Upload
vuongcong
View
218
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlich-
keiten und Prognosen
Matthias Ludwig, Goethe-Universität Frankfurt
Die Mathematik hinter der Prognose kann man in drei Modelle unterteilen:
a) Modell zur Berechnung der Siegwahrscheinlichkeiten bei einem einzelnen Spiel.
b) Modell zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, das Achtelfinale zu erreichen.
c) Modell zur Berechnung der Wahrscheinlichkeiten, um in der K.O.- Runde weiter zu
kommen.
Als mathematisches Rüstzeug wird Bruchrechnung und Prozentrechnung, das Bernoulliexpe-
riment mit der Berechnung der Binomialverteilung, das Baumdiagramm mit seinen Pfadre-
geln, sowie das erstellen von Statistiken benötigt. All dies wird bis zum Ende der Sekundar-
stufe in der Schule behandelt. Wir bieten hier Unterrichtsmaterial für eine Modellierung im
Mathematikunterricht zum Ende der Sekundarstufe an.
a) Modell zur Berechnung der Siegwahrscheinlichkeiten bei
einem einzelnen Spiel.
Wie kann man die Siegchancen bei einem einzelnen Fußballspiel mit einfachen Mitteln be-
stimmen? Wir bestimmen derzeit die Siegwahrscheinlichkeit der Mannschaft A gegen Mann-
schaft B aus drei Faktoren:
Historische Spielergebnisse (Hat Mannschaft A in der Vergangenheit gegen B gewonnen,
verloren oder unentschieden gespielt?), historisches Torverhältnis (Wie viele Tore hat
Team A gegen Team B geschossen bzw. sich eingefangen?) und die aktuellen FIFA-Punkte 1
von A und B.
Jeder dieser drei Faktoren kann nach persönlichen Wünschen gewichtet werden. Die Grund-
einstellung ist die Gleichgewichtung.
Nun ist man in der Lage, durch eine entsprechende Modellierung für jede mögliche Mann-
schaftspaarung mit den entsprechenden Daten die Siegwahrscheinlichkeiten zu berechnen.
Falls Mannschaften noch nie gegeneinander gespielt haben (wie z.B. die Elfenbeinküste ge-
gen Kolumbien oder Griechenland in Gruppe C), so werden nur die FIFA-Punkte herangezo-
gen.
1 Die FIFA-Punkte einer Nationalmannschaft werden aus den Siegen gegen andere Nationalmannschaf-ten berechnet. Hierbei spielt es auch eine Rolle wie gut das andere Team ist und welchem Kontinental-verband diese angehört. Weitere Infos: de.wikipedia.org/wiki/FIFA-Weltrangliste
© 2014 www.fussballmathe.de
2 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Historische Spielergebnisse
Die bekannteste und beliebteste, wenn auch nicht gerade genauste Methode, ein Ergebnis
bei einem Fußballspiel vorherzusagen, ist, historische Spielergebnisse heranzuziehen. Wir alle
kennen das: wenn der Reporter sagt: Deutschland konnte seit 19 Jahren nicht mehr gegen
Italien gewinnen, dann denken wir alle: oh je, das wird wohl wieder nichts. Aber eine Hoff-
nung haben wir doch.
Bleiben wir beim Beispiel Deutschland- Italien: Es gab bisher 32 Begegnungen die von beiden
Verbänden gezählt werden, davon hat Deutschland 7 gewonnen, 15 verloren und 10 Mal
unentschieden gespielt. Es lässt daraus sehr einfach eine Siegwahrscheinlichkeit für Deutsch-
land berechnen P(DgI)=7/32= 21,9%. Dabei bedeutet P(DgI) die Wahrscheinlichkeit des Er-
eignisses: Deutschland gewinnt gegen Italien)
Ein Unentschieden wird es zu P(DuI)= 10/32 = 31,3% geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass
Deutschland verliert beträgt P(DvI)= 15/32=46,9%. Dass dieses Modell nicht besonders weit
trägt, merkt man, wenn man z.B. die historischen Ergebnisse zwischen Deutschland und USA
betrachtet. Hier gibt es sechs Siege für Deutschland, drei für USA und kein Unentschieden.
