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Die neue Richtlinie VDI 4486: Leistungsverfügbarkeit Endlich kann Verfügbarkeit gemessen werden! Dipl.-Ing. Guido Follert, Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik, Dortmund Dr.-Ing. Martina M. Maier, Bosch Rexroth Drives and Controls GmbH, Lohr am Main; Dr.-Ing. Christoph Meurer, Ingenieurbüro für Intralogistik-Lösungen, Roßdorf 1. Kurzfassung
Die Richtlinie 4486 beschreibt ein alternatives Verfahren für die Bestimmung der
Verfügbarkeit von Materialflusssystemen. Dabei erfolgt eine Abkehr von der Berechnung
einer relativen Verfügbarkeit auf Basis des Verhältnisses zwischen nutzbarer zu gesamter
Einsatzzeit der miteinander verknüpften Elemente eines Materialflusssystems. Vielmehr
steht die Erreichung der geplanten Geschäftsziele im Vordergrund.
Der folgende Beitrag beschreibt die wesentlichen Unterschiede zwischen der technischen
Verfügbarkeit und der Leistungsverfügbarkeit, gibt einen Einblick in die Richtlinie 4486 zur
Leistungsverfügbarkeit und beschreibt Simulationsuntersuchungen, die die Anwendung und
Eigenschaften der neuen Kenngröße praxisnah zeigen. Dabei wird deutlich, dass die
Leistungsverfügbarkeit im Gegensatz zur herkömmlichen Methode der technischen
Verfügbarkeit die Auswirkungen der Dauer von Störungen, Pufferkapazitäten,
Leistungsreserven und Strategien auf die Erfüllung der Geschäftsprozesse des
Anlagenbetreibers plausibel abbilden kann.
Stichpunkte: Leistungsverfügbarkeit, VDI 4486, technische Verfügbarkeit
2. Motivation für die neue Richtlinie
Eine Beurteilung von Anlagen anhand der technischen Verfügbarkeit rein unter dem Aspekt
von Störungen wird vielen modernen Anlagen nicht mehr gerecht. Die Hochrechnung von
Verfügbarkeiten vieler Systemelemente, die auf unterschiedlichste Weise miteinander
verknüpft sind und auf einander Wechselwirkungen ausüben, hin zu einer
Anlagenverfügbarkeit ergibt keinen aussagekräftigen Kennwert. Ausführliche
Untersuchungen [1] haben gezeigt, dass in der Praxis hohe Unzufriedenheit sowohl von
Anlagenbetreibern wie auch Anlagenlieferanten über den Kennwert Verfügbarkeit herrscht.
Das umfangreiche Regelwerk zur Berechnung der Verfügbarkeit (insbesondere VDI 3581[2],
VDI 3649 [3] und FEM 9.222 [4]) wurde in den vergangenen 30 Jahren mehrmals
überarbeitet, ohne eine wesentliche Steigerung der Anwendungszufriedenheit zu erzielen
[5,6]. Die neue Richtlinie bietet eine Betrachtungsweise, die Verfügbarkeit für die Domäne
der Intralogistik neu zu definieren und zu diesem Zweck den Begriff „Leistungsverfügbarkeit“
in der Logistik einzuführen.
Die Richtlinie beschreibt eine Methode für die Definition, Messung und Abnahme der
Verfügbarkeit, bei der der Geschäftsprozess des Betreibers im Mittelpunkt steht. Der
Geschäftsprozess des Betreibers soll möglichst wenig durch Störungen beeinträchtigt
werden. Dies ist dann der Fall, wenn alle Abnehmer der logistischen Leistung jederzeit
bedarfsgerecht versorgt werden.
3. Abgrenzung zur technischen Verfügbarkeit
Die bisher geläufige Definition der technischen Verfügbarkeit quantifiziert die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Betrachtungseinheit zur Betrachtungszeit keine als
maßgeblich geltende Störung aufweist, die unter den vorauszusetzenden Bedingungen die
Erfüllung einer Funktion verhindern [7]. Die Verfügbarkeit wird demnach berechnet als der
Quotient aus der Einschaltzeit abzüglich der Ausfallzeit und der Einschaltzeit. Die Ausfallzeit
ist die Summe der störungsbedingten Stillstandszeiten der Anlage.
