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6. Juli 2017 493 Ruinen der Gegenwart in Düsseldorf VERFALL GARANTIERT EIN FEUERWERK IN ROT GELB BLAU DIE NIEDERLANDE FEIERN 100 JAHRE DE STIJL Das Querformat für Architekten

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Ruinen der Gegenwart

in Düsseldorf

VERFALL

GARANTIERT EIN FEUERWERK IN ROT GELB BLAU DIE NIEDERLANDE FEIERN 100 JAHRE DE STIJL

Das Querformat für Architekten

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6 Ein Feuerwerk in Rot Gelb Blau Die Niederlande feiern 100 Jahre de Stijl

Von Jasmin Jouhar

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Vor 100 Jahren machte in den Niederlanden eine Gruppe von Künstlern und Architekten um den Künst-ler und Theoretiker Theo van Doesburg Furore. Sie nannte sich De Stijl und wollte nichts Geringeres, als einen neuen Stil in der Kunst, in der Architektur und der Gestaltung durchsetzen. De Stijl propagierte die Abstraktion. Die eher lose Bewegung hatte zwar nur wenige Jahre Bestand, übte aber großen Einfluss aus – nicht zuletzt auf das zwei Jahre später gegründete Bauhaus. Während das ganze Land feiert, untersuchen drei Ausstellungen im Gemeentemuseum von Den Haag die Facetten von De Stijl.

18 Tipp

21 Bild der Woche

3 Architekturwoche

4 News

Titel: Die Niederlande gehen zur Feier von De Stijl ganz

in Rot-Gelb-Blau. Selbst Bauzäune und Hochäuser, wie

hier in Den Haag, werden mit dem ikonischen Dreiklang

geschmückt.

oben: Die drei De-Stijl-Farben stehen allem und jedem, sogar

einem USB-Stick für Pressematerial.

Diese Ausgabe wurde ermöglicht durch:

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Noch fahren die Busse und warten die Menschen: Der Chemnitzer Busbahnhof wurde vor knapp 50 Jahren von der Deutschen Bauakademie als Experimentalbau errichtet, und zusammen mit dem zur gleichen Zeit entstandenen Klapperbrunnen steht er heute unter Denkmalschutz. Schlanke Pylone halten ein filigranes Dach, eine Art DDR-Hightech-Architektur, die einen gewissen Elan versprüht. Jetzt droht das Ende der gewagten Konstruktion, denn die Busse sollen bald woanders halten. Der Brunnen bliebe wohl bestehen, so die Freie Presse, doch die Zukunft des Daches ist bisher ungeklärt. Ein Abriss ist ebenso denkbar wie eine Verlegung, nur am heutigen Standort wird es wohl nicht bleiben. Schade, denn im Rahmen des dort geplanten Kultur- und Wissenschaftsquartiers wäre eine Nachnutzung durchaus vorstellbar – als Bühne oder Ausstellungsraum beispielsweise. sb

MONTAG

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Foto: Flickr / Sludge G / CC BY-SA 2.0

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NEWS

Quietschbunt und gerne wild gemus-tert: Ettore Sottsass war ein Pionier der Postmoderne, der aber – siehe seine Arbeit für Olivetti – durchaus als ernst-hafter Industriedesigner gelten muss. Kurzum, eine vielschichtige Persön-lichkeit voller spannender Widersprü-che. Hundert wäre Sottsass in diesem Jahr geworden, was auch der Grund für eine große Retrospektive im Vitra Design Museum ist. Sein Werk wird dort anhand von Möbeln, Produkten, Fotografien und Schriften vorgestellt. Sein Ziel bei allem Tun: den etablierten, bürgerlichen Geschmack mit poeti-schen und unkonventionellen Objekten herauszufordern. Von 14. Juli bis 24. September 2017.

