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VI Die Dekorationspraxis mosaizierter Bogen- und Fensterlaibungen im 5. und 6. Jh. Im Folgenden wird das in dieser Arbeit untersuchte Material zusammenfassend bewertet, um die Stellung der Mosaiken der Acheiropoietos-Basilika im Rahmen der Dekorationspraxis mosaizierter Bogenlaibungen des 5. und 6. Jhs. bestim- men zu kçnnen. Allgemein lȨsst sich sagen, dass die Ausschmɒckung von Bogen- und Fensterlaibungen mit dekorativen Motiven nahtlos aus der Kunsttradition der frɒheren rçmischen Kaiserzeit herzuleiten ist. Ein Beispiel fɒr eine mosaizierte Bogenlaibung eines Durchgangs findet sich in der Terme dei Sette Sapienti in Ostia, die um 130 entstandenen ist 1 . Des Weiteren kçnnen die Bogenlaibungen des Nymphaeums des sog. Hauses von Amor und Psyche in Ostia angefɒhrt werden 2 . Mosaizierte Fensterlaibungen haben sich zudem in einem Nym- phaeum bei San Giovanni e Paolo in Rom erhalten 3 . Eine Dekoration der Bogen- und Fensterlaibungen mit vegetabilen Elementen, die auch im Dekor der Acheiropoietos-Basilika eine zentrale Stellung einnehmen, scheint in der frɒheren rçmischen Kaiserzeit bereits gȨngige Praxis gewesen zu sein 4 . Diese Gewohnheit, Bogen- und Fensterlaibungen mit Mosaiken zu deko- rieren, wurde schon frɒh auch fɒr christliche Kirchen ɒbernommen. So haben sich etwa in der frɒhchristlichen Bischofskirche (Quadratbau) in Trier Reste von musivischem Dekor (u.a. goldene Tesserae) in Fensterlaibungen erhalten 5 . Mosaizierte Arkadenlaibungen in einer Kirche sind offenbar erstmals fɒr die Zeit um 395 bezeugt. Dies scheint aus einer ErwȨhnung in der Schrift Peri- stephanon des Prudentius hervorzugehen 6 . In Bezug auf die prȨchtigen Lang- hauskollonaden der Basilika San Paolo fuori le mura in Rom, die ab den 380er Jahren in kaiserlichem Auftrag errichtet worden ist, heißt es: „Er [der Kaiser] 1 Sear 1977, 112f. Nr. 106 Taf. B. 46, 3. 2 Sear 1977, 129f. Nr. 138 Taf. 54, 1. 3 Sear 1977, 122 Nr. 126 Taf. 53, 1. 4 Das Bogenfeld in der Terme de Sette Sapienti in Ostia ist mit Akanthuselementen geschmɒckt und zeigt als Mittelmotiv eine Blɒte in Aufsicht; die Fensterlaibungen des Nymphaeums in Rom zeigen grɒne Ranken. ErgȨnzend sei hier noch eine Fensterlai- bung der spȨtantiken Basilika in Trier erwȨhnt, die mit einem in Malerei ausgefɒhrten Fries geschmɒckt ist, auf dem Eroten Akanthusranken bevçlkern. Goethert, in: De- mandt – Engemann 2007, 310 Abb. 9 Kat.-Nr. I 15.42. 5 Arbeiter – Korol 2006, Anm. 20. 6 Zum Romaufenthalt des Prudentius um 395 TrȨnkle 1999, 109. 112. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 11/17/13 6:39 AM

Die Mosaiken der Acheiropoietos-Basilika in Thessaloniki (Eine vergleichende Analyse dekorativer Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts) || VI Die Dekorationspraxis mosaizierter Bogen-

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VI Die Dekorationspraxis mosaizierter Bogen- undFensterlaibungen im 5. und 6. Jh.

Im Folgenden wird das in dieser Arbeit untersuchte Material zusammenfassendbewertet, um die Stellung der Mosaiken der Acheiropoietos-Basilika im Rahmender Dekorationspraxis mosaizierter Bogenlaibungen des 5. und 6. Jhs. bestim-men zu kçnnen.

Allgemein l�sst sich sagen, dass die Ausschm�ckung von Bogen- undFensterlaibungen mit dekorativen Motiven nahtlos aus der Kunsttradition derfr�heren rçmischen Kaiserzeit herzuleiten ist. Ein Beispiel f�r eine mosaizierteBogenlaibung eines Durchgangs findet sich in der Terme dei Sette Sapienti inOstia, die um 130 entstandenen ist1. Des Weiteren kçnnen die Bogenlaibungendes Nymphaeums des sog. Hauses von Amor und Psyche in Ostia angef�hrtwerden2. Mosaizierte Fensterlaibungen haben sich zudem in einem Nym-phaeum bei San Giovanni e Paolo in Rom erhalten3. Eine Dekoration derBogen- und Fensterlaibungen mit vegetabilen Elementen, die auch im Dekorder Acheiropoietos-Basilika eine zentrale Stellung einnehmen, scheint in derfr�heren rçmischen Kaiserzeit bereits g�ngige Praxis gewesen zu sein4.

Diese Gewohnheit, Bogen- und Fensterlaibungen mit Mosaiken zu deko-rieren, wurde schon fr�h auch f�r christliche Kirchen �bernommen. So habensich etwa in der fr�hchristlichen Bischofskirche (Quadratbau) in Trier Reste vonmusivischem Dekor (u. a. goldene Tesserae) in Fensterlaibungen erhalten5.Mosaizierte Arkadenlaibungen in einer Kirche sind offenbar erstmals f�r dieZeit um 395 bezeugt. Dies scheint aus einer Erw�hnung in der Schrift Peri-stephanon des Prudentius hervorzugehen6. In Bezug auf die pr�chtigen Lang-hauskollonaden der Basilika San Paolo fuori le mura in Rom, die ab den 380erJahren in kaiserlichem Auftrag errichtet worden ist, heißt es: „Er [der Kaiser]

1 Sear 1977, 112 f. Nr. 106 Taf. B. 46, 3.2 Sear 1977, 129 f. Nr. 138 Taf. 54, 1.3 Sear 1977, 122 Nr. 126 Taf. 53, 1.4 Das Bogenfeld in der Terme de Sette Sapienti in Ostia ist mit Akanthuselementen

geschm�ckt und zeigt als Mittelmotiv eine Bl�te in Aufsicht; die Fensterlaibungen desNymphaeums in Rom zeigen gr�ne Ranken. Erg�nzend sei hier noch eine Fensterlai-bung der sp�tantiken Basilika in Trier erw�hnt, die mit einem in Malerei ausgef�hrtenFries geschm�ckt ist, auf dem Eroten Akanthusranken bevçlkern. Goethert, in: De-

mandt – Engemann 2007, 310 Abb. 9 Kat.-Nr. I 15.42.5 Arbeiter – Korol 2006, Anm. 20.6 Zum Romaufenthalt des Prudentius um 395 Tr�nkle 1999, 109. 112.

