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© Springer-Verlag 2010 wobl Wohnrechtliche Blätter 23, 191 – 192 (2010) DOI 10.1007/s00719-010-1564-3 Printed in Austria Dir. Theodor Österreicher, Min.-Rat. Dr. Andreas Sommer, Wien Die Liebe zu den Modellen*) Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wem, in welcher von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichteten Mietwohnung nach einem Mieterwechsel wie lange und wie oft welche gesetzliche Option auf nachträgliche Begründung / Übertragung von Wohnungsei- gentum zusteht. Deskriptoren: gemeinnützige Bauvereinigung, Mieterwechsel, Option, Wohnungseigentumsbegrün- dung, Wohnungseigentumsübertragung; § 15 c, § 15 e WGG. Übersicht A. Zum Thema B. Stellungnahme I. Modell 1 (§ 15 c lit a Z 1 iVm § 15 e Abs 1 lit a WGG) II. Modell 2 (§ 15 c lit a Z 2 iVm § 15 e Abs 1 lit b WGG) C. Fazit A. Zum Thema Entgegen vielfach vertretener und kommen- tierter Auffassungen handelt es sich uE bei den in § 15 c lit a Z 1 und Z 2 WGG geregelten „Fäl- le(n)“ 1 ) besonderer Mieterrechte im Hinblick auf eine nachträgliche Wohnungseigentumsbegrün- dung bzw Wohnungseigentums-Übertragung nicht um solche, die eine Baulichkeit oder eine Wohnung (quasi in einem chronologischen Ablauf) sozusagen doppelt betreffen können. Vielmehr geht es hierbei um zwei „Fälle“ und zwei Modelle, die schon auf- grund unterschiedlich fokussierter Wohnungsbe- stände zu keiner „gemeinsamen Anwendung“ fin- den können. B. Stellungnahme Zwar ist zuzugeben, dass die mit WRN 2000 ge- troffenen Normierungen/Formulierungen, einer- seits in zwei unterschiedlichen Paragraphen (§ 15 b und § 15 d WGG) bzw andererseits innerhalb des § 15 d WGG mit dem deutlichen und ausdrückli- chen Hinweis auf die Voraussetzung einer Förde- rung: „vor dem 1. Juli 2000“ und einer Einhebung von Grundkostenbeiträgen: „nach dem 30. Juni 2000“ dies klarer und unzweideutig zum Ausdruck gebracht haben als dies offenkundig heute auf Ba- sis des geltenden § 15 c lit a Z 2 iVm § 15 e Abs 1 lit b WGG gelesen wird/gelesen werden kann(?). Überaus deutliche Hinweise für die hier ver- tretene „Zwei Modelle-Interpretation“ liegen aber darin, dass *) In Anlehnung an den Titel des 1979 erschienenen Romans von Barbara Frischmuth: „Kai und die Liebe zu den Modellen“. 1 ) So der Wortlaut des § 15 e WGG Einleitungssatz. (a) einerseits § 15 c lit.a Z 2 iVm § 15 e Abs. 1 lit.b WGG unzweifelhaft nur eine „Folgeregelung“ zu 15 d WGG idF WRN 2000 darstellt (b) andererseits § 15 c lit.a Z 1 WGG ausdrück- lich auf Einmalbeträge zu den „Grund- und/oder Baukosten“, § 15 c lit a Z 2 WGG hingegen aus- drücklich auf solche nur zu den „Grundkosten“ abstellt. Verschiedene Kommentatoren haben mit dieser Differenzierung unter Annahme eines sich „überlappenden“ Modells „ihre liebe Not“ 2 ) (ge- habt). Zu Recht: Zumal ein derartiges Abstellen einmal auf „Grund- und/oder Baukosten“ dann nur auf „Grundkosten“ innerhalb eines Modells, begründet ausschließlich im Umstand eines Mie- terwechsels, nicht/kaum erklärbar ist, da sich an der „Finanzierungsstruktur“ der Baulichkeit ja grundsätzlich nichts geändert hat. Nur eine historisch/teleologische Interpretation, die den Willen des Gesetzgebers im Auge hat, bie- tet uE hier einen sinnvollen „Ausweg“. I. Modell 1 (§ 15 c lit a Z 1 iVm § 15 e Abs 1 lit a WGG) Dieses Modell stellt aus Sicht des historischen Gesetzgebers (WRN 2002 bzw 2000) auf den (zu- künftigen) „Neubau“ und dessen Finanzierung mit Mieter-Einmalbeträgen zu den Grund- und/oder Baukosten bzw vorab und grundsätzlich auf den optionsbegründenden „Erstbezug“ (der Baulich- keit) ab, wobei für den Erstmieter oder aber den je- weiligen Folgemieter – somit objektbezogen – im Zeitraum ab dem elften Jahr ab Erstbezug bis zum Ablauf des 15. Jahres einmalig die (auch nicht mit- tels Umfinanzierung, aus der Sicht der Bauverei- nigung: „abwendbare“) Möglichkeit einer Antrag- stellung auf Begründung von Wohnungseigentum bzw Einräumung von Wohnungseigentum besteht. Je nach gewählter Finanzierung waren/sind einer Bauvereinigung bei diesem (grundsätzlich frei gewählten) Modell die möglichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen von Anbeginn an klar: Diese beinhalten die Möglichkeit, ob von der Bau- 2 ) Siehe etwa Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht 22 (2009) § 15 c WGG Rz 3.

