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242 Annalen der Physi!;. 5. Folge. Band 32. 1938 Die Mepbarkeit des quadratischem Dopplereflekts Porn 0. Scherxer (Mit 2 Abbildungen) Fur die Elektrodynamik bewegter Korper ist es wichtig zu wissen, ob die in einem bewegten System gemessene Lichtgeschwin- digkeit 1. isotrop und 2. von der Bewegungsgeschwindigkeit unab- hangig ist. Die erste Frage wird durch den Michelsonversuch mit grofier Genauigkeit positiv entschieden. Die zweite Frage lauft darauf hinaus, ob eine materielle Schwingung, also etwa die Schwin- gung eines Pendels oder eines Atoms, sich bei Translationsbeffe- gung cles schmingenden Systems in gleichem MaBe verzogert ie das Hin- und Herlaufen eines Lichtstrahls zwischen gleichformig bewegten Spiegeln. Die Bejahung dieser Frage ist eines der Grund- postulate der speziellen Relativitatstheorie. Dieses Postulat ist bisher nicht experimentell bestiitigt. Denn obgleich viele Folgerungen der speziellen Relativitatstheorie mit den Messungen in Einklang stehen und bisher kein Versuchsergebnis der Theorie widerspricht, scheint es nicht moglich, den Gleichlauf zwischen Lichtuhren und mate- riellen Uhren in bewegten Systemen aus den bisherigen Messungen in eindeutiger Weise zu folgern. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Erde reicht zur Priifung der vorliegenden Frage nicht ausl), Dagegen stehen un6 in deli Kanalstrahlen hinreichend schnell bewegte schwingungsfahige Sy- steme zur Verfiigung. Die bei ihnen von der Relativitiitstheorie erwartete Verzogerung der Schwingungen ist unter dem Namen quadratischer oder transversaler Dopplereffekt bekannt; was der Messung dieses Effektes entgegensteht, ist meines Erachtens in erster Linie die weit verbreitete Behauptung, daB er unmehbar klein sei. Diese Behauptung zu widerlegen ist der Zweck dieser Zeilen. Damit der lineare Dopplereffekt nicht start, muB man genau seizkrecht zur Bewegungsrichtung beobachten. Den rechten Winkel 1) Rei dem letzten mir bekannt gewordenen Versuch, der sich in dieser Richtung ausbauen lieBe (Wiederholung des Versnchs von Renne dy durch G.C.Orner u. J. L.Lawson, Astrophys. J. 54. S. 477. 1936), ist die MeBgenanig- keit noch immer urn zwei Zehnerpotenzen zii ldein (MeRgenauigkeit N 8”- l0-q. Der Versuch priift die Konstanz der Wellenlange einer Spektrallinie und damit die Konstanz des Quotienten Atom-Schwingungszeit/Licht-Laufzeit.

Die Meßbarkeit des quadratischen Dopplereffekts

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Page 1: Die Meßbarkeit des quadratischen Dopplereffekts

242 Annalen der Physi!;. 5. Folge. Band 32. 1938

Die Mepbarkeit des quadratischem Dopplereflekts

Porn 0. Scherxer (Mit 2 Abbildungen)

Fur die Elektrodynamik bewegter Korper ist es wichtig zu wissen, ob die in einem bewegten System gemessene Lichtgeschwin- digkeit 1. isotrop und 2. von der Bewegungsgeschwindigkeit unab- hangig ist. Die erste Frage wird durch den Michelsonversuch mit grofier Genauigkeit positiv entschieden. Die zweite Frage lauft darauf hinaus, ob eine materielle Schwingung, also etwa die Schwin- gung eines Pendels oder eines Atoms, sich bei Translationsbeffe- gung cles schmingenden Systems in gleichem MaBe verzogert ie das Hin- und Herlaufen eines Lichtstrahls zwischen gleichformig bewegten Spiegeln. Die Bejahung dieser Frage ist eines der Grund- postulate der speziellen Relativitatstheorie. Dieses Postulat ist bisher nicht experimentell bestiitigt. Denn obgleich viele Folgerungen der speziellen Relativitatstheorie mit den Messungen in Einklang stehen und bisher kein Versuchsergebnis der Theorie widerspricht, scheint es nicht moglich, den Gleichlauf zwischen Lichtuhren und mate- riellen Uhren in bewegten Systemen aus den bisherigen Messungen in eindeutiger Weise zu folgern.

Die Bewegungsgeschwindigkeit der Erde reicht zur Priifung der vorliegenden Frage nicht ausl), Dagegen stehen un6 in deli Kanalstrahlen hinreichend schnell bewegte schwingungsfahige Sy- steme zur Verfiigung. Die bei ihnen von der Relativitiitstheorie erwartete Verzogerung der Schwingungen ist unter dem Namen quadratischer oder transversaler Dopplereffekt bekannt; was der Messung dieses Effektes entgegensteht, ist meines Erachtens in erster Linie die weit verbreitete Behauptung, daB er unmehbar klein sei. Diese Behauptung zu widerlegen ist der Zweck dieser Zeilen.

Damit der lineare Dopplereffekt nicht start, muB man genau seizkrecht zur Bewegungsrichtung beobachten. Den rechten Winkel

1) Rei dem letzten mir bekannt gewordenen Versuch, der sich in dieser Richtung ausbauen lieBe (Wiederholung des Versnchs von R e n n e d y durch G.C.Orner u. J. L . L a w s o n , Astrophys. J. 54. S. 477. 1936), ist die MeBgenanig- keit noch immer urn zwei Zehnerpotenzen z i i ldein (MeRgenauigkeit N

8”- l0-q. Der Versuch priift die Konstanz der Wellenlange einer Spektrallinie und damit die Konstanz des Quotienten Atom-Schwingungszeit/Licht-Laufzeit.

