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Die Panzerbrecher

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Nr. 174Die PanzerbrecherLemy Dangers neue Waffe - erstmals im Einsatz!von William Voltz

Die Menschheit des Jahres 2327 irdischer Zeitrechnung steht einer ungeheuren Gefahr aus dem Osten derMilchstraße gegenüber. Dort, im wenig erforschten Ostsektor der Galaxis, haben die Blues oder Gataser mitHilfe ihrer unangreifbaren Molkex-Raumschiffe ein Sternenreich gegründet, das sich in zunehmendem Maßeals unerbittlicher Gegner des von Perry Rhodan geleiteten Vereinten Imperiums erweist. In den bisherigenKämpfen zwischen den Sternen haben die Terraner und ihre Verbündeten meist durch Mut, Bluff oderBravourstücke folgenschwere Niederlagen verhindern können - doch allen Verantwortlichen ist längst klar, daßnur eine neue Waffe, die den Molkexpanzer der Gegner zerstört, die entscheidende Wende zum Guten desVereinten Imperiums bringen könnte. Im Zuge des vom USO-Spezialisten Lemy Danger geleiteten»Unternehmen autilus« sind die Terraner dem Geheimnis der Molkex-Panzerung der Blues-schiffe bereits aufdie Spur gekommen.Doch ob sich das Molkex unter jeden Bedingungen zerstören läßt - das sollen erst DIE PANZERBRECHERbeweisen ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Großadministrator des Vereinten Imperiums.Dr. Waco Sharoon - Ein genasführter Blumenzüchter.Gregory Burnett - Der Chemiker wird gezwungen, das sichere Labor mit dem unsicheren Weltraum zu vertauschen.Thoma Herisch - Kommandant des Schlachtkreuzers ASUBAJA.Dr. Martin De Fort - Purer Haß ist das Motiv für sein Handeln.Ledere - Ein Gataser, der bereits einen Kampf gegen die Terraner siegreich bestanden hat.Peterle und Tommy - Die beiden Schreckwürmer sollen die »Huldvollen« in eine Falle locken.

1.

Sehr geehrter Dr. Sharoon!Wie unser Institut in Erfahrung gebracht hat, ist es

Ihnen zum erstenmal gelungen, lebanischeHängenelken zu züchten. Für dieses Experimentbesteht an, unserer Anstalt außergewöhnlich großesInteresse. Aus diesem Grund möchten wir Sie bitten,uns etwas Samen zur Verfügung zu stellen, sobald dieBlumen weit genug gediehen sind. Selbstverständlichwerden wir dafür einen angemessenen Betrag auf IhrKonto überweisen. Mit freundlichen GrüßenTerranisches Garteninstitut.

Mit einem Seufzer ließ Dr. Waco Sharoon dasSchreiben sinken. Er war ein kleiner Mann, mitAugen, die fast vollkommen hinter buschigen Brauenverdeckt waren und einer ausgeprägten Knollennase.Eine Strähne roten Haares zog sich von der Stirn bisin seinen Nacken, wo sie mit Geduld und vielPomade sorgfältig befestigt war.

Dr. Sharoon stand auf, durchquerte die lange Reihevon Tischen, auf denen die Experimentiergerätestanden und betrat durch eine Glastür den Hinterraumdes Labors.

Hier züchtete er seltene Blumen und Gewächse,hier verbrachte er den größten Teil seiner knappbemessenen Freizeit.

Feuchtwarme Luft schlug ihm entgegen, und der

Duft verschiedenster Blüten reizte seine empfindlicheNase zum Niesen. Einen Augenblick blieb er gegendie Tür gelehnt stehen und schloß die Augen. Es war,als sei er durch die Glastür in eine andere Weltgetreten: in eine kleine, wunderbare Welt, die ihmganz allein gehörte. Er wußte, daß ihn seine Kollegenoft hänselten und sich über ihn lustig machten, aberdas störte ihn nicht.

Hier konnte er sogar die aufregende Sache mit demB-Hormon für kurze Zeit aus den Gedankenverdrängen.

Dr. Sharoon stieß sich von der Tür ab und ging zudem Kasten, in den er den Samen lebanischerHängenelken eingesät hatte. Heute morgen waren dieersten Schößlinge aus dem Nährboden gestoßen;grüne Pflänzchen mit je zwei Stielen, an denen zartgefächerte Blätter wuchsen. Es war allerdingsunmöglich, schon jetzt die endgültige Form derPflanzen zu erkennen.

Dr. Sharoon hoffte, daß die Hängenelken jetztschnell wachsen würden, damit er sie umtopfen undzum Blühen bringen konnte. Besorgt kontrollierte erTemperatur und Luftfeuchtigkeit, fand alles inOrdnung und dachte voller Dankbarkeit an GregoryBurnett, der ihm den Samen beschafft hatte. Burnettbehauptete, daß er ihn von einem betrunkenenRaumfahrer erhaltend hätte. Der junge Burnettarbeitete in den Kellerlabors und wußte, wie jeder

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Beschäftigte des Forschungslabors, von Dr. SharoonsLeidenschaft

Burnett war kein übler Junge, aber er trieb sich zuoft in Bars mit zweideutigem Ruf herum, hatteexzentrische Freunde und benahm sich selten so, wieman es von einem seriöser Wissenschaftler erwartete.Bisher hatte Sharoon mit Burnett kaum Kontaktgehabt, aber seit er den Samen von ihm erhaltenhatte, begegnete er dem Jüngeren mit einer Artväterlicher Freundlichkeit.

Vielleicht war es gut, überlegte Dr. Sharoon, denJungen spüren zu lassen, daß er Freunde hatte, dieehrlich um ihn besorgt waren.

Gleich heute morgen, als die Hängenelkenhervorgekommen waren, hatte er Burnett darüberinformiert. Burnett hatte ihm herzlich gratuliert unddie Vermutung geäußert, daß sich wohl baldLiebhaber und Fachleute für die empfindlichenBlumen interessieren würden.

Der Brief des Garteninstituts war der erste Beweis,daß Burnett richtig überlegt hatte. Sharoon hatte zwarnoch nie von einem solchen Institut gehört, aber erwar überzeugt, daß es eine wichtige Gesellschaft war,denn der Briefkopf des Schreibens war vonrespektabler Größe und Farbenpracht.

»Ich sollte Burnett anrufen«, murmelte er vor sichhin. »Er wird sich freuen, wenn er von dem Briefhört.«

Er kehrte ins Labor zurück und ließ sich mit denKellerräumen verbinden. Dort unten wurden diegefährlichen Versuche ausgeführt, meterdickeStahlbetonwände schützten die übrigen Räume voreventuellen Explosionen. Eigentlich entsprach esBurnetts abenteuerlichem Charakter, daß er im Kellerarbeitete.

Kerrick, der Leiter des Kellerlabors, meldete sicham Apparat. Sharoon verlangte Burnett zu sprechen.

»Wir warten darauf, daß ihm ein KanisterWasserstoffsuperoxyd um die Ohren fliegt«, erklärteKerrick mürrisch. »Aber bisher scheint er es überlebtzu haben. Ich möchte wetten, daß das Zeug nacheiner Beifügung des B-Hormons vollkommen stabilist.«

»Es handelt sich nicht um die Versuche«, sagte Dr.Sharoon. »Ich möchte Burnett in einer privatenAngelegenheit sprechen.«

Kerrick gab ein Geräusch von sich, aus dem manentnehmen konnte, daß er Männer, die privat mitBurnett zu tun hatten, noch geringer einschätzte alssolche, die nur im Labor mit ihmzusammenarbeiteten.

»Einen Augenblick, Doc«, knurrte er. »Ich willversuchen, daß ich ihn an den Apparat bekomme.«

Der Chemiker wartete geduldig, bis BurnettsStimme in der Hörmuschel aufklang.

»Hallo, Doc!« rief der junge Wissenschaftler.

»Stellen Sie sich vor, eine geringe Menge desB-Hormons genügt völlig, um einen HektoliterWasserstoffsuperoxyd zu katalysieren.«

»Sehr gut«, nickte Dr. Sharoon. »Burnett, geradehabe ich einen Brief wegen der Hängenelkenerhalten.«

Burnett schien so überrascht zu sein, daß er nichtsprechen konnte. »Tatsächlich!« ereiferte sichSharoon. »Das Garteninstitut schrieb mir, daß esSamen kaufen möchte, sobald die Pflanzen weitgenug entwickelt wären.«

Vom anderen Ende der Leitung kam eingurgelndes Geräusch.

»Burnett, machen Sie Morgentoilette?« erkundigtesich Sharoon gereizt.

»Nein, Doc!« stöhnte Burnett. »Es ist nur dieFreude an Ihrem Erfolg.« Dr. Sharoon lächeltezufrieden. »Ich werde in Fachzeitschriftenpublizieren können«, verkündete er stolz. »MeinName wird in Züchterkreisen rasch bekannt werden.«

»Ganz bestimmt«, versicherte Burnett.»Selbstverständlich werde ich Sie an einem Gewinnbeteiligen«, sagte Dr. Sharoon großmütig. »Ich werde...«

»Entschuldigen Sie, Doc«, unterbrach ihn Burnett.»Aber mein Versuch läuft. Ich muß zurück an dieArbeit.« Er hängte ein. Dr. Sharoon runzelte dieStirn: Etwas stimmte mit Burnett nicht. Beschäftigteihn der laufende Versuch so stark, daß er für nichtsanderes mehr Interesse hatte, oder war er wiederbetrunken zur Arbeit gekommen? Allerdings,betrunken war nicht der richtige Ausdruck - Burnettkam im schlimmsten Fall verkatert, ohne jedoch dieArbeit zu vernachlässigen.

Für Dr. Sharoon war es unbegreiflich, wie Burnettes fertigbrachte, den ganzen Abend auf einemBarhocker zu sitzen, mit den Ellenbogen die Thekeblankzuscheuern und der Bardame Feuer für ihrelangen Zigaretten anzubieten. Zweifellos war Burnettaußergewöhnlich intelligent, im Kellerlabor führte erdie schwierigsten Experimente aus. Kerrick duldeteaus diesem Grund schweigend die NachteileBurnetts.

Gregory Burnett war fast dreißig Jahre alt, fiel Dr.Sharoon ein. Trotzdem schien er ein Junge gebliebenzu sein.

Und Gregory Burnett ließ keine Gelegenheitverstreichen, um seine Jungenhaftigkeit unter Beweiszu stellen.

Als Dr. Waco Sharoon am nächsten Morgen anseinem Arbeitsplatz eintraf, führte ihn der erste Wegzum Hinterraum.

Voller Spannung näherte er sich dem Kasten, indem die lebanischen Hängenelken wuchsen. Heutemußten sie schon groß genug sein, daß erverschiedene ihrer Eigenarten studieren konnte. Als

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Dr. Sharoon sich über den Kasten beugte, stieß ereinen erstickten Schrei aus. Über Nacht waren diePflanzen stark gewachsen. Aber es waren keinelebanischen Hängenelken.

Aus dem kostbaren Nährboden, den Dr. WacoSharoon mit Liebe und Sorgfalt zubereitet hatte,strebten gewöhnliche terranische Karotten derkünstlichen Sonne an der Decke entgegen.

2.

Die linke Hand auf den Oberschenkel gestützt, denrechten Ellenbogen auf der Theke liegend,beobachtete Gregory Burnett die Negersängerin aufder kleinen Bühne. Sie war von einem Schleierumhüllt, den Burnett zum Teil auf seinefortgeschrittene Trunkenheit, zum Teil aber auch aufden Zigarettenqualm zurückführte, der die Luft derBar ausfüllte.

Aus dem Dunst heraus kam die angenehm warmeStimme. Die zaghaften Bewegungen, mit denen dieNegerin ihren Gesang untermalte, erschienen Burnettwohltuend gegen über der Hast, mit der die beidenMixer hinter der Theke hantierten.

Burnett nippte an seinem Glas, ohne richtig zuschmecken, was er überhaupt trank. Zum erstenmalschien er richtig betrunken zu werden.

Er trank aus Trotz, vielleicht auch aus Ärger.»Wir schmeißen Sie 'raus!« hatte Kerrick gesagt.

»Diesmal haben Sie den Bogen überspannt, Greg!«Burnett hatte nie geglaubt, daß eine Tüte

Karottensamen der Grund für eine Kündigung seinkönnte, aber Sharoons Ärger schien größer zu seinals sein Humor. Und Kerrick? Burnett schloß einenAugenblick die Augen. Er vermutete, daß Kerrickimmer nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte, ihnzu entlassen.

Ausgerechnet während der interessanten Versuchemit dem B-Hormon mußte ihm das passieren. Erverwünschte seine verrückte Idee.

Als er die Augen öffnete, hockte auf dem Stuhlneben ihm ein dicker Mann und starrte ihn an.

»Hallo!« sagte Burnett freudlos.Der Dicke trank Fruchtsaft aus einem hohen Glas.

Vielleicht sah das Getränk auch nur wie Fruchtsaftaus, Burnett war das egal.

»Sind Sie Mr. Burnett?« erkundigte sich derDicke.

Seine Augen waren auf Burnett gerichtet.Erfahrung und Schläue schien aus ihnen zu sprechen.Etwas in Burnetts Innerem krampfte sich warnendzusammen. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzenzusammen, um die Benommenheit zu überwinden,die ihn umfangen hielt.

»Ja«, sagte er.»Mr. Gregory Burnett?«

»Ja«, sagte Burnett.Der Dicke schwang sich mit einer katzerihaften

Bewegung vom Hocker.»Folgen Sie mir«, sagte er.Burnett fühlte Zorn in sich aufsteigen, gleichzeitig

machte sich zunehmende Verwirrung in ihm breit. Erhatte den untersetzten Mann noch nie gesehen.

»Was wollen Sie?« fragte er ärgerlich.»Das erfahren Sie später. Wir können hier nicht

darüber sprechen. Kommen Sie jetzt.«Die Art, wie der Fremde mit ihm redete, stachelte

Burnetts Ärger an. Erst jetzt fühlte er, wie tief ihnKerrick mit der Entlassung getroffen hatte. Vielleichtwar er trotz seiner Unbeschwertheit, die er gegenüberanderen zeigte, ein tiefgründiger Charakter. Hatte erstdie Kündigung kommen müssen, um ihn einen Teilseines Wesens erkennen zu lassen?

Gregory Burnett war ein mittelgroßer Mann, mitbreiten Schultern und einem Bauchansatz. Er hattedunkelbraunes, gelocktes Haar, das zu beiden Seitenüber den Schläfen stark gelichtet war. Seine Nasewar schlank und leicht nach vorn geschwungen. Dievollen Lippen bildeten zu dem ausgebildeten Kinneinen eigenartigen Gegensatz und verliehen seinemGesicht ein fast exotisches Aussehen.

»Ich will noch nicht weggehen«, sagte er zu demFremden. »Warten Sie, bis ich fertig bin odererzählen Sie mir, was Sie wollen.«

»Es handelt sich um das B-Hormon«, flüsterte derDicke.

»Was wissen Sie davon?« erkundigte sich Burnett.»Nichts«, gestand der Dicke. »Aber man sagte mir,

daß Sie mir folgen würden, wenn ich Ihnen erzähle,warum man mit Ihnen sprechen will.«

»Wer will mit mir sprechen?«Der stämmige Mann trug einen unauffälligen

Straßenanzug. Sein Haar war kurz geschnitten, es sahaus wie eine schlecht sitzende Perücke.

»Ich glaube, Sie sollten jetzt austrinken und mitmir gehen«, sagte er, und zum erstenmal verlor er diebisher gezeigte Ruhe.

»Nein«, sagte Burnett rauh.Der Fremde bewegte sich so schnell, daß keiner

der Mixer sehen konnte, was er tat. Er trat dichtneben Burnett und rammte ihm das Knie in die Seite.Burnett rang nach Luft und taumelte vom Hockerherunter. Es wurde ihrn übel.

Der Dicke griff ihm rasch unter die Arme.»Er hat scheinbar zuviel getrunken«, sagte er zu

den Mixern. »Ich gehe mit ihm an die frische Luft.«»Nein«, protestierte Burnett schwach. »Der Kerl

will ...«Er spürte, wie sich der Mann mit vollem Gewicht

auf seine Füße stellte und schrie auf.Die Sängerin unterbrach ihr Lied. Verschwommen

erkannte Burnett, wie sie zu ihm herubersah, ihre

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weißen Augäpfel funkelten wie Kristalle.Da fühlte er sich mit scheinbarer Leichtigkeit der

Tür entgegengetragen. Von den Tischen unterhalbdes Podiums kam Gelächter. Burnett errötete vorZorn über seine plötzliche Schwäche. Der Dickebeeilte sich, mit seiner heftig strampelnden Last insFreie zu gelangen.

Plötzlich schlug Burnett frische Luft entgegen. Miteinem Schlag war er hellwach.

Seine Ellenbogen fuhren nach hinten, er rammtesie mit voller Wucht in den Leib des Dicken. Sofortlockerte sich der Griff unter seinen Armen. Miteinem Ruck kam er völlig frei.

Die hellerleuchtete Straße war vollkommen leer,nur weiter oben, vor dem kleinen Hotel, stand einTaxi.

»Warum sind Sie nicht vernünftig?« fragte derDicke.

Burnett schwankte leicht. Dann stürmte er auf denFremden zu.

Der Schlag, mit dem er aufgehalten wurde, riß ihnvon den Beinen und ließ ihn nach hinten kippen. Alser auf dem Boden aufschlug, hatte er bereits dasBewußtsein verloren.

3.

Die Geräusche verdichteten sich allmählich,wurden eins mit dem Dröhnen in seinem Kopf, undbald konnte Gregory Burnett erkennen, daß esmenschliche Stimmen waren, die an seine Ohrendrangen. Er schlug die Augen auf. Ein Mann beugtesich über ihn, ein Mann in der Uniform der Flotte desVereinten Imperiums.

>Ich träume<, dachte Burnett.Im gleichen Augenblick kehrte seine Erinnerung

zurück, er sah sich wieder vor der Bar stehen und injenen fürchterlichen Aufwärtshaken hineinrennen,den der Dicke auf ihn losgelassen hatte. Burnettrunzelte die Stirn, ließ es aber gleich wieder sein, dader Schmerz sofort mit doppelter Heftigkeit gegenseine Schläfen klopfte. Der Mann über Burnett hatteein fein gezeichnetes Gesicht und dunkle Haare. Erlächelte auf Burnett herunter, als könnte er allesverstehen, was geschehen war. »Wo bin ich?«krächzte Burnett. Inzwischen war er sicher, daß dieseUmgebung nicht einem Traum entsprang.

»Auf dem Schlachtkreuzer ASUBAJA«, erwiderteder Mann gelassen. »Aha«, machte Burnett, um eineSekunde später aufzufahren: »Wo, zum Teufel,sagten Sie?«

Der Uniformierte wiederholte seine Erklärung. ImGegensatz zu dem Dicken, der Burnett offensichtlichhierhergebracht hatte, schien dieser Mann freundlichund verständnisvoll zu sein. Burnetts Zorn warverflogen, aber die Nachwirkungen des

Katzenjammers machten ihm noch schwer zuschaffen. Er spürte eine starke Schwellung unterseinen Fingern, als er vorsichtig sein Gesichtabtastete.

Der Mann über ihm lächelte.»Wir müssen uns wegen der unorthodoxen

Methode entschuldigen, mit der wir Sie an Bordholten«, sagte er freundlich. »Aber Jicks berichtete,daß Sie in einer Stimmung waren, in der ein Mannwenig von vernünftigen Erklärungen hält. Deshalbmußte er Ihrer Entschlußkraft ein wenig nachhelfen,da wir keine Zeit hatten, uns persönlich um Sie zukümmern.«

Es gelang Burnett, den Kopf etwas zu heben undeine Hand in den Nacken zu bringen. Vorsichtigbegann er zu massieren. Der Offizier sah ihmgeduldig zu. »Ich bin Leutnant Wetzler«, sagte er.»Wenn es Ihnen etwas bessergeht, bringe ich Sie zuMr. Kerrick ins Labor.«

»Kerrick«, murmelte Burnett verständnislos. »Ichdachte, er hätte mich entlassen.«

Wetzler winkte nachlässig ab. »Wir stellen Siewieder ein. Außerdem sprach ich vom Labor derASUBAJA. Dort ist Kerrick nicht Ihr Vorgesetzter,sondern Ihr Mitarbeiter - ebenso wie Dr. Sharoon.«

*

Nach einer halben Stunde hatte sich Burnett so guterholt, daß er aufstehen konnte. Wetzler hatte dieKabine inzwischen verlassen. Auf dem Tisch standeine Karaffe mit Wasser und ein Becher. Neben demSchrank war ein Warmwasserspender und eineKaffeeautomatik. Burnett machte sich einen Kaffee.Er war zwar noch nie auf einem Raumschiffgewesen, aber die ganze Einrichtung des Raumes ließkeinen Zweifel aufkommen, daß er sich nun in einemsolchen aufhielt.

Er verwünschte Jicks und seine eigene Schwäche,immer in die gleiche Bar zu gehen.

Wetzler hatte gesagt, daß die ASUBAJA einSchlachtkreuzer sei. Burnett verzog grimmig dieLippen. Das waren schöne Aussichten. Als er denKaffee fast ausgetrunken hatte, klopfte jemand an dieTür.

Burnett hatte noch kein Verlangen nachGesellschaft und schwieg. Da wurde die Kabinegeöffnet, und Dr. Sharoon trat ein. Burnettbetrachtete ihn mißtrauisch, doch der Chemikerschien nicht die Absicht zu haben, ihm wegenKarottensamen und gefälschter Briefe Vorwürfe zumachen.

»Ich bin gekommen, um Ihnen unser Hiersein zuerklären«, sagte er.

»Aha«, machte Burnett.Dr. Sharoon musterte ihn genauer. Dann sagte er

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mitleidig: »Es sieht so aus, als seien Sie gefallen,Burnett.«

»Nein«, sagte Burnett verdrossen, »man hat michnur auf dieses Schiff geschleppt.«

»Dr. Kerrick und wir beide sollen an diesemUnternehmen teilnehmen, weil wir uns intensiv mitdem B-Hormon befaßt haben«, begann Dr. Sharoon.

Burnett erinnerte sich an ihre Versuche. Aushundertprozentigem H2O2 hatten sie einen dünnen,intensiv blau strahlenden Stoff geschaffen, der zurÜberraschung aller Wissenschaftler trotz derhöchstmöglichen Konzentration vollkommen stabilwar. Das B-Hormon, das sie als Katalysator benutzthatten, schien das Wasserstoffsuperoxydvollkommen verändert zu haben.

Der siganesische USO-Agent Lemy Danger hattezusammen mit dem Ertruser Melbar Kasom 80 Literdes B-Hormons von Gatas mitnehmen und inSicherheit bringen können.

Inzwischen-hatte man auf Terra versucht, die nochgeringen vorhandenen Molkexmassen mit reinemWasserstoffsuperoxyd anzugreifen. Doch das Molkexreagierte überhaupt nicht, solange das H2O2 nichtdurch das B-Hormon anlagerungsstabil gemachtworden war.

Perry Rhodan ordnete an, daß vierzig Liter denWissenschaftlern zur Verfügung gestellt wurden. Mitdem Rest der wertvollen Flüssigkeit hatte derGroßadministrator andere Pläne. Auf der Erde undverschiedenen Ära-Planeten liefen Großversuche an.

Trotz allem wurde Dangers Bericht über dasBaby-Hormon von Rhodan und den Wissenschaftlernnur mit Skepsis aufgenommen. Vor allem der vonDanger beobachtete Drive-Effekt, dasAuseinanderfliegen einer Molkexmenge nachBerührung mit B-Hormon angereichertem H2Ü2,stieß auf Unglauben.

»Wir haben fünfzig Spezialbomben an Bord«,berichtete Dr. Sharoon.

»Bomben?« fragte Burnett kläglich. »Was wollenwir bombardieren?«

Es fiel ihm ein, daß Wetzler gesagt hatte, dieASUBAJA sei ein Schlachtkreuzer. Wenn jetzt Dr.Sharoon von Bomben sprach, dann konnte mansicher sein, daß dieses Schiff einen unangenehmenAuftrag zu erfüllen hatte.

Und er, Gregory Burnett, hielt sich an Bord auf.Burnett verspürte plötzlich Bedürfnis nach einem

weiteren Kaffee, und er bereitete zwei Becher fürSharoon und sich zu.

»Es handelt sich um fünfzig Raketenflugkörper«,erläuterte Dr. Sharoon. »Sie gleichen einer starkvergrößerten Zigarre und verfügen über einenRaketentreibsatz auf chemischer Basis. DieFlugkörper können auch vom Bodeneinsatz aus mitHilfe leichter Kunststofflafetten abgefeuert werden.

Eine optische Zielvorrichtung steuert sie ins Ziel.Diese KbCh - Raketenbomben sind nach erfolgtemAbschuß nicht mehr beeinflußbar.«

»Moment«, knurrte Burnett. »Sie sagten etwas vonH2O2-Bomben?«

»Natürlich«, stimmte Dr. Sharoon zu. »DieRaketen haben lediglich die Aufgabe,Wasserstoffsuperoxyd ins Ziel zu tragen, das mitB-Hormon angereichert wurde.«

Burnett überlegte, daß es eigentlich nur einbestimmtes Ziel gab, das für eine solche Bombebesonders empfindlich zu sein versprach. Da es aufTerra kaum noch Molkex gab, mußten sie es ananderer Stelle suchen.

Burnett erkannte allmählich die Zusammenhänge.Die ASUBAJA war mit dem Auftrag unterwegs, dieWirkung der neuentwickelten Substanz auf Molkexzu untersuchen. Deshalb waren Dr. Kerrick, Dr.Sharoon und er an Bord. Burnett verzog das Gesicht.Wo immer sie auf Molkex stoßen würden,ungefährlich würden diese Welten nicht sein. Ersagte das Dr. Sharoon, der jedoch nur mit denAchseln zuckte. »Perry Rhodan hat diesen Planausgearbeitet. Ich glaube, daß er uns gegen jedeÜberraschung abgesichert hat.«

»Nur nicht gegen Jicks«, wandte Burnett säuerlichein.

*

Burnett erfuhr, daß die ASUBAJA noch in einerKreisbahn um die Erde auf eine Nachricht derGalaktischen Abwehr wartete. Er erfuhr es von Jicks,der ihn traf, als er zum erstenmal zum Labor derASUBAJA unterwegs war. Der dicke Mann hatte denStraßenanzug mit der Uniform der GalaktischenAbwehr vertauscht. Er grinste Burnett mitentwaffnender Offenheit an.