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bedeckte die Bçgen mit strahlendem Glas verschiedener Farben7: wie Wiesenhell von Blumen im Fr�hling“8. Dies kann als Hinweis auf eine in Glasmosaikausgef�hrte vegetabile Dekoration der Arkadenlaibungen aufgefasst werden9.

Anhand der in dieser Arbeit zusammengestellten Denkm�ler lassen sich nunauf einer breiten Materialbasis einige �bergeordnete Aussagen zur Dekorati-onspraxis mosaizierter Bogen- und Fensterlaibungen im 5. und 6. Jh. im Mit-telmeerraum treffen.

1. Es hat sich gezeigt, dass die mosaizierten Bogen- und Fensterlaibungengrunds�tzlich keinen f�r sich alleinstehenden Dekor aufweisen, sondern nahezuausnahmslos eine Fortsetzung des Mosaikschmucks darstellen, der auch dieumliegenden Wand- oder Gewçlbefl�chen bedeckt. Somit sind die dekorativenPanele Bestandteil eines umfangreicheren Ausstattungsprogramms10. DiesesKonzept wird vor allem auch an der Westfassade der Euphrasius-Basilika er-sichtlich. Dort wurden nur die außen liegenden Fenstergew�nde und -laibungenmit Mosaik geschm�ckt, die eine Fortsetzung der Mosaikfl�che der umliegen-den W�nde bilden. Auf den Innenseiten der Fenster verwendete man dagegenStuck11. Auch die mit Stuck dekorierten Arkadenlaibungen dieser Kirche stehenin Verbindung mit den in gleicher Art geschm�ckten umliegenden Wandfl�chendes Mittelschiffs12. In San Vitale in Ravenna bilden die Bogenlaibungen derTriforien, die an das Presbyterium anschließen, eine Schnittstelle der verschie-

7 Außer eines Bezuges von „uarie“ auf die Farben sind auch die Motive denkbar (oderbeides). s. dazu den philologischen Kommentar dieser Stelle bei Fux 2003, 429.

8 Prud., Perist. XII 53 f.: „Tum camiros hyalo insigni uarie cucurrit arcus: sic prata uenerisfloribus renident“. Zur Bauzeit der Basilika s. Tr�nkle 1999, 107–109. Den Hinweisauf dieses Textzeugnis verdanke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Dieter Korol.

9 Fux 2003, 429. Vgl. Brandenburg 2004, 121–123.10 Klar ersichtlich ist der Zusammenhang der Mosaikfl�che von Bogen- und Fensterlai-

bungen mit dem Dekor der angrenzenden W�nde bei folgenden Denkm�lern: HagiaSophia in Konstantinopel (HS1. HS4–7), Mosaiken Eir1–Eir2 der Irenen-Kirche inderselben Stadt, Mosaiken Dem6–Dem10 der Demetrioskirche in Thessaloniki; inRavenna bei den Mosaiken MGP1–MGP5, MGP8–MGP11 des sog. Mausoleums derGalla Placidia, den Mosaiken BaptOrth1–BaptOrth7 des Baptisteriums der Orthodoxen,den Mosaiken SAN1–SAN11 in Sant’Apollinare Nuovo, den Mosaiken SV1–SV10 inSan Vitale, den Mosaiken SACl1–SACl3 in Sant’Apollinare in Classe, den MosaikenSVitt1–SVitt2 in San Vittore in Mailand, dem Mosaik ABapt des Baptisteriums inAlbenga, den Mosaiken Cim1–Cim12 der ›Mosaik�dikula‹ in Cimitile, sowie MosaikSL2 in San Lorenzo fuori le mura in Rom. Hinzu kommen die behandelten Apsisbo-genlaibungen in Rom, Ravenna und Kiti (SMM, SAcB, SSCD, SL1, SMich, PAng)sowie die Bogenlaibungen der Arkosolgr�ber in der Januarius-Katakombe in Neapel(JAN1–JAN4) und das Mosaik Steph des sog. Atriums der Stephania in derselben Stadt.Die Mosaikreste in der Apsiskalotte der Kirche in Tersane waren bis zum Ansatz derebenfalls mosaizierten Laibungen der Apsisfenster heruntergezogen (Abb. 421).

11 s. dazu u. Kap. VIII.3.9 S. 294 mit Anm. 289.12 s. dazu u. Kap. VIII.3.9 Anm. 289.

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denen Dekorationsarten. W�hrend im Untergeschoss die Laibungen als Fort-setzung des urspr�nglichen Dekors des Umgangs mit Stuck dekoriert sind13,schließen sich die Pendants der Empore mit ihrem Mosaikschmuck (SV4–SV9)an den Dekor der Presbyteriumsw�nde an.

Es scheint demnach so zu sein, dass f�r den Dekor der Arkaden- undFensterlaibungen in der Regel die gleiche k�nstlerische Technik verwendetworden ist, wie an einer der umliegenden Wandfl�chen14. Vor diesem Hinter-grund kann f�r die Denkm�ler, bei denen sich Mosaikreste nur in den Fenster-bzw. Bogenlaibungen erhalten haben15, eine nahtlose Fortsetzung der Mosaik-fl�chen auf den umliegenden Wand- oder Gewçlbepartien mit gutem Grundangenommen werden. In diesem Zusammenhang sind auch die Mosaiken derAcheiropoietos-Basilika einzuordnen, auch wenn f�r den Großteil der Wand-fl�chen, die an die mosaizierten Bogenlaibungen anschließen, ein einstigerMosaikdekor bisher nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte16. In Bezugauf die Demetrios-Basilika w�rde dies bedeuten, dass zumindest im zentralenBereich des Narthex und der dar�berliegenden Empore eine Mosaikdekorationanzunehmen ist, die sich auf den Wandfl�chen im Anschluß an die MosaikenDem1–Dem5 erstreckte.