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wird man am sichersten spektroskopisch messen. Man erreicht dies dadurch, da8 man zwei Kanalstrahlen in genau entgegengesetxter Richtung durch das Rohr schickt. Die Richtung der beiden Strahlen wie aucli der einzelnen Xanalstrahltejlchen diirfte sich bei Ver- wendung von zwei Ionenlinsen und Tier Blenden auf &- ein-

halten lassen, ohne daB dadurch die Intensifat ubermagig herab- gedriickt wird. Das von einem solchen Doppelstrahl IC ausgesandte Licht werde durch eine Zylinderlinse Lz und eine gewohnliche runde Linse L, (Brennweiten f, und f,.) auf den Spalt S des Spektrographen

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Abb. 1. Strahlengang. Abb. 2. Zu Brwartendes Bild a) GrundriB, b) AufriB

a) unter idealen Verhaltnissen, b) bei Berucksichtigung der Starungen

gesanimelt (Abb. 1). Die Lichtstrahlen mit gleichem linearen Doppler- effekt vereinigen sich dabei im Spalt und auf der Photoplatte. Man wird also auf der Platte drei Striche sehen: zwei schrage, die yon den beiden bewegten Strahlen herriihren, und einen senkrechten, das sogenannte ruhende Leuchten '). Bei Abwesenheit des quadra- tischen Dopplereffekts miifiten die drei Striche durch einen Punkt gehen. Bei der erwarteten GroBe des Effektes ist jedoch der Schnitt- punkt der beiden schragen Linien, der den Auftreffpunkt der genau senkrecht zur Bewegungsrichtung ausgesandten Lichtstrahlen kenn- zeichnet, urn ;- p 2 I vom ruhenden Leochten aus gegen Rot ver- sclioben (Abb. 2a).

Denken wir an Wasserstoff-Atomstrahlen von 50 k T Energie, so ist ,/3 = -" ~;0.01, und wir erwarten nach der Relatilitiitstheorie

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c

1) Die Hchriigstellung der Spektrallinie als Folge des Dopplereffektes, nnd damit eine einfache Unterseheidung zwizchen dem Licht der bewegten Stralilteilchen und dem Licht der ruhenden Atome, hat erstmals H. Rau durch Verwendung eines quer zum Strahl stehenden Glasztiibchens erreicht (Ann. d. Phys. 73. S. '266. 1924).

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bei der Linie A =4861 A eine Verschiebung um 0,2b. Die Linien- verbreiterung durch linearen Dopplereffekt ist bei der angenom- menen Parallelitat von f, Das auf der Platte erhaltene Bild miiWte also eine erkennbare Unsymmetrie aufweisen. Spektrogrnphiert man den Strahl aus zwei entgegen- gesetzten Richtungen, was man durch zwei Spiegel und geringes Heben des Spektrographen leicht auf dieselbe Platte bringen kann, so ist das arithmetische Mittel beider Unsymnietrien mabhangig von ionen-optischen Justierungsfehlern und diirfte eine grobenordnungs- maBige Abschatzung des quadratischen Dopplereffektes ermijglichen.

Bei der Ermittlung der gunstigsten Zahlemerte von f,, f, USTV.

widersprechen sich die Forderungen kurzer Belichtungszeit und leichter Justierbarkeit. Der giinstigste KompromiB durfte fur die oben angenommene Geschn indigkeit und Parallelitat bei f, w 1 em, f, w 20 em, Spaltweite 0,05 nim und Strahldurchmesser 1 mm liegen. Das wirksame Cjffnungsverhaltnis der Linse L, stimmt mit dem der Kollimatorlinse uberein. Bei Verwendung eines iiblichen Drei- Prismen-Spektrographen diirfte dann das Bild etwa das Aussehen der Abb. 2 b haben.

Zeigt sich auf der Photoplatte nicht die erwartete GroBe der Unsymmetrie, so weist dies auf eine, wenigstens prinzipielle, Moglich- keit zur Bestinimung des Xtherwindes hin. Fallt dagegen der Versuch in dein erwarteten Sinne aus, so gewinnen dadurch die Grundlagen der Elektrodynamik bewegter Korper erheblich an Sicherheit ').

1 ungefahr gleich 0 , 2 p l ~ 1 A.

1) Es bleibt dann nur noch die eine Frage offen, ob die Molekule be- wegter IiGrper nicht auch in der Querrichtung einander naher rucken. Zur Festlegung der drei GroBen Langskontraktion, Zeitdilatation und Querkon- traktion sind drei voneinander unabhangige Versuche n6tig. Der Michelson- versuch priift die Isotropie der Lichtgeschwindigkeit, sagt also nur aus, daB die Langskontraktion (Lorentzkontraktion) materieller Systeme um den Faktor 7 I - p' stilrker ausfallt als die Querkontraktion. Der quadratische Dopplereffekt ergibt die Zeitdilatation materieller Schwingungen. Der in der ersten Anmerkung erwahnte Versuch von li e n n e d y bringt die Zeitdilatation in Beziehung zur (Langs- und Quer-) Kontraktion. Mit der experimentellen Entscheidung uber das Auftreten der Querkontraktion wird man sonach warten mussen, bis der letxtgenannte oder ein gleichwertiger Versuch die notige Genauigkeit erreicht hat. Bis zum Beweis des Gegenteils wird aber wohl jeder Pliysiker annehmen, daW eine Querkontraktion bemegter materieller Korper nicht auftritt.

Anm. b. d. Kovrektzcr: Herr Dr. habil. W. M a u r e r hat die Messung des quadratischen Dopplereffekts nach der liier beschriebenen PtIethode in Angriff genommen.

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D a r m s t a d t , Institiit fu r theoretische Physik.

(Eingegaugen 7 . Februar 1938)