»Wie geht es Ihnen?« erkundigte er sich. »Gut«,log Burnett. »Ich fühle mich so gut wie noch nie inmeinem Leben.«

Jicks zog bedauernd eine Augenbraue hoch.»Leider werde ich den! Flug nicht mitmachen«,berichtete er. »Sobald die Nachricht, auf die wirwarten, eingetroffen ist, werde ich mit einem Beibootzur Erde zurückkehren.«

»Dort werden Sie dann nach bewährter Methodeauf Menschenraub ausgehen«, meinte Burnettsarkastisch. »Wenn es sein muß«, entgegnete Jickstrocken.

»Was ist das für eine Nachricht, die wir nochabwarten müssen?« fragte Burnett beiläufig.

»Ein schneller Kreuzer der Abwehr befindet sichzur Zeit auf Tombstone, der Heimatwelt derSchreckwürmer. Dort versuchen die Agenten zuerfahren, wo ein absterbungsreifer Schreckwurm

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ausgesetzt wurde.«»Ich verstehe«, sagte Burnett. »Sobald wir wissen,

auf welcher Welt wir Molkex finden, starten wir.«»Richtig«, bestätigte der Agent. »Es kommt

Rhodan darauf an, eine Welt zu finden, auf der dieHornschrecken gerade mit der Molkexfabrikationfertiggeworden sind.« Sie unterhielten sich nochkurze Zeit, dann wurde Jicks über den Interkom zurKommandozentrale der ASUBAJA gerufen.»Wahrscheinlich werden wir uns nicht mehr sehen«,sagte der dicke Mann. Er zeigte auf Burnetts Beuleund lachte. »Nichts für ungut.«

»Sie geht schon zurück«, sagte Burnett. Als er imLabor ankam, waren Kerrick und Sharoon bereits ander Arbeit, die Bomben zu laden. Sharoon lächelte,und Kerrick murmelte eine mürrische Begrüßung. Erwar ein kleiner, aber sehr breiter Mann, so daß er fastquadratisch wirkte. Sein Nacken war von Speckfaltenüberzogen. Mit den nach vorn gestülpten Lippen undden blassen Augen sah er wie ein beleidigter Seehundaus. Wer ihn sah, hätte nie geglaubt, daß er seineArbeiten mit beinahe lässiger Leichtigkeit erfüllte imGegensatz zu Dr. Sharoon, der jede Aufgabe nur mitäußerster Konzentration zu erfüllen schien.

Burnett konstatierte, daß er mit beiden längere Zeitzusammen sein würde. Aus diesem Grunde war essinnlos, sie bereits jetzt zu verärgern. Kerricksschlechte Laune würde sich schnell legen. Dr.Sharoon war ein Sonderling, der trotz allem sehrumgänglich war.

»Wußten Sie, daß wir auf einer Welt landenwerden, die von Horn-schrecken verwüstet wurde?«fragte Burnett.

»Ja«, sagte Kerrick widerwillig. »Man hat es unsgesagt.«

»Der Kommandant des Unternehmens heißtThoma Herisch, er ist Oberst und gleichzeitigBio-Physiker«, erklärte Dr. Sharoon. »Sie werden ihnnoch kennenlernen.« Burnett vertiefte sich in seineArbeit. Mit Kerrick zu arbeiten, hatte ihm schonimmer Spaß gemacht, während er Sharoon praktischkaum kannte. Er war sich darüber im klaren, daß siesich während des Fluges näherkommen würden.Dabei konnte es Streit geben. Als er mit Dr. Sharooneine der Bomben zum Labortisch trug, befand sichKerrick außer Hörweite. »Er hat sich für Sieeingesetzt«, sagte Sharoon leise. »Man wollte Dr.Lessinger für Ihre Aufgabe einsetzen, doch Kerrickbestand darauf, daß Sie mitkommen.«

»Donnerwetter!« entfuhr es Burnett. »Ich dachte,es würde Sie interessieren«, meinte Sharoon. »Undob«, sagte Burnett.

*

Am 25. November 2327 verließ der fünfhundert

Meter durchmessende Schlachtkreuzer ASUBAJAseine Umlaufbahn um Terra und raste in denWeltraum hinaus. Die Nachricht, auf die man nochgewartet hatte, war inzwischen eingetroffen. DieSchreckwürmer hielten sich an ihr Bündnis mit Terra.Die Position einer kleinen, gelben Sonne, 57 713Lichtjahre von der Erde entfernt, wurde von denSchreckwürmern als Ziel genannt. Vagrat, so hieß dieSonne, lag auf der Ostseite der Milchstraße imsternenarmen Randbezirk.

Die Sonne Vagrat besaß ein eigenartigesPlanetensystem, das lediglich aus kosmischenTrümmerstücken bestand. Man vermutete, daß esfrüher zwei oder mehrere große Planeten gegebenhatte, die durch eine unbekannte Katastrophevernichtet wurden. Eines dieser Bruchstücke, die umVagrat kreisten, war marsgroß und trug den NamenTauta.

Dort, so berichteten die Schreckwürmer, war vornicht allzu langer Zeit ein Molkexschiff gelandet undhatte einen brutreifen Schreckwurm abgesetzt. Tautaumlief mit Millionen mehr oder weniger großenAsteroiden seine Sonne.

Durch dieses Gewühl kosmischer Trümmer mußtedie ASUBAJA stoßen, wenn sie auf Tauta landenwollte. Leutnant Wetzler behauptete, daß er lieberbarfuß durch ein Minenfeld ginge, als mit demSchlachtkreuzer durch diesen Asteroidengürtel zufliegen.

*

Jeder der Punkte, die auf dem Bildschirm zu sehenwaren, konnte der ASUBAJA gefährlich werden. DerSchlachtkreuzer des Experimentalkommandos warim Linearflug bis zum System der Sonne Vagratvorgestoßen. Das Gefährliche an den Asteroiden war,daß jeder einzelne eine eigene Umlaufbahn undGeschwindigkeit besaß.

Für Oberst Thoma Herisch gab es zweiMöglichkeiten, Entweder er durchflog denTrümmerhaufen so schnell, daß die ASUBAJA einender Brocken rammte, oder er flog so langsam, daßdas Schiff gerammt wurde. Kleinere Trümmerstückekonnten der ASUBAJA nicht gefährlich werden, undeinzeln auftretende größere Asteroiden konnten vonden Geschützen unschädlich gemacht werden.Schlimm wurde es nur dann, wenn sich das Schiff ineinem Gewühl von Asteroiden befand und nichtschnell genug eine Lücke zum Durchschlüpfen fand.

Nach den Berichten der Schreckwürmer besaßallein der Planet Tauta einen Gürtel von mehrerentausend Monden, von denen oft einigezusammenstießen und in einem Meteoritenregen aufden Planeten niedergingen. Jahrtausende würdennoch vergehen, bis sich die Verhältnisse innerhalb

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des Vagrat-Systems so gefestigt hatten, daß maneinigermaßen sicher einfliegen konnte.

Doch solange konnten die Männer nicht warten.Behutsam ließ Oberst Herisch das Schiff in die

gefährlichen Zonen eindringen. Die Abwehrschirmewaren eingeschaltet. Je tiefer die ASUBAJA in dasSystem vorstieß, desto häufiger prallten kleine undkleinste Trümmerstücke gegen die Energiefelder undverpufften in hellen Blitzen.

Teilchen, die so winzig waren, daß sie derBildschirm nicht mehr zeigte, prasselten in ganzenSchwärmen gegen die Abwehrschirme desSchlachtkreuzers.

Längst hatten sie Tauta auf den Geräten. Für dasMolkexschiff der Blues, das vor kurzer Zeit dengleichen Weg zurückgelegt hatte, war dasUnternehmen nicht so schwierig gewesen, da esdurch seinen Panzer geschützt wurde.

»Wir laufen einen kosmischen Slalom«, erklärteLeutnant Wetzier in der Zentrale der ASUBAJA.»Hoffentlich kommen wir auch im Ziel an.«

Es gehörte nicht nur Geschick dazu, eineStahlkugel von einem halben Kilometer Durchmesserdurch diesen mörderischen Gürtel zu steuern,sondern auch eiserne Nerven.

Oberst Thoma Herisch schien diese zu besitzen,denn er zeigte auf Wetzlers Bemerkung nur eindünnes Lächeln.

Herisch war ein schlanker, mittelgroßer Mann, dersich beim Gehen leicht nach vorn beugte. EineAdlernase beherrschte sein Gesicht, und unter dentrüben Augen zogen dicke, blaue Äderchen durch dieHaut. Es war schwierig, das Alter des Bio-Physikerszu schätzen.

Die automatische Steueranlage der ASUBAJA warausgeschaltet, Herisch und Wetzier hatten espersönlich übernommen, das Schiff durch dieTrümmer ehemaliger Planeten zu manövrieren.

Ihr Ziel, der Planet Tauta, besaß eine atembareSauerstoffatmosphäre, deren Dichte der Luftterranischer Hochgebirge entsprach. Nach Aussageder Schreckwürmer war es auf dieser Welt relativkühl, die Oberfläche war wüstenartig und nurstellenweise von Vegetation überzogen.

*

In der Feuerleitzentrale der ASU-BAJA hockteLeutnant Zimprich auf dem unbequemen Hocker desFeuerleitoffiziers und wartete darauf, daß er mitseinen Männern größere Brocken aus dem Wegschießen mußte. Bisher hatten jedoch diePilotenkünste Herischs und Wetzlers ausgereicht, umdas Schiff ohne Schaden seinem Ziel näherzubringen.

Die ASUBAJA geriet in eine Wolke kosmischenStaubs, und ihre Abwehrschirme begannen zu

glühen.»Auf was soll ich jetzt schießen lassen?« murmelte

Zimprich vor sich hin. In der Kommandozentraledrosselte Herisch augenblicklich dieGeschwindigkeit. Das Dröhnen der Generatoren, diedie Abwehrschirme mit Energie versorgten, drang biszu ihnen herein.

»Zwei dicke Brocken würden jetzt genügen«,unkte Wetzler.

Es schien unvorstellbar, daß der Staub mitbeachtlicher Eigengeschwindigkeit um Vagratkreiste. Für einen Beobachter auf der ASUBAJAschien er wie ein träger Vorhang im Raum zuhängen, gleich einem Netz, das sich gierig um dasSchiff schloß, um es nicht mehr freizugeben.

Aber das schwergepanzerte Schiff, umgeben vonstabilen Energiefeldern, näherte sich unaufhaltsamdem Ziel.

*

Gregory Burnett versiegelte die letzteH2O2-Raketenbombe und hob lauschend den Kopf.Die üblichen Geräusche des Schiffes hatten sich inder letzten halben Stunde verändert, ein kaumwahrnehmbares Vibrieren schien es zu durchjagen,während das stetige Summen der Generatoren zueinem Dröhnen angeschwollen war. Die dreiWissenschaftler waren keine Raumfahrer, jedes neueGeräusch beunruhigte sie. Vor allem Dr. Sharoonwurde immer nervöser.

»Wir sollten bei der Zentrale nachfragen, wasvorgeht«, schlug er vor. »Hier im Labor gibt eskeinen Bildschirm.«

Kerrick gab die von Burnett versiegelte Bombe zurMontage des chemischen Triebwerkes an die beidenTechniker weiter, die mit ihnen zusammen im Laborwaren. Sein Blick streifte Sharoon.

»Ich mache mir keine Sorgen«, sagte er. »Sobaldetwas Unvorhergesehenes passiert, wird man unsbenachrichtigen, denn wir haben schließlich diewichtigste Fracht des Unternehmens inVerwahrung.«

»Trotzdem hätte man uns mit einigen Einzelheitenvertraut machen müssen«, beschwerte sich Burnett.»Ich habe es allmählich satt, von den Raumfahrernwie ein unerfahrener Junge behandelt zu werden.«Einer der Techniker räusperte sich durchdringend.Burnett warf ihm einen bösen Blick zu.

»Haben Sie vielleicht etwas dagegen?« fragte ergereizt.

»Nein«, sagte der Techniker. »Schließlich mußjeder seine Furcht auf eine gewisse Art abreagieren.«

Burnett wollte schon protestieren, als ihm seinVerstand sagte, daß der Mann recht hatte. Diehörbaren Veränderungen im Schiff hatten

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Unsicherheit in ihm geweckt.»Ich kann Ihnen erklären, was los ist«, sagte der

Techniker. »Wir fliegen durch einenMeteoritenschwarm. Das Dröhnen der Generatorenkommt von der erhöhten Energieabgabe an dieAbwehrschirme.«

»Heißt das, daß wir uns nicht mehr im Lineafflugbefinden?« fragte Dr. Sharoon. Der Techniker sahihn mitleidig an.

»Natürlich nicht«, sagte er. »Wir dringen in dasZielsystem ein.«

»Geht das immer so geräuschvoll vor sich?« fragteBurnett.

»Das kommt darauf an, was uns im Weg ist«,erwiderte der Mann. Die Lautsprecher des Interkomsknackten.

»Hier spricht der Kommandant!« erklang HerischsStimme. »Es sieht so aus, als bekämen wirSchwierigkeiten. Wir durchfliegen eine Zone, die mitTrümmern ehemaliger Planeten überfüllt ist. Wirwerden uns wahrscheinlich einen Weg freischießenmüssen. Ab sofort gilt für das Schiff erhöhteAlarmbereitschaft. Alle Schotten sind dicht zumachen, die Beiboote müssen startklar gemachtwerden.«

Dr. Sharoon kam aufgeregt um den Tisch herum.»Wo sind unsere Schutzanzüge?« erkundigte er sich.

Burnett mußte sich zwingen, um nicht von derUnruhe angesteckt zu werden. Die beiden Technikernahmen Dr. Sharoon in die Mitte und beruhigten ihn.Kerrick zog seinen Kittel aus und warf ihn achtlosüber den Tisch.

»Ich möchte jetzt endlich wissen, was los ist«,sagte er entschlossen und ging auf die Tür zu.

Da gab es einen kurzen, aber heftigen Ruck, derdas ganze Schiff erschütterte. Kerrick verlor den Haltund schlitterte bis zum Tisch, wo er sichfestklammerte und hochzog. Sein Gesicht war bleich.Sharoon machte sich aus der Umklammerung derbeiden Techniker frei, die anscheinend noch nichteinmal geschwankt hatten. »Was war das?« stießBurnett hervor. »Ein kleiner Zusammenstoß«,informierte ihn der ältere der beiden Techniker.»Allerdings nicht besonders schlimm.«

»Aha«, brachte Burnett hervor. »Hat das Schiffjetzt ein Leck?« fragte Dr. Sharoon mit bebenderStimme. »Unsinn«, sagte der Techniker. »Das warlediglich ein großer Brocken, der gegen die Schirmeprallte, bevor wir ihn zerschießen konnten.«

Kerrick stand mit dem Rücken gegen den Tischgelehnt, beide Hände fest gegen die Platte gepreßt.Sein Gesicht hatte den mürrischen Ausdruckverloren, man sah nur noch Angst darin.

Burnett verwünschte im stillen Jicks, der ihn anBord gebracht hatte, und er wünschte, Kerrick hättees nicht verstanden, irgendwelche hohen Tiere davon

zu überzeugen, daß er für dieses Unternehmenwertvoller war als Dr. Lessinger.

Die ASUBAJA wurde von zwei weiteren Stößenerschüttert. Einmal biß sich Burnett die Zunge dabeiblutig, beim zweitenmal verlangte Dr. Sharoon, in einRettungsboot gebracht zu werden.

Doch dann kam Oberst Herischs Stimme mit derüblichen Gelassenheit aus dem Lautsprecher.

»Wir sind durch«, sagte er.Burnett atmete auf. Unwillkürlich dachte er aber

an den Rückflug, der noch einmal die gleichenAufregungen für sie bereithalten würde.

Es war geplant, daß die ASUBAJA hundertSpezialisten unter Herischs Kommando auf Tautaabsetzte, zusammen mit einem fahrbaren Labor,flugfähigen Energiepanzern und schwerenGeschützen. Das Schiff selbst würde sich wieder inden Weltraum zurückziehen und zwischen Millionenvon Trümmerstücken versteckt um Vagrat kreisen,bis die Männer ihre Aufgabe ausgeführt hatten.Bisher hatte Gregory Burnett dieses Vorhaben fürrelativ einfach gehalten, ja, während den erstenStunden ihres Fluges hatte er große Erwartungen inihren Aufenthalt auf der fremden Welt gesetzt.

Dieser Zwischenfall jedoch ließ ihn solcheVorstellungen rasch vergessen. Und das war gut so.

4.

Die ASUBAJA durchstieß unbeschadet den Ringvon Monden um Tauta und schoß in die dünneAtmosphäre dieser Welt hinein. Die Umlaufbahnenall dieser Satelliten zu errechnen, wäre zu einerastronomischen Superaufgabe geworden, wennüberhaupt jemand an dem Ergebnis interessiertgewesen wäre.

Oberst Herisch rechnete damit, daß die ASUBAJAwährend ihrer Landung die Zahl der Monde ummindestens zwanzig dezimiert hatte. Das war jedochvöllig bedeutungslos, da Tauta im Laufe der Jahreandere Trümmerstücke, die in denGravitationsbereich des Planeten gerieten, anziehenwürde.

Der Trümmerhaufen, den das Vagrat-Systemdarstellte, änderte sich optisch ständig, er war einüberwältigendes kosmisches Kaleidoskop, in dem dasWechselspiel galaktischer Kräfte unübertrefflichveranschaulicht wurde.

Während die vier Astronomen desSchlachtkreuzers durch ihre Geräte beobachteten,was sich um Tauta herum abspielte, steuerten Herischund Wetzler das Schiff einem flachen Gebirgszugentgegen, der sich auf den Bildschirmen abzeichnete.

Ein ausgedehntes Plateau wurde von den beidenOffizieren als Landeplatz ausgewählt.

Wetzler schaltete den Antigrav der ASUBAJA ein

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und ließ die Landestützen ausfahren. Mit kaummerklichem Ruck setzte der Schiffsgigant auf derOberfläche Tautas auf.

»Sobald das Spezialkommando ausgeschleust ist,bringen Sie die ASUBAJA auf eine einigermaßensichere Umlaufbahn«, sagte Herisch zu LeutnantWetzler. »Wir werden in Funkkontakt bleiben, so daßSie über alles informiert sind, was sich hier untenabspielt.«

Man sah Wetzler an, daß er liebend gern anHerischs Stelle hinausgegangen wäre, aber er warkein Wissenschaftler und stand auch in dermilitärischen Rangordnung tief unter demKommandanten. Die nächste Stunde verging inhektischer Arbeit. Die Angehörigen desExperimentalkommandos wurden zusammen mitihren Geräten, den Flugpanzern und dem fahrbarenLabor ausgeschleust. Auch die Waffen gelangten insFreie. Innerhalb kurzer Zeit hatten die Spezialistenein Lager auf dem Plateau aufgeschlagen. Für diemeisten Männer bedeutete das Betreten einesfremden Planeten nichts Außergewöhnliches. Siewußten genau, was sie zu tun hatten.

Die ASUBAJA startete unter dem KommandoLeutnant Wetzlers wieder in den Weltraum.

Gregory Burnett, der zusammen mit Kerrick undSharoon als einer der letzten Wissenschaftler vonBord des Schlachtkreuzers gegangen war, betrachtetedie ungewohnte Umgebung mit mißtrauischenBlicken. Wie jedes Mitglied des Kommandos trug ereinen flugfähigen Kampfanzug.

Langsam gingen die drei Wissenschaftler demfahrbaren Labor entgegen. Burnett kam sich inmittender arbeitenden Spezialisten überflüssig vor, undKerrick schien es nicht anders zu ergehen.

»Ich möchte wissen, wozu man uns mitgenommenhat«, knurrte er. Sharoon war so in die Betrachtungder fremdartigen Landschaft versunken, daß ihnnichts zu erschüttern schien. Nach einer Weilewandte er sich an Burnett.

»Ich fühle mich hier nicht wohl«, sagte er leise.»Noch nie in meinem Leben habe ich ein derartigödes Land gesehen.«

»Kein Wunder«, sagte ein großer Mann, der auf siezukam. »Über diesen Planeten ergoß sich die violetteFlut der Hornschrecken. Sie haben nichts als Wüstezurückgelassen.« Er klappte den Helm desKampfanzuges zurück und grinste.»Nichtsdestoweniger können wir auf dasSauerstoffaggregat verzichten.«

Dr. Kerrick deutete mit dem Daumen auf dasfahrbare Labor.

»Wann können wir dort einsteigen?« erkundigte ersich. »Wir stehen nun schon eine ganze Weile hierherum und wissen nicht, was wir tun sollen.«

»Mein Name ist Drude«, stellte sich der große

Mann vor. »Ich gehöre zu der Gruppe mitBlues-Erfahrung. Wenn Sie etwas über diesen Kastenwissen wollen, müssen Sie sich an Dr. De Fortwenden.« Sharoon verzog das Gesicht, als hätte er ineine saure Frucht gebissen. Kerrick gab einunverständliches Grunzen von sich. »Was ist los?«erkundigte sich Burnett. »Kennen Sie Dr. De Fort?«

»Ja«, sagte Kerrick, »leider ließ es sich nichtvermeiden. Als man Sie noch ... äh ... überredete,aufs Schiff zu kommen, besuchte uns Dr. De Fort imLabor der ASUBAJA. Er leitet nach Aussage vonMr. Drude das fahrbare Labor.«

»Na und?« fragte Burnett arglos. »Ist er vielleichtein Vampir, der anderen Leuten die Kehledurchbeißt?« Drude lachte und ging davon, um beider Aufstellung eines Energiegeschützes zu helfen.

Burnett sah mit gemischten Gefühlen hinter ihmher »Es sieht so aus, als würde das Plateau in eineFestung verwandelt«, sagte er. »Ist etwa ein Angriffzu erwarten?« Kerrick musterte ihn mitleidig. Dannmachte er eine ausschweifende Armbewegung, alswollte er den ganzen Planeten umfassen.

»Wissen Sie, wieviel unzählige Tonnen wertvollesMolkex auf Tauta liegen?« Er wartete nicht ab, daßBurnett etwas über sein Wissen aussagte, sondernfuhr fort: »Wir sind nicht die einzigen, die sich dafürinteressieren. Es kann jederzeit ein Schiff der Blueshier landen und versuchen, das Molkex abzuholen.«Burnett schluckte. »Was geschieht, wenn sie uns hierantreffen?«

»Sie zerschießen uns in kleine Scheiben«,verkündete Kerrick düster. Mit wenig überzeugenderRuhe warf Dr. Sharoon ein: »Wir haben ja unsereH2O2-Raketenbomben.«

In Kerricks Gesicht ging eine Veränderung vor. Esschien, als habe er auf jemand eine ausgesprocheneWut.

»Wer garantiert uns, daß diese Dinger auchwirklich in der Lage sind, die Panzerung derBlues-Schiffe zu zerstören? Außer einigen spärlichenExperimenten haben wir nur die Versicherung eineswinzigen Burschen von Siga, daß es klappen wird.«

Über ihnen, direkt in der Schleuse des fahrbarenLabors, entstand ein Geräusch, als schleife Metallgegen Metall. Burnett blickte hoch und fuhrzusammen.

In der Schleusenkammer stand ein Rollstuhl, wieer nur noch ganz selten von Amputierten benutztwurde, die keine Prothesen tragen durften. In demStuhl Laß ein Mann. Sein Gesicht war überaus hager,die Backenknochen darin sprangen hervor, so daß dietiefliegenden Augen noch düsterer wirkten, als sie esdurch ihre Schwärze bereits waren. An Stelle einerNase trug dieser Mann einen flachen Plastikeinsatz,die Lippen darunter waren schmale, blutleere Striche.Da der Kranke keinen Kampfanzug trug, konnte

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Burnett sehen, daß die linke Kopfhälfte des Mannesvollkommen kahl war. Eine Metallplatte ersetzte dieSchädeldecke. »Das ist Dr. De Fort«, sagte Kerrickmit einer Stimme, als habe er Sand zwischen denZähnen.

De Fort starrte Burnett an, als könnte er durch ihnnoch müheloser hindurchsehen als durch Glas.

»Wenn Sie nicht erschrecken würden, Mr.Burnett«, sagte De Fort mit angenehmer Stimme,»würde ich zu Ihrer Begrüßung lächeln.«

»Ich wußte nicht ...«, begann Burnett.Dr. De Fort unterbrach ihn mit einer knappen

Handbewegung. »Kommen Sie herein«, forderte er.»Es wird Zeit, daß wir uns darum kümmern, wie wiruns etwas Molkex für Experimente beschaffen.«Burnett dachte darüber nach, welches Gefühl es seinmochte, das aus den Blicken dieses Mannes sprach.Als er langsam den Steg zur Schleuse hinaufging,glaubte er es zu wissen. Dr. De Fort schien jemandmit fürchterlicher, selbstzerfleischender Intensität zuhassen.

*

Burnett erfuhr Dr. De Forts Geschichte vonKerrick, als sie der Krüppel im Experimentierraumallein ließ. Martin De Fort war einvielversprechender junger Wissenschaftler gewesen,und er war mit einer kleinen Mannschaft imvergangenen Jahr auf einem Planeten gelandet, umForschungen über eine bestimmte Art von Kristallenzu betreiben.

Das Schicksal hatte ihn jedoch auf eine Weltgeführt, wo es Eier von Hornschrecken gab. Am 4.August 2326, an dem Tag, an dem derGravitationsstoß ausgelöst wurde, der unzähligePlaneten in das Unheil der Hornschreckenflut stürzte,hielt sich Dr. Martin De Fort noch auf dieser Weltauf.

Als die Hornschrecken kamen, war De Fort vomSchiff abgeschnitten. Doch er schaffte es mit letzterEnergie, das Schiff zu erreichen. Diezurückgebliebenen Männer waren jedoch so nervös,daß sie auf ihn feuerten. Was von De Fort damalsübrig geblieben war, zerrten sie ins Schiff undflüchteten von der Welt des Todes. Martin De Fortmachte nie den Fehler, die Schuld an diesemschrecklichen Unglücksfall den Männernzuzuschieben, die auf ihn geschossen hatten.

Als er sich nach sechs Monaten in einem Rollstuhlfortbewegen konnte, galt sein ganzer Haß denSchreckwürmern. Da er ein Fachmann fürfremdartige Steinstrukturen war, hatte man ihnzugezogen, um seine Kenntnisse für dieMolkexforschung zu nutzen. Der Haß, der Dr. DeFort antrieb, hatte ihn bald zu einem der führenden

Wissenschaftler auf dem Gebiet diesesunübertrefflichen Materials gemacht. De Fort machtenie ein Geheimnis daraus, daß es ihm in erster Linieum die Vernichtung der Schreckwürmer und derBlues ging, die für die Verbreitung derHornschreckenseuche verantwortlich waren.