Die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden bei diesem dieses Modell wäre also bei 0%,
was keine gute Prognose wäre.
Man muss also noch andere Daten heran ziehen. Eine weitere Datenquelle für Prognosen
wäre das Torverhältnis der beiden Mannschaften. Bei Deutschland gegen die USA ist das Ver-
hältnis derzeit 21:15 bei 9 Spielen. Mit 4 Toren pro Spiel liegt die Toranzahl pro Spiel deutlich
über dem Durchschnitt. Ein Unentschieden wäre in dieser Begegnung mit 19% zwar un-
wahrscheinlicher als im Durchschnitt aber doch möglich. Wie man die Wahrscheinlichkeit für
ein Unentschieden berechnen kann, beschreibt der nächste Abschnitt.
Historisches Torverhältnis
Entscheidend für diesen Ansatz ist, dass wir annehmen, dass der Endstand nach einem Fuß-
ballspiel das Ergebnis eines zufälligen Prozesses ist. Diese Annahme, so unsinnig sie zunächst
erscheinen mag, basiert auf den wöchentlichen Erfahrungen, die in den verschiedensten Li-
gen gesammelt werden. Bei mehr als der Hälfte aller Tore ist absoluter Zufall entscheidend.
Da geht ein Ball beim ersten Schuss an den Pfosten, beim nächsten Mal wird er abgefälscht
und fliegt deshalb in die Maschen, beim dritten Mal wird ein korrektes Tor wegen vermeintli-
chen Abseits nicht gegeben, beim vierten Fall führt eine Schwalbe im Strafraum zu einem
unberechtigten Elfmetertor. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen der Zufall über ein Tor
und somit über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Allerdings ist das Glück oder das Pech nicht gleich verteilt. Oder sagen wir es so: manchmal
ist eben Pech auch Unvermögen. Wie kann man das mathematisch fassen?
© 2014 www.fussballmathe.de
3 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Berechnung der Siegwahrscheinlichkeiten aus der durchschnittlichen Toranzahl
pro Spiel
Die Fakten
Betrachten wir zunächst den Fall, dass alle Mannschaften gleich gut sind. In einem durch-
schnittlichen Bundesligaspiel wird von jeder Mannschaft knapp 10 Mal aufs Tor bzw. in
Richtung Tor geschossen. Etwas mehr als 3 Treffer pro Spiel ist derzeit die Regel.
Legt man die exakten Daten aus der 1. Bundesliga zu Grunde, so hat man derzeit eine durch-
schnittliche Torquote von 16%, das bedeutet also, dass knapp jeder sechste Schuss im Tor
landet.
Unsere Modellbildung
Wir basteln uns aus diesen Daten ein Zufallsexperiment. Dafür nehmen wir einen fairen
Würfel und markieren eine Seitenfläche als Ergebnis „Tor“. Somit liegt die Wahrscheinlich-
keit für ein Tor bei
. Ein Würfelwurf soll bei unserem Experiment einen Torschuss ersetzen.
Fällt bei einem Wurf die Seite „Tor“, so hat man ein Tor erzielt. Man kann nun mit einem
Würfel und einem Gegner ein Bundesligaspiel ausspielen. Jeder darf 10 Mal werfen. Wer die
meisten Tore geworfen hat, hat gewonnen. Wir dürfen im Mittel etwas mehr als 3 Tore pro
Spiel erwarten. Der Erwartungswert E bei unserem einfachen Modell liegt bei 20/6 also
knapp über 3.
Wie groß ist in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit, dass einer von beiden gewinnt? Oder
dass das Spiel Unentschieden ausgeht?
Um diese Fragen zu entscheiden, berechnen wir zunächst die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
eine Mannschaft eine bestimmte Anzahl von Toren schießt.
Beginnen wir mit 0 Treffern. Jeder der 10 Schüsse einer Mannschaft geht mit einer Wahr-
scheinlichkeit von
nicht ins Tor. Wir erhalten daher für Mannschaft A
( ) (
) 0,1615. Für die andere Mannschaft B erhalten wir, da wir annehmen
dass sie gleich stark ist wie Mannschaft A, die gleiche Null-Tor-Wahrscheinlichkeit.
