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Acta Neuroehirurgiea 26, 99--120 (1972) by Springer-Verlag 1972 Neurochirurgisehe Klinik der Universit&t Miinehen (Direktor: Prof. Dr. F. Marguth) Die Leistungsfiihigkeit der Hirnszintigraphie in der Differentialdiagnostik intrakranieller Prozesse Von H. Steinhoff Mit 8 Abbildungen Zusammenhssung 2460 Himszintigraphien wurden analysier~. Die Ergebnisse der Analyse sind folgende : 1. Die IKirnszintigraphie mit 99mTe-Peteohnetat besitzt eine hohe Lei- stungsfghigkeit bei der Lokalisation yon supratentoriellen Hirntumoren. W~h- rend im Eehoenzephalogramm supratentoriell gelegene Tumoren generell nur zu 220/0 genau lokalisiert werden k6nnen 23 und im Elektroenzephalo- gramm generell nur eine exakte lokalisatorisohe Treffsieherheit yon ca. 60~ besteht 20 ist sie bei der Hirnszintigraphie mit 84To etwa gleieh groB wie bei der cerebralen Angiographie. 2. Bei in/ratentoriellen Tumoren besitzt die Hirnszintigraphie im Gegen- satz zur Angiographie eine wesentlieh geringere diagnostisehe Aussage- f/~higkeit. Sie solRe dennoch bei Verdaeht auf einen infratentoriell gelege- hen Tumor bereRs im l~ahmen der ambulanten Diagnostik eingesetzt wer- den. 3. Naeh dem szintigraphisehen Speieherungsbild kann unter Beriiek- siehtigung der Lokalisation in 58~o die Diagnose Hirntumor gestellt werden. Dieser Prozentsa~z entsprieht unseren Ergebnissen mi~ der eerebralen Angiographie. Bei Berfieksiehtigung des szintigraphisehen und des angio- graphisehen Ergebnisses ist die Tumordiagnose in 63~o m6glieh. 4. Die Abgrenzung yon Tumoren gegeni~ber Erweiehungen und Blutungen, die im 99mTe-Szintigramm nur in Ausnahmef/~llenm6glieh ist, kanil durch den Einsatz der kombinierten Hirnszintigraphie mit 75Se-Natriumselenit ver- bessert werden. 5. In den F/~llen, in denen rein szintigraphiseh eine Tumordiagnose ge- stellt werden kann, wird man jedoeh nicht au] die Angiographie verzichten, da die Kenntnis der Beziehung des Tumors zum Gef/~13system ffir die Operation yon grol3er Bedeutung ist und die Angiographie aul3erdem in einem h6heren Prozentsatz die Tumorartdiagnose ermSglieht als die ttirn-

Die Leistungsfähigkeit der Hirnszintigraphie in der Differentialdiagnostik intrakranieller Prozesse

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Acta Neuroehirurgiea 26, 99--120 (1972)

�9 by Springer-Verlag 1972

Neurochirurgisehe Klinik der Universit&t Miinehen (Direktor: Prof. Dr. F. Marguth)

Die Leistungsfiihigkeit der Hirnszintigraphie in der Differentialdiagnostik intrakranieller Prozesse

Von

H. Steinhoff

Mit 8 Abbildungen

Zusammenhssung

2460 Himszintigraphien wurden analysier~. Die Ergebnisse der Analyse sind folgende :

1. Die IKirnszintigraphie mit 99mTe-Peteohnetat besitzt eine hohe Lei- stungsfghigkeit bei der Lokalisation yon supratentoriellen Hirntumoren. W~h- rend im Eehoenzephalogramm supratentoriell gelegene Tumoren generell nur zu 220/0 genau lokalisiert werden k6nnen 23 und im Elektroenzephalo- gramm generell nur eine exakte lokalisatorisohe Treffsieherheit yon ca. 60~ besteht 20 ist sie bei der Hirnszintigraphie mit 84To etwa gleieh groB wie bei der cerebralen Angiographie.

2. Bei in/ratentoriellen Tumoren besitzt die Hirnszintigraphie im Gegen- satz zur Angiographie eine wesentlieh geringere diagnostisehe Aussage- f/~higkeit. Sie solRe dennoch bei Verdaeht auf einen infratentoriell gelege- hen Tumor bereRs im l~ahmen der ambulanten Diagnostik eingesetzt wer- den.

3. Naeh dem szintigraphisehen Speieherungsbild kann unter Beriiek- siehtigung der Lokalisation in 58~o die Diagnose Hirntumor gestellt werden. Dieser Prozentsa~z entsprieht unseren Ergebnissen mi~ der eerebralen Angiographie. Bei Berfieksiehtigung des szintigraphisehen und des angio- graphisehen Ergebnisses ist die Tumordiagnose in 63~o m6glieh.

4. Die Abgrenzung yon Tumoren gegeni~ber Erweiehungen und Blutungen, die im 99mTe-Szintigramm nur in Ausnahmef/~llen m6glieh ist, kanil durch den Einsatz der kombinierten Hirnszintigraphie mit 75Se-Natriumselenit ver- bessert werden.