De Fort war ein Außenseiter, und nur seinerQualifikation hatte er es zu verdanken, daß man ihnin diesem Zustand überhaupt in den Weltraummitgenommen hatte.

»Er ist krank an Körper und Seele«, sagte Kerrickabschließend. »Machen Sie nie den Fehler, ihmgegenüber Rücksicht oder gar Mitleid zu zeigen,denn das würde er Ihnen nie verzeihen.«

»Er ist mir unheimlich«, gestand Burnett befangen.Der Gedanke, daß er nun längere Zeit mit diesemMann zusammen sein würde, beunruhigte ihn. Ertröstete sich damit, daß das fahrbare Laborwahrscheinlich von vielen Wissenschaftlern benutztwurde, so daß er kaum mit De Fort in Berührungkommen konnte. Doch allein der Gedanke, vondiesem Mann nur wenige Schritte getrennt zu sein,war nicht angenehm.

Burnett stellte fest, daß er, seitdem ihn Jicks ausder Bar geschleppt hatte in einen völlig anderenLebenskreis geraten war. Da war kaum noch etwasvon dieser heiteren Atmosphäre, mit der er sich aufder Erde immer zu umgeben pflegte. Er hatte wenigZeit für Scherze - und auch wenig Lust dazu.

Das ganze Unternehmen atmete Drohung aus: dieunsichtbare Drohung einer Invasion durch die Blues.

Burnett erkannte, wie gefährdet die Menschheitdurch den Expansionsdrang dieser Rasse war.Deshalb war es wichtig, daß sie schnell einenWirkstoff fanden, der das Molkex vernichten konnte.Dabei war es gleichgültig, ob er mit Männern wie Dr.De Fort oder Kerrick zusammenarbeiten mußte.

»Er ist eine Kapazität«, drang Kerricks Stimme inseine Gedanken. »Er hätte viel erreichen können,wenn er nicht durch diesen Unglücksfall behindertwäre.«

Burnett fragte sich im stillen, ob Dr. De Fortüberhaupt soviel erreicht hätte, wenn man ihn nichtzum Krüppel geschossen hätte? Das war eineketzerische Überlegung, aber sie hatte ihreBerechtigung.

»Wir wollen uns die Einrichtung ansehen«, schlugDr. Sharoon vor, dem diese Unterhaltungoffensichtlich unangenehm war.

Da sprang die Tür auf, und Dr. De Fort rollteherein. Er hing gekrümmt im Stuhl, seine Augenschienen dunkle Blitze zu verschleudern.

»Wir haben einen Funkspruch von der ERICMANOLI empfangen«, sagte er heftig. »Rhodan wirdeinen Schreckwurm zu unserer Unterstützungausschleusen.«

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Burnett wollte etwas erwidern, doch Kerrickswarnender Blick brachte ihn zum Schweigen.

De Fort rollte bis in die Mitte des Raumes, imLicht der großen Lampe leuchtete seine künstlicheSchädelhälfte silbern.

»Ein Schreckwurm als unser Verbündeter«,murmelte er. Mit einer plötzlichen Bewegung warf ersich zurück und lachte schrill.

»Das ist eine prächtige Idee«, rief er. »Wir könntenebenso gut Selbstmord begehen.« Sharoon strich sichmit der flachen Hand über seine Haarsträhne amHinterkopf. »Wir haben ein Bündnis mit denSchreckwürmern«, erinnerte er De Fort. »Bisherhaben sie sich daran gehalten. Ohne ihre Hilfe wärenwir jetzt nicht hier.«

De Fort steuerte den Krankenstuhl auf Dr. Sharoonzu, als wollte er den Chemiker überrollen. Sharoonwich unwillkürlich einige Schritte zurück. »Sind Siewirklich ein solcher Narr?« schrie De Fort. »DiesesBündnis ist für uns nichts wert. Erkennen Sie nicht,daß die Schreckwürmer eine Gefahr für die Galaxisdarstellen?«

»Ich ... ich weiß nicht«, brachte Sharoon unsicherhervor.

De Fort hieb auf die Armlehne, daß es krachte.»Dann will ich es Ihnen sagen, Dr. Sharoon! Die Art,in der sich die Schreckwürmer vermehren, ist für jedeandere Rasse lebensfeindlich. Wenn wir diese Riesenam Leben erhalten wollen, wird es bald keine Weltenmehr geben, auf denen wir sie aussetzen können.Sollen wir vielleicht eines Tages die Erde für sieräumen, nur damit es noch eine Welt für sie gibt, aufder sie ihre Brut ablegen können?«

»Das ist in diesem individuellen Fall etwasanderes«, verteidigte sich Dr. Sharoon. »Geschwätz!«entschied Dr. De Fort. »Ich weiß genau, daß meinEinfluß nicht genügt, um den Schreckwurm vonTauta fernzuhalten. Es kann sogar sein, daß sich hiereinige herumtreiben. Aber ich werde dieseUngeheuer nur mit Mißtrauen betrachten.« Burnetthatte der Auseinandersetzung schweigend zugehört.Es drängte ihn, ins Freie zu gehen, um zu sehen, wiedie ERIC MANOLI, das Flaggschiff der Flotte, denSchreckwurm absetzte. Er kannte die Schreckwürmerund das 1500 Meter durchmessende Riesenschiff nurvon Bildern.

»Rhodan weiß genau, was er tut«, mischte sichKerrick ein. »Wir haben wenig Zeit, und derSchreckwurm bedeutet in unserem Fall eine Hilfe.«Dr. De Fort lachte häßlich und bewegte den Rollstuhlwieder dem Ausgang des Experimentierraumes zu.Burnett schloß sich ihm an. Am Eingang blieb DeFort unverhofft stehen.

»Was wollen Sie?« erkundigte sich De Fortunfreundlich.

»Ich gehe nach draußen«, sagte Burnett ruhig. Er

zwängte sich an dem Krankenstuhl vorbei. »Esinteressiert mich, den Schreckwurm zu sehen.« ZuBurnetts Überraschung hatte der Krüppel nichtseinzuwenden. Auf dem Gang zur Schleuse wurdeBurnett von De Fort wieder überholt. DerWissenschaftler steuerte den Krankenstuhl mit großerGeschicklichkeit.

Burnett stellte fest, daß es ihm nicht schwerfiel,gegenüber De Fort kein Mitleid zu zeigen. Dabei warihm De Fort noch nicht einmal unsympathisch. DerMann im Krankenstuhl wartete auf Burnett in derSchleuse. Wortlos ging Burnett an ihm vorbei.

»Junger Mann!« rief De Fort leise, als Burnett aufdie Oberfläche Tau-tas hinuntersprang. »Ja?« fragteBurnett, ohne sich umzublicken. »Seien Sievorsichtig, daß das Biest Sie nicht tottrampelt.«Burnett runzelte die Stirn und ging davon. Nach einerWeile blieb er überrascht stehen. Etwas in derStimme De Forts hatte ihn davon überzeugt, daß derMann diese Warnung ernst gemeint hatte.

5.

Das Wesen, das gleich einem vorzeitlichenUngeheuer in der Schleuse kauerte, wandte den Kopfund blickte Rhodan an.

Rhodan schaltete den Symboltransformer ein undwartete einen Augenblick. Im stillen fragte er sich,wie man einem Schreckwurm gegenüber so etwaswie Dank ausdrücken konnte. Die Tatsache, daßdieser Gigant an Bord der ERIC MANOLI weilte,zeigte, daß die Schreckwürmer den Terranernvertrauten. Die Hilfe, die sie jetzt zu leisten bereitwaren, ging weit über das Abkommen hinaus, das diebeiden so verschiedenen Rassen getroffen hatten.

Der Schreckwurm in der Schleuse war Rhodankein Unbekannter. Es war Peterle, der erste seinerRasse überhaupt, mit dem die Menschheit Kontakthatte aufnehmen können. Rhodan dachte einenAugenblick an Captain Brent Firgolt und seinetapferen Begleiter, die in Nichtachtung ihrer eigenenSicherheit eine Brücke zwischen Schreckwurm undMensch geschlagen hatten, eine Brücke, die ständigsicherer wurde.

»Wir werden nicht landen«, sagte Rhodan in denSymboltransformer. Das hochwertige Gerät sendetenun in bestimmten Intervallen Funkimpulse aus, dieder Schreckwurm mit seinem gewaltigen Gehirn, daseinem Radio glich, empfing und als, Symboleauswertete. »Du kannst aus der Schleuse springen,sobald wir dicht genug über der Oberfläche sind«,fuhr Rhodan fort. »Wir danken dir, daß du unsereWissenschaftler bei ihren Experimenten unterstützenwirst.« Peterle, der sich als erster Schreckwurmgegen die Blues aufgelehnt hatte, bewegte sich leicht.»Was ich für euch tue, schadet den Gatasern«, sagte

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er über den Symboltransformer. »Das ist sozusagenein doppelter Effekt. Aus diesem Grunde handle ichauch aus eigenem Interesse.«

»Unsere Männer auf Tauta wissen über deineAnkunft Bescheid«, erklärte Rhodan. »Sie erwartendich bereits. Verständige dich mit Oberst ThomaHerisch, der das Experimentalkommando leitet.«Rhodan zögerte einen Augenblick, dann sagte er:»Dort unten gibt es einen Dr. De Fort, einen Mann,der sich auf einem Krankenfahrzeug fortbewegenmuß. Es ist besser, wenn du ihm aus dem Weggehst.«

Wenn es überhaupt möglich war, aus dem Blickeines Schreckwurms Gefühle zu lesen, dann stand inPeterles Augen jetzt Verständnislosig-keit.

»Wir haben einen Vertrag«, sagte der Riese. »Ichhelfe euch, also sollte jeder Angehörige deiner Rassezufrieden sein.«

»So einfach ist das nicht«, lächelte Rhodan. »WirMenschen sind Individualisten - und ein Vertragschafft noch keine gleichen Meinungen.«

»Dann«, sagte Peterle mit bestechender Logik, »istder Vertrag sinnlos.«

»Nein«, widersprach Rhodan. »Dr. De Fort istgegen den Vertrag, aber er richtet sich danach, weiler von der Allgemeinheit gutgeheißen wird.«

»Richtet sich die Minderheit immer nach derMehrheit?« erkundigte sich der Schreckwurm.

»Manchmal ist es auch umgekehrt«, sagte Rhodannachdenklich. »Es hat auch schon Kriege gegeben,weil wir uns nicht einigen konnten, welche Idee diebessere ist.«

Der Symboltransformer blieb eine Weile still. DerSchreckwurm schien nachzudenken. Schließlichschien er eine Lücke in Rhodans vorsichtigerArgumentation entdeckt zu haben.

»Du bist der Oberste deiner Rasse?« fragte erRhodan.

Rhodan verzog unbehaglich das hagere Gesicht.»Das stimmt«, nickte er schließlich »Gut«, sagtePeterle. »Du bist also eine Minderheit, die kleinste,die nur vorstellbar ist, denn du bist nur eine Person.Trotzdem entscheidest du ständig für eine Mehrheit,die auch noch andere Rassen mit einschließt. Weißtdu immer genau, ob es dem Willen der Mehrheitentspricht, wenn du eine Entscheidung triffst?«

»Nein«, sagte Rhodan. »Aber ich versuche, immerdas beste für die menschliche Rasse zu tun.«

»Das versucht Dr. De Fort vielleicht auch«, gabPeterle zu bedenken. »Aus seiner Sicht hat er recht.Wie kannst du genau wissen, ob die Mehrheit für denVertrag mit uns war? Du hast ihn nach einerBeratung mit deinen Freunden abgeschlossen.«

»Ich kann nicht vor jeder Entscheidung eine Wahlabhalten«, sagte Rhodan geduldig. »Die menschlicheGesellschaftsstruktur ist sehr kompliziert«, sagte der

Schreckwurm. »Ich könnte uralt werden, ohne siejemals zu verstehen. Warum habt ihr keinKollektivdenken?« Eine dröhnende Stimme, die ausdem Lautsprecher über der Schleusenkammer drang,unterbrach ihre Diskussion. Rhodan war froh, als erKors Dantur, den Kommandanten der ERICMANOLI, sagen hörte: »Wir sind jetzt tief genug,Chef. Sie können dieses Riesenbaby hinauswerfen.«

»Warum habt ihr kein Kollektivdenken?«wiederholte Peterle störrisch seine Frage. »Wenn wires jemals haben sollten, wäre es unser Untergang«,sagte Rhodan. »Bitte, verlassen Sie dieSchleusenkammer, Sir«, klang die Stimme einesdiensthabenden Offiziers auf. Hastig stellte Rhodanden Symboltransformer ab und glitt aus der Kammer.Diese Schreckwürmer konnten endlose Gesprächeführen und dabei ihre Partner zur Verzweiflungtreiben.

Rhodan beeilte sich, zurück in die Zentrale zukommen. Dantur hockte mit beleidigtem Gesicht imKommandosessel.

»Warum bleiben wir nicht eine Weile hier, Chef?«fragte er. »Auf Tauta verspricht es interessant zuwerden.«

»Seien Sie unbesorgt, Oberst«, sagte Rhodan. »Ichwerde dafür sorgen, daß Sie keine Langeweile haben.Die Blues machen uns zu schaffen, das wissen Sie.Wir können nicht alle Kräfte an einer Stellekonzentrieren. Sobald wir im Vagrat-Systemgebraucht werden, ruft man uns wieder.« Auf denBildschirmen der Bodenortung wurde das Lager desKommandos sichtbar. Sie sahen einige Männer ausden Kuppeln herauslaufen und winken. Über Funkwurde Oberst Herisch unterrichtet, daß derSchreckwurm jetzt abspringen würde.

»Hoffentlich klatscht er mitten ins Lager«,wünschte Dantur, der ab und zu einen makabrenHumor entwickelte. Doch Peterle kam sicherzweihundert Meter neben dem Plateau auf derOberfläche an. Rhodan wünschte den Männern vielErfolg, und die ERIC MANOLI raste in den Raumzurück. Für das Riesenschiff mit seinen praktischunzerstörbaren Abwehrschirmen bedeutete der Ringaus kosmischen Trümmern keine Gefahr.

Schnell ging die ERIC MANOLI wieder in denLinearflug über. Hinter ihr versank dasVagrat-System, und bald war die kleine, gelbe Sonnenur noch eine unter vielen.

6.

Burnett und Dr. De Fort beobachteten, wie OberstHerisch aus der Kommandokuppel trat, um denSchreckwurm zu begrüßen. Kerrick und Sharoonwaren unterwegs, um zu versuchen, einigeMolkexproben für das Labor zu beschaffen. »Sehen

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Sie sich ihn an«, murmelte De Fort mit unverhülltemHaß. »Sobald er ein gewisses Alter erreicht hat, wirdauch er mit seiner unheilvollen Eierproduktionbeginnen, und eine weitere Welt wird in Ödlandverwandelt.« Burnett schaltete den Bildschirm aus.

»Das Wesen kommt als unser Freund«, sagte erscharf. »Versuchen Sie es einmal aus dieser Richtungzu betrachten.«

De Fort knurrte nur und lenkte den Rollstuhlhinaus. Burnett sah zornig hinter ihm her. Er spürte,daß es zu Verwicklungen kommen würde, wenn Dr.De Fort und der Schreckwurm zusammentrafen.Burnett verließ das fahrbare Labor und ging zurKommandokuppel hinüber. Der Schreckwurm, nebendem Oberst Herisch wie ein Zwerg wirkte, hatte vonder ERIC MANOLI zwei Symboltransformermitgebracht. Burnett sah, daß Kerrick und Sharoonzusammen mit etwa zwanzig anderen Spezialistenebenfalls um den Giganten versammelt waren. Dr.Sharoon machte einen erregten Eindruck.

Burnett beschleunigte seine Schritte. Als Kerrickihn erblickte, winkte er ihn zu sich herüber. »Wirhaben keinen einzigen Brocken Molkex entdeckenkönnen«, sagte er enttäuscht. »Der Schreckwurmbehauptet, auf Tauta gäbe es bereits kein Molkexmehr. Es sei bereits abgeholt worden.« Burnettversuchte die Konsequenzen, die sich aus dieserBehauptung ergaben, schnell zu übersehen, dochHerischs Stimme schaltete sich in seine Gedankenein. »Bist du sicher, daß bereits die gesamteMolkexproduktion verschwunden ist?« fragte er.

Er schaltete das Übersetzungsgerät einenAugenblick ab und wandte sich an dieWissenschaftler: »Der Bursche ist wütend«, erklärteer. »Er sieht in der vorzeitigen Abholung des Molkexeinen Vertragsbruch der Blues. Er behauptet, daß esauf Tauta ungefähr sechs bis sieben Schreckwürmergeben müßte.«

»Es ist ein Verbrechen«, sagte Peterle, nachdemHerisch die Wiedergabe eingeschaltet hatte.

Die Wissenschaftler redeten jetzt alle zusammen.Herisch hob abwehrend beide Arme. »MeineHerren!« rief er protestierend. »Lassen Sie michherausfinden, was nun zu tun ist.«

»Nichts ist zu tun!« schrie ein dürrer, kleinerMann. »Wenn die Blues bereits hier waren, dannkönnen wir das Unternehmen abbrechen. Es gibt aufTauta kein Molkex, an dem wir die Wirkungsweiseunserer Bomben erproben können.«

»Vielleicht hat sich der Schreckwurm getäuscht«,sagte ein besonnener Mann. »Er kann schließlichnicht beurteilen, was sich auf der anderen Seite dieserWelt abspielt.«

»Ich werde ihn fragen«, sagte Oberst Herisch.Die Antwort, die sie von Peterle erhielten, war

nicht gerade ermutigend. Der Schreckwurm war

sicher, daß die Blues ganze Arbeit geleistet hatten.Sie benötigten das Molkex jetzt dringender als jezuvor.

Abschließend versprach der Schreckwurm,festzustellen, ob sich noch irgendwo auf Tauta einanderer Schreckwurm aufhielt, den die Bluesübersehen hatten, da er noch nicht ausgeschlüpft war.Für Peterle war das keine Schwierigkeit, da sich dieSchreckwürmer auch untereinander mit Hilfe ihresRadiogehirns verständigten. So konnte er mühelosdie Sendungen eines noch eventuell auf Tautalebenden Schreckwurms empfangen, wenn er sichdarauf konzentrierte.

Burnett, dem die dünne Luft allmählich zuschaffen machte, klappte den Verschluß des Helmeszu und öffnete die Ventile des Sauerstoffaggregates.Er spürte frische Luft in seine Lungen strömen. Dannschaltete er den Helmfunk ein, um zu hören, was dieweiteren Verhandlungen ergaben.

Nach wenigen Minuten hatte der Schreckwurmherausgefunden, daß es auf Tauta noch eineneinzigen Kokon gab, in dem sich ein Schreckwurmgerade zum Ausschlüpfen bereit machte.

Das alles, überlegte Burnett, konnte ihrUnternehmen nicht mehr retten. Es würde langedauern, bis sie einen anderen Planeten gefundenhatten, auf dem sie den für die Menschheitlebenswichtigen Versuch fortsetzen konnten.

»Ich werde Ihnen in einer Stunde bekannt geben,wann wir die ASUBAJA zurückrufen«, sagteHerisch. »Es sieht so aus, als müßten wir Tautaerfolglos verlassen.« Niemand protestierte, da denMännern klar war, daß ihnen die Blues - wenn auchunbeabsichtigt - zuvorgekommen waren.-Das Glückschien auf Seiten des Gegners zu sein. DieSpezialisten kehrten in die einzelnen Kuppelnzurück. Teams, die bereits nach verschiedenenRichtungen unterwegs waren, wurden von Herischzurückbeordert. Das Plateau, das noch vor wenigenStunden einem Ameisenhaufen geglichen hatte,wirkte jetzt verlassen.

Der Schreckwurm zog sich zurück, um inVerbindung mit dem zum Ausschlüpfen bereitenArtgenossen zu bleiben.

Kerrick zog Burnett mit sich. »Stehen Sie nichtherum und träumen«, sagte er zu dem jungen Mann.»Wir werden auf einer anderen Welt weitaus mehrGlück haben.«

»Dann kann es bereits zu spät sein«, erinnerteBurnett. Sharoon schloß sich ihnen an, und siekehrten zum Labor zurück. Die schweren Geschütze,die Herisch rings um das Lager gruppiert hatte,wirkten wie riesige Vögel, die vergeblich in die Tälerspähten, um ein Opfer zu erblicken. Dr. De Forterwartete sie bereits. Er schien sich mit der Ankunftdes Schreckwurms abgefunden zu haben und zeigte

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sogar eine schwache Freundlichkeit gegenüber seinenMitarbeitern. »Es sieht tatsächlich so aus, als würdenwir auf dieser Welt kein Molkex finden«, sagte erbedauernd. »Ich habe die einzelnen Gruppenangerufen, die noch unterwegs sind, doch keine hattebisher Erfolg. Der Oberst hat sie zur Umkehraufgefordert.«

»Ich nehme an, daß Herisch die ASUBAJA hierherruft, damit wir Tauta verlassen können«, vermuteteKerrick.

De Fort manövrierte den Rollstuhl über den langenGang bis zum Experimentalraum. Als er über dieSchwelle rollte, sagte er: »Alles war bereitsvorbereitet, und nun müssen wir feststellen, daßTauta nichts als ein kahlgefressener Trümmerhaufenist, auf dem es noch nicht einmal Molkex gibt.«

»Die Blues haben indirekt das Abkommen mit denSchreckwürmern gebrochen und sich diese damitendgültig zu Gegnern gemacht«, sagte Dr. Sharoon.»Ich traue den Ungeheuern nicht«, sagte De Fort.»Die Art, in der sie den Fortbestand ihrer Rassesichern, erscheint mir für jedes andere Wesenlebensgefährlich zu sein.« Burnett hatte längstherausgefunden, daß der Wissenschaftler nicht müdewurde, seine Abneigung gegen die Schreckwürmerzu propagieren. De Fort hielt sich offenbar für einenPrediger in der Wüste. Es erschien Burnett jedochunwahrscheinlich, daß Perry Rhodan und die anderenverantwortlichen Männer nicht über das Problemnachgedacht hatten. Die eigentliche Gefahr für dasVereinigte Imperium ging im Augenblick von denBlues aus. Die Wachschiffe der Flotte stellten fest,daß die Gataser ständig große Flottenverbändezusammenzogen. Alles deutete auf eine Vorbereitungeiner Invasion auf das von den Menschengeschaffene Imperium hin.

Burnett beschloß, De Forts ständigen Nörgeleiennicht zuviel Wert beizumessen. »Wollen wir damitbeginnen, die E2O2-Bomben zu demontieren?«fragte Dr. Sharoon.

»Warten Sie noch«, entschied De Fort. »Noch hatder Oberst den Rückzugsbefehl nicht gegeben.« Erfuhr zu dem großen Tisch, auf dem manGesteinsproben von Tauta abgelegt hatte.

»Kommen Sie, meine Herren«, forderte er dieanderen auf. »Wir wollen feststellen, ob in diesenBrocken noch eine winzige Spur von Molkex zuentdecken ist.« Burnett zuckte die Achseln. Es warschließlich gleichgültig, was er jetzt tat. Auch dieserletzte Versuch würde ihnen nicht weiterhelfen.

Auf dieser Welt gab es kein Molkex mehr.

7.

Nachdem es ihm gelungen war, auf demvierzehnten Planeten des Verth-Systems 48 Terraner

gefangenzunehmen, hatte man Leclerc zumKommandanten eines großen Diskusschiffes mitMolkexpanze-rung gemacht. Das Schiff war doppeltso groß wie das erste, das unter LeclercsBefehlsgewalt durch den Raum geflogen war. Trotzallem war der Gataser enttäuscht. Er hatte fest damitgerechnet, zum Kommandanten eines ganzenVerbandes ernannt zu werden. Doch der Weg nachoben war weitaus schwieriger, als er sich vorgestellthatte. Da war eigentlich kein Unterschied zwischeneinem kleinen und einem großen Schiff. DieBesatzung hatte sich vergrößert, der Kommandoraumerschien luxuriöser, und der Respekt, den man ihmentgegenbrachte, war gestiegen. Letzterer war jedochweniger auf seine Stellung als auf das Wissen derBesatzung um seine Taten zurückzuführen.

Nach kurzer Zeit fühlte sich Leclerc wieder in diealte Routine gepreßt, und er begann zu fürchten, daßdas Alter schneller kam als die ersehnte Berufungzum Kommandanten eines ganzen Verbandes. EinKrieg stand bevor, eine kosmischeAuseinandersetzung unvorstellbaren Ausmaßes. Dortkonnte er sich erneut bewähren - wenn er nicht starb.Krieg, überlegte Leclerc, Raumschlachten undwütende Kämpfe um einzelne Welten. Der Gataserempfand weder Begeisterung noch Abscheu beidieser Vorstellung. Seine Rasse benötigte weiterenLebensraum, jeder Gegner mußte beseitigt werden.

Die Ausrottung der Bewohner des anderenImperiums war bereits beschlossen, die Ausführungbegann von den Gehirnen der Strategen in dieKommandoräume der Diskusschiffe übertragen zuwerden.

Leclerc zweifelte keinen Augenblick an ihremSieg. Keine Waffe des Feindes vermochte dieMolkexpanzer der Diskusschiffe zu durchdringen,während ihre eigenen Raumtorpedos klaffendeWunden in die fremden Kugelschiffe schlagenwürden.

Leclerc ließ die Geräusche der Umgebung auf sicheinwirken, das eintönige Summen, das denKommandoraum erfüllte, das Ticken der Komputerund das gereizte »Klick-Klack« der ständig laufendenRaumortung. Der Alarm traf ihn so unvorbereitet,daß er auf seinem Platz zusammenfuhr. Die linkeHand des Kommandanten schnellte nach unten undwarf den Sessel nach vorn. Zwei Griffe der Rechtenließen den Bildschirm aufglühen, der sich direkt überdem Kommandosessel befand.

Dann erst wurde sich Leclerc der Tatsache bewußt,daß der Alarm nicht von einer unmittelbaren Ortunghervorgerufen wurde.