Die Liebe zu den Modellen

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© Springer-Verlag 2010

woblWohnrechtliche Blätter 23, 191–192 (2010)DOI 10.1007/s00719-010-1564-3Printed in Austria

Dir. Theodor Österreicher, Min.-Rat. Dr. Andreas Sommer, Wien

Die Liebe zu den Modellen*)

Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wem, in welcher von einer gemeinnützigenBauvereinigung errichteten Mietwohnung nach einem Mieterwechsel wie lange und wie oftwelche gesetzliche Option auf nachträgliche Begründung / Übertragung von Wohnungsei-gentum zusteht.

Deskriptoren: gemeinnützige Bauvereinigung, Mieterwechsel, Option, Wohnungseigentumsbegrün-dung, Wohnungseigentumsübertragung;§ 15c, § 15e WGG.

Übersicht

A. Zum ThemaB. Stellungnahme

I. Modell 1 (§ 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit aWGG)

II. Modell 2 (§ 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit bWGG)

C. Fazit

A. Zum ThemaEntgegen vielfach vertretener und kommen-

tierter Auffassungen handelt es sich uE bei denin § 15c lit a Z 1 und Z 2 WGG geregelten „Fäl-le(n)“ 1) besonderer Mieterrechte im Hinblick aufeine nachträgliche Wohnungseigentumsbegrün-dung bzw Wohnungseigentums-Übertragung nichtum solche, die eine Baulichkeit oder eine Wohnung(quasi in einem chronologischen Ablauf) sozusagendoppelt betreffen können. Vielmehr geht es hierbeium zwei „Fälle“ und zwei Modelle, die schon auf-grund unterschiedlich fokussierter Wohnungsbe-stände zu keiner „gemeinsamen Anwendung“ fin-den können.

B. StellungnahmeZwar ist zuzugeben, dass die mit WRN 2000 ge-

troffenen Normierungen/Formulierungen, einer-seits in zwei unterschiedlichen Paragraphen (§ 15bund § 15d WGG) bzw andererseits innerhalb des§ 15d WGG mit dem deutlichen und ausdrückli-chen Hinweis auf die Voraussetzung einer Förde-rung: „vor dem 1. Juli 2000“ und einer Einhebungvon Grundkostenbeiträgen: „nach dem 30. Juni2000“ dies klarer und unzweideutig zum Ausdruckgebracht haben als dies offenkundig heute auf Ba-sis des geltenden § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1lit b WGG gelesen wird/gelesen werden kann(?).

Überaus deutliche Hinweise für die hier ver-tretene „Zwei Modelle-Interpretation“ liegen aberdarin, dass

*) In Anlehnung an den Titel des 1979 erschienenenRomans von Barbara Frischmuth: „Kai und die Liebe zuden Modellen“.

1) So der Wortlaut des § 15e WGG Einleitungssatz.

