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20 Reportage St.Galler Bauer 36–2017 Serie Tage des Schweizer Holzes – zu Besuch beim grössten Ostschweizer Rohholzverarbeiter Weltbekannt mit freigeformten Holzteilen Die Lehmann Gruppe in Gossau produziert Bauteile für berühmte Architekten. Doch ein Hauptteil des Kernge- schäfts sind Geflügelställe. Chefin Katharina Lehmann ist auf jeden Produktionszweig ihres Unternehmens stolz. Text und Bild: Daniela Huijser, Wil Man muss das acht Hektaren grosse Firmengelände, auf dem 300 Men- schen arbeiten, fast suchen. Denn Gossau ist zwar die Adresse der Blumer-Lehmann AG, aber der Er- lenhof liegt ausserhalb der Stadt, neben Feldern und Wiesen. Bei der Einfahrt steigt der würzige Duft von Holz in die Nase, der über dem Ge- lände liegt, dann fällt der Blick auf die riesigen Stapel Rundholz, die zur Weiterverarbeitung bereitlie- gen. Weiter hinten folgen verschiedene Gebäude, in denen die drei Unter- nehmen der Lehmann Gruppe praktisch alles fertigen, was aus Holz gemacht werden kann: Schnittholz, Latten, Aussenverklei- dungen, Pellets und Rindenbriketts, aber auch ganze Module, Silos und sogenannte Free Forms (freigeform- te Holzteile). Für letztere ist die Blu- mer-Lehmann AG in der ganzen Welt bekannt. Renommierte Archi- tekten verwirklichen mit Bauteilen aus Gossau Gebäude, die feder- leicht und fast verspielt wirken. Der- zeit entstehen in Gossau die filigran wirkenden Teile für eine Moschee im britischen Cambridge. Weltweit führend Katharina Lehmann, Verwaltungs- ratspräsidentin und Eigentümerin der Lehmann Gruppe, hat grosse Freude an solch ausgeklügelten Pro- jekten. Auf ihrem Smartphone zeigt sie Entwürfe der Moschee, aber auch Fotos des neuen Firmensitzes der Swatch Group in Biel. Jener Bau ent- steht in geschwungener Form und passt sich harmonisch der Land- schaft an. Die Augen der Chefin leuchten, wenn sie vom Projekt er- zählt. «Ein technologischer Wahn- sinn», sagt sie. Ihr Unternehmen ist weltweit eines der wenigen, die solch einen «Wahnsinn» realisieren können. «Wir sind führend darin, komplexe Bauwerke und Geometri- en mit automatisierten Prozessen und Maschinen umzusetzen. Des- halb fragen uns Kunden an. Doch letztlich befinden wir uns immer in einem harten Wettbewerb», erklärt die 45-Jährige. Solche Free Forms Katharina Lehmann vor Rundholz – in ihrer Firma der Anfang eines nachhaltigen Holzkreislaufs. Noch in der Versuchsphase: strukturgehobelte Fassade auf dem Firmenareal.

Die Lehmann Gruppe in · dungen, Pellets und Rindenbriketts, aber auch ganze Module, Silos und sogenannte Free Forms (freigeform - te Holzteile). Für letztere ist die Blu - mer-Lehmann

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Weltbekannt mit freigeformten HolzteilenDie Lehmann Gruppe in Gossau produziert Bauteile für berühmte Architekten. Doch ein Hauptteil des Kernge-schäfts sind Geflügelställe. Chefin Katha rina Lehmann ist auf jeden Produktionszweig ihres Unternehmens stolz.

Text und Bild: Daniela Huijser, Wil

Man muss das acht Hektaren grosse Firmengelände, auf dem 300 Men-schen arbeiten, fast suchen. Denn Gossau ist zwar die Adresse der Blumer-Lehmann AG, aber der Er-lenhof liegt ausserhalb der Stadt, neben Feldern und Wiesen. Bei der Einfahrt steigt der würzige Duft von Holz in die Nase, der über dem Ge-lände liegt, dann fällt der Blick auf die riesigen Stapel Rundholz, die zur Weiterverarbeitung bereitlie-gen. Weiter hinten folgen verschiedene Gebäude, in denen die drei Unter-nehmen der Lehmann Gruppe praktisch alles fertigen, was aus Holz gemacht werden kann: Schnitt holz, Latten, Aussenverklei-

dungen, Pellets und Rindenbriketts, aber auch ganze Module, Silos und sogenannte Free Forms (freigeform-te Holzteile). Für letztere ist die Blu-mer-Lehmann AG in der ganzen Welt bekannt. Renommierte Archi-tekten verwirklichen mit Bauteilen aus Gossau Gebäude, die feder-leicht und fast verspielt wirken. Der-zeit entstehen in Gossau die filigran

wirkenden Teile für eine Moschee im britischen Cambridge.