»Fünfdimensionaler Impuls aus demVagrat-System«, meldete der Funker. »Es sieht soaus, als handele es sich um einen Schreckwurm.«Hastig schaltete Leclerc den Bildschirm wieder aus

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und hoffte, daß niemand seine voreilige Reaktionbeobachtet hatte. Er trieb sich zu schnellerem Denkenan. Unter normalen Umständen hätte er jetzt dasHauptquartier anrufen müssen, um dort zu erfahren,was man über eine Molkexablagerung imVagrat-System wußte. Doch Leclerc entschied, damitnoch zu warten.

»Feststellen, ob wir als einziges Schiff in der Nähedieses Systems sind«, ordnete der Gataser an. DieMänner machten sich an die Arbeit. So, wie es jetztnoch den Anschein hatte, war bei dieser Sache nichtviel zu gewinnen. Sie konnten einen Schreckwurmund Molkex abholen, aber das geschah derart häufigund war praktisch risikofrei, so daß Leclerc keineAufstiegsmöglichkeiten darin sah. Andererseits warer verpflichtet, der Sache nachzugehen, wenn sichherausstellte, daß sein Schiff dem System amnächsten war. Leclerc hoffte, daß er sich nicht miteinem Schreckwurmtransport aufhalten mußte.

Wenig später wurde ihm mitgeteilt, daß sie demVagrat-System am nächsten waren. Leclercunterdrückte den aufsteigenden Ärger über die ihnennun automatisch zufallende Aufgabe. Er ordnete an,daß das Hauptquartier angerufen wurde.

Kurz darauf erhielt er von dort die Nachricht, daßauf dem Planeten Tauta im Vagrat-System bereits einSchiff gelandet war und sechs Schreckwürmer sowiedie gesamte Molkexproduktion abgeholt hatte. Manvermutete, daß ein später ausgeschlüpfterSchreckwurm übersehen worden war. Leclerc erhieltden Auftrag, diesen abzuholen.

Der gatasische Kommandant besaß nicht dieMöglichkeit, in seinem Gesicht Gefühleauszudrücken. Aber seine Worte genügten derBesatzung, um festzustellen, daß Leclerc über diesenBefehl nicht gerade erfreut war.

Das Diskusschiff änderte den bisherigen Kurs undsteuerte auf das Vagrat-System zu.

8.

Burnett sah Oberst Herisch auf dem Bildschirmauftauchen und rief zu Kerrick hinüber: »Wirbekommen Besuch, Doc!«

De Fort war im Augenblick nicht anwesend, sodaß Kerrick die Experimente überwachte. Kerrickwischte die Hände am Kittel ab und trat nebenBurnett.

»Er scheint es eilig zu haben«, sagte er.Etwas in der Haltung Herischs hatte sich verändert,

fand Burnett. Der Oberst bewegte sich seltsamangespannt, die Haltung seiner Arme hatte jedeLässigkeit verloren.

>Es ist etwas passiert<, dachte Burnett. Er fragtesich verwirrt, wie er so sicher sein konnte, fühlte abergleichzeitig eine gewisse Genugtuung über das

Einfühlungsvermögen, das er in letzter Zeitentwickelt hatte.

Er wartete, bis der Oberst aus dem Bildkreis gerietund öffnete dann die Tür. Gleich darauf hörten sieHerisch mit festen Schritten über den Gang kommen.Dr. Sharoon hörte auf, den gemahlenen Staub in einGlas zu füllen und blickte zur Tür. Kerrick legte denKittel ab, während Burnett einfach dastand undwartete. Plötzlich schien der Raum mit einer nichtfaßbaren Spannung gefüllt zu sein. Herisch kamherein und blickte sich suchend um.

»Holen Sie De Fort«, sagte er ruhig. »Es ist etwasUnvorhergesehenes passiert.«

Das Knarren des Rollstuhls ließ ihn sichumwenden, und er sah den Krüppel über dieSchwelle fahren.

»Ich habe Sie gehört«, sagte De Fort. »Was istgeschehen?«

»Der Schreckwurm hat ein Erkennungssignalabgestrahlt«, berichtete Herisch. »Wir haben es nichtbemerkt, aber Leutnant Wetzler teilte uns mit, daßman auf der ASUBAJA diesen Impuls aufgefangenhat. Als ich den Schreckwurm befragte, sagte er mir,daß er damit ein Molkexschiff der Blues anlockenwill.«

»Wer sich mit dem Teufel einläßt, muß damitrechnen, daß er eins über den Schädel bekommt«,sagte De Fort.

Burnett glaubte eine gewisse Zufriedenheit aus DeForts Stimme herauszuhören, sah der Krüppel dochjetzt seinen Verdacht über die Unzuverlässigkeit derSchreckwürmer bestätigt.

»Hören Sie auf damit«, sagte Herisch schroff.»Wir haben jetzt keine Zeit zum Diskutieren. Für unsgibt es zwei Möglichkeiten: entweder rasche Fluchtmit der ASUBAJA oder Ausharren bis zur Ankunftder Blues.«

»Nichts wie weg von hier«, verlangte Kerrickaugenblicklich. »Der Schreckwurm soll sehen, wie ermit der von ihm geschaffenen Situation fertig wird.«

»Ihre Entscheidung ist zweifellos populär«,spottete De Fort, »aber ich möchte hören, was derOberst zu sagen hat.« Herisch machte eine knappeHandbewegung. »Wir kamen hierher, um dieWirkung unserer neuen Waffe gegen Molkex zuprüfen. Zunächst schien das Fehlen des Molkexunseren Auftrag zu gefährden, aber jetzt ...« Herischmachte eine bedeutungsvolle Pause.

Burnett begann zu ahnen, worauf der Obersthinauswollte, und er hoffte, daß Kerrick und dieanderen entschieden protestieren würden. »Siewollen warten, bis das Molkexschiff landet, um denSchreckwurm abzuholen«, stellte Kerrick sachlichfest. »Dann halten Sie es für möglich, daß wir dieH2O2-Raketen an dem Schiff ausprobieren können,wenn man uns nicht vorher bereits erledigt.«

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»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«erkundigte sich der Kommandant. Kerricks Gesichtwurde noch um einen Zug mürrischer. »Ich bin nurWissenschaftler«, sagte er. »Sie müssen wissen, wasSie tun. Wenn Sie es wünschen, werden wirhierbleiben.«

»Selbstverständlich bleiben wir«, sagte De Fort.»Ab sofort trägt jeder Mann einen Kampfanzug«,

befahl Herisch. »Das gilt auch während desAufenthaltes in den Kuppeln oder im Labor. DieGeschütze werden besetzt und die Spezialraketenabschußbereit gemacht.«

Burnett stand seitlich von De Fort, so daß er denGesichtsausdruck des Wissenschaftlers genaubeobachten konnte. Als er tiefe Befriedigung zusehen glaubte, fühlte er Unsicherheit in sichaufsteigen. De Fort war es gleichgültig, wie eineventueller Kampf ausgehen mochte. Er suchte nureine Befriedigung seiner Rachegefühle. Der Krüppelwar mit fanatischen Haßgedanken ausgefüllt, seineigenes Leben bedeutete ihm nichts.

Burnett jedoch hatte nicht die Absicht, auf Tautazu sterben. Er fragte sich, wie man Herischklarmachen konnte, daß De Fort während einesKampfes ausgeschaltet werden mußte. Der Mann imRollstuhl war für ihre eigene Sache gefährlich, weiler ohne zu überlegen gegen die Blues vorgehenwürde.

»Inzwischen ist der andere Schreckwurmausgeschlüpft und auf dem Weg hierher«, fuhrHerisch fort. »Ich habe Peterle davon überzeugt, daßes besser ist, wenn sie sich von diesem Plateau etwasfernhalten, damit wir von den Blues nicht sofortentdeckt werden. Er ist einverstanden und wird dieGataser in die Falle locken.«

»Er wird uns verraten«, sagte De Fort grimmig.Herisch ging hinaus, und Burnett folgte ihm hastig.

Auf dem Gang blieb der Oberst stehen.»Sie gehören zu den Wissenschaftlern, die sich

bereits auf der Erde mit den Molkexversuchenbefaßten, nicht wahr?« fragte Herisch. »Ja«, sagteBurnett. »Ich arbeite mit Dr. Kerrick und Dr.Sharoon zusammen.«

Herisch legte ihm eine Hand auf die Schulter.»Sobald es hier losgeht, werde ich viel Arbeithaben«, sagte er. »Aus diesem Grund möchte ich Siebitten, sich ein wenig um Dr. De Fort zu kümmern, erist ein schwerkranker Mann.«

Ihre Blicke kreuzten sich, und Burnett fühlteErleichterung in sich aufsteigen. Herisch schiengenau zu wissen, was er tat.

»Gut, Oberst«, sagte Burnett. »Sie können sich aufmich verlassen.« Er begleitete Herisch bis zurSchleuse des fahrbaren Labors. Der Biophysikerblieb in der Kammer stehen und beschattete mit derHand die Augen, um von der tiefstehenden Sonne,

die genau in die Schleuse schien, nicht geblendet zuwerden. Vagrat wirkte milchig trüb, ein Eff ekt, derdurch die Staubwolken hervorgerufen wurde, diezusammen mit den Trümmern um die Sonne kreisten.

»Es wird bald dunkel«, sagte Herisch. »Hoffentlichkommen die Blues nicht während der Nacht.«Burnett sah hinter ihm her, wie er langsamdavonging. Für ihn war es eigentlich gleichgültig,wann die Gataser auf Tauta landeten. Sein Leben warin jedem Falle in Gefahr.

*

Gregory Burnett erwachte von einem eigenartigenGeräusch und fuhr auf. Aus der Finsternis kamen dieregelmäßigen Atemzüge Kerricks, mit dem er denkleinen Raum teilte. Dr. De Fort und Dr. Sharoonschliefen in dem nebenliegenden Zimmer, das nurdurch eine dünne Wand von ihnen getrennt war.

Burnett hielt den Atem an und lauschteangestrengt. Hatte er geträumt? Doch da kam dasGeräusch wieder, und im gleichen Augenblickerkannte Burnett dessen Ursache. Das Knarren vonDe Forts Rollstuhl hatte ihn aus dem Schlaf geweckt.

Burnett schlug die Decke zurück und durchquertemöglichst leise den Raum. Behutsam öffnete er dieTür und blickte auf den beleuchteten Gang hinaus. Ersah De Fort gerade noch um die Biegung zurSchleuse verschwinden. Der Wissenschaftler trug denspeziell für ihn angefertigten Kampfanzug.

Burnett stieß einen Fluch aus und hastete insZimmer zurück. Er wollte das Licht nichteinschalten, damit Kerrick nicht wach wurde. Er fandseinen Kampfanzug und zog ihn eilig an. Kerrickbrummte im Schlaf, bewegte sich aber nicht.

Was hatte De Fort mitten in der Nacht vor? Es warkein Alarm gegeben worden. Burnett verschloß denHelm und schaltete das Sauerstoffaggregat ein. Erschlüpfte auf den Gang hinaus und schloß die Türhinter sich.

Als Burnett die Schleuse des fahrbaren Laborserreichte, fand er die innere Kammertür geschlossen.Er überprüfte die Kontrollen und stellte fest, daß DeFort bereits im Freien sein mußte. Er schleuste sichhinaus.

Oberst Herisch hatte alle Scheinwerfer abschaltenlassen, aber das Licht von mindestens dreißig kleinenund großen Monden reichte aus, um die Nachtschwach zu erhellen. Die Kuppeln glichen jetzt denRük-ken schlafender Ungeheuer, und die Geschützeragten drohend über das Plateau.

Burnett war überzeugt davon, daß HerischWächter aufgestellt hatte, aber das würde auch DeFort wissen und sich vorsehen. Burnett warüberrascht, mit welcher Sicherheit er vermutete, daßder Krüppel irgend etwas Geheimnisvolles vorhatte.

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Der junge Wissenschaftler trat aus dem Schattendes Labors heraus und rannte auf die nächstenKuppeln zu. Die Schreckwürmer hatten sich aufHerischs Bitte einige Kilometer vom Lager entfernt.Sollte ihr Lager das Ziel De Forts sein?

Burnett blieb stehen und blickte sich um. DieSchatten der Kuppeln und Raupenfahrzeuge botenunzählige Deckungsmöglichkeiten. Außerdem kamDe Fort mit dem Rollstuhl auch in unebenemGelände gut voran, da jedes der acht Räderunabhängig aufgehängt und für die extremstenBodenbeschaffenheiten konstruiert war.

Burnett rannte zum Rand des Plateaus und hieltabermals an. Er öffnete den Helm. Die Nachtluft warkalt und dünn. Er erschauerte. Konzentriert lauschteer auf Geräusche, die der Nachtwind eventuell zuihm herantragen würde.

Doch De Fort schien von der Dunkelheitverschluckt zu sein. Obwohl keine unmittelbareGefahr bestand, fühlte Burnett, daß sich seinPulsschlag beschleunigte.

Da glaubte er das Knirschen von Sand zu hören. Eskam von oberhalb des Plateaus, dort, wo sie einigeHöhlen entdeckt hatten. Burnett wandte sich in dieseRichtung. Er blieb in regelmäßigen Abständenstehen, um zu lauschen. Die Felsen rings um dasLager warfen groteske Schatten im Licht der vielenMonde. Alles um ihn herum war fremd undgeheimnisvoll, die Nacht schien Gefahr zu atmen,von überall schien die Angst nach Burnett zu greifen.Er zog den Desintegrator aus dem Gürtel desflugfähigen Kampfanzuges und entsicherte dieWaffe. Der feste Griff gab ihm eine gewisse Ruhe. Erblickte zurück zum Lager. Dort blieb alles ruhig unddunkel. Niemand schien den mysteriösen Ausflug DeForts bemerkt zu haben.

Irgendwo vor ihm rollte ein Stein einen Hanghinab. Burnett erstarrte. War das De Fort? Erversuchte seine aufgeputschten Nerven zu beruhigen.Wer außer De Fort sollte hier noch herumkriechen?Die Horn-schrecken hatten dafür gesorgt, daß nichtsals totes Gestein auf Tauta zurückgeblieben war.

Sekundenlang glaubte Burnett einen Schatten vorsich zu sehen, doch das konnte auch ein Felsen sein,über den das Licht eines Mondes gewandert war.Burnetts Nase und Wangen waren kalt, bei jedemAtemzug erzeugte er ein Wölkchen vor dem Mund.

Burnett näherte sich allmählich den Höhlen. WennDe Fort dort war, dann waren seine Pläne unklar.Konnte der Mann im Rollstuhl vielleicht nichtschlafen und machte aus diesem Grund einenAusflug? Es wäre eine peinliche Situation gewesen,wenn ihn De Fort unter diesen Umständen entdeckthätte. Doch Burnetts Instinkt sagte ihm, daß De Fortalles andere als eine harmlose Spazierfahrtunternahm.

Was aber beabsichtigte dieser eigenartige Mannwirklich?

Burnett stolperte über einen Felsbrocken und wärefast gestürzt. Er fing sich ab und ging weiter. DasLager war kaum noch zu sehen. Der große, dunkleFleck unter Burnett war das Plateau, auf dem sie dieKuppeln aufgestellt hatten.

Der Chemiker warf einen sehnsüchtigen Blick zumHimmel empor. Irgendwo dort oben kreiste jetzt,sicher zwischen den kosmischen Trümmernversteckt, der Schlachtkreuzer ASUBAJA.

Vor zwei Tagen, erinnerte sich Burnett, hatte ernoch in einer Bar auf Terra gesessen, bis dann Jicksaufgetaucht war und ihn für dieses Unternehmen»angeworben« hatte. Burnett lächelte bei demGedanken an den dicken Mann und fühltegleichzeitig Erleichterung.

Plötzlich blitzte etwa hundert Meter über ihm einLicht auf. Das war bei den Höhlen. Burnett starrtenach oben, um sich nichts entgehen zu lassen. Aberer sah nur das kurze Aufleuchten von Metall, dannwurde es wieder dunkel.

Er war jetzt sicher, daß De Fort mit dem Rollstuhlzu den Höhlen geflogen war, sein Spezialanzugbefähigte ihn dazu. Burnett stellte sich vor, daß derWissenschaftler mehrere Male gelandet war, um sichzu orientieren. Dabei hatte er die Geräuscheverursacht, die Burnett auf die Spur gebracht hatten.

Einen Moment war Burnett versucht, den Rest desWeges ebenfalls durch die Luft zurückzulegen, dochdann sagte er sich, daß dies zu gefährlich war. Jetzterst kam ihm der Gedanke, Oberst Herisch überHelmfunk anzurufen. Der Oberst hätte innerhalb vonMinuten eine Gruppe zu den Höhlen geschickt, dieeine rasche Untersuchung vorgenommen hätten.

Was aber, wenn er sich getäuscht hatte? Vielleichtwar De Fort überhaupt nicht in den Höhlen. Selbstwenn er sich dort aufhielt, mußte das noch keineschlimme Bedeutung haben. Nein, bevor er Herischunterrichtete, mußte er selbst herausfinden, was hiergeschah. Burnett ging zielstrebig weiter. Er mußtejetzt auf den unebenen Boden achten, aber einmal, alser kurz aufsah, glaubte er wieder das Aufblitzen desLichtes zu sehen. Diesmal war es bereits viel nähergewesen.

Der schnelle Marsch strengte ihn in der dünnenLuft mehr als erwartet an. Er wollte jedoch den Helmnicht schließen, um nicht die Verbindung mit derAußenwelt zu verlieren. Zwar wurde ein Großteil derGeräusche übertragen, aber Burnett verließ sichlieber auf seine natürlichen Hörfähigkeiten.

Der Weg wurde jetzt so schlecht, daß Burnett dieWaffe in den Gürtel zurückstecken mußte, um dasGleichgewicht halten zu können. Zwei mächtigeFelsen versperrten ihm schließlich dasWeiterkommen. Er schaltete den Flugantrieb des

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Karnpfanzuges ein und ließ sich bis zur Spitzeschweben. Das ging besser als er angenommen hatte,obwohl er praktisch keine Übung darin besaß.

Jetzt war er unmittelbar vor den Höhlen.In einer von ihnen brannte ein schwaches Licht. Im

Eingang hockte De Fort in seinem Rollstuhl undmontierte ein Gestell am Boden fest. Burnettbeobachtete die Vorgänge schweigend. Was tat derWissenschaftler da? Burnett wußte jetzt, warum erdas Licht immer nur für einen kurzen Augenblickhatte aufblitzen sehen. Die beiden großen Felsenhatten ihm die Sicht zu den Höhlen versperrt, aberzwischen ihnen klaffte ein Spalt, durch den er ingünstiger Stellung geblickt hatte. Burnett fragte sich,was er nun unternehmen sollte? Die Vernunft rietihm, zurückzufliegen und Oberst Herisch zuunterrichten. Gleichzeitig spürte er jedoch denWunsch, auf eigene Faust festzustellen, was De Fortda tat.

Burnett sah, wie De Fort in die Höhle fuhr undnach kurzer Zeit mit einem weiteren Gegenstandzurückkehrte, den er an dem bereits befestigtenGestell aufzuhängen begann. Burnett stießunwillkürlich einen leisen Schrei aus. Jetzt wußte er,was De Fort da tat. Der Wissenschaftler stellte einekleine Energiekanone auf.

Burnett begann zu zittern. Erregung überkam ihn.Wollte dieser Narr etwa das Lager bombardieren?Nein, das war ausgeschlossen. Aber derWissenschaftler wollte auf etwas schießen, auf etwas,das so groß war, daß man es mit einer Handwaffenicht erledigen konnte. Die Lösung bot sich förmlichan. De Fort hatte vor, auf einen Schreckwurm zuschießen. Sein Haß trieb ihn zu dieser Wahnsinnstatan. Burnett erkannte, daß De Fort ihren ganzen Planzum Scheitern bringen konnte, wenn ihn niemandaufhielt. De Fort würde in der Höhle auf die Ankunftder Blues warten, um im entstehenden Durcheinanderdes Kampfes einen Privatkrieg gegen die beidenSchreckwürmer zu beginnen. Obwohl dieser Mannhalbverrükt sein mußte, fühlte Burnett eine gewisseBewunderung für die Energie, mit der De Fort seinenaußergewöhnlichen Plänen nachging.

Als De Fort abermals in der Höhle verschwand,rannte Burnett auf den Eingang zu und stürmte insInnere hinein. Im Hintergrund hatte De Fort einenScheinwerfer so aufgestellt, daß nur wenig Lichtnach draußen fiel. De Fort selbst wandte Burnett denRücken zu. Er war damit beschäftigt, zweiVerstrebungen vom Boden aufzuheben und sie zumEingang zu bringen.

Burnett schluckte und zwang sich zuvollkommener Ruhe. Dann hörte er sich mitveränderter Stimme sagen:

»Guten Abend, Mr. De Fort! Ich störe Sie dochnicht?«

9.

Zeit: 26. November 2327, 20.36 Uhr Standardzeit.Ort: Kommandoraum des Schlachtkreuzers

ASUBAJA.Von einem Moment zum anderen gerät der

Masseanzeiger des fünfhundert Meterdurchmessenden Schiffes in Bewegung. FähnrichHastings und Leutnant Wetzler beugen sichgleichzeitig darüber.

»Irgendein besonders erzhaltiger Brocken, derunsere Bahn kreuzt«, sagt Fähnrich Hastings.

Leutnant Wetzler schüttelt den Kopf.»Ich schätze, es sind die Blues«, sagt er. »Jetzt

können wir Oberst Herisch und seinen Männern nurnoch Glück wünschen.«

10.

Zeit: 26. November, 20.42 Uhr Standardzeit.Ort: Schweres Molkexschiff unter dem

Kommando des Gatasers Leclerc.Der Empfänger spricht wieder an. Leclerc beugt

sich ruhig über die Auswertung.»Die Signale kommen von der Nachtseite«, sagt er

ruhig. »Dort steckt der Bursche.«Er lehnt sich langsam zurück, alles was ihn zu

erwarten scheint, ist ein einfacher Routineauftrag.»Wir landen, sobald es Tag ist und holen uns ihn«,

sagte Leclerc.

11.

De Fort drehte sich langsam um,als müßte erwährend dieser Bewegung nachdenken, was er nuntun sollte. Auch er hatte den Helm nach hintengeklappt, und die metallene Schädelhälfte funkelteim Licht des Scheinwerfers. Aber noch intensiverschienen die Augen dieses Mannes zu leuchten.

Burnett wich unwillkürlich zurück, er fühlte, wiesich eine Entschuldigung auf seine Lippen drängte.»Sie spionieren mir nach«, stellte De Fort mitunnatürlicher Ruhe fest.

»Ich handle im Auftrag des Kommandanten.«Burnett sah sich unbewußt in die Verteidigunggedrängt. Er zeigte zum Eingang. »Was soll dieseKanone bedeuten?« De Fort gab ihm keine Antwort,er handelte so schnell, daß Burnett noch nicht einmalZeit hatte, einen überraschten Schrei auszustoßen.Der Krüppel rollte blitzschnell den Rollstuhl gegenBurnetts Beine. Burnett fühlte den Anprall, kämpfteverzweifelt um Halt, wurde aber zu Boden gerissen.Mit unglaublicher Geschicklichkeit steuerte De Fortden Stuhl einige Meter zurück, um mit neuemSchwung über Burnett hinwegzurollen. Burnett sah

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die Augen des anderen haßerfüllt auf sich gerichtet.Der Sturz hatte ihn benommen gemacht, um denScheinwerfer schienen dunkle Kreise zu schwingen.

Burnett sah den Rollstuhl aus dem Lichtkegelheraus auf sich zukommen. Es blieb ihm keine Zeitzum Aufstehen. Er warf sich drei Meter zur Seite,und De Fort schoß ins Leere. Das Knirschen derbremsenden Räder drang durch die Höhle. Burnettkam auf die Knie, als De Fort den Flugantrieb seinesSpezialanzuges betätigte, der mit dem Rollstuhlgekoppelt war. Als sei er plötzlich schwerelos,schwebte der Stuhl unter die Höhlendecke.

Burnett stieß sich mit den Händen vom Boden abund stand schwankend da. Er wollte nach demDesintegrator greifen, doch da raste De Fort auf ihnherunter. Der Krankenstuhl wurde mitselbstmörderischer Geschwindigkeit beschleunigt, erkam wie ein Geschoß auf den jungen Mann zu.

Burnett handelte rein automatisch. Er drückte dieStartertaste seines eigenen Anzuges und wurde in dieHöhe gerissen. Irgendwie gelang es ihm, vor derDecke zu bremsen. De Fort hatte den Sturzflug kurzvor dem Boden abgefangen und drehte in einerweiten Schleife.

»Hören Sie auf!« schrie Burnett und glitt langsamunter der Decke heran. Er zog den Desintegrator undlegte auf De Fort an. Doch der Krüppel besaßebenfalls eine Waffe und feuerte zu Burnett herauf.Burnett betätigte den Antrieb in horizontalerRichtung. Hinter ihm bröckelten Felsen aus derDecke und polterten nach unten. Burnett fühlte sichgegen einen hervorstehenden Felsen geschleudertund stieß einen Schrei aus. De Forts wahnsinnnigesGelächter dröhnte durch die Höhle. Burnett sacktenach unten ab, Schmerzen durchfluteten seinenKörper. Da sah er De Fort mitten in der Höhle stehenund bedächtig auf ihn zielen. Burnett riß die Waffehoch und feuerte blindlings einen Schuß ab.Unmittelbar vor De Fort sprühte der Steinbodenauseinander und nahm dem Gegner die Sicht. DeForts Schuß verfehlte das Ziel. Unerwartet bekamBurnett wieder Boden unter die Füße, und ererreichte mit drei Sprüngen einen in die Höhleragenden Felsen, hinter dem er sich niederwarf.

De Fort hörte auf zu lachen, aber dafür wurde dasQuietschen und Knirschen seines Rollstuhles wiederlaut. Burnett robbte über den Boden und spähte überden Felsen. De Fort hatte den Rollstuhl in dieRichtung von Burnetts Deckung gedreht und zieltesorgfältig auf den Felsen. Burnett duckte sich, und imgleichen Augenblick prasselte ein Steinregen auf ihnherab. Eine Qualmwolke entstand über demFelsbrocken. Burnett erkannte, daß De Fort ihnfrüher oder später zum Verlassen dieses Platzeszwingen konnte. Er riskierte einen kurzen Blick indie Höhle. De Fort glich mehr einem Dämon als

einem lebenden Menschen. Von seiner nichtverletzten Schädelhälfte hingen die Haare herab.Seine Gesichtshaut um den Plastikeinsatz hatte sichgerötet, die tiefliegenden Augen brannten. »KommenSie heraus!« schrie De Fort krächzend. Er feuertedreimal hintereinander, und der flach an den Bodengepreßte Burnett fühlte die Luft aus den Lungenweichen. Er verschloß den Helm und schaltete denAbwehrschirm des Anzuges ein. Dann sprang er überden Felsen hinweg.