www.design-museum.de

ETTORE SOTTSASS AUSSTELLUNG IN WEIL AM RHEIN

Die gelungene Umwandlung eines eher unscheinbaren Bibliotheksbaus der Siebzigerjahre in ein ausdrucksstarkes Büro- und Geschäftshaus vollzogen V8 Architekten aus Rotterdam mit dem Building 026 in Arnheim. Nachdem die Bibliothek ein neues Zuhause gefun-den hatte, entkleideten sie den langen Gebäuderiegel mit horizontalen Fenster-bändern einschließlich der Marmorfas-sade am südlichen Kopf, die den Blick auf das Rathaus versagte. Die neue, plastische Fassade mit klinkerroten Betonrahmen und thermisch verform-ten Außenscheiben („Bieb-Bobbels“ genannt) zieht nicht nur die Blicke an, sondern fügt sich zugleich bestens in das historisch gewachsene Stadtgefüge.

www.baunetzwissen.de/glas

Architektur und Städtebau hatten es ni e leicht im Kontext der documenta. Zwar gab es schon 1955 auf der ersten documenta unter Arnold Bode eine Architekturpräsentation, doch zu einer echten Bauausstel lung kam es erst 1982 unter dem Titel documenta urbana. 2002 wurde dieses Vorhaben zumindest auf diskursiver Ebene wiederbelebt und 2008 in experimenta urbana umbenannt – die Geschäftsführung der richtigen documenta hatte protestiert. Unter dem Motto „Ways Of Life. 20 Architekten – 20 Prototypen“ findet die experimenta nun auch im aktuellen documenta-Jahr statt. Bis zum 30. Juli 2017 im Kultur-Bahnhof, danach bis 17. September im ASL-Gebäude der Universität Kassel

www.experimenta-urbana.de

BIEB-BOBBELS IN ARNHEIM OBJEKT BEI BAUNETZ WISSEN

EXPERIMENTA URBANA AUSSTELLUNG IN KASSEL

Eine Wanderausstellung des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst in Dort mund widmet sich einem oftmals als Stiefkind behandelten Element unserer Städte: „Plätze in Deutschland 1950 und heute – eine Gegenüberstellung“ nennt sich das Projekt, das auf Fehlplanungen des Stadtraums aufmerksam machen möchte. Gezeigt werden Fotografien aus den Fünfzigerjahren, denen aktuelle Aufnahmen gegenübergestellt werden. Schnell wird klar, dass das Leitbild der „verkehrsgerechten Stadt“ für massive Eingriffe in bestehende Platz-situationen sorgte. Nach Stationen wie Dortmund und Berlin sind die Fotogra-fien nun im martini | 50 in Osnabrück zu sehen. Bis 17. Juli 2017

www.stadtbaukunst.de

PLÄTZE IN DEUTSCHLAND WANDERAUSSTELLUNG IN OSNABRÜCK

Foto: Barbara Radice, Courtesy Studio Ettore Sottsass Foto: Ossip van Duivenbode Entwurf von The Open WorkshopNeumarkt in Osnabrück im heutigen Zustand

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JUNG.DE

JUNG Architekturgespräche

LIVING

11. Juli 2017, Köln

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VON JASMIN JOUHAR

Erstaunlich eigentlich, dass die Niederländer die Farben ihrer National-flagge noch nicht von Rot-Weiß-Blau zu Rot-Gelb-Blau geändert haben. Feiern sie doch gerade so hingebungsvoll den 100. Geburtstag der De-Stijl-Bewegung und damit ihr modernes Erbe. Nicht nur, dass in Amersfort, Utrecht, Leiden oder Amsterdam jede Menge Jubiläums-Aktivitäten auf dem Programm stehen. Der ikonische Farbdreiklang begegnet einem überall im Land, vor allem im öffentlichen Raum. Folien in Rot, Gelb und Blau verwan-deln Hochhausfassaden in riesige Mondrian-Bilder. Geschäftsleute dekorie-ren ihre Schaufenster in De-Stijl-Farben. Auch Bauzäune, Fahrräder, Kios-ke oder Weinflaschen sind in Variationen der berühmten rot-gelb-blauen Gemälde von Piet Mondrian und Theo van Doesburg gekleidet. Da versteht es sich fast von selbst, dass die Krawatten der Museumswärterinnen und -wärter im Den Haager Gemeentemuseum ebenfalls aus einem entspre-chend gemusterten Stoff bestehen. Zumal das Museum mit gleich drei De-Stijl-Ausstellungen besonders viel zu den Feierlichkeiten beiträgt.

