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Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012 KOMMUNALE DIE ZEITUNG „Wir müssen auf die Finanzlage der Städte reagieren“ Rahmenbedingungen für kommunalpolitisches Ehrenamt verbessern Matthias Löb: Eingliederungshilfe: Bund ist gefordert Harry K. Voigtsberger: Schaufenster Elektromobilität - Chance für NRW Aus unserem Sudelbuch: Wir ham den Kanal noch lange nicht voll Seite 2 Seite 3 Seite 5 Seite 8 Landesdelegierten- versammlung mit Fachkongress und Jubiläumsfeier am 21. und 22. September 2012 in Dortmund. Mit Frank Baranowski, Sigmar Gabriel, Hannelore Kraft und vielen anderen. Bist Du dabei? Mehr Infos unter www.sgk-nrw.de Zugegeben: Ein Neujahrsgruß käme Anfang Februar ein biss- chen spät – ein Blick auf das Jahr 2012 aber nicht. Die SPD steht als Kommunalpartei gut da. Sie hat in der Regierungsverantwortung in NRW maßgeblich zur Stärkung der Kommunen beigetragen: Ange- fangen von einer besseren Finanz- ausstattung über eine Stärkung der Bürgerbeteiligung bis zur Wieder- einführung der Stichwahl hat Rot- Grün zahlreiche Verbesserungen der kommunalen Lage bewirkt. 2012: 40 Jahre SGK NRW von Frank Baranowski, SGK-Landesvorsitzender Und es geht weiter: Das Gesetz zur Genehmigung der Umlagesät- ze ist bereits auf dem Weg, ebenso die Initiative zur Stärkung des Eh- renamtes, die verbesserte Rahmen- bedingungen für die ehrenamtli- che Kommunalpolitik schafft und schließlich wird das neue kommu- nale Finanzmanagement novelliert. Neben diesen Gesetzen, die sich unmittelbar auf das kommunal- politische Geschehen konzentrie- ren, gibt es zahlreiche Themen, die sich auf die Lebensbedingungen in den Kommunen auswirken. Ob La- denschluss, Zukunft der Pflege, Kli- maschutzgesetz oder die Zusam- menlegung von Wahlterminen: fast alles berührt mehr oder weniger direkt das Leben der Menschen in den Städten, Kreisen und Gemein- den unseres Landes. Ganz sicher wird die Zusammen- arbeit zwischen Partei, Fraktion und Landesregierung mit der SGK wei- ter vom Geist konstruktiven Mitein- anders geprägt sein. Wenn es beim nächsten GFG darum geht, die kommunalen Mittel für den Stär- kungspakt Stadtfinanzen aufzubrin- gen, muss die SPD Wort halten und entweder eine Solidaritätsumlage einführen oder das GFG um die erforderlichen Mittel aus dem Lan- deshaushalt erhöhen. Aber auch wenn es mal knirscht, stehen wir zusammen „Seit an Seit“. Das ist nötig, weil die finanzielle Lage der Kommunen dramatisch bleiben wird und wir gemeinsam vom Bund mehr Unterstützung ver- langen müssen. Auch die eigenen Bundestagsabgeordneten sollten vor Ort danach gefragt werden, wie sie den Städten und Gemein- den in NRW helfen wollen und ob sie bereit sind, eine maßgebliche Kostenbeteiligung an der Eingliede- rungshilfe zu unterstützen oder eine stärkere Beteiligung an den Kosten der Unterkunft mitzutragen. Dazu bieten sich auch die Aufstellungs- verfahren an, die 2012 beginnen. Denn eines ist klar: Auf CDU und FDP können wir nicht zählen. Keine Partei ist wie die SPD in den Städten verankert und auch in den ländli- chen Regionen ist die SPD häufig die tonangebende Kraft. 2012 steht uns ein besonde- res Ereignis bevor: Die SGK NRW wird 40 Jahre alt. Sie war die ers- te eigenständige Organisation für Kommunalpolitikerinnen und Kom- munalpolitiker der SPD und damit auch Vorbild für den Bund und die anderen Bundesländer. Das werden wir feiern, und zwar am 21. und 22. September 2012. Ein Fachkongress zu den „Opti- onen der Stadt der Zukunft“, eine Abendveranstaltung im Dortmun- der U und die 17. Landesdele- giertenversammlung in der Zeche Zollern bilden ein attraktives Pro- gramm, zu dem Du herzlich ein- geladen bist. Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft haben ihre Teil- nahme bereits zugesagt. Kommst Du auch? 40 Jahre SGK Zeche Zollern Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans war Gast der letz- ten Sitzung des SGK-Landesvorstandes. Wir nutzten die Gele- genheit, mit ihm über die Landes- und Kommunalfinanzen zu sprechen und dabei auch die schwarz-gelbe Politik des Bundes zu beleuchten. ? Der Haushalt 2012 des Lan- des mit Gesamtausgaben von 58,4 Milliarden Euro wird ge- genwärtig im Landtag bera- ten. Was sind die Kernbot- schaften? Erstens: Wir setzen unsere Verspre- chen aus dem Koalitionsvertrag Schritt für Schritt um und stellen die Weichen auf Zukunftsfähigkeit, so- ziale Gerechtigkeit und Wohlstand. Zweitens: Wir nehmen die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung ernst. Scheinkonsolidierung, bei der die Lasten auf die Kommunen verscho- ben und Investitionen in Kinder und Bildung vernachlässigt werden, ist nicht unser Verständnis von nach- haltiger Finanzpolitik. ? Stimmt der Vorwurf der Op- position, dass immer mehr Schulden gemacht werden? Die Neuverschuldung sinkt 2012 auf unter vier Milliarden Euro. Da- mit liegen wir 200 Millionen Euro unter der Verfassungsgrenze. Ge- genüber dem Haushaltsentwurf 2011 liegt die geplante Nettoneu- verschuldung 2012 um fast 850 Mil- lionen Euro niedriger. Das ist eine Absenkung von fast 18 Prozent! ? Also ist am Vorwurf der Schul- denkönigin von Herrn Lau- mann in Richtung der Minister- präsidentin nichts dran? 6,8 Prozent des Haushaltsvolumens sind kreditfinanziert. In dem von Schwarz-Gelb hoch gelobten Bun- deshaushalt 2012 sind es jetzt be- reits 8,5 Prozent – ohne den ange- kündigten Nachtragshaushalt. Wenn Deutschland eine Schuldenkönigin hat, dann sitzt sie im Berliner Kanz- leramt. ? Was haben die Kommunen von diesem Haushalt? Eine Menge. Wir stellen den Kom- munen mit dem Gemeindefinanzie- rungsgesetz 2012 insgesamt rund 8,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist die höchste Finanzausgleichs- masse in der NRW-Geschichte! Da– rüber hinaus erhalten die Kommu- nen in 2012 weitere 8 Milliarden Euro an Zuweisungen für festgelegte Zwecke. Damit sind fast 30 Prozent aller Gesamtausgaben für die Kom- munen bestimmt. ? Für die Oppositionspartei- en ist das immer noch zu we- nig. Sie fordern angesichts der Situation der Kommunalfinan- zen noch mehr Geld. Haben sie Recht? Zu wenig ist es immer. In aller Freundlichkeit will ich aber CDU und FDP daran erinnern, wie sie die kommunalen Kassen in der letz- ten Wahlperiode geplündert haben. Wer mehr für die Kommunen for- dert, Neuverschuldung geißelt und zugleich Steuersenkung verspricht, der sollte nicht im Landtag, sondern nebenan im Apollo-Varieté auftreten – mit Zylinder und Kaninchen. ? In den Stärkungspakt sollen in der zweiten Stufe auch rund 70 Millionen sogenannter „So- bez-Mittel“ fließen? Was hat es damit eigentlich auf sich? Seit 2005 hatten die Ost-Bundes- länder wegen überdurchschnittli- chen Belastungen bei der Arbeitslo- sen- und Sozialhilfe jährlich 1 Mrd. Euro erhalten. Wir haben maß- geblich dafür gesorgt, dass die- se jährlichen Bundesergänzungs- zuweisungen in Höhe von 1 Mrd. Euro für 2011 bis 2013 auf durch- schnittlich 807 Mio. Euro pro Jahr reduziert werden. Daraus folgt eine Entlastung der Kommunen in NRW in Höhe von rund 130 Mio. Euro bis 2013. 65 Mio. Euro werden in 2012 fällig. ? Diese kommunalen Mittel werden für den Stärkungs- pakt bereitgestellt. Aber das reicht doch nicht, um die zwei- te Stufe zu bezahlen, oder? Nein, das reicht nicht. Wir stellen dem Stärkungspakt weitere Mittel zur Verfügung. Konkret: wir haben die Grunderwerbsteuer von 3,5% auf 5% erhöht. Der kommunale Anteil an den Mehreinnahmen in Höhe von rund 50 Mio. Euro wird ebenfalls für den Stärkungspakt eingesetzt. Fortsetzung auf Seite 3

Die Kommunale 1/2012

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Die Kommunal 1/2012 Jahrgang 9, Topthemen: N.W. Borjans: "Wir müssen auf die Finanzlage der Städte reagieren", kommunalpolitisches Ehrenamt, Eingliederungshilfe, Elektromobilität

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Page 1: Die Kommunale 1/2012

Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

KOMMUNALEDIE

ZEItUNg

„Wir müssen auf die Finanzlage der Städte reagieren“

Rahmenbedingungen fürkommunalpolitisches Ehrenamt verbessern

Matthias Löb: Eingliederungshilfe: Bund istgefordert

Harry K. Voigtsberger:Schaufenster Elektromobilität - Chance für NRW

Aus unserem Sudelbuch:Wir ham den Kanal noch lange nicht vollSeite 2 Seite 3 Seite 5 Seite 8

Landesdelegierten-versammlung

mit Fachkongress undJubiläumsfeier

am 21. und 22. September 2012 in Dortmund.

Mit Frank Baranowski, Sigmar Gabriel,Hannelore Kraft

und vielen anderen.

Bist Du dabei?

Mehr Infos unterwww.sgk-nrw.de

Zugegeben: Ein Neujahrsgruß käme Anfang Februar ein biss-chen spät – ein Blick auf das Jahr 2012 aber nicht. Die SPD steht als Kommunalpartei gut da. Sie hat in der Regierungsverantwortung in NRW maßgeblich zur Stärkung der Kommunen beigetragen: Ange-fangen von einer besseren Finanz-ausstattung über eine Stärkung der Bürgerbeteiligung bis zur Wieder-einführung der Stichwahl hat Rot-Grün zahlreiche Verbesserungen der kommunalen Lage bewirkt.

2012: 40 Jahre SgK NRWvon Frank Baranowski, SGK-Landesvorsitzender

Und es geht weiter: Das Gesetz zur Genehmigung der Umlagesät-ze ist bereits auf dem Weg, ebenso die Initiative zur Stärkung des Eh-renamtes, die verbesserte Rahmen-bedingungen für die ehrenamtli-che Kommunalpolitik schafft und schließlich wird das neue kommu-nale Finanzmanagement novelliert.

