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Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. NIKI – Symposium Neue Volkskrankheiten im Kindes- und Jugendalter Die „Neue Morbidität“ im Kindes- und Jugendalter. Ergebnisse der KiGGS- Studie Heike Hölling Essen, 15. Juni 2016

Die „Neue Morbidität“ im Kindes- und Jugendalter ... · SCOFF: Screening für essgestörtes Verhalten (2003-06) Prävalenz von Essstörungssymptomen bei 11- bis 17-Jährigen,

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Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.

NIKI – Symposium Neue Volkskrankheiten im Kindes- und Jugendalter

Die „Neue Morbidität“ im Kindes- und Jugendalter. Ergebnisse der KiGGS-Studie Heike Hölling Essen, 15. Juni 2016

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15.06.2016 NIKI – Symposium 2

Begriff: ‘Neue Morbidität’ in der Pädiatrie

Wandel des Krankheitsspektrums bei Kindern- und Jugendlichen

Akute (Infektions-) Erkrankungen, somatische Störungen

chronische Erkrankungen, psychische Störungen

In den letzten Jahrzehnten sind Infektionskrankheiten, schwere Behinderungen und angeborene Fehlbildungen stark zurückgegangen, während Störungen in Entwicklung und Verhalten im Kontext der sozialen Differenzierung sowie chronische Erkrankungen deutlich an Bedeutung gewonnen haben.

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Pressespiegel

15.06.2016 NIKI – Symposium 3

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Pressespiegel

15.06.2016 NIKI – Symposium 4

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15.06.2016 NIKI – Symposium 5

KiGGS-Studie: Basiserhebung und 1. Folgeerhebung

KiGGS-Basis (2003-2006)

• Befragung und Untersuchung in 167 lokalen Studienzentren

• Querschnitt 0-17 Jahre: n=17.461

KiGGS Welle 1 (2009-2012)

• Befragung via Telefon

• Querschnitt 0-17 Jahre: n=12.368

Bundesweite, bevölkerungsbezogene Querschnittdaten zum Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der 0- bis 17-Jährigen

Aufzeigen von Trends in der Entwicklung gesundheitsrelevanter Themen

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www.kiggs-studie.de

15.06.2016 NIKI – Symposium 6

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15.06.2016 NIKI – Symposium 7

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Allgemeiner Gesundheitszustand nach Sozialstatus (2009-12)

Prävalenz eines höchstens mittelmäßigen allg. Gesundheits- zustands bei 3- bis 17-Jährigen, nach Sozialstatus, KiGGS Welle 1

Mittelmäßiger bis sehr schlechter Gesundheitszustand nach Sozialstatus • Am häufigsten schätzen Eltern den

allgemeinen Gesundheitszustand ihrer Kinder als gut bis sehr gut ein

• Doch bei 6% der Heranwachsenden wurde die Gesundheit von den Eltern als mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht beschrieben

• Es zeigt sich hier ein starkes soziales Gefälle: 11% in Familien mit niedrigem Sozialstatus versus 3% in Familien mit hohem Sozialstatus

Lampert T. et.al. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014 ; GBE-kompakt 01/2015

0 %

2 %

4 %

6 %

8 %

10 %

12 %

Niedrig Mittel Hoch

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Keuchhusten KiGGS-Basis KiGGS Welle 1

15.06.2016 NIKI – Symposium 8

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Als Beispiel für den Rückgang von Infektionserkrankungen (2003-06; 2009-12)

Lebenszeitprävalenz von Windpocken und Keuchhusten: Vergleich zwischen KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1

Windpocken • Es zeigen sich Impferfolge der 2004

von der STIKO im 1. LJ empfohlenen Schutzimpfung

Keuchhusten • Es zeigen sich Impferfolge der 2006

von der STIKO im 6. und 7. LJ empfohlenen Auffrischimpfung

Neuhauser H. & Poethko-Müller C. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014

Windpocken KiGGS-Basis KiGGS Welle 1

0%

20%

40%

60%

80%

100%

0-2 J. 3-6 J. 7-10 J. 11-13 J. 14-17 J.