Weltweit führendKatharina Lehmann, Verwaltungs-ratspräsidentin und Eigentümerin der Lehmann Gruppe, hat grosse Freude an solch ausgeklügelten Pro-jekten. Auf ihrem Smartphone zeigt sie Entwürfe der Moschee, aber auch Fotos des neuen Firmensitzes der Swatch Group in Biel. Jener Bau ent-steht in geschwungener Form und passt sich harmonisch der Land-schaft an. Die Augen der Chefin leuchten, wenn sie vom Projekt er-zählt. «Ein technologischer Wahn-sinn», sagt sie. Ihr Unternehmen ist weltweit eines der wenigen, die solch einen «Wahnsinn» realisieren können. «Wir sind führend darin, komplexe Bauwerke und Geometri-en mit automatisierten Prozessen und Maschinen umzusetzen. Des-halb fragen uns Kunden an. Doch letztlich befinden wir uns immer in einem harten Wettbewerb», erklärt die 45-Jährige. Solche Free Forms

Katharina Lehmann vor Rundholz – in ihrer Firma der Anfang eines nachhaltigen Holzkreislaufs.

Noch in der Versuchsphase: strukturgehobelte Fassade auf dem Firmenareal.

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emachen lediglich knapp 20 Prozent des Umsatzes aus; zwei bis drei Pro-jekte sind es pro Jahr. «Im Idealfall immer schön nacheinander», sagt die Chefin mit einem Schmunzeln. Der Grossteil der Kunden der Blu-mer-Lehmann AG sind Schweizer, die am Kerngeschäft interessiert sind, unter anderem an Geflügelställen. Weit über die Ostschweiz hinaus ste-hen und entstehen solche Holzställe. Bekannt ist das Gossauer Unterneh-men aber auch für Schulhäuser oder Firmengebäude, die im Modulbau entstehen. Beim Rundgang durch das Betriebsgelände zeigt Katharina Lehmann mehrere Schulzimmer-Ele-mente, die gerade den letzten An-strich erhalten, bevor sie in den Kan-ton Zürich transportiert und dort zu einem Schulhaus zusammengebaut werden.

Neues entwickelnAn einem weiteren Betriebsgebäu-de auf dem Areal fällt eine Fassade besonders auf: Sie wirkt reliefartig. Bei näherem Hinsehen sind schma-le, leicht geschwungene Furchen zu erkennen, die ins Holz gehobelt wurden. «Diese strukturgehobelten Produkte sind noch in der Versuchs-phase», sagt Katharina Lehmann. Innovation ist ihr nicht nur bei den

Free Forms wichtig. Holz begeistert die Ökonomin HSG in seiner ganzen Bandbreite. «Es strahlt eine solche Faszination aus. Und es macht wirt-schaftlich grossen Sinn, Schweizer Holz zu verwenden. Ich wünsche mir sehr, dass Waldbesitzer wieder vermehrt ihr Holz nutzen», sagt sie mit Nachdruck. «Die Holznutzung in der Schweiz ist auf einem histori-schen Tief. Dabei hängen an dieser Ressource so viele Arbeitsplätze und so viele Möglichkeiten.»Vor 21 Jahren war ihr Verhältnis zum Holz und dessen Verarbeitung nicht so innig. Zwar kannte sie im Wald

jede Baumart. «Mein Vater hatte mir alles auf Spaziergängen beige-bracht.» Doch Mitte 20 studierte sie an der Universität St.Gallen Wirt-schaft und hatte keinerlei Absichten, ins Familienunternehmen einzustei-gen. Aber dann erlitt ihr Vater einen Schlaganfall und Katharina Leh-mann übernahm die Leitung der Fir-ma. «Ich sage immer wieder, dass ich hier nicht pensioniert werde. Aber die Jahre gehen dahin – und der Job begeistert mich nach wie vor.» Besonders fasziniert ist Katha-rina Lehmann vom Holzbau. «Aber das Sägewerk finde ich ebenfalls spannend und ich könnte auch mit Leidenschaft Pellets verkaufen», sagt sie mit einem Funkeln in den Augen. Die Lehmann Holzwerk AG verarbeitet übrigens rund 110 000 Kubikmeter Rundholz pro Jahr und ist damit der grösste Ostschweizer Rohholzverarbeiter.

Holzberufe mit ZukunftAnfangs habe sie die Firmenleitung aus Verantwortungsbewusstsein übernommen, sagt die Chefin. Doch längst geht es ihr darum, den Werk-stoff Holz weiterzubringen, Neues zu entwickeln. Für Innovationen und Entwicklungen braucht es auch gute Mitarbeitende und ein optimal

Fertige Zimmermodule für ein Schulhaus im Kanton Zürich.