5. In den F/~llen, in denen rein szintigraphiseh eine Tumordiagnose ge- stellt werden kann, wird man jedoeh nicht au] die Angiographie verzichten, da die Kenntnis der Beziehung des Tumors zum Gef/~13system ffir die Operation yon grol3er Bedeutung ist und die Angiographie aul3erdem in einem h6heren Prozentsatz die Tumorartdiagnose ermSglieht als die t t i rn-

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100 H. Steinhoff :

szintigraphie. Eine exakte Tumorartdiagnose kann rein szintigraphisch fast ausschliel31ich nur beim Keilbeinmeningiom gestellt werden.

6. Der Nachweis yon akuten intralcraniellen Blutungen bleibt der Echo- enzephalographie und der cerebralen Angiographie vorbehalten, da H/ima- tome im Friihstadium keine szintigraphische Anreicherung aufweisen. Bei Hirninfarlcten erm6glicht die Hirnszintigraphie in vielen F/illen im Gegensatz zur Angiographie die genaue Bestimmung der Ausdehnung des Infarkt- bezirkes und insofern eine prognostische Aussagef/ihigkeit, als grol3e, intensiv speichernde Infarkte eine ung/instige Prognose beinhalten.

7. Die Hirnszintigraphie eignet sich besonders auch als Suchmethode bei Verdacht auf ein chronisches Subduralh~matom und zum Ausschlul? yon Abszessen, da chronische Subduralh/imatome zwisehen 81 und 91% und Abszesse in etwa 100% szintigraphisch zu erfassen sind.

8. Die Liquorszintigraphie mit 131Jod-I-Iumanserumalbumin erm6glieht den Naehweis yon traumatischen oder atraumatischen Liquorfisteln und eignet sich zum Nachweis yon Liquorzirkulationsst6rungen, wie zum Bei- spiel beim posttraumatischen Hydrocephalus aresorptivus.

Summary

The Effectiveness o] Cerebral Scintigraphy in the DiMerential Diagnosis of Intracranial Lesions

The results of an analysis of 2460 brain scans are as follows:

1. Cerebral Scintigraphy using 99mTc-Pertechnetate occupies a highly reliable position among the methods used for the localization of supraten- torial turnouts. Only up to 22% of supratentorial tumours can be precisely localized by echoencephalography ca, and the localizing accuracy of the electroencephalograph stands no higher than about 60% 2~ whilst the brain scan with an 84% localization is almost as accurate as cerebral angio- graphy.

2. With infratentorial turnouts brain scanning in contrast to angiography provides substantially less diagnostic information. Nevertheless, it should be set in hand when the suspicion of an infratentorially situated tumour arises, especially with an out-patient.

3. With regard to localisation: The diagnose "brain tumour" can be achieved in 58% from the scintigraphic storage picture. This percentage corresponds to that of our results with cerebral angiography. By con- sidering the brain scan and the angiographic results together the diagnosis of tumour becomes possible in 63~o.

4. The Di]ferentiation between tumour and so]tening or haemorrhage using 99mTc-scintigraph, is possible only in exceptional cases, but can be im- proved by the employment of the combined brain scan with 75Se-Sodium Selenite.

5. In those eases in which scanning alone has provided the diagnosis of turnout one should not renounce angiography because the knowledge of the relationship of the tumour to the vascular system is of great importance to the operation. In addition, angiography makes it possible to diagnose the tumour type in a higher percentage than with brain scanning. Purely by means of the brain scan, an exact diagnosis of the type of tumour can almost always be made only with sphenoidal wing meningiomas.

6. The recognition of acute intraeranial haematomata remains reserved for echo-encephalography and cerebral angiography because the haema-

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Die Leistungsfghigkeit der Hirnszintigraphie 101

toma in its early stages shows no scintigraphic concentration. With cerebral is]arctio~s brain scanning, in contrast to angiography, makes possible in many cases the precise assessment of the extent of the infarcted terri- tory. In addition it has a prognostic value because large intensively dell- neared infarcts have a bad prognosis.

7. In addition brain scanning is especially suited as a screening techni- que when one suspects a chronic subdural haematoma or wishes to exclude an abscess. This is because chronic subdural haematoma can be recognised in 81~176 and abscesses in approximately 100~o, of brain scans.

8. C.S.F. scanning with I 131 human serum albumen makes it possible to demonstrate traumatic or atraumatie fistulae, and is also suited to the display of disorders of C.8.F. circulation, as for example in posttraumatic hydrocephalus due to failure of C.S.F. absorption.

Der Einsatz der Hirnszintigraphie hat in der Diagnostik zerebraler Prozesse in zunehmendem Malae an Bedeutung gewonnen. Das Prinzip der nuklearmedizinischen Lokalisation besteht in der Anreicherung yon Gamma- strahlen emittierenden Substanzen in verschiedenartigen Lgsionsherden und deren Nachweis dureh externe 1Registrierung mit einem rectilinearen Scamaer in Form eines Photo- und/oder Farbszintigrammes oder mit einer Szintillationskamera. In der Regel wird eine anterior-posteriore und eine seitliehe 1Registrierung der Aktivitgtsvertei lung vorgenommen. Bei Verdacht auf einen bilateralen oder weir dorsal bzw. in der hinteren Schgdelgrube gelegenen Prozel? sind eine zweite seitliche und eine zusgtzliche posterior- anteriore Ableitung erforderlieh.