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15.06.2016 NIKI – Symposium 9

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Übergewicht und Adipositas (2003-06)

Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei 3- bis 17-Jährigen, KiGGS-Basis

Übergewicht und Adipositas • Insgesamt sind 15% der 3- bis 17-

Jährigen übergewichtig, davon 6,3% adipös

• Der Anteil Übergewichtiger ist im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren deutlich gestiegen

• Aktuelle Daten von 2009-12 deuten auf einen stagnierenden Trend, wenn-gleich Adipositas v.a. bei Jungen weiter zuzunehmen scheint

• Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus sind von Übergewicht und Adipositas häufiger betroffen als jene aus Familien mit hohem Sozialstatus

Kurth B.-M. & Schaffrath Rosario A. Bundesgesundheitsbl. 5/6, 2007

0 %

2 %

4 %

6 %

8 %

10 %

12 %

14 %

16 %

18 %

20 %

Gesamt Jungen Mädchen

adipös

übergewichtig

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0 %

1 %

2 %

3 %

4 %

5 %

6 %

Gesamt Jungen Mädchen

KiGGS-Basis

KiGGS Welle 1

15.06.2016 NIKI – Symposium 10

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Als Beispiel für die Zunahme von chronischen Erkrankungen (2003-06; 2009-12)

12-Monatsprävalenz von Asthma bronchiale: Vergleich zwischen KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1

Asthma bronchiale • Über die Zeit (Trend) ist der Anteil

der Asthmatiker statistisch signifikant angestiegen, v.a. bei kleinen Kindern bis 6 Jahre

• Aktuell sind 0,5 Mio. Kinder und Jugendliche betroffen

• Jedes 5. Kind mit Asthma hat Fehlzeiten in Kita/Schule aufgrund seiner Erkrankung ; im Durchschnitt 1 von 38 Schulwochen im Jahr

Schmitz R. et.al. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014

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0 %

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

15.06.2016 NIKI – Symposium 11

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Gesundheitsverhalten: Alkohol- und Tabakkonsum (2003-06; 2009-12)

Prävalenz von Alkohol- und Tabakkonsum bei 11- bis 17-Jährigen, Vergleich von KiGGS-Basis und Welle 1

Alkohol- und Tabakkonsum • Der Anteil der Jugendlichen, die jemals

Alkohol getrunken haben, ist deutlich zurückgegangen (62,8% vs. 54,4%)

• Bedenkenswert ist jedoch der Anteil von 19,8% der 14- bis 17-Jährigen, die zum Rauschtrinken neigen

• Über die Zeit ist die Raucherquote von 20,4% auf 12% deutlich gesunken; der Anteil regelmäßiger Raucher hat sich mehr als halbiert (16,2% vs. 7,4%)

• Sozialer Gradient nach wie vor beim Rauchen

Lampert T. et.al. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014 ; GBE-kompakt 02/2015

KiGGS-Basis

KiGGS Welle 1

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Einstellung eines Individuums zu sich selbst (realistische Selbsteinschätzung)

Fähigkeit des Individuums zur Selbstverwirklichung (Sinnfindung, Lebensmut)

Fähigkeit zur flexiblen Identifikation mit dem eigenen Ich (individuelle Annahme des eigenen Ich)

Autonomie gegenüber sozialen Einflüssen (Selbstbestimmung des eigenen Handelns)

Unverzerrte Wahrnehmung der Realität (Unterscheidung von Wunsch und Wirklichkeit)

Fähigkeit zum Meistern der Umweltanforderungen (Durchsetzungs- und Anpassungsfähigkeiten)

Kriterien psychischer Gesundheit (Jahoda 1958)

15.06.2016 NIKI – Symposium 12

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Der psychische Zustand von Menschen wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt: unter anderem biologische (z. B. genetische, geschlechtliche), individuelle (z. B. persönliche Erfahrungen), familiäre und soziale Faktoren (z. B. soziale Unterstützung) sowie wirtschaftliche und Umfeldfaktoren (z. B. sozialer Status und Lebensbedingungen).