2. Was die r�umliche Disposition der untersuchten dekorativen Motiveangeht, so l�sst sich ein klares Prinzip erkennen. Die Verteilung der Motiveorientiert sich an bestimmten Achsen. Diese entsprechen meist der Ausrichtungdes Geb�udes, d.h. seiner L�ngsachse. Die in der Acheiropoietos-Basilika vor-liegende Parallelit�t gleicher Grundmotive in einander gegen�berliegendenBogenlaibungen ist somit dieser verbreiteten Praxis geschuldet. Abweichungenvon dieser Regel erkl�ren sich durch sp�tere Flickungen, die auf das ur-spr�ngliche Konzept keine R�cksicht nahmen17.

Auch die Hervorhebung der zentralen Achse durch besondere Motive istanscheinend verbreitet. Dabei werden in den auf der Mittelachse des Geb�udesliegenden Bogen- bzw. Fensterlaibungen solche Motive verwendet, die ansons-

13 Angiolini Martinelli 1997, Atlante Abb. 357. 373–375. 408–410; Deichmann

1976a, 135–137 Abb. 39–40.14 Vgl. Deichmann 1989, 252. Als eine mir bekannte Ausnahme sei auf die Fenster in der

Apsisstirnwand der Kirche des Katharinen-Klosters auf dem Sinai verwiesen. Dort sinddie Gew�nde und Laibungen nicht mit Mosaik, sondern mit Marmorplatten verkleidet.Forsyth – Weitzmann 1973, Taf. 129 a.

15 F�r die Mosaiken im Baptisterium der Kathedrale von Novara (Nov), im Oratorium desProsdocimus in Padua (OrPros) und in Sant’Agata Maggiore in Ravenna (SAg1–SAg3)ist die urspr�ngliche Existenz umfangreicher Mosaikdekoration der umliegenden Wand-bzw. Gewçlbefl�chen gesichert.

16 Vgl. dazu die Ausf�hrungen o. Kap. III.6 S. 96 f.17 So bei MGP6 und MGP7 sowie den j�ngeren Mosaikschichten von SV5 und SV7.

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ten in den Laibungen des Baus nicht vorkommen18. Auch die mittlere Fens-terlaibung einer Apsis ist regelm�ßig mit einem besonderen Motiv ge-schm�ckt19. Neben der zentralen Geb�udeachse sind in der Acheiropoietos-Basilika auch die mittleren Bçgen der Langhausarkaden (Ach14a/Ach14b) –also die Querachse des Mittelschiffs – durch einen besonderen Rahmentyp undein Kreuzmedaillon hervorgehoben. Ein �hnliches Prinzip ist bei Drei-Bogen-Ensembles auf der Querachse eines Geb�udes zu beobachten, wo das Motiv dermittleren Arkade von jeweils zwei gleichartigen flankiert wird20.

Eine deutlich erkennbare erhçhte Wertigkeit bestimmter Raumteile, wie siein der Acheiropoietos-Basilika an den Motiven Ach18a/b–Ach20a/b ersichtlichwird, findet sich auch in anderen Denkm�lern21. In der Hagia Sophia inKonstantinopel heben sich die Mosaiken HS2–HS4 der drei Arkaden derWestempore durch ihre abstrakten Motive und besonderen Rahmentypen vomrein vegetabilen Dekor der �brigen Arkadenlaibungen der Empore ab. Auchdies h�ngt mçglicherweise mit der besonderen Bedeutung dieses Raumteilszusammen22. Bei der ›Mosaik�dikula‹ in Cimitile ist f�r die goldene Hinter-grundfarbe und die Auswahl der unmittelbar hinter dem verehrten Grab desheiligen Felix angebrachten Motive der Mosaiken Cim1–Cim3 eine gewollter�umliche Steigerung anzunehmen23. Eine Hierarchie der Wertigkeiten be-stimmter Raumteile durch Hintergrundfarben ist in der Acheiropoietos-Basilikaf�r den Bereich des Narthex zu vermuten, wo im Gegensatz zu den Bçgen, diedas Mittelschiff flankieren, in den Panelen Ach2, Ach3a sowie Ach4a/b Silberanstelle von Gold verwendet wurde24.

Die Mosaiken, die in der Acheiropoietos-Basilika einen besonders maleri-schen Stil aufweisen, finden sich vorzugsweise in den wichtigen Raumteilen undzwar dem Trivelum, den drei Arkaden seitlich des Altarraumes sowie der zumMittelschiff ausgerichteten Wandfl�che �ber den Emporenarkaden (Ach5,Ach6, Ach18a/b, Ach19a/b, Ach20a; Ach33). Mçglicherweise ist das Auftreten

18 So bei den Mosaiken Ach1/Ach5 der Acheiropoietos-Basilika, dem Mosaik Dem2 derDemetrios-Basilika, den Mosaiken Cim2/Cim8 der ›Mosaik�dikula‹ in Cimitile, inRavenna bei den Mosaiken MGP1/MGP2 im sog. Mausoleum der Galla Placidia, denMosaiken BaptOrth1/BaptOrth5 im Baptisterium der Kathedrale, dem Mosaik HS3 inder Hagia Sophia in Konstantinopel sowie dem Mosaik Ephr3 in der Euphrasius-Basilikain Porec.

19 Mosaik SAg1 in Sant’Agata Maggiore in Ravenna sowie SV1 in San Vitale und SACl1 inSant’Apollinare in Classe.

20 So bei Cim5/Cim11 der ›Mosaik�dikula‹ in Cimitile und den �lteren Mosaikschichtenvon SV5 und SV8 in San Vitale in Ravenna.

21 Insgesamt sind nur bei wenigen der in dieser Arbeit untersuchten Denkm�ler entspre-chend umfangreiche und aussagekr�ftige Reste erhalten.

22 s. dazu u. Kap. VIII.1.1 S. 238 mit Anm. 31.23 Vgl. u. Kap. VIII.6.3 S. 349.24 Vgl. o. Kap. III.5 S. 93.

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eines ›erhabenen Stils‹ an diesen Stellen nicht ausschließlich durch die Schulungder Mosaizisten, sondern auch durch die hohe Wertigkeit dieser Arkaden bzw.Wandfl�chen im Kirchenraum bedingt25. Vor allem die dekorativen Mosaikenin Arkaden- und Fensterlaibungen stellen demnach keine willk�rliche Zier dar.Sie sind grunds�tzlich als fester Bestandteil eines Ausstattungsprogramms auf-zufassen, das f�r einen spezifischen Innenraum konzipiert wurde.