Für die abnahmerelevante Messung der Verfügbarkeit einer intralogistischen Anlage müssen
gemessene und bewertete Ausfallzeiten einzelner Komponenten in einen Verfügbarkeitswert
für Systeme oder Subsysteme umgerechnet werden. Systemeigenschaften wie
Redundanzen, Pufferkapazitäten und Leistungsreserven bestimmen ganz wesentlich die
Auswirkungen von Störungen einzelner Komponenten auf die Leistungsfähigkeit des
Systems. Diese versucht man bei der störungszeitbasierten Verfügbarkeitsmessung durch
Korrekturfaktoren zu berücksichtigen. Große und stark vernetzte Systeme lassen sich mit
dieser Methode auch bei hohem Aufwand für die Erstellung eines Verfügbarkeits-Modells
nicht ausreichend genau beschreiben. Die Struktur der Störungen (z. B. viele kurze oder
wenige lange) sowie die Auswirkungen von Auftragsstrukturen werden in der
störungszeitbasierten Verfügbarkeitsmessung nicht berücksichtigt.
Gegenüber dem störungszeitbasierten Verfahren hat der neue Kennwert
Leistungsverfügbarkeit den Vorteil, dass sie die tatsächliche Nutzbarkeit der Anlage
wiedergibt, unabhängig von der inneren Struktur.
4. Definition und Überblick über die Richtlinie
Der Kennwert wird in der gleichnamigen VDI-Richtlinie 4486 definiert und beschrieben.
Entwickelt wurde der Kennwert vom Fachausschuss „Zuverlässigkeit in der Intralogistik“ der
VDI-Gesellschaft „Produktion und Logistik“ (VDI-GPL), der im Mai 2007 unter Leitung von
Herrn Prof. Michael ten Hompel (TU Dortmund) gegründet wurde [8]. Im Ausschuss vertreten
sind Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von Intralogistik- und
Zuverlässigkeitsinstituten und Experten von renommierten Anlagenlieferanten und
Planungsbüros. Darüber hinaus konnten bisher regelmäßig Anlagenbetreiber für inhaltliche
Stellungnahmen gewonnen werden.
Die Definition der Leitungsverfügbarkeit in der VDI-Richtlinie 4486 lautet: „Die
Leistungsverfügbarkeit gibt den anforderungs- und termingerechten Erfüllungsgrad von
zwischen Vertragspartnern (Hersteller und Anwender) vereinbarten Prozessen unter
Einhaltung der vereinbarten Rahmenbedingungen an.“ [9] Dabei unterstreicht das doppelte
„vereinbart“ die Wichtigkeit der ausführlichen Gespräche der Vertragsparteien über die
konkrete Aufgabe der zu installierenden Anlage.
Bevor konkrete Anforderungen an die Leistungsverfügbarkeit gestellt werden, müssen
zunächst vier wesentliche Schritte getan werden:
1. Formulierung des Geschäftsziels: Die neue Anlage hat die Aufgabe, dem Betreiber das
Erreichen seiner Geschäftsziele zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Dazu ist es notwendig,
dass diese Ziele konkret definiert werden.
2. Formulierung der logistischen Prozesse: Die Geschäftsziele werden erreicht, indem
verschiedene logistische Prozesse erfolgreich auf der Anlage durchgeführt werden. Diese
Prozesse müssen ebenfalls konkret beschrieben und quantifiziert werden.
3. Formulierung der Randbedingungen: Um die Prozessergebnisse sinnvoll messen und
bewerten zu können, müssen verlässliche Randbedingungen definiert werden, auf deren
Basis die notwendigen Ressourcen geplant werden können.