Neben diesen Gesetzen, die sich unmittelbar auf das kommunal-politische Geschehen konzentrie-ren, gibt es zahlreiche Themen, die sich auf die Lebensbedingungen in den Kommunen auswirken. Ob La-denschluss, Zukunft der Pflege, Kli-maschutzgesetz oder die Zusam-menlegung von Wahlterminen: fast alles berührt mehr oder weniger direkt das Leben der Menschen in den Städten, Kreisen und Gemein-den unseres Landes.

Ganz sicher wird die Zusammen-arbeit zwischen Partei, Fraktion und Landesregierung mit der SGK wei-

ter vom Geist konstruktiven Mitein-anders geprägt sein. Wenn es beim nächsten GFG darum geht, die kommunalen Mittel für den Stär-kungspakt Stadtfinanzen aufzubrin-gen, muss die SPD Wort halten und entweder eine Solidaritätsumlage einführen oder das GFG um die erforderlichen Mittel aus dem Lan-deshaushalt erhöhen. Aber auch wenn es mal knirscht, stehen wir zusammen „Seit an Seit“.

Das ist nötig, weil die finanzielle Lage der Kommunen dramatisch bleiben wird und wir gemeinsam vom Bund mehr Unterstützung ver-langen müssen. Auch die eigenen Bundestagsabgeordneten sollten vor Ort danach gefragt werden, wie sie den Städten und Gemein-den in NRW helfen wollen und ob sie bereit sind, eine maßgebliche Kostenbeteiligung an der Eingliede-rungshilfe zu unterstützen oder eine stärkere Beteiligung an den Kosten der Unterkunft mitzutragen. Dazu bieten sich auch die Aufstellungs-verfahren an, die 2012 beginnen.

Denn eines ist klar: Auf CDU und FDP können wir nicht zählen. Keine Partei ist wie die SPD in den Städten verankert und auch in den ländli-chen Regionen ist die SPD häufig die tonangebende Kraft.

2012 steht uns ein besonde-res Ereignis bevor: Die SGK NRW wird 40 Jahre alt. Sie war die ers-te eigenständige Organisation für Kommunalpolitikerinnen und Kom-munalpolitiker der SPD und damit auch Vorbild für den Bund und die anderen Bundesländer.

Das werden wir feiern, und zwar am 21. und 22. September 2012. Ein Fachkongress zu den „Opti-onen der Stadt der Zukunft“, eine Abendveranstaltung im Dortmun-der U und die 17. Landesdele-giertenversammlung in der Zeche Zollern bilden ein attraktives Pro-gramm, zu dem Du herzlich ein-geladen bist. Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft haben ihre Teil-nahme bereits zugesagt. Kommst Du auch?

40 Jahre SgK

Zeche Zollern

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans war gast der letz-

ten Sitzung des SgK-Landesvorstandes. Wir nutzten die gele-

genheit, mit ihm über die Landes- und Kommunalfinanzen zu

sprechen und dabei auch die schwarz-gelbe Politik des Bundes

zu beleuchten.

? Der Haushalt 2012 des Lan-des mit gesamtausgaben von 58,4 Milliarden Euro wird ge-genwärtig im Landtag bera-ten. Was sind die Kernbot-schaften?

Erstens: Wir setzen unsere Verspre-chen aus dem Koalitionsvertrag Schritt für Schritt um und stellen die Weichen auf Zukunftsfähigkeit, so-ziale Gerechtigkeit und Wohlstand.

Zweitens: Wir nehmen die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung ernst. Scheinkonsolidierung, bei der die Lasten auf die Kommunen verscho-ben und Investitionen in Kinder und Bildung vernachlässigt werden, ist nicht unser Verständnis von nach-haltiger Finanzpolitik.

? Stimmt der Vorwurf der Op-position, dass immer mehr Schulden gemacht werden?

Die Neuverschuldung sinkt 2012 auf unter vier Milliarden Euro. Da-mit liegen wir 200 Millionen Euro unter der Verfassungsgrenze. Ge-

genüber dem Haushaltsentwurf 2011 liegt die geplante Nettoneu-verschuldung 2012 um fast 850 Mil-lionen Euro niedriger. Das ist eine Absenkung von fast 18 Prozent!

? Also ist am Vorwurf der Schul-denkönigin von Herrn Lau-mann in Richtung der Minister-präsidentin nichts dran?

6,8 Prozent des Haushaltsvolumens sind kreditfinanziert. In dem von Schwarz-Gelb hoch gelobten Bun-deshaushalt 2012 sind es jetzt be-reits 8,5 Prozent – ohne den ange-kündigten Nachtragshaushalt. Wenn Deutschland eine Schuldenkönigin hat, dann sitzt sie im Berliner Kanz-leramt.

? Was haben die Kommunen von diesem Haushalt?

Eine Menge. Wir stellen den Kom-munen mit dem Gemeindefinanzie-rungsgesetz 2012 insgesamt rund 8,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist die höchste Finanzausgleichs-masse in der NRW-Geschichte! Da–

rüber hinaus erhalten die Kommu-nen in 2012 weitere 8 Milliarden Euro an Zuweisungen für festgelegte Zwecke. Damit sind fast 30 Prozent aller Gesamtausgaben für die Kom-munen bestimmt.

? Für die Oppositionspartei-en ist das immer noch zu we-nig. Sie fordern angesichts der Situation der Kommunalfinan-zen noch mehr geld. Haben sie Recht?

Zu wenig ist es immer. In aller Freundlichkeit will ich aber CDU und FDP daran erinnern, wie sie die kommunalen Kassen in der letz-ten Wahlperiode geplündert haben. Wer mehr für die Kommunen for-dert, Neuverschuldung geißelt und zugleich Steuersenkung verspricht, der sollte nicht im Landtag, sondern nebenan im Apollo-Varieté auftreten – mit Zylinder und Kaninchen.

? In den Stärkungspakt sollen in der zweiten Stufe auch rund

70 Millionen sogenannter „So-bez-Mittel“ fließen? Was hat es damit eigentlich auf sich?

Seit 2005 hatten die Ost-Bundes-länder wegen überdurchschnittli-chen Belastungen bei der Arbeitslo-sen- und Sozialhilfe jährlich 1 Mrd. Euro erhalten. Wir haben maß-geblich dafür gesorgt, dass die-se jährlichen Bundesergänzungs-zuweisungen in Höhe von 1 Mrd. Euro für 2011 bis 2013 auf durch-schnittlich 807 Mio. Euro pro Jahr reduziert werden. Daraus folgt eine Entlastung der Kommunen in NRW in Höhe von rund 130 Mio. Euro bis 2013. 65 Mio. Euro werden in 2012 fällig.

? Diese kommunalen Mittel werden für den Stärkungs-pakt bereitgestellt. Aber das reicht doch nicht, um die zwei-te Stufe zu bezahlen, oder?

Nein, das reicht nicht. Wir stellen dem Stärkungspakt weitere Mittel zur Verfügung. Konkret: wir haben die Grunderwerbsteuer von 3,5% auf 5% erhöht. Der kommunale Anteil an den Mehreinnahmen in Höhe von rund 50 Mio. Euro wird ebenfalls für den Stärkungspakt eingesetzt.

Fortsetzung auf Seite 3

Page 2: Die Kommunale 1/2012

2 Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Wohnen / Demokratie

„Als SPD-Fraktion interessieren uns die Auswirkungen des profitorien-tierten Investorenverhaltens auf die Bestände und Bewohner, aber auch auf das Handeln der Kommunen

Landtag nimmt wohnungswirtschaftlichen Wandel in den Blick

und die damit verbundenen Konse-quenzen. Es ist Aufgabe der Landes-politik hier Handlungsspielräume auszuloten sowie wirksame Prob-lemlösungsstrategien zu formulie-ren, um der Verelendung von Stadt-quartieren entgegenzuwirken und die Mieter vor ungebremster Gewinn-orientierung zu schützen“, so Eva-Maria Voigt-Küppers MdL, Spre-cherin der SPD-Landtagsfraktion in der Enquete-Kommission.

Dies findet sich auch in dem in sechs Kapitel gegliederten Arbeits-programm der Kommission wieder, zu dem Experten angehört, Studi-en und Gutachten in Auftrag gege-ben sowie vor Ort betroffene Woh-nungsbestände besichtigt werden sollen.

Vor gut einem Jahr hat sich die Enquete-Kommission „Wohnungs-

wirtschaftlicher Wandel“ mit elf Mitgliedern des NRW-Landtages

und fünf Sachverständigen konstituiert. Handlungsleitend ist seit-

dem die Bestandsaufnahme der Aktivitäten von Finanzinvestoren

und vernachlässigten Immobilien auf den Wohnungsmärkten in

NRW.

In den bisher elf Enquete-Sitzungen wurde der wohnungswirtschaft-liche Wandel näher analysiert, Geschäftsmodelle und Finanzie-rungsstrategien von „Neuen Finan-zinvestoren“ diskutiert, Erfahrungs-berichte über die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren als neue An-bieter auf den Wohnungsmärkten gehört, sowie kommunale Beispiele im Umgang mit verwahrlosten Im-mobilien dargestellt.

In den kommenden Sitzungen wer-den insbesondere mit sechs Quar-tiers-Fallstudien in Bielefeld (Senne-stadt), Marl (Drewer-Süd), Münster (Kinderhaus-Brüningheide), Dort-mund (Westerfilde), Neuss (Erfttal) und Köln (Chorweiler-Mitte) Ursa-chen, Problemlagen und Lösungs-

Demokratie stärken Rahmenbedingungen für kommunalpolitisches Ehrenamt verbessern

In Nordrhein-Westfalen sind in den kommunalen Vertretungen über 20.000 Bürgerinnen und Bür-ger aktiv. Sie engagieren sich eh-renamtlich als Ratsmitglied oder Kreistagsabgeordnete, sind in ei-ner Bezirksvertretung tätig oder arbeiten als sachkundige Bürger–in bzw. sachkundiger Bürger in ei-nem Ausschuss mit. Damit die-ses Ehrenamt mit den beruflichen Verpflichtungen vereinbar ist, gibt es einen rechtlichen Freistellungs-anspruch gegenüber dem jeweili-gen Arbeitgeber. Ein Problem bei der Wahrnehmung des Mandats besteht darin, dass insbesonde-re Arbeitnehmer in Gleitzeit oder mit vollständig flexiblen Arbeits-zeiten aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Regelung kaum eine Möglichkeit haben, einen solchen Freistellungsanspruch geltend zu machen. Sie müssen ihre berufli-chen Arbeitsverpflichtungen, die durch feste Arbeitszeitkontingente festgelegt sind, im voraus erbrin-gen oder aber nachholen.

Eine weitere Schwierigkeit ist es, dass die Mandatsträger/innen in

den Kommunen wegen der Viel-zahl der Vorlagen nicht nur ein zeitliches Problem haben; ih-nen fehlen teilweise auch wichti-ge und rechtzeitige Informationen oder notwendige Vorkenntnisse. Die zunehmende Komplexität der zu entscheidenden Angelegenhei-ten erfordert eine immer umfang-reichere Einarbeitungszeit, häufig auch spezifische rechtliche und be-triebswirtschaftliche Kenntnisse so-wie spartenbezogenes Wissen.

„Damit das kommunalpolitische Ehrenamt mit den beruflichen Ver-pflichtungen auch weiterhin ver-einbar ist, haben wir nun die Ini-

ansätze für den Umgang mit verwahrlosten oder im Eigen-tum von Finanzinvestoren ste-henden Wohnungsbeständen erfasst und bewertet.