3. Als ein technischer Aspekt wurde vor allem am Mosaik Ach5 deutlich,dass auch kleinere Bogenlaibungen von zwei nebeneinander arbeitenden Mo-saizisten ausgef�hrt wurden. Bisher war diese gleichzeitige Arbeitsweise zweierK�nstler an einem Bogenfeld nur f�r die Laibung des Triumphbogens von SanVitale in Ravenna angesprochen worden26. Vermutlich begann man gleichzeitigim Scheitelpunkt und arbeitete sich R�cken an R�cken zum Ansatz der Bçgenbzw. Gew�nde vor27. Neben dem eindeutigen Befund in Ach5 ist bei einer Reiheweiterer in dieser Arbeit untersuchter Bogen- und Fensterlaibungen ebenfallseine derartige Arbeitsweise anzunehmen. Dies legen Abweichungen in Detail-formen und Farbpalette in den beiden Bogenh�lften nahe28. Diese arbeitsteiligeVorgehensweise scheint bei der Dekoration von Bogen- und Fensterlaibungenim gesamten Mittelmeerraum verbreitet gewesen zu sein.

4. Die verwendeten Motive sind �berwiegend einem der klassisch-antikenKunsttradition entstammenden Repertoire entnommen und kçnnen somit alstraditionell gelten. In einigen wenigen F�llen ist die Adaption von Motivenzeitgençssischer Textilien zu vermuten, f�r die z.T. eine Herkunft aus demsasanidischen Bereich in Frage kommt29. Es lassen sich zwei grçßere Motiv-gruppen unterscheiden: abstrakte Fl�chenmuster (teilweise mit Fr�chten oderTieren als F�llmotiv) und vegetabile Kompositionen. Von letzteren sind be-sonders Weinranken, Akanthusranken sowie Frucht- und Bl�ttergirlanden be-liebt. Als wesentliche sp�tantik/fr�hbyzantinische Neuerung ist vor allem dasgelegentliche Einf�gen von Kreuzen oder Christogrammen zu bemerken, diemeist als Mittelmedaillons eine prominente Stellung in einem Bogenfeld ein-

25 Zum Ph�nomen einer Hierarchie der Stilstufen in der sp�tantiken Kunst Deichmann

1976a, 198 f. Auch in Hagios Georgios weisen die Mosaiken in den nachrangigenLichtbçgen im Vergleich zur Kuppel und zu den Tonnengewçlben des Untergeschosseseine geringer ausgepr�gte malerische Qualit�t auf.

26 Andreescu-Treadgold 1992a, 3 (korrigierte Fassung).27 Vgl. L’Orange – Nordhagen 1960, 60 f.28 Acheiropoietos-Basilika: Ach7; Ach15b, vielleicht Ach16a, Ach16b, Ach18b, Ach19a/b;

Demetrios-Basilika in Thessaloniki : Dem1, mçglicherweise Dem3; Sant’Agata Maggiorein Ravenna: SAg2a/b; Hagia Sophia in Konstantinopel: HS6; HS7. Zu Abweichungenin der Setztechnik und den verwendeten Materialien als Indikator f�r verschiedeneK�nstlerh�nde vgl. Terry – Maguire 2007, 83.

29 Dem2 (zur mçglichen Herkunft dieses Motivs aus dem sasanidischen Bereich s. o. Kap.IV.1.3.1 S. 123 Anm. 69); HS3; Eir1.

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nehmen30. In Bezug auf das h�ufig verwendete Kompositionsschema eines vonden Bogenans�tzen emporwachsenden Rankengebildes mit einem zentralenMittelmedaillon konnte ebenfalls auf �ltere Vorbilder zur�ckgegriffen werden31,die sich durch das Einf�gen von Kreuzen problemlos an den neuen Kontextanpassen ließen. Die inhaltlichen Aussagen bewegen sich meist auf einer all-gemeinen Ebene, die durch den Kontext im Kirchenraum und die Kombinationmit Symbolen des neunen Glaubens (Kreuze, Christogramm) ›christianisiert‹wurden. Abgesehen von Kreuzen und Christogrammen ist ein weiterf�hrenderchristlicher Symbolgehalt im musivischen Schmuck dekorativer Bogenlaibungennur in wenigen F�llen erkennbar32. Theologisch bedeutsame Inhalte werdenhaupts�chlich auf die Wandfl�chen (und Apsiskalotten) beschr�nkt gewesensein, wie es etwa das Mosaik Ach33 bezeugt. Der Dekor der Bogen- undFensterlaibungen ist �berwiegend als ein ›Rahmenprogramm‹ f�r die Darstel-lungen auf den W�nden bzw. Gewçlben aufzufassen, nicht als bevorzugter Platzf�r zentrale Glaubensinhalte.

5. Die große geographische Verbreitung der in dieser Arbeit behandeltenMotivtypen spricht f�r ein im gesamten Mittelmeerraum gel�ufiges Grundre-pertoire an Motiven33. Bei spezifischen Varianten eines Motivtyps sind jedochauch regionale bzw. lokale Auspr�gungen deutlich geworden. So sind z.B.Kreuze in blaugrundigen Medaillons als zentrales Motiv sowohl im çstlichenMittelmeerraum als auch im westlichen Mittelmeerraum verbreitet34, wobei dieStrahlenkreuze in der Acheiropoietos-Basilika im 5. und 6. Jh. einem çstlichenTypus zuzurechnen sind35.

30 Thessaloniki: Dem2; Dem7; Ach1; Ach4a/b; Ach5–7; Ach14a/b; Ach18a/b; Ach22–31; Kiti : PAng; Ravenna: MGP1; SAN3; SAN10–11; SAg2a/b; Rom: SMM; SSCD;SL1; Neapel: JAN1–JAN3.

