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HA INFOGRAFIK: FRANK HASSE H a r n H H Nierenbecken Die Niere im Querschnitt Mark- pyramide Nierenkörperchen mit Kanälchen u. Arteriolen Nieren- körperchen Arteriolen Blutgefäße Nieren- kanälchen Sammelrohr für Harn Nieren- mark Nieren- rinde Harnleiter führt Harn zur Blase Nierenarterie Nierenkelch CORNELIA WERNER W enn das Immunsys- tem einen Irrweg einschlägt und die eigenen Nieren zum Feind erklärt, kann sich daraus eine schwere Erkrankung entwickeln, die sogenannte Glomerulonephritis. Glo- meruli (Nierenkörperchen) sind die Filtereinheiten der Niere, in denen das Blut von Giftstoffen gereinigt und der Urin produziert wird. Bildet der Organismus fälschlicherweise An- tikörper gegen diese Gewebe, kommt es dort zu einer Entzündungsreaktion und es entsteht eine Glomerulonephritis, ei- ne Autoimmunerkrankung der Niere. Diese Erkrankungsgruppe ist eine der häufigsten Ursachen für eine Nieren- schwäche, die regelmäßig mit einer Blutwäsche (Dialyse) behandelt werden muss. Die Glomerulonephritis ist auch einer der Forschungsschwerpunkte im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), das in diesen Tagen seinen 125. Geburtstag feiert. Um den Forschungsbereich weiter auszubauen, haben jetzt Prof. Rolf Stahl, Direktor der III. Medizinischen Klinik mit dem Schwerpunkt Nephrolo- gie/Rheumatologie, und seine Mitar- beiter bei der Deutschen Forschungsge- meinschaft die Einrichtung eines Son- derforschungsbereichs beantragt. Die Erkrankung kann sich sehr unter- schiedlich zeigen. „Es gibt viele For- men, die sich in ihren Symptomen und im Verlauf voneinander unterschei- den“, sagt Prof. Ulf Panzer, Oberarzt in der Klinik und Leiter einer Forscher- gruppe. So gebe es welche, bei denen im Vordergrund stehe, dass der Filter in den Nierenkörperchen durchlässiger werde. „Diese Patienten verlieren sehr viel Eiweiß im Urin und haben dann zum Beispiel dicke Beine, aber nicht un- bedingt sofort einen Nierenfunktions- verlust. Und es gibt sehr aggressive For- men, die die Nierenkörperchen in sehr kurzer Zeit zerstören, sodass der Be- troffene dann keine eigene Nierenfunk- tion mehr hat“, erklärt der Nephrologe. Die Therapie war bisher bei allen Formen gleich: Die Patienten erhielten Cortison und ein Medikament, das das gesamte Immunsystem unterdrückt – eine Therapie mit belastenden Neben- wirkungen. In ihrer Forschung wollen die Wissenschaftler im Detail heraus- finden, wie die unterschiedlichen For- men entstehen, sodass sie nicht mehr das komplette Immunsystem lahmle- gen müssen, sondern gezielt die Fehlre- gulationen behandeln können, die der Erkrankung zugrunde liegen und damit Nebenwirkungen reduzieren können. „Dabei sind in den letzten Jahren wegweisende Entdeckungen gemacht worden“, sagt Panzer. Als Beispiel nennt er die sogenannte Membranöse Glomerulonephritis, die häufigste Ursa- che dafür, dass jemand im Urin sehr viel Eiweiß ausscheidet. Lange Zeit war un- klar, warum diese großen Moleküle bei den Kranken nicht mehr im Blut zu- rückgehalten werden. Erst vor einigen Jahren konnte ein Antikörper identifi- ziert werden, der an ein Antigen in der Niere bindet, und dann bewirkt, dass die Barriere dort durchlässig wird. „Da- mit wissen wir jetzt wirklich, dass es ei- ne Autoimmunerkrankung ist, und kön- nen den Antikörper auch zur Diagnos- tik der Erkrankung benutzen, weil er im Blut nachweisbar ist. Außerdem begin- nen wir jetzt mit einer Therapie, die da- rauf abzielt, diesen Antikörper im Blut zu reduzieren. Wenn man das schafft, sinkt auch die Eiweißausscheidung im Urin“, sagt Panzer. Dabei machen sich die Forscher zu- nutze, dass das Immunsystem aus un- terschiedlichen Zelltypen besteht, die jeweils spezielle Aufgaben erfüllen. „Wir setzen eine Therapie