De Fort schrie und schoß, als Burnett auf ihnzurannte. Burnett zielte auf den Rollstuhl, aber derKranke hatte ebenfalls den Abwehrschirm inTätigkeit. De Forts wacher Geist erkannte die neueSituation zuerst. Ohne zu zögern, steuerte er denKrankenstuhl zum Höhleneingang und blieb dortstehen. »Hier kommen Sie nicht vorbei«, sagte er zuBurnett. Burnett fühlte Zorn und Entschlossenheit.Schritt für Schritt näherte er sich dem Eingang. DeFort beobachtete ihn mit Raubvogelblicken.

»Halten Sie an, bevor ich Sie umbringe«, zischteDe Fort.

»Sie gehen mit mir ins Lager«, sagte Burnett ruhig.Innerlich war er aufgewühlt, aber seine Händezitterten nicht. Er hatte wenig Erfahrung mit denKampfanzügen und fragte sich, was geschehenmochte, wenn sich die Abwehrschirme berührten.Wahrscheinlich nichts, denn die Raumfahrer derFlotte mußten oft genug auf engstem Raum kämpfen.Da brachte De Fort mit einer unverhofften Bewegungeine lange Stange unter dem Rollstuhl hervor, diezum Gestell der Kanone gehörte. Burnett sah dieGefahr auf sich zukommen, aber er konnte nichtmehr reagieren. Die Stange sauste auf ihn herab,durch den Abwehrschirm, der nur Energiewaffenwirkungslos machte, hindurch, und traf denChemiker an der Schulter. Burnett taumelte miteinem Schmerzensschrei zurück. Da war De Fortauch schon mit dem Rollstuhl heran und drückte ihnzu Boden.

Eines der Räder schob sich auf Burnetts Brust. Ergriff mit beiden Händen danach, aber De Fort schienZentner zu wiegen. Mit einem Griff schaltete De Fortden Abwehrschirm von Burnetts Anzug aus und hobseine Waffe. Mit aller Kraft stemmte sich Burnettnach oben, aber der Rollstuhl schob sich nur weiterauf ihn und war nicht zur Seite zu bewegen.»Bewegen Sie sich nicht!« befahl De Fort und zielteauf Burnetts Brust. Kalter Schweiß bildete sich aufBurnetts Stirn. De Forts Bild begann vor seinenAugen zu flackern. »Ich habe meinen Helmfunkabgeschaltet«, sagte De Fort spöttisch. »Niemandhört, was ich sage, und Sie werden schweigen.«Burnett wußte, daß sein Leben von der Laune einesWahnsinnigen abhing. Dieser Mann konnte ihrgesamtes Unternehmen gefährden. Er fühlte sich

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nicht unschuldig daran, daß es soweit gekommenwar. Längst hätte er Oberst Herisch benachrichtigenmüssen. »Schalten Sie Ihren Helmfunk ab«, ordneteDe Fort an. »Mit dem linken Arm. Keine Tricksdabei!«

Burnett führte den Befehl aus. Er mußte De Fort inSicherheit wiegen, bis sich der Mann eine Blöße gab.Dann konnte er zuschlagen. De Fort beugte sich zuihm herab und löste bedächtig den Gürtel vonBurnetts Anzug. »Warum tun Sie das?« fragteBurnett, und seine Stimme war rauh wie die einesalten Mannes.

De Fort lachte. »Sie können ohne Gürtel wederfliegen noch einen Abwehrschirm errichten. Da alleSchaltkreise in diesem Kasten gekoppelt sind, macheich Sie vollkommen hilflos. Der Anzug allein nütztIhnen überhaupt nichts mehr. Sie können noch nichteinmal mit dem Lager sprechen.«

»Wenn die Blues kommen, bin ich ohne Schutz«,sagte Burnett. »Das hätten Sie sich vorher überlegensollen«, meinte De Fort und riß den Gürtel an sich.

Danach rollte er den Stuhl einen Meter zurück undsagte: »Los! Aufstehen!« Burnett blickte nach seinerauf dem Boden liegenden Waffe, aber De Fort lachtenur und zerschmolz sie mit einem Schuß aus demEnergiestrahler. »Und nun«, sagte De Fort einladend,»werden wir zusammen diese Kanone fertigaufbauen.«

»Wollen Sie auf das Lager schießen?« erkundigtesich Burnett.

»Sobald die Gataser landen, wird es zum Kampfkommen, in den früher oder später das ganze Lagerverwickelt wird.« Burnett erkannte, daß De Fortseinen wahnsinnigen Plänen vollkommen verfallenwar, daß nichts ihn aufhalten konnte. »Natürlichwerden die Schreckwürmer auf unserer Seitekämpfen. Wenn sie auftauchen, werde ich siegebührend empfangen.«

Burnett sah ihn mitleidig an. »Glauben Siewirklich, daß Sie diese Wesen mit Schüssen aus derKanone töten können?«

De Fort deutete auf einen Platz hinter demRollstuhl, wo er etwas unter einem Segeltuchversteckt hatte. »Mit unseren H2o2 - Raketenbombenbestimmt«, sagte er. »Ich habe vier davon für meineZwecke sichergestellt.« Burnett wollte sich auf ihnstürzen, doch eine drohende Bewegung desThermostrahlers hielt ihn auf.

»Sie bringen das Leben von hundert Männern inGefahr«, rief Burnett anklagend. »Können Sie nichtdiesen unsinnigen Haß vergessen und im Sinne derGemeinschaft handeln?«

De Fort lachte wieder. »Von welcherGemeinschaft sprechen Sie?« erkundigte er sichironisch. »Ich gehöre keiner Gemeinschaft an.«

»In einigen Jahren werden die Ärzte Sie wieder in

Ordnung bringen«, sagte Burnett. »Aber IhreUngeduld ist so groß, daß Sie nur noch Haß undRache kennen.«

De Fort deutete in die Dunkelheit hinaus, woirgendwo unterhalb der Höhlen hundert ahnungsloseMänner eine unruhige Nacht verbrachten. »Ich werdemeine Rache haben«, sagte De Fort.

Burnett hockte sich auf den Boden nieder, währendDe Fort wieder an der Kanone zu arbeiten begann.Burnett faßte den Entschluß, De Fort an seinemVorhaben zu hindern. Er wußte noch nicht, wie erdas tun konnte, aber er würde sich nicht davonabhalten lassen. Auf Tauta stand mehr auf dem Spielals die Befriedigung von De Forts Rachegefühlen.Hier ging es um die gesamte Menschheit. DieseErkenntnis machte Burnett die Verantwortungoffenbar, die jetzt auf ihm lastete.

*

»Ja«, sagte Herisch und erhob sich von seinemeinfachen Lager, »ich gehe sofort mit.« Er strecktesich und blickte auf die Uhr. Die Nacht würde baldvorüber sein. Der Körper des Wächters war einedunkle Silhouette im Eingang der Kuppel. OberstHerisch versetzte dem schnarchenden LeutnantPashaven einen Stoß und knurrte: »Stehen Sie auf!«Pashaven fuhr herum. »Kommen sie?« stieß erhervor. Es war jedem klar, wen er damit meinte.

»Nein«, sagte Herisch knapp. »Die ASUBAJA ruftuns. Wir müssen zur Funkkuppel.« Pashaven wühltesich aus den Decken frei und kam fluchend hoch.»Beeilen Sie sich, Leutnant«, befahl Herisch. Er gingzum Eingang und bedeutete dem Wächter, ihm zufolgen. Pashaven humpelte hinter ihnen her, nochimmer bemüht, den Kampfanzug zu verschließen.

»Die ASUBAJA sendet im Rafferkode und mit nursehr geringer Intensität«, berichtete der Wächter.»Glauben Sie, daß dies etwas zu bedeuten hat?«

»Dreimal dürfen Sie raten«, sagte Herischsarkastisch. Sie überquerten den freien Platzzwischen den Kuppeln und traten in den Funkraum.Als Herisch die Tür hinter sich zugezogen hatte,schaltete der Funker die volle Beleuchtung ein.

»Nun, Sparks?« fragte der Oberst.»Ich habe den Funkspruch soeben entschlüsselt«,

sagte der Funker und stand von seinem Platz auf, umHerisch die Meldung zu überreichen. »UnsereFreunde sind eingetroffen.«

Pashaven schlüpfte herein und sah Herisch fragendan.

»Es geht los«, sagte Herisch. »Die Gataser sind insVagrat-System eingedrungen.«

»Soll ich eine Bestätigung an die ASUBAJAschicken?« fragte der Funker. »Besser nicht«,entschied Herisch. »Wir wollen kein unnötiges

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Risiko eingehen. Die Gataser werden noch frühgenug von unserem Hiersein erfahren.«

»Wann werden sie landen?« fragte der Wächter.Herisch machte eine schwer zu deutende

Bewegung. »Vielleicht bei Anbruch des Tages.Peterle sendet in regelmäßigen Abständen dasErkennungssignal, so daß sie wissen, daß er auf derNachtseite ist.«

»Sollen wir Alarm geben?« fragte Pashaven.»Immer mit der Ruhe, Leutnant«, sagte Herisch.

»Solange sie noch nicht zur Landung ansetzen,besteht kein Grund zur Aufregung. Ich werde jetztdie Wissenschaftler informieren, daß sie sichbereithalten sollen. Ich bin gespannt, wie unsereneuen Bomben auf den Molkexpanzer wirken.«

Sie verließen die Funkkuppel, der Wächter ging zuseinem Platz zurück, und Herisch schritt zusammenmit Pashaven dem fahrbaren Labor entgegen.

Sie fanden die Schleuse des Labors offenstehen.Herisch runzelte die Stirn, als er den Steghinaufschritt.

»Sieht so aus, als sei jemand unterwegs«, sagtePashaven.

»Hoffentlich hat keiner der Spezialisteneigenmächtig gehandelt«, meinte Herisch.Unwillkürlich beschleunigte er seine Gangart. Dawurde direkt vor ihnen eine Tür aufgestoßen, und Dr.Sharoon trat mit verschlafenem Gesicht auf den Ganghinaus. Er blinzelte Herisch und dem Leutnantentgegen.

»Ach«, sagte er, »Sie sind es!«Diese Feststellung schien ihn so zu beruhigen, daß

er sich umdrehen und in die Kabine zurückkehrenwollte. Herisch hielt ihn am Arm fest. »Wecken SieDr. De Fort und die anderen, Doc«, sagte er. »Wirerwarten die Blues bei Anbruch des Morgens.«

»De Fort?« fragte Sharoon verständnislos. »Ichdachte, er sei bei Ihnen in der Kuppel.« Herisch warkein Mann, der unnötig argumentierte. An Sharoonvorbei ging er in die Kabine und sah, daß De Fortnicht anwesend war. Ohne ein Wort zu sagen,stürmte Herisch in die Kabine nebenan. Er knipstedie Beleuchtung ein. Kerrick drehte sich schläfrig umund fragte mürrisch: »Warum, zum Teufel, kriechenSie hier mitten in der Nacht herum, Burnett?«

»Ich bin nicht Burnett«, teilte ihm Ferisch mit.»Stehen Sie auf, es gibt Arbeit. De Fort scheint dasLager verlassen zu haben, und Burnett ist hinter ihmher.«

Von der Türschwelle her sagte Dr. Sharoon:»Dieser Burnett heckt wieder einen seiner üblenStreiche aus.«

Herisch zog die Stirn, in Falten. »Mit De Fort?«erkundigte er sich ironisch. »Dieser Mann besitztkeinen Funken Humor. Nun gut, wenn Burnett hinterihm her ist, kann nicht viel passieren.« Er wandte

sich an den schimpfenden Kerrick. »Übernehmen Siedie Führung. Wecken Sie alle Wissenschaftler. DieBomben müssen bereit sein. Vergessen Sie nicht, daßjeder Mann einen Kampfanzug zu tragen hat.«

»Ja«, brummte Kerrick verdrossen.Als Herisch im Gang verschwunden war, sagte er

zu Sharoon: »Niemand bringt mich jemals wieder inmeinem Leben von unserer schönen Erde weg.«Herisch und Pashaven waren bereits wieder imFreien. »Wecken Sie alle Männer«, befahl derOberst. »Machen Sie aber keinen unnötigen Lärm,und sorgen Sie dafür, daß die Lichter ausbleiben.«

»In Ordnung, Sir«, erwiderte Pashaven undverschwand. Herisch blieb nachdenklich stehen. Erkonnte es nicht riskieren, weitere Männer aus demLager zu schicken. De Fort und Burnett bedeutetenbereits einen Verlust. Wenn er die beidenWissenschaftler suchen ließ, mußte er auf weitereMänner verzichten.

Er kehrte zur Kommandokuppel zurück und trafdort auf Sergeant Luttrop, der ihn in vollerKampfausrüstung erwartete.

»Ich wollte fragen, wo wir uns aufstellen, Sir?«fragte der Mann mit lauter Stimme. Herischbetrachtete die vierschrötige Gestalt.

»Sie sind hier nicht im Manöver, Sergeant«, sagteer. »Warten Sie, bis die Blues kommen, dann werdenSie schnell feststellen, daß jeder von uns eine Armeefür sich bilden muß.«

Luttrop biß sich auf die Unterlippe. Anscheinenddachte er darüber nach, auf welche Weise er eineArmee ersetzen konnte.

»Verschwinden Sie!« befahl Herisch. »Sie erhaltenfrüh genug Befehle.« Luttrop murmelte etwas vonEinsätzen, die er zusammen mit unfähigenWissenschaftlern machen mußte. Dann ging erhinaus.

An den Ortungsgeräten saß Kadett Meisnitzer, dergleichzeitig Kybernetiker war.

Auf Herischs fragenden Blick schüttelte er stummden Kopf. Der Oberst atmete auf. Er legte keinenbesonderen Wert darauf, daß die Gataser während derNacht landeten. Das würde ihr Vorhaben nurerschweren.

Nach einer Weile kam Leutnant Pashavenschweratmend herein.

»Alles in Ordnung, Sir«, sagte er. »Das Lager isthellwach.«

Herisch nickte und ging zu dem einfachen Bett.Meisnitzers scharfgeschnittenes Profil zeichnete sichvor den hellerleuchteten Ortungsgeräten ab. DieKontrollen glühten wie Augen urweltlicherUngeheuer. Herisch klappte den Helm desKampfanzuges zurück und holte tief Luft. Dann ließer sich nach hinten sinken.

Obwohl die bevorstehende Landung der Blues das

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größte Problem war, schweiften seine Gedankenimmer wieder zu De Fort und Burnett ab. Womochten sich diese beiden Männer aufhalten? Trotzseiner hervorragenden militärischen Ausbildung warOberst Herisch in erster Linie Wissenschaftler, und erglaubte verstehen zu können, wenn es bei diesen imRaum unerfahrenen Männern zu Schwierigkeitenkam.

De Fort war schon auf anderen Planeten gewesen,aber er war geistig nicht voll zurechnungsfähig.Burnett war nur ein junger Mann, über den er wenigwußte.

>Ich mache mir unnötige Sorgen<, dachte Herischund schloß die Augen.

Da sprang die Tür der Kuppel auf, und Dr. Kerrickstampfte herein. Als er hinter sich abgeschlossenhatte, machte Pashaven das Licht aus. Kerrick sahwütend und gleichzeitig besorgt aus.

»Es fehlen vier unserer Bomben«, sagte er.Herisch blickte auf die Uhr. In drei Stunden wurde eshell. »Ich wette, Burnett hat sie«, sagte Kerrick, alsdie anderen schwiegen. »Oder De Fort«, meinteHerisch ruhig und stand wieder auf. »Wir müssen siesuchen«, verlangte Kerrick. »Lassen Sie sofort eineGruppe gut ausgerüsteter Männer losmarschieren.«Herisch versuchte den Zorn dieses Mannes zuverstehen. Seltsamerweise entstand in ihm kein Grollgegen den jungen Burnett. Er glaubte einfach nicht,daß der Chemiker die Bomben aus dem Lagergeschleppt hatte. Nun mußte er die Wut Kerricksbesänftigen und gleichzeitig verhindern, daß es derWissenschaftler fertigbrachte, ihn zur Freistellungeiniger Männer zu überreden. »Wir haben immernoch sechsund-vierzig Bomben«, sagte er ruhig. »Diemüssen genügen.«

Kerrick stieß einen völlig unakademischen Fluchaus. »Diese vier, die fehlen«, sagte er, »machen mirmehr Sorgen als die ganze Flotte der Gataserzusammen.«

*

Die tiefstehenden Monde wurden allmählichblasser, am Horizont erschien ein silbergrauerStreifen. Es war jetzt so kalt in der Höhle, daßBurnett sich fröstelnd gegen die Wand drängte,obwohl ihm die Felsen keine Wärme boten.

De Fort hockte wie erstarrt über der Kanone undblickte ins Lager hinab. Gänzlich unerwartet schauteer sich um.

»Es wird Tag«, sagte er.»Das bringt Sie der Ausführung Ihrer

Wahnsinnsidee näher«, erwiderte Burnett krächzend.

12.

Das mächtige Diskusschiff machte dieEigenrotation des Planeten mit, und auf seinermolkexgepanzerten Außenfläche reflektierte dasvolle Licht der Sonne Vagrat. Für das Molkexbedeuteten die extremsten Temperaturen in denobersten und untersten Bereichen nicht die geringsteGefahr.

Die Katzenaugen Kommandant Leclercs starrten inscheinbarer Gefühllosigkeit auf den Bildschirmoberhalb des Kommandosessels. Seine Händeumschlossen die Steuerung.

Nach wie vor kamen die Erkennungssignale desSchreckwurms aus den Empfängern. Mit gewohnterSicherheit brachte Leclerc das Schiff aus derbisherigen Umlaufbahn heraus und drückte esallmählich tiefer. Während die Sonne das Land unterihnen erhellte, brachte Leclerc das Schiff inweitgezogenen Spiralen nach unten.

Er wußte, daß ihn kein schöner Anblick erwartete.Welten, über die die Hornschreckenplagehinweggegangen war, boten keine erfreulichenBilder.

Doch das war ihm gleichgültig. Abgesehen davon,daß er hier nur eine Routineaufgabe durchzuführenhatte, fühlte er keine Zuneigung für dieSchreckwürmer. Er wußte, daß man diese Ungeheuervernichten würde, sobald man auf Gatas in der Lagewar, das Grundprodukt für die Molkexgewinnungsynthetisch herzustellen. Die Wissenschaftler derBlues arbeiteten fieberhaft an der Lösung diesesProblems, um nicht länger gezwungen zu sein, denSchreckwürmern wertvolle Welten zur Verfügung zustellen. Trotzdem würde es noch lange dauern, bisman die Ausrottung der Schreckwürmer beschließenkonnte.

Jetzt galt es zunächst einmal, die Wesen aus diesenKugelschiffen zu vernichten. Hier waren sie auf einanderes Imperium gestoßen, dessen Raumschiffewesentlich besser als ihre eigenen waren. Doch siebesaßen den unschätzbaren Vorteil derMolkexpanzerung.

Leclerc gestand sich ein, daß sie ohne Molkexgegenüber der fremden Rasse hilflos waren. Deshalbmußten sie zum entscheidenden Schlag ausholen,bevor die Vertreter des anderen Imperiums eineWaffe fanden, mit deren Hilfe sie die Panzer derDiskusschiffe brechen konnten.

Nicht alle Schiffe der Gataser besaßen denschützenden Mantel. Daher hatten die Blues beiRaumschlachten bisher stets ihre Molkex-schiffe invorderster Front fliegen lassen. Die wenigerbefestigten Raumer, waren nachgestoßen, sobald inden Reihen des Gegners die ersten Lückenaufgetreten waren.

Die ersten Bilder der Oberfläche Tautas wurdenauf dem Bildschirm sichtbar. Genau wie Leclerc

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erwartet hatte, war dem Land durch die gefräßigenHornschrecken jede Schönheit genommen. Leclercsstarre Augen beobachteten ruhig.

Gelassen gab er die Befehle. »Lockrufabstrahlen!« befahl er.

Noch immer nahmen die Gataser an, daß dieSchreckwürmer relativ primitiv waren. Sie wußtennichts von der wahren Intelligenz der Riesen.Deshalb sendeten die Diskusschiffe Lockrufe, sobaldsie auf einem Planeten landeten, auf dem sich einoder mehrere Schreckwürmer aufhielten. Das war dasZeichen für die Ungeheuer, sich dem Schiff zunähern.

Leclerc dachte weder in menschlichen Bahnennoch fühlte er wie ein Mensch. Aber der Widerwille,den er gegen die Vorstellung hegte, einenSchreckwurm an Bord zu nehmen, unterschied sichwenig von dem Abscheu eines Terraners, der zumerstenmal eines dieser Wesen erblickte.

Leclerc beobachtete den Höhenmesser. Wenn derSchreckwurm auf Tauta nicht vollkommenstumpfsinnig war, mußte er jetzt wissen, daß erabgeholt wurde.

Leclercs Schiff durchmaß in der Längsachse fast1000 Meter. Selbst für terranische Begriffe war es eingigantisches Schiff.

Die Augen des gatasischen Kommandanten glittenüber den Bildschirm. Er erwartete jeden Augenblickden Raupenkörper des Schreckwurms über daswüstenähnliche Gelände springen zu sehen.

»Kommandant, es sind zwei!« rief da derBeobachtungsoffizier.

Leclerc begann wütend an den Knöpfen desBildschirms zu drehen, um eine vergrößerteAufnahme zu erreichen.

»Zwei Schreckwürmer unterhalb des Schiffes!«rief der gleiche Mann.

Seltsamerweise wurde Leclerc nicht mißtrauisch.Seine Arroganz und Überheblichkeit gegenüber denSchreckwürmern war so groß, daß er überhaupt nichtauf den Gedanken kam, in eine Falle zu fliegen.Alles, was er empfand, war Ärger über dieUngeschicklichkeit der beiden Monstren. Nur einSchreckwurm hatte ein Erkennungssignal abgestrahlt,der andere hatte geschwiegen.

Da konnte Leclerc die beiden Riesen auf demBildschirm erkennen. Einer ihrer zukünftigenPassagiere war wesentlich größer, doch auch darübermachte sich Leclerc keine Gedanken. Er kam nochnicht einmal auf die Idee, die Gegend dort untensystematisch absuchen zu lassen. Für ihn waren diebeiden Schreckwürmer die einzigen Lebewesen aufTauta.

Leclerc ahnte noch nicht, daß er diesen Fehler mitdem Leben bezahlen sollte.

*

Wenn es in ihrem Plan einen schwachen Punktgab, dann war es der gerade ausgeschlüpfteSchreck-wurrn Tommy. Peterle wußte genau, daß einNeugeborener seiner Rasse noch immer den uraltenTraditionen unterlag, daß es Tabus für ihn gab, die erkaum umgehen konnte. Für Tommy waren die Bluesdie sogenannten Huldvollen, denen er dankbarzugetan sein mußte.

Peterle hoffte zwar, daß die Zeit, während der ermit Tommy nach dessen Geburt zusammen war,ausgereicht hatte, um ihn auf die Seite der Terranerzu bringen, doch vollkommen sicher konnte derältere Schreckwurm nicht sein.

Gut genug erinnerte er sich an seine Geburt. Wielange hatte er mit sich gerungen, bis er endlich dasSchiff der Huldvollen angegriffen und besetzt hatte.Er hatte als erster Kontakt mit den Terranernaufgenommen. Das war allerdings mehr dasVerdienst dieser Rasse als sein eigenes, denn er hattedamals vorgehabt, die Männer, die mit ihmzusammen auf dem Molkexschiff waren, zu töten.

Wenig Zeit war seither verstrichen, und dochschien diese Episode bereits in ferner Vergangenheitzu liegen.

Lange bevor Leclerc den Lockruf ausstrahlen ließ,wußte Peterle bereits, daß die Blues kurz vor derLandung standen.

»Unser Plan ist klar«, sendete er zu Tommy. »Wirlocken die Blues mit ihrem Schiff in das Talunterhalb des terranischen Lagers. So geben wirunseren Verbündeten eine gute Gelegenheit, ihreWaffen auf das Molkexschiff abzufeuern.«

Tommy sendete seine Zustimmung, doch es warschwer festzustellen, ob er es ernst gemeint hatte.

Peterle ahnte, daß er bis zur endgültigen Landungder Huldvollen, die alles andere als huldvoll waren,nicht mehr herausfinden konnte, wie Tommyreagieren würde. Er konnte nur hoffen, daß derNeugeborene die Ratschläge eines erfahrenenSchreckwurmes höher einschätzte als alle falschenTraditionen und das bei der Geburt bereitsvorhandene Kollektivwissen.

Damals, als er zum erstenmal Energieschüsse aufBlues abgegeben hatte, hatte Peterle nicht geglaubt,daß er eine Revolution unter seinen Artgenossenentfachen würde. Heute waren die Terraner bessereVerbündete als die Huldvollen, mit denen sie nurnoch zum Schein zusammenarbeiteten.

Nun konnte die Revolte, die er auf einer anderenWelt begonnen hatte, ihm nach längerer Zeit nochzum Verhängnis werden. Nicht nur er, auch dieTerraner dort oben auf dem Plateau waren gefährdet,wenn Tommy sie verriet.

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Peterle versuchte vorherzusehen, was seiner Rassenoch bevorstand. Sie waren darauf angewiesen, daßsie von anderen mit Raumschiffen auf Planetengebracht wurden, wo sie ihre Eier ablegen konnten.Niemand würde das gern tun, auch die Terranernicht. Früher oder später würde es zu einer ernstenKrise kommen, überlegte Peterle, denn irgendwannwürde es keine Schiffe und keine Welten mehr für siegeben, irgendwann würde ihnen eine Rasse einkategorisches Nein entgegenrufen.

Das Transportproblem bedeutete für jedeneinzelnen Schreckwurm eine geistige Last. Sie alledachten darüber nach, ohne eine Lösung zu finden.Sie verfügten nicht über Möglichkeiten, sich selbstSchiffe zu bauen, mit ihren Pranken konnten sie nurprimitivste Arbeiten ausführen.

Was nützte ihr überragender Geist, wenn er ineinem unbrauchbaren Körper steckte.

Wieder sendete Peterle das Erkennungssignal.Natürlich hatten ihn die Huldvollen bereits geortet,aber er mußte sie in dem Glauben lassen, daß sie einmehr oder weniger instinktiv handelndes Wesen vorsich hatten.