31 Auf der Bogeninnenseite des kleinen Galeriusbogens aus dem Kaiserpalast von Thessa-loniki ist das Kompositionsschema der aus Gef�ßen wachsenden Weinranken mit einemrunden Medaillon im Scheitelpunkt bereits ausgebildet. Stephanidou-Tiberiou 1995,Abb. 6–7. Auch in einem Gewçlbemosaik der Badeanlage des Gymnasiums in Salamisauf Zypern aus der ersten H�lfte des 3. Jhs. st�tzen zum Scheitelpunkt emporwachsendeRanken ein Mittelmedaillon mit einer fragmentarisch erhaltenen B�ste (Abb. 434).Michaelides 1992, 52 Nr. 25 (Medaillonbild); Balty 1988, 205–209. 217 (Datie-rung) Abb. 2 Taf. 62, 1–2. 63, 1–2.

32 Ach4a/b, Ach5–7 (o. Kap. III.7 S. 104–106). Von den in dieser Arbeit untersuchtenApsisbogenlaibungen ist dies nur bei San Michele in Africisco in Ravenna (SMich) derFall.

33 Man beachte z.B. die unter den Mosaiken SVict, SV8 und Car angef�hrten, geogra-phisch weit auseinanderliegenden Vergleichsdenkm�ler. Vgl. auch Korol 2000b, 161.

34 JAN1–JAN3, MGP1, vielleicht SVict, Ach1, Ach5–Ach7, Ach14a/b, Ach22–Ach31,Dem2, Dem7, PAng.

35 Es handelt sich um die Mittelmotive der Mosaiken Ach5–7, Ach14b, Ach23 undAch29. Zu vergleichbaren Kreuzen in Thessaloniki und Konstantinopel s. die o. in Kap.III.3.2 S. 42 f. angef�hrten Beispiele. Zur �berwiegenden Verbreitung von Strahlen-

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Anhand des in dieser Arbeit untersuchten dekorativen Motivspektrums istin Ans�tzen ein lokal bzw. regional ausgerichteter Charakter der einzelnenMosaikzentren erkennbar geworden. Es f�llt auf, dass die direkt vergleichbarenMotive h�ufig im selben oder einem benachbarten Zentrum bzw. einer be-nachbarten Kunstlandschaft zu finden sind. Offenbar waren bestimmte Mo-tivvarianten und Kompositionsschemata in den einzelnen Zentren �ber l�ngereZeitr�ume in Gebrauch. Dies erkl�rt sich wohl durch die kontinuierliche Be-nutzung bestimmter Mustervorlagen36 und die Ortstradition der Mosaikateliers.

In Rom ist im 5. und 6. Jh. z.B. das Motiv der in verschiedene Abschnitteunterteilten Girlande in Apsisbogenlaibungen beliebt. Die in SAcB, SSCD, SL1und in der Apsisbogenlaibung von Sant’Agnese auftretende, von B�ndernumwickelte Variante hat ein langes Nachleben in der Stadt bis ins Mittelalter37.Das Motiv der Apsisbogenlaibung von Sant’Agnese belegt durch gewisse�bereinstimmungen mit SL1 die lokale Tradierung bestimmter dekorativerMotive. Auch Medaillons mit Christusmonogrammen als Mittelmotive vonBogenfeldern scheinen besonders in Rom beliebt gewesen zu sein (SMM,SSCD, SL1)38, w�hrend sie in den Bogenfeldern der �brigen Mosaikzentrennicht vorkommen.

Im kampanischen Raum und in Neapel l�sst sich eine lokale Motivtraditionweniger an den hier untersuchten dekorativen Bogenlaibungen als an den Ar-kosolbildern festmachen. Der Typus des von Ranken umgebenen Clipeusbildesist mit mehreren Beispielen in der Januarius- und Gaudiosus-Katakombe ver-treten39. Das in den Mosaiken Cim4, Cim6, Cim10 und Cim12 auftretendeMuster zweigeteilter Schuppen ist zwar grunds�tzlich verbreitet, aber die f�rdieses Motiv angef�hrten Vergleichsbeispiele stammen alle aus Italien und ins-besondere aus Kampanien. Auf einen k�nstlerischen Austausch mit anderen

kreuzen im çstlichen Mittelmeerraum Guarducci 1986, 78–80. In ihrem knappenDenkm�lerkatalog f�hrt sie kein Beispiel in Italien vor dem 9. Jh. an. Das Exemplar ander Apsisstirnwand von San Vitale in Ravenna ist ihr jedoch entgangen. AngioliniMartinelli 1997, Atlante Abb. 489.

36 Zu Musterb�chern s. die in Kap. IV.2.2 S. 175 Anm. 276 zitierte Literatur.37 Santa Prassede: Andaloro 2006b, 299 Abb. 5; San Lorenzo in Lucina: Osborne –

Claridge 1996, 190 Nr. 71; Santa Maria in Domnica: Matthiae 1967, Taf. 145; SanMarco: Matthiae 1967, Taf. 215; San Clemente: Oakeshott 1967, Abb. XV.

38 Als weiteres Beispiel sei noch das Christusmonogramm im zentralen Medaillon desGewçlbes der Hauptnische von Santa Costanza genannt: Arbeiter 2007, 109. 116.Taf. 97, 3.

39 Neben den drei Mosaiken der Bischofskrypta und dem Arkosol des Bischofs Gaudiosus(Abb. 590–591. 603. 614) findet sich diese Dekorationsform auch bei in Malereiausgef�hrten L�nettenbildern sowie anscheinend bei einem nur schlecht erhaltenenGrabmosaik der Gaudiosus-Katakombe. Arbeiter – Korol 2006, 67 Farbtaf. 3 e;Fasola 1974, 190 f. Abb. 125; Achelis 1936, 62 Taf. 26.

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Mosaikzentren in Italien kçnnte das Motiv der Mosaiken Cim7 und Cim9hinweisen, das in Wandmosaiken ansonsten nur in Ravenna vorkommt40.

In Ravenna werden durch das Auftreten bestimmter dekorativer Motiveoder Kompositionsschemata in mindestens zwei Denkm�lern der Stadt gewisselokale Traditionen ersichtlich41. Die engen Bez�ge des musivischen Dekors derEuphrasius-Basilika in Porec zur Mosaikkunst Ravennas haben j�ngst Terryund Maguire nochmals ausf�hrlich dargelegt42. Dies ist auch an den dekora-tiven Mosaiken der Fenster der Kathedrale von Porec erkennbar, f�r die sich vorallem Vergleiche in Ravenna anf�hren lassen43. Eingerollte Wellenb�nder warenim Bereich der Wandmosaiken anscheinend in Ravenna genauso beliebt wie im�brigen Italien (und auch in Porec)44. Im erhaltenen Bestand von Bogen- undFensterlaibungen ist dieses Motiv im çstlichen Mittelmeerraum nicht bezeugt.