ein, die nur gegen sogenannte B-Zellen gerichtet ist, von denen später Antikörper gebil- det werden können. Das ist noch nicht fest etabliert, wird aber sicher die Zu- kunft sein bei dieser Erkrankung“, sagt Panzer. „Die Behandlung mit B-Zell un- terdrückenden Medikamenten wird von vielen behandelnden Ärzten schon eingesetzt, ist aber noch keine Thera- pie, die in den Leitlinien von wissen- schaftlichen Gesellschaften empfohlen wird“, ergänzt Prof. Stahl. Die UKE-Forscher waren mit die Ersten, die diesen Antikörper bei Pa- tienten untersucht haben. Jetzt konn- ten sie erstmals zeigen, dass seine Kon- zentration im Blut auch etwas aussagt über den weiteren Verlauf. „Wir behan- deln und untersuchen in unserem Zen- trum inzwischen 300 Patienten mit Membranöser Glomerulonephritis. Da- bei stellten wir fest, dass sie weniger Ei- weiß ausscheiden, wenn die Konzentra- tion des Antikörpers sinkt. Damit wird auch die Ursache für die Entzündung beseitigt. Unsere Ergebnisse deuten da- rauf hin, dass der Filter wieder in seiner normalen Struktur hergestellt und die Krankheit aufgehalten werden kann“, sagt Panzer. „Bei etwa der Hälfte der Pa- tienten kommt es nicht zu einem Rück- fall“, sagt Stahl. Falls dieser jedoch auf- trete, könne man die Therapie erfolg- reich mit dem gleichen Medikament wiederholen. Auch bei sehr aggressiven Formen der Glomerulonephritis, die früher oft tödlich verliefen und die die Patienten später nur durch Medikamente mit schweren Nebenwirkungen überleben konnten, verfolgen die Ärzte jetzt einen solchen neuen Therapieansatz. „Vor zwei Jahren ist das Medikament Rituxi- mab zugelassen worden. Das ist ein An- tikörper, der die B-Zellen zerstört. Das wirkt auch bei schweren Verläufen so gut wie die bisherige Standardthera- pie“, sagt Panzer. Bei der herkömmli- chen Behandlung kann es zu Unfrucht- barkeit, Tumoren an der Haut und in der Harnblase und zu schweren Infek- ten kommen. „Zwar ist auch beim Ritu- ximab die Infektanfälligkeit erhöht, aber weil nur ein Teil des Immunsys- tems ausgeschaltet wird, scheint es we- niger Nebenwirkungen zu haben, auch wenn es noch keine Langzeitergebnisse gibt“, sagt der Nephrologe. Bei der häufigsten Glomerulone- phritis, der IgA-Nephritis, gibt es eben- falls neue Erkenntnisse. „Ursprünglich dachte man, dass sie sehr gutartig ver- läuft und außer einigen roten Blutkör- perchen im Urin keine weiteren Symp- tome macht. Heute weiß man aber lei- der, dass ungefähr 20 Prozent dieser Pa- tienten nach ein bis zwei Jahrzehnten eine Dialysetherapie brauchen“, sagt Panzer. Aktuell wird in einer landeswei- ten Studie an 300 Patienten untersucht, ob eine Therapie hilfreich ist, die das Immunsystem hemmt. Die Ergebnisse sollen 2015 vorliegen. In ihrer Forschung verfolgen die UKE-Wissenschaftler das Ziel, ihre neuen experimentellen Ansätze zu ih- ren Patienten zu bringen. „In den ver- gangenen fünf Jahren ist die Zahl der Patienten mit diesen seltenen Erkran- kungen, die wir betreuen, immer größer geworden“, sagt Panzer. Für die Erfor- schung und Therapie von Glomerulo- nephritis gibt es am UKE ein Verbund- projekt, eine klinische Forschergruppe, die seit 2009 von der Deutschen For- schungsgemeinschaft mit einer Million Euro pro Jahr gefördert wird. Insgesamt werden im UKE derzeit 500 Patienten mit einer Glomerulo- nephritis betreut. „Unser Ziel ist es, mittelfristig an unserem Zentrum 1000 Patienten zu behandeln, die eine Glo- merulonephritis haben. Wenn der An- trag für den Sonderforschungsbereich genehmigt wird, können wir die Patien- ten auch in dieser großen Zahl optimal betreuen und an einem Ort die Grund- lagenforschung, die experimentelle Forschung und die klinische Forschung an Patienten kombinieren. Das gibt es nirgendwo auf diesem Gebiet in Euro- pa. So