Die Anreieherung der radioaktiven Substanz wird auf eine St6rung der Blut-Hirnschrankenfunktion oder der Blut-Tumorsehrankenfunktion zur/ick- gefiihrt. Im allgemeinen weisen sowohl I-Iirntumoren als auch H/imatome, Erweiehungsherde, Abszesse, enzephalitisehe Prozesse, Granulome und Contusionsherde in untersehiedlicher I-I/iufigkeit und Intensit/it eine Aktivi- t/~tsakkumulierung auf. Im intakten I-Iirngewebe finder sich dagegen nur eine/iul3erst minimale homogene Aktivit/itsverteilung.

Die heute allgemein verwendete Substanz ist das 99mTechnetium-Per- technetat, eine Tochtersubstanz des 99Molybdgn. Der Vorteil der Substanz besteht in der kurzen physikalisehen I-Ialbwertszeit von 6 Stunden und der damit verbundenen geringen Strahlenbelastung des Patienten. Bei Ver- wendung yon 10 mCi 90mTeehnetium-Pertechnetat betr/~gt die GanzkSrper- strahlenbelastung bei einem 70 kg schweren Patienten 0,12 rad. Die tIirn- szintigraphie kann daher bedenkenlos auch bei Sas und Klein- kindern eingesetzt und kurzfristig wiederholt werden.

Die I-Iirnszintigraphie ist fiir den Patienten wenig belastend. Sic eignet sich daher ganz besonders als Suehmethode, die der Elektroenzephalographie und der Echoenzephalographie in mancher I-Iinsicht iiberlegen ist. Sic sollte stets vor der Kontrastmit teluntersuehung bereits im Rahmen der ambu- lanten Diagnostik eingesetzt werden. Dariiber hinaus ermSglieht die I4irn- szintigraphie in Erg/~nzung zur Angiographie und zur Pneumenzephalo- graphic eine erhShte diagnostisehe TreffsicherheR.

Wir haben seit 1967 2460 Hirnszint igraphie~ mi t dem Magna- Scanner V durchgefi ihrt . Dabei handel t es sieh um 1090 203I-Ig-Chlor-

merodr in-Szin t igramme, 1300 99mTechnetium-Szint igramme und 70

Szint igraphien mi t 75Se-Natriumselenit. Da 2~ wegen

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102 t t . Steinhoff:

der r e l a t iv hohen S t rah lenbe las tung der Nieren n icht mehr zur Anwen- dung gelangt , soll im wesent l ichen auf die Ergebnisse der 99mTeehne- t ium-Sz in t ig raph ie und der 75Se-Nutr iumseleni t-Szint igr~phie einge- gangen werden.

Hirntumoren

H i r n t u m o r e n weisen im 99mTechnet ium-Szint igramm in unterschied- l ieher Hauf igke i t s ine s ignif ikante Akt ivi t~t tsspeieherung auf (s. Tab. 1).

Tabelle 1. Ergebnisse der Hirn8zintigraphie mit ogmTechnetium-Pertechnetat bei 129 histologlsch veri]izierten Hirntumoren

Tumorart Anzahl Pos. Fragl. Neg. Treffer - quote in %

Tumoren insgesamt 129 98 10 21 76 supratent . Tumoren 109 91 3 15 84 infratent. Tumoren 20 7 7 6 35

Astrozytome Grad I 3 1 0 2 33 Astrozytome Grad I I 8 6 0 2 75 Oligodendrogliome I 5 2 0 3 40 Oligodendrogliome I I 4 2 1 1 50 Glioblastome 27 27 0 0 100 Meningeiome (Falx, Konvex.) 13 13 0 0 100 Kei]belnmeningeome 9 9 0 0 100 Metastasen 10 10 0 0 100 Sarkome 9 8 0 1 89 Ependymome 4 3 0 1 75 Hypophysenadenome 4 3 0 1 75 Kraniopharyngeome 2 1 1 0 50 Meningeome d. Tub. sellae 4 2 0 2 50 Lindau-Tumoren 2 1 1 0 50 Kleinhirnspongioblastome 6 2 2 2 33 infratent. Meningeome 3 1 1 1 33 infratent. Neurinome 7 2 3 2 29 seltene Tumoren 9 5 1 3 56

Die sz in t igraphische Nachweisb~rke i t yon H i r n t u m o r e n ist sowohl ~bh~ngig yon der T u m o r a r t als auch yon der Loka l i sa t ion und der GrSBe des Prozesses. Bei 129 his tologisch ve r i f i z i e r t en in t r~kranie l len T u m o r e a be t rug die durchschni t t l iche sz int igraphische Tumor t re f fe r - quote der 99mTechnet ium-Szint igraphie 76%, wobei 10 fragliche Spei- cherungsbezi rke n ich t als pos i t iver sz in t igraphischer Befund gewer te t wurden. I m 20~Hg-Chlormerodrin-Szint igrumm erziel ten wir bei 199 his tologisch ver i f iz ier ten in t r~kr~nie l len Tumoren eine durchschni t t -

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104 H. Steinhoff:

lithe Tumortrefferquote von 84,4%. Dieses Ergebnis ist allerdings durch die unterschiedliehe Zusammensetzung des Untersuchungsgutes be- ziiglich der Tumorhistologie and der Tumorlokalisation bedingt. Bei supratentoriell gelegenen Tumoren erhSht sich die szintigraphische Trefferquote mit 99mTechnetium-Pertechnetat auf 840/0 . S i e betr/igt dagegen bei infratentoriell gelegenen Tumoren nnr 35%. Die geringere szintigraphische Treffsieherheit im infratentoriellen Raum ist auf die enge Lagebeziehung zur Sch/idelbasis und zum Confluens sinuum zuriickzufiihren. Da sowohl der Sch/tdelknochen (insbesondere die Sch/tdelbasis) als auch die ven6sen Sinus normalerweise eine hohe Aktivit~ttsakkumulierung aufweisen, lassen sich die Tumorspeicherungs- areale in der hinteren Seh~delgrube weniger gut abgrenzen, was auch ffir die basisnahen supratentoriellen Tumoren zutrifft. Die Grenze der szintigraphischen Erkennbarkeit liegt bei basisnahen Tumoren bei 2--3 cm Durchmesser und an der Oberflgehe der Grol3hirnhemi- sph/tren bei etwa 1,5 em Durchmesser des Prozesses.