Tommy, der junge Schreckwurm, konnte ihrTransportproblem unter Umständen noch vergrößern.Wenn er den Plan der Terraner verriet, erfuhren dieBlues vom Doppelspiel ihrer Passagiere. Andererseitswürden die Terraner einen Verrat mit der Kündigungdes Abkommens beantworten.

Peterle sah das Schiff als dunklen Fleck amMorgenhimmel. Im ersten Augenblick erschrak er. Erhatte nicht damit gerechnet, daß eines der größtenSchiffe der Huldvollen hier landen würde. Daserschwerte die Aufgabe der hundert Terraner auf demPlateau.

»Los!« sendete er zu Tommy. »Wir ziehen unsjetzt in das Tal zurück.« Bereitwillig folgte ihm derjunge Schreckwurm. Er schien keine Bedenken zuhaben. Peterle war froh, daß er nicht wußte, wie esim Innern des Neugeborenen aussah. Es würde ambesten sein, wenn nun alles sehr schnell geschah.Jede Verzögerung ließ Tommy Zeit zumNachdenken. Und sobald er nachdachte, konnte erden alten Vorstellungen unterliegen. Mit langenSätzen sprangen sie in das Tal hinein. Peterle fragtesich, wann die Gataser das Lager der Terranerbemerken würden. Er fühlte sich plötzlich müde undschwach. Er war im Begriff, seine Kämpfernatur zuverlieren. Seit dem Beginn seiner Revolte war vielgetötet worden, ohne daß ihr Transportproblemgünstiger aussah. Peterle bezweifelte, daß ständigesTöten die Lage der Schreckwürmer verbessernwürde. Aber sie standen zwischen den Fronten.Wenn die beiden Imperien aufeinanderprallten, dannwürden auch die Schreckwürmer nicht unbehelligtdavonkommen. Peterle hoffte auf einen Sieg der

Terraner, aber er glaubte nicht daran. DieMolkexschiffe der Huldvollen waren unzerstörbar.

Auch die neue Waffe der Terraner würde darannichts ändern.

Als Peterle wieder nach oben blickte, war dasSchiff ein riesiger Schatten, der drohend über dasverwüstete Land hinweghuschte. Peterle sah, wieTommy sich unwillkürlich duckte, und seine Sorgenwuchsen.

*

»Bei allen Planeten«, murmelte Pashavenerschüttert. »Das ist das gewaltigste Diskusschiff, dasich jemals gesehen habe.«

Sie standen im Eingang der Kommandokuppel undblickten in die Morgendämmerung hinaus. DasMolkexschiff glitt langsam in das Tal hinab, in demsich die beiden Schreckwürmer jetzt aufhaltenmußten.

*

Herisch nickte langsam. Sie hatten mit einemkleineren Schiff der Blues gerechnet, nicht aber mitdiesem Giganten, der bestimmt zweitausend Gataseran Bord hatte. Der Oberst fragte sich, ob es nichtbesser wäre, das Unternehmen zu beenden. Nochhatten sie Zeit, den Schreckwürmern eine Nachrichtzukommen zu lassen.

Doch noch während er sich mit diesem Gedankenbeschäftigte, wußte er bereits, daß es jetzt keinZurück mehr gab. Hier kam das Schiff mit demMolkexpanzer, an dem sie die H2O2-Raketenbombeausprobieren konnten.

»Was sollen wir tun?« fragte Pashaven. In seinerStimme lag eine nicht zu überhörende Furcht, diesich erst wieder mit Beginn des Kampfes legenwürde.

»Wir führen unseren Plan durch«, sagte Herisch.Er hoffte, daß seine Stimme einen festeren Klang alsdie Pashavens hatte. Neben ihm entstand einGeräusch, und Kadett Meisnitzer trat an ihre Seite.

»Ich wollte nur feststellen, ob das Schiff hierdraußen ebenso groß ist wie auf dem Bildschirm,Sir«, sagte er entschuldigend und verschwand wiederin der Kuppel. »Sind alle Lafetten und Geschützebesetzt?« erkundigte sich Herisch. »Ja, Sir«, sagtePashaven, ohne den Blick von dem immer tiefersinkenden Schiff zu nehmen. »Alles in Ordnung.« Erhob den Arm in Richtung auf den Diskus. »Wannwerden sie uns entdecken?«

»Hoffentlich nicht sofort«, wünschte Herisch.»Aber die beiden Schreckwürmer werden sieabzulenken wissen.«

Herisch gab sich über die Kampfstärke seiner

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Truppe keinen Illusionen hin. Wenn dieWasserstoffsuperoxydbomben keine Wirkungzeigten, dann würden sie die Gataser nach Beliebenvon dem Plateau schießen oder sie in Gefangenschaftschicken.

»Wenn nur alles schon vorüber wäre«, murmeltePashaven. »Wollen wir nicht die ASUBAJA umHilfe rufen?«

»Nein«, erwiderte Herisch barsch. »Sobald dieBlues feststellen, daß hier etwas nicht stimmt, ziehensie sich vielleicht zurück, und wir haben unsereChance verpaßt.« Pashaven sah ein, daß das Unheilnicht mehr aufzuhalten war. Er fand sich mit derSituation ab und nahm sich vor, sein Leben so teuerwie möglich zu verkaufen.

Zusammen mit Herisch ging er zu den Lafettenhinüber, von denen die Spezialbomben abgeschossenwerden sollten. Sämtliche Wissenschaftler waren hierversammelt. Die Bedienungsmannschaften derGeschütze waren förmlich eingekeilt. Herisch triebdie Männer mit scharfen Worten auseinander undarbeitete sich bis zu Dr. Kerrick vor. Das Gesicht desWissenschaftlers war blaß. »Ich bin kein ängstlicherMensch«, behauptete Dr. Kerrick. »Aber dieChancen standen schon besser.«

»Galgenhumor, Doc?« fragte Herisch ohneSarkasmus.

»Keineswegs«, erwiderte Kerrick. »Ich beginnemich nur zu fragen, was unsere Bömbchen diesemKoloß anhaben könnten?«

Herisch gab dem Wissenschaftler keine Antwort.Er trat an ein Geschütz heran und blickte durch dieZieloptik. Jetzt konnte er auch die beidenSchreckwürmer sehen. Sie warteten offenbar darauf,daß das Schiff auf der Oberfläche Tautas aufsetzte.

»Werden Sie den Befehl zum Feuern geben?«fragte Dr. Sharoon. »Auf jeden Fall«, sagte Herisch.Er überzeugte sich, daß alles reibungslos ablaufenwürde. Sobald das Molkexschiff gelandet war, würdeüber die Hälfte der Spezialraketen davonrasen.Herisch hoffte, daß sie danach keine Enttäuschungerleben würden. Pashaven reichte ihm ein Glas, sodaß er die Vorgänge im Tal genau verfolgen konnte.Das Schiff der Gataser schwebte jetzt hundert Meterüber dem Boden, scheinbar zögerte der Kommandantnoch mit dem endgültigen Landebefehl. Herisch bißsich vor Erregung auf die Zungenspitze. DerDiskusriese sank tiefer. In langen Sprüngen hetztendie beiden Schreckwürmer dem Gegner entgegen. Siespielten ihre Rolle ausgezeichnet.

Herisch glaubte das Dröhnen und Brausenförmlich bis auf das Plateau zu hören. So intensivversetzte er sich an den Ort der Geschehnisse, daß erdas Vibrieren des Bodens unter dem Aufprall dertonnenschweren Schreckwürmer zu spüren glaubte.

In einer Wolke von Staub setzte das Diskusschiff

auf. Herisch blickte nach rechts und links, sah jetztverbissene Gesichter unter den Helmen, Gesichtervoll grimmiger Erwartung.

>So beginnt ein kosmischer Krieg<, dachteHerisch. Sekundenlang fühlte er die Macht, die inseine Hände gelegt war, dann wurde er ganz ruhig.

Er sagte: »Feuer!«

*

Weil De Fort dem Eingang näher war als GregoryBurnett, sah er das Diskusschiff als erster. Er lehntesich leicht im Rollstuhl zurück und wandte denhäßlichen Kopf in Bur-netts Richtung.

»Sie kommen«, sagte er in offensichtlicherGenugtuung.

Die Zeit war erschreckend schnell vergangen -jedenfalls für Burnett. Er sah sich jetzt vor die Wahlgestellt, entweder tatenlos abzuwarten, was De Forttun würde oder einzugreifen. Jeder Angriff auf denKrüppel konnte nur eine Verzweiflungstat sein. DeFort hielt den Thermostrahler schußbereit in einerHand. Mit der anderen kontrollierte er ständig dieAbschußkontrollen der Kanone, als fürchte er, daßetwas nicht funktionieren könnte.

Als Burnett behutsam aufstand, fühlte er, daß seineKnie weich waren. Er war kein erprobter Kämpfer,sein Leben war ohne ernsthafteAuseinandersetzungen abgelaufen.

Doch nun wurde von ihm entschlossenes Handelnverlangt. Burnett lächelte müde. Wie wenig es dochin diesem Augenblick darauf ankam, daß er mitverbundenen Augen über sechzig VerschiedeneCocktails an ihrem Geschmack unterscheiden konnte.Diese Leistung hatte ihm zwar in der Bar auf TerraBewunderung eingebracht, aber hier war sievollkommen nutzlos.

Burnett wünschte plötzlich so zu sein wie Jicks.Der Mann der Galaktischen Abwehr hätte sich zuhelfen gewußt. Er fragte sich, ob ihn De Forttatsächlich, erschießen würde, sobald er, Burnett, ihnangriff. Burnett schlenderte scheinbar uninteressiertbis in unmittelbare Nähe De Forts. Der Mann imRollstuhl hob den Thermostrahler und lachte böse.»Bleiben Sie stehen, und wagen Sie es nicht, nochnäher zu kommen.«

Burnett tat, als höre er ihn überhaupt nicht. Inseinem Gesicht spiegelte sich grenzenlosesErstaunen. Er hob den Arm und deutete aus derHöhle hinaus. »Da sind noch zwei Schiffe!« rief erüberrascht. De Forts Kopf ruckte herum - undBurnett sprang.

Es gab einen dumpfen, häßlichen Laut, als Burnettgegen De Fort prallte. Der Rollstuhl kippte zur Seite,und De Fort fiel heraus. Beim Fallen feuerte er aufBurnett, doch er traf nur die Seitenwand des

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Eingangs. Burnett packte die Hand mit dem Strahlerund drückte sie nach unten. De Fort entwickelteunglaubliche Kräfte. Er schwang Burnett mit sichherum. Sie stießen gegen das Gestell, in dem De Fortdie Kanone befestigt hatte. Da rutschte der Rollstuhlaus seiner bisherigen Lage und fiel auf BurnettsBeine. Burnett stieß den Waffenarm des Gegnersgegen das Kanonengestell. De Fort ließ den Strahlermit einem Aufschrei fallen. Burnett versuchte sichüber den anderen zu schieben, doch der Krüppel warauch außerhalb des Rollstuhls beweglich wie eineSchlange, jedenfalls solange sie beide am Bodenlagen. Burnett wollte den Strahler mit den Füßenwegschieben, doch der Rollstuhl klemmte seineBeine ein, so daß er sie kaum bewegen konnte. DeFort stöhnte, als müßte er um Luft ringen. DieMuskulatur seiner Arme war doppelt so stark wie dieeines normalen Mannes entwickelt. Burnett glaubtein einem Schraubstock zu stecken.

Eine Weile wälzten sie sich hin und her, ohne daßder eine oder andere einen Vorteil erreingen konnte.Da machte De Fort eine blitzschnelle Bewegung nachBurnetts Kehle. Der Chemiker fuhr unwillkürlichzurück und gab damit De Fort genügendBewegungsfreiheit, um nach dem Strahler zu greifen.

Burnett sah den Tod vor Augen, als sich dieMündung der Waffe allmählich gegen sein Gesichtrichtete. Plötzlich gab die Last des Rollstuhls aufBurnetts Beinen nach, und das Fahrgestell rutschte inRichtung auf ihre Köpfe zu. De Forts Schuß löstesich im gleichen Augenblick, als sein Arm von demKrankenstuhl einen unverhofften Stoß erhielt unddiesen zur Seite schleuderte.

De Fort schoß sich selbst in die Brust. Burnettstieß einen Entsetzensschrei aus. Vor seinen Augenwallten rote Schatten. Er schwankte zurück ins Innereder Höhle und übergab sich. Qualm und Gestankerfüllten die Höhle.

Burnett glaubte das Knirschen von Rädern auf demFelsboden zu hören. Allmählich gewann er dieFassung zurück und blickte zum Eingang. De Fortlag ganz ruhig unter dem Rollstuhl, halb in dieKanone hineingedrückt. Seine aufgerissenen Augenzeigten nichts mehr von dem Haß, der ihn beherrschthatte.

Burnett tappte wie ein Blinder auf den Toten zuund zerrte ihn in die Höhle hinein. Da De Fort denStrahlschuß aus einer Entfernung von nur wenigenZentimetern gegen sich abgefeuert hatte, war derAbwehrschirm nutzlos gewesen.

Burnett stolperte über die Trümmer desRollstuhles, als er hinaus wollte, um zum Plateauzurückzukehren. Zufällig blickte er ins Tal hinab. Ersah, daß das Diskusschiff jetzt gelandet war. Und ersah, daß die Schlacht bereits begonnen hatte. EineWeile stand er da, ein junger Mann, auf den

pausenlos neue Eindrücke einstürmten und versuchte,in das Chaos seiner Gedanken Ordnung zu bringen.Dann ging er zurück in die Höhle und begann, dieKanone wieder in ihre alte Stellung zu bringen.Burnetts Gesicht war hagerer geworden, es zeigteeinen verbissenen Zug. Der Kampflärm drang bis zuihm herauf. Er nahm sich nicht die Zeithinabzublicken. Hastig brachte er das Geschützwieder in Ordnung und lud es mit den viergestohlenen Bomben.

Dann legte er den Gürtel des Kampfanzugeswieder an. Er begab sich zur Kanone und visierte die.Zieloptik sorgfältig ein.

Dann hockte er sich nieder und wartete, währendim Tal die mörderische Auseinandersetzungzwischen Blues und Menschen ihren Höhepunkterreichte.

13.

Leclerc war ein guter Kommandant, der einegewisse innere Verbindung zu seinem Schiff besaß.Jedes Geräusch sagte ihm etwas von denGeschehnissen innerhalb des Schiffes. Es tat ihmkörperlich weh, wenn eines der Triebwerke fürSekundenbruchteile aussetzte, wenn ein Generatornicht genügend Energie lieferte oder ein Bildschirmunruhig flackerte. Leclerc war praktisch ein Teil desSchiffes, er war der Kopf eines gut funktionierendenGanzen, der die Koordination beherrschte.

Als er den Befehl zur endgültigen Landung gab,wurde er von einem unsicheren Gefühl erfaßt, dasvollkommen grundlos erschien, aber doch nichtabzuschütteln war. Da waren die beidenSchreckwürmer, die auf den Diskus zusprangen.Hinter ihnen zeichnete sich eine öde Landschaft ab.Nichts deutete darauf hin, daß Leclercs Ahnungenberechtigt waren.

Der Kommandant fühlte, wie das Schiff sanftaufsetzte, er war befriedigt über die korrekteAusführung dieser Landung.

Er erhob sich von seinem Platz und ging querdurch den Kommandoraum. Da erreichte ihn dieStimme des Beobachtungsoffiziers, sie machte ausseinen Ahnungen bittere Wirklichkeit. »Wir werdenangegriffen, Kommandant!«

Leclerc fuhr herum, sein hagerer Körper verdrehtesich förmlich, und der tellergroße Kopf schien derBelastung nicht standhalten zu wollen. Leclerc rastezu seinem Platz zurück. Auf den Bildschirmen derBodenortung zeigten sich leuchtende Punkte.

»Raketen!« schrillte Leclerc. »Jemand schießt mitRaketen auf uns!« Alle Ortungsgeräte desDiskusschiffes liefen jetzt auf Hochtouren. Esdauerte keine Sekunde, und man hatte das terranischeLager auf dem Plateau oberhalb des Tales erfaßt.

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Doch es war schon zu spät. Bevor Leclercüberhaupt einen weiteren Befehl geben konnte,zerschellten die ersten der dreißigH2O2-Raketenbomben auf dem Molkexpanzer desDiskusschiffes.

Die Explosionen waren relativ harmlos. Doch alsdas Diskusschiff die erste Salve in Richtung auf dasPlateau abgab, begann eine andere, vielfürchterlichere Wirkung einzusetzen, die Leclerc undseine Mannschaft in helle Panik versetzte.

*

Über sie hinweg schossen dreißig Flugkörper aufdas Schiff der Huldvollen zu. Bevor er den nächstenSprung ansetzte, würde sich entschieden haben, obdie neue Waffe der Terraner wirkungsvoll war.Peterle sah, daß Tommy ständig an seiner Seite blieb.Von dem jungen Schreckwurm drohte jetzt keineGefahr mehr, der Strudel der Ereignisse hatte ihnmitgerissen. Ergeben würde er dem älterenRassegenossen in den Kampf folgen.

Peterle sah voraus, daß er hier den Beginn einergewaltigen kosmischen Auseinandersetzungmiterlebte, in den ganze Sternenreiche mit verstricktwerden sollten. Das war kein Kampf mehr zwischenzwei Planeten, auch keine Reiberei zwischenfeindlichen Sonnensystemen, hier fand einVorgeplänkel statt, dem der Zusammenprall zweiergigantischer Imperien folgen würde. Ein Kriegzwischen Terranern und Blues würde die halbeGalaxis in Aufruhr versetzen, er würde wie einunlöschbarer Brand über die bewohnten Planetenhinweggehen, wenn es nicht einer Seite gelang, eineschnelle Entscheidung herbeizuführen.

Die Schlacht auf Tauta war eine Art Probe, aus derman schließen konnte, wie sich der Kampf in derZukunft entwickeln würde. Peterle machte dennächsten Sprung, er sah Tommys Körper an seinerSeite durch die dünne Luft fliegen, und bevor sieaufprallten, begann die Wirkung der terranischenWaffen am Molkexpanzer des Diskusschiffeseinzusetzen.

*

In der Enzyklopädie der Menschheit findet auchder aufmerksame Leser keinen detaillierten Berichtüber die Schlacht auf Tauta. Nicht etwa deshalb, weildie Chronisten diesem vorentscheidenden Kampfkeine Bedeutung beigemessen hätten, sondern weil ersich blitzschnell auf verschiedene Orte übertrug. Eswar nicht etwa so, daß einfach zwischen dem Lagerder Terraner und dem Diskusschiff ein Feuergefechtentbrannt wäre, sondern bereits nach wenigenMinuten waren beide Parteien in viele Gruppen

aufgeteilt, von denen jede einzelne alle Schrecknisseeines Kampfes mit supermodernen Waffenmiterlebte. Auch dem sorgfältigen Berichterstatterfällt es schwer, aus den zahlreich vorliegendenSchilderungen jene hervorzusuchen, die vielleicht dieSchlacht auf Tauta entschieden. Die zweiteSchwierigkeit liegt darin, den an der GeschichteInteressierten eine folgerichtige Handlungdarzubieten, aus der der Gesamtablauf der legendärenSchlacht zu erkennen ist.

Vielleicht bewerteten die Chronisten den Wert derTaten verschiedener Gruppen zu hoch, vielleichtließen sie sich von den Persönlichkeitenverschiedener Kämpfer beeinflussen, wer will dasheute noch sagen? Die gewaltige Bibliothek, die dieEnzyklopädie der Menschheit umfaßt, das größteGeschichtswerk, das jemals geschrieben wurde, kannnicht alle Einzelheiten aufnehmen, die vonBedeutung waren.

So verwischt sich Dichtung und Wahrheit, Mutund Feigheit, Sieg und Niederlage nur zu demendgültigen Ergebnis jener unvergeßlichen Schlacht.

Den auf strenge Handhabung der Überlieferungbedachten Leser verweist der Berichterstatter aufBand 2114 der Enzyklopädie der Menschheit, Seite456, Absatz acht, wo es wörtlich heißt:

Nach heftiger Gegenwehr des Feindes konnten dieTerraner auf Tauta den Sieg davontragen.

In Wirklichkeit sah das so aus:

14.

»Treffer!« brüllte Herisch - und dann noch einmal:»Treffer!« Dann zerschellten die Raketenbomben inso rascher Reihenfolge auf dem Molkexpanzer desfeindlichen Schiffes, daß Herischs Stimme versagte.Das Triumphgeschrei der Wissenschaftler undSoldaten hallte in seinem Helmlautsprecher wider. Erbeugte sich nach vorn, um besser durch die Zieloptikblicken zu können. Was er sah, ließ ihn den Atemanhalten. Die in den Bomben enthaltene Flüssigkeit,eine Mischung von Wasserstoffsuperoxyd und demB-Hormon, verteilte sich in unglaublicherSchnelligkeit über die Molkexschicht. Dabei schiensie das Bestreben zu haben, einen dünnen Film überdie Panzerung des Schiffes zu ziehen.

Herisch verfolgte das Phänomen. Mit vorAufregung zitternden Fingern wollte er eine schärfereEinstellung der Optik vornehmen, als ihn etwas mitunwiderstehlicher Gewalt packte und einige Meterüber den Boden schlittern ließ. Es gelang ihm, sichan einem Geschütz festzuhalten.

Pashaven schrie auf: »Sie schießen auf uns!«Das Plateau schien sich in eine lodernde Scheibe

verwandelt zu haben. In der Mitte des Lagers,ungefähr dort, wo die Kommandokuppel aufgebaut

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war, hatte ein grellfarbener Blitz alles in Trümmergelegt.

Herisch zog sich an dem Geschütz empor undstarrte ins Tal hinab. Eine weitere Salve der Gataserentlud sich Kilometer hinter dem Lager, zerriß dieLuft in einer dröhnenden Explosion und schuf einenblauweißen Vorhang ungebändigter Energie. Herischrechnete sich entsetzt aus, was geschehen wäre, wenndieser Schuß getroffen hätte.

Es gelang ihm, den Helm vor die Zieloptik desGeschützes zu bringen. Im Tal war die Höllelosgebrochen. Das Molkexschiff schien plötzlichlebendig zu werden. Das als unzerstörbar bekannteMaterial wallte und kochte, floß von der Stahlzelledes Schiffes herunter wie Wasser, während dieDämpfe den Himmel zu verdunkeln schienen.Herisch krächzte seinen Triumph ins Mikrophon,obwohl er sicher war, daß kein Mensch ihn verstehenkonnte. Hinter ihm krochen verletzte Männer überden Boden, während andere bereits wieder standen,die Geschütze besetzten und dasAvund-geschosseneSchiff unter Feuer nahmen.

Plötzlich war Dr. Kerrick neben ihm und hiebseine Faust auf Herischs Schulter.

»Der Panzer bricht!« schrie der Wissenschaftler.»Sehen Sie doch, Oberst! Die Substanz bewirkt eineAuflösung des Molkexstoffes.«

Das Schiff der Gataser wirkte jetzt nackt, anverschiedenen Stellen hing noch Molkex wie einhäßlicher Ausschlag auf der Stahlwandung. Jetztschlugen die Treffer der Terraner ein, nun erwies essich, wie schwach die Diskusschiffe ohne dasMolkex waren.

Unterhalb des Schiffs bildete sich allmählich einkochender Molkexsee, ein Gebilde, das Herisch aneine ungebändigte vulkanische Landschaft Erinnerte.Dabei wurde die Masse immer dünnflüssiger. Dernächste Schuß der Gataser traf wieder, der Bodenwurde in einer Breite von über hundert Meternaufgepflügt, die Erde verbrannte und bröckelteauseinander. Die riesige Furche setzte sich bis zumEnde des Plateaus fort, und mindestens siebenKuppeln der Terraner versanken darin.

Eine häßliche Narbe lief quer durch das Lager. ImEiltempo wurden die noch intakten Geschütze vonder anderen Seite auf die dem Tal zugewandte Seitedes Plateaus gebracht. Herisch war von stöhnendenund fluchenden Männern umgeben, aber in ihrenStimmen lag keine Resignation, sondern der festeWille, den Anfangserfolg in einen Siegumzuwandeln.

Minuten später war das Diskusschiff vollkommenvon Molkex entblößt. Seine dünnen Stahlwände, mitden primitiven Abwehrschirmen vermochten denterranischen Waffen keinen Widerstand zu bieten.Die Breitseite des Diskus wurde förmlich

durchlöchert. Das Kochen des Molkexsees ließ nach,die Masse erstarrte zu riesigen, brettflachen Fladen.Kaum war dies geschehen, da hob sich die gesamteMolkexmasse vom Boden ab und raste mitungeheurer Beschleunigung in den Morgenhimmelhinauf. Herisch glaubte zu träumen. Dann erinnerteer sich an den Drive-Effekt, von dem Dangerberichtet hatte. Hier mußten die gleichengeheimnisvollen Kräfte am Werk sein. Bevor errichtig darüber nachdenken konnte, war derRiesenfladen bereits aus seinem Blickfeldverschwunden. Herisch erkannte grimmig, daß sienun wiederum kein Molkex für Experimentierzweckezur Verfügung hatten. Da fiel ihm die ASUBAJA ein.Vielleicht gelang es Leutnant Wetzler, diesen Fladenim Weltraum einzufangen.

»Haben Sie das gleiche gesehen wie ich?« fragteDr. Kerrick den Oberst. Herisch nickte nur, ohne sichum das Staunen des Wissenschaftlers zu kümmern.Dieses Rätsel zu lösen mußte anderen vorbehaltenbleiben, sie hatten jetzt noch mit der Besatzung desDiskusschiffes Schwierigkeiten.

Er gab einem Offizier den Befehl, die ASUBAJAanzurufen, damit Wetzler auf das eigenartige Dingvorbereitet war, das in kurzer Zeit durch dasVagrat-System rasen würde.

Unten im Tal begannen die beiden Schreckwürmerdamit, das Schiff der Gataser unter Feuer zu nehmen.Die Energieschüsse, die diese Giganten mit ihrenorganischen Strahlern abgaben, brachen tiefe Löcherin die Wandungen des Schiffes.

»Drei Energiepanzer bemannen!« rief Herisch.»Sofort ins Tal fliegen und den Gegner unter Feuernehmen.«

Die Bedienungsmannschaften der flugfähigenPanzerfahrzeuge hasteten davon. Wenig spätersetzten sich die plump aussehenden Energiepanzervom Boden ab und rasten ins Tal.