EIN FEUERWERK IN ROT GELB BLAU

DIE NIEDERLANDE FEIERN 100 JAHRE DE STIJL

Die Ausstellung schöpft mit vielen Originalzeichnungen und -objekten aus dem Reichtum der Archive. Hier eine Gemein-schaftsarbeit von Cornelis van Eesteren und Theo van Doesburg, der Wettbewerbsentwurf einer Ladenpassage an der Laan van Meerdervoort in Den Haag, Motto: Simultanéité, 1924, Sammlung Het Nieuwe Instituut.

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VOM VERLANGEN NACH STIL

Weil es im rot-gelb-blauen Feuerwerk gar nicht so leicht ist, mit einem originellen Beitrag aufzufallen, der dem Thema neue Seiten abgewinnt, baut das Gemeentemu-seum auf schiere Überwältigung: Zum ersten Mal zeigt das Haus seine komplette und weltweit größte Sammlung von Piet Mondrian-Kunstwerken zusammen in einer Ausstellung. Unter dem Titel „Die Entdeckung von Mondrian“ ist von frühen Land-schaftsbildern bis hin zu den abstrakten Rasterbildern alles dabei. Dazu kommt ab Mitte Juli eine Schau über die Einflüsse von De Stijl in der Mode „Fashion in Style“ – natürlich mit dem berühmten Mondrian-Dress von Yves Saint Laurent. Die dritte Ausstellung „Architektur und Innenarchitektur. Das „Verlangen nach Stil“ ist seit dem 10. Juni zu sehen und gräbt bis zum Gründungsmythos der Bewegung. „Bislang galt De Stijl als etwas komplett Neues, das keine Wurzeln hatte und ganz auf die Zukunft gerichtet war“, sagt Hans Janssen vom Gemeentemuseum beim Rundgang durch die Ausstellung. „Die Entstehung von De Stijl war wie eine mythische Geburt ohne Mutter und Vater, ganz typisch für die Moderne.“ Janssen will gemeinsam mit seiner Co-Kuratorin Hetty Berens vom Het Nieuwe Instituut aus Rotterdam zeigen, dass Theo van Doesburg, Gerrit Rietveld, J.J.P. Oud und die anderen Stijler zwar seit 1917 eine neue Sprache in Architektur und Design geprägt haben, dass sie sich dafür jedoch vieler Entwicklungen und Ideen bedient haben, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert hatten.

Der Herr rechts auf dem Foto ist Theo van Doesburg, der Initiator und Motor von De Stijl, aufgenommen 1923 zusammen mit dem jungen Architekten Cornelis van Eesteren. Archiv Theo und Nelly van Doesburg. RKD - Niederländisches Institut für Kunstgeschichte.

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„Architektur und Innenarchitektur. Das „Verlangen nach Stil“ – hinter dem etwas zu sehr auf Sensation gebürsteten Titel verbirgt sich eine materialintensive und gründlich recherchierte Ausstellung, die aus dem Reichtum der Archive schöpft. Vor allem aus dem Archiv des Het Nieuwe Instituut, das über eine der weltweit größten Architek-tursammlungen überhaupt verfügt und zahlreiche Originalzeichnungen ausgeliehen hat. Die zweite wichtige Quelle ist die Sammlung des Gemeentemuseums selbst, die wiederum eine der umfangreichsten zu De Stijl ist. Sie umfasst Perlen wie frühe Möbel von Gerrit Rietveld oder die Einrichtung eines Jungenschlafzimmers für eine Villa – 1920 von dem Maler Vilmos Huszár und dem Architekten Piet Klaarhammer gemeinsam gestaltet. „Das Verlangen nach Stil“ zeigt jedoch nicht nur viele origina-le Zeichnungen, Pläne, Modelle, Gemälde, Objekte und Möbel, die Ausstellung hat zudem einen authentischen Ort als Schauplatz.

Die Ausstellung zeigt originale Möbel aus der Zeit, im Bild rechts hinten der berühmte Rot-Blaue Stuhl von Gerrit Rietveld.

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Die Schau integriert auch Räume der Daueraustellung des Gemeentemuseums. In der Bildmitte ist eine Arbeit von Anne Holtrop und Krijn de Koning aus dem Jahr 2012 zu sehen, bei der die Wände selbst zum Kunstwerk werden.

