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Die Lehren aus 3 „Schuldendeckeln“ Author(s): Richard Flessa Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 32, H. 2 (1974), pp. 290-294 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911060 . Accessed: 18/06/2014 02:55 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.174 on Wed, 18 Jun 2014 02:55:42 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Lehren aus 3 „Schuldendeckeln“

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Die Lehren aus 3 „Schuldendeckeln“Author(s): Richard FlessaSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 32, H. 2 (1974), pp. 290-294Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911060 .

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Die Lehren aus 3 „Schuldendeckeln66

von

Richard Flessa

Die Beschränkung der Kreditaufnahme der öffentlichen Hand („Schul- dendeckel") ist das bisher am häufigsten angewandte Mittel aus dem Instru- mentarium des Stabilitätsgesetzes. Bund und Länder haben sie bereits drei- mal praktiziert, nämlich 1971 und 1973 jeweils durch eine förmliche Verord- nung gem. § 19 ff. St WG (VO vom 27. V. 71 u. vom 1. VII. 73) und im Jahre 1972 ohne förmliche Rechts ver Ordnung durch eine im Finanzplanungsrat ge- troffene freiwillige Absprache. 1973 wurde dann der Schuldendeckel erstmals auch auf die Kommunen estreckt. Für 1974 hat der Bundesfinanzminister im Finanzplanungsrat bereits eine neue Schuldendeckelverordnung angekün- digt. Es ist daher Zeit, aufgrund der Erfahrungen der Praxis die Möglich- keiten und Grenzen, die Stärken und Schwächen des Schuldendeckels zu überdenken.

Nach Art. 109 Abs. 4 GG/§19 StWG ist eine solche Kreditbeschränkung vorgesehen ,,zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleich- gewichts". Während in den Jahren 1971 und 1972 diese Störung unmittelbar in einer Überforderung des Kapitalmarkts erblickt wurde und der Schulden- deckel deshalb zur Schonung des Kapitalmarkts bestimmt war, zeigt im Jahre 1973 die Kombination von Schuldendeckel und Stabilitätsanleihe des Bundes deutlich, daß nicht die Schonung des Kapitalmarkts, sondern eine Beschrän- kung der Einnahmen der öffentlichen Hand Ziel dieses Schuldendeckels ist, weil man hofft, zur Bekämpfung der überhohen Inflationsrate hierdurch in- direkt die Ausgabemöglichkeiten der öffentlichen Hände verringern zu kön- nen. Diese unterschiedliche Zielsetzung zeigt, daß man eine direkte und eine indirekte Wirkung des Schuldendeckels unterscheiden muß.

1. Das direkte Ziel „Schonung des Kapitalmarkts" wurde in § 1 der VO von 1971 deutlich, durch den die veranschlagte Nettokreditaufnahme des Bundes um 1 Mrd und die der Länder um 800 Mio DM vermindert werden sollte. Vergleicht man hiermit das Istergebnis des gleichen Jahres, so kann man feststellen, daß der Bundeshaushalt mit einem Einsparungsbetrag von 2,4 Mrd DM und die Länder mit einem solchen von 1,4 Mrd DM dieses Ein- sparungsziel erheblich überboten haben. Gleichzeitig haben die Sonderver- mögen des Bundes, Bundesbahn und Bundespost, diese Zurückhaltung aus- genützt, um ihre Kreditaufnahmeplanung um insgesamt 1,6 Mrd DM zu über-

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ziehen. Durch das Verhalten dieser Sondervermögen wurde die Wirkung des Schuldendeckels zwar nicht aufgehoben, aber doch erheblich eingeschränkt.

§ 19 StWG- bietet die Möglichkeit, auch diese Sondervermögen in einen Schuldendeckel einzubeziehen. Diese Möglichkeit wurde aber bisher nie ge- nutzt. Das Jahresergebnis 1971 zwingt zu der Frage, ob die nach § 19 StWG in der Kreditaufnahme beschränkbaren, in einer konkreten VO aber nicht an- gesprochenen Stellen im Interesse des Funktionierens dieser VO nicht wenig- stens als oberstes Limit für ihre Kreditaufnahme den Sollbetrag ansehen müßten, der bei Erlaß der Schuldendeckel-VO ihren Planungen und deshalb bei den Beratungen in den zuständigen Gremien (Konjunkturrat, Finanz- planungsrat, Bundesrat) den Berechnungen zugrunde lag. Zur Vermeidung von Mißdeutungen wäre es zweckmäßig, dies künftig in der VO ausdrücklich zu sagen. Aber auch ohne eine solche förmliche Aussage läßt sich aus der auch die Sondervermögen bindenden Verpflichtung zu bundestreuem Verhalten und aus dem Sinn des § 22 Abs. 4 StWG die Verpflichtung für nicht ausdrück- lich angesprochene Sondervermögen ableiten, die Bemühungen der am Schuldendeckel beteiligten Körperschaften nicht zu unterlaufen. Dies gilt ganz besonders für Sondervermögen, die hohe Zuschüsse aus dem Bundes- haushalt erhalten (vergi. Kap. 1202) und bei denen deshalb die Höhe der eigenen Schuldaufnahme auch für den Vollzug des Bundeshaushalt von Be- deutung sein kann.