Bei einem Treffer muss man anders rechnen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer liegt
bei 1/6. Neun mal trifft das Team A mit einer Wahrscheinlichkeit von 5/6 nicht. Im Laufe des
Spiels hat die Mannschaft A genau 10 Möglichkeiten, dieses eine Tor zu schießen.
( ) (
) (
) 0,323.
Bei zwei Treffern muss man sich überlegen, wie viele Möglichkeiten es gibt, zwei Treffer auf
10 Schüsse zu verteilen. Das kann ja ganz am Anfang des Spiels passieren oder zwischen-
durch oder auch ein Treffer in der Mitte und der letzte am Ende. Für den ersten Treffer hat
© 2014 www.fussballmathe.de
4 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
man noch 10 Möglichkeiten, beim Zweiten sind es nur noch 9 Möglichkeiten. Also 90 Mög-
lichkeiten. Da ich die beiden Treffer noch untereinander vertauschen kann, muss man das
Ergebnis noch halbieren.
( )
(
) (
) 0,291
Setzen wir eine Trefferwahrscheinlichkeit p voraus, so erhalten wir für die Wahrscheinlich-
keit P, bei n Schüssen k Tore zu erzielen: ( ) ( ) ( ) .
Mit Hilfe dieser Formel lassen sich nun leicht alle Toranzahlwahrscheinlichkeiten P(n,k,p) für
eine Mannschaft berechnen.
Tabelle 1: Die Wahrscheinlichkeiten k Treffer zu erzielen, sowie ein k:k zu erzielen
n=10 Mannschaft A
pA =
, P(10,k,
)
Mannschaft B
pB =
, P(10,k,
)
Spielergebnis Wahrscheinlichkeit
P(9,k,
,)∙P(9,k,
,)
k=0 0,16150558 0,16150558 0:0 0,02608405
k=1 0,32301117 0,32301117 1:1 0,10433621
2 0,29071005 0,29071005 2:2 0,08451233
3 0,15504536 0,15504536 3:3 0,02403906
4 0,05426588 0,05426588 4:4 0,00294479
5 0,01302381 0,01302381 5:5 0,00016962
6 0,00217064 0,00217064 6:6 0,00000047
7 0,00024807 0,00024807 7:7 0
8 1,8605E-05 1,8605E-05 8:8 0
9 8,2691E-07 8,2691E-07 9:9 0
10 1,6538E-08 1,6538E-08 10:10 0
Summe 100% 100% 24,2%
Ein Spiel geht unentschieden aus, wenn man genauso viele Tore geschossen, bzw. in unserm
Fall gewürfelt, hat wie der Gegner. Berechnen wir die Chancen für ein 0:0. Das bedeutet, dass
keine der beiden Mannschaften ein Tor erzielt. Die Wahrscheinlichkeit für das Spielergebnis
0:0 ist dann PA(0) PB(0) also 2,6% (siehe Tab 1.). Nun müssen wir die Wahrscheinlichkeiten
für alle möglichen Unentschieden (1:1, 2:2, usw.) aufsummieren um die gesamte Wahr-
scheinlichkeit für ein Unentschieden zu erhalten. Wir erhalten für P(A spielt unentschieden
gegen B)= P(AuB)=24,2%.
Da beide Mannschaften gleich stark sind, erhalten wir für den Sieg einer der beiden Mann-
schaften P(A gewinnt gegen B)= P(AgB)= (100%-24,2%)/2=37,9%.
© 2014 www.fussballmathe.de
5 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Verschieden starke Mannschaften
Kommen wir nun zu dem interessanteren Fall, bei dem die beiden Mannschaften unter-
schiedlich stark sind.
Für unser einfaches Modell nehmen wir diesmal von jeder Mannschaft an, dass sie 9 Mal auf
das gegnerische Tor schießt. Allerdings sind die Erfolgsquoten unterschiedlich hoch.