Der Lernende Martin Lemmenmeier arbeitet an einem Holzsilo.

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zusammengesetztes Team; die Leh-mann Gruppe bildet deshalb zur Zeit 21 Lernende aus und bietet Praktikumsplätze für inländische und ausländische Holzfachleute an. «Die Tage des Schweizer Holzes nutzen wir auch, um Schülern und Eltern die verschiedenen Berufe in Zusammenhang mit Holz zu zeigen – und die weiteren Berufsperspekti-ven, die beispielsweise ein Zimmer-mann hat.» Denn Katharina Leh-mann findet zwar immer noch gu-tes Personal, doch bei Lernenden ist es schwieriger geworden.

Von Freiformen träumenAm 16. September (siehe Kasten) sollen auch Bauherren erfahren, was mit Holz alles realisiert werden kann. Auch die CNC-Produktion, ei-nige Modelle und Fotos der reali-sierten Free-Form-Projekte können an der Bischofszellerstrasse 112 be-sichtigt werden. Vorläufig steht auf dem Firmengelände im Erlenhof noch kein solches Gebäude. Doch die Chefin ist am Träumen – und in Gedanken auch längst am Planen. «Ich wünsche mir ein neues Dienst-leistungsgebäude mit neuen archi-tektonischen Ausdrucksformen in Holz. Denn häufig kommen interna-tionale Architekten für ein paar

Tage zu uns. Denen möchte ich eine Umgebung bieten, die inspiriert.» Dass Katharina Lehmann selbst in einem Holzhaus wohnt, versteht sich fast von selbst. Allerdings nicht in einem modernen, sondern in ei-nem Haus aus dem Jahr 1928, das ihren Eltern gehört. «Ich habe dort eine Wohnung gemietet und sie eher modern eingerichtet. Doch al-les harmoniert mit der warmen al-ten Bausubstanz.» Und wieder ist da dieses Leuchten in ihren Augen – wie eigentlich immer, wenn Katha-rina Lehmann von Holz spricht.

Zum Kerngeschäft der Blumer-Lehmann AG gehört der Bau von Ställen.

Tag der offenen TürVon 9 bis 16 Uhr findet am Sams-tag, 16. September, der Tag der of-fenen Tür auf dem Erlenhof und an der Bischofszellerstrasse 112 in Gossau statt. Die beiden Durch-führungsorte sind ab dem Bahn-hof Gossau mit dem Rundkurs der Regiobus AG erreichbar (jede Viertelstunde). Im Diggetwald gibt es Informationen und De-monstrationen zum Thema Wald-wirtschaft. (Shuttlebetrieb ab Er-lenhof in den Diggetwald). dh.

Weitere Infos: www.woodvetia.ch oder www.lehmann-gruppe.ch/willkommen

T E L E XBerner Winzer des Jahres. Erst-mals hat der Kanton Bern die Aus-zeichnung «Berner Winzer des Jahres» vergeben. Gewinner ist Beat Burkhardt aus Ligerz am Bie-lersee. Burkhardt vom Weingut Bielerhaus erreichte mit einer Aus-wahl von drei Weinen die höchste Punktzahl. Insgesamt sind 115 Weine von 22 Produzenten für die Wahl zum Wein des Jahres nomi-niert worden. lid.

Milchstatistik der Schweiz 2016. Die «Milchstatistik der Schweiz 2016» ist da. Sie enthält zahlreiche Tabellen mit den aktu-ellsten Daten über Milchproduk-tion, Milchverarbeitung, Aussen-handel, Preisentwicklung und Kon-sum von Milch und Milchprodukten in der Schweiz sowie internationa-le Vergleiche. 35 Grafiken und Schemas zeigen Zusammenhänge auf und vereinfachen das Ver-ständnis der Zahlen. Die Einlei-tungstexte zu jedem Kapitel geben zudem wichtige Hintergrundinfor-mationen. Die 90-seitige Publika-tion ist zweisprachig Deutsch und Französisch. Die Publikation kann unter www.agristat.ch als PDF he-runtergeladen werden. lid.

Online-Spendedatenbank ge-gen Foodwaste. Essensver-schwendung ist ein viel diskutier-tes Thema. Die Schweizer Tafel setzt auf die Spendendatenbank «Food Bridge», die 2016 lanciert wurde. Überschüssige Ware kann von Akteuren aus der Lebensmit-telindustrie und Lebensmittelpro-duktion online aufgeschaltet wer-den. 104 Tonnen Lebensmittel konnten seither von Hilfsorgani-sationen bezogen und verteilt werden. lid.