In Thessaloniki konnte anhand der untersuchten dekorativen Mosaiken dielokale Komponente der Motivtradition klar herausgearbeitet werden. Nur indiesem Kunstzentrum tritt das an sich verbreitete Dekorationsschema desSchuppenmusters in der spezifischen Form mit Pfauenfedern als F�llmotiv inWandmosaiken auf, und zwar in drei verschiedenen Denkm�lern45. Das Motivder mit Pfauenfedern gef�llten Muschelkonche findet sich nur in der Acheiro-poietos-Basilika (Ach34) und in der Rotunde46. Ansonsten sind in dieser Me-tropole anscheinend Fruchtgirlanden und aus Gef�ßen wachsende Weinrankenbesonders beliebt gewesen47. Dem Dekor der Westfenster der Acheiropoietos-Basilika und von Hagios Demetrios liegt ein �hnliches Konzept zugrunde, dasteilweise mit den gleichen Motivtypen umgesetzt wurde (Kap. IV.1.4). AlsMittelmotive kommen Medaillons mit achtstrahligem Stern in allen dreiHauptdenkm�lern der fr�hbyzantinischen Mosaikkunst Thessalonikis vor.Zudem lassen sich weitere wechselseitige motivische Bez�ge zwischen den

40 MGP3–4 und BaptOrth5.41 Rapportmuster stilisierter Bl�ten in einem Raster rechteckiger Felder: MGP3, MGP4,

BaptOrth5; M�ander mit Rechteckzahnung: SAN6 und Blendbçgen in San Vitale ; sich�berschneidende und Medaillons ausbildende Ranken: SAN10 und Komposition vonSMich; Wellenband mit geripptem Grund: SV1, SV3, SACl3a/b; Rapport lyrafçrmigerGebilde und Kreiselemente: SAg1 und Rahmenleisten in San Vitale.

42 s. die u. Kap. VIII.3.9 S. 294 f. in Anm. 290 angef�hrte Literatur.43 Euphr1a/b, Euphr4a/b und SAN6; Euphr3 und SAg3a/b.44 Ravenna: BaptOrth3; BaptOrth7; SAN9; Porec : Euphr2a/b; Mailand: SVitt2; Rom:

SL2.45 Acheiropoietos-Basilika: Ach12a/b, Ach17a/b; Hagios Georgios: Gewçlbe der L�nette

›a‹ (Kap. IV.2.1 S. 164 f.) ; Demetrios-Basilika: Dem4. Taddei 2003, 813 f. spricht voneiner art „revival“ dieses Motivs in den Wandmosaiken Thessalonikis.

46 Kap. III.3.5 S. 87 f. ; Kap. IV.2.1 S. 164.47 Acheiropoietos-Basilika: Ach2; Ach3a/b; Ach6–7; Ach11a/b; Ach22; Ach25; Ach27;

Ach29; Ach32; Hagios Demetrios: Dem1; Dem3; Dem8; Dem10; Hagios Georgios:Girlande im Kuppelscheitel ; Rahmenzone der L�nette ›g‹.

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Mosaiken von Hagios Georgios, der Acheiropoietos-Basilika und Hosios Davidfeststellen48. Die bereits vereinzelt hervorgehobene Eigenst�ndigkeit der Mosa-ikkunst der Metropole Thessaloniki49 ist somit auch im Bereich der dekorativenMotive klar erkennbar.

Anhand der in dieser Arbeit untersuchten Motive sind einige Ber�hrungs-punkte und Gemeinsamkeiten der Mosaikkunst Thessalonikis mit dem For-menspektrum der Hauptstadt Konstantinopel erkennbar, die in Bezug aufWandmosaiken bisher noch nie thematisiert worden sind50. So kann f�r dieMotive der Panele Dem2 und Dem7 in Hagios Demetrios eine Rezeption vonin der Hauptstadt vorgepr�gten Motiven angenommen werden51. Als weitereGemeinsamkeit ist die Verwendung blaugrundiger Medaillons mit achtstrahli-gem hellenistischem Sternmotiv in Bogenscheiteln zu nennen. Im Bestand dererhaltenen Wandmosaiken ist dieses Mittelmotiv nur in der Hagia Sophia inKonstantinopel sowie in Hagios Georgios, der Acheiropoietos-Basilika undHagios Demetrios nachweisbar (Abb. 20. 26–27. 32–33. 222. 256. 335). F�rdie Sonderform des Christogramms im Scheitelpunkt der Mosaiken Ach4a/blassen sich in vorikonoklastischen Wandmosaiken nur in den Gewçlben desEsonarthex der Hagia Sophia in Konstantinopel Parallelen anf�hren (Abb. 45).

Das lateinische Tropfenkreuz in einem von hell zu dunkel abgestuftemblaugrundigen Medaillon im Patriarchenpalast (Abb. 75), das w�hrend desBildersturms entstanden ist, �hnelt formal den Exemplaren in den Mittelme-daillons der Mosaiken Ach5–7 der Acheiropoietos-Basilika52. Strahlenkreuze inabgestuften blaugrundigen Medaillons sind in der Mosaikkunst Konstantinopelsdurch weitere Beispiele aus dem Patriarchenpalast (wahrscheinlich 9. Jh.) be-zeugt (Abb. 77)53.

Als Beispiel f�r mehr allgemeine �bereinstimmungen bei der Kompositionsei nochmals auf die bereits erw�hnten �hnlichen Windungen einiger Wein-ranken der Acheiropoietos-Basilika und der Hagia Sophia (Kap. V.2 S. 202

48 Kap. IV.2.1 und IV.2.2.49 Die Eigenst�ndigkeit der Mosaikkunst Thessalonikis wurde z.B. von Brenk 1977, 94

postuliert : „In Thessaloniki zeichnet sich wie in Ravenna ein Lokalstil ab, dem allerdingsnicht alle Denkm�ler unterschiedslos zugewiesen werden kçnnen“.

50 Die Bodenmosaiken des 4. und der ersten H�lfte des 5. Jhs. in den beiden Metropolenzeigen einige Gemeinsamkeiten, die sich jedoch durch die allgemein verbreitete Ent-wicklung der Kunstgattung im çstlichen Mittelmeerraum erkl�ren lassen und nichtdurch direkte Beziehungen zwischen den Werkst�tten. Asemakopoulou-Atzaka 2007,passim bes. 309 f. 319.