2. Nicht so leicht dürfte Ende 1973 der rechnerische Nachweis des Er- folges oder Mißerfolges der erstrebten indirekten Wirkung des Schulden- deckels werden, mit der über die Beschränkung der Einnahmequellen eine Einschränkung der Ausgabemöglichkeiten erstrebt wurde. Die rechnerische Feststellung der tatsächlichen Kreditaufnahme erlaubt ja für sich allein kein Urteil über die Frage, ob die Einschränkung der Neu ver schuldung tatsächlich zu einer Ausgabeminderung oder nur zur Verlagerung von Ausgaben auf andere Finanzierungswege führte. Die naheliegende Frage, warum man kon- junkturpolitisch notwendige Ausgabeminderungen nicht direkt durch Kür- zung der Ausgaben, sondern indirekt durch Drosselung der Einnahmequellen erzwingen will, läßt sich wohl nur mit dem Hinweis beantworten, daß Praxis und Stabilitätsgesetz gleichermaßen den indirekten Weg als den Weg des ge- ringeren Widerstandes vorziehen, weil man hier die ganz konkrete Aussage vermeiden kann, für welchen Zweck tatsächlich weniger ausgegeben werden soll. Es bleibt dann die Hoffnung, daß unpopuläre Entscheidungen schon andere treffen werden und das eigene Interessengebiet dabei möglichst ge- schont werde.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist freilich mehr als fraglich. Es ist sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn man davon ausgeht, daß etwa 90% des Aus- gabevolumens des Bundes und der Länder heute bereits rechtlich oder fak- tisch gebunden sind1. In diesem gebundenen Bereich sind Einsparungen nur

1 Eine Arbeitsgruppe des Finanzplanungsrates, die wegen der Bedeutung der Untersuchung für die ab 1. 1.74 erforderliche Entscheidung über die Verteilung der Umsatzsteuer nicht ganz zu einem einheitlichen Votum kam, hat übereinstimmend ohne Berücksichtigung des Landesrechts bundesrechtliche Bindungen zwischen 80 und 95% ermittelt.

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durch Maßnahmen des Gesetzgebers, also durch Haushaltssicherungsgesetze erreichbar. Wer hiervor zurückscheut und die Ausgaben mit Hilfe von Ein- nahmeminderungen kürzen will, verzichtet also von Anfang an auf die Mög- lichkeit, den größten Ausgabenblock in den Dienst der Konjunkturpolitik zu stellen. Er schafft ferner einen Anreiz für Interessenvertreter, durch neue Bundes- oder Landesgesetze ihr Interessengebiet vor konjunkturpolitischen Einflüssen abzusichern und die ,, Verlustliste aktiver Konjunkturpolitik" hierdurch noch zu vergrößern. Da von den restlichen, ohne Haushaltssiche- rungsgesetze beeinflußbaren 10% des Ausgabebedarfs sicher auch nicht generell gesagt werden kann, daß auf ihn aus konjunkturpolitischen Gründen völlig verzichtet werden könnte, müßte schon ein absolut dicht sitzender Schuldendeckel konstruiert werden, wenn er die Ausgabengestaltung in einem konjunkturpolitisch wirksamen Maß beeinflussen soll. Das in Ziff. 1 genannte Beispiel zeigt, daß die derzeitigen Schuldendeckel jedenfalls nicht so dicht sitzen. Das Beispiel ließe sich vermehren.

3. Der kritische Punkt jeden Schuldendeckels, gleichgültig welchem Zwecke er dienen soll, ist der Maßstab, nach dem die volkswirtschaftlich nötige Einschränkung der Kreditaufnahme auf die verschiedenen öffentlichen Hände aufgeteilt wird. Es ist das Verdienst des Finanzplanungsrates, hier immer einen Ausgleich zwischen den widerstrebenden Interessen gefunden zu haben. Dem finanzpolitischen Betrachter ist es leicht verständlich, daß diese gewiß nicht einfache Aufgabe immer gerade in diesem Gremium bewältigt wurde, denn der Finanzplanungsrat hat hierfür sicher die sachkundigsten Mitglieder. Ein juristischer Beobachter wird aber feststellen, daß seine Mit- wirkung hierbei im St WG gar nicht vorgeschrieben ist, weil er bei Erlaß dieses Gesetzes noch nicht existierte. Bei einer Novelle zum StWG sollte aufgrund dieser positiven Erfahrungen die Mitwirkung des Finanzplanungsrates daher gesetzlich verankert werden.