„Als SPD-Fraktion erwar-ten wir von der Enquete-Ar-beit, dass Mieter zukünftig vor einer spekulativen Anla-georientierung geschützt werden. Dies trifft besonders auf einkom-mensschwache Haushalte zu. Die kommunalen Wohnungsbestän-de als lokale Partner sind ein un-verzichtbarer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge - diese müssen wir aktiv in die lokale Stadtteil- und Quartiersarbeit einbinden“, betont Eva-Maria Voigt-Küppers MdL nachdrücklich.

tiative für ein Gesetz ergriffen, das die Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung des kommunalen Ehrenamtes verbessert“, so SPD-Landtagsabgeordneter Hans-Willi Körfges, der als stellver-tretender Fraktionsvorsitzender für die Kommunalpolitik zuständig ist. Martin Börschel MdL, der die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag begründete, führte aus, dass nicht alle Probleme des Ehrenamtes gelöst werden könn-ten, jedoch weitere Facetten im Gesetzgebungsverfahren aufge-griffen werden sollen, wie z.B. die Problematik der Schichtarbeit und

die Entschädigung für Haushaltstätigkeiten.Den gestiegenen in-haltlichen Ansprüchen soll durch eine an-gemessene Fort- und Weiterbildung in recht-lichen, wirtschaftlichen und gesellschaftspo-litischen Fragestel-lungen Rechnung ge-tragen werden. Zur Teilnahme an kommu-

nalpolitischen Bildungsveranstal-tungen wird ein Urlaubsanspruch der Mandatsträger/innen von acht Arbeitstagen in jeder Wahlperiode eingeführt, bei dem für den Ver-dienstausfall und die Kinderbe-treuung eine Erstattung durch die Kommunen erfolgt. „Eine bessere Qualifikation ehren-amtlicher Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker muss auch im Interesse der Kommunalver-waltungen liegen. Ebenso wie die Fortbildung der Beschäftigten im Interesse der Hauptverwaltungs-beamten liegen muss, sollten auch Kommunalpolitiker die Chance bekommen sich weiterzubilden und damit qualifizierte Kommu-nalpolitik zu machen“, so Martin Börschel, der die SPD in der zu-ständigen Kommission des Land-tags vertreten hat.Bei Mandatsträger/innen mit fle-xiblen Arbeitszeiten wird für die Gleitzeit, die nicht zur Kernarbeits-zeit gehört, ein Freistellungsan-spruch von 50 Prozent der für die Mandatswahrnehmung aufgewen-deten Zeit durch Zeitgutschrift auf dem Gleitzeitkonto gewährt. Für diese Zeitgutschrift besteht dann ein Anspruch auf Verdienstausfall–entschädigung. Es soll auch eine Klarstellung im Gesetz erfolgen, dass Tätigkeiten in sogenannten Drittgremien (Aufsichts- und Ver-waltungsräte) auf Veranlassung des Rates bzw. Kreistags erfolgen und für diese Tätigkeiten ebenfalls ein Freistellungsanspruch besteht.Die Vorschläge im Gesetzentwurf basieren auf Überlegungen aller kommunalpolitischer Vereinigungen in NRW, die diese bereits vor zwei Jahren formuliert haben. Daher ap-pellieren Körfges und Börschel da-ran, dass es Ziel aller im Landtag vertretenen Parteien sein muss,

Weitere Informationen zum Thema sind auf den Internet-Seiten des Land-tages (www.landtag.nrw.de) unter der Rubrik Ausschüsse und Gremien zu finden. Gerne ist die Abgeordne-te auch bereit, im Rahmen politischer Veranstaltungen über ihre Arbeit zu in-formieren.

Das Ehrenamt

Willst du froh und glücklich leben,

lass kein Ehrenamt dir geben!

Willst du nicht zu früh ins Grab,

lehn’ ein Ehrenamt bloß ab!

Wie viel Mühen, Sorgen, Plagen,

wie viel Ärger musst du tragen.

Gibst noch Geld aus, opferst Zeit –

und der Lohn? – Undankbarkeit!

Ohne Amt lebst du so friedlich

und so ruhig und so gemütlich,

Du sparst Kraft und Geld und Zeit,

wirst geachtet weit und breit.

So ein Amt bringt niemals Ehre,

denn der Klatschsucht scharfe Schere

schneidet boshaft dir, schnipp-schnapp,

deine Ehre vielfach ab.

Wilhelm Busch (zugeschrieben)

Die Fraktionen von SPD, grünen und FDP im nordrhein-west-

fälischen Landtag haben noch im Dezember letzten Jahres ei-

nen gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes

in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Mit ihren

Vorschlägen zur Änderung der gemeinde- und Kreisordnung

sollen die Rahmenbedingungen für das kommunalpolitische

Ehrenamt verbessert werden. Die CDU und DIE LINKE signa-

lisierten eine konstruktive Begleitung des gesetzesvorhabens.

ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement mit den gestiegenen Anforderungen von Beruf und Pri-vatleben in Einklang zu bringen.

© Michael Lorenzet / PIXELIO.de

© Alexander Hauk / PIXELIO.de

Page 3: Die Kommunale 1/2012

3Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Finanzen / Soziales

Fortsetzung Interviews mit Dr. Walter-Borjans von Seite 1

„Wir müssen auf die Finanzlage der Städte reagieren“

Kurz vor Weihnachten, so Kom-munalminister Ralf Jäger, sind die 350 Millionen Euro des Stär-kungspaktes Stadtfinanzen aus dem Landeshaushalt zur Aus-zahlung gelangt. Die 34 Stär-kungspakt-Kommunen haben nun die Aufgabe, mit dieser Hil-fe spätestens nach Ablauf von 10 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen. „Wir wol-len die Räte wieder in die Lage versetzen, eigenverantwortlich zu handeln“, macht Ralf Jäger im-mer wieder deutlich. 80 Prozent des Geldes wurden auf Grund-lage einer finanzwissenschaftli-chen Berechnung der Professo-ren Junkernheinrich/Lenk verteilt, 20 Prozent als Grundbetrag über einen Einwohnerschlüssel.

Aktuell in der Diskussion ist nun, wie die Umsetzung der zweiten Stufe des Stärkungspaktes erfol-gen soll, bei der Kommunen, de-nen bis 2016 die Überschuldung droht, freiwillig teilnehmen kön-nen. Die ersten Regelungen und Erlasse hierzu werden in Kürze vom Ministerium veröffentlicht

werden.

Stärkungspakt Stadtfinanzen:

350 Millionen ausgezahlt

? Für die zweite Stufe des Stär-kungspaktes sollen aber ab 2014 weitere 195 Millionen Euro von den Kommunen auf-gebracht werden. Die dafür vorgesehene Abundanzumla-ge wird nur noch als Möglich-keit in der Begründung ge-nannt. Eine Befrachtung des gFg soll es nicht geben. Wer-den die Mittel dann aus dem Landeshaushalt kommen?

Diese Frage stellt sich konkret beim Landeshaushalt 2014. We-der SPD und Grüne noch die Kom-munen wollen eine allgemeine Be-frachtung des GFG. Wenn es nicht zu einer Solidarumlage der steu-erstärkeren Städte zugunsten der schwächeren kommt, muss eine andere Lösung gefunden werden. Eine Erhöhung der Mittel des Lan-deshaushaltes über die zur Verfü-gung gestellten 350 Mio. Euro hin-aus kann nur die ultima ratio sein.

? Sie sind für das Jahr 2012 zum Vorsitzenden der Finanz-ministerkonferenz gewählt

worden. Herzlichen glück-wunsch. Was sagen Sie zu der geplanten Steuerentlastung des Bundes?

Für Nordrhein-Westfalen bedeutet das gravierende Einnahmeverluste — nach heutigem Stand rund 400 Millionen Euro weniger in der Lan-deskasse. Das wären über 8.000 Lehrer, Dozenten oder Polizisten weniger oder 400 Millionen Euro mehr Schulden und die Kommu-nen werden noch einmal mit 150 Millionen belastet. Das ist unver-antwortlich.

? Was würden Sie denn dem Bund empfehlen?

Wenn die Bundesregierung glaubt, Geld übrig zu haben, wäre es bes-ser, die öffentlichen Investitionen zu erhöhen. Zudem muss der Bund stärker die Lasten der Kommunen mitfinanzieren, die durch seine Gesetzgebung verursacht worden sind. Die Beteiligung an den Kos-ten der Eingliederung von Men-schen mit Behinderungen wäre

eine solche Maßnahme ebenso wie die erhöhte Beteiligung an den Kosten der Unterkunft.

? Ist die Beteiligung an den Kosten der grundsicherung also nicht hinreichend?

Nein. Sie ist ein wichtiger Schritt und übrigens das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zum so- genannten Bildungs- und Teilha-bepaket, das die SPD-geführten Länder erstritten haben. Leider

beteiligt sich der Bund nur nach-gelagert an diesen Kosten, die Kommunen müssen zwei Jahre vorfinanzieren. Das müssen wir ändern.

? Wie könnte denn seitens des Bundes etwas für die Kommu-nen getan werden, die sich in besonders schwieriger Finanz-lage befinden?

Dass die finanziellen Hilfen für die Kommunen nicht nach Himmels-richtung, sondern nach Bedürftig-keit geleistet werden müssen, ist das Credo der SPD und der Mi-nisterpräsidentin. Der Bund hätte durchaus die Möglichkeit, durch

Sonderbedarfszuweisungen auf die prekäre Finanzsituation der Städte zu reagieren. Ich prüfe der-zeit, wie dieses Thema von NRW aus konkret auf die Bundesebene getragen werden kann.

? Die Schuldenbelastungen sind auf allen staatlichen Ebe-nen zu hoch. Hinzu kommt, dass durch die Schuldenbrem-se der Zwang zum Schul-denabbau dramatisch an-wächst. Wie sollen denn die Mehrausgaben zum Beispiel für die Kommunen finanziert werden?

Natürlich muss gespart werden. Wer wollte das bestreiten? Mit der mittelfristigen Finanzplanung 2011 bis 2015 stellen wir uns dem Auftrag zur Einhaltung der Schul-denbremse in 2020. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir aber auch die Einnahmebasis verbes-sern. Das ist die andere Seite der Medaille. Die Landesregierung un-terstützt ausdrücklich die Pläne von SPD und Grünen auf Bundesebe-ne, die Spitzensteuer anzuheben und wieder eine gerechte Vermö-gensbesteuerung einzuführen. Ohne Mehreinnahmen können wir das Leistungsniveau nicht halten.

Zahlungen außerhalb des Steuerverbundes u.a. Ausgaben für das Stärkungspaktgesetz

Zuweisungen Steuerverbund

2012: Höchste Finanzausgleichsmasse für NRW-gemeinden aller Zeiten

Zu schwere Lasten für zu schmale Schultern Warum die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nicht alleine kommunal finanziert werden kann

von Matthias Löb, Kämmerer des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)

Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland schützen uns vor vier existentiellen Risiken:

� Krankheit (Krankenversicherung)

� Arbeitslosigkeit (Arbeitslosenver-sicherung)

� Altersarmut (Rentenversicherung)

� Pflegebedürftigkeit im Alter (Pfle-geversicherung).