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merate der Modernisten. Etwa im Vergleich zum Rietveld-Schröder-Haus in Utrecht, das rund zehn Jahre früher gebaut wurde. In seinem universellen Gestaltungswillen aber stand Berlage De Stijl näher, als es auf den ersten Blick scheint: Das ganze Museum basiert auf dem 11-Zentimeter-Maß, das der Architekt vom verwendeten Zie-gelstein abgeleitet hat. So setzt sich der Baukörper aus Rechtecken und Quadraten mit einer Seitenlänge von 110 Zentimetern zusammen. Trotz farbiger Fliesen, Marmor-fußböden, Messingtüren und Keramikrelief ist es ein durch und durch moderner Bau.

BERLAGES AMBIVALENTE BEZIEHUNG

Das Gebäude des Gemeentemuseums ist ein Entwurf von Hendrik Petrus Berlage, es wurde 1935 ein Jahr nach seinem Tod eröffnet. Der Architekt wäre 1917 beinahe Teil der De-Stijl-Bewegung geworden. Erst im letzten Moment zog er seinen Namen von der Liste derjenigen zurück, die Theo van Doesburg in der ersten Ausgabe der namensgebenden Zeitschrift „De Stijl“ als Unterstützer veröffentlichte. Der Drang zur Abstraktion ging Berlage, der auch als Vorläufer der expressionistischen Amsterdamer Schule gilt, anscheinend zu weit. Mit der gelben Ziegelfassade und der detailreichen Dekoration wirkt das Gemeentemuseum auch viel traditioneller als die Kisten-Konglo-

Das Gemeentemuseum, der Schauplatz der drei Ausstellungen, ist ein Entwurf von Hendrik Petrus Berlage, einer zentralen Figur der niederländischen Architekturmoderne und Beinahe-Mitglied von De Stijl.

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VERBINDUNGEN INS 19. JAHRHUNDERT

Hendrik Petrus Berlage ist zudem einer der Kronzeugen für die These der Kuratoren, dass De Stijl in bereits bekannten Entwicklungen und Ideen wurzelte und nicht etwa aus dem Nichts auftauchte. Um die Verbindungen bis ins 19. Jahrhundert zurück zu belegen und die Bewegung in den Zeitkontext einzubetten, haben die Kuratoren ihr Thema in fünf Kapitel gegliedert: Technische Innovation, Transparenz, Raum, Reinheit und Farbe. Jedem dieser Kapitel ist ein eigener Saal gewidmet. In der Abteilung über die Industrialisierung des Bauens empfangen die Besucher gleich zwei Berlage-Projekte: einmal ein Wohnhaus in Santpoort von 1910/11, das erste Stahlbetonhaus der Niederlande. Das andere Projekt ist das Geschäftshaus Holland House in London (1914–16), das erste mehrgeschossige Stahlskelettgebäude in Europa, zu dessen Bauweise sich Berlage auf seiner Amerikareise 1911 inspirieren ließ. Die technischen Innovationen waren also bereits erprobt, als die Neuerer von De Stijl antraten. Ähnlich beim Thema Transparenz: Anhand mehrerer Amsterdamer Kaufhäuser aus den neunzi-ger Jahren des 19. Jahrhunderts zeigen die Kuratoren, wie die Schaufenster dank des Einsatzes von Stahlträgern immer größer werden konnten. Bis sich das herkömmliche Gefüge der Architektur umkehrte: Statt nach oben hin immer leichter zu werden, laste-ten (optisch) schwere Volumen auf stark durchbrochenen unteren Geschossen.

Blick in den Ausstellungsraum zum Thema „Technische Innovation“, der die Industrialisierung des Bauens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts darstellt. rechts: Dank neuartiger Konstruktionsweisen konnte man immer transparenter bauen, bis sich das herkömmliche Gefüge der Architektur umkehrte: Statt nach oben hin immer leichter zu werden, lasteten (optisch) schwere Volumen auf stark durchbrochenen unteren Geschossen wie hier bei der Einkaufspassage von Adolf Leonard van Gendt in der Amsterdamer Raadhuisstraat 23-54 (1897), Sammlung Het Nieuwe Instituut.