Herisch teilte die verbliebenen Männer in vierGruppen ein und befahl ihnen, mit Hilfe ihrer Kampfanzüge sich vorsichtig dem feindlichen Schiff zunähern. Ein Teil der Soldaten und Wissenschaftlerwurde auf dem Plateau zurückgelassen. Die Bluesfeuerten noch immer vom Schiff aus, doch jetzt sounkonzentriert, daß die Treffer keine unmittelbarenSchäden anrichten konnten.

Herisch schaltete den Antrieb seinesKampfanzuges ein und hob sich vom Boden ab. Imgleichen Moment sah er, daß die Gataser begannen,das brennende Schiff zu verlassen. Herisch erschrak,als er sah, wieviel Gegner aus den Schleusen undSchächten herauskamen. Viele der Feinde trugenMolkexschutzanzüge. Der Oberst beglückwünschtesich zu seinem Entschluß, einen Teil derRaketenbomben noch aufgespart zu haben. Früheroder später würde er sie dringend benötigen. Das Tal

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war von Rauch und Dunst erfüllt. Das Diskusschiffwar kaum sichtbar, es war eingehüllt in Flammen undQualm. Herisch schaltete den Antrieb desKampfanzuges auf volle Kraft und flog an der Spitzevon einem Dutzend Männern dem Tal entgegen.

*

Verglichen mit dem Kampf unter dem Eis desvierzehnten Planeten im Verth-System, schien dieseSchlacht unter einem unglücklichen Stern zu stehen.Leclerc erkannte rasch, welche Wirkung die Raketender Feinde auf den Schutzpanzer des Schiffesausübten.

Sein Feuerbefehl kam viel zu spät, um das Lagerdes Gegners noch ernsthaft zu gefährden. Hilflosmußte der Kommandant zusehen, wie das Schiff diesichere Hülle verlor und den Angriffen ausgesetztwar, die pausenlos gegen sie vorgetragen wurden.Hinzu kam noch der Beschuß der beidenSchreckwürmer, die offensichtlich diese Falle geplanthatten.

Wäre Leclerc nicht zu sehr mit den Problemen dereigenen Sicherheit beschäftigt gewesen, er hätte sichzunächst nur um die Vernichtung der beiden Verrätergekümmert. Jetzt bewies es sich, daß sie dieSchreckwürmer längst hätten ausrotten sollen. Dasvorhandene Molkex hätte für ihre Zwecke genügenmüssen. Nun sah es so aus, als stellten sich diesewehrhaften Wesen auf die Seite des anderenImperiums. In Leclerc stieg der Verdacht auf, daßdiese so ungefügen Lebewesen bei weitem nicht soprimitiv waren, wie sie bisher gegenüber den Bluesden Anschein erweckt hatten. Das Schiff wurdedurch schwere Detonationen erschüttert. Leclercwußte, daß sie es auf die Dauer nicht halten konnten.Den Mannschaften an den Geschütztürmen befahl er,das fremde Lager unter Beschuß zu nehmen. DerVerlust des Molkex-panzers war ein unglaublichstarker psychologischer Vorteil für den Gegner.Leclerc mußte nicht erst die Gesichter der Männerum sich herum betrachten, um zu wissen, daß einePanik bevorstand. Zu sehr hatten sie demunzerstörbaren Panzer vertraut. Doch nun war dessenNimbus der Unschlagbarkeit vernichtet.

Hätte Leclerc in seinem Gesicht Gefühleausdrücken können, vielleicht hätte er in diesemAugenblick schmerzlich gelächelt. EineSchreckensmeldung nach der anderen erreichte ihn.

Er befahl der Mannschaft, die Schutzanzügeanzulegen. Für etwa dreihundert Mann standenMolkex-anzüge zur Verfügung. Dort draußenkonnten sie den Gegner vielleicht noch schlagen.

Leclerc verließ die Kommandozentrale undstürmte über den Hauptgang zur großen Schleuse. Erfand sie von einem Volltreffer durchlöchert.

Flammen züngelten an der Wand empor. DerGestank der brennenden Verkleidung ließ Leclerczurückweichen.

Hier gab es kein Entkommen mehr. Sie mußten dieseitlichen und rückwärtigen Schleusen benutzen.Leclerc traf auf eine Gruppe von dreißig Gatasern,die in blinder Flucht über den Gang rannten. Seinebefehlsgewohnte Stimme ließ sie anhalten.

»Wir befinden uns im Krieg«, sagte er verächtlich.»Wir werden unser Schiff verlieren, aber nicht diesenKampf. Los, verlaßt das Schiff und kämpft im Freiengegen den Feind weiter. Verteilt euch und greift ihnvon allen Seiten an. Wir sind in der Überzahl.«

Seine Stimme schien ihnen die Fassungzurückzugeben. Sie eilten davon, um sich Anzüge zubeschaffen. Leclerc stieg in einen abwärts führendenSchacht und ließ sich zur Verladeschleuse gleiten.Hier stauten sich aufgeregte Männer, die allehinauswollten. Bekümmert sah Leclerc, daß eingroßer Teil noch nicht einmal bewaffnet war.

Er schrie sie an und brachte Disziplin in ihreAufstellung. Leclerc war überall gleichzeitig. Ersorgte dafür, daß Waffen ausgeteilt wurden, daß dieMolkexanzüge nur von den besten Männern getragenwurden und daß das Ausschleusen reibungslos ablief.

Irgendein kopfloser Narr hatte die Klimaanlageeingeschaltet. Rauch wurde anstelle frischer Lufthereingeblasen. Die Männer, die noch keinen Anzughatten, flüchteten hustend in den Gang zurück.Leclerc zerschoß die Ausblasschächte, bis dasQualmen aufhörte. Als er sicher war, daß an derVerladeschleuse alles in Ordnung war, rannte er zurKommandozentrale zurück. Ein Gleitschacht brachteihn im Zeitraum von drei Sekunden vierhundertMeter weiter. Als er in die Zentrale stürmte, wardiese bis auf den Beobachtungsoffizier verlassen.Leclerc stöhnte auf. Die Feiglinge waren einfachgeflüchtet, als sie gemerkt hatten, daß es ernst wurdeund der Kommandant nicht mehr da war.

Ein Blick auf die Bildschirme zeigte Leclerc, daßsich die Terraner mit drei Flugmaschinen näherten.Weitere Gegner trieben durch die Luft auf das Schiffzu. Leclerc stellte die Verbindung mit denGeschütztürmen her, doch niemand meldete sich.»Was bedeutet das?« fauchte er denBeobachtungsoffizier an. »Wo sind die Männer anden Geschützen?«

Der Mann gab ihm keine Antwort. In rasendemZorn durchquerte Leclerc den Kommandoraum undversetzte dem Offizier einen Stoß gegen die Schulter.Der Mann kippte nach vorn, er sackte in sichzusammen, drehte sich um die eigene Achse und fielvor Leclerc nieder. Er war tot.

»Vor Angst gestorben«, höhnte Leclerc inverzweifelter Ironie.

Nun gut, wenn sie alle das Schiff verließen, dann

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wollte er den Fremden zeigen, wozu ein Gataser inder Lage war. Mit langen Schritten verließ er dieZentrale und benutzte den Aufwärtsschacht zumnächsten Geschützturm. Er fand dieBedienungsmannschaft tot in ihren Sitzen. Eingegnerischer Treffer hatte ein Leck in das Schiffgerissen und die Männer auf der Stelle getötet.

Leclerc keuchte, packte den Ersten Feueroffizieran den Füßen und zog ihn hinaus. Er arbeitete wie einRasender. Nachdem er alle vier Männer in den Ganggeschleppt hatte, nahm er sich die Zeit, durch dieSichtkammern hinauszublicken. Im Tal wimmelte esvon Gatasern. Kopflos liefen sie genau vor dieMündungen der terranischen Waffen. Der Drehkranzdes Strahlgeschützes war verklemmt. Leclerc riß eineStange aus der Halterung und benutzte sie als Hebel.Knirschend gab das Geschütz nach. Schließlichbrachte er es in eine halbwegs brauchbare Stellung.

Ein Gataser ohne Schutzanzug kamhereingetaumelt. Seine Katzenaugen richteten sichauf Leclerc, und er stammelte unverständliche Worte.Der Kommandant packte ihn und riß ihn zu sichherein. Der Mann war vor Angst halb wahnsinnig.

»Los!« schrie Leclerc über den Kampflärmhinweg, der durch das Leck hereindrang. »Wirnehmen eine dieser Flugmaschinen unter Feuer.«Wimmernd half ihm der Mann bei dem Laden desGeschützes. Leclerc entwickelte die Kräfte dreierausgewachsener Männer. Noch einmal mußte er dieStange benutzen, dann endlich schwenkte dasGeschütz herum. Mit einem Stoß beförderte Leclercden Mann an den richtigen Platz. »Anheben!« rief er.

Er wartete nicht darauf, daß sein Befehl befolgtwurde, sondern feuerte die volle Ladung hinaus.Durch den Qualm sah er die drei gepanzertenFlugzeuge immer näherkommen. Nichts schien sieaufhalten zu können. Von ihren Buggeschützen ausfeuerten sie in die verzweifelt schießenden Gataserhinein.

Leclerc sah, daß ihre Übermacht, auf die er gebauthatte, schnell zusammenschmolz. Noch war keineOrdnung in ihrem Vorgehen. Er mußte das Schiffjetzt verlassen und an der Spitze der Gataser gegenden Feind kämpfen. Von der Seite kam plötzlichkonzentriertes Feuer gegen die drei Flugzeuge.Leclerc schrie vor Freude auf. Das waren dieMänner, die von der Verladeschleuse aus kamen. Dergrößte Teil von ihnen trug schmiegsameMolkexanzüge. Leclerc wollte das Geschütz nocheinmal laden, als unterhalb des Turmes der größereder beiden Schreckwürmer auftauchte und eine volleLadung zu ihm herauf abschoß. Leclerc glaubte ineinen Blitz eingehüllt zu werden. Ein Feuerstromschien durch seinen Körper zu fließen, er spürtenoch, wie er mit Wucht gegen das Geschützgeschleudert wurde. Die Hitze war unerträglich. Das

Leck hatte sich um das Doppelte vergrößert, doch dassah Leclerc nicht mehr. Da explodierte die vordereHälfte des Diskusschiffes nach einem Volltrefferdurch ein Neutrinotorpedo, abgefeuert von einem derEnergiepanzer.

Wenn Leclerc in diesem Augenblick überhauptnoch gelebt hatte, dann starb er in der Detonation, dieden Diskus oberhalb des Geschützturmesauseinanderriß, die Stahlwände wie Papier verbogund eine sengende Glut durch die Gänge jagte.

Leclercs Körper fand ein mächtiges Grab - dasWrack eines der größten Diskusschiffe, über das dieFlotte der Gataser verfügte.

*

Der Qualm war jetzt so dicht, daß Burnett nichtssehen konnte außer den grellen Lichtblitzen weitererExplosionen. Der Schauplatz der Schlacht war ineinen Dunstvorhang eingehüllt. Auch das Plateauhatte weitere Treffer erhalten. Nur noch drei derKuppeln waren unversehrt geblieben. An den nochintakten Geschützen standen die zurückgebliebenenMänner, doch sie konnten es nicht riskieren, ins Talhinab Schüsse abzugeben, da die Gefahr bestand, daßsie Terraner trafen.

Burnett hatte vor wenigen Minuten Vagrat alstrübe Scheibe über den Horizont steigen sehen. DieSonne erhellte das grausige Bild des Krieges. Burnettverabscheute jeden Kampf, aber hier ging es um dieErhaltung der menschlichen Rasse. Es war etwasanderes, ob sich die Menschen untereinanderbekämpften oder einig gegen einen gnadenlosenFeind aus dem Weltraum zusammenstanden.

Burnett wußte, daß die Blues bisher jede andereRasse ausgerottet hatten, die ihnen im Weg war. DenMenschen stand das gleiche Schicksal bevor, wennsie sich nicht zur Wehr setzten. Rhodan würde fürden Frieden eintreten, doch die Blues warenüberheblich, ihre Molkex-schiffe machten siearrogant. Erst wenn ihre Sicherheit gebrochen war,konnte man mit ihnen verhandeln.

Burnett hatte die ganze Zeit über gegen dasVerlangen ankämpfen müssen, hinab ins Tal zuklettern, um sich in den Kampf einzumischen. Erahnte, daß er hier oben noch gebraucht wurde. Wennes einer Gruppe von Gatasern gelang, bis in dasLager durchzustoßen, konnte er von hier aus mit derKanone eingreifen. Dann galt es, genau zu zielen,damit die vier Bomben ausreichten, um eineEntscheidung zu erzwingen.

Burnett starrte ins Tal. Über Helmfunk kamenkeine Meldungen, aus denen er etwas entnehmenkonnte. Oberst Herisch schien lediglich daraufbedacht zu sein, die Stellungen seiner wenigenMänner ständig zu wechseln, um den Gatasern kein

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gutes Ziel zu bieten. Da zuckte Burnett zusammen.Rechts von ihm, dort wo die Felsen eine kompakte

Masse bildeten, war eine Bewegung entstanden. Erbeugte sich vor, um besser sehen zu können. Was ersah, ließ seinen Pulsschlag schneller werden. FünfzigGataser in Molkexanzügen kamen, einer hinter demanderen, zu den Höhlen heraufgeklettert.

Burnett kauerte sich hinter der kleinen Kanonezusammen und wünschte, er könnte so furchtlos seinwie Dr. De Fort.

*

Leutnant Wetzler kniff ein Auge zu und vermiedes, seine Überraschung zu zeigen. »Wonach, sagtenSie, sollen wir Ausschau halten?« fragte er FähnrichHastings. »Nach einem riesigen Molkexfladen«,erklärte Hastings ungerührt. »Von Tauta kam dieMeldung, daß einer unterwegs sei.«

»Von dreißigbeinigen Riesenspinnen hat niemandetwas gesagt?« erkundigte sich Wetzler säuerlich.»Nein, Sir. Bisher noch nicht.« Doch als derMolkexfladen auf den Bildschirmen der Raumortungauftauchte, legte Wetzler seinen Unglauben ab. DieMasse durchstieß mit phantastischer Geschwindigkeitden Asteroidengürtel und raste in Richtung desMilchstraßenzentrums davon. »Hinterher!« riefWetzler. »Ich glaube zwar nicht, daß wir das Dingjemals einholen, aber wir wollen es immerhinversuchen.« Die ASUBAJA kämpfte sich einen Wegaus den kosmischen Trümmern heraus in den freienWeltraum. Die Molkexmasse war nur noch auf denOrtungsgeräten auszumachen. Dann beschleunigteder Schlachtkreuzer, stieß in die Halbraumzone vorund begann den von geheimnisvollen Kräftenbewegten Molkexfladen zu jagen.

*

Sergeant Luttrop versuchte sich mit der Ideeanzufreunden, daß er nun eine Armee darstellte, dieden Angriff des Gegners auf das Plateau abzuwehrenhatte. Angespannt starrte er in den Qualm, aus demab und zu eine Gestalt herausgetaumelt kam, von derman erst nach Sekunden sagen konnte, ob es sich umeinen Terraner oder einen Gataser handelte.»Sergeant Luttrop, können Sie mich hören?« fragteda Herischs Stimme im Helmlautsprecher.

Luttrop fuhr zusammen. Wo mochte Herisch jetztsein? Irgendwo dort unten in dem Hexenkessel, daswar sicher. »Ja, Sir«, sagte Luttrop eifrig. »DasPlateau ist nach wie vor in unseren Händen.«

»Gut«, knurrte Herisch. »Einige der Gataserbesitzen Molkexanzüge. Es sieht so aus, als könntensie bis zu unserem Lager durchstoßen. Sobald sieauftauchen, müssen Sie dafür sorgen, daß sie mit dem

Rest der Spezialbomben vernichtet werden.«»Ja, Sir«, sagte Luttrop. Luttrop zählte die noch

verbliebenen Lafetten. Es waren insgesamt sieben,aber nur vier davon waren mit einer Mannschaftbesetzt. Zu ihrem Glück konnten die Gegner dasLager jetzt nicht mehr unter Beschuß nehmen. Dochdas konnte sich ändern, sobald einer Gruppe derDurchbruch gelang. Die Blues wußten, von wo ausdie terranischen Angriffe vorgetragen wurden, siewürden also versuchen, dorthin vorzustoßen. Luttropwußte, daß die Molkexanzüge den Feinden gutenSchutz boten. Dadurch hatten sie Gelegenheit, sichweiter vor zukämpfen. Luttrop vertraute auf dieMänner, die mit ihm zusammen das Lagerbewachten. Ein Teil von ihnen war verletzt, aber daserhöhte nur ihren Willen, eine Entscheidung zuerzwingen. Wieder kamen Gestalten aus dem Qualm.Diesmal taumelten sie nicht. Zielstrebig klommen sieaus dem Tal empor. Luttrop blickte durch das Glas.

Er fühlte einen Schock, denn er hatte nie gedacht,daß so vielen Blues der Durchbruch gelänge. Er hattejedoch keine Zeit, lange darüber nachzudenken. DieGataser machten den Fehler, dicht nebeneinander zugehen. Luttrop hoffte, daß sie das um den Siegbringen würde.

»Achtung, Sergeant!« rief da Herisch überHelmfunk. »Sie kommen.«

»Wir haben sie bereits gesehen, Sir«, bestätigteLuttrop grimmig. »Ich schicke Ihnen einen derRaupenpanzer zur Verstärkung«, kündigte Herischan. »Danke, Sir«, murmelte Luttrop.

Die Gataser kamen rasch näher. In denMolkexanzügen boten sie ein fremdartiges Bild.Luttrop blickte hinter sich und sah das, was er nochzu verteidigen hatte. Nur drei Kuppeln warengeblieben, das Plateau selbst schien von den Kralleneines Riesen aufgewühlt zu sein. Trotzdem warLuttrop sicher, daß sie das Lager würden haltenkönnen. Auf seinen Befehl hin begannen die Männeran den Lafetten mit den verbliebenenRaketenbomben auf die anrückenden Blues zuschießen. Innerhalb von Minuten stockte derVormasch und brach dann vollständig zusammen.

*

Herisch hing in einem Gewoge von Qualm undFeuer. Schräg unter ihm mußte sich das Wrack desDiskusschiffes befinden. Die dunklen Schatten, diedort unten herumliefen, waren Gataser. Den eigenenLeuten hatte der Oberst den Befehl gegeben, sich inder Luft zu halten. Nur auf diese Weise war es nochmöglich zu unterscheiden, wer Freund oder Feindwar.

Von Panik erfüllt, schossen die Gataser auf dieüber ihnen schwebenden Schemen. Zwischen den

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Terranern kreisten die Energiepanzer, deren Beschußden Widerstand des Gegners immer schwächerwerden! ließ.

Herisch war diese Vernichtungs-Schlacht zuwider,aber ein Blue ließ sich nicht gefangennehmen, ohnebis zum Umfallen zu kämpfen. Außerdem stand esnoch nicht fest, ob sie Tauta als Sieger verlassenwürden. Die Gataser waren in viele Gruppenzersprengt, sie kämpften an mehreren Ortengleichzeitig. So war es schwer zu übersehen, wiegroß die Verluste in den eigenen Reihen waren.

Herisch spürte, wie er von der Wucht einesEnergieschusses, den sein Abwehrschirm abfing,einige Meter zurückgetrieben wurde. Er feuerte mitdem Desintegrator auf drei undeutlich sichtbarwerdende Gataser. Einer von ihnen brach zusammen,kriechend versuchte er eine Deckung zwischen denFelsen zu erreichen. Die beiden anderen nahmenHerisch ins Kreuzfeuer. Herisch wollte denDeflektorschirm einschalten, um sich unsichtbar zumachen, als plötzlich der Abwehrschirm desKampfanzuges ausfiel. Ein Strahl glühender Energiezischte unmittelbar an dem Oberst vorbei. Herischverlor die Kontrolle über den Antrieb und trudeltedem Boden entgegen. Verzweifelt zerrte er amSchaltkasten des Gürtels. Etwas stimmte dort nicht.Doch alle Bemühungen waren vergebens. Immerweiter sackte er ab.

Der Oberst prallte auf. Als er über Helmfunk umHilfe rufen wollte, mußte er zu seinem Entsetzenfeststellen, daß auch dieser nicht mehr funktionierte.Er war jetzt vollkommen hilflos. Der erste Gataser,der ihn sah, konnte ihn ohne Schwierigkeitenerschießen. Zum Glück arbeitete dasSauerstoffaggregat noch, so daß Herisch nichtgezwungen war, die vergiftete Luft einzuatmen.

Er versuchte, sich in den Schwaden aufsteigendenQualms zu orientieren. Links vor ihm mußte dasausgebrannte Schiff stehen. Dort würde er zwarSicherheit finden, aber die Verbindung zu deneigenen Männern würde er nicht wiederherstellenkönnen.

Plötzlich kam aus dem Rauch ein Gataser auf ihnzu. Der Fremde war mindestens ebenso überraschtwie Herisch. Der Oberst fühlte die starrenKatzenaugen auf sich ruhen, ohne Gefühl, scheinbarvollkommen gleichgültig. Herisch schoß, doch dernormale Abwehrschirm des Gatasers hielt dereinfachen Belastung stand. Mit einem Satz schnellteHerisch in die Dunstglocke hinein, als auch schon dieHitze eines Thermoschusses um ihn zu brodelnbegann. Herisch warf sich zu Boden und kroch aufEllenbogen und Knien davon. Etwas blitzte nebenihm auf, aber es war nicht der Gataser, der auf ihngeschossen hatte.

Die Erkenntnis, daß er von den eigenen Männern

unter Feuer genommen wurde, ließ ihn entsetztweiterkriechen. Die Soldaten über ihm mußten ihnfür einen Gataser halten, denn er selbst hatte denBefehl gegeben, daß sich niemand am Bodenaufhalten sollte.

Ohne es zu wollen, gelangte er bei dem nochimmer brennenden Schiff der Blues an. Einigehundert Tote lagen in der Nähe der Ausgänge.Herisch schauderte, richtete sich auf und ranntegeduckt unter eine noch unversehrte Stahlwandungdes Diskusraumers. Hier hielt er inne, schweratmendgegen das erhitzte Metall gepreßt. Er war jetztvollkommen von der Schlacht abgeschnitten, erwußte nicht, ob die eigenen Männer irgendwo inBedrängnis waren. Bekümmert dachte er an SergeantLuttrop, der jetzt die schwierigste Aufgabe hatte, dasPlateau gegen die molkexgeschützten Gataser zuverteidigen.

Angestrengt dachte er nach, wie er Hilfebekommen konnte. Doch im Augenblick war jederder Terraner mit sich selbst beschäftigt. Noch war dieÜbermacht der Blues zu groß, als daß sich die erstenMänner auf den Boden gewagt hätten.

Gerade als sich Herisch nach vorn beugte, umfestzustellen, auf welcher Seite des Schiffes er sichbefand, wurde einige Meter über ihm ein Loch in dieWandung geschmolzen. Das Metall tropfte auf ihnherab, und er mußte sich mit einem Sprung inSicherheit bringen. Da drang eine gewaltige Gestaltaus dem Qualm. Herisch warf beide Arme in dieLuft. Das war einer der beiden Schreckwürmer, dieoffenbar noch immer das Schiff unter Beschußhielten. Er hoffte, daß der Gigant ihn sehen würde.Mit einem schnellen Griff riß er denSymboltransformer vom Gürtel.

»Komm hierher und hilf mir!« sendete er. Fastdachte er, daß der Schreckwurm sich zurückziehenwürde, doch dann änderte der gewaltige Körper dieeingeschlagene Richtung und kam auf Herisch zu.»Klettere auf meinen Rücken«, ordnete derSchreckwurm an. »Ich bringe dich hier heraus.«Herisch atmete auf und schwang sich auf denstahlharten Rücken des Monstrums. Geduldig wartetedas tonnenschwere Wesen, bis der Oberst einensicheren Platz erreicht hatte. Dann schlängelte es sichvom Schiff hinweg in den Rauchvorhang hinein. Woimmer Herisch einen Gataser auftauchen sah, schoßer auf ihn. Er erkannte, daß sie ohne die beidenSchreckwürmer keine Chancen gegen dieseÜbermacht gehabt hätten. »Kannst du mich auf dasPlateau bringen?« fragte er über denSymboltransformer an. »Ja«, sagte der Schreckwurm.Das entsprechende Symbol wurde Herisch durch dasÜbersetzungsgerät mitgeteilt.

Der Ritt, den er zurücklegte, führte sie mittendurch die noch umherstreifenden Horden der Blues.

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Der Schreckwurm schleuderte immer wieder seineEnergieblitze in die Reihen des Gegners. HerischsWaffe nahm sich dagegen fast kümmerlich aus.Nichts konnte den Riesen aufhalten. Herisch wurdekräftig durchgeschüttelt, hielt sich aber mit der einenHand fest. Allmählich ließ die Dichte des Qualmsnach. Bald konnte Herisch die nähere Umgebungerkennen. Zum erstenmal bekam er wieder Kontaktmit den eigenen Männern. Zwei Gestalten schwebtenzu ihm herab und landeten auf dem Rücken desRiesen. Herisch winkte den Männern zu, und siekrochen zu ihm heran. Er bedeutete ihnen, daß seinGürtel nicht funktionierte. Zu seiner Erleichterungerkannte er Korporal Blanco und einen derWissenschaftler. Blanco kam dicht zu ihm heran, sodaß sie sich auch ohne Helmfunk unterhaltenkonnten. »Das Triebwerk und der Helmfunk meinesAnzuges sind ausgefallen«, erklärte Herisch. »Wiesteht der Kampf?« Blanco machte eine allesumfassende Geste. »Die Blues sind fast aufgerieben«,berichtete er. »Einzelne Gruppen werden verfolgt.«

»Was ist mit unserem Lager?« erkundigte sichHerisch besorgt. Blanco sagte: »Das weiß ich auchnicht. Mit Luttrop hatte ich noch keine Verbindung.«

»Ich muß sofort zum Plateau«, sagte Herisch. »Ichweiß nicht, wie ich einen Sprung unseres Freundeshier überstehe, deshalb ist es vielleicht besser, wennSie und der Wissenschaftler mich in die Mittenehmen, damit wir zusammen losfliegen können.«Blanco setzte dem anderen Mann Herischs Planauseinander, und sie starteten vom Rücken desSchreckwurms aus. Sobald sie eine gewisse Höheerreicht hatten, wurde die Sicht klarer. Herisch stelltefest, daß sich der Rauch langsam aber sicher aus demTal verzog. Die Spuren des heftigen Kampfes warenjedoch nicht zu übersehen. Die beiden Männer hattenihn fest unter den Armen und schwebten dem Plateauentgegen. Als sie näher kamen, erkannte Herischkleine Figuren, die mit den Armen schwenkten.Unsagbare Erleichterung überkam ihn. Luttrop hattedas Lager gehalten.