Bekanntlich reichen die Wurzeln für die ersten drei Sozialversiche-rungen zurück bis zu Fürst von Bis-marck im19. Jahrhundert. Aber wie war das noch gleich beim jüngsten Zweig, bei der Pflegeversicherung? Zur Erinnerung: Von Jahr zu Jahr stieg die Anzahl derjenigen, die pflegebedürftig wurden und deren Versorgung nicht mehr alleine von Angehörigen oder aus eigenen fi-nanziellen Mitteln geleistet werden konnte. Die Ausgaben für die Hilfe zur Pflege stiegen rapide an: Noch im Jahr 1994 wurden in Deutsch-land etwa 9 Mrd. Euro für die Hil-fe zur Pflege ausgegeben, in NRW zahlten die Kommunen seinerzeit 2,4 Mrd. Euro jährlich. In einem ge-sellschaftlich breit angelegten po-litischen Diskussionsprozess, von unzähligen Kommissionen und Ex-pertengutachten begleitet, wurde

schließlich 1995 die Pflegeversiche-rung aus der Taufe gehoben.

Heute stehen wir in einem ande-ren Feld vor Herausforderungen, die ähnliche Dimensionen aufwei-sen: Die Rede ist von den finanziel-len Hilfen für behinderte Menschen. Alleine die sogenannte Eingliede-rungshilfe, also Sozialhilfeleistun-gen für das Wohnen und Arbeiten von Menschen mit wesentlichen Behinderungen, kostet bundesweit derzeit gut 13 Mrd. Euro jährlich. In fast allen Bundesländern tragen die Kommunen diese Kosten ganz oder zumindest anteilig. Neben den Hilfen für Kinder und Jugendli-che ist die Eingliederungshilfe damit die kommunale Sozialausgabe mit dem größten Kostenvolumen und mit Steigerungsraten von durch-schnittlich über 5% jährlich.

Was sind die Ursachen für das rasante Anwachsen der Kosten in der Eingliederungshilfe?

Durch die Euthanasiepolitik der Na-tionalsozialisten hat die Gruppe der Menschen mit wesentlichen Behin-derungen einen relativ niedrigen Altersdurchschnitt. Zugleich führt der medizinische Fortschritt dazu, dass Frühgeborene oder Unfallop-fer mit schwersten Behinderungen überleben können und dass auch Menschen mit wesentlichen Behin-derungen mittlerweile eine annä-hernd normale Lebenserwartung haben. Immer mehr Menschen fal-len aufgrund psychischer Behin-derungen aus den Systemen der Kranken- und der Arbeitslosenver-

sicherung und landen schließlich in der Eingliederungshilfe, zum Bei-spiel in einer Werkstatt für Behinder-te. Diese und weitere Faktoren ha-ben dazu geführt, dass die Zahl der zu betreuenden Menschen zwischen 2000 und 2010 von 525.000 auf 725.000 gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum stiegen die – zumeist kom-munal finanzierten – Leistungen von 8,3 Mrd. Euro auf 12,5 Mrd. Euro jährlich.

In NRW zahlen die beiden kommu-nalen Landschaftsverbände jähr-lich mehr als 3,5 Mrd. Euro an Ein-gliederungshilfen für behinderte Menschen, mit jährlichen Kosten-steigerungen von etwa 150 – 180 Mio. Euro. Diese nicht vermeidba-ren Mehrkosten müssen über Um-lagezahlungen von den Kreisen und kreisfreien Städten aufgebracht werden.

Diese Entwicklung wird nicht nur für mindestens die nächsten 10 Jahre so weitergehen, sondern der Um-bau zu einer inklusiven Gesellschaft wird weitere kostenträchtige Maß-nahmen und Strukturen nach sich ziehen. Verwiesen sei insoweit auf den jüngsten Antrag der SPD-Bun-destagsfraktion 17/7942*, der eine Vorstellung davon gibt, welche ge-waltigen Schritte noch nötig sind, um behinderten Menschen eine selbstverständliche und breite Teil-habe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Ähnlich wie Mitte der 90er Jahre zur Pflegeversicherung bedarf es

angesichts der gewaltigen demo-grafischen, finanziellen und sozial-politischen Herausforderungen in der Behindertenpolitik eines bun-desweiten, breit angelegten gesell-schaftlichen Diskurses. In konzep-tioneller wie auch in finanzieller Hinsicht wäre die Einführung eines vom Bund finanzierten Nachteils-ausgleichs für Menschen mit Behin-derungen, ein sogenanntes „Bun-desteilhabegeld“, von besonderer Bedeutung: Es würde behinderte Menschen aus der Sozialhilfe brin-gen und ihnen ein selbstbestimmte-res Leben ermöglichen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Förde-rung der Inklusion. Zugleich wäre ein Anreiz für behinderte Menschen und ihre Familien gegeben, sich kostengünstige Versorgungsstruktu-ren zu suchen, wie dies bspw. mit dem Pflegegeld auch gelingt. Nicht zuletzt würden auch die in der Re-gel kommunalen Kostenträger bun-desweit entlastet werden. Die Kom-munen dürfen mit den wachsenden Kosten der Eingliederungshilfe und dem Umbau zu einer inklusiven Gesellschaft nicht alleine gelassen werden.

* Der Antrag ist im Intranet der SGK (Soziales) zu finden.

© Udo Kasper u. Ralf Luczyk / PIXELIO.de

Quelle: Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen

Page 4: Die Kommunale 1/2012

4 Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Energie

Noch ist das Stadtbild auch geprägt von Straßenzügen mit alten Zechen-häusern. Somit bietet das Projekt In-novationCity für Bottrop die Chan-ce, sich von der „Stadt der Kohle“ zur „Stadt der neuen Energien“ zu wandeln. Dies wird durch inno-vative Technologien und bewähr-te Maßnahmen in den Handlungs-feldern Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Stadt realisiert.

Energieeffizienter Stadtum-bau im RuhrgebietZur Umsetzung setzt das Projekt auf die Bündelung der Kräfte: Die Beteiligten aus Politik und Stadt-gesellschaft, Wirtschaft und Wis-senschaft werden eng zusammen-arbeiten und mit den Bürgern an einem Strang ziehen. Dabei gilt: Gemeinsam für’s Ganze. Denn InnovationCity Ruhr versteht sich als Impulsgeber, um über das Pi-lotgebiet hinaus im gesamten Ruhrgebiet einen energieeffizien-ten Stadtumbau anzustoßen – für eine gesunde Umwelt und einen attraktiven Lebensraum. Und - nicht zuletzt - für Ressourcenscho-

Bottrop begeistert BrüsselInnovationCity Ruhr ist ein Pilotprojekt mit Strahlkraft: In der Bergbaustadt Bottrop wird sich in den nächsten zehn Jahren ein komplettes Stadtquartier mit rund 70.000 Einwohnern zum Mus-terquartier für Energieeffizienz wandeln. Das konkrete Ziel: Der CO2-Ausstoß im Modellbereich in der Innenstadt und im Stadtsüden soll bis zum Jahr 2020 um 50 Prozent reduziert werden.

nung und Klimaschutz. So ist das langfristige Ziel auch die bundes- und europaweite Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse und erarbeiteten Prozesse auf ande-re vergleichbare Städte und Regi-onen.Zur Aktivierung der europäischen Ebene wurde im vergangenen Ok-tober das Projekt InnovationCi-ty Ruhr in der Landesvertretung NRW in Brüssel vor rund 150 po-litischen Vertretern aus EU, Bund und dem Land Nordrhein-Westfa-len sowie einer Vielzahl von Indus-triepartnern vorgestellt. Anlass war die Bewerbung der Stadt für das EU-Förderprogramm „SmartCities and Communities“.

Prominete Fürsprecher Prominente Fürsprecher waren und sind EU-Kommissar Günther Oet-tinger und der Chef der Staatskanz-lei NRW, Franz-Josef Lersch-Men-se. Sie würdigten die Vorreiterrolle Bottrops in dem Klimadekaden-projekt und räumten der Stadt sehr gute Chancen für eine erfolgreiche Bewerbung ein.

Klimaschutz mit Bürgerenergieanlagen

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger in NRW investieren in Projekte der er-neuerbaren Energien. Um das bürger-schaftliche Engagement für Projekte in Solarenergie, Windkraft oder auch der Wärmeversorgung weiter zu fördern und konkrete Hilfestellung zu leisten, hat die EnergieAgentur.NRW eine Broschüre mit dem Titel „Klimaschutz mit Bürgerener-gieanlagen“ herausgegeben.

Die Broschüre bietet einen guten Über-blick über die vielfältigen Modelle für

Betreibergesellschaften und Beteiligungsgesellschaf-ten anhand von zahlreichen Projektbeispielen in NRW. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Betreibermodelle, von der Personen- oder Kommanditgesellschaft über die Genossenschaft bis hin zur Aktiengesellschaft und Anlagen in Form von Inhaberschuldverschrei-bungen oder stillen Beteiligungen, werden anhand von Bespielen aus den Kommunen in NRW detailliert dargestellt.

Die Broschüre kann unter www.EnergieAgentur.NRW.de direkt herunter geladen werden.

Klimaschutz mit Bürgerenergieanlagen

Cluster Nordrhein-Westfalen

www.umwelt.nrw.de

Mit der Gründung des Kompetenz-zentrums für Geothermie in der Stadt Willich im Jahr 2008 (heute Energiezentrum Willich) ist das The-ma Energie erstmalig in den Focus der Wirtschaftsförderung gerückt. Der Einstieg bestand dabei aus kos-tenfreien, unabhängigen Beratungs-angeboten bei Neubau und in der Sanierung von Gewerbeimmobili-en. Finanziert wurde dies durch die Dachmieten für Photovoltaikanlagen auf den Dächern der städtischen Gebäude.

Inzwischen ist die Stadt Willich die-sen Weg konsequent, u.a. durch die Einstellung eines Klimamanagers und den Ausbau von Beratungsan-geboten, weitergegangen, so dass die Stadt im November 2011 den European Energy Award in Gold verliehen bekommen hat.

Die besondere Herausforderung be-steht darin, die energetische Opti-mierung im gewerblichen Bereich als Standortvorteil zu nutzen und zu vermitteln!

Die Bündelung der Beratung und In-formation der Unternehmen erfolgt im Energiezentrum der Grundstücks-gesellschaft der Stadt Willich, im Stahlwerk Becker, wobei die „erneu-erbaren Energien“ inzwischen nur noch ein Baustein im Beratungskon-zept „Einsatz und Förderung“ dar-stellen. Geothermie, Photovoltaik, Solarthermie oder nachwachsende

Energiemanagement als StandardfaktorWilly Kerbusch, 1. Beigeordneter und Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft mbH der Stadt Willich.

Rohstoffe (Holzpellets) sind in Willich inzwischen Standard bei gewerbli-chen Neubauten.

Neue Themen sind solare Eigen-nutzung und die Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerke, Gasturbinen, Abgas- oder Kühlwas-ser-Wärmetauscher).