ein Sonderforschungsbereich ist um den Faktor drei größer und besser ausgestattet als die jetzt schon existie- rende klinische Forschergruppe, an der neben den Nephrologen auch die Pa- thologie, die Immunologie, die UKE- Kinderklinik, die Physiologie und die Anatomie beteiligt sind“, sagt der Neph- rologe. Was das UKE zu bieten hat, können sich Besucher am 17. Mai, 10–17 Uhr, genauer anschauen. An diesem Tag der offenen Tür aus Anlass seines 125. Geburtstags vermittelt das Klinikum in rund 190 Veranstaltungen Einblicke in die Universitätsmedizin, in die Spitzenforschung und die Lehre. Das aktuelle Programm ist nachzulesen unter www.uke. Auszüge aus dem Programm und interessante Einblicke in die Geschichte des UKE und in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter bietet auch eine Beilage zum Geburtstag des UKE, die am Donnerstag, 15. Mai, im Abendblatt erscheinen wird. Unser Ziel ist, mittelfristig an unserem Zentrum 1000 Pa- tienten zu behandeln, die eine Glomerulonephritis haben. UKE-Professor Ulf Panzer Entzündungen der Niere noch intensiver erforschen Das Universitätsklinikum Eppendorf wird in diesen Tagen 125 Jahre alt. Einer der wissenschaftlichen Schwerpunkte des Krankenhauses sind bestimmte Krankheiten der Nierenkörperchen. Er soll weiter ausgebaut werden Prof. Rolf Stahl (l.), Direktor der III. Medizinischen Klinik am Uniklinikum Eppendorf, und Prof. Ulf Panzer, Ober- arzt in der Klinik Fotos: Hernandez/UKE Auch bei aggressiven Erkrankungen gibt es neue Therapieansätze An der Forschung sind Spezialisten aus vielen Fachdisziplinen beteiligt HAMBURG :: Ein Antikörper spielte auch eine wesentliche Rolle bei der EHEC-Krise im Jahr 2011. Bekannt ge- worden war er dadurch, dass er bei ei- nigen Patienten Erfolge erzielt hatte, die an einer seltenen Erkrankung litten, dem sogenannten atypischen hämoly- tisch-urämischen Syndrom (aHUS). Damit verbunden ist eine Erkrankung der Nierenkörperchen, die aber keine Glomerulonephritis im klassischen Sin- ne ist. „Bei diesen Patienten kommt es zu einer Überaktivierung des Komple- mentsystems, einem zentralen Be- standteil des angeborenen Immunsys- tems. Dadurch haben sie oft ihre Nie- renfunktion verloren, hatten auch Komplikationen im Gehirn, weil die Durchblutung nicht mehr richtig funk- tionierte. Der Antikörper blockiert ei- nen zentralen Schritt im Komplement- system und damit war erstmals ein Mit- tel zur Behandlung dieser Erkrankung vorhanden“, sagt Panzer. Symptome wie beim atypischen HUS traten 2011 auch bei Patienten auf, die sich mit besonders aggressiven EHEC-Bakterien infiziert hatten. Pan- zer kann sich noch gut an diese Zeit er- innern: Die Patienten kamen mit Durchfall und ansonsten noch gutem Zustand in die Klinik, entwickelten dann aber innerhalb weniger Tage schwere Komplikationen an Gehirn und Nieren. Viele von ihnen lagen auf der Intensivstation, mussten künstlich beatmet werden und regelmäßig an die Dialyse. „In dieser Situation haben wir uns entschieden, bei den Patienten die- sen Antikörper einzusetzen“, erzählt Panzer. 198 Patienten sind im Rahmen einer Studie damit behandelt worden, fast die Hälfte davon im UKE. „Alle ha- ben die Infektion überlebt, bei über 90 Prozent der Patienten haben sich heute, drei Jahre danach, Funktion von Niere und Gehirn wieder normalisiert.“ Panzer weist aber auch darauf hin, dass es bis heute nicht klar ist, ob wirk- lich der Antikörper für den Behand- lungserfolg verantwortlich war. „Wir hatten keine Vergleichsgruppe. Das war in dieser Ausnahmesituation aus ethi- schen Gründen unmöglich. Daher kön- nen wir nicht definitiv sagen, was pas- siert wäre, wenn wir diesen Antikörper nicht gegeben hätten“, sagt der Neph- rologe. (cw) Antikörper-Therapie spielte eine wichtige Rolle in der EHEC-Krise