4. Unterscheidung der Folgen, die bei einer Prozessstörung auftreten: Treten in Folge
einer Störung am betrachteten Arbeitsplatz ungewünschte Wartezeiten auf, so
berechnet sich die Leistungsverfügbarkeit W an einem Arbeitsplatz aus der Betriebszeit
TB und der Wartezeit TW nach Gleichung B
WBW
T
TT
(1):
B
WBW
T
TT (1)
Wird ein Prozess gewählt, bei dem sich die fehlende Verfügbarkeit in verspäteten
Ladeeinheiten messen lässt, so beschreibt die Anzahl der verspäteten Ladeeinheiten n
sowie die Anzahl N bei planmäßiger Leistung im Beobachtungsintervall die
Leistungsverfügbarkeit L:
N
nNL
(2)
Störungen, die durch Puffer und Redundanzen innerhalb der Anlage kompensiert werden,
haben dagegen keinen Einfluss auf die Leistungsverfügbarkeit.
Die Berechnung der Leistungsverfügbarkeit und die Durchführung des Nachweises im
Rahmen der Abnahme wird in der Richtlinie anschaulich anhand zweier Beispiele
(Distributionszentrum und Gepäckförderanlage) dargestellt.
5. Simulation Kommissionieranlage mit Shuttlelager
Um die Eigenschaften der Leistungsverfügbarkeit zu untersuchen und darzustellen, wurde
ein Simulationsmodell einer Kommissionieranlage mit Behälterfördertechnik und Shuttlelager
erstellt, siehe Bild 1.
Bild 1: Aufbau des Kommissioniersystems für Experimente zur Leistungsverfügbarkeit
Sammelband
Gasse 1
Einlagerstich
Auslagerstich
Heber
Versand
Wareneingang
Shuttle
Das Lager besteht aus 4 Gassen mit jeweils 8 Ebenen und 200 Plätzen je Ebene bei doppelt
tiefer Lagerung. In jeder Gasse befinden sich zwei Shuttles, die von einem Heber in die
Lagerebenen transportiert werden, um dort Behälter abzugeben und aufzunehmen. Der
Heber befördert die Shuttles auch zu den Ein- und Auslagerpunkten, die beide auf einer
Ebene liegen. Die Fördertechnik verbindet die Lagergassen über jeweils einen Ein- und
Auslagerstich mit zwei Kommissionierplätzen sowie mit je einem Förderer für Wareneingang
und Versand. Jeder Ein- und Auslagerstich hat Platz für fünf Behälter. Auf die Zuführungen
zu den Kommissionierplätzen passen 12 Behälter. Im Folgenden wird der Förderer, der die
Ein- und Auslagerstiche miteinander verbindet, als „Sammelband“ bezeichnet.
Mit dem Modell wurden Experimente für Ausfälle des Sammelbands sowie für Ausfälle des
Hebers in Gasse 1 durchgeführt. Ziel war es, die Auswirkungen der Störungen auf den
Geschäftsprozess „Kommissionierung“ (z. B. auftragsreine Andienung von Artikelbehältern in
der Flugzeugfertigung) zu ermitteln. Gefordert ist eine Leistung von 155 Behältern pro
Stunde je Kommissionierplatz. Bei dieser Leistung ist der Kommissionierer zu 85 %
ausgelastet. Das Gesamtsystem verfügt über genügend Leistungsreserven, um den
Kommissionierer zu 100 % auszulasten, so dass eine Leistung bis 180 Behälter pro Stunde
an einem Platz erreicht wird.
5.1 Ausfälle Sammelband - Einfluss von Pufferkapazitäten und Leistungsreserven
Bild 2 zeigt den Ablauf einer fünf-minütigen Störung des Sammelbands. Das Band fällt zum
Zeitpunkt 0:28:28 aus. Dadurch können die Ein- und Auslagerstiche nicht mehr ver- und
entsorgt werden. In den Kommissionierstationen sind zu diesem Zeitpunkt noch jeweils
sechs Behälter gepuffert, so dass die Kommissionierer noch ca. zwei Minuten arbeiten
können, siehe Zeitpunkt 0:30:18. Ab dann müssen die Kommissionierer auf neue Behälter
warten, d. h. die Störung wirkt sich auf den Geschäftsprozess „Kommissionierung“ aus.