Das Energiezentrum bietet für jedes Willicher Unternehmen eine unab-hängige Potentialanalyse nach dem Leitsatz „Weg von viel hilft viel“, hin zm Grundsatz: „Erst justieren und dann investieren.“

Energie als Standardfaktor – die Stadt Willich wird 2012 das Poten-tial der CO2-Einsparung durch den Einsatz von Geothermie in den Wil-licher Gewerbegebieten flächende-ckend ermitteln. In Zusammenarbeit mit der GEOBIT-Energie-Projekte GmbH entsteht die Potenzialstudie „Geoenergie Willich“ als Masterar-beit im Fachbereich Georessourcen–Management der RWTH Aachen. Kooperationspartner dabei sind die Stadtwerke Willich, das Klimama-nagement und die Wirtschaftsförde-rung der Stadt Willich.

Spätestens seit dem Ausstieg aus der Atomenergie ist die Frage der Energie-sicherheit und ihre Umsetzung für alle Unternehmen eine existenzielle Heraus-forderung zukünftiger Entwicklung ge-worden und damit auch Aufgabe der Wirtschaftsförderung.

Dr. Wulf Bernotat, Aufsichtsrats-vorsitzender der InnovationCity Management GmbH, unterstrich in seiner Rede die Verantwortung der Industrie: „Wir wissen, dass wir jetzt liefern müssen.“ Er skizzierte kurz die Projekte, die von den Un-ternehmen des Initiativkreises Ruhr in den nächsten Jahren in Bottrop verwirklicht werden: Das Pump-speicherkraftwerk der RAG oder die annähernd 100 Mio.-Investi-tion der Emschergenossenschaft für die Umgestaltung der Kläran-lage Bottrop, die zu ihrem eigenen Kraftwerk wird, sind dafür nur zwei Beispiele.

SmartCities and CommunitiesOhne das Siegel InnovationCity Ruhr hätte Bottrop voraussichtlich wenig Chancen, an diesem Pro-gramm teilzunehmen und mit den fortschrittlichsten Städten Europas in einer Reihe zu stehen. Der Nutzen für Bottrop bei der Initiative „Smart Cities and Communities“ liegt im hohen Bekanntheitsgrad und der Vernetzung auf der europäischen Ebene. Vor allem aber geht es um ein Fördervolumen von rund 80 Mio. Euro. In deren Folge würde sich die EU mit 50 Prozent an Sa-nierungsmaßnahmen beteiligen.

„Das Label InnovationCity Ruhr hat Bottrop in Brüssel Gehör verschafft, und es hat begeistert. Es besteht die Chance, dass es auch in vielen an-deren Bereichen als Türöffner fun-gieren kann“, betont Bottrops Ober-bürgermeister Bernd tischler. „Im Wettbewerb um Fördermöglichkei-ten geht es darum, in einer Liga mit den modernen europäischen Met-ropolen zu spielen.“

„Stadt des Waldes“ – so nennt sich das über 25.000 Einwohner zählen-de Brilon im nördlichen Sauerland werbewirksam und tatsächlich ist die Stadt der größte kommunale Wald-besitzer Deutschlands. Seit Septem-ber 2011 befeuert ein kommunales Holzhackschnitzelheizwerk mit einer Leistung von 2.700 Kilowatt ein örtli-ches Nahwärmenetz. Die Stadtwerke Brilon und das Forstamt arbeiten da-bei eng zusammen und verbessern gemeinsam die eigenen Produkte, also die Hackschnitzel und die er-neuerbare Wärme, stetig.

Als das Orkantief Kyrill im Januar 2007 über Brilon hinwegfegte, brach es mächtige Bäume wie Streichhölzer

Kommunaler Wald:Wirtschaftsfaktor und NaherholungBrilon ist „Energie-Kommune“ des Monats Dezember

Die Stadt Brilon im Sauerland ist für ihr Engagement als „Ener-gie-Kommune“ des Monats Dezember 2011 ausgezeichnet wor-den. Mit diesem titel würdigt die Agentur für Erneuerbare Ener-gien vorbildliche kommunale Energieprojekte.

ab und entwurzelte ganze Höhen-züge. In wenigen Stunden wurden 1.000 Hektar Wald verwüstet. Doch man schaffte es, aus der Not eine Tu-gend zu machen. So wurden Flächen für schnell wachsende Energiehölzer genutzt, aber auch ein Bürgerwald-projekt umgesetzt, welches die Ver-bundenheit der Briloner mit ihrem Wald dokumentiert. Die Bürger be-teiligen sich durch eine Baumpaten-schaft oder durch eine Pflanzung an der Aufforstung. Der Bürgerwald ent-steht als Mischwald mit vielen unter-schiedlichen Arten.

„Das Beispiel Brilon zeigt, welches Wertschöpfungspotenzial in der Nut-zung erneuerbarer Wärme liegt, ge-

rade wenn der Brennstoff vor Ort geerntet wird“, meint Philipp Voh-rer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. „Zum Ende des Internationalen Jahres der Wäl-der wird hier auch noch einmal der Wert des Waldes deutlich, als Ort der Erholung und als Wirtschaftsfak-tor“, so Vohrer. Für Brilons Bürger-meister Franz Schrewe (SPD) ist die Auszeichnung weiterer Ansporn zu einer nachhaltigen Energiepoli-tik vor Ort: „Der Begriff der Nach-

haltigkeit kommt ja ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Brilon fühlt sich als größter kommunaler Wald-besitzer Deutschlands diesem Prinzip ver-pflichtet und will es auch in der kommu-nalen Energiepolitik zur Geltung bringen.“

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Page 5: Die Kommunale 1/2012

5Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Elektromobilität und die Rolle der Kommunen

Energie / Klima

Klimaschutz gelingt nur gemeinsam

Seit 1995 ist die Stadt Rheine bereits Mitglied im europäischen Klima-bündnis und nimmt ihre Vorbild-funktion durch vielfältige Aktivitäten, Baumaßnahmen, bewusstseinsbil-dende Kampagnen und den Einsatz regenerativer Energien wahr.

Im November 2007 beschloss der Rat der Stadt Rheine einstim-mig das Klimaschutz-Konzeptpa-pier „Die Schöpfung bewahren“. Gleichzeitig wurde das Thema Kli-maschutz mit höchster Priorität in das partizipativ entwickelte Leitbild der Stadt aufgenommen.

Die Ausarbeitung eines Integrier-ten Klimaschutz- und Klimaanpas-sungskonzepts (IKKK) im Jahr 2008 fand unter Einbeziehung von Ver-tretern der Stadt, den Stadtwerken Rheine, der Wirtschaftsförderung, dem Transferzentrum TAT, sowie den Technischen Betrieben und der Leit-stelle Klimaschutz statt.

Durch gemeinsame Aktionen und die Einbindung von vielen weiteren

Kommunales Klimaschutzmanagement in der Stadt Rheine setzt auf starke Vernetzung.

Kooperationspartnern, Kirchenge-meinden, Vereinen und Institutionen verfolgt das kleine aber schlagkräf-tige Netzwerk seither äußerst enga-giert die ambitionierten Ziele der Stadt Rheine.

Die Vision für Rheine ist eindeutig: Bis zum Jahr 2050 soll die Stadt klimaneutrale Kommune sein, im Stadtgebiet verbrauchte Energie soll bis dahin zu 100 % aus regenera-tiven Quellen stammen, die Ver-kehrsmittel sollen weitgehend emis-sionsfrei sein.

Im Konsens mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung wurden Leitprojekte für die Umsetzung des IKKK festgelegt. Neben der Moder-nisierung im Gebäudebestand wur-den der Aufbau eines Clusters Wind, Mobilitätsmanagement, der Ausbau des TAT sowie Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit als Maß-nahmenschwerpunkte festgelegt.

„Die Maßnahmen werden von der Leitstelle Klimaschutz durch ein Pro-jektmanagementsystem erfasst, ko-

Auch Nordrhein-Westfalen unter-stützt die Elektromobilität nachhal-tig und hat sich eigene, sehr am-bitionierte Ziele gesteckt. So sollen bis zum Jahr 2020 im Land un-ter anderem mindestens 250.000 Fahrzeuge mit elektrischem An-triebsstrang fahren. Nordrhein-Westfalen hat deshalb schon 2009 einen eigenen Masterplan Elekt-romobilität vorgelegt, der zurzeit umgesetzt wird. So werden u.a. bis 2015/2016 Forschungs- und Ent-wicklungsprojekte mit bis zu 100 Mio. Euro aus Mitteln der Europä-ischen Union und des Landes ge-fördert. Darüber hinaus bündeln die neu geschaffenen Kompetenz-zentren

� für Infrastruktur und Netze an der TU in Dortmund,

Schaufenster ElektromobilitätElektrofahrzeuge im kommunalen Einsatz – eine klassische Win-win-Situation

� für Batterie an der Universität Münster und

� für Fahrzeugtechnik an der RWTH Aachen

Forschungs- und Entwicklungstä-tigkeiten aus ganz NRW.

Aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland kommen zwei Bewer-bungen für ein „Schaufenster Elek-tromobilität“. Zum einen bewirbt sich die Regi-on Aachen mit einem integrierten Mobilitätskonzept zur Erschließung des erweiterten Hochschulgelän-des, der sog. „Campus-Bahn“.Zum anderen ist es die Modellre-gion Rhein-Ruhr: Sie reiht entlang der Linie des Regionalexpresses 1 (RE1) etwa 40 unterschiedliche, aufeinander abgestimmte Projekte

Die Bundesregierung hat ein klares Ziel formu-liert: „Im Jahr 2020 sollen 1 Million Elektrofahr-zeuge auf Deutschlands Straßen fahren!“ Eine be-deutende Maßnahme zur Umsetzung dieses Zieles sind die „Schaufenster Elektromobilität“. Die Aus-schreibung des Bundes zielt darauf, Elektromobili-tät erlebbar, besser gesagt buchstäblich erfahrbar zu machen und durch die sichtbare und erfolgrei-che Demonstration Impulse für die internationale Nachfrage zu generieren.

wie Perlen auf einer Kette zur „Rou-te der Elektromobilität“ auf. Hierzu zählen auch Elektromobilitätspro-jekte im Rahmen des Klimapro-jekts InnovationCity Ruhr.

Der Einsatz von Elektrofahrzeugen ist für die Verwendung im kommu-nalen Verwaltungsalltag hervorra-gend geeignet, weil ein Großteil der Fahrten in einem eher gerin-gen Radius stattfindet. In der derzeitigen Phase der Markt-einführung profitieren die Nutzer der Elektromobilität von Förderun-gen und Steuererleichterungen, die bis hin zur kompletten Befrei-ung von der Steuerlast gehen kön-nen. Zudem sind die Betriebskos-ten denen von Dieselfahrzeugen deutlich überlegen. Neben der

Kostenersparnis sollte aber auch der Aspekt der Signalwirkung nicht unterschätzt werden. Verwaltun-gen, die städtische Rahmenbedin-gungen für Elektromobilität positiv gestalten und selbst Elektro-Fahr-zeuge nutzen, können sich als Pi-oniere der „Mobilität von morgen“ positionieren. Besteht dazu die Möglichkeit, Strom aus Erneuerba-ren Energien einzusetzen, rundet das das Bild einer umweltfreund-lichen Verwaltung ab.Vor diesem Hintergrund gibt es in mehrfacher Hinsicht gute Gründe für Kommunen, sich jetzt intensiv mit dem Zukunftsthema Elektro-mobilität zu befassen.

