, als der Reservefonds dies zuläßt.

Wenn die einzelnen Deponenten schuldigen Beträge im Verhältnis zur Gesamtschuld beträchtlich sind, so muß die Reserve dementsprechend hoch sein, weil der Entschluß weniger Deponenten den Reservefonds rasch erschöpfen kann1). Auch muß die Reserve gegenüber schwankenden Depo­siten (wie diejenigen der Effektenmakler) oder den als temporär bekannten Depositen größer sein s). In einer Großstadt mit lebhaftem Bankbetrieb muß der Reservefonds im Verhältnis zu den For derungs vor bindlich k ei t on der Bank größer sein als un kleineren Plätzen, wo die Geschäftstätigkeit einer Bank nur gering ist.

Die Erfahrung lehrt, daß die verschiedenen Banken verschiedene Durchschnittsbetrage an Depositen erheischen, die dem allgemeinen Cha­rakter und dem Geschäftsumfange der Bank gemäß variieren. Für jede Bank giht es dafür ein Normalverhältnis (ratio), und daher auch für ein ganzes Gemeinwesen ein Normalverhältnis — einen Durchschnitt der Verhältnisse der verschiedenen Banken. Eiuo absolute numerische Regel kann dabei nicht in Frage kommen. Willkürliche Bestimmungen werden oft durch die Gesetzgebung aufgestellt. Dio National banken in den Vereinigten Staaten z. B. haben für ihre Depositen eine Reserve zu halten, deren verschiedene Höhe sich darnach richtet, ob sie sich in ge­wissen gesetzlich zu nReserve“-StätRen bestimmten Plätzen befinden oder nicht, d. h. in Städten, in welchen die Nationalbanken Depositen anderswo gelegener Banken in Besitz haben. All • diese Reserven dienen zur Sicher - Stellung der Depositen. Für die Noten hingegen wird eine Barreserve nicht verlangt, wenigstens wird den Nationalbanken eine solche Reserve nicht vorgeschrieben. Zwar gelten die nändichen volkswirtschaftlichen Prinzipien für Banknoten und Depositen, doch behandelt sie das Gesetz verschieden. Die Regierung zieht vor, die Einlösung der Nationalbanknoten auf Verlangen selbst zu besorgen.

Die Einzels taatenbanken (state banks) sind verschiedenartigen Sonder-

*) Victor Morawotz, The Banking and Currcncy ProUm in Uk UniUd SlaUu, New York (The North American Roview Publishing Co.), 1903, S. 36 und 37. Ebcnw Kern* merer, Money and Pricet, 1909, S. 80.

*) a. a. 0.

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3 8 III. Kapitel.

bcstimmungen unterworfen1). So schwankt das gesetzlich geforderte Normalverhältnis der Reserven zu den Depositen von 12% his 22y2 P rozent, wobei 16 bin 20 Prozent der gewöhnliche Prozentsatz ist. Bei der Reserve variiert die Teilsumme, welche aus Bargeld bestehen muß, zwischen 10 u n d 60 Prozent (der Reserve) und beträgt gewöhnlich 40 Prozent.

Kino derartige gesetzliche Regulierung der Bankreserven ist jedoch, kein notwendiges Entwicklungsergebnis des Bankwesens. In Kanada s te llt das Gesetz die Noten tatsächlich auf die gleiche Stufe mit den Depo- «iten. Das Bankwesen könnte in der Tat auch ohne jedwede staatliche Verfügung bestehen. Eine Illustration hierzu liefert das „Geld von George Smith“ („George Smith’s money“). Der Genannte gründete im Verein m it Alexander Mitchell und anderen im Jahre 1839 eine Versicherungsgesell­schaft, welche trotz des Verbotes, „Bankprivilegien“ auszuüben, demlnhaber auf Sicht zahlbare Depositenzertifikate herausgab, und diese Zertifikate ge­langten tatsächlich wie Banknoten in Umlauf2).

§4 .

Das Studium der Bankgeschäfte führt uns also zwei Umlaufsmittel- gatturiKon vor Augen: erstens die zur Kategorie des Geldes gehörenden Bank­noten und zweitens die Depositen, die zwar außerhalb dieser Kategorie liefen, jedoch «inen ausgezeichneten Ersatz für Geld darstellen. Wenn wir diese Depositen zu der umfassenderen Kategorie der Güter zählen, so können wir die* Güter in drei Klassen einteilen, nämlich: 1. in Geld, 2. in Depositen- umlaufimittcl oder einfach Depositen und 3. in alle anderen Güter. Unter diesen Gütern gibt es sechs mögliche Austauschtypen, und zwar:

1. Geld gegen Geld,2. Depositen gegen Depositen,3. Güter gegen Güter,4. Geld gegen Depositen,G. Geld gegen Güter,6. Depositen gegen Güter.

Kür unw-rrn Zweck sind nur die letzten beiden Austauschtypen von Be­deutung, denn diese bilden die Umfoufsmittelzirkulation (cireulation of currency). Was die anderen vier Typen anbelangt, so ist die erste bereits

•) .JhgtM of Sink Banking Statutei" in Reports of the National Monetary Commission, 6 L Knne»"b, 2. Bonntmtukumcnt Nr. 368.

*) .VH* Horac« White, Money and Banking.

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Einfluß der Dcpositenuinlaufsmittcl auf die Gleichung usw. 3 9

als „Geldwechsel“ und die dritte als „Tauschhandel“ (harter) erklärt worden. Die zweite und vierte sind Banktransaktionen; zur zweiten ge­hören solche wie der Verkauf von Zahlungsanweisungen für Scheck» oder die gegenseitige Ausgleichung von Bankclearings, während sich unter dor vierten Art Transaktionen wie das Deponieren oder dio Zurücknahme von Geld befinden, was vermittelst Einzahlung von Bargeld oder die Ziehung von Schecks geschieht.

Nachdem wir die Bankbilanzen einer Analyse unterzogen haben, können wir nunmehr die Bankdepositen oder den zirkulierenden Kredit in die Verkehrsgleichung aufnehmen. Nach wie vor wollen wir die Quantität tatsächlichen Geldes mit 0 und die Umlaufgeschwindigkeit desselben mit V bezeichnen. In gleicher Weise sollen die gesamten Depositen, welche durch den Scheckverkehr Gegenstand der Übertragung Bind, mit G' und die Durch - schnitts-Umlaufsgeschwindigkeit mit U' bezeichnet werden. Der Gesamt­wert der während eines Jahres vorgenommenen Käufe ist daher nicht mehr durch GU, sondern durch GU -f G'U' zu bemessen. Die Verkehrs- Kleichung gestaltet sich also folgendermaßen:

Wir wollen uns nun dio Verkehrsgleichung wieder mittelst eines mechani­schen Schaubildes vorstellen. In Figur 4 ist der Handel nach wio vor auf der

rechten Seite durch das Gewicht eines Komplexes verschiedener Güter ver­anschaulicht, deren Durchschnittspreis durch die Entfernung vom Dreh­punkte der Wage nach der rechten Seite oder durch die iJtnge des Woge* armes, an welchem das Gewicht hfingt, dargestellt ist. Zur linken wird wieder das Geld (G) durch ein in Geldbörsenform gekennzeichnetes Ge-

') Dio Verkehrsgleichung wurde auch von Kemmerer in Money and CrrdU /lutfrv- mettia m their Hrlation to General Price», und zwar mit Einschluß dm Itonkkieilit« aulgr- stcllt, doch ist seino Darstcllungswciso eine etwa* verschiedene. l>nti der Kredit genau so wie das Geld aul die Preise cinwirkt, ist keineswegs ein neu aulgestclltes Prinzip. Sich« 7.. B. Milt, Principles of Political Economy, 111. Teil, XII. Kapitel, § 1 und 2.

GU + G'U' = = PH l).

f e i t mt —r r j Bh r n n \ i r t-r s1;-.

Fig. 4.

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4 0 111. Kapitel,

wicht und die Umlaufsgeschwindigkeit desselben (17) durch den Wagearm. dargrotellt. Auf dieser linken Seite haben wir nun aber noch ein anderes Gewicht in Form eines Bankbuches, welches die Bankdepositen ((?') ver­anschaulicht. Die Umiaufsgeschwindigkeit dieser Bankdepositen ((?') ist ef>enfalis durch die Entfernung vom Drehpunkte der Wage oder durch den Wagearin, an welchem dieses Buch hängt, dargestellt.

Dieser Mechanismus führt die Tatsache vor Augen, daß sich der Durch­schnittspreis (rechter Arm) mit der Zunahme des Geldes oder mit derjenigen der Bankdepositen und mit der Zunahme in deren Umlaufsgeschwindigkeit erhöht, während sich dieser Preis mit der Zunahme des Handelsumfanges erniedrigt.

Auf die linko Seite der Verkehrsgleichung oder auf GU + G'U' zurück- kommend, sehen wir, daß in einem Gemeinwesen ohne Bankdepositen die linke Seile der Gleichung einfach auf GU, d. h. auf die im II. Kapitel ange­wandte Karmel umgewandelt wird, denn in einem solchen Gemeinwesen fehlt der Posten „Q'Un>. Mit der Einführung von G' tritt die Tendenz zu einem Steigen der Preise ein. Das heißt, durch das Anhängen des Depositen- bankbuchcs auf «1er linken Seite wird die Verlängerung des Armes zur Rechten notwendig.

Gerade wie A zur Bezeichnung des gesamten Geldumlaufes, also von GU verwendet wurde, so soll jetzt der gesamte Depositenumlauf G'U1 mit A ' beteich net werden.

Wie A , G und U sind auch A', G' und V Summen und Mittelwerte korrespondierender Größen, die auf verschiedene Zeitpunkte des Jahres oder verschiedene Personen zu beziehen sind *).

§ 5 .Durch den Einschluß dcH DepoBitenumlaufes in die Gleichung der Geld-

tirkuinüon wird der von der Quantität des Geldes auf das allgemeine Preis­niveau ausgettbte Einfluß weniger direkt, und die weitere Verfolgung diese« Einflusses wird schwieriger und komplizierter. Es ist sogar behauptet worden, daß durch das Hinzutreten des zirkulierenden Kredits jedwede xwi*chrn den Preisen und der Quantität des Geldes bestehende Beziehung

*) Die in der Anordnung von a \ g' und «' u»w. ausgedrückte mathematische Aiwlyw von A \ 0 ' und W Klimmt mit der im Anhang zum 1L Kapitel gegebenen von A (i und V vollkommen tlbcmin. Siehe auch 1 und 2 des Anhanges zu. diesem (III, \ pttaL

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Einfluß der Depositenumlaufsmittel auf die Gleichung usw. 41

durchbrochen wird1). Wäre der zirkulierende Kredit vom Gelde unab­hängig, so träfe dies zu. Tatsächlich hat aber die Quantität des zirkulieren­den Kredits, (?', die Tendenz, eine bestimmte Beziehung zu 0, zu der iu Umlauf befindlichen Geldquantität, aufrechtzuerhalten, d. h. die Depositen sind unter normalen Umständen ein mehr oder weniger bestimmtes Viel­faches von Geld.

Zwei Tatsachen bringen die Depositen unter normalen Umständen iu ein mehr oder weniger bestimmtes Verhältnis zum Gelde. Die eine davon, nämlich, daß die Bankreserven in einem mehr oder weniger bestimmten Verhältnis zu den Bankdepositen gehalten werden, ist bereits erwähnt worden. Die andere besteht darin, daß Einzelpersonen, Firmen und Gesellschaften ein mehr oder weniger bestimmtes Verhältnis zwischen ihren Bargeld* und Schecktransaktionen und auch zwischen ihrer Geld- und Depositenbilanz bewahren 2). Diese Verhältnisse werden durch Motive individueller Be­quemlichkeit und Gewohnheit bestimmt. Die Geschäftsfirmen benutzen im allgemeinen Geld für Lohnzahlungen und für verschiedene Geschäfte geringerer Bedeutung, die in den Begriff „Kleingeld“ eingeschlosBon sind, während zum Ausgleich der Geschäfte von ihnen untereinander gewöhn­lich Schecks vorgezogen werden. Die Vorliubo hierfür ist so groß, daß wir uns schwerlich einen Bruch mit dieser Praxis vorzustellen vermögen, es sei denn etwa nur zeitweise und in geringem Umfange. Eine Geschäfts* tirma wird schwerlich Straßenbahnfahrgelder mit Schecks bezahlen und große Zahlungsverpflichtungen mit Bargeld liquidieren. Jedermann strebt in der Benützung der beiden Zahlungsmethoden nach einem Gleich­gewicht und stört dieses nicht nennenswert, wenigstens nicht auf längere Zeit. Er paßt seinen Geldbestand oder sein Bankkonto beständig den von ihm in Geld oder per Scheck zu erledigenden Zahlungen an. Sobald der Goldbestand verhältnismäßig gering wird und das Bankkonto ein verhältnismäßig großes Guthaben aufweist, wird ein Scheck gezogen. Im entgegengesetzten Falle wird bares Geld deponiert. Auf diese Weise wird eines der beiden Austauschmittel fortwährend in das andere um*

l ) Laughlin ist der beinahe entgegengesetzten Ansicht, daß der normale Kredit die Preise nicht beeinflussen kann, weil er kein Angebot von voUwcrtigem Gelde damtellt und daher aut den Wert des Mallgutes, das das Preisniveau einzig und allein bestimmt, keinen Einfluß h a t Siehe Principles of Money, New York (Seribner), 1903, S. 07, Beide An­sichten stehen mit der in diesem Buche vertretenen in Widerspruch.

*) Diese Tatsache ist von Laughlin anscheinend übersehen worden, wenn er den Schluß zieht, daß „therc is not any reason for limlting the aiuount of the deponit currency, or the Mfuiuption of an absolut« scarcity of specio reservoc". Siehe Principles of Money, S. 127.

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4 2 III. Kapitel.

gesetzt. Eine Privatperson versieht sich gewöhnlich aus ihrem Bankkonto mit laschengeld. Eine Detailhandelsfirma stärkt ihr Bankkonto mit dem Ertrage der Ladenkasse. In beiden Fällen besorgt die Bank die Vermittlung des Austausches.

In irgend einem Gemeinwesen wird das quantitative Verhältnis von Depositenumlaufsmitteln1) zum Gelde durch verschiedene Bequemlich­keitsrücksichten bestimmt. Je höher vor allen Dingen der Geschäfts­verkehr in einem Gemeinwesen entwickelt ist, desto vorherrschender is t daselbst der Gebrauch von Schecks. An Plätzen mit hochentwickeltem Ge­schäftsbetrieb werden die von den Kaufleuten untereinander abgeschlossenen bedeutenden Geschäfte gewöhnlich mittelst Scheck und die kleineren durch Barzahlung erledigt. Je konzentrierter die Bevölkerung ist, desto mehr ge­winnt der Gebrauch von Schecks die Oberhand. In Städten ist es für den Zahlenden und auch für den Empfänger bequemer, große Zahlungen per Scheck vorzunehmen, während auf dem Lande das Auf suchen einer Bank infolge Zeit- und Geldverlustes zu teuer zu stehen kommt, um den Schecks den Vorzug zu geben. Aus diesem Grunde wird im Verhältnis zum Umfange der zustande kommenden Geschäfte auf dem Lande mehr Geld gebraucht2). Je wohlhabender ferner die Mitglieder des Gemeinwesens sind, desto aus­giebiger kommen Schecks zur Verwendung. Arbeiter gebrauchen sie selten; Kapitalisten, Angehörige der gelehrten Berufe und Gehalt beziehende Per­sonen hingegen gebrauchen sie gewöhnlich, und zwar sowohl für persön­liche als auch für geschäftliche Zwecke.

Es herrscht also, was Bequemlichkeit und Gewohnheit betrifft, eine gewisse Beziehung zwischen der Scheck- und Bargeldzirkulation und ein mehr oder weniger stabiles Verhältnis zwischen der Depositenbilanz des Durchschnittsmenschen oder der Durchschnittsgesellschaft und dem Geld­bestand in Tasche oder Ladenkasse. Diese Tatsache, auf ein ganzes Land angewendet, bedeutet, daß sich aus Bequemhchkeitsgründen ein ungefähres Verhältnis zwischen 0 und 0' herausbildet. Wenn dieses Verhältnis zeit­weilig gestört wird, dann wird eine Tendenz zur Wiederherstellung des alten Verhältnisses einsetzen. Es erfolgt dann ein Deponieren des Über­schusses an Bargeld oder ein Flüssigmachen des Zuviel an Depositen.

Es hat also sowohl das in Umlauf befindliche als auch das in Beserve

») Laughlin benützt in seinen Principles of Money den bequemen Ausdruck „Depo-Hitonumlaufsmittor4 (deposit currency) S. 118.

*) Sioho Kinleyn „Credit Instrum entsR eport of the National Monetary CommissioScnatsdokumont 399, 61. Kongreß, 2. Session, 1910, S. 188. »

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Einfluß der Depositenumlaufsmittcl auf die Gleichung usw. 4 3

gehaltene Geld die Tendenz, ein bestimmtes Verhältnis zu den Depositen beizubehalten. Es folgt daraus, daß die beiden Goldbestände in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen müssen.

Es folgt ferner, daß, da jede Veränderung in G, dem in Umlauf befind­lichen Geldquantum, unter normalen Umständen eine verhältnismäßige Ver­änderung in G\ dem Volumen der dem Scheckverkehr unterworfenen Bank- depositen, bedingt, eine solche Änderung eine sich in bestimmten Ver­hältnissen vollziehende Veränderung im allgemeinen Preisniveau hervorruft, ausgenommen natürlich, daß Veränderungen in den U oder den Q als Begleitumstände diese Wirkung beeinträchtigen. Dio Richtigkeit dieser Behauptung ist aus der Gleichung GU + G'U' = -pQ klar ersichtlich, denn wenn sich z. B. GundG' verdoppeln, während U und U' unverändert bleiben, so wird die linke Seite der Gleichung verdoppelt, worauf folglich auch die rechte Seite verdoppelt werden muß. Aber wenn die Q unver­ändert bleiben, dann müssen sich offenbar alle p verdoppeln, oder, wenn einige p weniger als eine Verdoppelung erfahren, müssen sich andere ge­nügend mehr verdoppeln, um einen Ausgleich zu bewirken.

§6 .

Der Inhalt dieses Kapitels soll in einigen einfachen Sätzen zusam m en - gefaßt werden:

1. Die Banken liefern zwei Arten von Umlaufsmitteln, nämlich Bank­noten, die Geld darstellen und Bankdepositen (oder liechte zur Ziehung von Schecks), die kein Geld sind.

2. Ein Bankscheck bedeutet nur ein Zertifikat Uber ein Bezugs- recht.

3. Die Anrechte der Deponenten und Noteninhaber sind nicht allein durch die Barreserve, sondern auch durch sämtliche Aktiva der Bank gedeckt.

4. Das Depositenbankwesen ist eine Einrichtung, durch dio der zu direktem Umlauf nicht geeignete Reichtum zur Basis für die Zirkulation von Bezugsrechten gemacht wird.

ö. Die Grundlage solcher zirkulierender Bezugsrechtc oder Depositen muß zum Teil in wirklichem Gelde und sollte zum Teil auch in rasch in Geld umzusetzenden Aktiven bestehen.

6. Die drei GUterkategorien: Geld, Depositen und alle anderen Güter ermöglichen sechs verschiedene Austauscharten. Für unsere Zwecke ist der Austausch von Geld und Depositen gegen Guter der wichtigste.

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7. Mit Einschluß der Bankdepositen lautet die Gleichung der GeLdU zirkulation folgendermaßen:

GU + G'U' = SpQ oder PH.