Die Niere im Querschnitt Nierenkörperchen - Nephie · thologie, die Immunologie, die UKE-Kinderklinik, die Physiologie und die Anatomie beteiligt sind , sagt der Neph-rologe. W as

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Page 1: Die Niere im Querschnitt Nierenkörperchen - Nephie · thologie, die Immunologie, die UKE-Kinderklinik, die Physiologie und die Anatomie beteiligt sind , sagt der Neph-rologe. W as

HA INFOGRAFIK: FRANK HASSE

HarnHH

Nierenbecken

Die Niere im Querschnitt

Mark-pyramide

Nierenkörperchenmit Kanälchen u. Arteriolen

Nieren-körperchen

ArteriolenBlutgefäße

Nieren-kanälchen

Sammelrohrfür Harn

Nieren-mark

Nieren-rinde

Harnleiterführt Harnzur Blase

Nierenarterie

Nierenkelch

C O R N E L I A W E R N E R

Wenn das Immunsys-tem einen Irrwegeinschlägt und dieeigenen Nieren zumFeind erklärt, kannsich daraus eine

schwere Erkrankung entwickeln, diesogenannte Glomerulonephritis. Glo-meruli (Nierenkörperchen) sind dieFiltereinheiten der Niere, in denendas Blut von Giftstoffen gereinigtund der Urin produziert wird. Bildetder Organismus fälschlicherweise An-tikörper gegen diese Gewebe, kommt esdort zu einer Entzündungsreaktion undes entsteht eine Glomerulonephritis, ei-ne Autoimmunerkrankung der Niere.Diese Erkrankungsgruppe ist eine derhäufigsten Ursachen für eine Nieren-schwäche, die regelmäßig mit einerBlutwäsche (Dialyse) behandelt werdenmuss. Die Glomerulonephritis ist aucheiner der Forschungsschwerpunkte imUniversitätsklinikum Eppendorf(UKE), das in diesen Tagen seinen 125.Geburtstag feiert.

Um den Forschungsbereich weiterauszubauen, haben jetzt Prof. RolfStahl, Direktor der III. MedizinischenKlinik mit dem Schwerpunkt Nephrolo-gie/Rheumatologie, und seine Mitar-beiter bei der Deutschen Forschungsge-meinschaft die Einrichtung eines Son-derforschungsbereichs beantragt. DieErkrankung kann sich sehr unter-schiedlich zeigen. „Es gibt viele For-men, die sich in ihren Symptomen undim Verlauf voneinander unterschei-den“, sagt Prof. Ulf Panzer, Oberarzt inder Klinik und Leiter einer Forscher-gruppe. So gebe es welche, bei denen imVordergrund stehe, dass der Filter inden Nierenkörperchen durchlässigerwerde. „Diese Patienten verlieren sehrviel Eiweiß im Urin und haben dann

zum Beispiel dicke Beine, aber nicht un-bedingt sofort einen Nierenfunktions-verlust. Und es gibt sehr aggressive For-men, die die Nierenkörperchen in sehrkurzer Zeit zerstören, sodass der Be-troffene dann keine eigene Nierenfunk-tion mehr hat“, erklärt der Nephrologe.