51 s. o. Kap. IV.1.6 S. 145.52 Cormack – Hawkins 1977, 204 f. Abb. 14. 20.53 Cormack – Hawkins 1977, 234. 246 f. (Datierung) Abb. 24–25. Weitere Strahlen-

kreuze in abgestuften Medaillons mit Tropfenbesatz befanden sich auf der Westemporeder Hagia Sophia. Mango 1962, 41 Abb. 42–43. Im Gegensatz zu den Exemplaren inThessaloniki waren sie aber mit Gemmen besetzt.

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sowie den Aufbau der Akanthusstaude in Mosaik Ach24 verwiesen, wof�r sichauf einer Bronzet�r der Hagia Sophia eine formale Parallele findet (Kap. III.3.4S. 75). Die Kompositionen der sich �berschneidenden Girlanden der MosaikenAch4a/b und Eir2 sind in etwa vergleichbar; ebenso die seitlichen Rankenele-mente der Mosaiken Ach18a/b und die einer Fensterlaibung im Narthex derHagia Sophia (Abb. 162–164). Generell gehçren sowohl in der Acheiropoietos-Basilika als auch in den Emporenarkaden der Hagia Sophia Wein- und Akan-thusdarstellungen zu den besonders beliebten Motiven.

Die großfl�chige Verwendung silber�berfangener Tesserae f�r die Hinter-grundgestaltung dekorativer Bildfelder l�sst sich nur in der S�dnische vonHagios Georgios, den Mosaiken Ach2, Ach3a, Ach4a/b und einigen Gewçl-bepartien der Hagia Sophia in Konstantinopel nachweisen54.

In Bezug auf die ornamentale Dekorationspraxis waren die Mosaikwerk-st�tten Thessalonikis demnach nicht ausschließlich lokal gepr�gt. Zumindest�hnliche Leitlinien und Teile des dekorativen Formenspektrums waren auch inder Hauptstadt gel�ufig.

6. Der Stil der in dieser Arbeit untersuchten dekorativen Mosaiken folgt imWesentlichen den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kunstgattung im 5.und 6. Jh.55. Ab dem 6. Jh. treten bei fig�rlichen Darstellungen als stilistischeNeuerungen u. a. eine zunehmende Silouettenwirkung und Isolierung vonEinzelformen, Farbreduktion und Hell-Dunkel-Kontraste auf 56. Diese Trendssind auch bei den dekorativen Mosaiken erkennbar, und zwar besonders gut beiden vegetabilen Motiven. Gegen�ber einer �berwiegend sehr naturnahen undvolumenreichen Darstellungsweise mit ausgepr�gter Tiefenr�umlichkeit sowieeiner reichen Farbpalette �ber weite Teile des 5. Jhs.57 ist ab der zweiten H�lftedes 5. und vor allem der ersten H�lfte des 6. Jhs. vermehrt eine zunehmendeStilisierung und Verflachung pflanzlicher Elemente zu beobachten. Die Paletteder verwendeten Farben nimmt tendenziell ab, und Hell-Dunkel-Kontrastedominieren zunehmend58. In der Acheiropoietos-Basilika steht diese fort-

54 S�dnische von Hagios Georgios: Pazaras 1998, Taf. II (farbig); Hagia Sophia inKonstantinopel : Gewçlbemosaik im Untergeschoss sowie Teile der an die Exedren aufder Empore anschließenden Gewçlbefl�chen: Mango – Ertug 1997, 54 f. 93 (farbigeAbb.)

55 Dazu allgemein Gkioles 2007, 27–30; Brenk 1977, 71–76. 94–102.56 Brenk 1977, 85 f. 95.57 MK1–MK2, SMM, MGP1, BaptOrth4, BaptOrth6, SVitt1.58 Dem1, Dem3, SVict, ABapt, JAN1, JAN2, JAN3, Steph, die Rankenfragmente des

Arkosols des Bischofs Gaudiosus in der gleichnamigen Katakombe in Neapel (Kap. V.2S. 204), Cim1, sowie die Ranken an den W�nden der ›Mosaik�dikula‹ in Cimitile, Car,SAN10, SAg3a/b, SV2, SV10, Euphr4a/b. Vgl. Hawkins – Mundell 1973, 293 zumStilisierungsgrad der 512 entstandenen Weinranken im Gewçlbe der Klosterkirche vonMar Gabriel bei Kartmin. Diese Entwicklung ist modellhaft und verl�uft nicht linear.

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schrittliche Stilauffassung neben einer mehr traditionellen mit reicher Farbpa-lette und teils noch sehr plastischen Formen. Die stilistische Bewertung desMosaiks Ach5 l�sst vermuten, dass der Grad der Auspr�gung dieser beidenTendenzen in den einzelnen Panelen vor allem von der Schulung der einzelnenMosaizisten abh�ngig ist59. Andererseits ist auch in Erw�gung zu ziehen, dass zurBetonung besonders wichtiger Raumteile bewußt ein ›erhabener‹ Stil gew�hltworden ist (s. o. S. 213 f.).

Die fortschrittlichen Stilcharakteristika sind auch in den wenigen hier ein-gehender untersuchten vegetabilen Mosaiken in Konstantinopel fassbar60, undihr Auftreten in den von Kaiser Justinian I. (527–565) initiierten Bauten HagiaSophia und Hagia Eirene belegt, dass diese stilistischen Trends im 6. Jh. auchdem hauptst�dtischen Zeitgeschmack entsprechen. Dies ist vor allem deshalbvon einiger Bedeutung, da die in erheblichem Umfang erhaltenen dekorativenMosaiken insbesondere der Hagia Sophia noch nie in �bergreifende Betrach-tungen der Stilentwicklung einbezogen wurden61.

Neben den erw�hnten motivischen Gemeinsamkeiten sind in dieser Arbeitauch einige stilistische Ber�hrungspunkte zwischen der Acheiropoietos-Basilikaund Denkm�lern in Konstantinopel deutlich geworden62. Dies deutet �hnlichwie beim Motivspektrum auch im Bereich der stilistischen Ausdrucksformen aufgewisse Bez�ge zwischen diesen beiden Zentren hin. Allerdings sollten diesestilistischen Bez�ge nicht ausschließlich als ›Einfl�sse‹ eines hauptst�dtischenStils in Thessaloniki bewertet werden, zumal sich die Mosaikwerkst�tten derHauptstadt ihrerseits anscheinend teilweise an syrischen Vorbildern orientier-

Weiterhin treten plastische und noch sehr naturnahe vegetabile Kompositionen auch im6. Jh. auf. So z.B. bei SSCD, SL1, PAng.