(a) einerseits § 15c lit.a Z 2 iVm § 15e Abs. 1lit.b WGG unzweifelhaft nur eine „Folgeregelung“zu 15d WGG idF WRN 2000 darstellt

(b) andererseits § 15c lit.a Z 1 WGG ausdrück-lich auf Einmalbeträge zu den „Grund- und/oderBaukosten“, § 15c lit a Z 2 WGG hingegen aus-drücklich auf solche nur zu den „Grundkosten“abstellt. Verschiedene Kommentatoren haben mitdieser Differenzierung unter Annahme eines sich„überlappenden“ Modells „ihre liebe Not“2) (ge-habt). Zu Recht: Zumal ein derartiges Abstelleneinmal auf „Grund- und/oder Baukosten“ dannnur auf „Grundkosten“ innerhalb eines Modells,begründet ausschließlich im Umstand eines Mie-terwechsels, nicht/kaum erklärbar ist, da sich ander „Finanzierungsstruktur“ der Baulichkeit jagrundsätzlich nichts geändert hat.

Nur eine historisch/teleologische Interpretation,die den Willen des Gesetzgebers im Auge hat, bie-tet uE hier einen sinnvollen „Ausweg“.

I. Modell 1 (§ 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit aWGG)

Dieses Modell stellt aus Sicht des historischenGesetzgebers (WRN 2002 bzw 2000) auf den (zu-künftigen) „Neubau“ und dessen Finanzierung mitMieter-Einmalbeträgen zu den Grund- und/oderBaukosten bzw vorab und grundsätzlich auf denoptionsbegründenden „Erstbezug“ (der Baulich-keit) ab, wobei für den Erstmieter oder aber den je-weiligen Folgemieter – somit objektbezogen – imZeitraum ab dem elften Jahr ab Erstbezug bis zumAblauf des 15. Jahres einmalig die (auch nicht mit-tels Umfinanzierung, aus der Sicht der Bauverei-nigung: „abwendbare“) Möglichkeit einer Antrag-stellung auf Begründung von Wohnungseigentumbzw Einräumung von Wohnungseigentum besteht.Je nach gewählter Finanzierung waren/sind einerBauvereinigung bei diesem (grundsätzlich freigewählten) Modell die möglichen rechtlichen undwirtschaftlichen Folgen von Anbeginn an klar:Diese beinhalten die Möglichkeit, ob von der Bau-

2) Siehe etwa Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- undWohnrecht22 (2009) § 15c WGG Rz 3.

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wobl192 T. Österreicher, A. Sommer, Die Liebe zu den Modellen 2010, Heft 7/8

Juli/August

vereinigung gewollt oder nicht, im Zeitraum zwi-schen elften und Ablauf des 15. Jahres ab Erstbe-zug (der Baulichkeit) vom dann jeweiligen Mieterder Wohnung mit einem „Antrag auf nachträglicheÜbertragung in das Wohnungseigentum“ 3) kon-frontiert zu werden und danach (bei Nichtan-nahme des Angebotes durch den Mieter) mit dessenhöchstens fünfjährigen Vorkaufsrecht4). Weiterge-hende Rechte auf Mieterseite bzw. Rechte/Ver-pflichtungen auf Seite der Bauvereinigung, etwa inRichtung auf eine Verknüpfung mit Modell 2 sinddamit uE nicht verbunden, zumal dies zu Ergeb-nissen führte, deren Eintritt auch kaum als demWillen des Gesetzgebers entsprechend, eingestuftwerden könnten5).

II. Modell 2 (§ 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit bWGG)

Dieses Modell stellt hingegen aus Sicht des his-torischen Gesetzgebers (WRN 2002 bzw 2000) aufden sozusagen „nicht optionsbelasteten“ Altbe-stand und die in diesem zukünftig erfolgendenMieterwechsel und den zu diesem Anlass (allfäl-lig) zu leistenden Mieter-Einmalbeträgen zu denGrundkosten (aus „Anlass einer späteren Über-lassung“ 6) im Unterschied zu einer „erstmaligenÜberlassung“ mit Optionsbegründung bei Modell 1ab, wobei für den jeweiligen Mieter – subjektbe-zogen – im Zeitablauf ab dem elften Jahr (bis zumEnde des 15. Jahres) „seines“ Mietvertrages ein-malig die Möglichkeit einer Antragstellung aufBegründung von Wohnungseigentum bzw Einräu-mung von Wohnungseigentum besteht, sofernnicht zuvor eine „Umfinanzierung gemäß § 17aAbs 1 erfolgt ist“ 7).