Die Therapie war bisher bei allenFormen gleich: Die Patienten erhieltenCortison und ein Medikament, das dasgesamte Immunsystem unterdrückt –eine Therapie mit belastenden Neben-wirkungen. In ihrer Forschung wollendie Wissenschaftler im Detail heraus-finden, wie die unterschiedlichen For-men entstehen, sodass sie nicht mehrdas komplette Immunsystem lahmle-gen müssen, sondern gezielt die Fehlre-gulationen behandeln können, die derErkrankung zugrunde liegen und damitNebenwirkungen reduzieren können.

„Dabei sind in den letzten Jahrenwegweisende Entdeckungen gemachtworden“, sagt Panzer. Als Beispielnennt er die sogenannte MembranöseGlomerulonephritis, die häufigste Ursa-che dafür, dass jemand im Urin sehr vielEiweiß ausscheidet. Lange Zeit war un-klar, warum diese großen Moleküle beiden Kranken nicht mehr im Blut zu-rückgehalten werden. Erst vor einigenJahren konnte ein Antikörper identifi-ziert werden, der an ein Antigen in derNiere bindet, und dann bewirkt, dassdie Barriere dort durchlässig wird. „Da-mit wissen wir jetzt wirklich, dass es ei-ne Autoimmunerkrankung ist, und kön-nen den Antikörper auch zur Diagnos-tik der Erkrankung benutzen, weil er im

Blut nachweisbar ist. Außerdem begin-nen wir jetzt mit einer Therapie, die da-rauf abzielt, diesen Antikörper im Blutzu reduzieren. Wenn man das schafft,sinkt auch die Eiweißausscheidung imUrin“, sagt Panzer.

Dabei machen sich die Forscher zu-nutze, dass das Immunsystem aus un-terschiedlichen Zelltypen besteht, diejeweils spezielle Aufgaben erfüllen.„Wir setzen eine Therapie ein, die nurgegen sogenannte B-Zellen gerichtetist, von denen später Antikörper gebil-det werden können. Das ist noch nichtfest etabliert, wird aber sicher die Zu-kunft sein bei dieser Erkrankung“, sagtPanzer. „Die Behandlung mit B-Zell un-terdrückenden Medikamenten wirdvon vielen behandelnden Ärzten schoneingesetzt, ist aber noch keine Thera-pie, die in den Leitlinien von wissen-schaftlichen Gesellschaften empfohlenwird“, ergänzt Prof. Stahl.

Die UKE-Forscher waren mit dieErsten, die diesen Antikörper bei Pa-tienten untersucht haben. Jetzt konn-ten sie erstmals zeigen, dass seine Kon-zentration im Blut auch etwas aussagtüber den weiteren Verlauf. „Wir behan-deln und untersuchen in unserem Zen-trum inzwischen 300 Patienten mitMembranöser Glomerulonephritis. Da-bei stellten wir fest, dass sie weniger Ei-weiß ausscheiden, wenn die Konzentra-tion des Antikörpers sinkt. Damit wirdauch die Ursache für die Entzündungbeseitigt. Unsere Ergebnisse deuten da-rauf hin, dass der Filter wieder in seinernormalen Struktur hergestellt und dieKrankheit aufgehalten werden kann“,sagt Panzer. „Bei etwa der Hälfte der Pa-

tienten kommt es nicht zu einem Rück-fall“, sagt Stahl. Falls dieser jedoch auf-trete, könne man die Therapie erfolg-reich mit dem gleichen Medikamentwiederholen.