8. Es herrscht die Tendenz zu einem normalen Verhältnis der B a n k - depositen (£?') zur Geldquantität (G), und zwar aus dem Grunde, weil d i e Geschäftsbequemlichkeit gebietet, daß die zur Verfügung stehenden U m ­laufsmittel sich auf Depositen und Geld in einem gewissen, mehr oder w eniger bestimmten, wenn auch elastischen Verhältnis verteilen.

9. Das quantitative Verhältnis zwischen Geld und Preisen wird u n te r normalen Bedingungen durch die Einbeziehung der Depositenumlaufsmittel nicht gestört.

IV. K a p i t e l .

Störung der Gleichung und der Kaufkraft inm*

Perioden des Übergangs.§ i-

Im vorigen Kapitel wurde dargelegt, daß die Quantität der B a n k - depositen unter normalen Umständen ein bestimmtes Verhältnis zu der in * Umlauf befindlichen Geldquantität und zu dem Quantum der Bankreserven. aufrechterhält. Solange sieh dieses normale Verhältnis behauptet, erh öh t das Vorhandensein der Bankdepositen die durch die im Umlauf befind-, liehe Geldquantität hervorgerufene Wirkung auf das Preisniveau und ver~. zerrt diese Wirkung nicht im geringsten. Veränderungen in der Umlaufs« geschwindigkeit oder im Handel üben übrigens auf die Preise, gleichviel o b Bankdepositen inbegriffen sind oder nicht, dieselbe Wirkung aus.

Dieses Verhältnis zwischen Geld (G) und Depositen ($ ') ist jedoch in Übergangsperioden kein starres.

Wir wollen nun auf diese Übergangsperioden näher eingehen. Die V e r­änderung, welche einen Übergang konstituiert, kann durch eine Veränderung in der Quantität des Geldes oder in einem anderen Faktor der Verkehrs- gleichung oder durch alle Faktoren zugleich stattfinden. Gewöhnlich tragen alle Faktoren zu der Veränderung bei Der Hauptfaktor aber, den wir uns (gleichzeitig mit seiner Wirkung auf die anderen Faktoren) zum. Studium wählen, ist die Geldquantität. Wenn die Quantität des Geldes plötzlich eine Verdoppelung erführe, so würde die Wirkung der Veränderung

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Übergangs. 45

später eine andere sein als zu Beginn derselben. Die Endwirkung ist, wio wir gesehen haben, eine Verdoppelung der Preise; bevor diese aber eintritt, schwanken die Preise auf und nieder. In diesem Kapitel wollen wir auf dio temporären Wirlcungen während der tÜbergangsperiode näher eingehen ohne Rücksicht auf die permanenten oder Endwirhingen, welclio im vorigen Ka­pitel besprochen wurden. Diese permanenten oder Endwirkungen folgen jedoch erst, nachdem ein neues Gleichgewicht hergestellt worden ist, — wenn man die Herstellung eines Gleichgewichtszustandes überhaupt in das Bereich des Möglichen ziehen kann. Wir haben es in diesem Kapitel lediglich mit den temporären Wirkungen, d. h. mit den Wirkungen in der Übergangs­periode zu tun.

Übergangsperioden charakterisiert entweder ein Steigen oder ein Fallen der Preise. Steigende Preise müssen von hohen Proben und fallende von niedrigen Preisen deutlich unterschieden werden. Mit stationären Preisniveaus, seien sic hoch oder niedrig, haben wir in diesem Kapitel nichts zu tun. Wir wenden unsere Aufmerksamkeit steigenden und fallen­den Preison zu. Steigcndo Preise markieren den Übergang von einem niedrigen zu einem hohen Preisniveau genau so, wie ein Abhang den Über­gang von flachem Tieflande zu flachem Hochlande bezeichnet.

Da das Studium dieses Steigens und Falicns mit der Adjustierung de« Zinsfußes fest verknüpft ist, so ist unsere erste Aufgabe, die Wirkungen steigender und fallender Preise *) aut den Zinsfuß kurz zu erörtern. Der Hauptgegenstand dieses Kapitels ist, zu beweisen, daß das eigenartige Ver­halten des Zinsfußes in Übergangsperiode!! für die Krisen und Depressionen, mit welchen Preisbewegungen gewöhnlich enden, in starkem Ausmaße verantwortlich zu machen ist.

Obwohl Geschäftsdarlehen stetB in Form von Geld gemacht werden, so wolle man beachten, daß ein Mann, der sich Geld leiht, dies nicht tut, um Geld zu thesaurieren, sondern um für dasselbe Ware zu kaufen. Wenn z. B. A hundert Dollar von B borgt, um einhundert Einheiten eines ge­gebenen Artikels zu einem Dollar per Einheit zu kaufen, so kann man jeden­falls sagen, daß B dem Wesen nach dem A hundert Einheiten dieses Artikels leiht. Und wenn am Schlüsse des Jahres A dem B hundert Dollar zurück- erstattet und der Preis des Artikels mittlerweile höher geworden ist, dann hat B eben Bruchteil der ursprünglich dem A geliehenen Kaufkraft verloren. Denn selbst wenn A dem B die gleichen Münzen, in denen das Darlehen ausbezahlt wurde, zurückcrstatten würde, so repräsentieren

i) Bezüglich vollständiger Darlegung i, Irving Fisher, Tht RaU of Interest, New York (Macmillan), 1907, Kap. V und XIV.

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4 6 IV. Kapitel.

diese Münzen etwas weniger als die ursprüngliche Quantität der damit k a u f­baren Artikel. Indem wir dies in unserer Untersuchung des Zinsfußes b erück­sichtigen, wollen wir jetzt annehmen, daß die Preise jährlich um 3 P ro z e n t steigen. Es ist klar, daß der Mann, welcher zu Beginn des Jahres hundort Dollar ausleiht, um 5 Prozent Zinsen in Kaufkraft zu erhalten, $ 103 (d a s Äquivalent der geliehenen $ 100) plus 5 Prozent auf diesen Betrag o d er eine Gesamtsumme von $ 108,15 zurückerhalten muß. Das heißt, um & Prozent Zinsen in gegenwärtiger Kaufkraft zu erlangen, muß er etwas m e h r als 8 Prozent Zinsen in Geld erhalten. Die 3 Prozent Preissteigeru n g sollten daher den Zinsfuß um annähernd 3 Prozent erhöhen. Damit d ie Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner während des Steigens d e r Preise die gleichen bleiben wie vorher und nachher, verlangen steigende Preise einen höheren Geldzins als ihn gleichbleibende Preise erfordern.

Nicht nur Gelddarleiher können auf Zahlung höherer Interessen Anspruch erheben, sondern die Geldentlehner können auch ganz g u t höhere Zinsen zahlen. Bis zu einem gewissen Grade wird die K onkur­renz sie allmählich hierzu zwingen *). Wir sind in unserem Geschäfts­leben aber so daran gewöhnt, das Geld als den stabilen Faktor zu b e ­trachten und, ohne Rücksicht auf den Zeitablauf, den Dollar für einen D o lla r zu halten, daß wir nur widerstrebend diesem Prozeß der Wiederausgleichung nachgeben, die wir dadurch sehr langsam und unvollständig gestalten. Wenn die Preise um 3 Prozent per Jahr steigen und der normale Z in s­fuß, d. h. der Zinsfuß, der bestände, wenn sich die Preise immer g le ich blieben, 5 Prozent wäre, so wird der wirkliche Zinsfuß, obwohl er von R ech ts wegen 8,15 Prozent sein sollte, um für die Preissteigerung Ersatz zu b ieten „ diese Ziffer gewöhnlich nicht erreichen; der Zinsfuß mag sich vielleicht auf 6 Prozent und später auf 7 Prozent erhöhen. Diese Unzulänglichkeit u n d Langsamkeit in der Ausgleichung werden außerdem durch das Gesetz sow ie durch Brauch und Sitte gefördert, die nach Willkür streben, den Zinsfuß möglichst niederzuhalten.

Dieselbe Unzulänglichkeit der Ausgleichung ist bei einem Fallen d er Preise wahrzunehmen. Nehmen wir an, daß $ 97 am Ende des Jahres ebensoviel kaufen als $ 100 zu Anfang des Jahres. Um also eine Kauf­kraft im gleichen Werte seiner ursprünglichen und 5 Prozent Zinsen zurück­zuerhalten, sollte in diesem Falle der Verleiher nicht $ 105, sondern nur $ 97 plus 5 Prozent von 3 97 oder $ 101,85 empfangen. Der Zinsfuß in Geld sollte also indiesemFall sta tt der ursprünglichen5 Prozent 1>85 Prozent, oder

J) liate of Interest, Kap. XIV.

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Ü bergangs 47

weniger als 2 Prozent sein. Mit anderen Worten: die 3 Prozent Preiser- niedrigung sollten den Zinsfuß um annähernd 3 Prozent herabsetzen. Tat­sächlich wird aber ein so vollkommener Ausgleich selten erlangt, und der Zinsfuß hält sich für eine beträchtliche Zeit weit über 2 Prozentl ).

§2 .

Wir kommen nun zur Erörterung der vorübergehenden oder Über­gangsveränderungen in den Faktoren unserer Verkehrsgleichung. Zunächst wollen wir eine geringfügige Störungsursache annehmen, wie sie zum Bei­spiel durch eine Zunahme in der Quantität des Goldes herbeigeführt würde. Daraus entsteht, wie die Verkehrsgleichung lehrt, eine Steigerung der Pr eine. Wenn die Preise steigen, so erhöht sich der in Geld bemessene Gewinn der Geschäftsleute ebenfalls, selbst wenn die Geschäftsunkosten in demselben Verhältnis steigen sollten. Wenn also ein Mann, der Güter, die ihn $ ÖÜOÖ gekostet haben, für 8 10,000 verkauft und auf diese Weise $ 4000 rein ver­dient, doppelte Preise bei doppelten Unkosten erhalten könnte, so würde sich sein Gewinn verdoppeln, also $ 20,000— § 12,(XX) = $ HOOO Rein­gewinn. Natürlich würde eine solche Preissteigerung rein dem Namen nach bestehen, da Bie ja lediglich mit der Steigerung im Preisniveau gleichen Schritt hält. Dem Geschäftsmann würde daraus kein Vorteil erwachsen, denn sein größerer Gewinn an Geld würde nicht mehr kaufen, als sein vor­heriger geringerer Gewinn an Geld früher kaufte. Tatsächlich erhöht »ich aber der Gewinn des Geschäftsmannes mehr, als es nach diesen Ziffern scheint, weil der von ihm zu zahlende Zinsfuß »ich nicht augenblicklich anpaßt. Unter seinen Unkosten befinden sich Zinsen, und diese Unkosten steigen anfänglich nicht. Der Gewinn erhöht sich demnach schneller als die Preise. Daraus ist zu entnehmen, daß ein höherer Gewinn ab? gewöhnlich erzielt werden kann, was den Geschäftsmann ermutigt, durch weitere Auf­nahme von Kapital sein Geschäft auszudehnen. Dies geschieht haupt­sächlich in Form von kurzfristigen Anleihen bei Banken und, wie wir gesehen haben, erzeugen kurzfristige Darlehen Depositen. Bekanntlich korrespondieren Anleihen und Depositen bemerkenswert genau mitein­ander 2). Der Umlauf von Depositen ((?') vermehrt sich also, doch tjewirkt diese Vermehrung des Depositenumlaufs eine weitere Steigerung des allge­meinen Preisniveaus, und zwar ebenso, wie es im Anfang die Zunahme des

*) Hak 0/ 1 ntcresl, loc, ciL*) S. J. Feaso Norton, Statistical Studie* i« the Stic York Mowy Market (Macmillan),

1902, Tabelle am Schlüsse.

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4 8 IV. Kapitel.

Goldquantums getan hatte1). Die Preise, welche der Höhe des Zinsfußes vorher bereits vorausgeeilt waren, streben darnach, ihr noch weiterhin v o r- auszueilen und setzen dabei die Entlehner, welche ihre Gewinne ohnedies schon erhöhten, in den Stand, sie noch weiter zu erhöhen. Die Nachfrage nach weiteren Anleihen wächst und, obwohl der nominelle Zinsfuß etwas in die Höhe geschraubt wird, so bleibt er doch unter dem normalen Niveau, zurück. Nominell hat sich die Zinsrate doch erhöht, und infolgedessen, werden auch die Darleiher, die Banken inbegriffen, zu größeren Unterneh­mungen veranlaßt. Durch die höheren nominellen Raten zur irrtümlichen. Annahme verleitet, daß ziemlich hohe Zinsen erlangt werden können, er­weitern sie ihre Darlehen, und mit der resultierenden Erweiterung des all­gemeinen Bankkredits vermehrt sich der an sich schon umfangreiche D e- positenumlauf (G') in noch höherem Maße. Wenn die Preise steigen, kann auch der Geldwert von Effektendepots größer geworden sein, wodurch es den Entlehnen! leichter gemacht wird, großen Kredit zu erhaltena). In ­folgedessen Bteigen die Preise noch weiter3). Diese Wirkungsfolge der Ereignisse kann in folgender Form kurz ausgedrückt werden:

1. Die Preise steigen (die Ursachen können verschieden sein; wir haben xur Verdeutlichung ein Anwachsen des Goldbestandes gewählt).

2. Die Zinsrate nimmt zu, aber nicht genug.3. Dio durch großen Gewinn ermutigten Unternehmer („Enterprisers“ ,

um Professor Fetters Ausdruck zu gebrauchen) erweitern ihre Anleihen.4. Der Depositenumlauf (G') vermehrt sich im Verhältnis zum Gelde (Cr).f). Die Preissteigerung dauert fort, d. h. das Phänomen Nr. 1 wiederholt

sich. Dann wiederholt sich Nr. 2 und so weiter.

Mit anderen Worten: eine geringfügige anfängliche Preissteigerung netzt eine Reihe von Ereignissen in Bewegung, welche die Tendenz haben, diese Preissteigerung zu wiederholen. Eine Preissteigerung bringt immer die andere mit Bich, und zwar solange, wie der Zinsfuß hinter seiner normalen Ziffer eurückbleibl.

*) Sicht* den Artikel von Knut Wicksell in den Jahrbüchern für Nationalökonomie 1807 (Bond 68), S. 228—248, betitelt: „Der Bankzins als Regulator der Warenpreise.“ Obgleich M lieh in diesem Artikel nicht direkt um einen Kreditzyklus in bezug auf Paniken handelt, to bezeichnet er doch den Zusammenhang zwischen der Zinsrate auf Bankanleihem und Veränderungen im Preisniveau, welche auf die resultierende Vermehrung und Ver­minderung solcher Anleihen zurückzuführen ist.

■) Siehe Kinley, Money, New York (Macmillan), 1904, S. 223.*) Siche Wicksell, a. a. 0 .

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Übergangs. 49

§3.

Die Ausdehnung des Depositenumlaufs, die in dieser sich ständig ver­stärkenden Bewegung zutage tritt, erhöht in abnormer Weise das Ver­hältnis von G’ zu G. Dies ist klar ersichtlich, wenn die Preissteigerung in der Veränderung eines anderen Elementes oder mehrerer Elemente in der Gleichung beginnt, als des Geldes; denn wenn G unverändert bleibt und G' erhöht wird, so muß das Verhältnis G' zu G «ich ebenfalls erhöhen. Wenn G in irgendeinem Verhältnis zunimmt, so wird G' in einem noch größeren Verhältnis zunehmen. Wenn die Zunahme nur in demselben Verhältnis stattfände, so würden die Preise in diesem Verhältnis steigen (unter der Annahme, daß die Geschwindigkeiten und Quantitäten unver­ändert bleiben); und wenn die Preise in diesem Verhältnis zunehmen wurden, so müßten die Anleihen (welche zum Einkauf von Gütern gemacht und den Preisen der Güter gemäß adjustiert wurden) in diesem Verhält­nis erhöht werden, nur um dieselben Güter wie vorher kaufen zu können. Dio Unternehmer aber, welche aus dem Nachhinken des Zins­fußes zu profitieren wünschen, würden aber die Anleihen über diesen alten oder ursprünglichen Punkt hinaus ausdehnen. Demnach würden sich die auf Anleihen gegründeten Depositen in einem größeren Verhältnis ver­mehren. Das heißt, das Verhältnis G' zu G würde Bich erhöhen. Mit anderen Worten: während der Periode, in welcher G zunimmt, wächst G' noch rascher und stört auf diese Weise das normale Verhältnis zwischen diesen beiden Formen von Umlaufsmittcln.

Dies ist jedoch nicht die einzige durch cineZunahme von 0 verursacht« Störung. Es gibt auch Störungen in Q (oder anders bezeichnet in //) in U und in U'. Diese sollen der Reih© nach vorgenomtnen werden. Der Ge­schäftsgang (die Q) wird durch die leichten Bedingungen für Anleihen angespornt. Diese Wirkung wird bei einer Preissteigerung immer beob­achtet, und die Leute erklären dann mit Befriedigung, daß das „Geschäft gut ist“ und dio „Konjunktur eine steigende ist“. Derartige Behauptungen repräsentieren den Gesichtspunkt des gewöhnlichen Geschäftsmannes, welcher ein „krcditsuchcndcr Unternehmer“ ist. Sie stellen nicht die Meinung des Gläubigers, des Gehalt beziehenden Mannes oder des Arbeiters dar, von denen die meisten schweigend und geduldig leiden, indem sie die höheren Preise zahlen müssen, nicht aber entsprechend höheres Einkommen beziehen.

Die erste Ursache der ungesunden Zunahme des Geschäfts liegt in der Tatsache, daß die Preise, den Zinsen gleich, hinter ihrer völligen An­passung Zurückbleiben und durch erhöhte Käufe sozusagen empor-

P I a b « r , K aufkraft d»a öaldaa. ^

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5 0 IV. Kapitel.

getrieben werden müssen. Dies gilt namentlich dann, wenn der ursprüng­liche Anstoß von einer Geldzunahme herkam. Die Ausgabe zuschüssigen Geldes erfolgt anfangs fast auf der alten Preisstufe, durch seine fort­gesetzte Verausgabung hingegen werden die Preise allmählich erhöht. Mittlerweile wird der Umfang der Käufe etwas größer, als er gewesen w&re, wenn die Preise schneller gestiegen wären. Vom Gesichtspunkte der­jenigen, welche Güter verkaufen, ist es tatsächlich die Möglichkeit stärke­ren Umsatzes zu den alten Preisen, welche zu einer Steigerung der Preise ermutigt. Wenn sie sehen, daß sie Käufer für mehr Güter als vorher zu den früher herrschenden Preisen finden können oder für ebensoviele Güter wie vorher zu höheren Preisen, dann werden sie diese höheren Preise fordern.

Aber der Umfang des Geschäftes hängt fast gänzlich von allem anderen eher ab als von der Quantität der Umlaufsmittel, so daß eine Zunahme in den Umlaufsmitteln den Geschäftsumfang nicht einmal zeitweilig beträchtlich erhöhen kann. In gewöhnlichen guten Zeiten ist tatsächlich das ganze G e­meinwesen mit Arbeit, mit der Produktion, dem Transport und dem Aus­tausch von Gütern beschäftigt. Die Zunahme der Umlaufsmittel während einer Periode geschäftlichen Aufschwungs kann von sich selbst aus nicht d ie Bevölkerung vermehren, die Leistungsfähigkeit der Arbeiter erhöhen oder weitere Erfindungen hervorbringen. Diese Faktoren begrenzen ziemlich genau den Umfang des Geschäftsverkehrs, der füglich bewältigt werden kann. Und obwohl der Gewinn der kreditsuchenden Unternehmer einen psychologischen Ansporn für das Geschäft bilden kann, obwohl einige Arbeitslose beschäftigt werden können und andere in verschiedenen Branchen zu überzeitarbeit veranlaßt werden, und obwohl eine größere Anzahl spe­kulativer Käufe und Verkäufe effektuiert werden, so ist doch beinahe die völlige Wirkung einer Zunahme an Depositen in einer Veränderung d er Preise zu erblicken. Normalerweise würde so die volle Wirkung zum Aus­druck kommen, in Übergangszeiten hingegen findet auch eine gewisse Zunahme in den Q statt.