Zum Zeitpunkt 0:33:24 ist die Störung behoben und das Sammelband läuft wieder. Da das
Lager während der Störung die Auslagerstiche füllen konnte, können die
Kommissionierstationen innerhalb kurzer Zeit mit ca. 20 Behältern versorgt werden. Ca. 40
Sekunden nach Wiederanlauf des Sammelbands können die Kommissionierer also wieder
mit voller Leistung arbeiten, siehe Zeitpunkt 0:34:07.
In diesem Beispiel wird deutlich, dass durch die Betrachtung der Wartezeiten am
Kommissionierplatz der Einfluss von Pufferkapazitäten auf die Verfügbarkeit der
Kommissionierplätze richtig erfasst wird: obwohl das Sammelband für fünf Minuten ausfällt,
beträgt die Wartezeit der Kommissionierer weniger als jeweils vier Minuten.
Bild 2: Ablauf einer Störung des Sammelbands
Neben Pufferkapazitäten berücksichtigt die Leistungsverfügbarkeit auch Leistungsreserven.
Dies wird in Bild 3 anhand des Verlaufs von Leistung und Wartezeiten für Station 1 bei
Störungen des Sammelbands gezeigt. In einem 67 Stunden dauernden Szenario wurde die
Leistungsverfügbarkeit stundenweise ausgewertet. Anhand der Linien „Leistung Station 1“
und „Wartezeit Station 1“ ist zu erkennen, dass Wartezeiten des Kommissionierers nur dann
berücksichtigt werden, wenn innerhalb des Beobachtungsintervalls von einer Stunde die
Leistung unter dem geforderten Wert von 155 Behältern liegt. Beispielsweise betrug die
Leistung des Kommissionierer in Stunde 30 148 Behälter und es werden 640 Sekunden
Wartezeit für die Leistungsverfügbarkeit berücksichtigt. Die Leistungsverfügbarkeit für
Stunde 30 ist also: (3600 s – 640 s) / 3600 s = 0,822.
Demgegenüber werden in Stunden, in denen die geforderte Leistung erreicht oder
überschritten wird, keine Wartezeiten angerechnet, d. h. die Leistungsverfügbarkeit beträgt
100 % oder „1“. Beispielsweise gab es in Stunde 2 einen Ausfall des Sammelbands (siehe
Linie „Verfügbarkeit Sammelband“), da aber die Leistung des Kommissionierers in dieser
Stunde trotzdem 164 Behälter betrug, wurden keine Wartezeiten angerechnet.
Sammelband fällt aus Wartezeit beginnt
Sammelband startet Wartezeit endet
Bild 3: Leistungsverfügbarkeit in Abhängigkeit der Kommissionierleistung
5.2 Ausfälle Heber – Einfluss von Strategien
Anhand von Ausfällen des Hebers in Gasse 1 kann gezeigt werden, dass auch Strategien
Einfluss auf die Leistungsverfügbarkeit haben. Bild 4 zeigt den Ablauf einer 20-minütigen
Störung des Hebers in Gasse 1. Der Heber fällt zum Zeitpunkt 5:36:08 aus. Daraufhin
können die Kommissionierer zunächst weiterarbeiten, weil noch Behälter in den Stationen
gepuffert sind und noch einige Behälter aus den Gassen 2-4 ausgelagert werden.
An den Kommissionierplätzen müssen Behälter auftragsweise zusammen ankommen. Wenn
Teile von Aufträgen aus Gasse 1 erwartet werden, dann können entsprechende Behälter
nicht von den anderen Auslagerstichen auf das Sammelband fahren, da sonst Sequenzfehler
entstehen würden. Daher werden die Kommissionierer bald nach Ausfall des Hebers nicht
mehr mit Behältern versorgt, obwohl noch drei Gassen arbeiten können. Effektiv hat also das
Element „Heber“, das viermal in Parallelschaltung vorhanden ist, eine 1:1 Auswirkung auf die
Verfügbarkeit der Kommissionierer (abgesehen von Pufferkapazitäten und
Leistungsreserven). Beim störungszeitbasierten Verfahren wird für ein solches Element oft
eine Gewichtung von 25 % angesetzt.