Unsere beiden Mannschaften A und B haben bisher 10-mal gegeneinander gespielt. Mann-
schaft A hat dabei 20 Tore erzielt, Team B nur 10 Tore. Das bedeutet also, dass Team A
durchschnittlich 2 Mal pro Spiel gegen Mannschaft B trifft, Mannschaft B dagegen nur ein-
mal pro Spiel gegen Team A.
Übertragen auf unser Bernoulliexperiment bedeutet das: Die Trefferwahrscheinlichkeit für
Team A beträgt pA=2/9 und für Team B pB=1/9. Wir erhalten dann für die Torwahrschein-
lichkeiten pro Spiel folgende Tabelle 2.
Tabelle 2: Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Trefferhäufigkeiten, ein k:k zu erzielen
n=9 Mannschaft A
pA=
, P(9,k,
)
Mannschaft B
pB=
, P(9,k,
)
Spielergebnis Wahrscheinlichkeit
P(9,k,
)∙P(9,k,
)
k=0 0,10415971 0,34643942 0:0 3,61%
k=1 0,26783926 0,38974434 1:1 10,44%
2 0,30610201 0,19487217 2:2 5,97%
3 0,20406801 0,05683772 3:3 1,16%
4 0,08745772 0,01065707 4:4 0,09%
5 0,02498792 0,00133213 5:5 0,00%
6 0,0047596 0,00011101 6:6 0,00%
7 0,00058281 5,947E-06 7:7 0,00%
8 4,1629E-05 1,8584E-07 8:8 0,00%
9 1,3216E-06 2,5812E-09 9:9 0,00%
Summe 100% 100% 21,27%
Wir stellen fest, dass auch bei sehr unterschiedlich starken Mannschaften ein Unentschieden
bei gut jedem fünften Spiel vorliegt. Zum Vergleich: Auch in der Bundesliga liegt die Häufig-
keit eines Unentschieden bei guten 20%. Wir haben aber noch keine Information darüber,
wie hoch die Siegwahrscheinlichkeit von Mannschaft A oder B ist. Dass auch B gewinnen
kann, ist klar. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass B mindestens ein Tor schießt, liegt bei 1-
0,347= 65,3%, die Wahrscheinlichkeit, dass dabei gleichzeitig Team A kein Tor schießt, liegt
bei 10,4%. Also gilt P(BgA)= PB(X>0)PA(X=0) =6,8%.
In einer Tabelle (siehe Tab. 3) können nun die Wahrscheinlichkeiten für alle im Modell mög-
lichen Spielergebnisse notiert werden.
© 2014 www.fussballmathe.de
6 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Tabelle 3: Matrix der Wahrscheinlichkeiten aller möglichen Ergebnisse
Team A 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Team B
0,1042 0,2678 0,3061 0,2041 0,0875 0,0250 0,0048 0,0006 0,0000 0,0000
0 0,3464 3,61% 9,28% 10,60% 7,07% 3,03% 0,87% 0,16% 0,02% 0,00% 0,00%
1 0,3897 4,06% 10,44% 11,93% 7,95% 3,41% 0,97% 0,19% 0,02% 0,00% 0,00%
2 0,1949 2,03% 5,22% 5,97% 3,98% 1,70% 0,49% 0,09% 0,01% 0,00% 0,00%
3 0,0568 0,59% 1,52% 1,74% 1,16% 0,50% 0,14% 0,03% 0,00% 0,00% 0,00%
4 0,0107 0,11% 0,29% 0,33% 0,22% 0,09% 0,03% 0,01% 0,00% 0,00% 0,00%
5 0,0013 0,01% 0,04% 0,04% 0,03% 0,01% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00%
6 0,0001 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00%
7 0,0000 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00%
8 0,0000 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00%
9 0,0000 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00%
Die gelben Felder von Tabelle 3 zeigen die Wahrscheinlichkeiten der Spielergebnisse an, bei
denen das Team A gewinnt. Zum Beispiel gewinnt Team A 2:1 mit einer Wahrscheinlichkeit
von 11,93%. Summiert man die Prozentzahlen der gelben Felder auf, so erhält man die Ge-
winnwahrscheinlichkeit für A. Die Summe der Prozentzahlen in den grünen Feldern ergibt
die Gewinnwahrscheinlichkeit für Team B. Die Summe der Zahlen der roten Felder ergibt die
Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden.