Zunächst können wir wahmehmen, daß die Preissteigerung — das Sinken in der Kaufkraft des Geldes — den Umlauf des Geldes beschleunigt. Wir alle beeilen uns, eine Ware los zu werden, welche, wie eine reife Frucht unter unseren Augen verdirbt1). Das Geld macht keine Aus-

•) Einen statistischen Beweis liefert Pierre des Essars, Journal de la Soci€t& de KUtMiquc de Paris, April 1895, S. 143. Die Zahlen beziehen sich nur auf die Umlaufe- gmehwindigkeit der Bankdepositen. Entsprechende Zahlen für die Umlaufsgeschwind ig - fceit dal Geldes gibt cs nicht. Pierre des Essars hat bewiesen, daß Z7' in europäischen Hanken in Jahren der Krisis mit fast unfehlbarer Sicherheit ein Maximum erreicht. Ich

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Übergangs. 5 1

nähme; wenn es im Werte sinkt, so will cts der Inhaber so schnell wie mög­lich los werden. Sobald er das Fallen bemerkt, ist es sein Bestreben, Güter zu kaufen, welche in Geld ausgcdrückt im Preise steigen, um durch den Auf­schlag im Werte der Güter zu profitieren. Das unvermeidliche Resultat ist, daß diese Güter noch weiter im Preise steigen. Dio in der Erhöhung der Preise begonnene Reihe der Veränderungen, ausführlicher als zuvor attsgc- driiekt, lautet wie folgt:

1. Dio Preise steigen.2. Dio Umlaufsgeschwindigkoiten (U und U ) erhöhen sieh; der Zinsfuß

nimmt zu, aber nicht genug.3. Der Gewinn steigt, die Anleihen vermehren sich und dio Q wachsen.4. Der Dcpositcnumlauf ((/') vermehrt sich im Verhältnis zum Gelde (0).ö. Die Preise steigen weiter; d, h, Phänomen Nr. 1 wiederholt sich.

Dann wiederholt sich Nr. 2 und so fort.Es ist ersichtlich, daß diese Veränderungen nun alle Größen in der Ver­

kehrsgleichung in Mitleidenschaft ziehen. Es sind temporäre V eränderungen, welche sich nur auf dio Übergangsperiode beziehen. Sie gleichen der zeit­weiligen Kraftzufuhr und dem darauffolgenden Kraftausglcich eines Auto­mobils, das eine Steigung nimmt.

§ 4.Die aus diesem Ursachenkreis entspringende Ausdehnung kann natürlich

nicht ewig dauern; sio muß sich schließlich selbst erschöpfen. Es ist der Zinsfuß, der dieser fortgesetzten Wirksamkeit Einhalt gebietet. Die Verzögerung im Steigen des Zinses war für den abnormen Zustand verant­wortlich. Wenn das Steigen de« Zinses auch verspätet eingetreten ist, Ho ist es doch ein fortschreitendes, und sobald der Zinsfuß die Stufe der Preissteige­rung überschreitet, ändert sich die ganze Situation. Wenn dio Preise um2 Prozent per Jahr steigen, so wird der Aufschwung nur solange fort dauern, bis die Zinsen 2 Prozent höher sind. Erst damit wird die Preis­steigerung wottgomacht. Die Banken sind zur Selbstverteidigung gezwungen, den Zins zu erhöhen, denn nie können einer im Verhältnis zu den Reserven so abnormen Ausdehnung von Anleihen nicht htandhaltcn. S obald die« Zinsrate adjustiert ist, können die Entlehner nicht mehr holTen, großen Gewinn zu erzielen, und die Nachfrage nach Anleihen hört auf tu wachsen.

Es gibt auch noch andere Kräfte, welche der weiteren Vergrößerung

fand daawlbe, wie das Verhältnis der Clearing* xu Depaiiitrn in Now York, iW lon und Philadelphia lehrt, auch für die Vereinigten Staaten lutreflend.

1*

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.

6 2 ~ IV. Kapitel.

eie« Dcpositenumlaufs eine Schranke setzen, und die eine Tendenz zu seiner Einschränkung einleiten. Der Höchstbetrag der Depositenumlaufsmittel ist nicht nur durch das Gesetz und durch Klugheit auf ein gewisses Vielfaches dm Betrage# der Bankreserven beschränkt, sondern die Bankreserven selbst Kind durch den Geldbetrag der zu Reservezwecken verfügbar ist, auf eine gewisse Höhe beschränkt. Ferner beginnt mit dem Steigen des Zinses der Kur» gewisser, als Sicherung hinterlegten Wertpapiere, wie z. B. der Obli­gationen, auf Grund deren Anleihen gemacht wurden, zu fallen. Solche Effekten, deren Preis in dem diskontierten Werte fixer Summen beruht, fallen, wenn der Zins steigt, und sie können daher nicht als Sicherheit für Anleihen tn demselben Umfange als zuvor benützt werden. Diese Hemmung der An­leihen ist, wie vorher erklärt, auch eine Hemmung für Depositen.

Wer damit gerechnet hatte, seine Anleihen zu den früheren Sätzen und in der früheren Höhe zu erneuern, ist nach der Erhöhung des Zinsfußes außer­stande, die« zu tun. Es folgt daraus, daß einige von ihnen genötigt sind, ihre Zahlungen einzustellen. Der Konkurs (oder die Voraussicht eines solchen) von Firmen, welche von Banken stark geborgt haben, führt •dien« vieler Deponenten zu der Befürchtung, daß die Banken nicht imstande sein werden, diese Anleihen einzubringen. Die Banken kommen daher selbst in Verdacht, und die Deponenten verlangen aus diesem Grunde Bargeld. Dann kommt es zu „Runs“ auf die Banken, welche die Bankreserven gerade in dem Augenblick erschöpfen, wo sie *tn notwendigsten gebraucht werden *). Die nicht hinreichend mit Reserven versehenen Banken müssen nun ihre Anleihen einschränken. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo der Zinsfuß die Höhe der Panik erreicht. Diejenigen Unternehmer, welche betroffen werden, mtlasm Umlauf «mittel *) haben, um ihren Verbindlichkeiten nachkommen *u können, und um sie zu erhalten, sind sie bereit, hohe Zinsen zu zahlen. Einige von ihnen geraten in Konkurs, und mit ihrem Bankerott vermindert »ich die Nachfrage für Anleihen in entsprechendem Maße. Diese Kulmina­tion einer Preisbewegung nach aufwärts ist eben das, was man Krisis8)

*) Ein Tril der hier dargelegten Theorie über Krisen wurde in ähnlicher Weise in •itwt Hchrift von Harry G. Brown, Yale Review, August 1910, unter dem Titel „Typical Owunvrdal C riw * vertu» a Money Panic“ erklärt.

*) inring Kinhcr, Rate of Interest, S. 326 und 326.') D i« iit dio von Juglar gegebene Definition einer Krisis, und seine im Detail aus-

frfahrt* ÜMchichte der Krisen entspricht der Beschreibung. Siehe Juglar, Des Crises Comm*rtiak$ H ds leur Retour piriodique en France, en Anglelerre et aux Etats-Unis, i. Aufl., Paria (Guillaumin), 1889, S. 4 und 5. Vgl. auch die Übersetzung des die Ver-

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden de* Übergang«. fj'l

nennt, — eine Sachlage, die durch Bankerotte charakterisiert wird, und zwar von Bankerotten infolge eines Mangels an Bargeld zu einer Zeit, wenn es am nötigsten gebraucht wird.

Ks wird allgemein anerkannt, daß der durch Vertrauen« Verlust herbei- geführte Zusammenbruch des Bankkredits, ganz abgesehen von der Ursache des Vertrauensverlustes, das Hauptmoment jeder KrisU ist. Wa# nicht allgemein anerkannt wird, und was dieses Kapitel nachdrücklich hervorheben will, ist, dali dieser Vertrauensverlust (in der hier geschilderten typischen Handelskrisis) die Folge einer Verzögerung in der Anpassung des Zins­fußes ist.

Auf andere Ursachen von Krisen, nämlich auf solche, die in keinerlei Beziehung zum Gelde stehen, beabsichtigen wir nicht einzugehen. Statt dessen erklären wir, dali die mit dem Geld zusammenhängenden Ursachen, wenn «£ mit der mangelhaften Anpassung des Zinsfußes in Ver- biwlung gebracht werden, die wichtigsten sind. Die anderen Faktoren nämlich, auf welche oft Nachdruck gelegt worden ist, sind bloße Wirkungen dieser mangelhaften Anpassung. „Uberkonsumtion“ (overconsump- tion) und „zu große Kapitalanlage11 (overinvestment) sind hierhergehürige Fälle. Der Grund, weshalb viele Leute mehr ausgeben, nls sie sich gestatten können, ist, daß sie sich auf den Dollar als stabile Kinhcit noch dann ver­lassen, wenn Keine Kaufkraft tatsächlich schon in raschem Fallen begriffen ist. Der Inhaber von Obligationen z. B. lällt sich verlocken, nein Kapital anzugreifen. Kr denkt nicht daran, daß er einen Schuldcntilgungsfond bei­seite legen sollte, weil die Abnahme der Kaufkraft de# Gelde# den tatsächlichen Wert seines Hauptkapitals herabsetzt, Aktieninhaber und Unternehmer werden gewöhnlich durch gedankenlosen Verlaß auf die Stabilität de« Zins­fußes in gleicher Weise getäuscht, und so legen sie zuviel an. Allerdings verdienen sie eine Zeitlang, wa# der Inhaber von Wertpapieren verliert; sie sind daher berechtigt mehr au*zugcl>en und anzulegen, als wenn die Preise nicht steigen würden, und anfangs fahren sie gut dabei. Aber frUher oder später steigt der Zinsfuß Uber die Ziffer hinaus, mit welcher sic gerechnet hatten, und sie werden sich der Tatsache bewußt, daß sie sich auf Unter­nehmungen eingelassen haben, die sieh bei diesen hohen Zinssätzen nicht Imj- zahlt machen.

Dann ereignet sich etwas Seltsames: die Entlehner, welche außerstande sind, leichte Anleihen zu erhalten, machen den hohen Zinsfuß für Zustände

einigten Staaten betreffenden Teile* von I)e Courrey W. Thora, A lirvrf //irfory 0/ Ptnict in Ihr United Statti, New York (Putnam). 1893, S. 7—10.

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It 4 IV. Kapitel.

veraatwörtlich, die in Wirklichkeit der Tatsache zuzuschreiben sind, daß der Zin*fuß vorher nicht hoch genug war. Wäre der frühere Zinsfuß hoch genug gt<we»en, »o würden die Entlehner nicht zuviel Kapital angelegt haben.

§5 .iJie Einschränkung von Anleihen und Depositen ist von einer Abnahme

in den Umlaufsgeschwindigkeiten begleitet, und diese wirken zusammen, um eine weitere Preissteigerung zu verhindern, und führen zu einem Fallen derselben. Die Woge ha t ihren Höhepunkt erreicht, und eine Reaktion te ilt ein. Wenn nun die Preise nicht mehr weiter steigen, so sollte der Zins­fuß, welcher »ich erhöhte, um die Preissteigerung auszugleichen, wieder fallen. Aber genau so langsam, wie er im Steigen war, so ist er es jetzt im Fallen. Tatsächlich hat der Zinsfuß noch für einige Zeit die Neigung, weiter zu »leigen.

Der ehemalige Fehler, in der Kapitalaufnahme zuweit gegangen zu sein, xwingt die unglücklichen Opfer dieses Irrtums, noch weiter zu borgen, um ihre Zahlkroft zu schützen. Diese Abnormität kennzeichnet die Periode gan* besonder* als „Krisis“. Es werdfen Anleihen gebraucht, um alte Ver­pflichtungen aufrechterhalten zu können oder um die alten Schulden ver­mittelst neuer Schulden zu bezahlen. Die Anleihen werden nicht zu neuer Kapitalsau läge benötigt, sondern um Verpflichtungen, welche mit alten (und Verhängnis vollen) Kapitalanlagen in Verbindung stehen, nachzu- kummen. Do« Problem ist nun, wie man sich aus den Schlingen einge- gongi-ner Verbindlichkeiten freimachen kann. Es ist das Problem der Liqui­dation. Selbwt wenn der Zinsfuß zu fallen beginnt, so fällt er langsam, und Zahlungseinstellungen treten noch fortgesetzt ein. Die Entlehner erkennen nun. daß m immer noch schwierig ist, dem, wenn auch niedrig stehenden, Zln* tu entsprechen. Sie finden dies besonders, wenn sie un­mittelbar, bevor das Steigen der Preise aufhörte, oder gerade, bevor sie im fallen begannen, Kontrakte abgeschlossen hatten. In solchen Fällen hat man sich über den Zinsfuß geeinigt, bevor eine Veränderung in der Geschäfts­lage ringetreten ist. Infolgedessen wird die ausgleichende Erniedrigung dt* nominalen Zinsfußes, wenn überhaupt eine stattfindet, sehr geringfügig Nsio. Da es schwer fällt, den Zins zu bezahlen, kommt es zu weiteren Zah- lungucinntclhingen. Es wachsen die Bedenken, irgendein Wertpapier zu beleihen, et sei denn ein ganz erstklassiges, und auch die Bedenken, Kapital auUuoehmen, werden größer, außer wenn die Aussichten auf Erfolg die günstigsten sind. Die Bankanleihen sind geringfügig, und infolge­

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Störung der Glcichung und drr Kaufkraft in Perioden de« Cber^an^n. f>5

dessen reduziert» sich die Depositen ((»'). Die Verminderung der Depositen- umlaufsmittel verursacht ein weiteres Fallen der Preise. Diejenigen, welche Geld geborgt haben, um Warenvorräte zu kaufen, machen nun die Wahr­nehmung, daß sie die Waren nicht hoch genug verkaufen können, selbst um nur das zurückzuzahlen, was sie sich geborgt haben. Infolge dieser Ijmg- samkeit, mit der die Zinsrate auf ein niedrigeres und ein normale« Niveau herab sinkt, gestaltet sich nunmehr die Reihenfolge der Ereignisse der früheren entgegengesetzt:

1. Die Preise fallen.2. Der Zinsfuß nimmt ab, aber nicht genug.3. Die durch geringen Gewinn entmutigten kreditgebenden Unter­

nehmer schränken ihre Anleihen ein.4. Die Depositenumlaufsmittel (W) vermindern sieh im Verhältnis zum

Gelde ((J).5. Das Fallen der Preise dauert fort; d. h. Phänomen Nr. 1 wiederholt

sich. Dann wiederholt sich Nr. 2 und so fort.Auf diese Weise erzeugt ein Fallen der Preist? ein weiteres Sinken der­

selben. Offenbar wiederholt sich der Zyklus solange, wie der Zinsfuß zurück* bleibt. Derjenige, welcher hierbei am meisten verliert, ist der Geschäfts­mann, welcher Schulden hat. Er ist der typische Geschäftsmann, und er klagt nun, daß „das Geschäft schlecht ist“. Eine „geschäftliche Depression“ ist eingetreten.

Während dieser Depression sind die Geschwindigkeiten (17 und U') abnorm niedrig. Die Leute haben es weniger eilig, Geld oder Schecks aus- zugeben, wenn die Dollar, die sic repräsentieren, in der Kaufkraft steigen. Die Q (oder die im Handel befindlichen Quantitäten) verringern sich, 1. weil die Ijcute, die die Initiative für den Handel geben — die kreditsurhendeii rnternchmer — entmutigt sind; 2. weil das Beharrungsvermögen der hohen Preise nur durch eine Abnahme der Ausgaben überwunden werden kann und 3., weil der Handel gegen Geld, welchen die (^allein repräsentieren, einigermaßen dem Tauschhandel Platz macht. Eine Zeitlang ist zur Abwicklung von Ge­schäften, welche zu den gerade bestehenden Preisen durchzuftihreu sind, nicht genügend Geld vorhanden, denn diese Preise stehen noch immer hoch und wollen sich nicht sofort der plötzlichen Verminderung anpnssen. W'enn eine solche „Geldhungersnot“ entsteht, so gibt es, um all dio Geschäfte zu cITcktuiercn, keinen anderen Ausweg, als sich bei denGelddtronsaktionen mit Tauschhandel durchzuhelfen. Während aber die Zuflucht tum Tausch­handel das erste Fallen der Preise erleichtert, so beginnt die Unannehmlich­keit des Tauschhandels Bofort als eine weitere, nuf dio Herabsetzung der

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bG IV. Kapitel.

Preise gerichtete Kraft zu wirken, und zwar insofern, als der Verkäufer ver­anlaßt wird, mit Verlust zu verkaufen, um nur Geld in die Hand zu be­kommen und Tauschhandel zu vermeiden; freilich wird diese Wirkung eine Zeit lang durch eine quantitative Abnahme der Geschäfte, in welche die Ix-ute unter so ungünstigen Bedingungen sich einlassen, zum Teil auf­gehoben.

IJime Vorgänge sind in der folgenden Aufstellung zusammenzufassen:1. Die Preifio fallen.2. Die Umlaufsgeschwindigkeiten (U und U') nehmen ab; der Zinsfuß

nimmt ab, aber nicht genug.3. Der Gewinn nimmt ab; die Anleihen und die Q verringern sich.4. Dio Depositenumlaufsmittel ((?') vermindern sich im Verhältnis zum

Gelde (O).&. Da» Fallen der Preise dauert fort; d. h. Phänomen Nr. 1 wiederholt

«ich. Dann wiederholt sich Nr. 2 und so fort.Die au» diesem Ursachenkreis entspringende Einschränkung der Um­

laufmittel hört von selbst auf, sobald der Zinsfuß tiefer gesunken ist, als der Senkung der Preise entspricht. Nach einiger Zeit kehren die normalen Zu­stände wieder. Dio schwächsten Produzenten sind hinausgedrängt oder wenlgnten» verhindert worden, ihr Geschäft durch erhöhte Anleihen auszu­dehnen. E l bleibt den stärksten Firmen überlassen, ein neues Kreditge­bende aufzuführen. Das fortgesetzte Fallen der Preise hat es den meisten Entlehnen* unmöglich gemacht, die alten hohen Zinsraten zu zahlen; das Verlangen nach Anleihen vermindert sich, und der Zins fällt bis zu dem Punkt, wo ihn die Entlehner endlich zahlen können. Die Entleiher sind wieder bereit, Unternehmen zu wagen; die Zahl der Bankerotte nimmt ab; die Bankanleihen hören a u t sich za verringern; das Sinken der Preise laßt nach; daa Borgen und die Geschäftsbetriebe bringen Gewinn; es hkrocht wieder Bedarf an Anleihen; die Preise beginnen wieder zu steigen, und eine Wiederholung der bereits beschriebenen Bewegung nach aufwärts tritt ein.