Einflussfaktoren

Kuhn, 2006

15.06.2016 NIKI – Symposium 13

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Operationalisierung psychischer Gesundheit in KiGGS Altersbereich 3-17 Jahre

(RKI, 2011)

Spezifische Störungen

• ADHS-Diagnose (elternberichtet)

• Weitere elternberichtete kinder-psychiatrische Diagnosen

Risiko- und Belastungsfaktoren, z.B.

• Soziale, z.B. Bildungsferne • Familienstrukturelle Faktoren • Familiäre Belastungen • Konsum psychoaktiver

Substanzen

Psychische Auffälligkeiten und Störungen (Screening)

• SDQ-Symptomfragebogen • SDQ-Impact (ab Welle1) • SCOFF (Essstörungen) • Aggression und Gewalt • PHQ-9 (Depression) • PHQ-Angst

Spezifische Kontextfaktoren, z.B.

• Elterliche Psychopathologie

• frühe außerfamiliäre Kindertagesbetreuung

Schutz- und Kompensationsfaktoren

• Personale Ressourcen • Familiäre Ressourcen • Soziale Ressourcen

Subjektive Gesundheit

• Selbst-/eltern-eingeschätzter Gesundheits-zustand

• Gesundheits-bezogene Lebensqualität

15.06.2016 NIKI – Symposium 14

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15.06.2016 NIKI – Symposium 15

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

SDQ: Screening psychischer Auffälligkeiten (2003-06; 2009-12)

Prävalenz psychischer Auffälligkeiten bei 3- bis 17-Jährigen: Vergleich zwischen KiGGS-Basis und KiGGS Welle 1

Strengths and Difficulties Questionnaire + Impact (Score) Emotionale, Verhaltens-, Hyperaktivitäts- und Peerprobleme, prosoziales Verhalten; psychosoziale Beeinträchtigungen

• Bei 20,2% der 3- bis 17-Jährigen bestehen Hinweise auf psychische Störungen (Gesamtproblemwert); Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen

• Der Anteil der Auffälligen ist in Familien mit niedrigem Sozialstatus >3x höher als in Familien mit hohem Sozialstatus

• >60% der Auffälligen haben deutliche bzw. massive Beeinträchtigungen im sozialen und familiären Alltag

Hölling H. et.al. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014

0 %

5 %

10 %

15 %

20 %

25 %

Gesamt Jungen Mädchen

KiGGS-Basis

KiGGS Welle 1

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Trends in der Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten (SDQ-TDS) nach Geschlecht - KiGGS Basis (2003-2006 ) und KiGGS Welle 1 (2009-2012) Altersbereich 3-17 Jahre, Elternbeurteilung

0

5

10

15

20

25

Gesamt Jungen Mädchen

Geschlecht

%

KiGGS-Basis (2003-2006) KiGGS Welle 1 (2009-2012)

n.s.

n.s. n.s.

15.06.2016 NIKI – Symposium 16

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Trends in der Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten (SDQ-TDS) nach Altersgruppe - KiGGS Basis (2003-2006 ) und KiGGS Welle 1 (2009-2012) Altersbereich 3-17 Jahre, Elternbeurteilung

0

5

10

15

20

25

3-6 7-10 11-13 14-17

Altersgruppen (Jahre)

%

KiGGS-Basis (2003-2006) KiGGS Welle 1 (2009-2012)

n.s. n.s. n.s.

n.s.

15.06.2016 NIKI – Symposium 17

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Trends (SDQ-TDS) nach Sozialstatus KiGGS Basis (2003-2006 ) und KiGGS Welle 1 (2009-2012) Altersbereich 3-17 Jahre, Elternbeurteilung

0

5

10

15

20

25

30

35

40

niedrig mittel hoch

Sozialstatus

%

KiGGS-Basis (2003-2006) KiGGS Welle 1 (2009-2012)

n.s.

n.s.

n.s.

