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336 A.H~R~M~: 18. Herr A. HERR~lw-Mfinchen: Die Mediastinitis einst und jetzt. (Mi~ 2 Textabbildungen.) Heilungen yon eitrigen Mediastinitiden durch die ~r~nsthorakalen und die anderen grol~chirurgischen Operationsmethoden kamen vor Einfiihrung der Sulfonamide und der Antibio~ica an den chirurgischen Kliniken kaum zur Beobachtung. Zur Ausheilung gelangten lediglich die F~lle, bei denen sich Medias~inalabsceB oder Mediastinitis noch im collaren Tell abspielten (Abb. 1). Diese prognostisch relativ gfinstigen Fi~lle, auf die LSB~LL, VOGEl, HE~MA~N u. a. schon versehiedentlich hin- gewiesen haben, will ich bei meinen Betrachtungen auger acht lassen. Alle Patienten mit im intrathorakMen Tell sich entwickelnden eitrigen Ent- zfindungen waren damals ver- loren. Heilungen gehSrten zu den Seltenheiten. Seit der Einfiihrung der SpeiserShrenschlitzung dutch A. S~IFFE~T wurde das grund- s~tzlich anders. Ich h~be Ge- legenheit gehabt, die endooeso- phageale Schlitzung bei 21 Fi~l- len vorzunehmen. Im Durch- Abb. 1. Pr~vertebraleWeichteflschwellung bei schnitt w~re alas also etwa 1 FremdkSrper. Fall in 11/4 Jahren (Abb. 1). SpeiserShrenschlitzung nach S]~IFF~Rr (21 Fi~lle). Zahl Ursache Diagnose geheilt gestorben 3 12 2 FremdkSrper Diagn. Untersueh. SchuBverletzung Bougierungsfolge Tota]exstirpation unbekannt Mediastinitis Perf. bei Tumor- verdacht Mediast. AbsceB Ver~tzung Ca. Larynx et Pharynx Medias~initis 9 2 3 2 1 1 Zun~chst die Todesf~lle. Von 21 F~llen sind uns, wie Sie sehen, 5 gestorben. Dreimal waren es Patienten mit rremdkSrperextraktionen,

Die Mediastinitis einst und jetzt

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18. Herr A. HERR~lw-Mfinchen: Die Mediastinitis einst und jetzt. (Mi~ 2 Textabbildungen.)

Heilungen yon eitrigen Mediastinitiden durch die ~r~nsthorakalen und die anderen grol~chirurgischen Operationsmethoden kamen vor Einfiihrung der Sulfonamide und der Antibio~ica an den chirurgischen Kliniken kaum zur Beobachtung. Zur Ausheilung gelangten lediglich die F~lle, bei denen sich Medias~inalabsceB oder Mediastinitis noch

im collaren Tell abspielten (Abb. 1). Diese prognostisch relativ gfinstigen Fi~lle, auf die LSB~LL, VOGEl, HE~MA~N u. a. schon versehiedentlich hin- gewiesen haben, will ich bei meinen Betrachtungen auger acht lassen. Alle Pat ienten mit im intrathorakMen Tell sich entwickelnden eitrigen Ent- zfindungen waren damals ver- loren. Heilungen gehSrten zu den Seltenheiten.

Seit der Einfiihrung der SpeiserShrenschlitzung dutch A. S~IFFE~T wurde das grund- s~tzlich anders. Ich h~be Ge- legenheit gehabt, die endooeso- phageale Schlitzung bei 21 Fi~l- len vorzunehmen. I m Durch-

Abb. 1. Pr~vertebrale Weichteflschwellung bei schnitt w~re alas also etwa 1 FremdkSrper. Fall in 11/4 Jahren (Abb. 1).

SpeiserShrenschlitzung nach S]~IFF~Rr (21 Fi~lle).

Zahl Ursache Diagnose geheilt gestorben

3 12 2

FremdkSrper Diagn. Untersueh.