Die Abh/ingigkeit des szintigraphisehen Nachweises yon der Tumor- histologie ~uBert sieh in der hohen szintigraphisehen Trefferquote yon 100% bei Glioblastomen, Falx-, Konvexit/~ts- und Keilbeinme- ningiomen. Auch intraeerebra]e Metastasen konnten in unserem Unter- suchungsgut zu 100% szintigraphisch naehgewiesen werden. Gliome weisen dagegen eine geringere Naehweisbarkeit auf. Bei ihnen erhSht sieh die szintigraphisehe Trefferquote mit Zunahme des Malignits grades. So sind zum Beispiel Astrozytome yore Grad I zu 33% und Astrozytome vom Grad II zu 75~o szintigraphiseh erfatlbar.

In Relation zur Sch/idelbasisaktivits kann die Intensit/~t dos patho- logisehen Speieherungsherdes in 4 verschiedenen Intensitgtsstufen angegeben werden. Dabei bedeutet 4-~ eine grSl~ere, 3 ~ eine gleieh grol3e and 2 ~- eine etwas geringere Intensit/itsstufe als innerhalb der Sch/idel- basis und 1 _c eine eben noch erkennbare pathologisch wertbare Akti- vitgtsanreicherung.

In Relation zur Sch/idelbasisaktivit~t ist die Speieherungsintensit/it der Hirntumoren im 99mTechnetium-Szintigramm geringer als im 203Hg-Chlormerodrin-Szintigramm. Bemerkenswert ist, dal3 Meningiome fast ausschlieBlich homogen und umschrieben speichern, w/ihrend Glioblastome vorwiegend inhomogen nnd nicht umschrieben zur Dar- stellung gelangen (s. Tab. 2). Intrazerebrale H/~matome speichern vorwiegend inhomogen und weisen in der Regel eine relativ geringe Speieherungsintensit/~t auf. Auf Grund der szintigraphisehen Speiehe- rungseharakteristik allein k6nnen Hirntumoren im 99mTechnetium- Szintigramm im allgemeinen nicht sicher gegentiber nicht blastomatSsen Hirnprozessen abgegrenzt werden. Nut bei einer sehr intensiven mehr oder weniger rundlichen Aktivit/itsspeicherung (s. Abb. i) kann bei

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Die Leistungsff~higkeit der H i rnsz in t ig r~ph ie 105

Abb. 1. M e n i n g e o m l inks pa r i e t a l im m i t t l e r e n Sinusdr i t te l . T u m o r t y p i s c h e 99m A k t i v i t a t s a n r e i c h e r u n g im T e c h n e ~ i u m - S z i n t i g r a m m

Acta Neurochirurgica, VoL 26, Fasc. 2--3 8

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106 H. S~einhoff:

entsprechender Lokalisation ausschliel~lieh mit Hilfe der Szintigraphie die Tumordiagnose gestellt werden, was in unserem Untersuchungs- gut in 58% der Fall war. Dies trifft vor allem zu bei Glioblastomen, Falx-, Konvexit/its- und Keilbeinmeningiomen, Metastasen, Sarkomen und GroI~hirnependymomen, bei denen die Szintigraphie eine ann/~hernd gleich grol3e Treffsieherheit bezfiglich der Tumordiagnose besitzt wie die zerebrale Angiographie. Dabei ist jedoch zu beriieksichtigen, dab auch Abszesse dutch eine intensive rundliehe Speicherung eharakterisiert sind.

Die Speicherungsintensit/~t nimmt im 99mTc.Szintigramm bei den Astrozytomen und Oligodendrogliomen generell mit dem Grad der Malignit&t zu. Es k6nnen hieraus bisher jedoch keine sieheren l~iick- schltisse auf die biologisehe Wertigkeit der Geschwiilste gezogen werden. Dieses Ergebnis steht in Ubereinstimmung mit den Untersuchungen yon Deisenhammer und Mitarbeitern 7, die feststellten, dab der Maligni- ts ohne Bedeutung fiir den Anreicherungsgrad radioaktiver Substanzen in Hirntumoren ist. Nach ihrer Ansicht soll jedoch eine Korrelation zwischen dem Gef&Breichtum der Geschwulst und dem szintigraphischen Anreicherungsgrad bestehen. Hiermit ware die hohe Anreicherungsintensiti~t der Meningiome erkls

Der Grad der Speicherungsintensit&t l~Bt im allgemeinen keine sieheren Riickschliisse auf die Tumorart zu. Auch die Speicherungs- qualit~t ist nicht mit Sicherheit fiir die Artdiagnose der Hirntumoren zu verwerten. Nur die Keilbeinmeningiome lassen auf Grund der typi- schen Lokalisation und hohen Speicherungsintensit&t mit weitgehender Sieherheit rein szintigraphisch die Tumorartdiagnose zu.