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J.J.P. Oud in Zusammenarbeit mit Theo van Doesburg, Wohnanlage Spangen Block I und V, Rotterdam, 1918-1919, Sammlung Het Nieuwe Instituut

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GESUND UND SAUBER

Unter dem Stichwort „Reinheit“ fassen die Kuratoren die Auswirkungen neuer Er-kenntnisse über Hygiene und Gesundheit zusammen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Krankenhäuser, Musterfarmen oder Reformschulen, deren Architektur und Ausstattung eine gesündere Umgebung versprachen. Große Fenster, Loggien und andere Öffnungen versorgten die Räume mit frischer Luft und Sonne. Innenräu-me mit glatten, weißen Wänden und gefliesten Böden, Möbel mit Stahlrohrgestellen auf hohen Beinen oder Rollen dienten vor allem einem Zweck: Sie sollten leicht zu reinigen sein. Theo van Doesburg und andere überhöhten diese zunächst pragmati-schen Formen zu einer Ästhetik der Reinheit mit spirituellen Beiklängen. Sie propa-gierten eine reine – elementare und abstrakte – Architektur in primären Farben, mit glatten Putzfassaden und flachen Dächern. Und gereinigt vom üppigen Dekor, wie ihn

zeitgleich etwa die Architekten der Amsterdamer Schule bei ihren Backsteingebäuden verwendeten. Und selbst für den so ikonisch gewordenen Farbdreiklang konnten die Kuratoren Hetty Berens und Hans Janssen Beispiele finden, die zeigen, dass die Kom-bination aus Rot, Gelb und Blau in den Niederlanden schon vor De Stijl häufiger in Ar-chitektur und Kunsthandwerk vorkam. Bleibt also die Erkenntnis, dass sich die Gruppe um Theo van Doesburg, die ja unbestritten erfindungsreich war, auch geschickt selbst stilisiert und vermarktet hat und gezielt ein avantgardistisches Image verbreitete. Ganz ähnlich wie die deutschen Kollegen am Bauhaus übrigens, die im engen Austausch mit den Niederländern standen. Aber das ist eine andere Geschichte, die in zwei Jah-ren erzählt wird, wenn auch das Bauhaus hundert wird.

Blick in den Ausstellungsteil mit dem Titel „Reinheit“, der den Einfluss dokumentiert, den Neu-erungen im Hgiene- und Gesundheitswesen auf die De-Stijl-Bewegung hatten. rechts: Theo Van Doesburg, Modell des Maison d ‘Artiste, 1923, Sammlung Het Nieuwe Instituut.

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Theo van Doesburg, Maison Particulière, Holz und Plexiglas, 1923 (Rekonstruktion 1982 von Tjarda Mees), Gemeentemuseum Den Haag.

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AUSSTELLUNGEN IM GEMEENTEMUSEUM DEN HAAG

Die Entdeckung von Mondrian Amsterdam | Paris | London | New York 3. Juni bis 24. September 2017

Architektur und Innenarchitektur. Das Verlangen nach Stil 10. Juni bis 17. September 2017

Fashion in Style Inspirationsquellen: Mondrian und De Stijl 15. Juli bis 13. August

www.gemeentemuseum.nl

rechts: Jan Wils, Einrichtung des Tanzinstituts “Gaillard-Jorissen”, Den Haag, 1921, Sammlung Het Nieuwe Instituut.unten: De Stijl all over: Im Den Haager Bahnhof haben sogar Klaviere und Aufzugsschächte ein rot-gelb-blaues Muster verpasst bekommen.

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COMPETITIONNICHT OHNE TEAMWORK!Der Architekturwettbewerb gilt als zuverlässiges Instrument, um bauliche Qua-lität zu sichern, und bietet die Möglichkeit, unter einer Vielzahl von Entwürfen das bestmögliche Konzept zu finden. Für die Büros stellt der Wettbewerb jedoch einen enormen wirtschaftlichen Aufwand dar, der nur in den seltensten Fällen Wert geschätzt wird. War es früher noch der „große Wurf des schwarz gekleide-ten Mannes“, besticht die Arbeitsweise der Wettbewerbsabteilungen heute durch Teamwork und dialogischer Kommunikation.