4. Obwohl der Finanzplanungsrat bisher immer eine pragmatische Lö- sung des Aufteilungsproblems gefunden hat, ist es notwendig, die Frage eines vernünftigen und praktikablen Aufteilungsschlüssels zu durchdenken. Wer am Funktionieren des Instruments des Schuldendeckels interessiert ist, sollte sich jedenfalls möglichst schnell und möglichst eindeutig zu der Feststellung bekennen, daß die Höhe der Schuldaufnahme in der Vergangenheit als Maß- stab für die künftig zulässige Kreditaufnahme völlig ungeeignet ist. Dieser Maß- stab führt nämlich nicht nur zu dem unsinnigen Ergebnis, daß derjenige, der sich in der Vergangenheit hoch verschuldet hat, auch in Zukunft mehr Schul- den machen darf als der Sparsame. Er verleitet auch dazu, Schuldermächti- gungen eines Schuldendeckels bis zum Rande auszunützen, um sich für die Zukunft Verschuldungsmöglichkeiten zu erhalten. Die Bundesbank hat be- reits in ihrem Bericht für Mai 1973 (S. 35) für das Jahr 1972 „Schuldaufnah- men auf Vorrat" festgestellt.

Die durch die Praxis der letzten Jahre widerlegte Annahme, daß Kredit- beschränkungen seltene Ausnahme, aber nicht die Regel im Haushalts- geschehen sein sollen, führte leider dazu, daß dieser völlig ungeeignete Maß- stab als „Mindestgarantie" Eingang in § 20 Abs. 2 StWG gefunden hat. Zwischen Bund und Ländern war es dennoch bisher möglich, pragmatisch

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andere Aufteilungsmöglichkeiten zu vereinbaren. In § 1 Abs. 4 der Schulden- deckel- VO 1973 kehrt aber dieser bedenkliche Abgrenzungsmaßstab bei der Begrenzung der Kreditaufnahme für Gemeinden in der Form wieder, daß jede Kommune grundsätzlich das 1,56 fache des Jahresdurchschnitts der letzten 5 Jahre neu aufnehmen darf. Wer die Stimmung bei Landräten, Bürgermeistern und Kämmerern kennt, wird die Gefahr nicht von der Hand weisen können, daß trotz der sehr hohen Kapitalmarktzinsen durch den ,, Schuldendeckel- Auffülleffekt" das Gegenteil des Gewollten erreicht und zur Kreditaufnahme sogar in Fällen angereizt werden kann, in denen sie bei gün- stiger Steuerentwicklung ohne Schuldendeckel vielleicht unterbleiben würde.

Schwieriger ist dagegen die Frage zu beantworten, nach welchem Schlüs- sel dann entweder die zulässig bleibende Kreditaufnahme oder die notwendige Kürzung der Verschuldung aufgeteilt werden soll. Dem Grundsatz der Gleich- rangigkeit der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden (§ 24 StWG) würde m.E. am besten und gerechtesten eine Regelung entsprechen, die eine gleichmäßige Deckung der nicht durch Steuereinnahmen oder durchlaufende Mittel finanzierten Ausgaben der einzelnen Gebietskörperschaften erlaubt und deshalb als Maßstab für die zulässig bleibende Kreditaufnahme verwen- det.

5. 1973 wurden erstmals die Kommunen in eine Schuldendeckel- VO ein- bezogen und nicht nur durch unverbindliche Empfehlungen zu Zurückhal- tung aufgefordert. Die große Zahl dieser kleineren Gebietskörperschaften er- fordert aber eine Schematisierung des Aufteilungsschlüssels, die allein zwi- schen Bund und Ländern nicht unbedingt erforderlich ist. Die bindende Regelung für die vielen Gemeinden ist auch im Vollzug so arbeitsaufwendig, daß die Frage am Platze ist, ob es sich lohnt, ,,auf die Dörfer zu gehen".