Wir haben nun das Steigen, dio Kulmination, das Fallen und die Wiederherstellung der Preiso betrachtet. Diese Veränderungen sind abnorme Schwankungen, die auf eine anfängliche Störung zurückgehen. DU» Auf- und Abwärtsbewegung zusammengenommen stellt einen ge- •chloMcnen Kreditzyklus dar, welcher der Hin- und Herbewegung eines Pendel* gleicht1). In den meisten Fällen beträgt die Dauer eines ein-

•) Kia« mathcmatincho Behandlung dieser Analogie bei Pareto, Cours d'cconomie U uunne, 1897, 3. 282—284.

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Störung der Gleichung und der Kaufkraft in Perioden des Cbergangs. 5 7

maligen Hin* und Herschwingeus de« Geschäftapcndeb zehn .Jahre. Wenn das Pendel auch fortgesetzt in die Ruhelage strebt, so tritt tatsächlich immer irgendein Ereignis ein, um vollständiges Gleichgewicht zu verhindern. Es werden Schwingungen hervorgerufen, die trotz ihrer Tendenz, «ich selbst zu korrigieren, infolge erneuter Störung ständig fort dauern. Jede da« Gleich­gewicht störende Ursache genügt, um Schwingungen zu veranlassen. Mino der häufigsten dieser Ursachen ist die Zunahme der Quantität des Geldes1). Mine andere besteht in der Erschütterung des Geschäftsvertraucn« (die den Unternehmungsgeist, Anleihen und Depositen berührt). Mine dritte ist in schlechten Ernten zu suchen, da diese auf die Q einw irken. Eine vierte Ursache besteht in Erfindungen.

Die Kaktoren in der Verkehrsgleichung suchen daher fortgesetzt einen nor­malen Ausgleich. Auf ruhiger See wird ein Schill nur einige Male „stampfen“, bevor es zu Ruhe kommt, bet hoebgehender See aber hört daa Stampfen gar nicht auf. Während das Schill fortgesetzt das Gleichgewicht zu erreichen sucht, begegnet es andauernd Ursachen, welche die Schwankung verstärken. J>ic Faktoren, die gegenseitigen Ausgleich suchen, sind das iu Umlauf befind­liche Geld, Depositen, die Umlaufsgeschwindigkeiten beider, die Q und die /». Diese GrölJen müssen immer durch die Gleichung (#'// + O 'V ~pQ mit­einander verkettet sein. Dies stellt den Mechanismus des Austausches dar. Um sich aber einem solchen Verhältnis fügen zu können, dehnt die Ver­schiebung eines beliebigen Teils in diesem Mechanismus ihre Wirkungen während der Übergangsperiode über alle anderen Teile aus. Da die Über­gangsperioden die Kegel und diejenigen dea Gleichgewichtes die Ausnahme sind, so befindet sich der Mechanismus dea Austausches fast immer mehr in einem dynamischen als in einem statischen Zustand.

Man muli nun nicht annehmen, daü sich jeder Kreditzyklus dadurch kennzeichnen müflte, tlali er auf künstliche Weise zu einer Zeit Übermäßigen (ieschäftaaufschwung und zu einer anderen „schlechte Zeiten“ herbeifuhrt. Der Rhythmus kann in seiner Schwankungsweite mehr oder weniger extrem «ein. Wenn die Banken in der Bewilligung von Anleihen während der Perioden der Preissteigerung konservativ sind und die Ausdehnung dea Kreditumlaufs daher beschränkt ist, so ist dos Steigen der Preise ebenfalls beschränkt, und ea iat zu erwarten, tlali der nachfolgende Preissturz nicht ho tief wird und allmählicher stattfindet. Wenn ein bessere# Verständnis für die Bedeutung der Veränderungen im Preisniveau und das Bestreben

') ln dieser Unuchr »cheint dir Panik im Jahre 1Ü07 ihre Erklärung tu finden. Siehe living Ki*her, Satt of Interrrt, 8. 83G.

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IV. Kapitel.

herrschte, dfcüe Veränderungen durch Ausgleichung des Zinsfußes aufzu- witgen, so könnten die Schwankungen bedeutend abgeschwächt werden. Nur durch das Nachhinken des Zinsfußes vermögen die Schwankungen so große Verhältnisse anzunehmen. Über diesen Punkt äußert sich Marshall i-ehr treffend:

„Die Ursache für die abwechselnden Perioden des An- und Ab- schweüena der geschäftlichen Tätigkeit. . . ist innig verknüpft mit jenen Schwankungen dea tatsächlichen Zinsfußes, die von den Veränderungen in der Kaufkratt des Geldes ausgehen. Denn wenn Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß die Preise steigen, dann nehmen die Leute eiligst Geld auf und kaufen Güter ein und tragen dadurch zur Preissteigerung bei; die Hochkonjunktur ist da, und das Geschäft wird skrupellos undunökonomisch Iwtrieben; wer mit geborgtem Kapital arbeitet, zahlt weniger an realem Wert zurück, als er aufgenommen hat, und bereichert sich auf Kosten der Allgemeinheit. Wenn dann nachher der Kredit erschüttert ist und die Preise zu fallen beginnen, will Jeder Güter loswerden, deren Wert sich verringert, und Geld in dio Hand bekommen, dessen Wert sich rapid erhöht; dadurch fallen die Preise nur noch rascher, und das weitere Fallen verringert den Kredit noch weiter, und so fallen denn auf lange Zeit die Preise weiter, weil dio Preise einmal gefallen sind“ x).

Einen Zyklus von etw-as verschiedener Art bilden die jahreszeitlichen Schwankungen, die alljährlich stattfinden. Solche Schwankungen werden meintenteil« nicht durch die Abweichung von einem Gleichgewichtszustand veranlaßt, sondern vielmehr durch eine fortgesetzte Angleichung an Zustände, welch«, wenn auch veränderlich, so doch normal sind und erwartet werden. Wenn im Herbst die Zeit der Ernte und deren Transport heranrückt, so ist ein« Tendenz zu einem niedrigeren Preisniveau wahrzunehmen, der ein Steigen der Preise folgt, sobald diese Periode vorüber ist und der Winter berannaht.

§6.

In dem vorliegenden Kapitel haben wir die den Übergangsperioden eigentümlichen Phänomene analysiert. Wir haben gesehen, daß eine solche Periode de* „Aufschwungs“ zu einer Reaktion führt, und daß Wirkung und Gegenwirkung einen geschlossenen Kreislauf von „Prosperität“ und „Depres­sion“ darstellen

•) Mmhftll, Priitcipln of Economict, 6. Aufl., London (Macmillan), 1907, Bd. IS. M

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I n d i r e k t e E i n f l ü s s e a u f d i e Knt i fkra . f i . 59

Wir haben gefunden, daß steigende Preise nach einem höheren nomi­nellen Zins und fallende Preise nach einem niedrigeren Zins streben, daü die Anpassung im allgemeinen aber unvollständig ist. Mit einem anfänglichen Steigen der Preise tritt infolge der Tatsache, daß der Zins sich nicht sofort anpaßt, eine Erweiterung der Anleihen ein. Dem kreditgebenden Unter­nehmer bringt dies Gewinn, und sein Bedarf an Anleihen dehnt den Depositenumlauf weiter aus. Durch diese Ausdehnung steigen die Preise noch höher, ein Resultat, das durch die Steigerung der Umlaufsgeseh windig - keiten verschärft wird, wenn es auch einigermaßen durch eino Zunahme de« Geschäfts eine Abschwächung erfährt. Wenn sich der Zins den steigenden Preisen angepaßt hat und sowohl Anleihen wie Depositen dio durch die Bunkreserven und andere Bedingungen festgesetzte Grenze erreicht hoben, so macht die Tatsache, daß die Preise nicht mehr steigen, eine neue An­passung notwendig. Wer sein Geschäft unverhältnismäßig erweitert hat, findet nun die hohen Zinsraten drückend. Die Folge davon sind Zahlungs­einstellungen, die dann eine llandelHkrisis hervorrufen. Eine Reaktion setzt ein; die umgekehrte Bewegung nimmt ihren Anfang. Einem einmal be­gonnenen Fallen der Preise wohnt die Tendenz zu seiner Beschleunigung inne, und zwar aus Gründen, die mit denen, die in der entgegengesetzten Situation wirken, genau Ubereinstimmen.

V. K a p i t e l .

Indirekte Einflüsse auf die Kaufkraft.§ i.

Bisher haben wird die Beeinflussung des Preisniveaus durch den 1 landels- umfang, die Umlaufsgeschwindigkeiten «los Geldes um! der Depositen und durch die Quantität des Geldes und der Depositen in Betracht gezogen. Dies sind die alleinigen Einwirkungen, welche das Preisniveau direkt treffen können. Alle anderen Einflüsse auf die Preise müssen sich durch d»e*e fünf geltend machen. Es gibt Myriaden von Einwirkungen (außerhalb der Verkehrs- gleicbung), die die Preise mittels der oufgeführten fünf berühren, ln diesem Kapitel wollen wir die hauptsächlichsten Einflüsse kennzeichnen, mit Aus­nahme derer, welche die Quontität des Geldes (fr) betreffen; letztere werden in den beiden folgenden Kapiteln erörtert.

Wir wollen zunächst die äußeren Einwirkungen erwägen, dio den Um*

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0 0 V. Kapitel.

fang de* Handel« und durch diesen das Preisniveau berühren. Die Ver­hältnisse, welche die Ausdehnung des Handels bestimmen, sind zahlreich und technischer Natur. Die bedeutendsten können in folgende Gruppen eingeteilt werden:

1. Verhältnisse, welche die Produzenten berühren,

a) Geographische Unterschiede in natürlichen Hilfsquellen.b) Die Arbeitsteilung.c) Kenntnis der Produktionstechnik.d) Die Akkumulation des Kapitals.

2. Verhältnisse, welche die Konsumenten berühren.

ai Die Ausdehnung und Verschiedenheit der Bedürfnisse des Menschen.

3. Verhältnisse, die Produzenten und Konsumenten verknüpfen.

a) Verkehrsmittel.b) Relative Handelsfreiheit.c) Charakter des Geld« und Banksystems.dj (icsrhflftHvertrauen.1 a. Wenn alle Plätze in ihren natürlichen Hilfsquellen und in

ihren jeweiligen Produktionskosten ganz gleich wären, so würde offenbar xwischen den verschiedenen Plätzen nur ein geringer oder gar kein Handel aufkommerL Je größer der Unterschied in den Produktionskosten der ver­schiedenen Artikel an verschiedenen Orten ist, desto wahrscheinlicher ist da* Aufkommen des Handels zwischen diesen Plätzen, und desto größer ist dar t'mfang des Handels. Der ursprüngliche Handel hatte seine raison tt'rtrf in der Tatsache, daß die Kegionen der Erde in ihren Produkten un- gleirh sind. Die Handelsleute waren nichts als Reisende, die ferne Länder aufimchten. Veränderungen in der Handelsgeographie bringen noch immer Änderungen in der Verteilung und im Umfang des Handels hervor. Die Enrhöpfung der Gold- und Silberminen in Nevada und des Bauholzes in Miehigan hoben zu einer Verminderung des Umfanges des Innen- Bowie Außenhandels in diesen Gebieten beigetragen. Umgekehrt hat die Vieh- xueht in Texas, die Produktion von Kohle in Pennsylvanien, der Versand von Apfelsinen in Florida und derjenige von Äpfeln in Oregon den Handels­umfang in den betreffenden Distrikten erhöht.

1 b. Ebenso unverkennbar ist der Einfluß der Arbeitsteilung. Sie Ul xum Teil auf die Unterschiede in den jeweiligen Kosten oder auf die

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Indirekte Kinllübko auf die Kaufkraft. 61

Leistungen der Menschen untereinander gegründet, entsprechend den geo­graphischen Unterschieden der einzelnen 1-Ämlor. ln ihrem Zusammen­wirken führen diese beiden Umstünde zu lokalen Spezialisierungen, durch welche beispielsweise die Stadt Sheffield für ihre Messerscluniedeware, Meißen für Porzellan, Venedig für Glas, Paterson für Seide und Pittsburg für seinen Stahl ihr Renommee erworben haben.

1 c. Außer den lokalen und persönlichen Differenzierungsgründon übt die Kenntnis des Produktionsprozesses einen Einfluß nuf den Handel aus. Die Bergwerke Afrikas und Australiens wurden jahrhundertelang unberührt ge­lassen von den unwissenden Eingeborenen und wurden erst durch weiße, in der Wissenschaft der Metallurgie bewanderte Menschen geöffnet. In China warten ausgedehnte Kohlenfelder ihrer Ausbeutung, hauptsächlich wegen mangelnder Kenntnis, wie Kohle zu fordern und wie ihr Vertrieb zu organisieren ist. Ägypten wartet auf das Kommen wissenschaftlichen Acker­baues, um eine Ausdehnung seines Handels zu erfahren. Die Zahl der Ge­werbeschulen in Deutschland, England und in den Vereinigten Staaten, die die Kenntnis produktiver Technik steigern und ausbreiten, ist in dauernder Zunahme begriffen.

1 d. Wenn aber diese Kenntnis von Nutzen sein soll, so muß sie an­gewandt werden, und ihre Anwendung erfordert gewöhnlich die Unter­stützung durch Kapital. Je größer und je produktiver da* Kapital in einem Gemeinwesen ist, desto mehr Güter kann en in den Strom des Handels bringen. Eine Fabrik kann eine Stadt tu einem Zentrum des Handels machen. Docks, Getreidespeicher, ljigerhfluser und Eisenbahn- endstationen tragen dazu bei, einen bloßen Ankerplatz in einen Handels­hafen zu verwandeln.

Da die Zunahme im Handel zu einer Verminderung des allgemeinen Preisniveaus beiträgt, so trügt alles das, was den Handel erhöht, gleichfalls zu einer Herabsetzung des allgemeinen Preisniveaus bei. Wir können da­her hieraus folgern, »laß zu den Ursachen, die eine Verminderung der Preise herbeiführen, zunehmende geographische oder persönliche Spezialisierung, Verbesserungen in der Produktionstechnik und die Akkumulation von Kapital gehören. Die Geschichte de* Handels beweist, daß alle diese Ursachen wahrend einer langen Zeit, dos letzte Jahrhundert inbegriffen, in zunehmen­dem Maße wirksam gewesen sind. Infolgedessen war, soweit diese Quellen in Betracht kommen, eine beständige Neigung zu einem Fallen der Preise vorhanden.

2 a. Wenden wir uns der Seite der Konsumenten zu. Es ist offenbar, daß ihre Bedürfnisse von Zeit zu Zeit wechseln. Die« ist sogar bei dem

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r»2 V. Kapitel.

sogenannten natürlichen Bedarf der Fall, wenn es auch bei dem erworbenen oder künstlichen klarer vor Augen tritt.

Die Bedürfnisse sind sozusagen die Grundtriebkräfte ökonomischer Tätig­keit, wclchc letzten Endes die volkswirtschaftliche Welt im Gange halten. Der Wunsch, ebenso feine oder feinere oder auch von anderen ver­schiedene Kleidung zu besitzen, führt zu der Mannigfaltigkeit in Seiden, Satins, Spitzen usw., und derselbe Grundsatz kann auf Möbel, Vergnügungen, Bücher, Kunstwerke und alle anderen Mittel zur Befriedigung des Menschen angewandt werden.

Die zu einer Erhöhung des Handels führende Zunahme der Bedürfnisse trügt zu einer Erniedrigung des Preisniveaus bei. Die Geschichte lehrt, daß in neuerer Zeit durch Erfindungen, Erziehung und den dem wachsenden Kontakt in den Bevölkerungszentren entspringenden Wetteifer, eine große Vermehrung und Vervielfältigung der Bedürfnisse des Menschen und daher eine Zunahme de» Handels herbeigeführt worden ist. Infolgedessen ist au» diesen Ursachen eine Tendenz zum Sinken der Preise herzuleiten.

§ 2 .

3 a. Alle», was den Verkehr fördert, trägt zu einer Zunahme im Handel bei. Alle«, wo« auf den Verkehr störend einwirkt, ist auf eine Verringerung de« Handel« gerichtet. Da sind vor allen Dingen die mechanischen Ver­kehrsmittel. Nach dem Ausspruch Macaulays hat, mit Ausnahme desAlpha- iMft« und der Druckerpresse, keino Art von Erfindungen soviel zu einer Um- wÄkung der Zivilisation beigetragen, wie die, welche zu einer Verkürzung von Entfernungen dienen, — wie z. B. dio Eisenbahn, das Dampfschiff, der Telegraph, da« Telephon und jenes Verbreitungsmittel von Information und Reklame: die Zeitung. Alles dies trägt daher zu einem Sinken der Prefoe bei.

3 b. Ilandein« chranken sind nicht nur physischer sondern auch gesetz­licher Natur. Ein Zolltarif hat denselben Einfluß auf die Herabsetzung de« Hondeluverkehr« zwischen einzelnen Ländern wie eine Gebirgskette. Je freier der Handel ist, desto größer seine Umsätze. In Frankreich be- «itxen manche Gemeinden eine TorBteuer (octroi), welche den lokalen Handel «tark beeinflußt. In den Vereinigten Staaten ist der Handel inner­halb de« I«ande* gelbst frei, doch besteht zwischen diesem Staate und anderen IÄndern ein hoher Schutzzoll. Gerade die Tatsache der Zunahme der Trarwportcrloiehterungen, welche die physischen Schranken niedriger machen oder liinwcgr&utncn, hat die Nationen und Gemeinwesen zur Errichtunggesetz­

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Indirekt«* Kinflusüi* au! dio Kaufkraft. (>:i

lieber Schrankon an deren Stelle angespornt. Zollgesetze führen nicht allein zu einer Minderung des tatsächlichen Austausches, sonder«, insofern sie internationale oder interlokale Arbeitsteilung verhindern und die linder sowohl gleichartiger, als auch weniger produktiv machen, tragen sie weiter dazu bei, die Quantitäten der Güter, welche ausgctauscht werden können, herabzußctzen. Die endgültige Wirkung ist daher eine Steigerung der Preise.

3 c. Die Entwicklung eines wirksamen Geld* und Banksystems hat die Tendenz, den Handel zu erweitern, ln der Weltgeschichte hat es Zeiten ge­geben, in welchen sieh die Gcldvcrhältnisw in einem so zweifelhaften Zustande befanden, daß die Leute sich nicht entschließen konnten, viele Handels - kontrakte abzuschließen, und zwar, weil sich nicht voraussehen ließ, was man von ihnen bei der Erfüllung der Kontrakte erwarten konnte, ln gleicher Weise werden die Idente, wenn sie sich auf die Rechtschaffenheit oder Sta­bilität der Banken nicht verlassen können, Bedenken tragen, Depositen und Schecks zu benutzen.

3 d. Das Vertrauen, nicht nur zu den Banken im besonderen, sondern zu Geschäftsleuten im allgemeinen, wird mit Recht „die Seele des H andels“ genannt. Ohne dieses Vertrauen kann keine größere Anzahl von Kontrakten zustande kommen. Alles, was zur Vermehrung dieses Vertrauens l»eiirftgt, vermehrt auch den Handel. In Südamerika harren viele Plätze ihrer Ent­faltung einfach aus dem Grunde, weil Kapitalisten dort keinen Schutz gegen Kontraktbruch finden. Sie fürchten, daß ihnen durch die eine oder die andere Spitzbüberei tlie Frucht jeglicher Kapitalsanlage genommen werden wird.