Ist der szintigraphische Aussagewert beztiglich der Tumorartdiagnose somit sehr begrenzt, so ist die Szintigraphie hinsichtlich der genauen Lokalisation und der Beurteilung der Ausdehnung von Glioblastomen, Ependymomen, Keilbeinmeningiomen und Metastasen der Angio- graphie iiberlegen (s. Tab. 3). Dies wird besonders deutlieh bei der Lokalisation yon Metastasen, die szintigraphisch in 100%, angio- graphisch dagegen nur in 57% m6glieh war. Bei 2 Patienten konnte nur mit Hilfe der Szintigraphie der Naehweis yon multiplen intra- zerebralen Metastasen erbraeht werden. Die szintigraphisehe Nachweis- barkeit von intrazerebralen Metastasen kana ebenso wie bei Prim~r- tumoren dutch ein sogenanntes Sp~tszintigramm 3 Stunden naeh Applikation der radioaktiven Substanz erh6ht werden n. Die szinti- graphische 0berlegenheit hinsichtlich einer exakten Lokalisation und Gr61~enbestimmung ist besonders bei den Glioblastomen von groI~er Bedeutung fiir die Beurteilung der Operabilit&t. So konnten wit bei Glioblastomen in vielen F&llen im Gegensatz zur Angiographie szinti- graphisch eine Tumorinvasion in das Stammgangliengebiet und damit die Inoperabiliti~t nachweisen.

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Die Leistungsf/~higkeit der ttirnszintigraphie 107

Trotz der genaueren Lokalisation and Gr6genbestimmung yon Tumoren im Szintigramm wird der Neurochirurg in keinem Fall auf das Ergebnis der Angiographie verziehten, da die Kenntnis der Bezie- hung des Tumors zum Gef/~l]system fiir die Operation yon groger Be- deutung ist und augerdem die Angiographie in einem hSheren Prozent- satz die Tumorartdiagnose ermSglieht.

Tabelle 3. Leistungs]iihiglceit der 99mTc-Szintigraphie und der Angiographie beziiglich der genauen Lokalisation and GrSflenbestimmung intrakranieller

Tumoren

Exakte Exakte Lokalisation Gr613enbestimmung

i r l~ Tumorart zahl Szinti- Angio- Szinti- Angio-

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Meningeome (Falx, 17 88 91 88 91 Konvex., Tub. sellae)

Keilbeinmeningeome 9 100 89 90 67 Meningeome inf. tent. 3 33 100 33 50 Glioblastome 27 100 75 69 50 Metastasen 10 100 57 56 57 Sarkome 9 89 100 67 33 Ependymome 4 75 67 75 67 Spongioblastome 6 33 100 33 67 Neurinome 7 38 75 38 50 Astrozytome I 3 33 100 33 0 Astrozytome I I 8 75 60 57 40 Oligodendrogliome I 5 40 100 20 20 Oligodendrogliome I I 4 50 100 50 50

Tumoren insgesamt 82 89 87 55 49

Aneh in der Diagnostik von Tumorrezidiven besitzt die Hirn- szintigraphie eine hohe Leistungsf/~higkeit. Bei der szintigraphischen Abgrenzung yon Rezidiv-Tumoren ist zu beriieksiehtigen, dag im Operationsgebiet bis zu 3 Monaten und im Bereieh des Knochen- deckels bis etwa 1 Jahr mit einer vermehrten Speieherungsaktivit/it zu rechnen ist.

Hirnszintigraphie bei zerebro-vaskul~iren Erkrankungen

Der Einsatz der Hirnszintigr~phie ist ebenso indiziert bei Verdaeht auf zerebro-vaskul/~re Erkrankungem IntrazerebrMe I-I/~matome k6n- hen szintigraphisch erfagt werden, wenn die Szintigraphie im opti- malen Zeitingervall naeh Einsetzen der Blutung vorgenommen wird.

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108 H. Steinhoff :

H/imatome weisen im Szintigramm erst im Stadium der Organisation, d .h . friihestens 3--6 Tage nach dem Ereignis eine szintigraphische Anreicherung auf. Der Nachweis frischer raumfordernder Blutungen b]eibt daher der Echoenzephalographie und der zerebralen Angiographie vorbehalten. Erst gegen Ende der ersten Woche liegt die szintigraphi- sche Nachweiswahrscheinlichkeit yon H~matomen bei etwa 50~o. Sie nimmt innerhalb der 2. Woche auf 60--100% zu und erreieht w~hrend der 3. und 4. Woche naeh dem akutea Ereignis etwa 100%.

Auf Grund eigener Untersuchungen bei 20 operativ best~tigten intrazerebralen H~tmatomen betr~gt die szintigraphische Trefferquote 7 6 ~ wobei die Untersuchung nicht vor dem 6. Tag und nicht sps als 40 Tage neoch dem Ereignis erfolgte. Es gibt jedoch keine h~matom- typische Speicherungscharakteristik im 99mTc-Szintigramm. Bei Vor- liegen einer pathologisch wertbaren Aktivitgtsanreicherung innerhalb der ersten 2 Tage naeh dem Blutungsereignis besteht der dringende Verdacht auf das Vorliegen eines Tumors. Dabei ist lediglich zu be- riieksichtigen, dab ttirnkontusionen innerhalb der ersten 2 Tage eben- falls eine Aktivits aufweisen k6nnen.