15.06.2016 NIKI – Symposium 18

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SDQ-Problemskalen nach Geschlecht (n=10.353) KiGGS Welle 1

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

MW

Jungen

Mädchen***

***

***

***

ANOVA ***p<0,001

***

Jungen: mehr Verhaltensprobleme, mehr Hyperaktivität, höhere Werte im Gesamtwert.

15.06.2016 NIKI – Symposium 19

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Schwierigkeiten infolge emotionaler und Verhaltensprobleme KiGGS Welle 1 (2009-2012)

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

keine Schwierigkeiten leichte Schwierigkeiten deutlicheSchwierigkeiten

massive Schwierigkeiten

Schwierigkeiten (n=10.354)

Jungen

Mädchen

48,2% mit mindestens leichten Schwierigkeiten, 6,3% mit deutlichen und 1,1% mit massiven Schwierigkeiten, Jungen mehr als Mädchen.

15.06.2016 NIKI – Symposium 20

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Chronifizierung KiGGS Welle 1 (2009-2012)

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

70,0%

80,0%

90,0%

< 1 Monat 1 - 5 Monate 6 - 12 Monate > 1 Jahr

Dauer (n=4.752)

Jungen

Mädchen

In ca. ¾ der Fälle dauerten die Schwierigkeiten bereits länger als ein Jahr (Jungen und Mädchen).

15.06.2016 NIKI – Symposium 21

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Familiäre Belastung KiGGS Welle 1 (2009-2012)

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

70,0%

Gar nicht Kaum Deutlich Schwer

Familiäre Belastungen (n=4.781)

Jungen

Mädchen

Etwa ein Fünftel der Familien fühlt sich dadurch deutlich oder schwer belastet.

15.06.2016 NIKI – Symposium 22

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Psychische Probleme (SDQ-TDS grenzwertig/auffällig) SDQ-Selbstbeurteilung, Altersbereich 11-17 Jahre KiGGS-Basiserhebung 2003-2006

9,7 7,6

13,2

9,7

18,0

8,0

13,9

10,3

7,1 8,4

12,8

02468

101214161820

kein

er

eins

eitig

beid

seiti

g

Deut

schl

and

Türk

ei

Ehem

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Pole

n

Mitt

el-/

Süde

urop

a

Wes

teur

opa/

USA

/Kan

ada

Arab

.-Isla

m.

Ande

re

Migrationshintergrund Herkunftsland

%

Kinder mit Migrationshintergrund mit ca. 50% höheren Raten.

15.06.2016 NIKI – Symposium 23

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15.06.2016 NIKI – Symposium 24

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (2003-06; 2009-12)

Lebenszeitprävalenz von ADHS bei 3- bis 17-Jährigen: Vergleich zwischen KiGGS-Basis und KiGGS Welle 1

ADHS • Eltern von 5% der 3- bis 17-Jährigen

gaben an, dass ihr Kind jemals eine ADHS-Diagnose von einem Arzt oder Psychologen erhalten hat; Jungen sind >4x häufiger betroffen als Mädchen

• Es zeigt sich ein starkes soziales Gefälle bei der Prävalenz: 8% in Familien mit niedrigem Sozialstatus versus 3% in Familien mit hohem Sozialstatus

• Die meisten Diagnosen werden ab dem Schuleintritt bis zum Ende des Grundschulalters gestellt

Schlack R. et.al. Bundesgesundheitsbl. 57, 2014

0 %

2 %

4 %

6 %

8 %

10 %

Gesamt Jungen Mädchen

KiGGS-Basis

KiGGS Welle 1

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15.06.2016 NIKI – Symposium 25

KiGGS-Ergebnisse zu ‚Neuen Morbiditäten‘

SCOFF: Screening für essgestörtes Verhalten (2003-06)

Prävalenz von Essstörungssymptomen bei 11- bis 17-Jährigen, KiGGS-Basis

SCOFF 5 Fragen, die die Kernsymptome von Anorexia und Bulimia nervosa charakterisieren

• Bei 21,9% der 11-bis 17-Jährigen bestehen Symptome einer Essstörung; Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen

• Es zeigt sich ein starkes soziales Gefälle bei der Prävalenz: 27,6% in Familien mit niedrigem Sozialstatus vs. 15,6% in Familien mit hohem Sozialstatus

• Fehlwahrnehmung im Körperbild: trotz Normalgewicht schätzen sich >3/4 der Auffälligen als „viel oder etwas zu dick“ ein, Unauffällige nur zu 28,6%

Hölling H. & Schlack R. Bundesgesundheitsbl. 5/6, 2007

0 %

5 %

10 %

15 %

20 %

25 %

30 %

Gesamt Jungen Mädchen

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15.06.2016 NIKI – Symposium 26

Schutzfaktoren sind nicht das exakte Gegenteil von Risikofaktoren ! Risikofaktoren= „Was lässt Menschen krank werden?” Risikofaktoren sind Einflussfaktoren die die Wahrscheinlichkeit einer Person, gesund zu bleiben oder zu werden, verringern. “Was lässt Menschen trotz oft außergewöhnlicher Belastungen gesund bleiben?” Schutzfaktoren sind Einflussfaktoren, die die Auswirkungen von Risikofaktoren abmildern oder psychische Gesundheit oder Wohlbefinden steigern.

Was sind Schutzfaktoren? Was sind Risikofaktoren?

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15.06.2016 NIKI – Symposium 27

Psychosoziale Risikofaktoren Psychosoziale Faktoren nehmen den größten Raum in der Bedingung psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen ein. Personal: Vulnerabilität, Persönlichkeitsmerkmale, Erfahrungen fehlangepasste Bewältigungsprozesse… Familiär: Art der Erziehung, Elterliche Einmischung und Überprotektivität, Trennung und Verlusterfahrung, familiäre Disharmonie, Bindungsmängel, psychische Störungen bei Eltern… Sozial: Aus Merkmalen der Schule und der Gruppe der Gleichaltrigen Erwachsende Risikofaktoren wie z. B., Mobbing, Isolation, Diskriminierung…

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15.06.2016 NIKI – Symposium 28

9,4%7,3%

16,4%

8,2%

0

5

10

15

20

25

30

unterdurchschnittlich defizitär

%

SDQ-grenzwertig SDQ-auffällig

Psychische Auffälligkeit (SDQ-Gesamtproblemwert, Elternurteil) und Familienklima (Selbsturteil) (Altersgruppe: 11-17 Jahre)

***

*** p<0,001

Psychische Auffälligkeiten (SDQ) sind mit einem defizitären Familienklima assoziiert.

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15.06.2016 NIKI – Symposium 29

7,0%

60,7%

17,7%13,9%

73,3%

27,0%

17,1%

82,3%

34,5%

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Rauchen Alkoholerfahrung Drogenkonsum (1 oder mehrmals)

%

Familienklima normal Familienklima grenzwertig Familienklima defizitär

Familienklima und gesundheitliches Risikoverhalten (Selbsturteil) (Altersgruppe 11-17 Jahre)

Kinder und Jugendliche mit defizitärem Familienklima zeigen ein erhöhtes gesundheitliches Risikoverhalten (Rauchen, Alkohol-, Drogenkonsum).

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15.06.2016 NIKI – Symposium 30

13,3

30,9 30,5

19,6

23,9

22,0

0

5

10

15

20

25

30

35

Vollständige Familie Unvollständige Familie Arbeitslos Nicht berufstätig Teilzeitbeschäftigt Vollzeitbeschäftigt

%

Psychische Auffälligkeit (SDQ grenzwertig/auffällig) 3 bis 17 Jahre nach Vollständigkeit der Familie und Beschäftigungsstatus alleinerziehender Mütter

Kinder in unvollständigen Familien zeigen mehr Auffälligkeiten als solche in vollständigen Familien. Kinder arbeitsloser bzw. nicht berufstätiger alleinerziehender Mütter haben mehr Auffälligkeiten als Kinder alleinerziehender, berufstätiger Mütter.