3) § 15e Abs 1 WGG.4) § 15f WGG.5) Beispielsweise würden – rein theoretisch (und abge-

sehen von wirtschaftlichen Überlegungen) – bei einemsozusagen (uE eben nicht möglichen!) „Kippen/Sprin-gen“ von Modell 1 zu Modell 2:

(a) etwa aufgrund eines Mieterwechsels im zweitenJahr nach Bezug und einem diesfalls dann möglichenUmfinanzieren durch die Bauvereinigung, das Options-recht auch schon wieder „passé“ sein;

(b) etwa aufgrund eines Mieterwechsels im 15. Jahrnach Erstbezug, für weitere (und danach theoretisch im-mer wieder weitere) bis zu 15 Jahren („subjektbezogen“)Optionsrechte von Folgemietern auch im „Neubaube-reich“ entstehen können.

6) „Spätere Überlassung“ iS eines Mieterwechsels im(vor allem schon vor Inkrafttreten der WRN 2000 bzw2002 errichteten/finanzierten) keinesfalls (weder histo-risch noch zukünftig!) schon bei Erstbezug der Baulich-keit mit gesetzlichen Optionen „belasteten“ Wohnungs-altbestand. Dieser kann/konnte von dem, grundsätzlichauf „Neubau und Erstbezug“ abzielenden § 15c lit a Z 1WGG nie betroffen sein und sollte mit diesem neuenModell nun gleichfalls, aber mit Umfinanzierungsmög-lichkeit für die Bauvereinigung, sozusagen „in Pflichtgenommen“ werden. Sinngemäß nach dem Prinzip: Jehöher die finanzielle „Eintrittsschwelle“ in ein Mietver-hältnis umso mehr Mieterrechte (in Richtung auf ein all-fälliges Wohnungseigentum).

7) § 15c lit a Z 2 WGG.

Anders als bei Modell 1 betrifft Modell 2 alsoBaulichkeiten, wofür die Bauvereinigung histo-risch eine bestimmte Finanzierungsstruktur ge-wählt hat, ohne zu diesem Zeitpunkt die später(ab WRN 2000) damit einhergehenden Folgen(diesfalls eben besondere Mieterrechte im Hinblickauf nachträgliches Wohnungseigentum) zu ken-nen. Anders als nach Modell 1 wird ihr daher, umeinem „Kontrahierungszwang“ zu entgehen, dieMöglichkeit einer vorherigen Umfinanzierung ge-setzlich ausdrücklich ermöglicht. Anders als nachModell 1 wird überdies nicht „objektbezogen“ (alsVoraussetzung für das Antragsrecht des Mieters)bei einer insgesamt zehnjährigen Nutzung alsMietobjekt angeknüpft, sondern bei der „subjekti-ven“, jeweiligen Nutzungsdauer des betroffenenMieters.

C. FazitHintergrund dieser von uns dargestellten „Zwei

Modelle-Interpretation“ ist eine relativ eindeutigeund vielfach zu damaligen Zeiten geäußerte woh-nungspolitische Motivation, die (zumal aus heu-tiger Erfahrung) naturgemäß unterschiedlich be-urteilt und diskutiert8) werden kann, die aber ver-schiedenen Autoren jedenfalls nicht entgangenist: „Der wahre Kern9) [. . .] dürfte in dem Anreizzu der vom Gesetzgeber gewünschten Umfinanzie-rung (Rückzahlung) der Einmalbeträge [. . .] lie-gen10).“

Korrespondenz: Dir. Theodor Österreicher, Ös-terreichischer Verband gemeinnütziger Bauverei-nigungen, Bösendorferstraße 7, 1010 Wien; Email:[email protected]; Min.-Rat. Dr. Andreas Sommer,Bundesministerium für Wirtschaft, Familie undJugend, Stubenring 1, 1011 Wien; Email: [email protected].

8) Die Bandbreite der Diskussion (durchaus in einemsozusagen „West/Ostgefälle“) ist groß: Kaum sachgerechterscheint es, mittels (hoher) Einmalbeträge auch die „So-zialstruktur“ einer Baulichkeit „zu steuern“, zweifellosrichtig ist hingegen der eingewendete Vorteil einer dies-falls geringeren laufenden Entgeltbelastung für alle Be-teiligten.

9) Gemeint ist der Kern des § 15d (bzw der Folgerege-lung in § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b WGG).

10) Siehe Würth, Wohnrecht 2000 (2000) § 15d WGGRz 5.

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