Bei Patienten, bei denen die Differentialdiagnose Blutung oder Tumor zur Diskussion steht, bietet die kombinierte Hirnszintigraphie unter Verwendung yon 99mTc-Pertechnetat und 75Selen-Natriumselenit die M6g]ichkeit einer zus~ttzlichen differentialdiagnostischen Abklg- rung. Natriumselenit gelangt vorwiegend in Tumoren zur Anreiehe- rung und weist in nicht blastomat6sen Prozessen keine oder eine signifikant geringere Akkumulierung auf als im Technetium-Szinti- gramm s, ~s. Man nimmt bisher an, dab das radioaktive Selenit nach Bindung ~n Proteine in Tumoren als Folge eines erhShten Eiwei~um- satzes bevorzugt zur Anreicherung gelangt. Bei 6 mit Natriumselenit szintigraphierten operativ bestAtigten intrazerebra]en H/~matomen unserer Klinik war der szintigraphisehe Befund fiinfmal negativ und einmal sehwach positiv im Gegensatz zu einer intensiveren Anreiche- rung im 99mTc-Szintigramm. Andererseits besitzt die Natriumselenit- Szintigraphie auf Grund eigener Untersuchungen bei 38 Hirntumoren mit 89% eine hohe Tumortrefferquote und eine etwa gleich groBe Tumorspeicherungsintensitgt wie im 99mTc-Szintigramm, so dab Fehlinterpretationen eines negativen Natriumselenit-Szintigrammes relativ selten vorkommen.

Der Wert der Natriumselenit-Szintigraphie in der Differentialdia- gnostik Blutung/Tumor soll an einigen Beispielen demonstriert werden.

Bei einem 53j~hrigen t{ypertoniker mit den angiographisehen Zeichen einer intrazerebralen Raumforderung rechts-parieto-okzipital 4 Wochen nach pl6tzlich aufgetretener linksseitiger Hemiparese finder sich im Szinti- gramm mit 2~ (s. Abb. 2 oben) ein ausgedehnter Speiche-

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Die Leistungsf/~higkeit der Hirnszintigraphie 109

Abb. 2. Intrazerebrales Hgma~om reehts parieto-okzipital. Ausgedehnter Speicherungsbezirk in der reehten Parietookzipitalregion irn ~03Hg-Chlor- merodrin-Szintigramm (Abb. oben) im Gegensatz zu einer fehlenden Aktivi- ~/~sa, kkumulierung im 75Se-Natriumse16ni~-Szin~igramm (Abb. unten)

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110 H. Steinhoff:

rungsherd in der reehten Parieto-Okzipital-Region. Im Szintigramm mit 7SSe- Natriumselenit, welches am selben Tag vorgenommen wurde, finder sieh dagegen kein Anhalt fiir eine pathologisch wertbare Aktivit/~tsanreieherung. Das untersehiedliche Speicherungsverhalten im Szintigramm mit 2S3Hg- Chlormerodrin und 75Se-Natriumselenit spricht fiir das Vorliegen eines nieht blastomatfsen Prozesses, wobei hinsichtlieh der ausgepr/~gten Zeichen der Raumforderung im Angiogramm ein intrazerebrales I-I~matom anzunehmen war, welches operativ best/itigt wcrden konnte.

Bei einer 34j/~hrigen Patientin bestand wegen,mehrfaeh aufgetretener Kopfsehmerzattacken mit typischem Nackensehmerz und fltiehtiger links- seitiger Hemiparese sowie blutigem Liquor der Verdaeht auf das Vorliegen einer Subaraehnoidalblutung auf dem Boden einer Gef/~l~anomalie. Ein An- e urysma oder ein Angiom konnten im Angiogramm nieht nachgewiesen werden. Es fanden sich angiographisch die Zeichen einer rechts-temporobasalen gaumforderung, die jedoch keine eindeutige differen~ialdiagnostisehe Ab- grenzung einer Blutung gegeniiber einem Tumor zuliei3en. Die kombinierte Hirnszintigraphie mit 99mTechnetium-Pertechnetat und 758e-Natrium- selenit (s. Abb. 3) sprach hinsichtlich einer intensiven Aktivit/~tsakkumu- lierung beider Substanzen in der rechten Temporo-Basal-Region ftir das Vorliegen eines Tumors, der operativ best/~tigt werden konnte. Es handelte sieh um ein Ependymom Grad II .

Besondere Bedeutung besitzt die Hirnszintigraphie als Suchmethode bei Verdacht auf ein chronisches SubduralMmatom. Chronisehe Sub- duralh/~matome ergeben im Technetium-Szintigramm auf Grund einer gr6geren Sammelstatistik yon Cowan in 81% einen positiven szinti- graphisehen Befund in Form einer fl~ehenhaften Aktivitgtsspeieherung fiber der entsprechenden Groghirnhemisph~re. Die szintigraphisehe Trefferquote erh6ht sich naeh Cowan auf 91~ wenn die Untersuehung zwisehen dem 10. und 30. Tag nach der Blutung erfolgt. Eine fl~chen- hafte Aktivit/~tsspeieherung in Kalottenn/~he ist allerdings nicht patho- gnomonisch fiir Bin Subduralh/~matom, da /~hnliche szintigraphische Befunde auch beim Kopfschwartenh/~matom, beim sub- oder epiduralen Empyem und bei ausgedehnten Tumoren der Sch/idelkalotte ange- troffen werden. Der Wert der Hirnszintigraphie besteht in der Auf- deekung des pathologischen Befundes, der durch weitere Zusatzunter- suchungen abzukl/~ren ist.