Dr. Andreas Ziolek, Leiter der re-gionalen Projektstelle „Modellre-gion Elektromobilität Rhein-Ruhr“ bei der EnergieAgentur.NRW, führ-te in die Thematik vor dem Hinter-grund der zukünftigen Energiever-sorgung und der Einhaltung der Klimaschutzziele ein und gab ei-nen Überblick zum Stand der För-derung der Elektromobilität durch den Bund und das Land Nord-rhein-Westfalen.

Die vielfältigen Handlungsfelder der Kommunen und kommunalen Unternehmen im Bereich der Elek–tromobilität zeigte Gabi Schock, Referentin für Kommunalpolitik der Stadtwerke Düsseldorf AG, auf. Abgerundet wurden die Vorträge durch die Vorstellung des Praxisleit-fadens zur Errichtung und zum Be-trieb der Ladeinfrastruktur für Elek-trofahrzeuge durch Silke Wilhelm von der NOW GmbH, die die Ak-tivitäten des Bundes im Bereich der Elektromobilität koordiniert.

Die Rolle der Kommunen und kommunalen Unternehmen auf dem gebiet der Elektro-mobilität diskutierten rund 50 teilnehmer/innen auf Einla-dung der SgK NRW und der SPD-Landtagsfraktion Anfang Dezember im Düsseldorfer Landtag.

In der von Jochen Ott MdL mo-derierten Diskussion wurde unter anderem deutlich, dass Elektro-mobilität in kommunale Mobilitäts-konzepte eingebunden werden muss und dem öffentlichen Per-sonennahverkehr dabei weiterhin eine wesentliche Rolle zukommen muss.

Die bei der Veranstaltung vor-getragenen Präsentationen und Materialen können auf den In-ternetseiten der SGK NRW ab-gerufen werden.

www.sgk-nrw.de

ordiniert und über das Onlineportal www.rheines-klima.de für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar ins Internet gestellt.“

Das integrierte Vorgehen aller be-teiligten Akteure erwies sich als äu-ßerst zielführend. Vor allem die Kooperation der kommunalen Tochtergesellschaften trug, im Ver-bund mit lokalen Akteuren sowie dem Agenda21-Büro des Kreises Steinfurt, dazu bei, dass eine Viel-zahl von Maßnahmen und die er-folgreiche Bildung von weiteren Netzwerken auf verschiedenen Ebe-nen umgesetzt werden konnten.

Das strukturell geprägte Gesamt-konzept führte aktuell zu einer posi-tiv bewerteten Projektbewerbung für das Förderprogramm „Masterplan 100% Klimaschutz“ des Bundesmi-nisteriums für Umwelt.

Die Maßnahmen und Schwerpun-ke des IKKK sollen ab dem Frühjahr 2012 nahtlos in den „Masterplan 100% Klimaschutz“ überführt und zu dauerhaften Kernelementen der Klimaschutzkonzeption für Rheine entwickelt werden.

© K. Brockmann / PIXELIO.de© Gerd Altmann / PIXELIO.de

von Harry K. Voigtsberger, Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr in NRW

Die Stadt Rheine beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der Klimathematik in all seinen Facetten. In dem Mittelzentrum mit 77.000 Einwohnern, einem stark ländlich geprägten Umfeld und der Ems als dem zentralen Landschaftselement verbinden sich vie-le Elemente für ein starkes kommunales Klimaschutzengagement.

Bürgermeisterin:Dr. Angelika Kordfelder

Page 6: Die Kommunale 1/2012

6 Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Mit Beginn des Jahres hat Helmut Dedy als neuer ständi-ger Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers seine Arbeit beim Deutschen und NRW-Städtetag aufgenommen. Zuvor war Dedy stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Helmut Dedy ist damit Nach-folger von Monika Kuban, die nach mehr als einem Jahr-zehnt in den Ruhestand getreten ist. Monika Kuban hat-te vor ihrer Tätigkeit in mehreren Kommunen als Kämmerin gearbeitet, zuletzt bei der Stadt Duisburg als Stadtdirektorin.

Ein weiterer Wechsel vollzog sich bei den Beigeordneten. Jens Lattmann hat bereits nach dem Wahlerfolg von Olaf Scholz eine neue Aufgabe als Staatsrat für Finanzen im Hambur-ger Senat übernommen. Sein Nachfolger im Dezernat für Umwelt und Wirtschaft ist der ehemalige Geschäftsführer der Bundes-SGK, Detlef Raphael.

Viel glück für die neuen Aufgaben wünscht die SgK NRW.

SGK-intern / Infos

Unter dem Titel „Wirtschaftsförde-rung im kreisangehörigen Raum – Potenziale nachhaltiger Entwick-lung“ trafen sich am 18. Novem-ber über 50 Kommunalpolitikerin-

Details zur Veranstaltung sowie die Präsentationen können im Intranet der SGK NRW unter www.sgk-nrw.de abgerufen werden.

Potenziale nachhaltiger Entwicklung SgK-Veranstaltung zur Wirtschaftsförderung im kreisangehörigen Raum

nen und Kommunalpolitiker, um gemeinsam Möglichkeiten und Chancen der Wirtschaftsförderung im kreisangehörigen Raum zu dis-kutieren.

Unter der Moderation des kommunalpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Bernd Scheelen MdB, gab es zum Einstieg einen Überblick über die Herausforderungen der Wirt-schaftsförderung aus Sicht der Wissenschaft von Frank Osterhage aus dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS). Er erläuter-te, dass der kreisangehörige Raum mit weiteren Bevölkerungsrückgängen planen müsse und stell-te Kriterien für Wohnstandortentscheidungen von Hochqualifizierten dar.Die wissenschaftliche Sicht wurde anschließend durch einen Vortrag von NRW-Wirtschaftsminis-ter Harry K. Voigtsberger ergänzt. Er unter-strich dabei die besonders starke Identifikation der Unternehmen mit ihren Standorten im ländli-chen Raum. Unerlässlich seien zudem der Ausbau des Breitbandinternets sowie der Ausbau der Ver-kehrsinfrastruktur.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, thomas Eiskirch MdL, leg-te besonders Wert auf die Rückkopplung mit der kommunalen Ebene. Er erläuterte vor allem die Initiativen der Landtagsfraktion zur Verbesserung des Vergaberechts sowie zur Stärkung des Hand-werks.

Mit Willy Kerbusch, 1. Beigeordneter der Stadt Willich, stellte ein kommunaler Praktiker sein Kon-zept der seviceorientierten Wirtschaftsförderung vor. Der Umgang mit den Veränderungen des demo-grafischen Wandels und Fragen der Finanzierung von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen stießen auf großes Interesse der Teilnehmer.

SgK-Intranet:Das exklusive Internetportal für Kommunalpolitiker/innen der SgK NRW

Immer mehr SGK-Mitglieder registrieren sich, haben damit Zugang zu exklusiven Informati-onen und erhalten regelmäßig die Kommunal-mail. Einfach www.SgK-NRW.de aufrufen und den Button “Registrieren“ drücken. Dann geht’s fast wie von selbst. Heute schon geklickt?

Mit Landesarbeitsminister gunt-ram Schneider, Innen- und Kom-munalminister Ralf Jäger, Schul-ministerin Sylvia Löhrmann und zuletzt NRW-Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans konn-te SGK-Landesvorsitzender Frank Baranowski mehrere hochrangige Regierungsmitglieder zur Diskussi-on kommunalpolitischer Themen im Landesvorstand begrüßen. Zu-dem konnten sich beim Treffen der sozialdemokratischen Beigeordne-ten die „Praktiker vor Ort“ mit dem Vorsitzenden der SPD-Landtags-fraktion, Norbert Römer, über ak-tuelle landespolitische Entwicklun-gen austauschen.

Arbeitsminister Guntram Schneider berichtete in gleicher Sitzung über das ressortübergreifende The-ma „Inklusion“. Die „Inklusion im Schulbereich“ war dann auch Dis-kussionsschwerpunkt im SGK-Lan-desvorstand im Dezember, bei

„SgK ein wichtiger gesprächspartner“

Die Erhöhung der Schwellenwerte stammt ursprünglich aus der Zeit der Wirtschaftskrise: Für die Be-schleunigung der investiven Maß-nahmen im Rahmen des „Kon-junkturpakets II“ hatte das Land Nordrhein-Westfalen zeitlich be-fristet ergänzende Regelungen im öffentlichen Auftragswesen unter-halb der geltenden EU-Schwellen-werte festgelegt.

Die geltenden Regeln waren für die Kommunen des Landes Nord-rhein-Westfalen bislang bis zum 31.12. 2011 befristet.

Die SPD-Landtagsfraktion hatte in dem gemeinsam mit Bündnis 90 / Die Grünen gestellten Antrag im Landtag gefordert, die positiven Er-fahrungen mit den erhöhten Wert-grenzen in den vergangenen Jah-ren der Wirtschaftskrise bei der Neufestlegung der Wertgrenzen ab 2012 zu berücksichtigen „Eine ein-fache Rückkehr zu den alten abge-senkten Wertgrenzen, die noch nie angewendet wurden, darf es nicht geben“, hieß es in dem Antrag.

Erhöhte Wertgrenzen bleiben

dem Schulministerin Sylvia Löhrmann zu Gast war. Dort stand anschließend mit dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ ein Kernthe-ma von Kommunalminis-ter Ralf Jäger zur Debatte. Er berichtete, dass die Gelder für die erste Stufe des Stärkungspaktes noch vor Weihnachten zur Auszah-lung gelangen würden (S. 3).

Den Auftakt im Jahr 2012 mach-te dann NRW-Finanzminister Dr. Walter-Borjans, der den SGK-Vor-stand über Zahlen, Daten und Fak-ten zum Landeshaushalt informier-te. (s. Interview S. 1)

Erfreulich für die SGK ist die seitens der Landesregierung immer wie-der betonte Gesprächsbereitschaft mit den Kommunalen. Sie kommt auch in den regelmäßigen Treffen der Hauptverwaltungsbeamten mit der Ministerpräsidentin im vergan-

genen Jahr zum Ausdruck: „Die Diskussionen mit den Kommunal-politikerinnen und Kommunalpo-litikern ist mir besonders wichtig. Wir müssen wissen, wo der Schuh drückt und wie unsere Entschei-dungen vor Ort ankommen. Die SGK ist deshalb ein wichtiger Ge-sprächspartner.“

Einem gemeinsamen Antrag der Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis

90 / Die grünen folgend hat das Ministerium für Inneres und Kommunales

des Landes Nordrhein-Westfalen am 13. Dezember 2011 per Runderlass

die gültigen Schwellenwerte im Vergabewesen („Wertgrenzenerlass“) um

ein Jahr bis zum 31. Dezember 2012 verlängert. Das ist eine gute Nachricht

für die Kommunen und die vorwiegend mittelständischen Unternehmen in

Nordrhein-Westfalen.

Von thomas Eiskirch MdL, Wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion

Die SGK hatte parallel zur An-tragsberatung eine Befragung von Kommunen zu ihren Erfahrun-gen mit interessanten Ergebnissen durchgeführt.

Die Mehrzahl der Kommunen be-richtet von positiven Erfahrungen mit den erhöhten Wertgrenzen, weil sie zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Verga-beverfahren geführt hätten. Vie-le kleinere Städte unterstützen die erhöhten Wertgrenzen, obwohl sie selbst die Möglichkeiten der Höhe der Wertgrenzen nur teilweise nut-zen.