Wir sehen also, daß die Preise bei einer Erhöhung des Hnndels einem Sinken zuneigen, das jo nach den Umständen durch verlicsserte Transport - Verhältnisse, durch erhöhte Handelsfreiheit, durch Vervollkommnung der Geld* und Banksysteme und durch Geschäftsvertrauen herbeigefuhrt werden kann. Geschichtlich haben in neuerer Zeit mit Ausnahme der Handelsfreiheit alle diese Ursachen das Bestreben gehabt, an Kraft zuzu* nehmen. Die Zollschranken haben aber die Wirkungen der Beseitigung physischer Schranken nur teilweise aufgehoben. Das Endergebnis ist eine fortschreitende Herabsetzung der Handelseiuschränkungen gewesen, und es herrschte daher, soweit diese Gruppe von Ursachen in Betracht kommt, die Tendenz zu einem Fallen der Preise.

§ 3.

Nachdem wir die den Umfang des Handels berührenden und außerhalb der Gleichung liegenden Ursachen erörtert halwn, ist es unsere nächste Auf­

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6 4 V. Kapitel.

gäbe, die äußeren Ursachen, die auf die Umlaufsgeschwindigkeiten des Geldes und der Depositen einwirken, in Erwägung zu ziehen. Meistenteils betreffen die Ursachen, welche eine dieser Geschwindigkeiten berühren, auch die andere. Diese Ursachen können folgenderweise eingeteilt werden.

1. Gewohnheiten des Individuums.

a) In bezug auf Wirtschaftlichkeit und Thesaurierung.b) In bezug auf Buchkredit.c) ln bezug auf die Verwendung von Schecks.

2. Zählungssysteme in dem Gemeinwesen.

a) In bezug auf die Häufigkeit der Geldeinnahmen und -ausgaben.b) In bezug auf die Regelmäßigkeit der Geldeinnahmen und -ausgaben.e) ln bezug auf das Zusammentreffen der Zeitpunkte und der Beträge

der Geldeinnahmen und -ausgaben.

3. Allgemeine Ursachen.

a) Bevölkerungsdichte.b) Transportschnelligkeit.

1 a. Wir nehmen nun diese Ursachen der Reihe nach vor und wollen zunächst in Krwftgung ziehen, welchen Einfluß die Sparsamkeit auf die UmlaufsgcHchwindigkeit ausübt. Die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ist dasselbe wie seine Umsatzrate. Sie wird durch die Division der gesamten durch Geld in einem Jahre effektuierten Zahlungen durch den in diesem Jahre in Umlauf befindlichen Geldbetrag gefunden und hängt ab von den Umnatxraten der Individuen, aus denen sich die Gesellschaft zusammen- netzt. Diene Umlaufsgeschwindigkeit oder Umsatzschnelligkeit des Geldes int bei jeder einzelnen Person umso größer, je mehr diese bei einem gegebenen in Händen befindlichen Durchschnittsbarbetrag ausgibt, oder je weniger Durchschnittsbargeld die Person bei einem gegebenen jährlichen Geldauf­wand in Händen hat.

Die Umlaufsgeschwindigkeit kann bei einem Verschwender als eine Uber-durchschnittliche angenommen werden1). Er pflegt immer „knapp“ an Geld zu sein und einen geringen Durchschnittsaldo zur Verfügung zu haben. Sem sparsamer Nachbar hingegen gibt sich Mühe,

*) Siehe Je von«, Money and the Mechanism of Exchange, New York (Appleton), 1896, H. 336.

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ssieh mit genügender Kasse zu versehen, damit er seinen unvorhergesehenen Ausgaben Genüge leisten kann. Der letztere treibt mit seinem Gelde Schatzbüdung, und wird daher eine langsamere Umlaufsgeschwindigkeit aufweisen. Wenn, wie es in Frankreich der Brauch war, die Leute ihr Geld in Strümpfen aufbewahrten und es durch Monate dort ließen, so muß die Umlaufsgeschwindigkeit äußerst niedrig gewesen sein. Dasselbe gilt von den Depositen. In einer gewissen Universitätsstadt lehnen die Hanken es oft ab, von Studenten, die mit Geld etwas verschwenderisch umgehen, Depositen anzunehmen, da ihr Durchschnittssaldo sehr niedrig ist; oder die Hanken stellen die spezielle Bedingung, daß der Saldo niemals unter llM) Dollart fallen darf.

Es wird zuweilen gesagt, daß zurückgelegtes Geld der Zirkulation ent­zogen worden sei. Dies besagt aber nur in anderer Form, daß das Zurück- legen zu einer Verminderung der Umlaufsgeschwindigkeit führt.

Ein sparsamer Mensch ist bis zu einem gewissen Grade ein Schatz- bildner von Geld1) oder Bankdepositen. Arbeiter, welche sich Geld sparen, pflegen ihre Ersparnisse in Form von Geld zu behalten, bis sie genügend angehäuft haben, um es in einer Sparkasse zu deponieren. Diejenigen, welche Bankkontos haben, sammeln gleichfalls beträchtliche Depositen, bevor sic Anstalten zu einer Kapitalsanlage treffen. Es wird behauptet, daß Hanken, deren Deponenten „rasch Geld machen“ und es in bestimmten Zeitperioden anlogcn, weniger aktive Bilanzen haben als Banken, deren Deponenten „nicht über die Verhältnisse leben“ ,

1 b. Die Gewohnheit des ,.Belasten»** (charging), d. b. die Gewohnheit, sich des Buchkredits zu bedienen, erhöht die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, weil der Mann, der Waren „belasten“ läßt, es nicht nötig hat, soviel Geld ru seiner Verfügung tu halten, wie er haben müßte, wenn alle seine Zahlungen per Kasse zu erledigen wären. Derjenige, welcher täglich b a r bezahlt, muß sich auch für die täglich möglichen Fälle mit Geld vorsehen. Ungleich dem System des Buehkredits erfordert das System der Barzah­lungen, daß das Geld für Einkäufe im voraus bereitgehalten wird. Wenn für Geld im voraus Sorge getragen werden muß, so muß es offenbar in größeren Quantitäten beschafft werden, als wenn es bloß zur Liquiilation vergangener Schulden benötigt wird. Und dies aus zwei Gründen: erstens herrscht vor den Einkäufen Ungewißheit darüber, wann und wieviel Geld gebraucht werden wird, während, nachdem die Rechnungen eingelaufen sind, die

') Sicho Harri Min H. IS rare. Gold Production and Fuittrx Priemt, New York (Banker*' Pul.lij.hing Co.), 1010, S. 122.

r i i k t r , K*nfkr»ll g

Indirekte* Kinlltiiue auf dii» Kaufkraft. ßjj

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<HJ V. Kapitel.

genaue benötigte Summe bekuimt ist. Zweitens, und dieser Grund ergibt sich dem eben genannten, muß das im voraus bereitgehaltencGeld eine längere

Zeit zurUckgehalten werden als das Geld, welches eingenommen wurde, nachdem »e ine Verwendung schon beschlossen war. Kurz, das Bereithalten dt* Gelde# im voraus erfordert a) einen breiteren Spielraum für unvorher- grtfchene l*'fille und b) einen längeren Zeitraum vor seiner Verausgabung, während dessen das Geld unbenützt bleibt. Bei dem System der Bar­zahlungen muß der Mann im voraus das Geld unbenützt liegen lassen, damit er nicht in die unangenehme Lage kommt, dann an Geld Mangel zu leiden, wenn er es am notwendigsten braucht. Beim Buchkredit weiß drf Mann, daß, selbst wenn er ohne einen Pfennig in seiner Tasche an* getroffen wird, er stets auf Kredit Waren erhält, die er bezahlen kann, »obald er in den Besitz von Geld gelangt. Außerdem braucht dieses Geld nicht lange in »einer Tasche zu liegen. Sobald er es erhalten hat, wird ch zur Bezahlung der inzwischen angesammelten Schulden ver­wendet. Nun vermindert die Verkürzung der Wartezeit offenbar die vorgotragenü Durchschnitt« bilanz, selbst wenn am Ende dieselben Summen empfangen und verauKgabt werden. So muß ein Arbeiter, welcher $ 7 dln Woche verdient und auagibt, wenn er nicht „belasten“ lassen kann, mit wdnein Wochenlohn die ganze Wochc ausreichen. Wenn er $ 1 täglich aungiht, *q muß »ein wöchentlicher Zyklus an den aufeinanderfolgenden Tagen wenig«ten» S 7, $ (i, S 6, S 4, S 3, S 2 und $ 1 aufweisen. An diesem Zeitpunkt kommen dann wieder weitere S 7 herein. Dies ergibt einen Durch- »rhnitt von rnindinten» $ 4. Wenn er hingegen alles gutschreiben lassen und bin zum Zahltage warten kann, um dann den sich ergebenden Verbindlich­keiten naehxukomnien, »o braucht er, wenn er seine $ 7 erst auszahlt, nach­dem in Keinen Besitz gelongen, die ganze Wochc hindurch nichts zurück- zubehalten. Sein wöchentlicher Zyklus braucht keine höheren Saldi auf- KtiwcWn als 8 7, $ 0, $ (), S 0, $ 0, 8 0, $ 0, was einen Durchschnitt von nur | 1 ergibt.

Durch den Buchkrcdit wird daher der Durchschnittsbetrag des Geldes oder der Bankdepositen, den jedermann zur Hand haben muß, um ent­stehenden Aufgaben gewachsen zu sein, verringert. Dies bedeutet eine Krhßhung der UmKotzrote, denn wenn dio Leute dieselben Beträge wie zuvor verbrauchen, dagegen aber kleinere Beträge zu ihrer Verfügung halten, *« muß der Quotient, der »ich aus der Division des verausgabten Betrages durch den in Händen befindlichen ergibt, eine Zunahme zeigen.

Wir haben aber gesehen, daß eine Erhöhung der Umsatzrate zu einer KrhOhung des Preisniveaus führt. Folglich führt der Buchkredit zu

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Indirekte Einflüsse auf tlie Kaufkraft. 6 7

einem Steigen des Preisniveau« *). Außerdem kann ein Gemeinwesen bis 7.11 einem gewissen Grade den relativen Mangel an Geld in einer Zeit guten Geschäftsganges mit dem relativen Überschuß einer Zeit - periode decken, in der weniger Ansprüche an ihr Geldangebot ge­stellt werden. Denn sonnt wäre zur Aufrechtcrhaltung des allgemeinen Preisniveaus bei einem guten Geschäftsgänge bedeutend mehr Geld erforderlich. Und dieses Geld läge wahrend der Jahreszeiten, iu denen das Geschäft flau ist, nutzlos, cs sei denn, daß es die Form eine« elastischen Umlaufsmittels anntthme, das eingelöst und eingezogen werden kann.

Kurz, durch Buchkredit wird Geld (G) gespart, auch wenn durch ihn keine Ersparnis an GeldraWuiujr» (.4) eintritt, und daher erhöht der Buchkredit auch die Umlaufgeschwindigkeit de ; Geldes (A/Q).

1 c. Die gewohnheitsmäßige Bevorzugung von Schecks gegenüber Bargeld wirkt gleichfalls auf die Umlaufsgeschwindigkeit ein, da der Deponent entbehrliches Geld sofort in der Bank, gegen da« Hecht, mittelst Schecks Geld zu erheben, niederlegt.

Die Banken bieten auf diese Weise einen Abfluß für alles überflüssige Taschen’ und Kleingeld und verhüten dadurch das Vorhandensein unpro­duktiver Geldhorte. Auf die gleiche Art kann ein Überschuß an Depositen in Bargeld umgewandelt werden, d. h. er kann nuf Verlangen in bar au*- gezahlt werden. Kurz, diejenigen, welche sowohl von Bargeld, als auch von Depositen Gebrauch machen, haben Gelegenheit, durch Anpassung beider Umlaufsmittcl an den jeweiligen Bedarf ein Müßigliegen des einen oder des anderen zu verhüten.

Wir sehen ohso, daß drei Gewohnheiten — Verschwendung, „Konto- belastung“ und Benützung von Schecks — durch ihre Einwirkungen auf die Umlaufsgeschwindigkeit des Gehles oder der Depositen zu einer Er­höhung des Preisniveaus beitragen. Es ist anzunehmen, daß diese Ge­wohnheiten (wahrscheinlich mit Ausnahme der erstgenannten) in neuerer Zeit rasch zugenommen haben.

§ *>.2 a. Je öfter Geld oder Schecks empfangen und verausgabt werden,

deBto kürzer ist der Durchschnittsintervall zwischen Empfang und Ver*

•) Diene indirekte Einwirkung auf dos Preisniveau darf nicht mit der direkten Wir­kung. dio zuweilen angenommen wird, verwechselt werden. Siche § 1 de« Anhamt*-* tu diesem Kapitel (V).

fi

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6K V. Kapitel.

auKgabung des Geldes oder der Schecks, und desto rascher ist die Umlaufs- ge*chwisdigkeit.

Die# kann am besten aus einem Beispiel ersehen werden. Der Über­gang von monatlichen zu wöchentlichen Lohnzahlungen erhöht die Um- loufsgeschwindigkeit des Geldes. Wenn ein Arbeiter per Woche $ 7 aus- gezahlt bekommt und diese täglich gleichmäßig verringert und jede Woche mit leeren Händen beschließt, so würde sein Durchschnittsbargeld, wie wir gesehen haben, wenig über die Hälfte von $ 7 oder ungefähr $ 4 betragen. Die« ergibt einen beinahe zweimaligen Umsatz per Woche. Bei monat­licher Auszahlung muß der Arbeiter, welcher im Durchschnitt $ 1 per Tag erhält und ausgibt, die $ 30 mehr oder weniger gleichmäßig auf die folgenden 30 Tage verteilen. Wenn er am nächsten Zahltag mit leeren Händen dasteht, «o int m in Durchschnittsgeld während des Monats ungefähr $ 15 gewesen. Sein Umsatz ist dann ungefähr ein zweimaliger per Monat. Folglich ist die Umsatzrate bei wöchentlichen Auszahlungen rascher als bei monatlichen Lohnzahlungen.

Dasselbe Resultat würde sich ergeben, wenn wir annähmen, daß der Arbeiter, onstatt den Zyklus mit leeren Händen zu beenden, einen gegebenen Bruchteil «eine« Lohnes, sagen wir die Hälfte desselben, übrig behält. Bei wöchentlicher Auszahlung würde er mit $ 10,50 beginnen und mit $ 3,50 schließen, was einen Durchschnitt von ungefähr $ 7 ergibt. Bei monat­licher Auszahlung würde er so mit einem Durchschnitt von $ 45 beginnen und mit $ 15 aufhören, wonach sich der Durchschnittsbetrag auf un­gefähr $ 30 belaufen würde. Im ersten Falle würde seine Durchschnitts- !tmlaufKK«*Rhwindigkeit einmal die Woche und im letzteren Falle einmal im Monat sein. Bei wöchentlicher Auszahlung ist der Umsatz also auch dann ungefähr viermal rascher ah» bei monatlicher Zahlung. Wenn daher die Ver­teilung de* Geldaufwandes auf die beiden Zyklen genau dieselbe „zeitliche Gestaltung“ („time shapo“ )1) haben sollte, so würden die wöchentlichen Zah­lungen dio Umlaufgeschwindigkeit in demselben Verhältnis beschleunigen, in welchem ein Monat zu einer Woche sich verhält. Als geschichtliche Tat- *arhe betrac htet, ist es jedoch nicht wahrscheinlich, daß die Einführung von wöchentlichen Zahlungen an Stelle von monatlichen die Schnelligkeit des

* Geldumlaufes unter den Arbeitern um das Vierfache erhöht hat, weil die Veränderung eines anderen Elements, nämlich des Buchkredits, geeignet sein durfte, eine ungefähr ausgleichende Abnahme zu verursachen. Bei wöchent-

') 'ttl. Adolphe Landry, „La Kapiditä de 1» Circulation Monötaire“, Auszug aus Ia flrv%ig <f firrinomvr politique, Februar 1906.

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Indirekte Einflüsse auf die Kaufkraft

liehen Auszahlungen kommt der Buchkredit weniger in Anwendung als bei monatlichen. Dort, wo die Gewohnheit den Buchkredits oder des „Belasten*“ vorherrscht, wird die Hauptmasse des Geldes am Zahltag verausgabt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Einführung von Wochenzahlungen an Stelle von Monatszahlungen, wenn eine solche stattfaml, viele Arbeiter, die früher auf Kredit einkaufen mußten, iu den Stand Besetzt, ihre eigenen Zahlungen in bar vorzunehmen, und auf diese Weise zu einer Abnahme der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes beigetragen.

Die Häufigkeit der Ausgaben hat offenbar eine ähnliche Wirkung wie diejenige der Häufigkeit von Einnahmen, d. h. sie beschleunigt die Umsatz- geschwindigkeit oder den Umlauf.

2 b. Die Regelmäßigkeit der Zahlung begünstigt den Umsatz eljenfall*. Wenn der Arbeiter seiner Einnahmen und Aufgaben ziemlich gewiß i«t. so kann er bei genauer Ausrechnung dieselben ebenso genau wie sicher seinen Verpflichtungen anpassen, um jeden Zahlungszyklus mit leerer Tasche zu beschließen. Diese Gewohnheit ist bei gewissen städtischen Arbeiterklassen äußerst häufig anzutreffen. Wenn andererseits die Einnahmen und Aus­gaben entweder hinsichtlich des Betrages oder der Zeit unregelmäßig «lud, so erfordert es die Vorsicht des Arbeiters, daß er, um gegen unliebsame Zwischenfalle gesichert zu Kein l), eine größere Summe zur Verfügung hält. Selbst wenn die Hohe der Einnahmen mit Sicherheit im voraus bekannt ist. so erfordert ihre Unregelmäßigkeit dennoch eine größere Zahlungshereitschaff. Dies trifft wenigstens dann zu, wenn wir annehmen, daß die Hä u f i g k e i t der jährlichen Zahlungen dieselbe ist wie Im Kalle regelmäßiger Zahlungen, und daß die „zeitliche Gestaltung“ der Ausgaben während sukzessiver Ein­nahmen ebenfalls dieselbe ist. Wir wollen den Fall annehmen, tlaß ein Arbeiter durchschnittlich $1 täglich ausgibt und einen DurrAscAfMUsbetrag von $ 1 den Tag empfängt. Wenn seine Eingänge alle vierzehn Tage einmal stattlinden, wird der Durchschnitts bei rag, den er zu seiner Verfügung haben muß, ein geringerer sein, als wenn sic abwechselnd in Zeiträumen von drei Wochen und einer Wochc Vorkommen. Denn angenommen, daß er genau vor jeder Zahlung mit leeren Händen dasteht, so wird er im ersten Falle alle vier zehn Tage offenbar einen Durchschnittsbetrag von 5 7 benötigen; im letzteren Falle hingegen wird er für die erste Periode von drei Wochen oder in ein­undzwanzig Tagen $ 10,60 und in der zweiten Periode ? 3,50 benötigen, deren Durchschnitt — unter Berücksichtigung der Tatsache, «laß sich die $ 10,ÖO auf drei Wochen und die $ 3,50 auf eine Woche beziehen — $ 8,75

‘) Vgl. Laadry, a. a. 0.

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7 0 V. Kapitel.

betrögt. Hieraus können wir also schließen, daß die Regelmäßigkeit in Ein­nahmen und Ausgaben die Umlaufsgeschwindigkeit erhöht.