Hirninfarkte

W/~hrend bei einer intermittierenden Isch/~mio in ~Jbereinstimmung mit anderen Autoren1% 21 in der Regel keine szintigraphisehe Anrei- cherung angetroffen wird, k6nnen Hirninfarkte mit l~nger anhaltenden neurologisehen Ausf/~llen szintigraphiseh in einem rel~tiv hohen Prozent- satz nachgewiesen werdem Die prozentuale Speieherungsh/~ufigkeit steht in eindeutiger Relation zur Gr6Be des Infarktbezirkes und zum Szintigraphiezeitpunkt naeh dem Infarktereignis. Mit einer Aktivit/~ts-

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112 H. Steinhoff :

anreieherung kann /thnlieh wie beim H/tmatom friihestens zwisehen dem 3. und 6. Tug naeh dem Ereignis gereehnet werden. Glasgow 12, der bei 152 Patienten mit Hirninfarkt 179 tIirnszintigraphiert mit 203Hg-Chlormerodrin durehfiihrt~e, gibt innerhalb der ersten Woehe naeh dem Infarktereignis bei grogen Infarkterl eine Naehweiswahrsehein- liehkeit von 42~o und bei Infarkten yon mittlerem Ausmag von 37% an, w~hrend kleinere Infarkte innerhalb der 1. Woehe keine szirtti- graphisehe Anreieherung aufwiesen. W/~hrend der 2. Woehe naeh dem Ereignis sind naeh seinen Ergebnissen gro•e Infarkte zu 100%, mittel- grebe Infarkte zu 63~o und kleine hffarkte in 17 ~o naehweisbar. Inner- halb der 3. Woehe nimmt die Naehweisbarkeit yon grol3er~ Infarkt- bezirken mit 92% bereits etwas ab. Sie ist bei mittelgroBen Infarkten mit 63% gleieh groB wie in der 2. Woehe und nimmt bei kleinen Im farkten mit 33~o noeh zu. Die h6ehste prozentuale Anreiehermlgshs keit der Infarkte versehiedener GrSgenausdehnung ist mit 67 ~o in der 3. Woehe naeh dem Infarktereignis zu erwerten. Sie f/~llt im weiteren Verlauf auf 36% innerhalb der 7. bis 12. Woehe ab.

Neben der Gr513e ist aueh die Lokalisation eines Infarktbezirkes mal3gebend ftir die szintigraphisehe Naehweisbarkeit. So sind Inlarkte im Versorgungsgebiet der A. eerebri anterior und im Bereieh der hin- teren Seh/tdelgrube wegen der Aktivit/ttsiiberlagerung der extrazerebra- len S~rukturen und Infarkte des Stammhirns und der inneren Kapsel weniger h/iufig szintigraphiseh erfaBbar.

In der Regel lassen sieh im Teehnetium-Szintigramm Infarkte auf Grund der Speieherungseharakteristik nieht gegenfiber Tumoren and H/~matomen abgrenzen. Eine Ausnahme bildet der szintigraphisehe Befund bei einem kompletten Infarkt im Versorgungsgebiet der A. eerebri media. Dabei entsprieht die Aktivit/~tsverteilung in ganz eharak- teristiseher Weise dem gesamten Media-Versorgungsgebiet, so dug allein nut Grund des Szintigrammes der Verdaeht auf einen Infarkt ausgespr0ehen werden kann (s. Abb. 4).

Der Zeitpunkt der szintigraphisehen Anreieherung r~aeh einem apo- plektiformen Ereignis ist nieht sieher f i i r die Differentialdiagnose zwi- sehen Erweiehungert und Blutungen verwertbar, da innerhalb der 1. Woehe bei Infarkten zwisehen 22 und 42~o und bei Blutungert in etwa 500/o mit eine~ Anreieherurtgsherd zu reehrterL ist. Im weiteren Verlauf ist die prozenguale Anreieherungsh/~ufigkeit yon Infarkten und Blutungen annghernd gleieh. Eine siehere Abgrenzung yon Infarkten gegeniiber intrazerebralen H/tmatomen ist nur mit Hilfe der erggnzen- den zerebralen Angiographie mSglieh.

Fiir die Abgrenzung eines Infarktes gegeniiber einem Tumor gilt ~hnlieh wie beim H~matom, dub bei einer szintigraphiseh fagbaren Anreieherung innerhalb der ersten 2 Tage das Vorliegen eines Tumors

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Die Leistungsf/~higkeit der Hirnszintigraphie 113

Abb. 4. Kompletter linksseitiger Mediainfarkt nach traumatischem Ver- sehluB der linken A. cerebri media. 99mTechnetium-Szintigramm mi~ infm'kt- typischer AkVivit~t~sspeicherung im gesamten Versorgungsgebiet der linken

A. cerebri media

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Die Leistungsf~higkeit der Hirnszintigraphie 1 i 5

Abb. 6. Subdurales Empyem links frontal. Fl~ohenhafte Aktivit/itsspeiche- rung im 99mTechnetium-Szintigramm in Kalottenn~he links frontal

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116 H. SLeinhoff :

anzunehmen ist. Ergeben sich klinisch und angiographisch Schwierig- kcitexl in der differential-diagnostischen Abgrenzung eiaer Erweichuag gegenfiber einem Tumor, so ksnn such in diesen F/~llen die Natrium- selenit-Szintigrsphie zur differentisl-disgnostischen Abkl/~rung heran- gezogen werdcn. Nstriumselenit wird such in Infarkten gar nicht oder wesentlich geringer angereichert als 99mTechnetium (s. Abb. 5).