In unserem Fall gewinnt Mannschaft A gegen Mannschaft B mit 62,5% P(AgB)=62,5%, für
ein Unentschieden erhalten wir P(AuB)=21,3% und dafür, dass A gegen B verliert, erhalten
wir P(AvB)=16,2%.
In der Datenbank von fussballmathe.de sind alle Torverhältnisse für alle Spielpaarungen hin-
terlegt und somit können Siegwahrscheinlichkeiten aus den Torverhältnissen berechnet und
verwendet werden.
Einbeziehung der FIFA-Punkte
Die FIFA führt eine Rangliste aller in der FIFA aufgenommenen Nationalverbände. Derzeit
(01.05.2014) führt Spanien die Rangliste mit 1460 Punkten vor Deutschland mit 1314 Punk-
ten an.
Die Berechnung der Punkte basiert im Grunde auf der Anzahl der gewonnen Spiele. Die Spie-
le werden je nach Kontinentalverband entsprechend gewichtet. Ebenso zählen Spiele der
jüngsten Vergangenheit mehr als Spiele die länger zurück liegen. Spiele die länger als 5 Jahre
zurück liegen, werden gar nicht mehr verwendet. Für weitere Informationen siehe
www.fifa.com oder de.wikipedia.org/wiki/FIFA-Weltrangliste.
Die FIFA-Punkte sollen somit die Spielstärke eines Nationalteams abbilden. Unsere Aufgabe
ist es nun, die Fifa-Punkte in Torwahrscheinlichkeiten umzurechnen.
© 2014 www.fussballmathe.de
7 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Klar ist, dass die Torwahrscheinlichkeit vom Gegner abhängt. Wir nehmen an, dass die An-
zahl der geschossenen Tore wieder konstant 3 ist. also tA + tB=3 wobei tA die Anzahl der ge-
schossenen Tore von Team A ist. Mit FPA und FPB bezeichnen wir die FIFA-Punktzahl der
Teams A und B.
Außerdem soll gelten, dass der Erwartungswert des Torverhältnisses tA/tB gleich dem Verhält-
nis der FIFA-Punkte der beiden Mannschaften ist. Dies ist eine vernünftige Annahme wenn
man der FIFA-Rangliste glauben schenkt und andere Daten nicht hat. Außerdem wollen wir
es so einfach wie möglich machen.
Aus
I tA + tB= 3 und
II
Folgt nach ein bisschen Algebra:
und
.
Mit diesen Toranzahlen pro Spiel kann man dann wieder die Torwahrscheinlichkeiten pA und
pB der Teams A und B bestimmen und mit der oben erwähnten Modellbildung die Siegwahr-
scheinlichkeiten berechnen.
Eine Beispielrechnung zeigt für Deutschland gegen Ghana:
FPD=1314; FPG= 733 daraus ergibt sich für tDeutschland= 1,92 und für tGhana= 1,08.
Daraus lassen sich dann mit dem obigen Modell die Siegwahrscheinlichkeiten auf Grundlage
der FIFA-Punkte bestimmen. Man erhält dabei: P(DgG)= 58,5%, P(DuG)=22,5% und
P(DvG)= 19%.
Kombination der drei Faktoren Historische Ergebnisse, Torverhältnis und FIFA-Punkte.
In unserem Modell kann nun der Nutzer selbst einstellen, wie stark die einzelnen Faktoren
gewichtet werden sollen. In unserm Beispiel Deutschland gegen Ghana gab es bisher 2 Spie-
le, von denen Deutschland beide gewonnen hat. Das Torverhältnis liegt bei 7:1 für Deutsch-
land. Die FIFA-Punkte lagen bei Redaktionsschluss bei FPD=1314 und FPG= 733.