2 c. Weiter haben wir den Synchronismus von Einnahmen und Aus­gaben in Erwägung zu ziehen, d. h. die Vornahme von Zahlungen und Geldeingängcn in gleichen Intervallen. In den Fällen, wo Zahlungen wie Mieten, Zins, Versicherung und Steuern ohne Rücksicht auf die Zeit der Geldeing&nge erfolgen, ist es oft notwendig, Geld oder Depositen im vor­aus anzusammcln, wobei dann der im Besitz befindliche Durchschnitts­tictrag erhöht, das Geld zeitweilig seinem Verbrauche entzogen und die Umlaufsgeschwindigkeit herabgesetzt wird. Diesem Resultat kann indessen, wenn das Individuum es will und zu borgen in der Lage ist, vorgebeugt werden, wobei das zur Bezahlung von Steuern oder anderen Spezialaus- lagcn geliehene Geld Bpäter, wenn es ihm paßt, zurückgezahlt wird. Dies tot einer der Falle, in denen das Bankwesen, wie bereits erklärt, durch An­leihen und Depositen der Bequemlichkeit des Publikums dient und die Um- laufageachwindigkeit des Geldes und der Depositen erhöht. In ähnlicher Weine kann der Buchkredit den der Disharmonie zwischen den Zeiten der Kinnahmen und Ausgaben entspringenden Unannehmlichkeiten abhelfen, denn, wie wir gesehen haben, ist es eine große Annehmlichkeit für denjenigen, der in Bargeld oder Depositen zahlt, wenn Kaufleute, denen er Geld schuldig ist, ihm gestatten, seine Zahlungen bis nach Empfang seines Gelde# oder Beines Bankdeposits aufzuschieben. Durch diese Maßnahme wird der Notwendigkeit, viel Geld oder Depositen zur Verfügung zu halten, abgeholfcn und infolgedessen wird dadurch deren Umlaufsgeschwindigkeit erhöht.

Wir ziehen also den Schluß, daß der Synchronismus und die Regel­mäßigkeit der Zahlungen nicht minder als die Zahlungsfrequenz durch Erhöhung der Umlaufsgeschwindigkeit zu einem Steigen der Preise bei- getrogen haben.

§5-Je dichter die Bevölkerung eines Bezirkes ist, desto rascher ist die Um-

lauIngcBchwindigkeit *).Ea kann mit Bestimmtheit nachgewiesen werden, daß dies bei den

Bankdepositen der Fall ist- Nachstehende Zahlen2) geben die Depositen-*) Klnlcy weist in seinem Buche Money, New York {Macmillan), 1904, S. 166, auf

<U(iM Tatsache hin.*) Diese Zahlen stellen die Medien der von Pierre des Essars für europäische Banken

anctabrten dar, (Journal de laSocttUi de Siatisiique de Paris, April 1895), die ich durchMa- »rtial rrginxt habe, da« mir von einigen amerikanischen Banken zur Verfügung gestellt wurde.

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Indirekte HinflCUse auf die Kaufkraft, 71

umlaufsgeschwindigkeiten in zehn Städten, die der GröUe nach auf {'estellt wurden:

...... ....... 116 Liutabun ................... ,

............. 161 Indianapuli« ..............Hrüü&cl................ ..............123 New llaven ............ .

..................14 Athen .......................

Ruin .................... .............. 4‘J Santa llarbara . . . .

Madrid ist die einzige Stadt, welche in bezug auf die Utnlaufsgcschwindlg- keit bedenklich aus der Reihe fflllt,

3 b. Je ausgedehnter und je geschwinder der Transport im allgemeinen ist, desto rascher ist der Umlauf des Geldes *). Alles was die Übertragung des Geldes von einer Person zur anderen erleichtert, trügt zur Erhöhung der Umlaufsgeschwindigkeit bei. Die Eisenbahnen liben diese Wirkung aus. Der Telegraph hat die Umlaufgeschwindigkeit der Depositen erhöht, denn durch ihn können letztere in wenigen Minuten 'l ausende von Meilen weit überwiesen werden. Die Post und die Eilbeförderung haben durch E r­leichterung der Übermittlung von Bankdepositen und von Geld in gleicher Weise zu einer Erhöhung ihrer Umlaufsgeschwindigkeit beigetragen.

Wir ziehen also den Sehlull, daß die Bevölkerungsdichte und die Schnellig­keit des Transportes durch Erhöhung der Geschwindigkeiten ein Steigen der Preise bewirken. Geschieht lieh ist diese Konsentrierung der Bevölkerung in Stödten ein bedeutender Faktor der Preissteigerung in den Vereinigten Staaten gewesen.

Die Umlaufsgeschwindigkeiten de« Geldes und die der Depositen werden in gewöhnlichen Zeiten durch gleichartige Ursarhen in Ähnlicher Weise 1h** cinHußt. Dagegen herrscht in der Zeit von Paniken, wenn das Vertrauen der Deponenten erschüttert ist, die Tendenz, die Depositen zurüdau&ieheu, während andererseits Geld gehütet wird. Deshalb kom m sieh die beiden Ge­schwindigkeiten für eine gewisse Zeit in entgegengesetzten Richtungen ver- flndern, wenn auch eine verläßliche Statistik zur Feststellung der Richtigkeit dieser Vermutung nicht vorhanden ist.

§ 0.Die hauptsächlichsten spezifischen Einwirkungen von nullen auf den

Umfang der dem Scheckverkehr unterworfenen Depositen sind:1. Das Banksystem und die Gewohnheiten der Personen, die diese«

System benützen.2. Die Gewohnheit des „Belastens".*) VgL Je von*, Money and ihr Mrchanwn of Hixhangt, New Yoik (Ap|jlotuD).

1896, S. 336; ebenno Kinley, Money, New York (Macmillan), 190}, S. 166 u. 157.

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7 2 VI. Kapitel.

1. Selbstverständlich muß ein Banksystem, bevor es in Anwendung kommt, ausgedacht und entwickelt werden. Die Erfindung des Bank- wesens hat die Depositenumlaufsmittel möglich gemacht, und ihre An­nahme hat zweifellos zu einer großen Zunahme in Depositen und infolge­dessen zu einer Steigerung der Preise geführt. Auch im letzten Jahrzehnt hat die Ausdehnung der Depositenbankgeschäfte in den Vereinigten Staaten einen außerordentlich großen Einfluß nach dieser Richtung ausgeübt. In Europa befindet sich das Depositengeschäft noch im Anfangsstadium.

2. Das „Belasten“ geht öfter einer Zahlung per Scheck als einer solchen in bar voraus. Wenn einem Kunden seine Verbindlichkeiten nicht „belastet“ würden, so bezahlte er in bar und nicht per Scheck1). Die letzte Wirkung dieses Verfahrens ist daher, daß das Verhältnis der Scheckzahlungen zu Zahlungen in bar (Ä zu A) und das Verhältnis der Depositen zu dem disponiblen Bargelde (G' zu G) erhöht und folglich eine Zunahme im Umfange der Kreditumlaufsmittel herbeigeführt wird, den eine gegebene Geldquantität aufrechthalten kann.

Diese Wirkung, die Substitution von Schecks für Zahlungen in bar, btt aller Wahrscheinlichkeit nach das wichtigste Ergebnis des „Belastens“ , und nie Ubl einen gewaltigen Einfluß auf das Steigen der Preise aus.

VI. K a p i t e l .

Indirekte Einwirkungen.(Fortsetzung.)

§ 1 .Wir haben nun diejenigen Einwirkungen außerhalb der Verkehrs-

Bleichung in Erwägung gezogen, die den Umfang des Handels (die Q), die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes und der Depositen (U und V ) und die Quantität der Depositen i ß ' ) berühren. Die gesonderte Behandlung der äußeren Einwirkungen, welche dio Quantität des Geldes (G) betreffen, blieb für dieses und das folgende Kapitel Vorbehalten. Die Haupteinwirkungen kOnncn wie folgt klassifiziert werden:

*) Andrew, „Credit and the Yalue of Money“. Sonderabdruck von Payers and f ’tocrrding» of 0ip Nrventccnth Annual Meeting American Economic Association, Dezember 1'KH. S. 10.

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Indirekte Ein Wirkungen. 7H

1. Einwirkungen, die durch den Export und den Import von Geld hcrvorgebracht werden.

2. Einwirkungen, die durch das Einschmelzen oder das l’rägon von Geld verursacht werden.

3. Einwirkungen, die durch die Produktion und den Verbrauch von Geldnietallen herbeigeführt werden.

4. Einwirkungen der Geld- und Banksysteme, die den Gegenstand des nächsten Kapitels bilden sollen.

Das erste, was wir zu erörtern haben, ist der Einfluß des Außen­handels, Bisher haben wir das Studium des Preisniveau« auf «in isoliertes Gemeinwesen beschränkt, das mit anderen Gemeinwesen in keiner­lei Handelsverbindung steht. Die moderne Welt weist jedoch kein der­artiges Gemeinwesen auf, und es ist wichtig festzustellen, dnU der interna tionale Handel den heutigen Problemen des Geldes und des Preis­niveaus einen internationalen (’harakter gibt. Wenn alle IAnder ihr unoin- lüsbares Papiergeld hätten und keines ihrer Gelder anderwärts zur Annahme gelangte, so könnte es keine internationale Adjustierung im Geldwesen gehen. Hie Preisniveaus in den verschiedenen Lindern ständen nicht in engem Zusammenhange. Tatsächlich ist die Verbindung zwischen Landern mit verschiedener Metall Währung — z. H. zwischen einem Lande mit Gold­währung und einem anderen mit Silberwfthrung — bis zu einem gewissen Grade wirklich gebrochen, wenngleich diese beiden Metalle durch den Um­stand, daß sic nicht Geldzwecken allein dienen, doch noch immer einiger­maßen aneinander gebunden sind. Aber wo bei zwei oder mehreren in Handclsverhindung stehenden Nationen diwlbr Goldwährung lx*telit, i*t die Tendenz wahrzunehmen, daß die Preisniveaus der einen Nation durch die Preisniveaus der anderen stark beeinflußt werden.

In einem kleinen I*ande, wie der Schweiz, hängt da* Preisniveau zum grollen Teil von dem anderer 1 minder ab. Das Gold, welches das primäre oder vollwichtige Geld der meisten zivilisierten Nationen ist, wandert be- ständig von Land zu l^and oder von einem Gemeinwesen ins andere. Wenn ein einzelnes kleines I-and in Betracht gezogen wird, so nagt man Ihwmt, daü die Quantität des Geldes in dem betreffenden Lande durch das univer­selle Preisniveau festgesetzt wird, als daU dessen Preisniveau durch die inner­halb seiner Grenzen befindliche Geldquantität bestimmt wird. Ein einzeln«* Land steht zu der Übrigen Welt in demselben Verhältnis, wie eine Lagune zum Ozean. Das Niveau des Ozeans hangt natürlich von den in ihm befindlichen Wassermaasen ab. Wenn wir aber von einer Lngune sprechen, so kehren wir die Erklärung um und sagen, daß die Quantität

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74 VI. Kapitel.

des darin enthaltenen Wassers vom Niveau des Ozeans abhängt. Ebenso wie draußen im Ozean Ebbe und Flut miteinander abwechseln, so regu­lieren »ich demgemäß die Wassermassen in der Lagune.

Um das Problem der Verteilung des Geldes unter die verschiedenen Ge­meinwesen einfacher zu veranschaulichen, wollen wir einstweilen die Tat- fache außer acht lassen, daß das Geld gewöhnlich aus einem Material besteht, das auch zu anderen als zu Geldzwecken verwendbar ist, und daß es geschmol­zen und geprägt werden kann.

Wir wollen also einmal die Ursachen erörtern, welche die Quantität des (icldeü in einem Staate wie Connecticut bestimmen. Wenn das Preisniveau in Connecticut zeitweilig unter dasjenige der umgebenden Staaten Ehode Island, Massachusetts und New York herabsinkt, so wird ein Export von Geld aus diesen Staaten nach Connecticut platzgreifen, da man die Güter ntets dort kauft, wo sie am billigsten, und verkauft, wo sie am teuersten sind. Durch die niedrigen Preise wäre Connecticut ein guter Platz für den Ein­kauf von Gütern, hingegen ein schlechter für den Verkauf. Wenn nun aber Auswärtige in Connecticut kaufen, so haben sie zum Kaufen Geld mitzu- hrittgen. Eh wird sodann die Tendenz wahrzunehmen sein, daß das Geld nac h Connecticut abfließt, bis das Preisniveau daselbst so steigt, daß es den Zufluß aufhält. Wenn andererseits die Preise in Connecticut höher als in den umgehenden Staaten sind, so wird es ein guter Verkaufsplatz und ein och loch tcr Platz für den Einkauf. Wenn aber Auswärtige nach Connecticut verkaufen, so erhalten sie im Austausch Geld dafür. Das Geld zeigt dann die Tendenz, aiin Connecticut abzufließen, bis das Preisniveau in Connecticut niedriger geworden ist.

Hieraus darf aber nicht geschlossen werden, daß die Preise der ver­te hiedenen Artikel oder gar das allgemeine Preisniveau in den verschiedenen lin d e rn genau dasselbe wird. Entfernung, Ungewißheit darüber, wo die 1 k-kteil Märkte zu finden sind, Zolltarife und Transportkosten unterstützen die Aufrechterhaltung von Preisdifferenzen. Die einheimischen Erzeugnisse pflegen in der betreffenden Gegend immer billiger zu sein als anderwärts. Solange nun der auswärtige Preis genügend höher ist, um Transportkosten mehr als zu decken, solange wird der Export andauern. Faktisch wird keine Waro exportiert, wenn ihr Preis nicht mindestens ebenso hoch wie der de« Ursprungslandes plus Frachtkosten ist. Viele Waren werden nur n»ch einer Richtung hin transportiert. So wird Weizen aus den Vereinigten Staaten nach England, nicht aber von England nach den Vereinigten Staaten verschifft. In letzterem Lande ist er billiger. Eine große Ausfuhr erhöht den Preis in Amerika dem in England gegenüber;

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Indirekte Einwirkungen.

er hält sich aber gewöhnlich um den Betrag der Transportkosten unter diesem Preise. Andere Waren, deren Transport billig int, werden je nach der Konjunktur nach beiden Richtungen versandt.

Obgleich aber der internationale und interlokale Handel niemals eine genaue Gleichförmigkeit der Preisniveau« herbeifuhrt, so fuhrt dieser Handel doch, soweit er besteht, durch die oben beschriebene Regulierung der Ver­teilung des Geldes die Tendenz nach Gleichförmigkeit dieser Niveaus herbei. Wenn eine Ware in den internationalen Handel gelaugt, so genügt diese allein, um sie, wenn auch nur langsam, als Regulator der Geldverteilung wirken zu lassen; denn als Entgelt dieser Ware fließt Geld ein und, je nachdem das Preisniveau steigt oder füllt, wird die Quantität des Verkaufs dieser Ware entsprechend adjustiert. Selbst wenn im gewöhnlichen Verkehr der Nationen untereinander der vorsätzliche Versuch gemacht wird, sich durch Schutztarife dagegen ins Mittel zu legen, wird es immer eine große Anzahl von Wraren geben, die in dieser Weise als Mittel des Ab- und Zuflusses dienen. Und da die QumüUäl des Ueldes selbst auf die Preise aller Warengattungen einwirkt, so erstreckt sich die regulierende Wirkung des internationalen Handels nicht nur einfach auf die in diesen Handel ge­langenden Waren, sondern ebenso auch auf alle anderen. Es folgt daraus, daß der internationale und der interlokale Handel heutzutage die Preis­niveaus in der ganzen Welt beständig regulieren.

Wir dürfen diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne die Wirkungen eines Zollgesetzes auf die Kaufkraft des Geldes hervorzuheben. Wenn ein Land einen Zolltarif annimmt, so tritt die Tendenz zu einem Steigen des Preisniveaus ein. Es ist klar, daß ein Zoll die Preise der „geschützten“ Güter erhöht. Er hat aber eine noch größere Wirkung, — der Zull erhöht nämlich auch die Preise der ungeschützten Güter. Auf diese Weise ver­ursacht der Zoll zunächst eine Abnahme der Einfuhren. Obgleich nun diese Abnahme der Einfuhr auf die Dauer zu einer entsprechenden Abnahme der Ausfuhr führt, so wird doch anfangs eine derartige Adjustierung nicht stattfmden. 1 )cr Ausländer setzt seine Einkäufe aus dem geschützten l-ando in fast demselben Umfange eine Zeitlang fort. Dies wird zeitweilig ein Steigen des Exports dieses Landes Uber den Import oder eine sogenannte „günstige“ Handelsbilanz und einen daraus folgenden Zufluß an Geld be­wirken. Schließlich erhöht dieser Zufluß nicht nur dio Preise der geschützten, sondern auch die der ungeschützten Güter. Das Steigen dauert daun su lange Tort, bis cs einen Punkt erreicht, der hoch genug ist, um der „günstigen“ Handelsbilanz Einhalt zu tun.

Obgleich die durch einen Zolltarif geschaffene „günstige Handelsbilanz11

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nur eine Zeitlang anhält, ßo hinter läßt sie doch eine permanente Zunahme de« Geldes und der Preise. Die Zollschutzmauer ist eine Art Damm, der eine Erhöhung in den Preisen der dahinterliegenden Güter verursacht.

Diese Tatsache wird in der üblichen Darstellung der Theorie des internationalen Handels zuweilen übersehen. Statt dessen wird die T at­sache betont, daß letzten Endes der Handel ein solcher von Gütern gegen Güter und nicht von Geld gegen Güter ist, und daß ein Einfuhrzoll nicht nur die Einfuhr, sondern auch die Ausfuhr reduziert, also somit bloß zeitweilig den virtuellen Tauschhandel der Nationen unterbricht. Die Wirkung eines Einfuhrzolls wird damit der eines Ausfuhrzolls analog behandelt. Aber hin­sichtlich der Wirkungen auf die Preisniveaus ist ein Einfuhrzoll einem Ausfuhrzoll diametral entgegengesetzt. Wenn wir unseren Zoll auf den Export legen, so wirken wir zunächst störend auf den Export ein. Dem Import wird kein Hemmnis in den Weg gestellt, bis das Geld abgeflossen ist und das allgemeine Preisniveau genug reduziert hat, um die vorher ge- schaffene „ungünstige“ Handelsbilanz zu zerstören. Wir schließen daraus, daß die allgemeine Kaufkraft des Geldes durch einen Zolltarif vermindert wird, und daß sie durch einen Ausfuhrzoll erhöht werden würde,

Dies ist vielleicht der Hauptgrund, warum ein Schutzzoll vielen eine Quelle wirtschaftlichen Aufschwungs zu sein scheint. Er liefert nicht nur den geschützten Industrien, sondern dem Handel im allgemeinen einen tem ­porären Antrieb, der in Wirklichkeit einfach den Antrieb zu einer Geld- inflution bildet.

Vorläufig wollen wir den internationalen Handel hauptsächlich darauf­hin betrachten, welche Wirkungen er auf das internationale Preisniveau ausUbt. Mit Ausnahme des Umstandes, daß der Export oder Import von Geld die Preisniveaus adjustiert, ist der internationale Handel im Grunde bloß ein gegenseitiger Austausch von Gütern. Wo das Preisniveau nicht berührt wird, ist der Geldwert der in einem Lande verkauften Güter dem Geldwerte der gekauften Güter ganz gleich. Nur wenn eine Differenz in diesen Werten oder eine „Handelsbilanz“ vorhanden ist, wird ein Zu- oder Abströmen des Geldes und infolgedessen eine Tendenz zur Veränderung des Preisniveaus eintreten1).

Wir haben nun dargelegt, wie das internationale und interlokale Gleich­gewicht der Preise durch differentielle Veränderungen in der Geld­quantität allein gestört werden kann. Es kann auch durch differentielle Änderungen im Umfang der Bankdepositen, in der Umlaufsgeschwindigkeit

7 6 VI. Kapitel.