SchuBverletzung Bougierungsfolge Tota]exstirpation

unbekannt

Mediastinitis Perf. bei Tumor- verdacht

Mediast. AbsceB Ver~tzung Ca. Larynx et Pharynx

Medias~initis

9

2

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Zun~chst die Todesf~lle. Von 21 F~llen sind uns, wie Sie sehen, 5 gestorben. Dreimal waren es Pat ienten mit r remdkSrperextrakt ionen,

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aul~erhalb vorgenommen, bei denen die Mediastinitis eine eitrige Pleuritis mit Pleuraempyem zur Folge hatte. Trotz Schlitzung der SpeiserShre, trotz Entleerung des Pleuraempyems durch Punktion, BVLV~Avscher Drainage oder Rippenresektion, kamen diese l~l le ad finem. Hinzu- ffigen mSchte ich, dab es sich bei dieser Zusammenstellung um Kranke handelte, die in der Zeit vor Einffihrung des Penicillins und der Sulfon- amide zur Behandlung kamen.

Ein weiterer Full endete mit einer Pericarditis purulenta nach Larynx- totalexst irpation mit Pharynxresektion. Ein 5. Full starb 8 Tage nach der Entlassung aus der Klinik. Wie der behandelnde Arzt uns mitteilte, w~re er an einer Pneumonie gestorben. Ich gl~ube indessen annehmen zu sollen, dub es, wie meistens in diesen F/~llen, ein Empyem oder eine Pericarditis gewesen ist, die den Tod herbeifiihrte.

Und nun zu den geheilten F/~llen. Neunmal waren es Mediastinitiden im Anschlu~ an Verletzungen der SpeiserShre durch FremdkSrper. Bei 2 Pat ienten wurde die SpeiserShre geschlitzt, weft bei der Oesophago- skopie eine via falsa gebohrt worden war. Drei F/~lle hat ten einen grol]en Mediastinalabscel~, der durch Punktion und anschliel3ende Schlitzung mit Erfolg entleert wurde. In zwei weiteren F~llen war die Mediastinitis aus unbekannter Ursache entstanden. Ein FremdkSrper war nicht nach- vceisbar, doch sprach das RSntgenbfld durch die pr/s Weich- teilverdickung und durch die vorhandenen Luftblasen fiir eine Fremd- kSrperursache. Von 21 schweren intrathorakalen Mediastinitiden konnten also insgesamt 16 geheilt werden. Das bedeutet gegen frfiher einen un- geheuren Fortschrit t . Auf einen Fall dieser Gruppe mSchte ich noch be- sonders hinweisen, da er in Gemeinschaftsarbeit mit dem Chirurgen geheilt werden konnte, und zwar noch vor der Zeit der Antibiotica und Sulfonamide. Bei einem Mann mit einer gewaltigen Kyphoskoliose wurde die FremdkSrperextrakt ion vorgenommen. Dabei entleerte sich aus dem Mediastinum reichlich Eiter. Hohe Temperaturen, schne]ler Puls, pleu- ritisches Reiben, Schmerzen bei der Atmung, Hustenreiz, Blutbild und RSntgenbefund sprachen flit die Progredienz der Entziindung im Media- stinum und sind charakteristische Merkmale und Symptome fiir diese Erkrankung. Info]ge der hochgradigen Kyphoskoliose war es mir un- m5glich, endooesophageal die SpeiserShre zu schlitzen. Wir sind daher so vorgegangen , dal~ wir laparatomierten, den Magen erSffneten und die Cardia aufsuchten. Nun babe ich retrograd das Oesophagoskopierrohr eingefiihrt und die Schlitzung yon unten her vorgenommen. Es entleerte sich reichlich Eiter. Da der Magen bereits erSffnet war, haben wir eine Magenfistel angelegt. Auch dieser Fall - - einer yon den 16 der Tabelle - - ging in t teflung aus. Diese Methode mSchte [ch hier erw/~hnen, weft sie da anzuraten ist, wo e ine Schlitzung aus irgendeinem Grunde yon oben her unmSglich ist, und weft ich pers6nlich auch heute noch auf dem

Arch. Ohr- usw. t Ie i lk , u. Z. t t a l s - usw. t te i lk . Bd. 163 (Kongrel~bericht 1953). 2 2

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Standpunkt stehe, dab die endooesophageale Schlitzung zur Drainage des Mediastinums ffir den Patienten bei weitem der kleinere und ungef/~hr- lichere Eingriff ist, als der gro~chirurgische transthdrakale Weg, be- sonders bei/~lteren Patien$en.