Abb. 7. Liquorfistel. Im Liquorszintigramm mit 131J-Humanserumalbumin 24,5 Stunden nach subokzipitaler Applikation der Substanz Nachweis eines Liquoraustrittes am Planum sphenoidale in das KeilbeinhShlengebiet und

den N~senrachenraum (s. Pfeilm~rkierung)

Der diagnostische Wert der Hirnszintigraphie mit 99mTechnetium- Pertechnetst bei Hirninfsrktea besteht in der geaauen Abgrenzbar- keit des Infsrktbezirkes, die im Angiogrsmm in manchen F/illen nicht mSglich ist. Das trifft bcsonders zu bci Patienteu, bci denen angiogrs- phisch susschlieBlich eine Stenose der A. csrotis interns odor Ver~n- derungen im Sirme eiues allgemeinen arteriosklerotischen Gef/~13pro- zesses nachgewiesen werden. Nach Ansicht ciniger Autoren 1~, 1~ be- sitzt die Hirnszintigrsphie zus~tzlich eine prognostische Aussagekraft insofern, als bei Patienten mit sehr umfangreicher und intensiver Speicherung die Prognose ungiinstiger ist.

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Die Leistungsffihigkeit der I-Iirnszintigraphie 117

Entziindliehe Prozesse

I n ganz besonderem Mage eignet sich die Hi rnsz in t ig raphie mi t 09mTe-Perteehnetat zum Naehweis bzw. zum Aussehlug yon Hirn- abszessen, da Abszesse in ldbere ins t immung mi t den Ergebnissen an-

Abb. 8. Hydrocephalus internus aresorptivus. Akkumulierung der radio- aktiven Substanz innerhalb des Ventrikelsystems als Hinweis auf einen

zisterno-ventrikul/iren Riiekfluf3 des Liquors

derer Au to ren 5, 12 zu etw~ 100% szint igraphisch erfal~bar sind. Dabe i is t zu berficksichtigen, d~B sieh Abszesse von einem kleineren Dureh- messer als 1,5 cm und bei t ie ferem Sitz yon 2 cm Durchmesser dem szint igraphischen Nachweis entziehem Abszesse sind durch eine inten-

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118 I'i. Steinhoff:

sive scharf begrenzte, meist rundiiche Aktivits gekenn- zeichnet, die gegeniiber einer Speicherur~g yon seiten eines Tumors nicht abgrenzbar ist.

Enzephalitisehe Prozesse kSnner~ ebenfalls zu einer szintigraphiseh fal~baren Aktivit/itsanreicherung fiihren, die weniger intensiv ausge- pritgt ist als beim AbszeB. Empyeme sind bei einem Ausmai3 von mehr als 1,5 cm Durchmesser szintigraphisch nachweisbar (s. Abb. 6).

Liquorszintigr~phie

Zur Liquorszintigraphie wird l~lJod-Humanserumalbumin intra- lumbal oder subokzipital in einer Dosierung yon 100 [zCi appliziert. Bei subokzipitaler Applikation breitet sich die Substailz inaerhalb weniger Stunden infolge des Liquorstromes im Zisternensystem und den Sub- araehnoidalr/~umert aus.

Die Liquorszintigraphie mit 181Jod-I-Iumanserumalbumin eignet sigh zum Nachweis yon traumatischen oder atraumatischen Liquor- fistelu. Die Liquorfistel stellt sich in Form einer extraduralen Aktivi- t/~tsakkumulierung dar (s. Abb. 7). Ashburn und Mitarbeiter geben bei 14 szintigraphisch untersuchten Liquorfisteln eirm Trefferquote yon 57% an. In 87% der positiven Szintigramme fund sich eine Hber- einstimmung tier szintigraphischen Lokalisation mi~ dem Operations- ergebnis. Fisteln mit sichtbarem Liquorflu$ waren zu 100% szinti- graphiseh positiv, w/ihrend Fisteln ohne sichtbare Liquorrhoe nur zu 25~o szintigraphisch nachgewiesen warden konnten.

Das Liquorszintigramm erm6glich~ ferner den Nachweis von Liquor- zirkulationsst6rungen. Bei einem posttraumatischen Hydrocephalus, der auf einer StSrung tier Liquorresorption beruht, ist im Liquorszinti- gramm ein zisterno-ventrikul/~rer Riickflul~ des Liquors nachweisbar (s. Abb. 8). Der zisterno-ventrikul~re Riickflu6 des Liquors /~ul]ert sieh szintigraphiseh in einer Akkumulierung der radioaktiven Sub- stanz innerhalb des Ventrikelsystems. Beim szintigraphisehen Nachweis eines posttraumatischen aresorptiven Hydrocephalus besteht die In- dikatioa ftir eine Ventiloperation.

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Anschrift des Verfassers: Dr. It . Steinhoff, Neurochirurgische Klinik der Universit~t Mfinchen, Beethovenplatz 2--3, D-8 Mfinchen 15, Deutschland.