Auch bei sehr aggressiven Formender Glomerulonephritis, die früher ofttödlich verliefen und die die Patientenspäter nur durch Medikamente mitschweren Nebenwirkungen überlebenkonnten, verfolgen die Ärzte jetzt einensolchen neuen Therapieansatz. „Vorzwei Jahren ist das Medikament Rituxi-mab zugelassen worden. Das ist ein An-tikörper, der die B-Zellen zerstört. Daswirkt auch bei schweren Verläufen sogut wie die bisherige Standardthera-pie“, sagt Panzer. Bei der herkömmli-chen Behandlung kann es zu Unfrucht-

barkeit, Tumoren an der Haut und inder Harnblase und zu schweren Infek-ten kommen. „Zwar ist auch beim Ritu-ximab die Infektanfälligkeit erhöht,aber weil nur ein Teil des Immunsys-tems ausgeschaltet wird, scheint es we-niger Nebenwirkungen zu haben, auchwenn es noch keine Langzeitergebnissegibt“, sagt der Nephrologe.

Bei der häufigsten Glomerulone-phritis, der IgA-Nephritis, gibt es eben-falls neue Erkenntnisse. „Ursprünglichdachte man, dass sie sehr gutartig ver-läuft und außer einigen roten Blutkör-perchen im Urin keine weiteren Symp-tome macht. Heute weiß man aber lei-der, dass ungefähr 20 Prozent dieser Pa-tienten nach ein bis zwei Jahrzehnteneine Dialysetherapie brauchen“, sagt

Panzer. Aktuell wird in einer landeswei-ten Studie an 300 Patienten untersucht,ob eine Therapie hilfreich ist, die dasImmunsystem hemmt. Die Ergebnissesollen 2015 vorliegen.

In ihrer Forschung verfolgen dieUKE-Wissenschaftler das Ziel, ihreneuen experimentellen Ansätze zu ih-ren Patienten zu bringen. „In den ver-gangenen fünf Jahren ist die Zahl derPatienten mit diesen seltenen Erkran-kungen, die wir betreuen, immer größergeworden“, sagt Panzer. Für die Erfor-schung und Therapie von Glomerulo-nephritis gibt es am UKE ein Verbund-projekt, eine klinische Forschergruppe,die seit 2009 von der Deutschen For-schungsgemeinschaft mit einer MillionEuro pro Jahr gefördert wird.

Insgesamt werden im UKE derzeit500 Patienten mit einer Glomerulo-nephritis betreut. „Unser Ziel ist es,mittelfristig an unserem Zentrum 1000Patienten zu behandeln, die eine Glo-merulonephritis haben. Wenn der An-trag für den Sonderforschungsbereichgenehmigt wird, können wir die Patien-ten auch in dieser großen Zahl optimalbetreuen und an einem Ort die Grund-lagenforschung, die experimentelleForschung und die klinische Forschungan Patienten kombinieren. Das gibt esnirgendwo auf diesem Gebiet in Euro-pa. So ein Sonderforschungsbereich istum den Faktor drei größer und besserausgestattet als die jetzt schon existie-rende klinische Forschergruppe, an derneben den Nephrologen auch die Pa-thologie, die Immunologie, die UKE-Kinderklinik, die Physiologie und dieAnatomie beteiligt sind“, sagt der Neph-rologe.

Was das UKE zu bieten hat, können sich Besucheram 17. Mai, 10–17 Uhr, genauer anschauen. Andiesem Tag der offenen Tür aus Anlass seines 125.Geburtstags vermittelt das Klinikum in rund 190Veranstaltungen Einblicke in die Universitätsmedizin,in die Spitzenforschung und die Lehre. Das aktuelleProgramm ist nachzulesen unter www.uke. Auszügeaus dem Programm und interessante Einblicke in dieGeschichte des UKE und in den Arbeitsalltag derMitarbeiter bietet auch eine Beilage zum Geburtstagdes UKE, die am Donnerstag, 15. Mai, im Abendblatterscheinen wird.

Unser Ziel ist, mittelfristig anunserem Zentrum 1000 Pa-

tienten zu behandeln, die eineGlomerulonephritis haben.