(Die F/ille yon Mediastinitis, die wir durch die collare Hediastinotomie behandelt und geheilt haben [Abb. 1], lasse ich hier weg, denn diese F/~lte konnten wir, wie bereits gesagt, wenigstens zum Tell auch frfiher chirurgisch beherrschen, wenn die Mediastinitis nicht zu welt in den Thoraxraum descendiert war, und wenn es uns gelang, das untere Ende der Entziindung zu erreichen. )

Seit Einffihrung der Antibiotica und der Sulfonamide hat sich man- ches in der Medizin und damit auch in der Behandlung der Mediastinitis geiindert. A_ls kurzes Beispiel folgenden Fa l l :

Bei einem jugendlichen Schlosser, der auf einer Leiter stand, ex- plodierte vor seinem 1Vfnnd in dem Augenblick eine SauerstoffflasChe~ als er im Begriff war, einem _A_rbeitskameraden etwas zuzurufen. Die Explosion war so heftig, dal~ er yon der Leiter stiirzte und wegen seines schweren Schockes und einer starken Blutung aus dem Munde zu uns in die Klinik eingeliefert wnrde. Durch die Explosionswelle waren ihm die Weichteile yore Knochen des Unterkiefers abgerissen .worden. In den ersten Tagen konnte er fast gar nichts sehlucken. Er wurde mit Anti- bioticis und Sulfonamiden behandelt. A]s nach etwa 10 Tagen wegen der SchluckstSrungen die Oesophagoskopie und die RSntgendurchleuchtung vorgenommen wurden, stellte es sich heraus, dal~ die SpeiserShre im Be- reiehe des hinteren Mediastinums ausgedehnt geb0rsten war (Abb. 2). Wie Sie auf dem RSntgenbild sehen, waren mehrfaeh Verletzungen Vorhanden. Sie erkennen auf diesem Bride einen Doppelflintenverlanf. Das eine ist die SpeiserShre, das andere ein langer paravertebraler Gang, der am nnteren Pol wieder in die SpeiserShre einmfindet. Wir haben fiberlegt, ob wir die Schleimhautbrficke zwischen diesen beiden Perforationsstellen spalten solIten und so die SpeiserShre und den paravertebralen Gang im hinteren iVfediastinum in einen einzigen Raum verwandeln sollten. Da es aber dem Patienten sehr gut ging, haben wit davon Abstand genommen. Obwohl noch eine weitere ~up tu r der SpeiserShre yon etwa 4--5 cm L~nge kurz vor der Cardia vorhanden war, hei l tedas alles durch konser- vgtive Behandlung aus. Heine Damen und Herren, das w~ire frfiher hie mSglich gewesen. Jedenfalls kenne ich in der gesamten Literatur keinen einzigen ~hnlichen Fall dieser Art. Alle diese Kranken mit Verletzungen der SpeiserShre gingen uns friiher ausnahmslos zngrunde. Auf Grund der Erfahrungen mit diesem Fall kann man die Frage aufwerfen, ob wir heute zum Beisplel bei Perforationen im hinteren Mediastinum, die durch eine Oesophagoskopie als via falsa entstehen, diesen Gang schlitzen sollen, oder ob wir nnter dem Schutze der Ar/tibiotica warren

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kSnnen. Ieh glaube, dag man das heute unter genauester kliniseher Be- obaehtung wagon kann, obwohl mir persSnlieh das Sehlitzen die sieherere Methode zu sein seheint. Da abet, w o e s dureh einen Fremdk6rper, odor beim Bougieren, oder bei der Oesophagoskopie zu einer Lgsion und einer seitliehen Perforat ion in die Pleura gekommen ist, da also, wo ein Pnen- mothorax odor ein Exsudat in der Pleura siehtbar wird, da gilt es als selbstverstgndlieh und unbe- dingt notwendig, dab diese Fglle sofort grogehirurgiseh angegangenwerden. So gelang es uns im letzten halben Jahr in Mfinehen zwei soleher Fglle, die nieht in tier Tabelle an- gefiihrt sind, zu retten. Die Hauptbedingung aber ist, dab die Perforation frfihzeitig or- kannt und dureh eine trans- thorakale Operation versehlos- son wird. ~edias t inum und Pleura miissen gesgubert und drainiert werden. Aueh hier gilt heute das, was man friiher vom perforierten Magenuleus sagte: ae friiher die Operation erfolgt, desto besser sind die Heilungsaussiehten. Je jugend-

licher der Patient, desto grS- Abb. 2. Paraoesophagealer Gang (Doppelflintenverlauf). Bore Chaneen hat er.