Kilian Kada von kadawittfeldarchitektur Aachen, Michael Anhammer von Sue&Franz Wien und Mikala Holme Samsøe von samsøe og München präsentierten in ihren Vorträgen bei den 12. JUNG Architekturgesprächen am 18. Mai 2017 in der Staatsga-lerie Stuttgart ihre aktuellen Wettbewerbserfolge und schilderten die unterschiedlichen Arbeitsweisen ihrer Büros. In der anschließenden Podiumsdiskussion kritisierten sie zusammen mit Barbara Ettinger-Brinckmann, Vorsitzende der Bundesarchitektenkam-mer, das internationale Wettbewerbswesen und diskutierten adäquate Verbesserungs-vorschläge.

Barbara Ettinger-Brinckmann, Kilian Kada, Fotos: Markus Eichelmann

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Design durch DialogDas Büro kadawittfeldarchitektur in Aachen verfolgt eine interne Gesprächskultur, durch die trotz der gestiegenen Bürogröße kurze Entscheidungswege möglich sind. Im intensiven Dialog werden Wahrnehmung, Stil und Identität gestärkt und methodisch in die Entwürfe integriert. Vielleicht lässt sich durch diese kommunikative Arbeitswei-se die hohe Erfolgsquote der Wettbewerbsabteilung von kwa erklären. Exemplarisch zeigte Kilian Kada die DFB Akademie in Frankfurt am Main und die Grimm Welt in Kassel – beides Projekte die durch einen Wettbewerbserfolg generiert werden konnten.

Aus Zwei wird EinsDie junge österreichische Architekturszene baut nicht nur auf Teamwork innerhalb des eigenen Büros, sondern setzt sich und ihre Entwürfe im Rahmen des sogenannten „Fight Clubs“ dem Urteil der Konkurrenz aus, um durch ehrliche Kritik zum besten Ergebnis zu gelangen. Michael Anhammer präsentierte seine Ideen zum österreichi-schen Wettbewerbswesen und setzte diese jeweils in Bezug zu einem eigenen Projekt. Durch den Zusammenschluss seines Büros Sue Architekten und dem befreundeten Büro Franz Architekten nutzen sie ab jetzt unter dem Namen Franz&Sue Architekten die Synergie des Erfahrungsaustausches.

Es kommt auf den Standpunkt anMit der Frage „Was ist Erfolg?“ beschäftigte sich Mikala Holme Samsøe, indem sie fünf verschiedene Sichtweisen auf den Wettbewerb einnahm und die jeweiligen Her-ausforderungen erörterte: Das junge Büro, das den Wettbewerb gewinnt und plötzlich bauen darf; der Bauherr, der die Interessen der Öffentlichkeit vertritt; die Architekten-kammer, die für die Rechte der Architekten einsteht; die Jury, die den besten Entwurf unter vielen herausfinden muss und das etablierte Büro, das sich immer wieder dem Konkurrenzkampf aussetzt. Unabhängig des Blickwinkels betonte sie, dass der Mehr-wert der Architektenarbeit stärker in der allgemeinen Wahrnehmung verortet werden müsse, denn Architektur sei kein Hobby!

„Living“ ist das nächste Thema bei den JUNG Architekturgesprächen, die am 11. Juli in Köln zum letzten Mal vor der Sommerpause stattfinden. Infor-mationen unter: www.jung.de

Michael Anhammer, Mikala Holme Samsøe, Fotos: Markus Eichelmann

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RUINEN DER GEGENWART

Ruinierte Architektur ist in Mode. Bei der Kunstbiennale in Venedig befanden sich mehrere Pavillons im Zustand des kontrollierten Verfalls und in Düsseldorf ist gerade eine Ausstellung zu sehen, die alte und neue Arbeiten von Künstlern und Architekten zum Thema zeigt. Zum Beispiel eine von Arata Isozaki. 1985 zeigte er sein Tsukuba Centre als Ruine – in einer frühen Computerästhetik, die damals noch an Hightech denken ließ. Selten wurde in der Architektur dieses skeptische Motiv der Vergeblichkeit allen Fort-schritts so gekonnt auf den Punkt gebracht. Bis zum 1. Oktober 2017 ist die Ausstellung im KAI 10 zu Gast, dann wandert sie ins KINDL nach Berlin. sb // Tsukuba Centre in Ruins von Arata Isozaki, Courtesy Misa Shin & Co., Foto: Alexandra Höner