Die Schuldendeckel- VO 1973 hat eine Ermäßigung der Nettokreditauf- nahme der öffentlichen Hände um 5,5 Mrd. DM zum Ziel. Durch die Einbezie- hung der Kommunen soll hierbei ein Teilbetrag von 1 Mrd. abgesichert wer- den. Selbst wenn man davon ausgeht, daß eine unverbindliche Empfehlung nur einen Teil dieses Betrages erbringen würde, bleibt man in Größenord- nungen, die nach den in Ziff. 1 genannten Zahlen bei den leichter erfaßbaren Sondervermögen unberücksichtigt blieben. - Da 1973 sämtliche Kommunen einbezogen wurden, bietet sich die Möglichkeit, am Jahresende zu ermitteln, wie sich die Einsparung tatsächlich auf die verschiedenen Gemeindegrößen- klassen verteilte. Man sollte diese Möglichkeit nützen, um prüfen zu können, ob die Annahme zutrifft, daß der volkswirtschaftliche Effekt wesentlich ein- facher zu erreichen wäre, wenn man nur die Städte mit über 100000 oder 500000 Einwohnern erfaßt hätte.

6. Seit 1969 pflegt der Bund im Bundeshaushaltsgesetz (§ 2) nur noch eine bezifferte Kreditermächtigung für die „Nettokreditaufnahme" vorzusehen und dabei zu bestimmen, daß die zulässige Gesamtkreditaufnahme diese Nettokreditaufnahme um den Betrag der Tilgungen von Kreditmarktschul- den übersteigen darf, der im Gesetzestext selbst nicht beziffert wird. Ob dies rechtlich mit Art. 115 GG und dem Bruttoprinzip (Art. 110 GG) zu verein- baren ist, blieb zwischen Piduch und Spanheuer (DÖV 1969/190 und 486) streitig.

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Aus guten Gründen wurde diese Bundespraxis von den meisten Gebiets- körperschaften nicht übernommen. Da den Haushaltsgesetzen des Bundes und der Länder nach neuem Haushaltsrecht eine Finanzierungsübersicht und ein Kreditfinanzierungsplan beigefügt sind, ist eine Umrechnung von netto auf brutto und umgekehrt ohne Schwierigkeit möglich. In den Schulden- deckel Verordnungen 1971 und 1973 wurde der Praxis des Bundeshaushalts entsprechend jeweils nur die Nettokreditaufnahme geregelt. Da man aber einer Bundes- oder Landesanleihe oder einem Schuldschein nicht ansieht, ob er der Neuverschuldung oder der Umschuldung alter Kreditmarktverpflich- tungen dient und kein Schuldner eine Garantie dafür besitzt, daß die an den Kapitalmarkt von ihm gezahlten Tilgungen ausgerechnet wieder ihm zu- fließen, zeigt sich beim Vollzug dieser Verordnungen im Zeitplanverfahren sehr schnell, daß man mindestens in diesem Verfahrensteil von der Brutto- kreditauf nähme ausgehen muß. Dieser Übergang vom Netto- auf das Brutto- prinzip wäre vermeidbar, wenn man gleich brutto rechnen würde. Die Brutto- rechnung im Zeitplanverfahren entspricht zwar der wirtschaftlichen Logik, aber nicht dem StWG, weil nach § 22 Abs. 1 StWG dieses Verfahren nur für Kredite gilt, die in der VO geregelt sind. Wenn man also in der Schulden- deckel- VO ohne zwingenden Grund nur die Nettokreditaufnahme beschränkt, so fällt die Kreditaufnahme, die der Umschuldung alter Kreditmarktschulden dient, eben nicht unter die Verordnung. Konsequenterweise würde dann hier- für nicht das Zeitplan verfahren nach § 22 Abs. 1 StWG, sondern nur die lockere Rücksichtverpflichtung nach § 22 Abs. 4 StWG gelten.

Solange es gelingt, im Konjunkturrat (Kreditfragen), also am runden Tisch (der praktisch in seiner Besetzung eher dem Finanzplanungsrat ent- spricht), wie bisher freiwillige Absprachen über den Zeitplan der gesamten Bruttokreditaufnahmen zu treffen, stört diese Inkonsequenz wenig. Sollte aber einmal eine solche Einstimmigkeit nicht erreichbar sein und der über- stimmte Partner sich darauf berufen, daß für einen Teil seiner geplanten Kreditaufnahme nicht dieses Verfahren, sondern nur § 22 Abs. 4 StWG gilt, wird sich zeigen, daß das Bruttoprinzip auch im Bereich des Schuldendeckels und der Kreditaufnahmen seine Berechtigung hat. Die Beschränkung des Schuldendeckels auf die Nettokreditaufnahme kann im Zeitplanverfahren nach geltendem Recht nur bei Einstimmigkeit funktionieren.

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