Die SPD-Landtagsfraktion rechnet damit, dass es in der ersten Hälfte des Jahres 2012 zu einer bundes-weit einvernehmlichen Regelung für die Neufestlegung der Wertgrenzen in den Verordnungen des Bundes bei VOB und VOL selbst kommt. Diese bezögen sich sowohl auf die freihändige Vergabe, beschränkte Ausschreibungen als auch öffentli-che Ausschreibungen mit und ohne Teilnahmewettbewerb.

Die Wertgrenzen für Kommunen und das Land NRW sollen dann im Landtag im zweiten Halb-jahr 2012 unverzüglich an die bundesweiten Regelungen ange-passt werden. Dabei soll auch ge-prüft werden, inwieweit die avi-sierten bundesweiten Regelungen für NRW, u.a. unter Transparenz- und Korruptionsprüfungsaspekten, sinnvoll integrierbar sind.

Wechsel beim Städtetag

© Sabine Flaisch / PIXELIO.de

Page 7: Die Kommunale 1/2012

7Jahrgang 9, Ausgabe 1, 2012

Reform deutsch-russischer StädtepartnerschaftenPotenziale der Zivilgesellschaft nutzen

Tipps

IMPRESSUMDie Kommunale Zeitung

Herausgeber:Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in NRW e. V. (SGK NRW)Elisabethstraße 16, 40217 DüsseldorfTel.: 0211-876747-0, Fax: 0211-876747-27, Mail: [email protected], Internet: www.diekommunale.de

Verantwortlich (auch für Anzeigen):Bernhard Daldrup, Landesgeschäftsführer der SGK NRW

Satz und gestaltung:SGK NRW, Postfach 20 07 04, 40104 Düsseldorf

Druck:Braunschweig-Druck, Ernst-Böhme-Str. 20, 38112 Braunschweig

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der SGK NRW wieder. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.

Buchtipps

KULtUR tUt NOt!KONZEPtE StAtt KAHL-SCHLAg

SGK-Argumente Nr. 22Düsseldorf, Dezember 2011, ISBN: 3-937541-12-9, 68 Seiten, 5,00 Euro (für SGK-Mitglieder 3,00 Euro)

Gerade Kulturpolitik steht für De-mokratie und Zusammenhalt, für Kritik, Reflektion und Orientie-rung, für Verständigung, Toleranz und für den Fortschritt. Wie aber sollen Kulturangebote in Städten, Gemeinden und Kreisen weiterhin angeboten und aufrecht erhalten werden, wenn an allen Ecken und Enden das Geld fehlt?

Die SGK NRW hat unter dem Ti-tel „Kultur tut not! – Konzepte statt Kahlschlag“ eine kleine Broschüre herausgebracht, in der in verschie-denen Beiträgen von kommunalen Praktikern beschrieben wird, wie sie sich den Erhalt von Kulturan-geboten vorstellen. Dabei sind ein Bürgermeister und eine Bürger-meisterin, Vertreter einer Bürger-stiftung und eines kommunalen Kulturzentrums. Es kommen Kreis-vertreter und die Landschaftsver-bände zu Wort und es wird über Kultur für Jugend und Alter berich-tet. Die nordrhein-westfälische Kul-turministerin, Ute Schäfer, be-schreibt eine neue produktive Zusammenarbeit von Kom-munen und Land und And-reas Bialas, Kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfrak-tion, erläutert in seinem Beitrag das geplante Kul-turfördergesetz, das auch „armen“ Gemeinden er-möglichen soll, Kulturange-bote aufrecht zu erhalten und das in Deutschland das erste seiner Art sein wird.

Bestellung bei der SGK NRW: www.sgk-nrw.de oder Telefax: 0211-87674727

DIE ZUKUNFt DERBüRgERBEtEILIgUNgHERAUSFORDERUNgEN-tRENDS-PROJEKtE

Herausgegeben von der Stiftung Mitarbeit, Verlag Stiftung MITARBEIT, Bonn 2011, ISBN 978-3-941143-10-4, 292 Seiten, 12,00 Euro

Energie und Verkehr, Bildung und Klimaschutz, Demokratie und Rechtsstaat: Immer mehr Bürgerin-nen und Bürger fordern das Recht auf politische Mitgestaltung und Mitsprache bei Themen, die sie lo-kal oder global für wichtig und zu-kunftsweisend halten. Der Wunsch nach einer partizipativen Reform unseres Gemeinwesens verbindet sich mit der Einsicht, dass es einer bürgerschaftlich gestärkten Demo-kratie in Deutschland bedarf. Die Publikation richtet den Blick auf die „Zukunft der Bürgerbeteiligung“. Wie können die mannigfaltigen Krisensymptome des demokrati-schen Systems in der Bundesre-publik überwunden werden? Wie kann es gelingen, demokratische Gestaltungsspielräume in allen Le-bensbereichen zu eröffnen und die

Beschränkung de-mokratischer Be-teiligung auf nach-rangige Politikfelder

aufzubrechen? Ent-lang dieser Leitfra-gen zeigen Autor/innen aus Bürgerge-sellschaft, Politik, Ver-waltung, Wirtschaft und Wissenschaft praxisnah und hand-

lungsorientiert Wege auf, wie die Erfolgsge-schichte der bundes-deutschen Demokra-tie fortgeschrieben werden kann.

SGK-Argumente

Kultur tut not!

Nr. 22

Konzepte statt Kahlschlag

WAHLFEHLER UNDWAHLPRüFUNg BEI DEN KOMMUNALWAHLEN IN NORDRHEIN-WEStFALEN

Prof. Dr. Frank Bätge, 2011, ISBN 978-3-942731-05-8, 208 Seiten, 19,80 Euro

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Diesem Grundsatz folgend hat die Fachhochschule für öffentliche Ver-waltung NRW ein Forschungspro-jekt durchgeführt, das die Kommu-nalwahlen 2009 auswertete und bereits jetzt die empirische Auswer-tung vorlegt.

Prof. Frank Bätge, selbst ehemali-ger Justiziar einer Kommunalver-waltung und heute Hochschullehrer an der Fachhochschule für öffent-liche Verwaltung NRW befrag-te 427 Kommunen (Rücklaufquo-te ca. 60%) zur Organisation und Durchführung der Kommunalwahl 2009. Darüber hinaus flossen die Fragen aus dem Carl-Link-online-Forum, das Bätge vor der Wahl moderierte, ebenso in die Auswer-tung ein, wie auch die ersten Er-gebnisse der Rechtsprechung zur Wahlprüfung. Leider lag eine der sicherlich schillerndsten Entschei-dungen, nämlich das Urteil des OVG NRW vom 15.12.2011 (Az. 15 A 876/11) und der nun nach-folgend in den Medien diskutierte Gang zum Bundesverwaltungsge-richt zum Zeitpunkt der Veröffent-lichung noch nicht vor. Das tut der Veröffentlichung aber keinen Ab-bruch, sie kann auch so auf eine Vielzahl praktischer Fragen und Schwierigkeiten eingehen.

Der Forschungsbericht erschöpft sich nicht darin, nur Fehler aufzu-zeigen, sondern er gibt auch ei-nen Überblick über best practice einzelner Kommunen (so z.B. der Stadt Köln), über Entscheidungen des Landeswahlausschusses und Entscheidungen der Verwaltungs-gerichte. Dies macht den Bericht zu einem lohnenswerten Nach-schlagewerk, das Eingang in jedes Wahlamt finden sollte. Der Bericht dürfte die Organisation zukünftiger Wahlen deutlich erleichtern, Rück-fragen besser rechtlich absichern und kann Wählergemeinschaften und Parteien, wie auch Einzelkan-didaten mit dem sensiblen Thema vertraut machen.

Rezensiert durch:Robert Hotstegs, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Lehrbeauftragter für Verwaltungs-recht der FOM Hochschule für Oekonomie & Management

Helmut Kupski, ehemals lang-jähriges Vorstandsmitglied der SGK NRW und Mitglied des Land-tags, engagiert sich seit Jahrzehn-ten zugunsten deutsch-russischer Städtepartnerschaften. Der mit einer Ehrenprofessur der Staatsuniversität Ulja-nowsk/Wolga ausgezeich-nete ehemalige Politiker fordert, dass Städte und Gemeinden stärker das Po-tential der Zivilgesellschaf-ten nutzen und in die städ-tepartnerschaftliche Arbeit einbinden sollen.

159 Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik vereinbarten Part-nerschaften mit russischen Städten und Gemeinden. „Gewiss war der Grund dafür, die Bewältigung der Vergangenheit und Völkerverstän-digung zu fördern“, erinnert er an die Motive für viele Städtepartner-schaften. Um sie aber künftig mit Leben zu erfüllen, sei eine Abkehr von der überholten, aber immer noch üblichen Pflege von Städ-tepartnerschaften bei gelegentli-chem, gemeinsamen Essen und Trinken nötig.

Kupski verweist auf seine eigenen Erfahrungen in Krefeld: Dort hät-ten die Bürgerinnen und Bürger er-kannt, dass die 1988 beschlossene Städtepartnerschaft zwischen Kre-feld und Uljanowsk/Wolga (Ge-burtsstadt Lenins ) im Rahmen des Üblichen keine Zukunft habe. Sie gründeten 1990 die Deutsch-Rus-sische Gesellschaft mit dem Ziel, konkrete Projekte mit Partnern in Russland zu verwirklichen. „Hil-fe zur Selbsthilfe“, war der Leitge-danke.Kupskis Bilanz der letzten 20 Jahre beeindruckt: Mit der Unterstützung aus Krefeld gelang unter anderem die Gründung eines Russisch-Deut-schen Instituts an der Staatsuniver-

sität Uljanowsk, Kooperationen zwischen der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule Nie-derrhein mit der Staatsuniversität Uljanowsk und die Schaffung ei-

ner Bildungseinrichtung zur Qualifizierung von Handwerkern, die jetzt von der Bosch-Stiftung betrieben wird.„Der westeuropäische Beitrag, auch der Bei-trag der Deutsch-Rus-sischen Gesellschaft Krefeld, ist keine Ein-

bahnstraße“, so Helmut Kupski. In dem noch vor 10 Jahren wirt-schaftlich schwächsten Gebiet Ul-janowsk innerhalb der Russischen Föderation errichten nun führende deutsche Unternehmen, z.B. Fre-senius, Henkel-Bautechnik, Hart-mann und Gildemeister ihre Nie-derlassungen. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft in Moskau sagt: „Die Investitionstätigkeit im Gebiet Uljanowsk ist nun ein Selbstläufer.“

Um den deutsch-russischen Part-nerschaften neue Impulse zu ge-ben, regt er an, das Potenzial der ehrenamtlich in Russland arbei-tenden Organisationen zu nutzen und in gemeinsamen Konferenzen Projekte mit Vertretern von Städ-tepartnerschaften und der Zivilge-sellschaft zu entwickeln.

„Erleichterungen im Reiseverkehr, die Förderung der wissenschaftli-chen Zusammenarbeit oder wirt-schaftliche Kooperationen: Es gibt viele Themen, in denen Städte-partnerschaften neue Aufgaben finden, die ihnen eine Zukunfts-berechtigung geben und das Inte-resse der Bevölkerung finden“, so Helmut Kupski.Die Geschäftsstelle kann auf Nachfrage den Kontakt zu Helmut Kupski herstellen.