UKE-Professor Ulf Panzer

Entzündungen der Niere nochintensiver erforschen

Das UniversitätsklinikumEppendorf wird in diesenTagen 125 Jahre alt. Einerder wissenschaftlichenSchwerpunkte desKrankenhauses sindbestimmte Krankheiten derNierenkörperchen. Er sollweiter ausgebaut werden

Prof. Rolf Stahl (l.), Direktor der III.Medizinischen Klinik am UniklinikumEppendorf, und Prof. Ulf Panzer, Ober-arzt in der Klinik Fotos: Hernandez/UKE

Auch bei aggressiven Erkrankungen gibt es neue Therapieansätze

An der Forschung sind Spezialisten aus vielen Fachdisziplinen beteiligt

U M W E L T T I P PUmwelt-Tipp

Umweltfreundlich erzeugte Blumen

:: Zum Muttertag und zu anderen An-lässen können Sie umwelt- und sozial-verträglich erzeugte Schnittblumenverschenken. Die Verbraucherinitiativein Berlin nennt zwei empfehlenswerteKennzeichen. Erstens ein Zertifikat,das umweltfreundlich gezüchtete Blu-men auszeichnet: ein grüner Ring, indessen Mitte auf weißem Grund in grü-ner Schrift „Das Grüne Zertifikat“ steht.Aus dem Kreis ragt ein grünes stilisier-tes Blatt heraus. Das Siegel wird nachRichtlinien des Bundesverbands Zier-pflanzen vergeben, die unter anderemVorgaben zur Bodennutzung und Dün-gung machen. Pflanzen aus fairem Han-del sind am schwarzgrundigen Fair-Tra-de-Zeichen zu erkennen und in Blu-mengeschäften, einigen Discountern,Supermärkten und Gartencentern er-hältlich. Das Siegel berücksichtigt dieArbeitsbedingungen der Blumenplan-tagenarbeiter sowie Umweltschutz-standards. (dpa)

40 10.05.14 Sonnabend/Sonntag, 10./11. Mai 2014 HA-HP1Belichterfreigabe: -- Zeit:::Belichter: Farbe:

HA_Dir/HA/HA-HP110.05.14/1/Wissen JHAUG 5% 25% 50% 75% 95%

+

CR ssteinleAD steusche

Sonnabend/Sonntag, 10./11. Mai 201440 Hamburger Abendblatt W I S S E N

FORSCHUNG

Hamburger Physikpreis anFranzosen Antoine Georges

H A M B U R G :: Der mit 40.000 Eurodotierte „Hamburger Preis für Theore-tische Physik“ geht in diesem Jahr anAntoine Georges, Professor am Collègede France in Paris. Seine Arbeiten aufdem Gebiet der Theoretischen Festkör-perphysik machten nachvollziehbar,wie die Eigenschaften etwa von Metal-len und Keramiken mit ihrer Strukturund den Wechselwirkungen der Elek-tronen auf atomarer Ebene zusammen-hingen, teilte die Joachim Herz Stiftungmit. Sie vergibt den Preis mit dem Cen-tre for Ultrafast Imaging (CUI). (dpa)

TRANSITIONSMEDIZIN

Versorgung heranwachsenderchronisch Kranker verbessern

W I E S B A D E N :: Wenn Jugendlichemit chronischen Krankheiten erwach-sen werden, entstehen Experten zufol-ge häufig Lücken bei der medizinischenBetreuung. „Diese Patienten braucheneine bessere Versorgung in der Erwach-senenmedizin“, fordert Silvia Müther,Vorstandsmitglied der Deutschen Ge-sellschaft für Transitionsmedizin. DerVerband setzt sich für einen struktu-rierten Übergang von der Kinder- in dieErwachsenenmedizin ein. Betroffenseien Menschen, die etwa an Asthmaoder Diabetes leiden. (dpa)

INSEKTENKUNDE

Bienenvielfalt steigertlandwirtschaftliche Erträge

R A L E I G H :: Eine große Vielfalt anBienenarten steigert den Ertrag vonFeldfrüchten. Heidelbeeren produzier-ten mehr Samen und dickere Früchte,wenn sie von verschiedenen Bestäu-bern besucht wurden, berichten Insek-tenkundler der North Carolina StateUniversity im Online-Journal „PLOSONE“. Je mehr Bienenarten in den Fel-dern unterwegs waren, desto stärkerseien die Erträge gestiegen. (dpa)

RELIGION

Ist das „Frau Jesus“-Papyruseine Fälschung?