') Betr. mathematischer Darlegung siehe § 1 des Anhanges zu diesem Kapitel (VI).

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Indirekte Einwirkungen. 77

des Geldes, in der Umlaufsgeschwindigkeit der Bankdepositen oder im Um­fange des Handels gestört werden. Aber was auch immer die Quelle der Differenz in den Preisniveaus sein mag, da* Gleichgewicht wird schließlich durch eine internationale oder interlokale Wiederverteilung von Geld und Gütern, die durch deii internationalen und interlokalen Handel herboigeftkhrt wird, wiederhergestellt. Außer Geld und Waren können keine anderen Mo­mente in der Verkehrsgleichung von einem Orte zum anderen transportiert werden.

Abgesehen von Übergangs wir ku ngen bringen also internationale Diffe­renzen in den Preisniveaus nur in einem der Elemente der Verkehrsgleichung, und zwar in der Menge des Geldes, Veränderungen hervor. Tatsächlich können natürlich die Übergangsperioden unabsehbar oder chronisch win. Es kommt selten vor, daß ein Volk keine Handelsbilanz aufweiht . Jahrzehnte­lang bezogen Länder des Orients Silber von denen des Okzidents, selbst wenn das Silber unter dem bimctallischen Regime in einem stabilen Verhältnis zum Golde stand. In Europa herrschte infolgedessen eine langanlmltende Tendenz zu einem Fallen der Preise, während in Asien, in Verbindung mit allen anderen einen Übergang begleitenden Wirkungen, die Preise eine steigende Tendenz verfolgten.

§2 .

Wir haben gesehen, wie (j iu der Verkehrsgleichung durch den Import und Export des Geldes beeinflußt wird. Hinsichtlich ihrer Beziehung zu Ü in irgendeinem der in Betracht kommenden linder sind die (V in allen anderen Ländern „äußere Einflüsse“.

Wenn wir nun einen Srhritt weitergehen, so müssen wir jene Einwir­kungen auf U iu Erwägung ziehen, die nicht nur nußerhalh der für ein be­sonderes I^and, sondern auch außerhalb der für die ganze Welt gültigen Verkehrsgleichung liegen. Außer dem durch Import und Export hervor- gebrachten Zufluß und Abfluß des Geldes, gibt es einen Zufluß und Abfluß durch Prägen und Schmelzen. Mit anderen Worten: nicht nur die in der Welt befindlichen Goldbestände stehen, wie kommunizierende Wasser­behälter, miteinander in Zusammenhang, sondern sie hängen in derselben Weise auch mit dein auswärtigen liarrmbesland zusammen. In der mo­dernen Welt spielt ein so kostbare« Metall wie das Gold gewöhnlich die Holle des primären Geldes, und dieses Metall findet eine zweifache Verwendung:

* es wird zu Geldzwecken und zur Anfertigung von Waren verwandt. Das heißt, Gold ist nicht nur ein Geldnialcrial sondern es ist ebensowohl Ware, ln ihrer Eigenschaft als Waren bilden die Edelmetalle das Material für Juwe-

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7 8 VI. Kapitel.

licrarbeiten, Kunstwerke und andere Erzeugnisse, in die sie verarbeitet wer­den können. In diesem unverarbeiteten oder rohen Zustand heißen die Edel­metalle Barren.

Aus Gold geprägtes Geld kann in Barrengold umgewandelt werden und umgekehrt Tatsächlich gehen beide Umwandlungen beständig vor sich, denn wenn im Vergleich mit anderen Waren, der Geldwert des Goldes in dem einen Verwendungsgebiete größer ist als in dem anderen, so ergießt sich das Gold sofort dorthin, wo seine Anwendung gewinnbringender ist, und der Marktpreis des Barrengoldes bestimmt die Richtung des Abflusses. Da 100 U nzen Gold, •/,„ fein, in $ 1860 umgewandelt werden können, muß derMarkt- gcldwort von soviel Barrengold, °/»o fein, die Summe von $ 1860 erreichen. Wenn das Prägen des Barrengoldes in Geld nicht mit Kosten verbunden wäre, und wenn es nichts kosten würde, Geld in Barren zu schmelzen, so würde ein automatisches Hin- und Herströmen von Geld in Barren und von Barren »n Geld »tattfinden, das ein bedeutendes Schwanken des Barrenpreises ver­hütet. Wenn der Preis von Barrengold die Geldmenge übersteigt, die durauH geprägt worden kann, so werden die Goldkonsumenten, die Barren­gold benötigen, — hauptsächlich Juweliere,—einerlei wie gering die Differenz H«m mag, durch Einschmelzen der Goldmünzen in Barrengold diese Differenz mmnützeri. Ist dagegen der Preis des Barrengoldes geringer als der Wert der Goldmünzen, so werden dio Besitzer von Barrengold nicht versäumen, die Differenz wahrzunehmen, indem sie das Barrengold zur Münzstätte bringen, um cs in Golddollar prägen zu lassen, anstatt es auf dem Barrengold- inarkte zu verkaufen. Das Einschmelzen der Münzen bewirkt eine Abnahme in der Quantität des Goldgeldes und eine Zunahme der Barrengoldmenge, wobei der Geldwert des Goldes als Barrengold herabgesetzt und der Wert de# Golde# als Geld erhöht wird; das Preisniveau wird dadurch erniedrigt und die Gleichheit zwischen dem Barrengolde lind dem Gelde wiederherge- k teilt. Bei dom entgegengesetzten Verfahren hat ein Prägen des Barren­golde# in Münzen dio Wirkung, daß der Geldwert des gemünzten und der Geldwert de# Barrengoldes ebenfalls ins Gleichgewicht gebracht werden, ln der Praxi# wird der Ausgleich größtenteils wahrscheinlich1) dadurch aufrechterhalten, daß die neueste Goldausbeute je nach der Stimmung des Markte# in der einen oder anderen Weise verwendet wird. Durch eine der­artige Versorgung der beiden Reservoirs in Übereinstimmung mit deren rospoktivem Bedarf fällt die Notwendigkeit eines nennenswerten Hin- und llentrömen# von Gold zwischen Münze und Goldwarenindustrie weg.

') VgL De Launay, The World's Gold, New York (Putnam), 1908, S. 179—183.

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I udj re';!«* Ein wirk trngen.

Dort, wo für die Umwandlung von Barrengold iu Goldmünzen ein sogenannter „Schlagschatz“ („Seigniorage“ ) in Anrechnung gebracht wird, mler dort, wo dieser Prozeß mit Unkosten oder Verzögerungen verbunden i t. •vird der Zufluß von Barrengold in die Umlaufsmittel bi« zu einem gewiesen (irade aufgehalten. Unter einem modernen System der freien Prftgung und bet den modernen Methoden der Metallurgie kann indessen sowohl das Schmelzen als auch das Prägen auf eine nichts weniger als kostspielige Weise und so schnell ausgeführt werden, daß, wie aus der Praxis hervorgeht, weder Ver­zügerungen noch Kosten damit verbunden sind. In der Tat gibt es wenige Beispiele genauerer Preisadjustierung als die Anpassung des Preises von Barrengold und «lern von Goldmünzen. Es folgt daraus, daß die (^uantitäi des Geldes und damit seine Kaufkraft direkt von der des Barrengoldes ab- h fingt.

Die Stabilität des in Goldmünze ausgedrückten Preises für Barrengold verwirrt dio Vorstellung vieler Leute insofern, als sie sich unter dem irr­tümlichen Kindnick befinden, dali es eine Veränderung im Wert des Goldes nicht gibt. Tatsächlich ist diese Stabilität oft als Beweis dafür angeführt worden, daß das Gold ein stabiler Wertregulator sei. Die Goldwarcnhändler scheinen die Bedeutung der Tatsache mißzuverstehen, daß eine Unze Gold in den Vereinigten Staaten immer ungefähr $ 18,00 und in England £ 8 17 sh lOi/j d kostet. Darunter ist nichts weiter zu verstehen, als daß Gold, iu einer Form und in einer Art gemessen, immer ein konstantes Verhältnis zu Gold in einer anderen Form und auf eine andere Art gemessen, lieibehftlt. Eine Unze Barrengold ist eine genau bestimmte Anzahl Golddollar wert, und zwar aus demselben Grunde, wie ein Pfund Storfing in Gold eine genau bestimmte Anzahl von Golddollar oder dnU ein „Gold Kagle“ ( $ 10,« ) eine bestimmte Anzahl Golddollar wert ist.

Abgesehen von äußerst geringen und zeitweiligen Schwankungen muß Barrengold und aus Gold gemünztes Geld daher immer den gleichen Wert halien. In der folgenden Erörterung über die bedeutenderen Schwan­kungen, denen diese beiden Werte unterliegen, wollen wir deswegen von diesen Werten unterschiedslos als von dem „Wert des Goldes“ sprechen.

§ 3 *

Der Barrengoldbestand ist nicht die letzte äuUere Einwirkung auf die Quantität des Geldes. Wie das Barrenquantum und das Geld­quantum aufeinander einwirken, so wird da« Gesamtquantum beider durch Produktion und Verbrauch beeinflußt. Die Produktion de« Goldes besteht in der Ausbeute der Goldminen, die fortgesetzt Gold zur Vor­

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8 0 VI. Kapitel.

mehrung der vorhandenen Bestände an Barrengold und Goldmünzen hinzufügen. Der Verbrauch von Gold besteht in der Verwendung des Barrengoldes im Kunstgewerbe, seiner Verarbeitung in Juwelier­waren, Vergoldungen usw. sowie in den durch Verschleiß, Schiffbruch usw. verursachten Abgängen. Wenn wir uns das Quantum der Goldmünzen und des Barrengoldes als in einem Reservoir enthalten vorstellen, so würde die Produktion den Zufluß aus den Minen und der Verbrauch den Abfluß bedeuten, der durch die Verwendung im Kunstgewerbe sowie durch den VerluBt infolge von Zerstörung und Abgang verursacht wird. Dem Einströmen auH den Minen müßte das W i e d e r einströmen aus der Welt der Goldwaren beigerechnet werden, in welche das Gold zuvor verarbeitet wurde, und die nutzlos geworden sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Verbrennung goldener Bilderrahmen zur Gewinnung von Barrengold.

Wir wollen zunächst das Einströmen oder die Produktion und dar­auf don Ausfluß oder den Verbrauch betrachten. Den Regulator des Zuströmens (das doch in der Praxis mit der Goldproduktion aus den Minen gleichbedeutend ist) bilden die Schätzungen seiner „Grenz- produktionskosten“.

Der Bergwerksbetrieb ist ein gewagtes Unternehmen und Schätzungen sind bedeutenden Irrtümern unterworfen. Doch wie irrig die Kostenvoran- schlAge auch immer sein mögen, so üben sie doch eine regulierende Macht auf die Produktion aus. Wenn der Kostenvoranschlag für die Produktion eine« Dollars in Gold geringer ist als der bestehende Wert eines Golddollars, dort wird er normalerwcise produziert werden. Wenn hingegen die Produktionskostenschätzungen den bestehenden Wert eines Golddollars übersteigen, wird er normalerwcisc nicht produziert werden. Im ersten Falle ist die Goldproduktion gewinnbringend, im letzteren Falle ist sie unrentabel. Es gibt hier einen mittleren oder neutralen Punkt, wo die eintr&gliche Produktion unter normalen Verhältnissen aufhört und die unrentable beginnt, ein Punkt, wo die Produktionskosten von $ 100 genau $ 100 betragen. Die Kosten an diesem Punkt werden die Grenz- koHten der Produktion genannt. Für die ergiebigsten Minen sind die Produktionskosten äußerst gering. Von diesem niedrigen Satze steigen die Kosten bei den anderen Minen allmählich an, bis der Kosten­punkt in der Grenzmine erreicht ist, bei welcher die Unkosten dem Werte des Produktes gewöhnlich gleich sind. Tatsächlich gibt es einen Produktionsgrenzpunkt, nicht für die verschiedenen Minen, sondern für jede einzelne Mine. Die Tatsache, daß die Kosten im allgemeinen mit der Produktionsateigerung wachsen, ist darauf zurückzuführen,

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Indirekte Kiiiwirkunp-n. 81

daß das Gold eine extraktive Industrie is t Eb ist dein Gesetz der zunehmenden Kosten unterworfen oder, wie es oft ausgedrückt wird, „dem Gesetz der abnehmenden Erträge“. Wenn eine Grube nur mittelmäßig ausgebeutet wird, so werden die Produktionskosten für eine Unze Gold geringer sein, als wenn sieh die Ausbeutungsweiso ihrer vollen Produktions­fähigkeit nähert, und es wird hierbei immer eine Normalstufe der Ausbeutung geben, auf der die Kosten per Unze so beschaffen sind, daß eine Überschrei­tung dieser Ausbeutungsstufe die erhöhte Produktionstätigkeit kaum ren­tabel erscheinen laßt. Es verlohnt sich, die Produktion bis zu dem Punkto auszudehnen, wo dio Ertragssteigerung die entstandenen Mehrkosten ge­rade deckt, weiter aber nicht. Der Bergwerksuntornehincr kann unab­sichtlich oder zeitweilig über das beabsichtigte Ziel hinausschicßen oder es nicht vollständig erreichen. Solche Irrtümer werden ihn aber nur anspormn, derartige Kehler wieder gut zu machen und die Goldproduktion neigt immer einem Gleichgewichtszustände zu, in welchem die Grenzkosten der Produktion (unter Hinzurechnung des Zinses) dem Wert des Produktes gleich sind.

Dies bestätigt »ich immer, ob die Produktionskosten nun in Gold selbst gemessen oder ob sie in irgendeiner anderen Ware wie Weizen, oder in Waren im allgemeinen, oder in irgendeiner anderen beliebigen ,,absoluten" Wertnorm ausgedrttckt werden. In lindern mit Goldwährung berechnen die Bergwerksbesitzer die Kosten der Goldproduktion in Gold. Von ihrem Standpunkte aus ist es eine überflüssige Anstrengung, die Produktions­kosten und den Wert des Produktes in ein anderes Wertmaß als Gold zu über­tragen. Sie haben ein Interesse an dem Verhältnis zwischen den beiden und dieses Verhältnis wird durch die Wahl de« Wertmaßes nicht beeinflußt.

Um die Kosten und den WFert von Gohigeld in Weizen zu übertragen, braucht man nur die Kosten und den Wert durch den in Gohigeld ausgedrückten Preis des Weizens zu dividieren. Eine solche Änderung in der Methode, Kosten und Wert auszudrücken, beeinflußt ihr Verhältnis zueinander nicht,

Um es deutlich zu machen, wie der Goldproduzent alles in Gold­sätzen bemißt, wollen wir nun annehmen, daß das Preisniveau steigt. An­genommen, daß die Preissteigerung sich auf Löhne, Maschinerie, Brenn­materialien und andere Unkosten der Goldproduktion bezieht, hat der Gold­produzent dann mehr Dollar für Löhne, Maschinerie, Heizung usw. zu zahlen, während die für sein Produkt erlangten Preise (in eben denselben Dollar ausgedrückt) wie immer unverändert bleiben. Umgekehrt erniedrigen sich bei einem Fallen des Preisniveaus seine Produktionskosten (in Dollar bemessen), während der Preis seine« Produktes noch immer derselbe is t1),

*) MÜl, l ’nnnpk* of f ’oltiKal Kmnomy, HI. Teil, IX, Kap. § 2.F i • b * r, Kulkritl 4»« 0«I4** f

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8 2 VI. Kapitel.

Wir haben also eine feststehende Zahl, die den Preis des produzierten Goldes dar«teilt und eine veränderliche Zahl, welche dessen Produktionskosten aus­drückt.

Wenn wir dieselben Phänomene nicht in Gold, sondern in Weizen oder vielmehr in Gütern im allgemeinen ausdrücken, so haben wir die umgekehrte Sachlage. Wenn die Preise steigen, fällt die Kaufkraft des Geldes, und diese Kaufkraft ist der Wert des Produktes, ausgedrückt in Gütern im allgemeinen. Wenn «ich die Kosten der Goldgewinnung aus den Minen mit der allgemeinen Preisbewegung ändern, so wird es eine Veränderung in den Kosten der Gold­produktion in bezug auf Güter nicht geben. Dagegen wird jedoch eine Ver­änderung im Werte der Goldproduktion eintreten. Das heißt, wir haben dann eino veränderliche, den Preis des Goldproduktes bezeichnende Zahl und eine feststehende Zahl, welche dessen Produktionskosten ausdrückt.

Der Vergleich zwischen Preis und Produktionskosten ist also derselbe, gleichviel ob wir Gold oder andere Waren als unser Kriterium benützen. Von dem einen Gesichtspunkte aus betrachtet — d. h. wenn die Preise in Gold bemcsBen werden — bedeutet eine Preissteigerung ein Steigen in den Produktionskosten des Goldminenbesitzers; von dem anderen — d. h. wenn die Preise in anderen Gütern bemessen werden — bedeutet dieselbe Preis­steigerung ein Fallen im Preise (der Kaufkraft) seines Produktes. In beiden Fällen wird er sich entmutigt fühlen. E r betrachtet sein Mißgeschick von dem ersterwähnten Standpunkt aus, d. h. als eine Folge der Steigerung der Kosten der Produktion. Wir werden es aber zweckmäßiger finden, es vom letzterwähnten Gesichtspunkte aus in einem Fallen der Kaufkraft des Pro­duktes zu suchen. In jedem der beiden Fälle findet der Vergleich zwischen den Produktionskosten deB Goldes und der Kaufkraft des Goldes sta tt. Wenn diese Kaufkraft über den Produktionskosten einer besonderen Mine Blüht, so verlohnt es sich, diese Mine auszubeuten. Wenn die Kaufkraft des Goldes niedriger ist als die Produktionskosten einer besonderen Mine» so verlohnt sich eine Ausbeutung dieser Mine nicht. Die Goldproduktion steigt oder sinkt also je nach dem Steigen oder Fallen der Kaufkraft des Goldes.

Soviel über den Goldzufluß und die ihn regulierenden Umstände. Wir wenden uns nun dem Abfluß oder dem Verbrauch des Goldes zu. Dieser Verbrauch vollzieht sich in zwei Formen: der des industriellen Verbrauches und der des Verbrauches zu Geldzwecken.

“Wir wollen zunächst den industriellen Verbrauch des Goldes be­trachten. Wenn die aus Gold verfertigten Gegenstände sich durch Billig­keit auszeichnen — d. h., wenn die Preise anderer Gegenstände Verhältnis­

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Indirekt« Einwirkungen. HM

mäßig hoch sind —, eo wird die verhältnismäßige Billigkeit der Goldgegen- stÄnde zu einer Steigerung ihrer Anwendung und ihres Verbrauch«! führen. Wenn wir diesen Vorgang in Geldpreisen Ausdrücken, so werden mehr goldene Uhren und Wertsachen gekauft und verbraucht werden, wenn die Preise aller sonstigen Objekte höher sind und dos Kinkommeit der Leute ebenfalls höher ist, wahrend goldene Uhren und Goldschmuck im allge­meinen ihre früheren Preise beibehalten.