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15.06.2016 NIKI – Symposium 31

Psychische Auffälligkeiten (SDQ) insgesamt nach Altersgruppen und Familienform

0

5

10

15

20

25

30

35

3-6 Jahre 7-10 Jahre 11-13 Jahre 14-17 Jahre

Jungen

Leibliche Eltern

Stieffamilie

Alleinerziehend (Mutter)

% %

0

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3-6 Jahre 7-10 Jahre 11-13 Jahre 14-17 Jahre

Mädchen

Leibliche Eltern

Stieffamilie

Alleinerziehend (Mutter)

Zusammenhang von elterlicher Trennung und psychischen Auffälligkeiten in den Altersgruppen 7-13 Jahre am stärksten, bleibt aber bis in die Adoleszenz erhalten. Jungen aus Stieffamilien besonders im Alter von 11-13 Jahren betroffen

R. Schlack (2013)

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Was sind Risikofaktoren? Was sind Schutzfaktoren?

Schutzfaktoren sind nicht das exakte Gegenteil von Risikofaktoren ! „Was lässt Menschen krank werden?” Risikofaktoren sind Einflussfaktoren die die Wahrscheinlichkeit einer Person, gesund zu bleiben oder zu werden, verringern. “Was lässt Menschen trotz oft außergewöhnlicher Belastungen gesund bleiben?” Schutzfaktoren mildern die Auswirkung von Risikofaktoren ab oder steigern die psychische Gesundheit oder das Wohlbefinden.

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Protektive oder Schutzfaktoren

Personale Schutzfaktoren wie positives Temperament, Selbstwirksamkeitserwartung, Zielorientierung, realistische Selbsteinschätzung, Autonomie, Sozialgefühl, positives Selbstwertgefühl Familiäre Schutzfaktoren wie Kohäsion, sichere Bindung, positives Familienklima, Wärme, Harmonie, Fehlen von Vernachlässigung Soziale Schutzfaktoren wie soziale Unterstützung, Erwachsene als Rollenmodelle, Kontakte zu Gleichaltrigen

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Psychische Auffälligkeit (SDQ) und Schutzfaktoren (personal, sozial, familiär)

Hölling & Schlack (2008), KiGGS-Basiserhebung

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Gesundheitsbezogene Lebensqualität (Kidscreen -10- Index) Beispiel 11- bis 17-Jährige (Selbstangaben)

Ellert et al. Bundesgesundheitsblatt 2014 57:798-806

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15.06.2016 NIKI – Symposium 36

Das Phänomen der ‚Neuen Morbidität‘ kann mit empirischen Daten untermauert werden Für Ärzte, Therapeuten und politische Akteure stellt insbesondere die soziale Differenzierung, die weiter

voranschreiten wird, eine Herausforderung dar

Der Anteil der Kinder, die einen mittelmäßigen bis schlechten Gesundheitszustand aufweisen ist im Verlauf von 6 Jahren gleich geblieben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Kinder- und Jugendliche mit gesundheitsbezogenen Risiken noch differenzierter zu beschreiben und ihre individuellen Lebensverläufe weiter zu begleiten.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen von Kindern und Jugendlichen stehen im Zusammenhang mit einem gestörten Gleichgewicht von Risiko- und Schutzfaktoren.

Personale, familiäre und soziale Ressourcen stellen Schutzfaktoren für die Gesundheit dar, die aus einer benachteiligten Lebenslage resultierenden Belastungen und Risiken entgegenwirken können.

Erforschung von Einflussfaktoren auf die Gesundheit in Transitionsphasen muss mehr Raum gegeben werden.

Eine weitere Vernetzung und intensivere Zusammenarbeit aller Akteure, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche und deren Gesundheit übernehmen, kann zum besseren Erkennen, Bewerten und Handeln vor oder in Problemsituationen beitragen.

Die Veränderung der Hilfsangebote von „Komm- in Gehstrukturen“ , die Unterstützung auf Augenhöhe und der Ausbau sozialpsychologischer und sozialpädagogischer „Unterstützer“ in den Settings kann zum Ressourcenaufbau beitragen.

Fazit:

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15.06.2016 NIKI – Symposium 37

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Robert Koch-Institut in Berlin www.rki.de