Bild 4: Ablauf einer Störung des Hebers in Gasse 1
Im vorliegenden Beispiel wird der Einfluss eines Hebers dadurch gemindert, dass noch
während der Störung die Transporte aus Gasse 1 aus den Kommissionierstationen
ausgebucht werden, so dass das System mit den verbleibenden drei Gassen weiter arbeiten
kann. Im Beispiel wird zum Zeitpunkt 5:46:0 ausgebucht (Behälter in Gasse 1 jetzt grün statt
vorher rot dargestellt), so dass die Behälter auf den Auslagerstichen Gasse 2-4 Richtung
Kommissionierstationen losfahren, ebenso wie die unfertigen Auftragsbehälter an den
Stationen (jetzt rot dargestellt). Kurz danach (Zeitpunkt 5:46:52) endet die Wartezeit der
Kommissionierer, obwohl der Heber noch ca. 10 Minuten in Störung ist (Ende der Störung
zum Zeitpunkt 5:56:12) In diesem Beispiel beträgt die Wartezeit für den Kommissionierer
weniger als 10 Minuten, obwohl der Heber 20 Minuten gestört ist. Ohne die zuvor zwischen
Anwender und Lieferant vereinbarte Strategie „Ausbuchen“ wäre die Wartezeit fast genau so
lang wie die Ausfallzeit.
Heber fällt aus Transporte Gasse 1
ausgebucht
Wartezeit endet Heber startet
5.3 Leistungsverfügbarkeit versus technische Verfügbarkeit
Für die im Vorigen beschriebenen Ausfallszenarien wurden Simulationsläufe über jeweils 70
Stunden Anlagenbetrieb (am Stück) durchgeführt. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich der
ausfallzeitbasierten Komponentenverfügbarkeit mit der Leistungsvefügbarkeit der
Kommissionierung für drei unterschiedliche Szenarien. Im speziellen Fall dieser
Simulationsstudien wird die Komponentenverfügbarkeit des Hebers bzw. des Sammelbands
mit der technischen Verfügbarkeit des Gesamtsystems gleichgesetzt, da diese jeweils das
einzige Element mit Störungen im Szenario ist und mit „1“ gewichtet wird.
Im ersten Szenario wurden Ausfälle des Sammelbands mit einer Dauer von jeweils 300 s
generiert (MTTR = „mean time to repair“, hier Dauer des Ausfalls). Innerhalb der 70 Stunden
betrug die Verfügbarkeit des Sammelbands 95,3 %. Aufgrund von Pufferkapazitäten an den
Kommissionierstationen und auf den Auslagerstichen, sowie durch Leistungsreserven der
Anlage und der Kommissionierer ist die Kommissionierung jedoch weit weniger betroffen: die
Leistungsverfügbarkeit beträgt 98,4 %. Anders formuliert betragen die Ausfallzeiten des
Sammelbands 4,7 % der Einsatzzeit, die Kommissionierer müssen aber nur 1,6 % der Zeit
durch die Ausfälle verursacht warten.
Bei Ausfällen eines Hebers für jeweils 1200 s ist dagegen die Komponentenverfügbarkeit
annähernd gleich der Leistungsverfügbarkeit der Kommissionierung. Hier zeigt sich, dass die
Leistungsverfügbarkeit auch den Einfluss der Dauer von Störungen erfasst. Gegenüber den
kurzen aber dafür häufigeren Ausfällen des Sammelbands im vorherigen Szenario wirken
sich die längeren Ausfälle des Hebers praktisch 1:1 auf die Kommissionierung aus. Die
Puffer können nur einen kleinen Teil der Ausfalldauer überbrücken, und die
Leistungsreserven sind nicht groß genug, um die Soll-Leistung auch im Fall einer Störung zu
erreichen.