Ieh stehe also auf dem Standpunkt , daft die Mediastinitis yon uns Laryngologen gut beherrscht werden kann, solange sich der Proze[3 au] das hintere Mediast~num beschriinkt, sei es dureh die konservative Behand]ung allein, sei es dutch zus/~tzliche Sehlitzung. Da aber, wo die Pleuren er- 5ffnet sind, wird die Mediastinitis Sache des Chirurgen. Er wird seine t ransthorakalen Operationsmethoden in Anwendung bringen und unter dem Sehutze der Antibiotiea und der Sulfonamide auch noch manehen dieser frfiher hoffnungslos verlorenen F/~lle heilen und rotten kSnnen. So hat das einst so trostlose Krankheitsbi ld der eitrigen ?r heute einen Tell seiner Schreeken verloren.

Ieh fasse kurz zusammen:

Entziindliehe und eitrige Prozesse im Bereiche des hinteren 3/Iedia- stinums kSnnen im Halsteil am :besten yon augen dureh die eollare Mediastinotomie entleert und behandelt werden. Zu~ Vermeidung

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stSrender und entstellender Narben kann man, besonders bei Damen, mit gleichem Erfolg endoskopisch operieren.

Im mittleren und unteren Absehnitt des Thoraxraumes werden Ab- seesse und eitrig phlegmonSse Entzfindungen dutch Spaltung der Speise- rShre abgeleitet. Bei falschen Wegen, die ja meist im hinteren Media- stinum bei der Oesophagoskopie gebohrt werden, kann man die Sehlitzung vornehmen. Unbedingt erforderlieh ist sie heute nieht. Man kann aueh beobaehtend unter dem Schutze nnserer Antibiotiea und Snlfonamide zuwarten. Man riskiert dabei Mlerdings, dab sich eine Oesophagitis und Perioesophagitis entwickelt, die zu einer funktionellen St6rung im musku- l~tren Bereieh der Speiser6hre ffihrt, und die dann fiber Woehen und Monate Erseheinungen einer Stenose machen kann. Diese Entstehungs- art der Stenose ist hente noeh wenig bekannt und verdient es daher, besonders hervorgehoben zu werden. Aueh Sp/~tabseedierungen bei der konservativen Behandlung sind mSglieh.

Ist die Perforation seitlieh gelegen, so geh6rt der Kranke sofort in ehirurgisehe H~nde. Der Chirurg wird dann oft mit Erfolg die Ver- n~hung der Perforation und die Sguberung des Wundgebietes vornehmen. Aueh in diesen F/~llen, die frfiher fast ausnahmslos verloren waren, kann er heute Heilung bringen. Hier gilt allerdings der alte Grundsatz, dag die Perforation frfihzeitig erkannt und reehtzeitig versorgt wird, also noeh vor Ausbildnng einer eitrigen Mediastinitis und tines Pleura- empyems.

19. Vortrag des Herrn DWORAe~K-Wien: Manuskript nicht eingegangen.

20. Herr F. NI~IJI~ERGEtt-Wien: Zur iYIetastasierung des Speiseriihren- krebses.

Zur Frage der ?Setastasierung des Speiser5hrenkrebses Stellung zu nehmen, ist aus mehreren Grfinden notwendig. Denn die lV[einung, dM3 beim Oesophaguscarcinom keine Metastasen zu beobachten sind, weft der- artig Erkrankte schon vor Erreichung des Metastasierungsstadiums sterben, ist night nur in ~rztlichen Kreisen weir verbreitet, sondern hat auch in einem neueren Standardwerk der speziellen Fachliteratur seinen Niedersehlag gefunden (ST. CLAI~ T~OMSO~ u. V. E. NEGVS). Diese Auf- fassung ist jedoch dringend revisionsbedfirftig, haben doch bereits Dos- MAINS vor etwa 13 Jahren und DEL MAGRO in neuester Zeit diese Frage auf Grund eines reiehen autoptischen Materials untersucht und dahin- gehend beantwortet, dab ungefi~hr 60% aller Speiser5hrenkrebse meta- stasieren, t in Wert, der mit den aus eigenen Untersuchungen gewonnenen Ergebnissen gut fibereinstimmt.