59 Auch in den Mosaiken der Erzbischçflichen Kapelle in Ravenna stehen eine traditionelleund eine fortschrittliche Stilauffassung nebeneinander. Brenk 1977, 94: „Nur derMeister, der die Apostelportr�ts am nordçstlichen Bogen schuf, hatte sich dem neuenFormenkanon ganz zugewandt, w�hrend das Mosaik am Gewçlbe der Kapelle mit vierKaryatidenengeln und Evangelistensymbolen einem traditionellen Mosaizisten zu ver-danken ist“.

60 HS5–HS7, Eir2.61 So vermutet z.B. Brenk 1977, 86 f�r den Stil der Mosaiken der Erzbischçflichen

Kapelle und von Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna Konstantinopel als Inspirations-quelle. Andererseits meint er: „Die Entwicklung in Konstantinopel l�sst sich nur hy-pothetisch erschließen, denn die Bodenmosaiken im Kaiserpalast und einige Ikonen imKatharinen-Kloster auf dem Sinai stellen uns vor das fait accompli eines schwer er-gr�ndbaren Stilpluralismus von hçchster k�nstlerischer Aussagekraft“. Brenk 1977, 94.Auch in neueren Handb�chern zur sp�tantiken Monumentalmalerei werden die deko-rativen Mosaiken der Hagia Sophia nicht ihrer Bedeutung entsprechend gew�rdigt.Gounares 2007, 238 und Gkioles 2007, 69 erw�hnen sie nur am Rande.

62 Kap. V.2 S. 227.

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ten63. Ein in der weiteren Region verbreiteter Motivschatz und der gleicheZeitstil kommen m.E. als Erkl�rung f�r diese Gemeinsamkeiten eher in Be-tracht.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Der musivische Dekor der Acheiropoietos-Basilika folgt der im 5. und 6. Jh. g�ngigen Dekorationspraxis mosaizierterBogen- und Fensterlaibungen. Diese Dekorationspraxis hat ihre Wurzeln in derfr�heren rçmischen Kaiserzeit. Der Dekor von nachrangigen Fl�chen, wie Ar-kaden- und Fensterlaibungen, ist grunds�tzlich ein integraler Bestandteil desAusstattungsprogramms eines Innenraums. Die in der Acheiropoietos-Basilikaerkennbare Akzentuierung bedeutsamer Stellen bzw. Raumteile durch besondereMotive oder Rahmenleisten ist verbreitet. Ebenso die gleichzeitige Arbeit zweierMosaizisten an einer Bogenlaibung. Die verwendeten Motive entstammenhaupts�chlich einem allgemein verbreiteten Grundrepertoire. Dabei wird�berwiegend an das traditionelle Formenspektrum der klassischen Antike an-gekn�pft, das gelegentlich durch das Einf�gen von christlichen Symbolen anden neuen Kontext angepasst wird. Bei der Acheiropoietos-Basilika wie auch beiDenkm�lern in anderen Mosaikzentren ist eine lokale Verwurzelung bestimmterMotivvarianten feststellbar. Ber�hrungspunkte mit der Kunst der Hauptstadt

63 Schon der Begriff des Einflusses ist problematisch, da er einen einseitigen Transfersuggeriert und einen wechselseitigen Austausch k�nstlerischer Ausdrucksformen mitanderen Kunstzentren ausschließt. Generell zur Problematik des auf Konstantinopelfixierten Zentrum-Peripherie-Modells bei der Bewertung des Kunstschaffens im byzan-tinischen Reich Eastmond 2008, passim. Gesicherte Aussagen zur Entwicklung derMosaikkunst Konstantinopels kçnnen aufgrund des geringen Bestandes vorikonoklasti-scher Wandmosaiken und der unzureichenden Publikationslage der Bodenmosaiken imMoment nicht getroffen werden. Jedenfalls scheint die k�nstlerische Produktion Kon-stantinopels im 6. Jh. nicht nur in die Provinzen ausgestrahlt zu haben, sondern wurdeoffenbar ihrerseits auch von anderen Kunstlandschaften befruchtet. Im Bereich derBodenmosaiken sind bereits die Gemeinsamkeiten vor allem des großen Palastmosaiks zuPavimenten in Nordsyrien bemerkt worden (Parrish 2005, 1106–1108; Hellen-

kemper Salies 1987, 297–308 mit Anm. 142; allgemein zu syrischen Vorbildern f�rdie Bodenmosaiken Konstantinopels Hellenkemper Salies 1990, 613 f. 622). Auch dieGestaltung der fr�hbyzantinischen opus-sectile-Bçden der Hauptstadt geht anscheinendauf Vorbilder aus dieser Region zur�ck (Peschlow 1983, 445). F�r den Bereich derWandmosaiken deutet die Bord�re des Mosaiks HS1 in der Hagia Sophia, die eineParallele im Paviment der Basilika in Misis findet, ebenfalls in eine solche Richtung (s. u.Kap. VIII.1.1 S. 232). Der Gemmentyp einer Bord�re im Gewçlbemosaik eines Raumesdes Patriarchenpalastes s�dlich der Hagia Sophia steht dem Typ des Bodenmosaiks inMisis nahe (Cormack – Hawkins 1977, 203 Abb. 14–15. 20–21. Farbfoto bei Go-

unares 2007, Abb. 305). In grçberer Ausf�hrung findet sich ein vergleichbarer Gem-mentyp auf einem Bodenmosaik in Antiocheia aus der zweiten H�lfte des 5. Jhs.(Campbell 1988, 34 f. Taf. 95).Anstelle der in der �lteren Forschungsliteratur h�ufig angenommenen çstlichen Ein-

fl�sse auf die Mosaikkunst Kampaniens wird in letzter Zeit zunehmend der eigenst�n-dige Charakter dieser Kunstlandschaft betont. Vgl. Korol 2000b, 160.

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Konstantinopel sind in geringer Auspr�gung vor allem anhand der fr�hbyzan-tinischen Mosaiken Thessalonikis erkennbar.

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