Dies sind Beispiele des Goldverbrauchs in Form von Waren. Der Ver­brauch und Abgang von Gold als Münze erfolgt durch Abnutzung, durch Ver­lust bei SchifTbruch und anderen UnglÜeksf&llen, Kr wechselt mit den Ver­änderungen des in Gebrauch befindlichen Goldquantums und mit dessen AußtauschBchnclligkeit. Die Abflüsse aus diesem Reservoir repräsentieren den Verbrauch der Goldmünzen durch Verlust. Geradeso wie die Produk­tion durch die Grenzkoston des Produzierten reguliert wird, so wird der Konsum durch den Grenznutzen des Konsumierten reguliert. K* ist hier nicht der Ort, auf eine Erörterung der wesentlichen Symmetrie zwischen diesen beiden Grenzgröüen einzugehen, einer Symmetrie, die oft übersehen wird, weil die Kosten gewöhnlich objektiv und der Nutzen subjektiv bemessen werden. Sie können beide auf dio eine oder die andere Weise lietnwsen werden. Die subjektive Methode ist die grundlegendere, sie entfernt uns aber von unserer vorliegenden Erörterung mehr als notwendig oder nutz­bringend ist.

Wir sehen also, daß durch ein Fallen des Wertes (der Kaufkraft) des Goldes der Verbrauch nn Gold einen Ansporn erhalt, wahrend die Produk­tion de« Goldes dadurch herabgesetzt wird. Die Kaufkraft des Geldes, auf die die entgegengesetzten Kräfte von Produktion und Konsum auf diese Weise einwirken, wird je nach den Umstanden, nach aufwärts oder nach ab­wärts getrieben *).

' ) IHei hier f i t w i t , daß der Wert de« IlarrrnguMe* und die fim liik liiiR i'kirnten de# Golden vermltteUt der Quantität dp* («eldci die l’rriw IxrinlluMrn, l*t t*nn Natinmtlßkonntnen im allgemeinen vertreten worden. Kine abweirhentk* Arwirhl hierohri hat U u g h lia . Er « i# t: „IMo (tpldraefljfe, die al» tat «Schliche* Au*tau*rhmittel dient l>e»limnit «len Preu nicht mehr, »1» «ler lünlrag von Katilurkünden und /.rMiaften in da* Km agrundbuch die P rr i» drr U nderrirn b nU m m t, deren Verkauf in den erwähnten Ur­kunden verzeichnet wird.” Und weiter: „ l)o f Praii ist ein AtwUtt*d>v*rbAltnu »w ich en Gütern und dem W lhninjpgute, m ag die*«. W fth n in gfu t al» TaUKhmittel gebraucht werden oder nicht." Siebe Th* PnnrtftU* of Money, New York (Seribncr). 1EW0, g. 317 und 318.

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84 VI. Kapitel.

§4 .In jeder vollständigen Darlegung der Kräfte, welche die Kaufkraft

de« Geldes bestimmen, ist es notwendig, drei Gruppen von Faktoren fest ins Auge zu fassen: 1. die Produktion oder den „Zufluß“ von Gold (d. h. aus den Minen); 2. den Verbrauch oder den „Abfluß“ des Goldes (a) in die Industrie, b) durch Zerstörung und Verlust); 3. den „Vorrat“ oder das Reservoir von Gold (entweder Münzen oder Barrengold), welches den Zufluß erfährt und den Abfluß erleidet. Die Verhältnisse dieser drei Arten von Größen zueinander können vermittelst eines Schaubildes wiedergegeben werden, wie es in Figur 5 ersichtlich ist. Dieses stellt

zwei miteinander verbundene, eine Flüssigkeit enthaltende Reservoire dar, Ok und Om. Der Inhalt des ersten Reservoirs repräsentiert den Vorrat an Barrengold (Gold bullion) und der des zweiten Behälters den Vorrat den gemünzten Goldes (Gold money). Da nun die Kaufkraft mit der Selten­heit zunimmt, soll der Abstand zwischen dem Rand der Zisternen oo und dem Spiegel der Flüssigkeit die Kaufkraft des Goldes für andere Güter dar- itellen. Ein Sinken des Flüssigkeitsniveaus zeigt eine Zunahme in der Kaufkraft des Geldes an, da wir ja diese Kaufkraft von der Linie oo nach abwärts zur Oberfläche der Flüssigkeit bemessen. Wir wollen es unter­lasset), andere Formen der Umlaufsmittel in dem Diagramm ausführ­licher zur Veranschaulichung zu bringen. Wir haben gesehen, daß normalen* eise die Quantitäten anderer Umlaufsmittel zur Quantität des Bar­geld«), da« wir uns in Gold vorstellen, in einem bestimmten Verhältnisse •tehen. Die Veränderung in der Kaufkraft dieses Bargeldes kann daher

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Indirekte Einwirkungen. 8 5

als maßgebend für die Veränderung aller übrigen Umlaufsmittel angenommen werden. Wir kommen nun zur Erklärung der Gestattung dieser Zisternen. Die ( iestalt der Zisterne (!m muß so beschallen »ein, daß sie bei einer Zunahme der Flüssigkeit eine Abnahme der Distanz zwischen der Oberfläche der Flüssig­keit und der Linie oo in grnau derselben Weise bewirkt, irw» die Kaufkraft des Goldes mH einer Zunahme in sririrr Quantität abnimtni. Mit anderen Worten: wenn sich die Flüssigkeit in Qm verdoppelt, so sollte »ich der Abstand der Oberfläche von der Linie oo um die HÄllte verringern, ln Ahn* licher Weise muß die Form der Barrengoldzislerne so beschaffen sein, daß sie die Entfernung der Flüssigkeitsobcrfl&cho von der linie oo bei einer Zu­nahme der Flüssigkeit verringert, und zwar in dem Maße, wie der Wert des Barrengoldes mit einer Zunahme des Barrengoldvorrats abnimmt. Die Form der beiden Zisternen braucht nicht und wird auch gewöhnlich nicht die glcicho »ein, denn wir können kaum annehmen, daß eine Halbierung der Kaufkraft des Goldes immer das Quantum des vorhandenen Barrengoldes getiau verdoppelt.

Beide Reservoire haben Zuflüsse und Abflüsse. Betrachten wir zun&chst diejenigen des Barrengoldreservoirs (Ök). Jeder Zufluß stellt hier eine besonder« Barrengold liefernde Mine dar, und jeder Abfluß repräsen­tiert eine besondere Verwendung des Goldes in Industriezweigen, wo Barrengold verbraucht wird. Jede Mino und jede Verbrauchsmöglichkeit hui ihren eigenen Abstand von oo. Es gibt datier drei Arten von Distanzen von oo\ die Zufluß*, die Abfluß- und die MüssigkoilsobcrflAchondistanz Jeder Zuflußabstand stellt, in GUtem bemessen die Produktionskosten fUr jede Mine dar; jede Abflußdistanz repräsentiert den Wort des («oldes in irgendeiner besonderen Verwendung und ist ebenfalls in Gütern bemntient die Entfernung von der OberflAche stellt, wie bereit* erklArt, den gleichfalls in Gütern bemessenen Wert des Barrengoldes. — mit anderen Worten dessen Kaufkraft dar.

Es ist klar, daß cs unter diesen drei Niveaugruppen I »iskrepanzen gelten kann. Diese Konflikte können dazu dienen, die relativen Verhältnisse zwischen dem Barrengold und den verschiedenen Zuflüssen und Abflüssen zu er­klären. Wenn ein Zufluß zu einem gewissen Zeitpunkte über dem Niveau der Flüssigkeit, also in geringerem Abstande von oo stattfmdot, so liedeutet das, daß die Produktionskosten geringer sind als die Kaufkraft des Barren­goldes. Der Bcrgwerksbesitzer wird nun den Hahn aufdrehen und ihn offen lassen, bis vielleicht das Niveau der Flüssigkeitshöhe zu dem seiner Mine steigt — und zwar bis der Abstand der OberflAche von oq ebenso gering ist wie der Abstand vom Zuflusse — d. h. bis dio Kaufkraft des Barrengoldes

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\7I. Kapitel.

ebenso gering ist wie die Produktionskosten. An diesem Punkte 'bringt d ie Bearbeitung der Mine keinen Gewinn mehr. Soviel in bezug au! die Zu­flüsse; wir wollen nun die Abflüsse betrachten. Wenn ein Abfluß in einem bestimmten Augenblick sich unterhalb der Höhe der Oberfläche befindet_ d. h. in einer größeren Entfernung von oo, so bedeutet dies, d&&der Wert des Goldes in dieser besonderen Anwendung größer ist als dSÄ Kaufkraft des Barrengoldes. Nun wird das Barrengold nach diesem V er- wendlingsgebiete, wo seinWert größer ist, abfließen, und zwar fließt es da n n . I aus allen Ausflüssen des Reservoirs unterhalb der Oberfläche ab.

Es ist hieraus zu ersehen, daß zu einem gegebenen Zeitpunkte nur d ie Zuflüsse oberhalb der Flüssigkeitsoberfläche und nur die Abflüsse un terhalb ) derselben in Tätigkeit gesetzt werden. Mit einem Steigen der Obe treten also mehr Abflüsse, jedoch weniger Zuflüsse in Tätigkeit. Das he je geringer die Kaufkraft des Goldes im Barren ist, desto größer wird se in Verbrauch in der Industrie sein, desto weniger gewinnbringend gegen wird es für die Mine sein, es zu produzieren, und desto ge wird die Förderung aus den Minen sein. Sobald die Oberfläche sinkt, t re te n mehr Zuflüsse und weniger Abflüsse in Tätigkeit.

Wir wenden uns nunmehr dem Geldreservoir (Gm) zu. Die Tat daß das Gold auf Grund des zwischen Barrengold und Goldmünzen statt« findenden Hin- und Herströmens in Barren oder Münze den gleichen besitzt, wird in dem Diagramm durch die Verbindung des Barrengold­reservoirs mit dem der Goldmünzen dargestellt, und infolgedessen ] beide (ebenso wie Wasser) dieselbe Niveauhöhe. Die Oberflächen Flüssigkeit in beiden Reservoirs haben dieselbe Entfernung von der ^ und dieser Abstand stellt den Wert des Goldes oder dessen Kaufkraft Sollte der Zufluß zu irgendeiner Zeit den Abfluß übersteigen, so is t Resultat notwendigerweise eine Zunahme in dem vorhandenen Goldvoi_Dies wird eine Herabsetzung der Kaufkraft des Goldes oder des Goldw« herbeiführen. Sobald sich aber die Oberfläche erhöht, kommen we Zuflüsse und mehr Abflüsse in Tätigkeit. Das heißt, auf der einen nimmt der übermäßige Zufluß oder die Produktion ab, und auf d e r ;Seite nimmt der unzureichende Abfluß oder der Verbrauch zu, wodurch | Ungleichheit zwischen Zufluß und Abfluß eingeschränkt wird. Wenn 1 der Abfluß zeitweilig größer als der Zufluß sein sollte, so wird sich der des Reservoirs vermindern. Die Kaufkraft erhöht sich, dem über Abfluß wird auf diese Weise Einhalt getan und der unzureichende angespomt, wobei das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Der Gleichgewichtspunkt kann selten oder nie erreicht werden, aber es hc

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indirekte Kinwirkungen, 87

wie bei einem Pendel, das durch die Gleichgewichtslage hin und her schwingt, stets eine Tendenz sie zu erreichen.

Es bedarf wohl keiner Erwähnung, daß unser mochanischca Diagramm nur den Zweck hat, ein Bild der hauptsächlichsten variablen Größen zu geben, die in dem in unsere Erörterung aufgenommenen Problem enthalten sind. Es bildet weder an sich selbst ein Argument, noch fügt es irgendeinen neuen Faktor bei; auch darf nicht angenommen werden, «lall e* ausdrücklich alle zu berücksichtigenden Faktoren umfaßt. Doch setzt uns diesos Diagramm in den Stand, die in der Bestimmung der Kaufkraft des Geldes enthaltenen Hauptfaktoren zu erfassen. Es ermöglicht, die nachstehenden wichtigen Variationen und deren Wirkungen zu beobachten und zu verfolgen:

Erstens, wenn eine Erhöhung der Goldproduktion ein tr itt—die, wie wir einmal annehmen wollen, durch Entdeckung neuer Minen oder durch ver­besserte Ausbeuteverfahren in alten Minen veranlaßt würde — so kann diese durch eine Vermehrung in der Anzahl oder in der Größe der Zuflüsse in das (Jt Reservoir darges teilt werden. Die Folge davon wird, wie klar ersichtlich, eine Vermehrung des „Zuflusses“ in das Barrengoldreservoir und von diesem in das Umlaufsmittolreservoir sein, und dieser Zufluß wird infolge­dessen ein allmähliches Vollfullen beider Reservoirs sowie eine Abnahme der Kaufkraft des Geldes herbeifuhren. Diesem Prozeß wird schließlich durch eine Zunahme im Verbrauch Einhalt geboten. Und wenn dia Produktion und der Konsum einander gleichkommcn, wird das Gleichgewicht wieder* hergestellt. Es ist klar, daß eine Erschöpfung der Goldtnincn in genau umgekehrter Webe wirksam wird.

Wenn zweitens eine Zunahme im Verbrauch de* Goldes eintreten sollte, wie t. B. durch einen Wechsel in der Mode, so kann dim durch eine Ver­mehrung in der Anzahl oder in der Größe der Abflüsse aus (it dargestellt werden. Das Ergebnis ist dann ein allmähliches Abfließen aus dem Barren- goldreservoir und infolgedessen eine Inhallsvcrmindcrung des Umlaufs- mittelreservoire; es tritt nun eine Erhöhung in der Kaufkraft de* Goldes ein, der schließlich durch eine Zunahme der Förderung aus den Minen und auch durch Abnahme de* Konsum* Einhalt geboten wird. Wenn die erhöhte Produktion und der verminderte Verbrauch einander gleichkommen. i*t da* Gleichgewicht wieder erreicht.

Wenn die Verbindung*wi*chen dem Umlaufsmittel-und dem Barrengold- reservoir mittelst eine« Ventils aligesperrt wird, <L h. wenn die Münzstätten geschlossen werden, so daß das Barrengold nicht in da* gemünzte Gold fließen kann (dem seinerseits ein Rückströmen ins Barrengold nicht ver­wehrt wird), dann wird die Kaufkraft des Goldes als Geld eine größere wer-

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88 VI. Kapitel.

den, als dessen Wert als Barrengold ist. Jede Zunahme in der Produktion des Goldes wird darauf gerichtet sein, nur das Barrengoldreservoir zu füllen und den Abstand der Oberfläche von der Linie oo zu verringern, d. h. den Wert dea Barrengoldes zu erniedrigen. Die Oberfläche der Flüssigkeit in dem Geldreservoir wird der Linie oo nicht näher gebracht. Sie kann bei all­mählichem Verlust sogar noch weiter von ihr entfernt werden. Mit anderen Worten: die Kaufkraft des Geldes wird durch ein solches Ventil gänzlich unabhängig vom Werte des Barrengoldes gemacht, woraus es zuvor erzeugt worden ist.

Ein Beispiel für dieses Prinzip ist in der Geschichte der Silberumlaufs­mittel in Indien zu finden. Nach langen Verhandlungen wurden im Jahre 1893 die indischen Münzstätten dem Silber verschlossen. Vor jener Zeit folgte der Wert des gemünzten Silbers genau dem Werte des Barren- silbers; die Schließung der Münze brachte jedoch sofort eine Abweichung zwischen den beiden hervor. Die Rupie ist seitdem vom Silber unab­hängig geblieben, und während der ersten sechs Jahre — bis 1899 — war sie auch unabhängig vom Gold. Das gegenwärtige Verhältnis der Eupie zum Gold soll im nächsten Kapitel erörtert werden.

Wir haben nun, mit Ausnahme einer einzigen, alle von außen kommen - den Einwirkungen auf die Verkehrsgleichung untersucht. Diese eine besteht im Charakter des Geld- und Banksystems, der die Quantität des Geldes und der Depositen berührt. Eine spezielle Erörterung dieses Punktes behalten wir uns für das nächste Kapitel vor. Inzwischen ist es noch bemerkenswert, daß fast alle entweder die Quantität oder die Umlaufsgeschwindigkeiten berührenden Einwirkungen sich hauptsächlich in der Richtung einer Preis­erhöhung geltend gemacht haben und sich noch immer geltend machen. Fast die einzige entgegengesetzte Einwirkung übt die Steigerung des Handelsvolumens aus, doch wird diese teilweise durch erhöhte, der Zunahme des Handels tselbsl zuzuschreibende Umlaufsgeschwindigkeiten neutralisiert. Hierbei muß bemerkt werden, daß sich einige der in diesem und dem vorhergehenden Kapitel erörterten Einwirkungen auf mehr als eine Weise geltend machen. Nehmen wir z. B. technisches Wissen und Erfindung, die durch eine Steige­rung des Handelsvolumens auf die Verkehrsgleichung einwirken. Insofern als diese den Handel vergrößern, besteht eine Tendenz zu einer Preiser­niedrigung; insofern sie aber die Metallurgie und die anderen Gewerbe, die die Produktion erhöhen und den Transport der Edelmetalle erleichtern, zur Entwicklung bringen, tragen sie zu einer Erhöhung der Preise bei. Sofern Technik und Erfindungen den Transport und die Übertragung des Geldes und der Depositen rascher gestalten, führen sie ebenfalls eine Steigerung

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Einwirkung der Geldsystome nuf die Kaufkraft. 8 9

der Preise herbei. Sofern eie zur höheren Entwicklung des Bankwesens führen, bringen sie gleicherweise eine Steigerung der Preise hervor, und zwar durch die Vermehrung des Depositenumlaufs (6”) und ebenso durch die Er­höhung der Urnlaufsgeschwindigkeit des Geldes wie der Depositen. Soweit sie zur Konzentration der Bevölkerung in den Städten führen, erhöhen sie die Preise durch Beschleunigung der Zirkulation.

Schließlich herrscht eine Tendenz zu einem Fallen der Preise, insofern als sich durch diese oder jene Ursache der Umsatz pro Kopf der Bevölkerung vergrößert. Das Endergebnis der Entwicklung der Gewerbe während einer gewissen Zeitperiode hängt davon ab, nach welcher Richtung sich vor­wiegend die Gewerbe entwickeln.

VIL K a p i t e l .

Einwirkung der Geldsysteme auf die Kaufkraft.§ i.

Bisher haben wir die die Kaufkraft des Geldes bestimmenden Ein­wirkungen erörtert, bei denen das in Umlauf befindliche Geld durchgehend von Einer Gattung ist. Die im vorhergehenden Kapitel gegebene Illustration lehrt, wie der Geldmechanismus arbeitet, wenn ein einziges Metall in Ge­brauch ist. Wir haben nun die Geldsysteme zu untersuchen, bei welchen mehr als eine Art Geld in Anwendung kommt.

Eine der ersten Schwierigkeiten in der frühesten Geschichte des Geldes bestand darin, zwei oder mehr Metalle im Umlauf zu erhalten. Wurde eins der beiden Metalle billiger als das andere, so vertrieb dns billigere Metall das teurere. Diese Tendenz wurde ungefähr im Jahre 13(30 von Nicolas Oresmc, dem nachmaligen Bischof von Lisieux in einem Bericht an Karl V. von Frankreich und von Kopcrniktis um 152G in einem für Sigismund L, König von Polen geschriebenen Bericht oder Traktat erwähntl ). Macleod gab, bevor er von den früheren Formulierungen von Oresme und Koperniku» *) erfuhr, in seinen im Jahre 1857 veröffentlichten Elements of Political Eco­nomy*) zu Ehren von Sir Thomas Gresham, welcher das Prinzip in der Mitte

l ) Henry Dunning Macleod, The HiMortj of Economic», New York (Putnam), 18%,S. 37 u. 38.

') Macleod, a. m 0 . S. 38 u. 3S).») S. 477.