Blanco und der Wissenschaftler hielten genau aufdas Plateau zu. Als sie landeten, kam Luttrop auf siezugerannt.

»Wir haben sie aufgehalten, Sir«, sagte er. »Sieliegen dort unten. Das Molkex ist jedoch wiederverschwunden.«

Herisch nickte nur. Es schien, als seien allegebrachten Opfer umsonst. Zwar wußten sie jetzt,daß Lemy Dangers Bericht richtig war, aber siehatten kein Molkex für weitere Versuche gewinnenkönnen. »Ich benötige einen neuen Kampfanzug«,sagte Herisch.

Da riß oberhalb des Lagers eine heftige Explosiondie Männer aus der Siegesfreude. Bestürzt blickteHerisch zu den Höhlen.

Was geschah dort oben? Hatte sich ein Teil derBlues dort verschanzt? »Schnell!« befahl er. »Denanderen Kampfanzug.«

Zwei Männer kamen mit einem neuen Anzug,während Herisch sich bereits des nutzlos gewordenenentledigte. Alles deutete darauf hin, daß dort oben einGefecht stattfand. Herisch wußte genau, daß erkeinen seiner Männer dorthin beordert hatte.

War der zweite Schreckwurm dort oben? Plötzlicherinnerte sich Herisch an De Fort und Burnett. Hastigverschloß er den Helm.

»Los!« befahl er. »Zu den Höhlen.«

*

Die Blues näherten sich in breiter Front, Burnettwußte, daß er jetzt nicht auf sie feuern konnte.Mindestens die Hälfte hätte den Beschuß überlebt. Ermußte warten, bis sie dichter nebeneinander waren.Noch nie hatte er solch einer Übermachtgegenübergestanden. Er besaß noch nicht einmalKampferfahrung. Das einzige, was er tun konnte,war, den Abzugshebel der Kanone im richtigenAugenblick zu betätigen.

Burnett war entschlossen, diesen Augenblickgenau abzupassen.

Die Gataser machten einen erschöpften Eindruck,sie kamen nur langsam voran. Sie wurden vonniemand verfolgt. Burnett wünschte, daß jetzt DeFort bei ihm wäre.

Er hätte über Helmfunk Hilfe anfordern können,doch es widerstrebte ihm, um Unterstützung zubitten. Er konnte nicht beurteilen, in welcher Lagesich die Terraner im Tal befanden. Wahrscheinlichhatten sie genügend eigene Schwierigkeiten.

Die fünfzig Gataser kamen immer näher. Burnettsah jetzt, daß eine größere Höhle ihr Ziel war, die imrechten Winkel zu seiner eigenen lag. Vorsichtigschwenkte Burnett die Kanone herum. Der Eingangder großen Höhle war so eng, daß sich die Blues aufengen Raum zusammenziehen würden. Das war derMoment, in dem er eingreifen mußte.

Mit aller Gewalt versuchte er sein Gewissen zubesänftigen, das sich dagegen sträubte, auf dieseWesen zu schießen. Im umgekehrten Falle zögertediese Rasse nicht, ganze Völker gnadenlosauszurotten, nur um neuen Lebensraum zu finden.Burnett sagte sich, daß er nicht nur zu seiner eigenenSicherheit schießen würde, sondern auch um dasLeben unzähliger intelligenter Wesen zu retten, dieein friedfertiges Leben führten.

Nicht zuletzt kämpfte er hier für den Fortbestandder menschlichen Rasse. Er erinnerte sich an dieWorte Perry Rhodans, die dieser einmal Vertreternder Presse gegenüber geäußert hatte. Auch Rhodanwar ein Gegner kriegerischer Auseinandersetzungen.

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Wenn es jedoch galt, die menschliche Rasse vorunbarmherzigen Feinden zu schützen, dann redeteauch Rhodan eine harte Sprache.

Burnett kauerte hinter der Kanone. Keine Sekundedachte er daran, daß auch er das Leben verlierenkönnte. Dieser Gedanke war plötzlich ausgelöscht.Der erste Gataser hatte den Eingang der anderenHöhle erreicht. Er winkte den anderen zu. Es war klarzu sehen, daß sich die Fünfzig hier versteckenwollten.

Burnett packte den Abzugshebel fester. DieRaketenbomben würden die Hoffnungen dieserWesen schnell zerstören.

Befriedigt sah er, daß der vordere Gataser wartete,bis die anderen allmählich aufrückten. Da wandtesich einer der Gegner in Burnetts Richtung. Burnettwar nicht sicher, ob man ihn sehen konnte. DreiSekunden später bestand daran kein Zweifel mehr,denn die Gataser stürmten über die Felsen auf ihn zuund begannen zu schießen. Burnett handelte reininstinkiv. Um ihn herum waren nur noch Hitze undherabregnendes Gestein. Felsen glasierten unter demwütenden Beschuß der Feinde.

Burnett schoß die erste Rakete ab, dann riß er dieKanone herum, feuerte zum zweitenmal und sah dieReihe der Anstürmenden zerbrechen. Ein Teil derAngreifer blieb auf der Strecke. Burnett war nicht sounklug, die beiden letzten Raketen zu vergeuden.Schnell hatten die Blues hinter Felsen Deckunggesucht, sobald sie die Gefährlichkeit des einzelnenTerraners erkannten. »Kommt aus euren Löchernhervor!« schrie Burnett.

Blut schoß in sein Gesicht. Es wurde ihm so übel,daß er sich mit beiden Händen an der Kanonefestklammern mußte. Er wußte nicht, ob derAbwehrschirm seines Anzuges noch intakt war. Erhatte auch keine Zeit, sich darum zu kümmern.Einige ungezielte Schüsse zischten über ihn hinweg.Aus der Höhlenöffnung quoll der Rauch in dichtenSchwaden.

Von der Seite sprangen sieben Gataser schießendauf ihn zu. Ihre raschen Bewegungen verhindertenein genaues Zielen - und das war ihr Verderben.Burnetts vorletzte Rakete machte ihrem Leben einEnde. Er lebte noch immer, aber das war mehr einGrund zum Wundern als zur Freude. SeineWidersacher waren jetzt vorsichtiger geworden.Burnett schätzte, daß noch etwa fünfzehn zwischenden Felsen steckten. Sie würden jetzt schlauergeworden sein und einzeln angreifen. Burnett verzogironisch das Gesicht. Für fünfzehn Blues besaß er nureine einzige Rakete.

Doch die Gegner wußten es nicht. Bestimmtdachten sie, daß sein Munitionsvorrat noch nichterschöpft sei. Also hatte er zumindest eine längereFrist.

Jetzt blieb ihm keine andere Wahl, als um Hilfe zurufen.

»Hier spricht Burnett«, sagte er in den Helmfunk.»Kann mich jemand hören.«

»Burnett!« das war Herischs Stimme. Sie klangerleichtert. »Wo stekken Sie dort oben?«

»In einer der Höhlen«, krächzte Burnett. »Ich binziemlich in Bedrängnis, Oberst. Vor mir versteckensich etwa fünfzehn Gataser in Molkex-anzügen, undich besitze nur noch eine einzige unsererSpezialbomben.«

Herisch überlegte einen Augenblick, dann meldeteer sich wieder.

»Wir haben auch keine H2O2-Bomben dabei«,sagte er niedergeschlagen. »Was können wir für Sietun?«

Burnett sah die ersehnte Hilfe bereits ausfallen.Angestrengt dachte er nach.

»Wenn es Ihnen gelänge, die Gegner zusammenvor meine Kanone zu treiben, könnte es vielleichtklappen, sie auf einmal zu erwischen«, sagte erschließlich.

»Wir versuchen es«, sagte Herisch, aber es klangnicht so, als habe er viel Vertrauen in diesen Plan.

*

Herisch fragte sich, wie Burnett zu einer Kanoneund den fehlenden vier Bomben gekommen war.Dieses Rätsel zu lösen, war aber im Augenblicksinnlos, denn es waren wichtigere Dinge zu tun. Ingeordnetem Flug schwebten sie zu den Höhlenempor. Burnetts - und auch ihre einzige Chance war,daß die Blues annahmen, daß auch die ankommendenTerraner über die Waffe verfügten, die ihreMolkex-schutzanzüge nutzlos machte.

Herisch flog an der Spitze. Er fand rasch heraus, inwelcher Höhle Burnett steckte, denn dort stieg Qualmauf.

Dann sah der Oberst den ersten Gataser. Doch derGegner machte keine Anstalten, Burnett anzugreifen.Er flüchtete auf eine andere Höhle zu. Nacheinanderfolgten ihm die vierzehn anderen Blues. »Sie sind aufund davon«, sagte Herisch erleichtert. »Kommen Sieda oben heraus, Burnett, bevor es zu spät ist.«

»Kommen Sie zu mir«, schlug Burnett vor. »Jetzthaben wir sie in der Falle. Was halten Sie davon,wenn wir uns das Molkex beschaffen, das jetzt dortin der Höhle steckt?«

»Sie scheinen ein wilder Krieger zu sein«, meinteHerisch anerkennend. Sie steuerten auf Burnett zu,der aus dem Höhleneingang herauskam und ihnenzuwinkte. Herisch und die anderen Männer landetenunmittelbar neben ihm. Burnett grinste erleichtert.»Wir schleppen die Kanone dort hinüber und nehmenden Gatasern die Molkexanzüge«, sagte er eifrig.

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»Das Molkex, das sich dann in der Höhle befindet,kann höchstens bis an die Decke fliegen, dort muß esanhalten.«

Herisch sah eine Möglichkeit, doch noch Molkexfür Experimente zu beschaffen. Es würde zwar nichtviel sein, aber den Wissenschaftlern bestimmtweiterhelfen.

Er leuchtete in die Höhle hinein und sah den totenDe Fort am Boden liegen. Burnett war seinem Blickgefolgt.

»Ich glaube, daß es einige Fragen zu stellen gibt«,sagte Herisch.

»Fragen Sie am besten sofort«, sagte Burnettgereizt. »Haben Sie vor, jetzt noch eineGerichtsverhandlung durchzuführen?«

Herisch deutete in die Höhle. »Was ist mit ihmgeschehen?«

Burnett straffte sich. »Er ist im Kampf gegen dieGataser gefallen«, sagte er. »Er hatte als einzigerMann im Lager genügend Weitblick, hier oben eineKanone aufzustellen, mit der er verhinderte, daß unsdie Blues von der Flanke her angriffen. Dafür solltenwir ihm dankbar sein.« Herisch senkte den Kopf.

»Dafür wird man ihm eine Gedenktafel setzen«,sagte er ruhig.

Burnett wandte sich ab und ging auf die Kanonezu. »Fangen wir doch an«, sagte er, »bevor dieBurschen wieder herauskommen.«

15.

Dreiundzwanzig Männer schritten langsamnebeneinander ins Tal hinab. Vor ihnen her gingenvierzehn gefangene Blues. Wie Burnett vorhergesagthatte, war es ihnen gelungen, die Gataser in derHöhle zu überwältigen. Einer hatte dabei das Lebenverloren, aber alle ihren Molkexschutz. An der Deckeder Höhle hing nun ein Molkexfladen. Die Felsenhatten den Drive-Effekt aufhalten können. Unten imTal warteten weitere achtundvierzig Männer undzwei Schreckwürmer auf die sich langsam abwärtsbewegende Gruppe. Die anderen Terraner hatten denTod gefunden. Von den Blues hatten nur die vierzehnGefangenen überlebt.

Es war kein Triumphzug, der sich dem Schauplatzder heftigsten Kämpfe zubewegte. Zu groß waren dieStrapazen, zu hoch der Preis gewesen. War das Talbereits nach dem Durchmarsch der Hornschreckeneine trostlose Landschaft gewesen, so glich es jetzteinem Bildnis des Schreckens.

Wie ein gigantisches Skelett ragte das Wrack desgatasischen Schiffes in die dünne Luft Tautas. Diedrei Energiepanzer waren gelandet, die Besatzungenstanden untätig.

Inzwischen hatte Herisch zwei Funksprücheabsetzen lassen. Einer galt der ASUBAJA, die nun

ihre vergebliche Jagd nach dem Riesenfladenabbrechen konnte, der andere sollte Perry Rhodanherbeirufen. Herisch hielt es für besser, jetztUnterstützung durch die Flotte anzufordern, denn eswar möglich, daß die Gataser ebenfalls weitereSchiffe um Hilfe gerufen hatten.

Das Vagrat-System konnte sich schnell in denSchauplatz einer Raumschlacht verwandeln.

Deshalb war es am besten, wenn sie hier so schnellwie möglich verschwanden.

*

»Nie in meinem Leben möchte ich noch einmal soetwas erleben«, klagte Dr. Sharoon, als er Burnettunter den dreiundzwanzig Mann entdeckte, die vomPlateau heruntergekommen waren.

Burnett freute sieht, daß der Wissenschaftler nocham Leben war. Gleich darauf tauchte auch Dr.Kerrick neben ihnen auf. Mit mürrischem Gesichtmusterte er Burnett.

»Wo, zum Teufel, haben Sie sich die ganze Zeitüber versteckt?« erkundigte er sich. »Ihre Taten aufder Erde haben mich zu der Annahme verführt, siekönnten den Gatasern hart zusetzen.«

Burnett lächelte schwach. Er fühlte eineausgedehnte Müdigkeit, die ihn wahrscheinlich nocheinige Tage niedergedrückt erscheinen lassen würde.»Wissen Sie, was ich die ganze Zeit überlegt habe,während die Blues auf mich schossen?« fragteKerrick. »Keine Ahnung«, murmelte Burnett. »Wieich Sie veranlassen könnte, Ihre Kündigung beiunserem Labor zurückzunehmen«, eröffnete ihmKerrick. »Aber ...«, begann Dr. Sharoon verwirrt.»Warten Sie!« unterbrach ihn Burnett schnell. »Ichweiß einen Weg«, sagte er zu Kerrick. »Sieverdoppeln mein Gehalt, erhöhen meinen Urlaub undmachen mich zum Experimentierchef.« In KerricksGesicht schien sich alles Leid dieser trostlosen Weltauszudrücken. »Wissen Sie, was mir an Ihnen sogefällt, Burnett?« fragte er. Burnett schüttelte denKopf.

»Ihre bescheidene Zurückhaltung«, erklärteKerrick düster. »Ihr Sinn für Humor und Ihr Hangzur Kleptomanie.«

»Er ist eben ein Mensch voller Tugenden«, schloßDr. Sharoon sarkastisch.

16.

Gleich einem schützenden Ring verteilten sichmehr als vierhundert Schlachtschiffe derImperiumsflotte um das Vagrat-System. Die ERICMANOLI stieß aus dem Verband heraus und setztezur Landung auf Tauta an. Das riesige Flaggschiffsetzte in unmittelbarer Nähe des Wracks auf. In der

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Kommandozentrale starrte Kors Dantur verblüfft aufdie Bildschirme, die ein naturgetreues Bild derLandschaft wiedergaben.

»Es ist erstaunlich, daß es hier überhaupt nochÜberlebende gibt«, dröhnte er. Rhodan nicktelangsam. Er hatte bereits von Oberst Herisch einenBericht erhalten, aber erst jetzt konnte er ermessen,was die Einsatztruppe geleistet hatte.

»Ich war von Anfang an der Meinung, daß wir aufTauta bleiben sollten«, sagte Dantur. »Mit der ERICMANOLI auf seiner Seite hätte Herisch keineVerluste aufzuweisen.« Der Epsaigeborene pflegtegegenüber jedem unverblümt seine Meinung zusagen, eine Angewohnheit, die Rhodan imponierte.Dantur war ein rauher, aber offener Mann, auf den ervertrauen konnte.

»Niemand konnte ahnen, daß die Blues ein derartgroßes Schiff hier landen würden«, sagte er. »Aberwir haben jetzt die Sicherheit, daß es eine Waffegegen den Molkexpanzer gibt.«

»Die Sicherheit - gewiß«, gab Dantur zurück. »Ichmuß Sie jedoch daran erinnern, Sir, daß wir nur nochwenig von dem B-Hormon zur Verfügung haben.Damit können wir vielleicht noch ein Schiff derGataser vernichten. Was aber tun wir, wenn sie zuTausenden kommen?«

Mit diesen wenigen Sätzen hatte Dantur das größteProblem des Vereinigten Imperiums dargelegt. Nochwar es den terranischen Wissenschaftlern nichtgelungen, das B-Hormon synthetisch herzustellen,obwohl sie zusammen mit den Aras und anderenRassen verzweifelt daran arbeiteten.

Es war nicht auszudenken, was geschehen konnte,wenn die Invasionsflotte der Blues im Solar-Systemeintraf, bevor die terranischen Schiffe ausreichendmit den Spezial-waffen ausgerüstet waren.

»Wir können nur hoffen, daß wir den Wettlaufgegen die Zeit gewinnen«, sagte Rhodan. SeinGesichtsausdruck blieb verschlossen. Zu oft in denvielen Jahren seines Lebens hatte er der gleichenSorge gegenübergestanden. Immer dann, wenn er dasvon ihm und seinen treuen Helfern geschaffeneSternenreich gesichert glaubte, tauchte eine neueGefahr auf, die es zu vernichten drohte.

Das Vereinigte Imperium stellte einen gewaltigenMachtfaktor dar, aber Rhodan war nicht so unklug, esfür unbesiegbar zu halten. Die Erfahrung hattegelehrt, daß auch schwache Gegner plötzlich überMittel verfügen konnten, um die terranische Machtschwanken zu lassen.

Rhodan fragte sich, wann er endlich aufhörenkonnte, sich Sorgen um die Menschheit zu machen.

Manchmal glaubte er, daß ihn ein Höherer dazuberufen hatte - dieser Glaube entsprang keinerÜberheblichkeit, eher einem stark ausgeprägtenVerantwortungsgefühl -, die Menschen sicher auf den

Weg zu den Sternen zu führen.Vom Standpunkt des Universums aus hatten sie

diesen Weg erst betreten, sie standen erst am Anfang.Der nächste Schritt, wenn es ihnen gelang, die

Blues zu schlagen, mochte Andromeda sein. Dieihrer eigenen Milchstraße nächstgelegene Galaxisübte einen unwiderstehlichen Reiz auf Rhodan aus.Sie schien ein lockendes Ziel zu sein - anziehend,aber auch bestimmt voller Gefahren.

Doch Andromeda lag noch fern, jetzt galt es, denBlues Widerstand entgegenzusetzen.

»Wir können jetzt aussteigen, Sir«, drang DantursStimme in seine Gedanken. »Die Männer habenbereits Kampfanzüge angelegt.«

Rhodan folgte Dantur zur Hauptschleuse und zogsich ebenfalls einen der Anzüge über. Dannschwebten sie zu den wartenden Männern desExperimentalkommandos hinab.

Im Hintergrund kauerten die beidenSchreckwürmer. Rhodan überblickte dasSchlachtfeld, und sein uralter Groll gegen den Kriegwurde in ihm wach. Doch dann wandte er seineAufmerksamkeit anderen Dingen zu.

Kaum war er gelandet, als Oberst Herisch auf ihnzukam und ihn begrüßte.

»Sie haben uns bereits ausführlich berichtet, wasgeschehen ist«, sagte Rhodan. »Wo halten sich diegefangenen Gataser auf?«

Herisch deutete auf einen der flugfähigenEnergiepanzer. »Wir haben sie dort eingesperrt«,berichtete er. »Was haben Sie mit ihnen vor, Sir?«

Rhodan wußte nicht, was er auf diese Frageantworten sollte. Vielleicht war es später einmalmöglich, mit den Blues Gefangene auszutauschen.Bisher war es nicht gelungen, Verhandlungen mit denBlaupelzen anzuknüpfen.

»Wir werden sie vorerst in das Schiff bringen«,ordnete Rhodan an.

Herisch zeigte zum Plateau hinauf. »Dort hattenwir das Lager aufgeschlagen«, berichtete er. »Weiteroberhalb können Sie die Höhlen erkennen. In einerkleben etwa dreißig Quadratmeter Molkex an derDecke. Die Höhle wird von zwei Männern bewacht.«Herisch räusperte sich. »Einige Wissenschaftlerhaben bereits versucht, mit den uns zur Verfügungstehenden Möglichkeiten das Molkex zu bergen, aberes scheint fest mit den Felsen verbunden zu sein.«

Rhodan nickte. »Wir werden es schon irgendwie indie ERIC MANOLI hineinschaffen«, meinte er.

Doch es wurde weitaus schwieriger, als er sich dasvorgestellt hatte. Das Molkex widerstand jedemchemischen Angriff. Schließlich gelang es mitmechanischen Werkzeugen und hydraulischenHebevorrichtungen, das an der Decke festsitzendeMaterial zu bergen. Das Neo-Molkex, wie das durchB-Hormon umgewandelte Material genannt wurde,

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sprach auf keine Traktorstrahlen oder Magnetfelderan. Es zeigte neue Fähigkeiten, die man erst im Laufeder Zeit würde analysieren können.Noch schwieriger erwies sich der Transport von derHöhle zum Flottenflaggschiff. Mehrere hundertMänner mußten eingesetzt werden, um den dreißigQuadratmeter messenden Fladen in die großeVerladeschleuse zu bringen.Inzwischen war ein Schneller Kreuzer derGalaktischen Abwehr gelandet und hatte die beidenSchreckwürmer an Bord genommen. Sie sollten nachTombstone gebracht werden.Rhodan, Dantur und Herisch standen nebeneinanderund beobachteten, wie es endlich gelang, das Molkexin die ERIC MANOLI zu schaffen.Oberst Herisch atmete hörbar auf. Rhodan warf ihmeinen verständnisvollen Seitenblick zu.»Sie fühlen sich wohl erst sicher, wenn wir wieder anBord sind?« erkundigte er sich.»Ja«, gab Herisch zu. »Aber erst, wenn wir dasVagrat-System nur noch als leuchtenden Punkt aufden Ortungsgeräten sehen, weiß ich, daß ich diesesKommando überlebt habe.«Kors Dantur gestattete sich ein ungedämpftesLachen, das wie ein aufkommendes Gewitter klang.Herisch starrte ihn entsetzt von der Seite an.»Ich sah Dr. De Fort nicht unter denWissenschaftlern«, sagte Rhodan beiläufig.»Er ist gefallen«, sagte Herisch kurz.»Er war ein eigenartiger Mann«, erinnerte sichRhodan. »Als ich ihn kennenlernte, hatte ich dasGefühl, ein Genie zu sehen, aber auch einenMenschen, der mit seinen Problemen nicht fertigwird.«»Er war sehr tapfer«, sagte Herisch.Rhodan spürte unbewußt, daß der Oberst nicht mehrüber dieses Thema sprechen wollte.»Kommen Sie«, sagte er. »Kehren wir ins Schiffzurück.«

*

Gregory Burnett genoß das Gefühl seine Beinebehaglich ausstrecken zu können. Um ihn herum wardie schützende Außenhülle der ERIC MANOLI, dievor wenigen Augenblicken von Tauta gestartet warund nun an der Spitze des Verbandes aus demVagrat-System hinausschoß.Sehnsüchtig dachte Burnett an die sechzigverschiedenen Cocktails, die in der Bar auf Terra aufihn warteten. In Zukunft würde er vorsichtiger sein,

wenn er Männern wie Jicks begegnete.Jemand klopfte an die Kabinentür, und Dr. Kerrickkam herein. Das Gesicht des Chemikers warausnahmsweise freundlich, aber das erweckte nurMißtrauen in Burnett.Kerrick betrachtete eingehend den lang ausgestrecktdaliegenden Burnett.»Sie müssen hier ausziehen«, sagte er dann.Burnett zog langsam die Beine an. Er glaubte, nichtrichtig gehört zu haben.Kerrick ging zum Warmwasserbereiter und bereitetesich einen Kaffee zu. Burnett sah ihm sprachlos zu.»Beeilen Sie sich«, forderte ihn Kerrick schließlichauf. »Ich bin müde.«»Dies ist meine Kabine«, knurrte Burnett.»Irrtum«, bedauerte Kerrick. »Sie müssen siebenTüren weiter. Diesen Raum hat man mir zugeteilt.«Umständlich stand Burnett auf und suchte seineSachen zusammen. »Schließlich ist es gleichgültig, inwelcher Kabine man sich aufhält«, sagte er beimHinausgehen. »Eine kluge Erkenntnis«, rief Kerrickhinter ihm her. Fluchend ging Burnett über den Gang,zählte sieben Türen ab und stieß den Eingang der vorihm liegenden Kabine auf. Vor ihm, auf engstemRaum zusammengedrängt, hockten rauchende undschwätzende Raumfahrer.»Kommen Sie nur herein«, forderte ihn einuntersetzter Mann auf. »Dr. Sharoon sagte uns schon,daß Sie Gesellschaft lieben. Er hat sich dafüreingesetzt, daß Sie während der Fahrt bei uns sind.Wir werden uns schon vertragen. Dort hinten ist nocheine Koje frei. Die dritte von unten.«»Danke«, sagte Burnett und schwankte in denüberfüllten Raum. Man sollte tatsächlich Männer wieJicks vorsichtig behandeln und ihnen möglichst ausdem Weg gehen. Um Männer wie Dr. Sharoonjedoch machte man am besten einen weiten Bogen.Mit diesem Gedanken bahnte sich Burnett einen Wegdurch die überall sitzenden Männer, versuchte ihrGerede und den Gestank ihrer Zigaretten einfach zuignorieren und warf - seine Sachen in die angegebeneKoje. Jemand forderte ihn zum Mitmachen bei einemKartenspiel auf, aber - Burnett hörte überhaupt nichtzu. Müde ließ er sich in die Koje sinken, Dr. Sharoonhatte sich für den Streich mit den Karottensamenrevanchiert.

E N D E

»Die Panzerbrecher« operierten mit großem Erfolg - doch was nützt eine Waffe, die sich noch nicht in Massen

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herstellen läßt, während der Gegner bereits mit massierten Kräften angreift.Wissenschaft und Technik des Vereinten Imperiums stehen in einem verzweifelten WETTLAUF GEGEN DIEZEIT!WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT - so lautet auch der Titel des von Kurt Brand verfaßten Perry-Rhodan-Romansder nächsten Woche!

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