WINDKRAFt VOR ORtANtWORtEN AUF HÄUFIg gEStELLtE FRAgEN

SGK NRW, 26 Seiten, geheftet, Auflage Januar 2012, Schutzgebühr: 2,50 Euro

Die Landesregierung Nordrhein Westfalen hat sich das Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 deutlich zu reduzieren. Dabei soll der Anteil der Windenergie in Nordrhein-Westfalen von derzeit 3 Prozent an der Stromerzeugung auf mindestens 15 Prozent im Jahre 2020 ausgebaut werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Landesregierung in einem ers-ten Schritt den Erlass für die Planung und Genehmigung von Wind-energieanlagen („Windenergieerlass“) des Jahres 2005 grundle-gend überarbeitet und im Sommer 2011 in Kraft gesetzt. Der neue Windenergieerlass stellt nunmehr die Rahmenbedingungen, die ei-nen Ausbau der Windenergienutzung vor Ort ermöglichen, umfas-send dar.

Die Broschüre gibt den Mandatsträgerinnen und Mandats-trägern vor Ort und in den Regionen zu den wichtigsten und häufig gestellten Fragen Antworten und Hilfestellungen zum Windenergieerlass.

© Sabine Flaisch / PIXELIO.de

Page 8: Die Kommunale 1/2012

KOMMUNALE DIE

ZEItUNg

Bürgergesellschaft

Aus unserem SudelbuchSelbst die Weltraumforschung könnte der Debatte um die Dicht-heitsprüfung in NRW neue Impul-se geben, haben doch Forscher in den USA gerade ein Verfahren entwickelt, das in Minutenschnelle Le-ckagen an der Außenhülle des Space-shuttles durch Sensoren feststellt. Doch werden diese Innovationen wegen der Durchlöcherung des Prüfverfahrens kei-ne Wirkung in NRW entfalten, was das Land im Standortranking des Prognos-Instituts zurückwerfen wird.Kanalarbeiter waren schon öfter ein Problem der Politik. Eine maßgebliche Gruppe in der SPD wurde so benannt – und als die Kanäle brüchig wur-den, entstanden daraus „Seeheimer“. Selbst die DDR hatte mit Karl-Eduard von Schnitzler ihren „schwarzen Kanal“ und der Gassenhauer „Wir ham den Kanal noch lange nicht voll“, war we-gen der damit herabwürdigen Wirkung auf die Grundlagen des deutschen Vol-kes durch grölende Soldaten Gegen-stand der Freiwilligen Selbstkontrol-le der Filmwirtschaft. Bis heute kennt die Wirtschaft schwarze Kanäle, die an-geblich dem unentdeckten Geldabfluss dienen.

Als ein solches Konjunkturprogramm für eine Branche sehen auch die „Dichtheits-gegner“ die Prüfung an. Kein Vergleich

Bürgerinnen und Bürger in NRW haben es nunmehr einfacher, un-mittelbar an der politischen Wil-lensbildung mitzuwirken: Der nord-rhein-westfälische Landtag hat im letzten Jahr beschlossen, die Hürden für kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu senken. Die Änderungen in der Gemeinde- und Kreisordnung sind bereits im Dezember in Kraft getreten. „Eine lebendige Demokratie lebt von ak-tiven Mitwirkungsmöglichkeiten. Sie

bieten die Chance, aus Betroffenen Be-teiligte zu machen“, betonte Kommu-nalminister Ralf Jäger in Düssel-dorf.

Die Anforderungen an das erfor-derliche Quorum für einen Bürger–entscheid wurden gesenkt: Bislang war die Zustimmung von 20 Prozent

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in NRW sind einfacher

der Stimmberechtigten erforderlich. Künftig ist das Quorum nach Grö-ße der Städte gestaffelt. In Städten mit über 50.000 bis zu 100.000 Einwohnern müssen mindestens 15 Prozent der Stimmberechtig-ten zustimmen. Für Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern sinkt das Quorum auf zehn Prozent der Stimmberechtigten. „Bürgerinnen und Bürger, die ein Bürgerbegeh-ren initiieren, haben künftig eine re-alistische Chance, ihr Anliegen auch durchzusetzen“, erklärte Jäger.

Der Katalog der Themen, über die ein Bürgerbegehren bisher unzu-lässig war, wurde bereinigt und gestrafft. So dürfen die Bürgerin-nen und Bürger über die Frage, ob ein Bauleitplanverfahren durchge-führt wird, in Zukunft entscheiden. Sie können eine erwünschte Pla-nung anstoßen, haben aber auch die Möglichkeit, eine nicht konsens-fähige Planung zu verhindern. „Es ist ein Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger, in wesentlichen Fragen städtischer Entwicklung mitzuentscheiden. Jetzt stärken wir ihren Einfluss zu Beginn eines Pla-nungsprozesses“, führte der Minister aus.

Eine weitere Erleichterung liegt da–rin, dass der bisher erforderliche Vorschlag zur Deckung der Kosten eines Bürgerbegehrens entfällt. An seine Stelle tritt eine Kostenschätzung der Verwaltung. Sie wird die nötigen Informationen über den Aufwand des geplanten Vorhabens liefern. „Ich bin davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger ein gutes Gespür für die finanzielle Machbar-keit von kommunalen Projekten ha-ben“, unterstrich der Minister.Für die SPD-Landtagsfraktion be-grüßte deren kommunalpolitischer Sprecher, Michael Hübner, die er-folgte Umsetzung der Vereinbarun-gen des Koalitionsvertrages. „Wir setzen darauf, dass sich immer mehr

Bürgerinnen und Bür-ger für die Entwick-lung in ihrer Kommu-ne interessieren und die direktdemokrati-schen Beteiligungs-instrumente zur nor-malen Praxis in den

Kommunen werden.“, so Hübner.

Die Gesetzesänderungen können mit weiteren Ma-terialien, u.a. einem aktualisierten Leitfaden des Vereins „Mehr Demokratie“ und einem Vorschlag für die kommunale Durchführungssatzung auf den Internet-Seiten der SgK NRW abgerufen werden.

Die Abläufe sind fast immer identisch. Eine lokale Grup-pe Neonazis ruft zu einer De-monstration auf. Bürgerliche Gruppen organisieren ein Fest der Toleranz. Meistens mit dem Wort „bunt“ im Titel. Und schwarz angezogene Jugendliche versuchen sportlicher gegen den Naziaufmarsch zu protestieren. An-schließend wird über diese „Links-extremen“ geschimpft, das bun-te Fest gelobt und über die in der Gesellschaft tief verwurzelten Ras-sismen und Vorurteile geschwiegen.

Immer weniger Menschen geben sich mit diesem Ablauf zufrieden, so auch gleich mehrere Jugendorga-nisationen im westfälischen Hamm: Nach einem Naziaufmarsch im Ok-tober 2010 - mit einem erschreckend ähnlichen Ablauf - taten sich Jusos, Grüne Jugend, Linksjugend, die lo-kale Antifa, Bezirksschülervertretung und die türkische Jugendorganisa-tion ADGH zum antifaschistischen Jugendbündnis „haekelclub 590“ zusammen. Dem Bündnis mit dem ungewöhnlichen Namen (der auf ein

Ein haekelclub gegen RechtsSieben Jugendorganisationen in Hamm koordinieren gemeinsam ihre antifaschistische Arbeit

gemeinsam genutztes Inter-netforum und den ersten drei Ziffern der Hammer Postleit-zahl zurückgeht) schloss sich bald auch die DGB Jugend an. Gemeinsam koordinieren sie ihre antifaschistische Arbeit

und wollen über Rassismus und Fa-schismus informieren.

„Gerade in Hamm muss man dazu aber dicke Bretter bohren“, so Justus Moor, langjähriger Juso-Vorsitzender und Mitgründer des Bündnisses. Ob-wohl seit Jahren Jugendliche bedroht und teilweise schwer verletzt wurden, rechte Aufkleber und Graffitis Teile des Stadtbildes prägen, Scheiben der Parteibüros mit Steinen eingewor-fen wurden und Hammer Neonazis mehrjährige Haftstrafen verbüßten, behauptete die schwarz-gelbe Stadt-regierung und große Teile der Lokal-presse bis zum vergangenen Jahr, es gebe in Hamm keine Nazis. Mit dieser Fehleinschätzung aufgeräumt zu haben, ist auch ein Verdienst des noch jungen Bündnisses.

Als am 1. Oktober 2011 erneut Neonazis in Hamm aufmarschieren

wollten, organisierte der haekelclub 590 eine Gegendemonstration und erreichte eine landesweit einzig-artige Mischung der aufrufenden Gruppen: Neben Gewerkschaften und Parteien rief auch der bürger-liche „Hammer Appell“, in dem Kir-chen, Arbeitergeberverbände, Stadt und auch Polizei vertreten sind, zur Demo des eindeutig linksorientier-ten Jugendbündnisses auf. Neben dem schwarzen Block prägten so auch Familien und Menschen al-ler Altersstufen die erfolgreiche ge-meinsame Demonstration.

Für dieses besondere Engage-ment zeichnete die Monatszeit-schrift DEMO den haekelclub 590 mit dem Kommunalfuchs aus, den der SGK-Landesvorsitzende Frank Baranowski am 3. November 2011 dem Bündnis überreichte.

Symposien

I. Ich lerne, also bin ich! Bildung als Teil habemotor im 21. Jahrhundert

II. Schöne AussichtenSoziale Berufe haben Zukunft

III. Sozialreform als Bilungsre form? Das Verhältnis von Bildung und Sozialem neu denken

34 Workshops und Fachvorträge

Ohne Bildung keine Teilhabe Von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter

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Schirmherrschaft

Dr. Kristina SchröderBundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

8.–10. Mai 2012

DeutscherFürsorgetag

Online-Anmeldung unter: www.deutscher-fuersorgetag.de

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zeige

schreckt die „Wutbürger“ aus NRW. „Fracking“ beispielsweise, als Methode zur Erkundung von unterirdischen Gasvorkommen, ist

wegen der Grundwassergefährdung des Teufels, dieselbe durch undichte Ka-näle hingegen so belanglos, dass sie nur ein Hirngespinst grün angehauchter Bü-rokraten sein kann.

Vor defekten Kanälen geht’s erst mal um des Bauern Gülle & Dünger, dann fol-gen Gewerbe und Industrie, denn wir, wir sind es nie - möchte man reimen.

Aus einem Internetforum der Anti-Dicht-heitsprüfungs-Liga kommt der Hinweis auf die Grundwassergefährdung durch kommunale und kirchliche Friedhofs-betreiber, die das Grundwasser schä-digen. Ja, man möchte das Sterben verbieten, schließlich bietet das Krema-torium aus Gründen des Klimaschutzes auch keinen Ausweg.

Problemlos könnte die „Dichtheitsprü-fung“ zum Unwort des Jahres gekürt werden, gäbe es so etwas in NRW, denn zweifellos geht es einem auf den We-cker. Nicht nur der grenzenlose Oppor-tunismus der FDP – der aber mal wie-der besonders. Die Aufgeregtheit zeigt erneut, dass es in der Politik immer noch Diskussionen gibt, in denen es nicht um Leben oder Tod geht. Nein – es geht um viel mehr!