Tabelle 4: Notwendige Wahrscheinlichkeiten zur Berechnung der Siegwahrscheinlichkeit
Faktor Historisch Faktor Torverhältnis Faktor FIFA-Punkte Gesamt
P(DgG)
0,25
100%
0,25
94,3%
0,5
58,5% 78%
P(PuG) 0 4,4% 22,5% 12%
P(DvG) 0 1,2% 19% 10%
© 2014 www.fussballmathe.de
8 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Nach unserem Modell und mit den oben angegeben Faktoren wird Deutschland zu 78% ge-
winnen, zu 12% unentschieden spielen und zu 10% verlieren.
© 2014 www.fussballmathe.de
9 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
b) Modell zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, das Achtel-
finale zu erreichen
Wer erreicht das Achtelfinale?
Mit Hilfe von Siegwahrscheinlichkeiten einer Mannschaft (konkrete Berechnung siehe Teil
a), werden die Chancen einer Mannschaft berechnet, Gruppensieger bzw. Gruppenzweiter zu
werden. In der Gruppenphase spielt jedes Team einer Gruppe gegen jeden. Jede Mannschaft
macht drei Spiele. Die maximal zu erreichende Punktzahl liegt mit drei Siegen bei 9 Punkten.
Man kann mathematisch sicher nur sagen, dass man bei 9 und 7 Punkten im Achtelfinale ist
und dass man mit weniger als 3 Punkten ausgeschieden ist. bei allen anderen Punktzahlen ist
theoretisch beides möglich.
An zwei Beispielen aus der WM-Geschichte soll dies deutlich werden. Gehen wir zur WM
nach Frankreich 1998. In Gruppe B hatte Italien als Gruppenerster 7 Punkte und Chile holte
als Gruppenzweiter 3 Punkte aus drei Unentschieden. Österreich und Kamerun sind mit je-
weils 2 Punkten ausgeschieden. Als Beispiel vom anderen Ende sei die Weltmeisterschaft von
1994 angeführt, wo in zwei Gruppen (D und F) jeweils drei Mannschaften 6 Punkte hatten.
Argentinien (Gruppe D) und Belgien (Gruppe F) waren jeweils mit 6 Punkten Gruppendritter
und nach heutigem Spielmodus ausgeschieden.
Aus der untenstehenden Tabelle kann man ablesen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man in
der Vergangenheit mit welcher Punktzahl Gruppenerster oder Gruppenzweiter wurde oder
ausgeschieden ist. Es wurden nur Ergebnisse seit 1994 berücksichtigt. da es seit der Welt-
meisterschaft in den USA es drei Punkte für einen Sieg bei einer WM-Endrunde gibt. Es sei
noch erwähnt, dass es bei dieser WM auch nur 24 Teilnehmer gab und somit die vier besten
Gruppendritten weiter kamen. Dies ist in dieser Tabelle nicht berücksichtigt, da wir die Er-
gebnisse auf den heutigen Wettkampfmodus anwenden wollen.
Tabelle 5: Relative Häufigkeiten mit den Punkten x das Achtelfinale zu erreichen
Punkte x 9 7 6 5 4 3 2 1 0
Gruppenerster 100% 92% 38% 23% 2% 0% 0% 0% 0%
Gruppenzweiter 0% 8% 55% 73% 49% 3% 0% 0% 0%
Ausgeschieden 0% 0% 7% 5% 49% 97% 100% 100% 100%
Im zweiten Schritt muss man nun die Wahrscheinlichkeiten berechnen, mit der eine Mann-
schaft 9, 7, 6,… oder 0 Punkte in der Gruppenphase erreicht. Für diese Berechnung hilft auch
wieder ein dreistufiges Zufallsexperiment, da jede Mannschaft genau drei Spiele in der Grup-
penphase abzuliefern hat. In jeder Stufe kann die Mannschaft gewinnen, verlieren, oder un-
entschieden spielen. An den Blättern des Baumes in der folgenden Abbildung kann man die
Berechnung der entsprechenden Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Punktzahlen
ablesen.
© 2014 www.fussballmathe.de
10 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Abbildung 1: Baumdiagramm zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit x Punkte in der
Gruppenphase zu erreichen.