Tabelle 1: Vergleich der technischen Verfügbarkeit (= „Verfügbarkeit Element“) mit der
Leistungsverfügbarkeit der Kommissionierung
Simulationsläufe über jeweils 70 h Verfügbarkeit
Element
Leistungsverfügbarkeit
Kommissionierung
Ausfälle Sammelband MTTR = 300 s 95,3 % 98,4 %
Ausfälle Heber MTTR = 1200 s ohne Ausbuchen 97,4 % 97,8 %
Ausfälle Heber MTTR = 1200 s Ausbuchen nach 600 s 95,8 % 99,1 %
Das letzte Szenario zeigt, dass Ausfälle ein und desselben Elements sich sehr
unterschiedlich auf den Geschäftsprozess auswirken können, je nachdem ob geeignete
Strategien für den Störungsfall implementiert sind. Durch die Strategie „Ausbuchen“ ist die
Kommissionierung trotz einer sehr schlechten Verfügbarkeit des Hebers (95,8 %) mit
weniger als 1 % Wartezeit betroffen (Leistungsverfügbarkeit 99,1 %). Dies ist eine
wesentliche Verbesserung gegenüber dem vorigen Szenario, in dem nicht ausgebucht wird.
6. Fazit
Die Simulationsstudie zeigt, dass es möglich ist, die Verfügbarkeit einer komplexen
logistischen Anlage konsequent an definierten Geschäftsprozessen zu messen. Selbst kaum
zu quantifizierende Einflüsse wie Pufferkapazitäten, Dauer von Störungen,
Leistungsreserven und Strategien werden mit dem Verfahren „Leistungsverfügbarkeit“
plausibel abgebildet.
Die Leistungsverfügbarkeit bietet eine Reihe von Vorteilen – sowohl für Anwender als auch
für Hersteller intralogistischer Anlagen – gegenüber der etablierten störungszeitbasierten
Methode. Für beide Seiten gibt es erhöhte Anreize zur Investition in verfügbarkeitssteigernde
Maßnahmen, da deren Einfluss und Erfolg messbar ist. Die Leistungsverfügbarkeit kann
präzise in der Anlagenplanung berücksichtigt und verbessert werden. Der Anwender kann
den Kennwert Leistungsverfügbarkeit direkt in die Investitionsrechnung einbeziehen, da
dieser sich direkt auf ein Geschäftsziel bezieht und praktisch einen Abschlag auf die
geplanten Soll-Leistungen darstellt.
7. Literatur
[1] Maier, Martina M.: Fortschritt-Bericht VDI, Reihe 13, Nr. 56: Praxisgerechte Abnahmeprozeduren für intralogistische Systeme unter Berücksichtigung der Zuverlässigkeits- und Verfügbarkeitstheorie. Düsseldorf VDI-Verlag, 2012 Zugl.: Ilmenau, Techn. Univ., Diss. 2011
[2] VDI-RICHTLINIE 3581: Verfügbarkeit von Transport- und Lageranlagen sowie deren Teilsysteme und Elemente. Dezember 2004. – Berichtigt im Oktober 2006
[3] VDI-RICHTLINIE 3649: Anwendung der Verfügbarkeitsrechnung für Förder- und Lagersysteme. Januar 1992. – Inhaltlich überprüft und unverändert weiterhin gültig: August 2003
[4] FEM-REGEL 9.222: Regeln über die Abnahme und Verfügbarkeit von Anlagen mit Regalbediengeräten und anderen Gewerken. Juni 1989
[5] Maier, Martina M.: Verfügbarkeit intralogistischer Anlagen: Teil I: Die Entwicklung eines Kennwerts. In: f+h Fördern und Heben (2010), 1/2, S. 18–22
[6] Maier, Martina M.: Verfügbarkeit intralogistischer Anlagen: Teil II: Ein Kennwert passt sich an. In: f+h Fördern und Heben (2010), Nr. 3, S. 72–75
[7] VDI-RICHTLINIE 4004 BLATT 4: Zuverlässigkeitskenngrößen: Verfügbarkeitskenngrößen. Juli 1986
[8] WOLF, Josefa: FA303 - Zuverlässigkeit in der Intralogistik. http://www.vdi.de/7928.0.html. Version: 2007, Abruf: 20.07.2009
[9] VDI-RICHTLINIE 4486: Zuverlässigkeit in der Intralogistik: Leistungsverfügbarkeit. Januar 2011 (Entwurf)