M Ü N S T E R :: Der wissenschaftlicheStreit um das sogenannte Frau-Jesu-Papyrus geht weiter. Es handele sich umeine Fälschung, berichtete die Universi-tät Münster am Freitag unter Berufungauf neue Erkenntnisse des Koptologenund Gastforschers an der Hochschule,Christian Askeland. In dem Fragment,das die Kirchenhistorikerin Karen King2012 vorgestellt hatte, wird Jesus zi-tiert. Er spricht von „meiner Frau“; spä-ter heißt es: „Sie wird meine Schülerinsein können.“ Dies hatte Spekulationenangeheizt, Jesus sei verheiratet gewe-sen. (kna, epd)

COMPUTER

Lernspiele brauchen klare Ziele

C H E M N I TZ :: Computerspiele kön-nen nicht nur Spaß machen, sonderndem Nutzer auch etwas beibringen. Ambesten klappt das, wenn sogenannte Se-rious oder Educational Games den Spie-lern klare Ziele vorgeben. Das habenForscher der Technischen UniversitätChemnitz in einer Studie mit 87 Teil-nehmern herausgefunden. Vage Anwei-sungen wie „Erkunde die Welt“ seiendagegen eher verwirrend. (dpa)

H A M B U R G :: Ein Antikörper spielteauch eine wesentliche Rolle bei derEHEC-Krise im Jahr 2011. Bekannt ge-worden war er dadurch, dass er bei ei-nigen Patienten Erfolge erzielt hatte,die an einer seltenen Erkrankung litten,dem sogenannten atypischen hämoly-tisch-urämischen Syndrom (aHUS).Damit verbunden ist eine Erkrankungder Nierenkörperchen, die aber keineGlomerulonephritis im klassischen Sin-ne ist. „Bei diesen Patienten kommt eszu einer Überaktivierung des Komple-mentsystems, einem zentralen Be-standteil des angeborenen Immunsys-tems. Dadurch haben sie oft ihre Nie-renfunktion verloren, hatten auchKomplikationen im Gehirn, weil dieDurchblutung nicht mehr richtig funk-tionierte. Der Antikörper blockiert ei-nen zentralen Schritt im Komplement-system und damit war erstmals ein Mit-tel zur Behandlung dieser Erkrankungvorhanden“, sagt Panzer.

Symptome wie beim atypischenHUS traten 2011 auch bei Patienten auf,die sich mit besonders aggressivenEHEC-Bakterien infiziert hatten. Pan-zer kann sich noch gut an diese Zeit er-

innern: Die Patienten kamen mitDurchfall und ansonsten noch gutemZustand in die Klinik, entwickeltendann aber innerhalb weniger Tageschwere Komplikationen an Gehirnund Nieren. Viele von ihnen lagen aufder Intensivstation, mussten künstlichbeatmet werden und regelmäßig an dieDialyse. „In dieser Situation haben wiruns entschieden, bei den Patienten die-sen Antikörper einzusetzen“, erzähltPanzer. 198 Patienten sind im Rahmeneiner Studie damit behandelt worden,fast die Hälfte davon im UKE. „Alle ha-ben die Infektion überlebt, bei über 90Prozent der Patienten haben sich heute,drei Jahre danach, Funktion von Niereund Gehirn wieder normalisiert.“

Panzer weist aber auch darauf hin,dass es bis heute nicht klar ist, ob wirk-lich der Antikörper für den Behand-lungserfolg verantwortlich war. „Wirhatten keine Vergleichsgruppe. Das warin dieser Ausnahmesituation aus ethi-schen Gründen unmöglich. Daher kön-nen wir nicht definitiv sagen, was pas-siert wäre, wenn wir diesen Antikörpernicht gegeben hätten“, sagt der Neph-rologe. (cw)

Antikörper-Therapie spielte einewichtige Rolle in der EHEC-Krise

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te: 10.05.14 Zone: HA-HP1 Edition: 1 Page: Wis-sen User: jhaug Time: 05-09-2014 19:44 Color: CMYK