© 2014 www.fussballmathe.de
11 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
c) Modell zur Berechnung der Wahrscheinlichkeiten, in der K.O.-
Runde weiter zu kommen
Beispielrechnung für die Wahrscheinlichkeit eines Teams, das Viertelfinale
zu erreichen
Schulmathematik der Sekundarstufe reicht aus um dieses Problem zu modellieren, da man
aber sehr viele Fälle betrachten muss, ist es relativ aufwändig. Der Trick der das Ganze über-
sichtlicher macht ist die Verwendung eines Baumdiagramms. Als Beispiel wollen wir hier
einmal den Berechnungsterm für die Wahrscheinlichkeit ( ) herleiten mit der die
Mannschaft A1 als Gruppenerster im Achtelfinale gewinnt und ins Viertelfinale einzieht.
Dazu definieren wir
( ) := Wahrscheinlichkeit mit der das Team x aus Gruppe A Gruppenerster wird.
( ) := Wahrscheinlichkeit mit der das Team x aus Gruppe B Gruppenzweiter wird.
( ) :=Wahrscheinlichkeit dass Team T1 gegen Team T2 gewinnt.
Team x aus Gruppe A muss, wenn es Gruppenerster wird, gegen den Gruppenzweiten aus
Gruppe B spielen. Da wir nicht wissen, wer das ist, bestimmen wir für jedes Team aus Gruppe
B die Wahrscheinlichkeit ( ) Gruppenzweiter zu werden. Zum Schluss muss man noch
die Siegwahrscheinlichkeit eines Teams aus Gruppe A gegen Gruppe B betrachten also:
( ). Mathematisch betrachtet handelt es sich hierbei um ein dreistufiges Zufallsexpe-
riment, bei dem auf der ersten Stufe entschieden wird, ob man Gruppenerster oder Gruppen-
zweiter wird oder ausscheidet. Auf der zweiten Stufe entscheidet sich, welchen Gegner
(Gruppenzweiter) man erhält. Auf der dritten Stufe finden sich die Wahrscheinlichkeiten, mit
denen man das Spiel gewinnt oder verliert. Wobei die Wahrscheinlichkeit, dass das Spiel un-
entschieden ausgeht, zu gleichen Teilen auf die Siegwahrscheinlichkeiten der beiden Mann-
schaften aufgeteilt wird.
Mit Hilfe der Pfadregeln und des Baumdiagramms (siehe Abb. 2) lassen sich nun die einzel-
nen Wahrscheinlichkeiten berechnen und aufsummieren. Es gilt dann für die Wahrschein-
lichkeit, als Gruppenerster ins Viertelfinale einzuziehen:
( ) ( ) ∑ ( ) ( )
Die gesamte Wahrscheinlichkeit, mit der eine Mannschaft in das Viertelfinale einzieht, ist
dann die Summe aus ( ) und ( ), also
( ) ( ) ∑ ( ) ( ) ( ) ∑ ( ) ( )
Für die weiteren Berechnungen (Einzug ins Halbfinale, Finale, Weltmeister) muss man aber
immer unterscheiden, ob man als Gruppenerster weiter kommt oder als Gruppenzweiter.
© 2014 www.fussballmathe.de
12 M. Ludwig: Die Mathematik hinter Siegwahrscheinlichkeiten und Prognosen
Abbildung 2: Baumdiagramm zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit ins Achtelfinale ein-
zuziehen.
Wollen wir nun die Wahrscheinlichkeit bestimmen, ins Halbfinale vorzudringen, so wird man
auch hier die Situation durch ein dreistufiges Zufallsexperiment modellieren. Stufe 1 ist ähn-
lich zum Achtelfinale. Auch Stufe 2 ist inhaltlich gleich, es geht darum, alle möglichen Geg-
ner aufzulisten, gegen die man antreten könnte. Dies können aber diesmal schon acht ver-
schiedene sein, nämlich alle möglichen Gruppenersten aus C und alle möglichen Gruppen-
zweiten aus Gruppe D. In der dritten Stufe wird wieder die Siegwahrscheinlichkeit von Team
A1 gegen die anderen Teams einfließen.
Nach dem gleichen Muster (dreistufiges Zufallsexperiment) wird die Wahrscheinlichkeit eines
Nationalteams bestimmt, ins Finale einzuziehen oder Weltmeister zu werden.